γ-Spektroskopie und Comptoneffekt

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γ-Spektroskopie und Comptoneffekt
Physikalische Grundlagen
Unter dem Comptoneffekt wird der elastische Stoß eines Photons (γ-Quant) mit einem Elektron verstanden. Dabei müssen sowohl die Energie der Stoßpartner als auch deren Gesamtimpuls erhalten bleiben und darüber hinaus die Stoßpartner unverändert bleiben. Beim Stoß mit
dem als ruhend angenommenen Elektron verliert das Photon einen Teil seiner Energie, was
als Frequenzverschiebung beobachtet werden kann. Damit diese Frequenzänderung hinreichend groß ist um beobachtet werden zu können, darf das als Stoßpartner fungierende Elektron nicht zu stark gebunden sein. Die Wechselwirkung würde sonst mit dem sehr viel massereicheren mit dem Elektron gekoppelten Gesamtsystem erfolgen, womit die übertragene Energie sehr klein würde.
Zum Nachweis des Comptoneffekts wird die Frequenz- bzw. Wellenlängenänderung ∆λ der
Photonen für verschiedene Streuwinkel ϑ der Photonen gemessen.
γ - Q uant
W ellenlänge λ
ϕ
Elektron
M asse m , G eschwindigkeit v
ϑ
gestreutes γ - Q uant
W ellenlänge λ'
y
x
Abb. 1 Stoß eines Photons mit einem ruhenden Elektron
Um einen mathematischen Zusammenhang zwischen diesen beiden Größen zu erhalten, werden die Beziehungen für die Energieerhaltung
h ⋅c
h ⋅c
+ m0 ⋅ c2 =
+ m ⋅ c2
λ
λ'
(1)
und die Impulserhaltung (getrennt für x- und y-Richtung)
h h
= ⋅ cos ϑ + m ⋅ v ⋅ cos ϕ
λ λ'
0=
h
⋅ sin ϑ + m ⋅ v ⋅ sin ϕ
λ'
(2)
(3)
benutzt. Zu beachten ist, dass die Ansätze relativistisch gewählt wurden, da wegen der hohen
Geschwindigkeiten der beteiligten Teilchen deren relativistische Massenänderung nicht vernachlässigt werden kann. Diese wird mit
m=
m0
v2
1− 2
c
(4)
berechnet. Wird diese Beziehung in (1)-(3) eingesetzt, kann das Gleichungssystem zu einer
Abhängigkeit
∆λ (ϑ) = λ '− λ =
h
m0 ⋅ c
(1 − cos ϑ)
(5)
umgeformt werden.
Für den Nachweis des Comptoneffekts werden γ-Quanten benutzt, welche beim Zerfall des
Isotops Cäsium-137 entstehen.
Cs-137
β 512 keV (95%)
Ba-137m
β 1176 keV (5%)
γ 662 keV (85%)
Ba-137
Abb. 2 Zerfallsschema für das Isotop Cs-137
Cs wandelt sich mit einer Halbwertszeit von 32,25 Jahren hauptsächlich (95%) durch βZerfall in das angeregte Isomer 137mBa um. Mit einer Halbwertszeit von 2,6 Minuten geben
die meisten 137mBa-Kerne ihre Anregungsenergie durch Aussendung von γ-Quanten mit der
Energie von 661,6 keV ab. Bei den restlichen 137mBa-Kernen wird die Anregungsenergie direkt auf ein Elektron der K-Schale der Atomhülle übertragen, welches damit aus dem Atom
herausgelöst wird (innere Konversion). Beim Wiederauffüllen der entstandenen Fehlstelle
entsteht eine charakteristische Röntgenstrahlung (Kα-Linie) der Energie 32 keV.
137
Die Messung des Gammaspektrums erfolgt mittels eines NaI-Szintillationszählers. Im Szintillatormaterial treten verschiedene Wechselwirkungen auf. Dieses sind der Photoeffekt, die
Paarbildung und der Comptoneffekt. Allen gemeinsam ist, dass Elektronen im Thalliumdotierten Natrium-Iodid-Kristall erzeugt oder angeregt werden. Diese Elektronen erzeugen
durch Ionisation entlang ihrer Bahn weitere langsame Elektronen, die das eingelagerte Thallium anregen, welches beim Abregen Lichtblitze aussendet. Gelangen die Lichtblitze auf die
Photokathode eines Photomultipliers lösen sie durch Photoeffekt Photoelektronen aus, die mit
einem Sekundärelektonenvervielfacher vervielfacht werden und letztlich ein elektrisches Signal erzeugen. Die Spannung des Signals ist proportional zur Summe der kinetischen Energien
aller bei der Wechselwirkung erzeugten bzw. angeregten Elektronen. Die beschriebenen Vorgänge verlaufen so schnell, dass praktisch immer nur ein einzelnes γ-Quant der Auslöser ist.
Fallen 2 γ-Quanten nahezu gleichzeitig in den Szintillator ein, können sie nicht unterschieden
werden. Es entsteht ein Spannungssignal, welches der Summe der Energien der γ-Quanten
(bzw. der Energien der angeregten Elektronen) entspricht.
Bei geringen Energien der γ-Quanten erfolgt die Wechselwirkung im Detektor hauptsächlich
durch den Photoeffekt. Dabei wird die gesamte Energie Eγ des Gammaquants auf das ausgelöste Photoelektron übertragen. Es entsteht die so genannte Photolinie, welche die Energie der
einfallenden γ-Quanten repräsentiert.
Mit zunehmender Energie (einige MeV) der γ-Quanten geht die Wahrscheinlichkeit für den
Photoeffekt gegen Null und es überwiegt die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten des Comptoneffekts. Werden dabei die γ-Quanten rückgestreut, verlieren Sie die maximale Energie EC
(Gleichung 5 für ϑ = 180°) an ein Elektron des Detektors. Für Streuwinkel ϑ < 180° haben
die gestreuten Elektronen geringere Energie. Im γ-Spektrum bildet sich so, beginnend bei EC,
der so genannten Comptonkante, bis herab zu verschwindenden Energien, das so genannte
Comptonplateau aus. Verlässt das gestreute γ-Quant nicht sofort den Detektor, sondern erfolgen weitere Streuungen wird die Summe der Energien der beteiligten Elektronen gemessen,
was zu einem Untergrundrauschen bis zur Energie Eγ im Spektrum führt.
Erfolgt die Streuung durch den Comptoneffekt außerhalb des Detektors (z.B. im Strahler
selbst) werden nur die gestreuten γ-Quanten mit Energien ab ER = Eγ - EC nachgewiesen. Bei
ER bildet sich der so genannte Rückstreupeak. (Photopeak der rückgestreuten γ-Quanten).
Für noch größere Energien der γ-Quanten sinkt auch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens
des Comptoneffekts. Jedoch steigt ab Eγ > 2m0c2 die Wahrscheinlichkeit für Paarbildungsprozesse stark an. Die dabei entstehenden Elektronen und Positronen erhalten die überschüssige
Energie Eγ - 2m0c2 als kinetische Energie. Die Positronen annihilieren praktisch sofort mit
Elektronen des Szintillatormaterials. Es entstehen 2 γ-Quanten der Energie m0c2. Werden beide γ-Quanten durch Photoeffekt absorbiert, entsteht im Spektrum ein Peak bei der ursprünglichen Energie der γ-Quanten Eγ. Verlässt ein γ-Quant den Detektor entsteht der single escape
peak bei Eγ - m0c2. Verlassen beide γ-Quanten den Detektor entsteht der double escape peak
bei Eγ - 2m0c2.
Versuchsvorbereitung
- Leiten Sie eine Beziehung zum Energieübertragungsverhältnis (Energie des stoßenden
Körpers im Verhältnis zur Energie des gestoßenen Körpers nach dem Stoß) beim zentralen
elastischen Stoß her, wenn der gestoßene Körper anfänglich ruht. Drücken Sie dieses Verhältnis ausschließlich durch das Massenverhältnis der Stoßpartner aus.
- Energie und Impuls schnell bewegter Teilchen, Ruhmasse und Ruhenergie
- De Broglie-Beziehung
- Zeigen Sie durch Taylorreihenentwicklung für verschwindende v, dass aus dem relativistischen Energieausdruck
E=
m0c2
v2
1− 2
c
neben der Ruhenergie der Ausdruck für die klassische kinetische Energie folgt.
- Leiten Sie die Beziehung (5) her.
- isomere Kerne, Konversion, Auger-Effekt
- charakteristische Röntgenstrahlung
(6)
- Paarerzeugung (-vernichtung)
- Berechnen Sie jeweils die Energien (in keV) für den Rückstreupeak, für die Comptonkante, und für den single und double escape peak für die in der Tabelle angegebenen Strahler.
Strahler
γ-Energie in keV
γ-Energie
Co-60
1173
1332
Na-22
511
1274
Am-241
59,5
Cs-137
662
charakter. Röntgenstr.
32
- Kernzerfälle, (Äquivalent-) Dosis- (Leistung), Abstandsgesetz
- Berechnen Sie die momentane Aktivität des verwendeten Strahlers Cs-137, der am
14.7.1992 eine Aktivität von 3700 kBq hatte! Wie groß ist dessen Äquivalentdosisleistung
im Abstand von 0,5m. (Γ =88 µSv m2 h-1 GBq-1) Wie lange darf in diesem Abstand geH
H
arbeitet werden, wenn der Grenzwert für die Äquivalentdosis 0,3 mSv beträgt?
- Wie kann man die Fläche unter einer Gaußkurve aus deren Höhe und ihrer Halbwertsbreite
(Breite in halber Höhe) ermitteln? (Herleitung!)
Aufgaben
- Nehmen Sie γ-Spektren von verschiedenen radioaktiven Stoffen (Tabelle Versuchsvorbereitung) auf.
- Zeichnen Sie die Peakposition (in cm) und die Energieauflösung (in keV/cm) in Abhängigkeit der Energie. (Fehlerbalken einzeichnen)
- Zeichnen Sie die von Ihnen berechneten Werte für die Position von Comptonkante, Rückstreupeak, single- und double escape peak in ihre Spektren ein.
- Nehmen Sie an Hand des Gammaspektrum von Cs-137 folgende Auswertungen vor!
Verhältnis der Wahrscheinlichkeiten (Streuquerschnitte) für das Auftreten des Photo- und
Comptoneffekts. Die Wahrscheinlichkeiten sind proportional zur Photopeakfläche bzw.
zur Fläche unter dem Comptonplateau.
Anteil der inneren Konversion am Übergang 137mBa zu 137Ba. (Fläche des Röntgenpeaks im
Verhältnis zur Gesamtfläche)
Relative Energieauflösung (Verbreiterung der Linien in Bezug auf ihre Energie) bei kleinen und hohen Energien. Vergleichen Sie mit der Energieauflösung des Szintillators (7%)
und der erzielten Auflösung des Impulshöhenanalysotors.
- Messen Sie das Gammaspektrum nach Streuung an einem Streukörper unter verschiedenen
Winkeln. Bestimmen Sie jeweils die Energie des Photopeaks. Stellen Sie die Energie in
Abhängigkeit des Winkels grafisch dar. Vergleichen Sie mit der theoretisch berechneten
Kurve.
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