100 Grundlagen unserer Demokratie Grundlagen unserer Demokratie Wahlgrundsätze Grundtypen des Wahlrechts: Mehrheits- und Verhältniswahlrecht Wahlgrundsätze: Erklärungen und Beispiele Mehrheitswahlrecht Verhältniswahlrecht A Die Wähler wählen selbst die Abgeordneten. Es gibt keine Zwischeninstanz, die dann die Abgeord­ neten wählt. Beim Mehrheitswahlrecht unterscheidet man zwi­ schen relativem und absolutem Mehrheitswahlrecht. Beim relativen Mehrheitswahlrecht gewinnt, wer in einem Wahlgang die meisten Stimmen erzielt. Beim absoluten Mehrheitswahlrecht sind mehr als 50 Prozent der Stimmen erforderlich. Erreicht der Kandidat oder die Kandidatin im ersten Wahlgang nicht die absolute Mehrheit, so ist ein zweiter Wahl­ gang nötig. Beim Verhältniswahlrecht wird den Parteien gemäß ihrem relativen Stimmenanteil die Zahl der Man­ date zugewiesen. Im folgenden Beispiel wird dabei vereinfachend angenommen, dass die Mandate an die Parteien mit den beiden stärksten Wahlergebnis­ sen vergeben werden. Die beiden Beispiele gehen von vier Wahlkreisen (Abkürzung für Wahlkreis = WK), einem 4­Parteien­ System (Parteien A, B, C und D) und zwei Mandaten pro Wahlkreis aus. B Die Wähler können ihre Stimme ohne staatlichen Druck und ohne Angst vor Nachteilen abgeben. C Jeder Bürger darf wählen. Keine Gruppe ist von der Wahl ausgeschlossen. Grundgesetz Artikel 38 (Wahl) (1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. … Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen Artikel 30 (1) Der Landtag besteht aus den vom Volke gewählten Abgeordneten. (2) Die Abgeordneten stimmen nach ihrer freien, nur durch Rücksicht auf das Volkswohl bestimmten Überzeugung; sie sind an Aufträge nicht gebunden. Artikel 31 (1) Die Abgeordneten werden in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer, geheimer und freier Wahl gewählt. (2) Wahlberechtigt ist, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat. … D Alle Wähler haben gleich viele Stimmen und jede gültige Stimme zählt gleich viel. E Die Wahl muss geheim sein. Niemand darf die Wahlentscheidung eines Bürgers erfahren. Wahlergebnis und Mandatsverteilung nach relativem Mehrheitswahlrecht 1 Frauen durften im Deutschen Reich bis 1918 nicht wählen. 2 In Diktaturen ist eine solche Stimmabgabe nicht oder kaum möglich. Oft fehlen Wahlkabinen. 3 In Diktaturen wird oft eine bestimmte Stimm­ abgabe erzwungen. 4 In Preußen hatte bis 1918 ein Wähler, der viel Steuern bezahlte, mehr Stimmen als ein Wähler, der wenig Steuern bezahlte. 5 Bei der Präsidentschaftswahl in den USA werden zunächst Wahlmänner gewählt, die dann den Präsi­ denten wählen. WK 3 Abg. WK 4 Abg. Stimmen landesweit Parlaments­ sitze 31 83 2 85 2 293 6 61 34 17 121 WK 1 Abg. WK2 A 94 2 B 9 C 40 43 D 57 65 200 200 Summe Abg. 8 15 106 75 83 280 2 200 200 800 8 2 Wahlergebnis und Mandatsverteilung nach Verhältniswahlrecht A WK 1 Abg. WK 2 94 (47 %) 1 31 (15,5 %) B 9 (4,5 %) 61 (30,5 %) C 40 (20 %) 43 (21,5 %) D 57 (28,5 %) Summe 200 (100 %) 1 65 (32,5 %) 200 (100 %) Abg. 1 1 WK 3 Abg. WK 4 Abg. 83 (42,5 %) 1 85 (42,5 %) 1 Stimmen landesweit 293 (36,6 %) 3 (+1)* 34 (17 %) 17 (8,5 %) 121 (15,1 %) 8 (4 %) 15 (7,5 %) 106 (13,3 %) 75 (37,5 %) 200 (100 %) 1 83 (41,5 %) 200 (100 %) 1 Parla­ ments­ sitze 1 280 (35 %) 4 800 (100 %) 8 (+ 1)* * Partei D erhält mit 35 % der Wählerstimmen ein Mandat mehr als Partei A, die 36,6 % der Stimmen auf sich vereint. Um das Stimmenverhältnis annähernd wiederzugeben, wird Partei A deshalb ein Ausgleichsmandat zugewiesen. 1 Vergleiche beim Ergebnis nach dem relativen Mehrheitswahlrecht die Anzahl der Stimmen, Sowohl im Grundgesetz als auch in der nordrhein­westfälischen Verfassung sind die fünf Wahl­ grundsätze genannt. Dies zeigt ihre große Bedeutung. 1 Notiere zu jedem einzelnen Wahlgrundsatz den Buchstaben der Erklärung und die Ziffer des Beispiels. 2 Erläutere, wie sich in der Zeichnung „Der Wahlvorgang im Wahllokal“ zeigt, dass Wahlen geheim sind. die jede Partei auf sich vereinigen konnte, mit ihrer Repräsentation im Parlament. Erörtere, ob die Zusammensetzung des Parlaments den Wählerwillen widerspiegelt. 2 Skizziere, wie sich die Mandatsverteilung im Parlament durch das Verhältniswahlrecht ändert. 3 Beurteile, welche der folgenden Aussagen zutreffen und welche nicht: a) Das Verhältniswahlrecht bildet den politischen Willen der Bevölkerung besser ab. b) Das relative Mehrheitswahlrecht sorgt für stabilere Mehrheiten. c) Das Verhältniswahlrecht fördert im Wahlkampf eher den Kult um Spitzenkandidaten als das Interesse an programmatischen Orientierungen der Parteien. d) Das relative Mehrheitswahlrecht schützt stärker regionale oder gesellschaftliche Minderheiten. 101