Sie sind hier: www.aski.org/portal2/ / 9: KULTUR lebendig / 9.2: KULTUR lebendig 1/16 . Museum für Kommunikation Frankfurt: Berührt – Verführt. Werbekampagnen, die Geschichte machten Sprechende Affen machen den Toyota-Slogan „Nichts ist unmöglich" zu einem der beliebtesten Werbesprüche zu Beginn der 1990er-Jahre. Der Spruch hat sich so fest in unser Bewusstsein verankert, dass es Bill Clinton, als er diesen Satz bei einem Deutschlandbesuch in Berlin fallen ließ, aus dem Publikum entgegenschallte: "Tooyoootaaa". Das Volk bestimmt, was Allgemeingut ist, was geflüstert oder gegrölt, zitiert und ironisiert wird. Haben Slogans sprichwörtliche Schlagkraft, können sie über Generationen hinweg leben und sich in unser kollektives Gedächtnis als Redensart einnisten. Wer erinnert sich von der jüngeren Generation noch daran, dass „Mach mal Pause" ein Slogan von Coca-Cola für die emsige Nachkriegsgeneration war oder die Parole des Bundeskanzlers Konrad Adenauer „Keine Experimente!" die Grundstimmung der Wählerschaft zur Politik erfasste? Einst fanden Wendungen berühmter Dichter den Weg in die Alltagssprache – "Der Worte sind genug gewechselt" und "des Pudels Kern" aus Goethes Faust etwa –, heute sind es eher Slogans, die zu Sprüchen werden. Zu Selbstläufern werden Werbebotschaften, wenn sie einen Gedanken besonders griffig beschreiben („Die Freiheit nehm ich mir"), einen Ausdruck prägen, den es vorher nicht gab („Wer wird denn gleich in die Luft gehen ...") oder mit Wortspielen denjenigen reizen, der sie gerne adaptiert („Wohnst du noch, oder lebst du schon?"). Alliterationen („Das einzig wahre Warsteiner") und Vieldeutigkeit („Nicht immer, aber immer öfter") können Slogans ebenso zum durchschlagenden Erfolg verhelfen. Ihre Durchsetzung hängt trivialerweise neben der kommunikativen Überzeugungskraft auch vom Werbedruck und der Laufzeit ab. In der aktuellen Ausstellung "Berührt – Verführt. Werbekampagnen, die Geschichte machten" zeichnet das Museum für Kommunikation Frankfurt kaleidoskopartig und retrospektiv die populärsten und erfolgreichsten Werbekampagnen von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart nach. Schauplatz ist die Bundesrepublik Deutschland mit Einblicken in die Werbung der ehemaligen DDR. Gezeigt werden rund 50 Kampagnen, von der Wiedereinführung bekannter Marken wie Persil mit dem Slogan "Es gibt wieder" im Jahr 1950 über die Kult gewordene "Sexy-mini-super-flower-pop-op-Cola – alles ist in Afri-Cola"-Werbung von 1968, den umstrittenen Motiven, mit denen Benetton ab 1992 polarisierte bis hin zur neuesten Social-Media-Kampagne von Edeka. Über 350 Plakate, Anzeigen, Objekte, Filme und Interviews machen das Zeitgefühl der jeweiligen Epoche spürbar und verdeutlichen die Wirkkräfte von Gesellschaft, Politik und Kultur auf die Werbung – und umgekehrt. Denn Werbung ist sowohl ein schonungsloser Spiegel als auch ein Gestaltungsfaktor, ein Abbild wie auch ein Vorbild einer bestimmten Zeit. Politische Parodien von populären Kampagnen, die ein amüsant-bissiges Zeugnis davon abgeben, welche kommunikative Bedeutung das einst für kommerzielle Zwecke entwickelte Original haben kann, ergänzen die Werbekampagnen. Sie verfremden Werbung in einem bewussten Akt. Die Auseinandersetzung mit Werbung war auch ein wichtiger Anstoß für die Plakatgestalter der 68er-Bewegung. Um an das Bewusstsein der Menschen heranzukommen, haben sie sich entweder der Methoden der modernen Warenwerbung bedient oder den schönen Schein der Werbebilder mit anderen visuellen Mitteln zerstört. In der Ausstellung wird beispielsweise ein Plakat der Jungsozialisten (Jusos) von 1972 zur Stadtratswahl in Nürnberg präsentiert. Sie haben das Bildmotiv und Slogan der Camel-Werbung "Ich geh meilenweit für Camel Filter" ironisch abgewandelt mit "Wir gehen meilenweit für den Sozialismus". Es ist die Zeit um 1967, in der man sich auf dem proklamierten langen Marsch durch die Institutionen befindet. Mit dem spielerischen Verweis auf eine der populärsten zeitgenössische Kampagnen nutzen sie einen Wiedererkennungseffekt, der ursprünglich zur Vermarktung eines Produkts etabliert wurde. Im Wettkampf um die Aufmerksamkeit der Konsumenten kommunizieren Unternehmen am Puls der Zeit. Werbeagenturen spüren das Lebensgefühl ganzer Generationen auf, um die Menschen zu berühren und zum Kauf zu verführen. Werbung ist ein Erzeugnis der Massenproduktion. Wer in einem Überangebot von austauschbaren Produkten überleben will, muss auf sich aufmerksam machen. Marketingfachleute entwickeln neben Preis- und Produktvorteilen prägnante Markenimages, um den Konsumenten die Wahl zu erleichtern. Verbraucher kennen wie nie zuvor den Zusammenhang von Werbebotschaft und eigenem Kaufverhalten. Die Strategien der Verführung sind bekannt und dennoch nehmen viele Menschen überteuerte Preise, unwürdige Produktionsbedingungen oder Umweltverschmutzung in Kauf angesichts positiv aufgeladener Imagewelten. Unternehmen stellen Produkte her, aber Verbraucher kaufen Marken. Die Ausstellung führt hinter die Kulissen und offenbart die zugrunde liegenden Konzepte und Strategien der Macher. In Interviews erfahren Besucher und Besucherinnen, wie der Fiat zur „tollen Kiste" wurde und warum die Milka-Kuh lila ist. Sie können über ein Voting-Tool ihre Lieblingskampagnen wählen sowie an einer Eye-Tracking und Emo-Scan-Station testen, wie sie auf Werbung reagieren. Einen Einblick in den internationalen Werbefilm gibt das Kino, in dem die Cannes-Highlights der letzten Jahre präsentiert werden. In einem chronologischen Rundgang führt die Ausstellung in sieben Epochen durch 70 Jahre deutscher Werbe- und Zeitgeschichte und gibt schließlich einen Ausblick auf die Zukunft der Werbung. Was haben wir zu erwarten? Werbung wird heute individuell auf das Nutzerverhalten angepasst und erreicht den Konsumenten mobil über sein Smartphone. Ob Massenmedien wie Zeitungen und Fernsehen weiter an Aufmerksamkeit verlieren werden, bleibt abzuwarten. Katja Weber Kuratorin der Ausstellung und wissenschaftliche Mitarbeiterin Museum für Kommunikation Frankfurt Berührt – Verführt. Werbekampagnen, die Geschichte machten Museum für Kommunikation Frankfurt Sonderausstellung, bis 28. August 2016 AsKI KULTUR lebendig 1/2016