In freundschaftlicher Zusammenarbeit mit VALERY GERGIEVS DAS FESTIVAL DER MÜNCHNER PHILHARMONIKER Freitag 11_11_2016 Sonntag 13_11_2016 WAGNER MOZART PROKOFJEW Die ersten Veröffentlichungen unseres neuen MPHIL Labels Valery Gergiev dirigiert Bruckner 4 & Mahler 2 zusammen mit den Münchner Philharmonikern mphil.de 119. Spielzeit seit der Gründung 1893 VALERY GERGIEV, Chefdirigent PAUL MÜLLER, Intendant LIEBE MÜNCHNERINNEN UND MÜNCHNER, LIEBES PUBLIKUM, nach dem großartigen Erfolg des letztjährigen Festivals freue ich mich, zusammen mit Ihnen die Idee von »Drei Tage Musik für alle« fortführen zu können. Uns stehen wieder drei spannende Tage bevor: das Eröffnungskonzert am Freitag, der abwechslungsreiche Samstag mit vielen verschiedenen Programmen für Groß und Klein aus unterschiedlichen Musikrichtungen, Literatur, Film und Tanz. Der Sonntag ist dann bestimmt von drei Symphonie-Konzerten in der Philharmonie. Seien Sie neugierig und lassen Sie sich überraschen! Zusammen mit unseren Kooperationspartnern erwartet uns ein vielfältiges Programm rund um das Thema »Prokofjew, Liebe, Tanz und Märchen«. Dieses Jahr erneut im Fokus: Prokofjews Musik, die unter anderem in zwei Marathon-Programmen zur Aufführung gebracht werden wird. Am Samstag steht zu Beginn Prokofjews »Peter und der Wolf« auf dem Programm. Anschließend sind alle Klaviersonaten Prokofjews zu erleben, gespielt von vier Gewinnern des Tschaikowsky-Wettbewerbs und kombiniert mit Klaviersonaten Domenico Scarlattis. In den Konzerten am Freitag und Sonntag stehen alle Symphonien Prokofjews auf dem Programm, jeweils kombiniert mit den Violinkonzerten Mozarts: der Brückenschlag zwischen der deutschen und russischen Musikgeschichte. Interpretiert werden die Violinkonzerte von jungen internationalen Nachwuchskünstlern. Dazu »meine« beiden Orchester und ich am Pult. Seien Sie Gast beim Marathon rund um Prokofjew und lassen Sie sich von unserer Begeisterung anstecken! Ihr Valery Gergiev Grußwort LIEBE FREUNDINNEN UND FREUNDE DER MÜNCHNER PHILHARMONIKER, ich heiße Sie als Vorsitzender der »Freunde und Förderer der Münchner Philharmoniker« beim diesjährigen Festival MPHIL 360° sehr herzlich willkommen und freue mich, Sie auf eine spannende Reise rund um das Thema »Prokofjew, Liebe, Tanz und Märchen« mit einladen zu dürfen. Uns erwarten drei Tage voller Musik, dazu Veranstaltungen mit Tanz, Literatur und Educationprojekten. Erleben Sie internationale Nachwuchskünstler an Violine und Klavier und genießen Sie einen Prokofjew-Marathon der besonderen Art: alle Klaviersonaten und Symphonien Sergej Prokofjews innerhalb von drei Tagen in der Philharmonie im Gasteig kombiniert mit Klaviersonaten Domenico Scarlattis und den Violinkonzerten Wolfgang Amadeus Mozarts. Neben den »Hausherren« – den Münchner Philharmonikern und ihrem Chefdirigenten Valery Gergiev – ist das Mariinsky Orchester aus St. Petersburg zu Gast, das mit jeweils zwei Konzerten an Samstag und Sonntag zu erleben sein wird. Über 10 Veranstaltungen im ganzen Gasteig für Groß und Klein sind am Samstag geboten: von Familienkonzert über Kammermusik zum Streichorchester bis hin zu Educationprojekten, Kurzfilmen und Literatur-Lesungen. In Kooperation mit dem Bayerischen Staatsballett II, der Heinz-Bosl-Stiftung, Access to Dance und Joint Adventures entstehen spannende Tanz-Produktionen rund um das Thema »Romeo & Julia« und Prokofjew. Und auch die Jüngsten unter uns werden bei »Peter und der Wolf« und den »Community Music«-Veranstaltungen auf ihre Kosten kommen. 3 Solisten, 2 Orchester, 1 Dirigent: der Sonntag ist von höchster Virtuosität geprägt. Kern des Programms sind die Symphonien Prokofjews, jeweils kombiniert mit einem der Violinkonzerte Wolfgang Amadeus Mozarts. Freuen Sie sich mit mir auf drei spannende und inspirierende Tage! Ihr Stefan Mayerhofer Grußwort Freitag, 11_11_2016 20 Uhr SERGEJ PROKOFJEW Symphonie Nr. 1 D-Dur op. 25 »Symphonie classique« 1. Allegro | 2. Larghetto | 3. Gavotta: Non troppo allegro | 4. Molto vivace WOLFGANG AMADEUS MOZART Konzert für Violine und Orchester Nr. 5 A-Dur KV 219 1. Allegro aperto | 2. Adagio | 3. Rondeau: Tempo di Menuetto RICHARD WAGNER »Parsifal«, konzertante Aufführung des III. Aufzugs VALERY GERGIEV, Dirigent DANIEL LOZAKOVICH, Violine KATHARINA RITSCHEL, Kundry | SERGEJ SEMISHKUR, Parsifal EVGENY NIKITIN, Amfortas | RENÉ PAPE, Gurnemanz PHILHARMONISCHER CHOR MÜNCHEN, Einstudierung: Andreas Herrmann KNABENSTIMMEN DER AUGSBURGER DOMSINGKNABEN, Einstudierung: Reinhard Kammler MÜNCHNER PHILHARMONIKER Sonntag, 13_11_2016 11 Uhr SERGEJ PROKOFJEW Symphonie Nr. 3 c-Moll op. 44 1. Moderato | 2. Andante | 3. Allegro agitato 4. Andante mosso – Poco più mosso (Allegro moderato) WOLFGANG AMADEUS MOZART Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 B-Dur KV 207 1. Allegro moderato | 2. Adagio | 3. Presto SERGEJ PROKOFJEW Symphonie Nr. 5 B-Dur op. 100 1. Andante | 2. Allegro marcato | 3. Adagio | 4. Allegro giocoso VALERY GERGIEV, Dirigent VILDE FRANG, Violine MÜNCHNER PHILHARMONIKER Programm Sonntag, 13_11_2016 14 Uhr SERGEJ PROKOFJEW Symphonie Nr. 2 d-Moll op. 40 1. Allegro ben articolato | 2. Tema con variazioni WOLFGANG AMADEUS MOZART Konzert für Violine und Orchester Nr. 4 D-Dur KV 218 1. Allegro | 2. Andante cantabile | 3. Andante grazioso – Allegro, ma non troppo SERGEJ PROKOFJEW Symphonie Nr. 7 cis-Moll op. 131 1. Moderato | 2. Allegretto | 3. Andante espressivo | 4. Vivace VALERY GERGIEV, Dirigent YU-CHIEN TSENG, Violine MARIINSKY ORCHESTER Sonntag, 13_11_2016 17 Uhr SERGEJ PROKOFJEW Symphonie Nr. 4 C-Dur op. 47/112 1. Andante – Allegro eroico | 2. Andante tranquillo | 3. Moderato, quasi allegretto 4. Allegro risoluto – Andantino WOLFGANG AMADEUS MOZART Konzert für Violine und Orchester Nr. 3 G-Dur KV 216 1. Allegro | 2. Adagio | 3. Rondeau: Allegro SERGEJ PROKOFJEW Symphonie Nr. 6 es-Moll op. 111 1. Allegro moderato | 2. Largo | 3. Vivace VALERY GERGIEV, Dirigent ALEXANDRA CONUNOVA, Violine MARIINSKY ORCHESTER Sämtliche Konzerte des MPHIL 360° Festivals 2016 werden von Medici TV per Livestream auf www.medici.tv übertragen und im Anschluss in der Mediathek verfügbar sein. Programm 6 Die Symphonien von Sergej Prokofjew MARCUS IMBSWEILER SERGEJ PROKOFJEW (1891–1953) Symphonie Nr. 1 D-Dur op. 25 »Symphonie classique« 1. Allegro 2. Larghetto 3. Gavotta: Non troppo allegro 4. Molto vivace Symphonie Nr. 2 d-Moll op. 40 1. Allegro ben articolato 2. Tema con variazioni Symphonie Nr. 3 c-Moll op. 44 1. Moderato 2. Andante 3. Allegro agitato 4. Andante mosso – Poco più mosso (Allegro moderato) Symphonie Nr. 5 B-Dur op. 100 1. Andante 2. Allegro marcato 3. Adagio 4. Allegro giocoso Symphonie Nr. 6 es-Moll op. 111 1. Allegro moderato 2. Largo 3. Vivace Symphonie Nr. 7 cis-Moll op. 131 1. Moderato 2. Allegretto 3. Andante espressivo 4. Vivace Symphonie Nr. 4 C-Dur op. 47/112 1. Andante – Allegro eroico 2. Andante tranquillo 3. Moderato, quasi allegretto 4. Allegro risoluto – Andantino Sergej Prokofjew: Die sieben Symphonien 7 Sergej Prokofjew – die letzte Photographie (1952) Sergej Prokofjew: Die sieben Symphonien 8 DER SYMPHONIKER PROKOFJEW Neben Mjaskowsky und Schostakowitsch zählt Sergej Prokofjew zweifellos zu den wichtigsten russisch-sowjetischen Symphonikern des 20. Jahrhunderts. In seinen sieben vollendeten symphonischen Werken spiegelt sich das gesamte Panorama seiner kompositorischen Entwicklung, zudem beschäftigte er sich sowohl in seinen Anfangsjahren (unveröffentlichte Jugendsymphonien) als auch in den letzten Monaten seines Lebens (Revision der »Zweiten«) mit der Gattung. Und doch bestehen Unterschiede. Das betrifft nicht nur die Zahl der Werke; Schos­ takowitsch schrieb 15 Symphonien, Prokofjews langjähriger Freund Mjaskowsky sogar 27 ! Entscheidender ist, dass sich deren Wirken in Auseinandersetzung mit der jüngeren Tradition vollzog, mit den Symphonien eines Schumann, Tschaikowsky, Brahms und Mahler. Bei Prokofjew dagegen lässt sich über längere Zeit eine Art Verweigerungshaltung ausmachen. Während seine 1. Symphonie jegliche Verbindung zur Romantik mutwillig kappt, ist die 2. dem singulären Modell einer Klaviersonate nachgestaltet. Die Musik der beiden folgenden Werke entstammt sogar gattungsfremden Kontexten: Oper und Ballett. Erst mit der 5. Symphonie, die dann auch prompt eine seiner populärsten wurde, leistete Prokofjew einen Gattungsbeitrag im traditionellen Sinn – als 53-Jähriger, an der Schwelle zum Spätwerk. DIE SIEBEN SYMPHONIEN Prokofjews Erstling, die »Symphonie classique«, ist nicht ohne Vorgänger. Zu ihnen zählen zwei Jugendsymphonien, von denen die zweite immerhin vom Petersburger Hof­ orchester aufgeführt wurde, sowie die Sinfonietta A-Dur aus dem Examensjahr 1909. Schon in diesen frühen Werken zeichnet sich eine dezidiert antiromantische Haltung ab, die laut Prokofjew auf »Konzen­ tration statt Langatmigkeit« setzt und – im Fall der Sinfonietta – auf historisierende Tonfälle. Auch für die 1916/17 komponierte 1. SYMPHONIE wählte Prokofjew den historisierenden Zugriff: »Wenn Haydn heute noch lebte, dachte ich, würde er seine Art zu schreiben beibehalten und dabei einiges vom Neuen übernehmen. Solch eine Symphonie wollte ich schreiben.« Als klassisch dürfen nicht nur die Viersatzanlage des Werks, seine Kürze und durchsichtige In­ strumentation gelten, sondern auch die prägnanten Themen und ihre klare harmonische Struktur. Allerdings ist diese Struktur eine andere als zu Lebzeiten Haydns; immer wieder kommt es zu einem skurrilen Nebeneinander weit entfernter Tonarten, zu leiterfremden Tönen und harmonischen Umwegen. Auch Übertreibung gehört zu Prokofjews kompositorischen Stilmitteln, etwa bei den Riesensprüngen des Seitenthemas im 1. Satz. An diesen Stellen fällt die Musik gleichsam aus der Rolle, wird der Abstand zum historischen Modell greifbar. Sieben Jahre später: eine völlig neue Situation. Seit 1918 lebte Prokofjew im Westen, hatte Konzerte in der ganzen Welt gegeben und sich schließlich in Paris niedergelassen. Dort, im Zentrum der künstlerischen Moderne, sah man in ihm keineswegs den Skandalkomponisten, sondern einen von zahlreichen ausländischen Musikern, der erst noch den Beweis antreten musste, zur Avantgarde zu gehören. »Hier«, erinnerte sich Prokofjew, »erhob Sergej Prokofjew: Die sieben Symphonien 9 sich zum ersten Mal ein Vorwurf, der mir dann oft gemacht wurde: dass ich alte Sachen aufwärme. Ich entschloss mich zur Komposition einer großen Symphonie.« Das klingt widersprüchlich, denn mit der klassischsten aller Orchestergattungen verbanden in den Zwanzigern wohl nur die Wenigsten die Idee vom musikalischen Fortschritt. Tatsächlich blickt Prokofjews 2. SYMPHONIE sowohl nach vorn als nach hinten: Formal orientiert sie sich an Beet­ hovens letzter Klaviersonate, mit einem aufwühlenden ersten Satz, dem Variationen über ein schlichtes Liedthema folgen. Klanglich sucht sie den Anschluss an die Pariser Moderne, an die geballten Eruptionen von Honeggers »Pacific 231«: eine Symphonie »aus Eisen und Stahl«, deren orchestraler Aufwand ihresgleichen sucht. Die Symphonien Nr. 3 und 4 entstanden ebenfalls in Frankreich, und zwar in einer Zeit, als Prokofjew, trotz zunehmender Erfolge im Westen, verstärkt den Kontakt zur alten Heimat suchte. In beiden Fällen handelt es sich um »Zweitverwertungen« von Bühnenmusik. So gelang es Prokofjew nicht, seine große Oper »Der feurige Engel« (1919–23) zur Aufführung zu bringen. Um die Musik wenigstens teilweise zu retten, stellte er 1928 Teile von ihr zu seiner 3. SYMPHONIE zusammen. Im Eröffnungssatz gehen die Hauptthemen auf Leitmotive der Oper zurück, der Durchführungsabschnitt auf den Konflikt zweier Protagonisten. Der langsame Satz bedient sich der Vorlage eher kleinteilig-montageartig (was man allerdings nicht hört), Scherzo und Finale verwenden größere Blöcke. Prokofjew freilich verwies stets auf die Eigenständigkeit der Symphonie, die sich vom Inhalt und den Figuren der Oper gelöst habe. Und zwar mit der Begründung, »dass die wichtigsten Themen, die in den >Feurigen Engel< aufgenommen wurden, noch vor Beginn der Arbeit an der Oper komponiert wurden. Als ich sie dann für die 3. Symphonie verwendet habe, sind sie einfach in den Schoß der symphonischen Musik zurückgekehrt.« Tatsächlich speisen sich Teile der Oper aus den Entwürfen zu einem diatonischen (leittonfreien) Streichquartett – gut zu hören am Beginn des Andante. Bei der 1929/30 komponierten 4. SYMPHONIE griff Prokofjew auf das biblische Ballett »Der verlorene Sohn« zurück. Dieses hatte im Mai 1929 eine erfolgreiche Uraufführung erlebt, verschwand nach dem plötzlichen Tod des Verantwortlichen Diaghilew aber bald von der Bühne. Was für die »Dritte« gilt, gilt entsprechend auch hier: Prokofjew fügte unterschiedliche Motive und Passagen der Vorlage unter symphonischen Gesichtspunkten neu zusammen. Um wieder ein Beispiel aus dem 1. Satz zu geben: Der »heroische« Hauptgedanke und das ruhige, von der Flöte vorgetragene Seitenthema gehen auf unterschiedliche Szenen des Balletts zurück, die Einleitung wurde hinzukomponiert. Charakteristisch für die 4. Symphonie ist nicht nur ihre gestische, bühnentaugliche Qualität – die hat Prokofjews Musik fast immer. Sondern: eine Tendenz zu prägnanter Schlichtheit, zu klassischer Kühle, wie sie auch andere Werke dieser Jahre prägt (Streichquartett h-Moll, 4. Klavierkonzert). Für Prokofjew war die »Vierte« eine Herzensangelegenheit, und zwar »wegen ihres Mangels an Lärm und ihres reichhaltigen Materials«. Bei den Zeitgenossen dagegen stieß sie auf Ablehnung, auch wegen der als fragwürdig angesehenen Übernahme symphoniefremden Materials. Nach Sergej Prokofjew: Die sieben Symphonien 10 Pjotr Kontschalowskij: Sergej Prokofjew (1934) Sergej Prokofjew: Die sieben Symphonien 11 den Erfolgen seiner Symphonien Nr. 5 und 6 in der UdSSR versuchte Prokofjew, auch die »Vierte« ansprechender zu gestalten, durch eine komplette Umarbeitung, die auf glanzvollere Instrumentation und größere Dimensionen setzte. Aber auch diese neue Version mit der Opusnummer 112 blieb ein Stiefkind des Repertoires. 14 Jahre vergingen bis zur nächsten Symphonie. In der Zwischenzeit hatte sich Prokofjew in der Sowjetunion niedergelassen, hatte staatliche Förderung und Repression gleichermaßen erlebt. Die 1944 komponierte 5. SYMPHONIE entstand unter dem Eindruck des verheerenden Zweiten Weltkriegs, vermeidet aber jeden direkten Bezug zu den Ereignissen. Prokofjew wollte sie allgemeiner verstanden wissen, als Beitrag zur »Größe des menschlichen Geistes«. Gegen ihre Vereinnahmung als »Kriegssymphonie«, auch durch Freunde wie den Pianisten Swjatoslaw Richter, half das freilich nicht. Kurz vor ihrer Uraufführung am 13. Januar 1945 erreichte Moskau die Nachricht vom Weichsel-Übergang der Roten Armee. Dass die »Fünfte« zur populärsten Symphonie Prokofjews wurde (im Osten wie im Westen), liegt an ihrer plastischen Bildsprache in der Tradition russischer Symphonik, an ihrem melodischen Reichtum und der stilistischen Bandbreite zwischen Pathos und Groteske. Was die ersten Sätze an Fragen und Spannungen aufwerfen, wird im Finale gelöst, zunächst spielerisch, dann zunehmend affirmativ, durch zitierendes Einblenden früherer Themen. »Etwas Olympisches« entdeckte Richter in dieser Konzeption: Prokofjew »blickt von der Höhe auf sein Leben und auf alles, was war, zurück«. Retrospektiv gibt sich auch die im Anschluss (1945–47) komponierte 6. SYMPHONIE. Um sie zu charakterisieren, wählte Prokofjew ganz ähnliche Worte wie bei der »Fünften«: In ihr schlage sich »meine Begeisterung über die Macht des menschlichen Geistes« nieder. Dabei ist der Klangeindruck insgesamt deutlich dunkler, düsterer als der des Vorgängerwerks. Hinzu kommt, dass die beiden ersten Sätze keinen traditionellen Themengegensatz ausprägen; eine ruhige lyrische Grundstimmung dominiert. Der Kontrast wird verlagert: auf die Durchführung im 1. Satz, die eine eindrucksvolle Trauermarschepisode enthält, und auf schrille Zuspitzungen im Largo, die sowjetische Kritiker mit den Kriegsereignissen in Verbindung brachten. Auch Prokofjew soll auf die »nicht vernarbten Wunden« des Weltkriegs verwiesen haben. Eine Aufhellung bringt das federnde Finale in anfangs ganz reinem Es-Dur. Tänzerisch beschwingt scheint das Stück zu Ende zu gehen, doch in einer Coda legen sich Erinnerungen an den 1. Satz wie ein Schatten über das Geschehen. »Ich wollte nicht, dass man das Finale als fröhliches Anhängsel auffasst«, erklärte der Komponist. Für die Sowjetbürokraten war das schon zu viel des Defätistischen: Wenige Monate nach der Uraufführung wurde Prokofjew mit einem Aufführungsverbot belegt, das auch die »Sechste« umfasste. Danach vollendete der gesundheitlich angeschlagene Prokofjew nur noch ein symphonisches Werk. Wenn die 7. SYMPHONIE von 1951/52 insgesamt einen zurückhaltend-­ schlichten, teilweise nüchternen Ton anschlägt, so mag das dem öffentlichen Druck, unter dem der Komponist stand, Sergej Prokofjew: Die sieben Symphonien 12 geschuldet sein. Es lässt sich aber auch auf den Auftraggeber zurückführen, das Kinderradio Moskau, das um eine Symphonie jugendlichen Charakters gebeten hatte. Dem entsprach Prokofjew durch Einbau eines Walzers im 2. Satz, von Galopps und Märschen im Finale, sowie durch den Verzicht auf grelle Themenkontraste. Naiv ist diese Musik deswegen noch lange nicht. Schlichte Melodien werden in ungewöhnlichen Instrumentenkombinationen dargeboten, klingen ausgedünnt, rau, von unruhigen Gegenstimmen begleitet oder durch Spieluhrenklang überästhetisiert. Ein ständiges Zuviel an Tempo, Lautstärke und Klangfarben setzt sowohl der Walzerseligkeit im 2. Satz als auch der Marschfreude im Finale zu. Gerade weil Prokofjew die Welt der Kinder mit all ihren Gefährdungen präsentiert, ihrer Künstlichkeit und ihren Brüchen, nimmt er sie ernst. Sergej Prokofjew: Die sieben Symphonien 13 Vier Violinkonzerte von Wolfgang Amadeus Mozart MARCUS IMBSWEILER WOLFGANG AMADEUS MOZART (1756–1791) Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 B-Dur KV 207 1. Allegro moderato 2. Adagio 3. Presto Konzert für Violine und Orchester Nr. 3 G-Dur KV 216 1. Allegro 2. Adagio 3. Rondeau: Allegro Konzert für Violine und Orchester Nr. 4 D-Dur KV 218 1. Allegro 2. Andante cantabile 3. Andante grazioso – Allegro, ma non troppo Konzert für Violine und Orchester Nr. 5 A-Dur KV 219 1. Allegro aperto 2. Adagio 3. Rondeau: Tempo di Menuetto Wolfgang Amadeus Mozart: Violinkonzerte 14 MOZARTS WEG ZUM VIOLINKONZERT nischem und musikdramatischem Gebiet zehrend. Bereits mit 17 Jahren konnte Wolfgang Amadeus Mozart auf ein Oeuvre von erstaunlichem Umfang blicken. Er hatte Opern geschrieben, Symphonien, Messen, Klavier- und Kammermusik. Eine wichtige Sparte allerdings fehlte: das Solokonzert. Den Anstoß, diese Lücke zu füllen, gab die Italienreise von 1772/73, auf der Mozart Violinvirtuosen wie Nardini und Pugnani begegnete. In rascher Folge entstanden nun vier konzertante Werke: je eines für Violine (KV 207), Klavier, Fagott sowie für Violinduo. Eine Werkreihe mit »System«, denn so ließ sich die neue Kompositionsform gleich an unterschiedlichen Solo­ instrumenten erproben. Gleichzeitig hält er sich noch recht strikt an das in Italien entwickelte Grundprinzip des Konzertierens: als Wechsel von Orchester­ Ritornellen und solistischen Episoden. Dass diese von der Idee her simple Aufteilung in Tutti- und Solo-Abschnitte niemals langweilig wirkt, liegt an Mozarts überragender thematischer Gestaltung, die noch in den kleinsten Formulierungen dramatisches Potential entdeckt. Unsicherheit verrät höchstens der Umgang mit dem Orchester, das stets als Ganzes »spricht«; Ausnahmen wie die hübschen Bläsereinwürfe im Finale werden auch als solche wahrgenommen. Auf dieser Basis wiederum entstand kurz danach eine weitere Reihe von Solokonzerten, nun ausschließlich für Geige. Die zwischen Juni und Dezember 1775 komponierten vier Violinkonzerte KV 211, 216, 218 und 219 belegen eindrucksvoll Mozarts wachsende Souveränität im Umgang mit der Gattung: von der Orientierung an Vorbildern über die Einbeziehung eigener Gestaltungsideen bis hin zum unverwechselbaren Personalstil. DIE VIOLINKONZERTE Schon das B-Dur-Werk KV 207, immerhin Mozarts erstes Solokonzert überhaupt, schlägt einen charakteristischen Tonfall an: mit den typischen »Mozart-Themen«, die so selbstverständlich klingen, in sich aber höchst differenziert sind (laut/leise, hoch/tief, gesanglich/auftrumpfend). Das bietet Stoff zur Vertiefung, zum Weiter­ arbeiten, und genau das tut der 17-Jährige auch, von seinen Erfahrungen auf sympho- Im G-Dur-Konzert KV 216 nimmt dieses Spiel der Gegensätze einen ganz anderen Stellenwert ein, wie gleich der erste Takt zeigt. Neuartig auch der Einsatz des Solisten: Nach Vorstellung zweier Hauptgedanken und abschließender Orchesterkadenz wäre seine Stunde gekommen. Mozart aber erweitert die Exposition um ein drittes Thema, das die Streicher piano präsentieren, ohne es zu Ende zu bringen. Erst als die Oboen zur Grundtonart zurückführen, kann der Solist beginnen. Anstatt ihn »mit Pauken und Trompeten« (hier: mit Hörnern und Streichern) anzukündigen, geht sein Einsatz ganz organisch aus der in sich zusammen sinkenden Musik hervor. Auch in den Schlusssätzen ereignet sich Einiges. In KV 211 stimmt der Solist das Hauptthema des Rondeaus an, bevor das Orchester zu seinem Recht kommt; ansonsten geht alles seinen traditionellen Gang. Doch schon im nächsten Konzert strebt Mozart eine Vertiefung der Ausdrucks­ gegensätze an. Er unterbricht das Schluss- Wolfgang Amadeus Mozart: Violinkonzerte 15 [Anonymus]: Wolfgang Amadeus Mozart als »Ritter vom Goldenen Sporn« (um 1777) Wolfgang Amadeus Mozart: Violinkonzerte 16 rondeau von KV 216 zugunsten eines g-Moll-Andante im Ständchencharakter (Streicher-Pizzicato), nur um sofort eine Gassenhauermelodie in G-Dur anzuschließen. Urplötzlich befinden wir uns in einer völlig anderen Welt, in der auch der Wettstreit zwischen Solist und Orchester zweitrangig erscheint. Kaum erklungen, ist der Spuk schon wieder vorbei, und das Rondeau nimmt seinen Lauf, als wäre nichts geschehen… Solist ein, jedoch mit etwas ganz anderem: einer Adagio-Kantilene im Serenadenton, deren betörende Süße alles in ihren Bann schlägt. Und dann ? Rückkehr zum Anfangstempo; das Orchester wiederholt das Dreiklangsthema – und wird prompt durch ein zusätzliches Thema des Solisten in die Begleitrolle verwiesen. Wer außer Mozart wäre in der Lage gewesen, einen derart unkonventionellen und doch überzeugenden Konzertbeginn zu komponieren ? Ähnliche Überraschungseffekte finden sich auch in den beiden folgenden Konzerten – bei gleichzeitiger Steigerung der Mittel. Der Schlusssatz von KV 218 beginnt bereits mit einem unerwarteten Tempokontrast: Auf ein erstes Andante-­ Thema folgt unmittelbar ein zweites im Allegro, das denn auch das Grundtempo des Rondeaus darstellt. Als wäre dieser charakterliche und rhythmische (erst 2/4-, dann 6/8-Takt) Gegensatz noch nicht genug, mündet der Satz in ein zusätzliches Andante im 4/4-Takt, dem der Solist durch das Mitstreichen der leeren G-Saite einen folkloristischen Anstrich gibt. Im A-Dur-Konzert KV 219 schließlich besteht der Finale-Einschub aus einer derben alla turca-Episode. Um des »naturalistischen« Effekts willen haben Celli und Bässe hier mit dem Bogenholz auf die Saiten zu schlagen. Dieses letzte der fünf Violinkonzerte Mozarts hält noch ganz andere Überraschungen bereit. Sein Beginn zeigt, wie sehr sich der 19-Jährige bereits von der Tradition emanzipiert hat. Das Orchester präsentiert, scheinbar ganz regelkonform, ein sehr einfaches Dreiklangsthema, lässt weitere, kontrastierende folgen und schließt in der Grundtonart. Solcherart vorbereitet setzt der Wolfgang Amadeus Mozart: Violinkonzerte 17 »Weltabschiedswerk« ALEXANDRA MARIA DIELITZ RICHARD WAGNER (1813–1883) »Parsifal« Ein Bühnenweihfestspiel in drei Aufzügen Konzertante Aufführung des III. Aufzugs »WER IST DER GRAL ?« Die naive Frage des Monsalvat-Neulings Parsifal hat durchaus ihre Berechtigung. Denn in Wagners Hauptquelle, dem Epos Wolfram von Eschenbachs, ist der Gral ein Stein – freilich von besonderer Art: Er bringt alle Speisen für die Gralsritter hervor und teilt ihnen durch aufscheinende Schriftzeichen göttliche Aufträge mit. Wagner dagegen entwirft den Gral – einer älteren französischen Überlieferung folgend – als »die Trinkschale des Abendmahles, in welcher Joseph von Arimathia das Blut des Heilands am Kreuze auffing«. Aus der Anbetung des Speeres, der dieses Blut einst vergoss, und des heiligen Grals bezieht die Ritterschaft unbesiegbare Kräfte, die sie zum Schutz der Unschuld in aller Welt einsetzt. Leider steht es mit der eigenen Unschuld nicht zum besten, seit Zauberer Klingsor sich in unmittelbarer Nähe der Burg Monsalvat angesiedelt hat und die Ritter durch seine Blumenmädchen scharenweise von ihrem Keuschheitsgelübde abbringt. Dieses Gelübde hatte einst Klingsors eigener Ritterkarriere ein Ende bereitet: Seiner Standhaftigkeit gegenüber erotischen Anfechtungen nicht trau- Richard Wagner: »Parsifal« 18 end, entmannte er sich kurzerhand selbst, was zu seinem Ausschluss aus der Gralsgemeinschaft führte. KUNDRY UND AMFORTAS Nun rächt sich Klingsor, der wie Alberich aus seinem »Liebesverzicht« böse Macht gewinnt – zum Beispiel über Kundry, die zu den faszinierendsten Bühnengestalten Wagners gehört. Ihre schizophren konträren Identitäten der staubkriechenden Büßerin und dämonischen Verführerin sind durch einen todesähnlichen Schlaf getrennt, der verhindert, dass Kundry – laut Wagner – »kein wirkliches Bewusstsein aus einem Zustand in den anderen« bringt. Seit sie als Herodias den Heiland am Kreuz verlachte, zwingt sie ein Fluch, in stets neuen Gestalten »das Leiden der Liebesverführung über die Männer zu bringen«, und kann einzig von dem erlöst werden, der ihr widerstünde. Selbst Amfortas erlag Kun­ drys Künsten, just als er in frommem Eifer Klingsors Sündennest vernichten wollte. Bei diesem gescheiterten Moral-Feldzug missbrauchte er den heiligen Speer als Waffe, die Klingsor ihm prompt entriss und in die Seite stieß. Seither harrt der sieche Gralskönig der Erlösung, die ihm eine rätselhafte Prophezeiung in Aussicht stellte: »Durch Mitleid wissend / der reine Tor / harre sein / den ich erkor«. Musikalisch von markanten Quinten symbolisiert, durchzieht dieses Motto hoffnungsvoll das ganze Werk. PARSIFAL – »DURCH MITLEID WISSEND« ? Parsifals erster Auftritt ist geprägt von einer dumpfen, gewaltbereiten Gedankenlosigkeit, die den ähnlich veranlagten »Blondhelden« Siegfried dagegen fast als erfrischend aufgeweckten Burschen erscheinen lässt. Nicht umsonst weisen die fanfarenartigen Themen der beiden eine gewisse Verwandtschaft auf. Ein »Tor« ist Parsifal zweifelsohne und somit zwangsläufig »rein«, da er in seiner Naivität den Unterschied zwischen Gut und Böse gar nicht kennt. Ob er auch den ersten Teil der göttlichen Prophezeiung erfüllt, ist aber nicht so ohne weiteres festzustellen, wie der alte Gralsritter Gurnemanz vermeint. Denn Amfortas’ Leid bei der Gralsenthüllung entlockt dem verständnislosen Parsifal keineswegs Tränen des Mitleids. »Wissend« macht ihn erst der unmittelbare Kontakt mit dem Laster in der Gestalt Kundrys. Aus ihrem Kuss, diesem »Moment des dämonischen Versenkens« (Wagner), erwächst dem Toren ein wahres »MitLeiden« von geradezu körperlicher Vehemenz: Ohne sich von Kundry verführen zu lassen, fühlt Parsifal dieselbe Leidenschaft, die einst Amfortas überwältigte und die sich in dessen brennender Wunde symbolisch manifestiert. Erst jetzt kann Parsifal Mitleid mit Sündern wie Amfortas und Kundry empfinden und seine Erlöserrolle erkennen. »DER WEG DES HEILS« Solchermaßen »geläutert« gelangt er nach endlos scheinenden Irrwegen an einem Karfreitag zum Gralsgebiet zurück. Die dort herrschende niedergeschlagene Stimmung manifestiert sich bereits im Vorspiel zum 3. Akt: Ein trostlos zerklüftetes Motiv schildert die Öde, die nach Parsifals Abschied in Monsalvat einzog. Amfortas verweigerte seither die heilbringende und lebensspendende Enthüllung des Grals, um endlich sterben zu können. Dadurch verur- Richard Wagner: »Parsifal« 19 Franz von Lenbach: Richard Wagner (um 1870) Richard Wagner: »Parsifal« 20 teilte er die geschwächte Ritterschaft zur Untätigkeit und verursachte den Tod seines Vaters Titurel. Dies alles berichtet der greise Gurnemanz, nachdem er in dem schweigend nahenden Ritter jenen Toren erkannt hat, den er einst ärgerlich davongejagt hatte. Spätestens beim Anblick des Kling­sor entrungenen heiligen Speers begreift er, dass die Erfüllung der Prophezeiung unmittelbar bevorsteht. Wesentlich für diese Szene ist überdies die stumme Präsenz Kundrys, nun wieder in ihrer dienenden Monsalvat-Erscheinungsform: Ganz büßende Magdalena, wäscht sie Parsifal die Füße und trocknet sie mit ihrem Haar. Im leisen Nachklang des Reigen­ motivs der Blumenmädchen erkennt Parsifal sehr wohl die Verführerin aus Klingsors Zaubergarten, doch auch für sie ist die Stunde der Erlösung gekommen: Von Gurnemanz zum neuen Gralskönig gesalbt – Parsifals fanfarenartiges Thema nimmt majestätischen Glanz an – verrichtet der geläuterte »Tor« sein erstes Amt mit der Taufe Kundrys. Das zuversichtlich sequenzierende Glaubensmotiv kündet vom Ende ihres qualvollen Kreislaufs ewiger Wiedergeburt. »CHAR-FREITAGS-ZAUBER« Während Parsifal nun »mit sanfter Entzückung auf Wald und Wiese« blickt, wächst aus dem Mitleidsmotiv mit seinen schmerzlichen Vorhaltsbildungen eine zart aufblühende Melodie. Sie schildert im sanften Klang von Oboe und Klarinette die in der Vormittagssonne aufleuchtende Schönheit der Pflanzenwelt, die Parsifal zugleich bezaubert und irritiert: Sollte am »höchsten Schmerzenstag« nicht alle Kreatur trauern ? Gurnemanz verneint lächelnd und erklärt den »Char-Freitags-Zauber« mit der folgenden Argumentationskette: Die Natur weiß nichts vom göttlichen Liebesopfer am Kreuz, doch spürt sie das Heil des dadurch erlösten Menschen, der in Dankbarkeit für seine Entsündigung wiederum »Halm und Blume« schont und nicht zertritt. Seine Reuetränen werden zum »Segenstaue«, unter dem die Natur erglänzt: »Sieh ! es lacht die Aue !« Die allgemeine Erlösung offenbart sich als geradezu kosmischer Segen, der Mensch und Natur in gegenseitigem Mitgefühl verbindet. Nach dieser idyllischen Episode ruft fernes Glockengeläut zu Titurels Totenfeier und leitet zur sog. »Verwandlungsmusik« über, die Wagners Anweisungen zufolge die allmähliche optische Transformation der Szenerie von der Waldlichtung über düstere Felsgewölbe bis ins Innere des Gralstempels begleitet, wo Parsifal sein Erlösungswerk vollenden wird. »ROMS GLAUBE OHNE WORTE« ? Aus der Sicht seines abtrünnigen Jüngers Friedrich Nietzsche hatte Wagner, der einstige Anhänger Feuerbach’scher Liebes­ philosophie und Vertreter einer »freien Sinnlichkeit«, mit »Parsifal« eine höchst suspekte Kehrtwende vollzogen. Als »Apos­ tel der Keuschheit« war ihm der Komponist von »Tristan und Isolde« jedenfalls nicht geheuer. Nietzsche mokierte sich über das »zuckersüße Bimbambaumeln« des »Bühnenweihfestspiels«, das er auf die Kurzformel »Roms Glaube ohne Worte« brachte. Eine treffliche, aber nicht ganz zutreffende Polemik, denn was Wagner in seinem »opus ultimum« predigte, war trotz aller Gralsmystik eine selbstgestiftete Wahnfried-­ Religion, in der sich Schopenhauers Willensmetaphysik und Mitleidsethik mit buddhistischem Gedankengut und christlichen Richard Wagner: »Parsifal« 21 Erlösungsideen vermengten. Ihr liegt der Glaube an eine mögliche Besserung von Mensch und Gesellschaft zugrunde, den Wagner in seinen späten weltanschaulichen Schriften vertrat. Das von Natur aus gute Wesen des Menschen, so erläuterte er, sei durch den Zivilisationsprozess bis zur »Entartung« negativ beeinflusst worden. Zur »Regeneration« empfahl Wagner Vegetariertum, Tierschutz und körperliche Mäßigung in jeder Hinsicht. Entsprechend scheint das Mitfühlen mit »aller Kreatur«, wie es im »Karfreitagszauber« so berührend zum Ausdruck kommt, der Kern einer höchst privaten Wagner’schen Kunstreligion zu sein. In der Tat ist Parsifal – wie schon sein heidnischer Bruder Siegfried – ein von zivilisatorischen Einflüssen unberührter Held, der zur Erneuerung einer »entarteten« Gesellschaft antritt. diose Verwandlungsmusik des 3. Aktes [...] eben doch schlechthin unwiderstehlich« seien und hielt die Musik insgesamt für »das Modernste und Letzte«: »Niemand ist darüber hinaus. Vom ›Parsifal‹ zehren sie alle. Welch furchtbare Ausdruckskunst !« »VOM ›PARSIFAL‹ ZEHREN SIE ALLE...« Dass Wagner mit der psychologisch raffinierten und harmonisch kühnen Musik seines »Weltabschiedswerks« einen letzten Höhepunkt erreicht hatte, erkannten auch all jene Kritiker an, die inhaltliche Bedenken gegen das »Bühnenweihfestspiel« oder charakterliche Vorbehalte gegen seinen Autor hegten: Der Apologet der Neuen Musik Theodor W. Adorno gestand Wagner zu, mancherorts an die »Schwelle von Atonalität« gelangt zu sein. Friedrich Nietzsche bewunderte, wie »jede Nuance des Gefühls bis aufs Epigrammatische gebracht« ist und fragte sich ernstlich: »Hat Wagner je etwas besser gemacht ?« Thomas Mann gestand sich nach einem »Parsifal«Besuch im Münchner Prinzregententheater ein, dass »gewisse Dinge« wie der »Charfreitagszauber, die Taufe« und »die gran- Richard Wagner: »Parsifal« 22 »Parsifal« Inhaltsangabe ALEXANDRA MARIA DIELITZ VORGESCHICHTE Der fromme Held Titurel erbaute einst die Burg Monsalvat, die zwei Heiligtümer beherbergen sollte: den Gral und jenen Speer, der Jesus am Kreuz verwundet hatte. Diese heilige Waffe jedoch verlor Titurels Sohn Amfortas im Kampf gegen den Zauberer Klingsor. Von einem verführerischen Weib in die Falle gelockt, empfing Amfortas durch den Speer eine Wunde, die sich seither nicht schloss. Sein einziger Trost ist die göttliche Verheißung eines künftigen Erlösers: »Durch Mitleid wissend, der reine Tor, harre sein, den ich erkor !« ERSTER AUFZUG Wie jeden Morgen wird Amfortas zum heiligen See getragen, wo ein Bad seine Schmerzen lindern soll. Kundry reitet in wilder Hast herbei, um dem König einen Heilbalsam zu bringen. Vor den Anpöbelungen einiger Knappen nimmt sie der alte Gralshüter Gurnemanz in Schutz: Wohl mag Kundry ein verwünschtes Wesen sein, doch dient sie der Ritterschaft stets mit rastlosem Eifer. Dass sie bisweilen spurlos verschwindet – so auch als das Unglück mit Amfortas geschah –, gibt freilich auch Gurnemanz zu denken. Plötzlich verursacht ein erlegter Schwan große Aufregung, da Tiere auf dem Gralsgebiet heilig sind. Der ahnungslose Schütze Parsifal ist schnell gefasst, kann aber selbst die einfachsten Fragen nach Name und Herkunft nicht beantworten. Nur Kundry kennt seine Geschichte: Sein Vater war der Held Gamuret, der noch vor Parsifals Geburt im Kampf fiel. Um den Sohn vor gleichem Schicksal zu bewahren, zog ihn seine Mutter Herzeleide in völliger Abgeschiedenheit als »Toren« auf. Als der Jüngling jedoch eines Tages Ritter in prächtiger Rüstung vorbei reiten sah, folgte er ihnen. Seine Mutter starb daraufhin aus Kummer. Um festzustellen, ob der ob dieser Nachricht tief betroffene Parsifal der verheißene »reine Tor« ist, nimmt Gurnemanz ihn mit zum »Liebesmahle«. Dabei muss Amfortas den Gral enthüllen, dessen Aufleuchten allen Rittern neue Lebenskraft verleiht – auch Richard Wagner: »Parsifal« 23 »Parsifal«: Aus der Szene Gurnemanz – Kundry – Parsifal in der Inszenierung der Bayreuther Uraufführung durch Richard Wagner (Juli 1882) Richard Wagner: »Parsifal« 24 ihm, der doch einzig sterben will. Gurnemanz erkennt an Parsifal keinerlei Reaktion und jagt ihn enttäuscht davon. ZWEITER AUFZUG Auch Klingsor, der die Herrschaft über den Gral anstrebt, weiß von der Prophezeiung. Daher trachtet er danach, dem »Toren« Parsifal seine »Reinheit« zu nehmen und setzt zu diesem Zweck Kundry ein. Sie, die auf dem Gralsgebiet unermüdlich Buße tut, wird in Klingsors Reich zur dämonischen Verführerin. Nachdem sie Amfortas bereits vom Pfad der Tugend abgebracht hat, soll sie nun den »kindischen Spross« verderben, der sich soeben Zutritt zum Zaubergarten verschafft und von den zarten Blumenmädchen umringt wird. Kundry zeigt sich in betörend schöner Gestalt, evoziert durch Erzählungen von Herzeleide eine geheimnisvolle Vertrautheit und gibt Parsifal schließlich – »als Muttersegens letzten Gruß« – einen langen Kuss, der allerdings eine unerwartete Wirkung zeigt: Schlagartig wird Parsifal der Zusammenhang zwischen Amfortas’ Wunde und Kundrys Verführung bewusst. Er erkennt seine Sendung darin, den Gral aus den »schuldbefleckten Händen« des Königs zu retten. Die zurückgestoßene Kundry verflucht Parsifal, Klingsor versucht ihn durch den heiligen Speer zu treffen, der jedoch über Parsifals Haupt in der Luft stehen bleibt. Klingsors Macht ist gebrochen, der Zaubergarten versinkt. nemanz den »Toren« von einst erkennt. Nach langen Irrwegen, zu denen ihn Kun­ drys Fluch verdammte, hat Parsifal endlich den Weg zum Gral gefunden und den heiligen Speer zurückgebracht. Von Gurnemanz zum neuen Gralskönig gesalbt, verrichtet Parsifal sein erstes Amt mit der Taufe Kundrys. Dann wird er zur Erfüllung der Prophezeiung in den Gralstempel geleitet, wo gerade die Trauerfeier für Titurel stattfindet. Der greise Held starb, da ihm und der ganzen Ritterschaft seit langem der lebensspendende Segen des Grals vorenthalten wurde. Um seinen eigenen Tod zu erzwingen, hielt Amfortas das Heiligtum verschlossen. Selbst heute verweigert er die Zeremonie und fordert die Gralsritter in wilder Verzweiflung dazu auf, ihn zu töten. Endlich erscheint Parsifal, schließt die Wunde mit einer Berührung durch den Speer und enthüllt den hell leuchtenden Gral. Als zum Zeichen des göttlichen Segens eine weiße Taube aus der Kuppel he­ rabschwebt, stirbt Kundry erlöst. DRITTER AUFZUG Am Karfreitagsmorgen findet Gurnemanz die erstarrte Kundry, die langsam zu sich kommt. Gemeinsam beobachten sie das Nahen eines erschöpften Ritters, in dem Gur- Richard Wagner: »Parsifal« 25 Kunst und Religion RICHARD WAGNER – THOMAS MANN »Man könnte sagen, dass da, wo die Religion künstlich wird, der Kunst es vorbehalten sei, den Kern der Religion zu retten, indem sie die mythischen Symbole, welche die erstere im eigentlichen Sinne als wahr geglaubt wissen will, ihrem sinnbildlichen Werte nach erfasst, um durch ideale Darstellung derselben die in ihnen verborgene tiefe Wahrheit erkennen zu lassen.« Richard Wagner, »Religion und Kunst« (1880) »Ich habe mich darin beobachtet, dass […] alles mich ernst nur in so fern berührt, als es mir Mitgefühl, das ist: Mit-Leiden, erweckt. Dieses Mitleiden erkenne ich in mir als stärksten Zug meines moralischen Wesens, und vermuthlich ist dieser auch der Quell meiner Kunst.« »Das Kindliche mit dem Erhabenen zu vereinigen, mag großer Kunst auch sonst wohl gelungen sein; die Vereinigung aber des Märchentreuherzigen mit dem Ausgepichten, der Kunstgriff, das Höchstgeistige als Orgie des Sinnenrausches zu verwirklichen und ›populär‹ zu machen, die Fähigkeit, das Tiefgroteske in Abendmahlsweihe und klingelnden Wandlungszauber zu kleiden, Kunst und Religion in einer Geschlechtsoper von größter Gewagtheit zu verkoppeln und derlei heilige Künstlerunheiligkeit mitten in Europa als Theater-Lourdes und Wundergrotte für die Glaubenslüsternheit einer mürben Spätwelt aufzutun, – dies alles ist nur romantisch, es ist in der klassisch-­ humanen, der eigentlich vornehmen Kunstsphäre durchaus undenkbar.« Thomas Mann, »Leiden und Größe Richard Wagners« (1933) Richard Wagner, »Tagebuch für Mathilde Wesendonck« (Venedig, 1. Oktober 1858) Richard Wagner: »Parsifal« 26 Münchner Philharmoniker Seit ihrer Gründung 1893 bereichern die Münchner Philharmoniker das musikalische Leben Münchens. Bereits in den Anfangsjahren überzeugte das Orchester mit hohem spieltechnischen Niveau. Gustav Mahler dirigierte das Orchester bei den Uraufführungen seiner 4. und 8. Symphonie und im November 1911 gelangte unter Bruno Walters Leitung Mahlers »Das Lied von der Erde« zur Uraufführung. Ferdinand Löwe leitete die ersten BrucknerKonzerte und begründete die BrucknerTradition des Orchesters, die von Siegmund von Hausegger und Oswald Kabasta fortgeführt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg gewannen die Philharmoniker mit Hans Rosbaud einen herausragenden Orchesterleiter, der sich zudem leidenschaftlich für die Neue Musik einsetzte. Sein Nachfolger war von 1949 bis 1966 Fritz Rieger, in dessen Amtszeit die Grundlagen für die erfolgreiche Jugendarbeit der Philharmoniker gelegt wurden. In der Ära Rudolf Kempes (1967–76) bereisten die Philharmoniker erstmals die damalige UdSSR. 1979 wurde Sergiu Celibidache zum Generalmusikdirektor ernannt. Die legendären Bruckner-Konzerte trugen wesentlich zum internationalen Ruf des Orchesters bei. Von 1999 bis 2004 war James Levine Chefdirigent der Münchner Philharmoniker, die im Frühjahr 2003 vom Deutschen Musikverleger-Verband den Preis für das »Beste Konzertprogramm der Saison 2002/03« erhielten. Im Januar 2004 ernannten die Münchner Philharmoniker Zubin Mehta zum ersten Ehrendirigenten in der Geschichte des Orchesters. Generalmusikdirektor Christian Thielemann pflegte in seiner siebenjährigen Amtszeit die Münchner Bruckner-Tradition ebenso wie das klassisch-romantische Repertoire. Maßstäbe setzende Höhepunkte bildeten die szenischen Aufführungen der beiden Strauss-Opern »Der Rosenkavalier« und »Elektra« in Baden-Baden. Mit Beginn der Saison 2012/13 wurde Lorin Maazel Chefdirigent der Münchner Philharmoniker. Während seiner Amtszeit legte er den Fokus seiner Arbeit auf eine Erweiterung des Repertoires und eine Flexibilisierung des Klangs. Im September 2015 übernahm Valery Gergiev das Amt des Chefdirigenten für fünf Jahre. Die Orchester 27 Mariinsky Orchester Das Orchester des Mariinsky Theaters St. Petersburg, dessen Geschichte mehr als 200 Jahre zurückreicht, ist heute ein international renommiertes Ensembles und gehört zu den »Top 20« der weltweit führenden Orchester. Regelmäßige Tourneen führen die Musiker zu den großen Opernund Konzertbühnen Europas, der USA, Japans und Kanadas. Die internationale Präsenz des Orchesters veranlasste die Presse sogar vom »ersten globalen Orchester der Welt« zu sprechen. Daneben stehen jährliche Reisen mit Bildungs- und CharityProgrammen durch russische Städte und die GUS-Staaten, von Irkutsk und Almaty nach Kaliningrad und Vilnius. In seiner großen Historie hatte das Orchester die Ehre, zahlreiche Werke von Glinka, Rimskij-Korsakow, Tschaikowsky, Mussorgsky, Borodin und Prokofjew zur Uraufführung zu bringen. Am Pult standen Dirigenten wie Eduard Nápravník, Arthur Nikisch, Albert Coates, Jewgeni Mravinsky, Konstantin Simeonov und Juri Temirkanov, aber auch Hector Berlioz, Pjotr Tschaikowsky, Sergej Rachmaninow und Gustav Mahler. Seit 1988 leitet Maestro Valery Gergiev das Orchester, dessen Repertoire er maßgeblich erweiterte. Heute stehen die klassischen Meisterwerke des 19. und 20. Jahrhunderts – u. a. sämtliche Symphonien von Prokofjew, Schostakowitsch, Mahler und Beethoven – ebenso auf den Konzertprogrammen wie symphonische Musik von Komponisten wie Boris Tishchenko, Sofia Gubaidulina, Giya Kancheli, Rodion Shchedrin und Alexander Raskatov. Vor vier Jahren etablierte das Orchester ein eigenes Plattenlabel, für das unter Valery Gergievs Leitung bereits vier Symphonien von Dmitrij Schostakowitsch eingespielt wurden, zudem die Oper »Die Nase«, eine Einspielung, die mit dem MIDEM Classical Award ausgezeichnet wurde, und darüber hinaus Werke von Shchedrin, Tschaikowsky, Strawinsky und Richard Wagner, die ebenso verschiedene Auszeichnungen und hervorragende Kritiken erhielten. Im Mai 2013 eröffnete das Orchester unter Valery Gergievs Leitung mit einem feierlichen Galakonzert den Neubau »Mariinsky II« und gleichzeitig eines der spektakulärsten Kulturareale der Welt. Global Partner des Mariinsky Orchesters: Die Orchester 28 Valery Gergiev DIRIGENT wichtigsten Pflegestätten der russischen Opernkultur aufgestiegen ist. In Moskau geboren, studierte Valery Gergiev zunächst Dirigieren bei Ilya Musin am Leningrader Konservatorium. Bereits als Student war er Preisträger des Herbert-von-Karajan Dirigierwettbewerbs in Berlin. 1978 wurde Valery Gergiev 24-jährig Assistent von Yuri Temirkanov am Mariinsky Opernhaus, wo er mit Prokofjews Tolstoi-Vertonung »Krieg und Frieden« debütierte. Seit mehr als zwei Jahrzehnten leitet er nun das legendäre Mariinsky Theater in St. Petersburg, das in dieser Zeit zu einer der Mit den Münchner Philharmonikern verbindet Valery Gergiev seit der Saison 2011/12 eine intensivere Zusammenarbeit. So hat er in München mit den Philharmonikern und dem Mariinsky Orchester alle Symphonien von Dmitrij Schostakowitsch und einen Zyklus von Werken Igor Strawinskys aufgeführt. Seit der Spielzeit 2015/16 ist Valery Gergiev Chefdirigent der Münchner Philharmoniker. Als »Maestro der Stadt« wendet er sich seitdem mit Abo- und Jugendkonzerten, Öffentlichen Generalproben, »Klassik am Odeonsplatz« und dem Festival MPHIL 360° sowohl an die Münchner Konzertbesucher als auch mit regelmäßigen Livestream- und Fernseh­ übertragungen aus der Philharmonie im Gasteig an das internationale Publikum. Seit September 2016 liegen die ersten CD-Aufnahmen des orchestereigenen Labels MPHIL vor, die die Arbeit mit den Münchner Philharmonikern dokumentieren. Weitere Aufnahmen, bei denen besonders die Symphonien von Anton Bruckner einen Schwerpunkt bilden, sind in Vorbereitung. Reisen führten die Münchner Philharmoniker mit Valery Gergiev bereits in zahlreiche europäische Städte sowie nach Japan, China, Korea und Taiwan. Die Künstler 29 Daniel Lozakovich Vilde Frang VIOLINE VIOLINE Der 2001 in Stockholm geborene Daniel Lozakovich begann im Alter von sechs Jahren Violine zu spielen und gab bereits zwei Jahre später sein Orchesterdebüt mit dem Moscow Virtuosi Chamber Orchestra unter der Leitung von Vladimir Spivakov. Der junge Geiger arbeitete bereits mit zahlreichen renommierten Orchestern zusammen, darunter das Royal Stockholm Philharmonic, das Wiener Kammerorchester, das Russische Nationalorchester, das Orchestre de la Suisse Romande und das Konzerthaus­ orchester Berlin. Kürzlich machte er seine Debüts beim Orchestre National de Lyon unter Leonard Slatkin sowie beim Mariinsky Orchester unter Valery Gergiev. Regelmäßig ist Daniel Lozakovich zu Gast beim Verbier Festival. In diesem Jahr folgte er außerdem einer Wiedereinladung zum Menuhin Festival Gstaad, um Bachs Konzert a-Moll BWV 1041 und das Doppelkonzert d-Moll BWV 1043 gemeinsam mit Renaud Capuçon aufzuführen. Geboren in Norwegen, studierte Vilde Frang zuerst am Barratt-Due-Musikinstitut in Oslo, später bei Kolja Blacher in Hamburg und bei Ana Chumachenco in München. 1998 folgte sie einer ersten Einladung von Mariss Jansons zu einem Konzert mit dem Oslo Philharmonic Orchestra. Seitdem ist sie bei den international wegweisenden Orchestern zu Gast, 2012 etwa gab sie ihr Debüt mit den Wiener Philharmonikern unter der Leitung von Bernard Haitink beim Lucerne Festival. Als Kammermusikerin spielt sie mit Partnern wie Gidon Kremer, Yuri Bashmet, Martha Argerich, Julian Rachlin, Leif Ove Andsnes und Maxim Vengerov. Bei renommierten Musikfestivals wie SchleswigHolstein, Rheingau, Gstaad, Verbier und Luzern tritt sie regelmäßig auf. Bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern 2016 war Vilde Frang als »Artist in Residence« in zahlreichen Konzerten zu Gast. Vilde Frang spielt die »Engleman« Stradivari aus dem Jahr 1709, eine Leihgabe der Nippon Music Foundation. Die Künstler 30 Yu-Chien Tseng Alexandra Conunova VIOLINE VIOLINE Yu-Chien Tseng wurde 1994 in Taipeh geboren, erhielt mit fünf Jahren den ersten Geigenunterricht und trat bereits ein Jahr später zusammen mit dem Taipei Symphony Orchestra auf. Seit 2008 studiert er bei Ida Kavafian und Aaron Rosand am Curtis Institute of Music in Philadelphia. Bei zahlreichen internationalen Wettbewerben wurde er ausgezeichnet, zuletzt beim Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerb 2015. Als Solist spielte Yu-Chien Tseng bereits mit dem Philadelphia Symphony Orchestra, dem Orchestre National de Belgique, dem National Symphony Orchestra of Taiwan, dem Orquesta Sinfónica de Navarra und dem Orchestre Royal de Chambre de Wallonie zusammen. Solo-Rezitale gab er in Taiwan, Spanien, Belgien und den USA. Im Rahmen der Ost-Asien Tournee der Münchner Philharmoniker im November 2015 spielte Yu-Chien Tseng die Violinkonzerte von Brahms und Tschaikowsky unter der Leitung von Valery Gergiev bei Gastkonzerten in Taiwan. Alexandra Conunova wurde 1988 in Moldawien geboren und studierte bei Petru Munteanu an der Hochschule für Musik und Theater Rostock, bei Krzysztof Wegrzyn an der Hochschule für Musik Hannover sowie bei Renaud Capuçon an der Haute École de Musique in Lausanne. Ihr Studium ergänzten Meisterkurse bei Ivry Gitlis, Igor Oistrakh und Igor Ozim. Beim internationalen Violinwettbewerb in Singapur und beim renommierten Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau ging sie als Preisträgerin hervor. Als Solistin hat Alexandra Conunova bereits mit Orchestern wie dem National Philharmonic of Russia unter Vladimir Spivakov, der NDR Radiophilharmonie, den Nürnberger Symphonikern, den Moscow Soloists, dem Münchener Kammerorchester und dem Mahler Chamber Orchestra zusammengearbeitet. In ihrer Heimatstadt Chişinău gründete sie die VitArt Charity Foundation, um Menschen mit Behinderung, aber auch junge Musiker zu unterstützen. Die Künstler 31 Katharina Ritschel Sergej Semishkur MEZZOSOPRAN TENOR Katharina Ritschel studierte an der Musikhochschule München zunächst Schulmusik und nahm 2012 das künstlerische Gesangstudium bei Ingrid Kaiserfeld auf. Die Mezzosopranistin besuchte Meisterkurse und erhielt Unterricht bei Julia Bauer-Huppmann, Elisabeth Wilke, Ulrike Sonntag, Julian Prégardien sowie Micaela Haslam. Erste Opernerfahrungen sammelte sie in Produktionen der Musikhochschule. Im März 2015 sang sie erfolgreich als Einspringerin die Rolle der Frau Reich in »Die lustigen Weiber von Windsor« mit dem Lyric Opera Studio Weimar im Theater Rudolstadt. Im Juli 2016 war sie in der Neuproduktion »Tonguecat« innerhalb der Opernfestspiele an der Bayerischen Staatsoper zu hören. Katharina Ritschel widmet sich auch dem Konzertgesang, u. a. mit dem Studio für Historische Aufführungspraxis und dem Breakout-Ensemble, welches sich ausschließlich mit Kompositionen neuer Musik beschäftigt. Im Juni 2016 war sie mit diesem Ensemble bei »Musica viva« mit Werken von Steve Reich im Bayerischen Rundfunk zu hören. Sergej Semishkur stammt aus der russischen Industriestadt Kirow. Er studierte Gesang und Chorleitung am Glinka-Konservatorium in Nischnij-Nowgorod. 2003 wechselte er zur Akademie für junge Sänger des Mariinsky Theaters, 2007 wurde er Solist im Ensemble, 2010 sang er die Titelpartie in Schostakowitschs »Die Nase« in einer für den Grammy nominierten Einspielung des Mariinsky Theaters. 2007 gab Sergej Semishkur sein Debüt bei den Salzburger Festspielen in der Titelrolle von Berlioz’ »Benvenuto Cellini«. Ebenfalls in Salzburg trat er als Solist in Mussorgskys »Lieder und Tänze des Todes« mit den Wiener Philharmonikern auf. Am Mariinsky Theater singt Sergej Semishkur ein vielfältiges Repertoire an Tenorrollen, das sich von den Meisterwerken Donizettis, Verdis und Puccinis bis zu den Klassikern des russischen Repertoires erstreckt. Auch Rollen von Berlioz und Offenbach werden von Semishkur gesungen sowie Hauptrollen in Opern von Janáček und Szymanowski. Die Künstler 32 Evgeny Nikitin René Pape BASS-BARITON BASS Der russische Bass-Bariton Evgeny Nikitin erhielt bereits während seines Studiums am St. Petersburger Konservatorium Solo­ engagements am Mariinsky Theater. Es folgten bald Einladungen an wichtige Häuser in Europa, Nordamerika und Asien. Neben seinen regelmäßigen Auftritten am Mariinsky Theater ist er gern gesehener Gast an der New Yorker Metropolitan Opera, wo er 2002 debütierte, an der Pariser Opéra National und an der Bayerischen Staatsoper. Dort debütierte er 2008 als Jochanaan in »Salome«, folgte Wiedereinladungen als Klingsor in »Parsifal« und als Telramund in »Lohengrin« sowie als Ruprecht in Prokofjews »Der feurige Engel«. Als Konzertsänger arbeitet Evgeny Nikitin mit namhaften Orchestern zusammen, darunter die Berliner Philharmoniker, das London Symphony Orchestra und das Concertgebouw Orchestra Amsterdam und ist bei renommierten Festival zu Gast. 2014 debütierte er bei den Münchner Philharmonikern. René Pape war Mitglied des legendären Kreuzchors seiner Heimatstadt Dresden. Noch als Student gab er 1988 sein Debüt an der Berliner Staatsoper Unter den Linden, wo er sofort ein Festengagement erhielt. Seither verkörperte er an diesem Haus die großen Partien seines Fachs, oftmals unter Leitung des Musikdirektors Daniel Barenboim. Sir Georg Solti holte ihn für die Rolle des Sarastro zu den Salzburger Festspielen, wohin er seitdem mehrfach zurückkehrte. Seit seinem Debüt an der New Yorker Metropolitan Opera 1995 tritt er auch dort regelmäßig auf und wurde 2010 zum »MET Mastersinger« gekürt. Als Gastkünstler ist René Pape auf den bedeutenden Bühnen, u. a. der Staatsopern in Dresden, München und Wien, des Teatro Real Madrid, des Royal Opera House Covent Garden, der Opéra National de Paris und des Teatro alla Scala zu hören. Außerdem widmet sich René Pape einer sehr intensiven Konzerttätigkeit als Liedinterpret und Solist der internationalen Spitzenorchester. Die Künstler 33 Andreas Herrmann Reinhard Kammler CHORDIREKTOR DOMKAPELLMEISTER Andreas Herrmann unterrichtet als Professor an der Hochschule für Musik und Theater in München im Hauptfach Chordirigieren. Pädagogische Erfolge erzielt er international weiterhin mit der Ausbildung junger Chordirigenten in verschiedenen Meisterkursen, sowie zuletzt im Herbst 2016 als Gastprofessor am College Conservatory of Music der University of Cincinnati, Ohio, USA. Als künstlerischer Leiter des Philharmonischen Chores München realisierte er zahlreiche Einstudierungen für weltbekannte Dirigenten. Über sein Engagement bei den Münchner Philharmonikern hinaus entfaltet er eine rege Konzerttätigkeit: Konzertreisen als Chor- und Oratoriendirigent führten ihn unter anderem nach Österreich, Frankreich, Italien, Bulgarien, Ungarn, Ägypten, in die Schweiz, die USA und die Volksrepublik China. Zahlreiche erfolgreiche Produktionen und Konzerte mit verschiedensten professionellen Orchestern, Ensembles und Rundfunkchören dokumentieren die internationale Reputation seiner musikalischen Arbeit. Reinhard Kammler studierte an der Hochschule für Musik in München und gründete bereits während seiner Studienzeit die Augsburger Domsingknaben. Nach langjähriger Tätigkeit als Domorganist wurde er zum Augsburger Domkapellmeister ernannt. Über seine Verpflichtungen für die Kirchenmusik am Augsburger Dom hinaus konzertiert Reinhard Kammler mit seinen Augsburger Domsingknaben im In- und Ausland und arbeitet mit dem Bayerischen Rundfunk, verschiedenen Opernhäusern, Orchestern und erstklassigen Dirigenten zusammen. Reinhard Kammler wird immer wieder als Jury-Mitglied zu verschiedenen Wettbewerben eingeladen. Für seine Verdienste um den Aufbau der Augsburger Domsingknaben und um die Pflege der musica sacra erhielt er mehrere Auszeichnungen, u. a. den Päpstlichen Silvester­ orden und das Bundesverdienstkreuz. Zusammen mit den Augsburger Domsingknaben wurde er mit dem »Bayerischen Poetentaler« und mit dem Kulturpreis der Bayerischen Volksstiftung ausgezeichnet. Die Künstler 34 Philharmonischer Chor München Der Philharmonische Chor München ist einer der führenden Konzertchöre Deutschlands und Partnerchor der Münchner Philharmoniker. Er wurde 1895 von Franz Kaim, dem Gründer der Münchner Philharmoniker, ins Leben gerufen und feierte 2015 seinen 120. Geburtstag. Seit 1996 wird er von Chordirektor Andreas Herrmann geleitet. Das Repertoire erstreckt sich von barocken Oratorien über a cappella- und chorsym­phonische Literatur bis zu konzertanten Opern und den großen Chorwerken der Gegenwart. Das musikalische Spek­ trum umfasst zahlreiche bekannte und weniger bekannte Werke von Mozart über Verdi, Puccini, Wagner und Strauss bis hin zu Schönbergs »Moses und Aron« und Henzes »Bassariden«. Der Chor pflegt diese Literatur ebenso wie die Chorwerke der Komponisten Bach, Händel, Mozart, Beet­ hoven, Schubert, Schumann, Brahms, Bruckner, Reger, Strawinsky, Orff oder Penderecki. Er musizierte u. a. unter der Leitung von Gustav Mahler, Hans Pfitzner, Krzysztof Penderecki, Herbert von Karajan, Rudolf Kempe, Sergiu Celibidache, Zubin Mehta, Mariss Jansons, James Levine, Christian Thielemann und Lorin Maazel. In den vergangenen Jahren haben Alte und Neue Musik an Bedeutung gewonnen: Nach umjubelten Aufführungen Bach’scher Passionen unter Frans Brüggen folgte die Ein- ladung zu den Dresdner Musikfestspielen. Äußerst erfolgreich wurde auch in kleineren Kammerchor-Besetzungen unter Dirigenten wie Christopher Hogwood und Thomas Hengelbrock gesungen. Mit Ton Koopman entwickelte sich eine enge musikalische Freundschaft, die den Chor auch zu den »Europäischen Wochen« in Passau führte. Im Bereich der Neuen Musik war der Philharmonische Chor München mit seinen Ensembles bei Ur- und Erstaufführungen zu hören. So erklang in der Allerheiligen-Hofkirche die Münchner Erstaufführung der »Sieben Zaubersprüche« von Wolfram Buchenberg unter der Leitung von Andreas Herrmann. Ende 2014 gestaltete der Chor die Uraufführung von »Egmonts Freiheit – oder Böhmen liegt am Meer« unter der Leitung des Komponisten Jan Müller-­Wieland. Der Philharmonische Chor ist ein gefragter Interpret von Opernchören und setzt nachdrücklich die unter James Levine begonnene Tradition konzertanter Opernaufführungen fort, die auch unter Christian Thielemann mit großem Erfolg gepflegt wurde. Zu den CD-Einspielungen der jüngeren Zeit zählen Karl Goldmarks romantische Oper »Merlin«, die 2010 den ECHO-Klassik in der Kategorie »Operneinspielung des Jahres – 19. Jahrhundert« gewann, und eine Aufnahme von Franz von Suppés »Requiem«, die für den International Classical Music Award (ICMA) 2014 nominiert wurde. Die Chöre 35 Augsburger Domsingknaben Neben ihrem »Kerngeschäft«, der Pflege hochkarätiger musica sacra an der Augsburger Kathedrale, bewegen sich Domkapellmeister Reinhard Kammler und seine Augsburger Domsingknaben sehr erfolgreich und konstant auch im professionellen internationalen Musikbetrieb. Dirigenten wie Sir Colin Davis, Fabio Luisi, Jeffrey Tate, Mstislav Rostropowitsch, Sir Neville Marriner, Thomas Hengelbrock, Kent Na­ gano, Mariss Jansons, Daniel Harding und Manfred Honeck haben mit den Augsburger Domsingknaben schon gearbeitet. pan, Kanada, Ecuador und Südafrika und in die USA. In diesem Sommer gastierten die Augsburger Domsingknaben in China und feierten in zwanzig umjubelten Konzerten in den Konzertsälen der Poly Theatre Group große Erfolge. Mehrfach sangen sie schon vor und für den Papst im Vatikan und treten immer wieder bei offiziellen Anlässen in Berlin auf. Zahlreiche CDs sind bei renommierten Labels erschienen. Auch die »Deutsche Grammophon« produzierte bereits mit Reinhard Kammler und seinen Augsburger Domsingknaben. Solisten der Augsburger Domsingknaben sangen auf renommierten Musikfestivals wie den Schwetzinger Festspielen, den Europäischen Festwochen Passau, dem Festival du musique sacrée in der Schweiz oder dem Baltic Sea Festival im Schloss­ theater Drottningholm / Stockholm. Sie wurden an bedeutende Bühnen wie die Bayerische Staatsoper München, die Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf oder an die Opéra National du Rhin Strasbourg engagiert. In München sind die Augsburger Domsingknaben immer wieder zu hören bei Projekten des Bayerischen Rundfunks in der Philharmonie im Gasteig, im Herkulessaal der Residenz oder im Prinzregententheater. Sie geben regelmäßig Konzerte in ganz Deutschland und vielen Ländern Europas. Konzertreisen führten sie zudem nach Ja- Die Chöre 36 IMPRESSUM TEXTNACHWEISE BILDNACHWEISE Herausgeber: Direktion der Münchner Philharmoniker Paul Müller, Intendant Kellerstraße 4 81667 München Lektorat: Christine Möller Corporate Design: HEYE GmbH München Graphik: dm druckmedien gmbh München Druck: Gebr. Geiselberger GmbH Martin-Moser-Straße 23 84503 Altötting Marcus Imbsweiler und Alexandra Maria Dielitz schrieben ihre Texte als Originalbeiträge für die Programmhefte der Münchner Philharmoniker. Stephan Kohler verfasste die lexikalischen Werkangaben und stellte die Zitate Wagners und Manns zu »Kunst und Religion« zusammen. Künstlerbiographien: nach Agenturvorlagen. Alle Rechte bei den Autorinnen und Autoren; jeder Nachdruck ist seitens der Urheber genehmigungs- und kostenpflichtig. Abbildungen zu Sergej Prokofjew: Natalja Pawlowna Sawkina, Sergej Sergejewitsch Prokofjew, Mainz 1993; Israel Nestyev, Prokofiev – Der Künstler und sein Werk, Stanford / London 1961. Abbildung zu Wolfgang Amadeus Mozart: Géza Rech, Das Salzburger Mozartbuch, Salzburg / Wien 1986. Abbildungen zu Richard Wagner: Herbert Barth / Dietrich Mack / Egon Voss, Wagner – Sein Leben, sein Werk und seine Welt in zeitgenössischen Bildern und Texten, Wien 1975. Künstlerphotographien: Marco Borggreve (Gergiev, Nikitin, Frang), Alexander Shapunov (Lozakovich), Michael Petter (Ritschel), Anna Primki (Semishkur), Claudia Leopold (Pape), Agenturmaterial (Tseng), Olga Lucovnicova (Conunova), privat (Herrmann, Kammler). Medienpartner: Gedruckt auf holzfreiem und FSC-Mix zertifiziertem Papier der Sorte LuxoArt Samt Impressum NEUJAHRSKAMMERKONZERT »SCHARFE ZUNGE, WEICHE LIPPEN« Altbekannte und nie gehörte Chansons werfen sich ins Klangbett eines Blechbläserquintetts ANNA VEIT, Gesang | CHRISTIAN HÖCHERL, Trompete FLORIAN KLINGLER, Trompete | ULRICH HAIDER, Horn QUIRIN WILLERT, Posaune | MARTIN HIRSCH, Tuba SEBASTIAN FÖRSCHL, Perkussion Sonntag 08_01_2017 17 Uhr Festsaal im Münchner Künstlerhaus mphil.de 089 54 81 81 400 Karten: 30 € Mit freundlicher Unterstützung der Münchner Künstlerhaus-Stiftung ’16 ’17 DAS ORCHESTER DER STADT