AUG — SEP MAGAZIN Lionel Bringuier Gespräch mit dem neuen Chefdirigenten Esa-Pekka Salonen über den Creative Chair und sein neues Werk «Karawane» Yuja Wang ist Artist in Residence beim Tonhalle-Orchester Zürich Lionel Bringuier Chefdirigent Mehr klassische Musik für die Schweiz. Die Credit Suisse unterstützt ausgewählte Orchester in der Schweiz und engagiert sich seit fast 30 Jahren für das Tonhalle-Orchester Zürich. credit-suisse.com/sponsoring Verehrtes Publikum — «jolifanto bambla ô falli bambla ...» – so beginnt das Lautgedicht «Karawane» von Hugo Ball, das Esa-Pekka Salonen zu seinem gleichnamigen neuen Werk für Orchester und Chor inspiriert hat. Der Komponist und Dirigent setzt sich mit dem Dadaismus und dessen Mitbegründer Hugo Ball auseinander, der auch als einer der Pioniere des Lautgedichts gilt. Mit dieser Uraufführung starten wir in die neue Konzertsaison. Auf den folgenden Seiten unseres Magazins möchten wir Sie mit der Entstehung dieses Werks und der Herangehensweise des Komponisten an das Lautmaterial vertraut machen. Lionel Bringuier gibt mit Salonens Komposition seinen Einstand als Chefdirigent des Tonhalle-Orchesters Zürich. Im Gespräch gibt er Einblicke in seine künftige Arbeit, seine musikalischen Schwerpunkte und seine Vorfreude auf die Arbeit mit unserem Orchester. Auch Yuja Wang, diesjährige Artist in Residence, möchten wir Ihnen in einem ausführlichen Porträt näherbringen. Die chinesische Pianistin wird sich in der Eröffnungswoche sehr vielseitig präsentieren und unser Orchester auf der Europa-Tournee im März 2015 begleiten. In diesem Magazin wollen wir Ihnen die faszinierenden Geschichten erzählen, die hinter unseren Programmen stehen, und Sie mitnehmen auf eine Reise durch mehr als 300 Jahre Musikgeschichte. Der Tag der offenen Tür bietet darüber hinaus Gelegenheit, Lionel Bringuier, Esa-Pekka Salonen, Yuja Wang und natürlich die Musikerinnen und Musiker unseres Tonhalle-Orchesters Zürich persönlich zu treffen. Ich freue mich auf viele Begegnungen mit Ihnen und wünsche uns allen eine an- und aufregende Konzertsaison. Ilona Schmiel Intendantin Titelbild: Priska Ketterer Die Konzerte der Tonhalle-Gesellschaft Zürich werden ermöglicht dank der Subventionen der Stadt Zürich sowie der Beiträge des Kantons Zürich. Projekt-Partner: Privatbank Maerki Baumann & Co. AG, Radio SRF 2 Kultur, F. Aeschbach AG / U. Wampfler, Swiss Re, Swiss Life Projekt-Förderer: Adrian T. Keller und Lisa Larsson, AVINA Stiftung, Monika und Thomas Bär, Baugarten-Stiftung, Ruth Burkhalter, Hans ImholzStiftung, Heidi Ras Stiftung, Hilti Foundation, International Music & Art Foundation, MBF Foundation, Pro Helvetia, Georg und Bertha SchwyzerWiniker-Stiftung Service-Partner: ACS-Reisen AG, Schellenberg Druck AG Medien-Partner: Neue Zürcher Zeitung TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh 3 Kulturelle und kulinarische Highlights im Dolder Grand Starten Sie Ihren Sonntagmorgen mit einer unserer Matinee-Lesungen, bereichern Sie Ihr kulinarisches Wissen bei einem unserer Kochkurse und lassen Sie sich an unserem neuen Gourmetfestival THE EPICURE – Days of Culinary Masterpieces von insgesamt 13 Spitzenköchen ins Schwelgen bringen. Weitere Informationen erhalten Sie auf unserer Website. The Dolder Grand The City Resort of Zurich since 1899 Tel +41 44 456 60 00 www.thedoldergrand.com 176 Zimmer und Suiten The Restaurant, Garden Restaurant, Bar Spa auf 4’000 Quadratmetern 10 — Inhalt — Esa-Pekka Salonen Uraufführung seines neuen Werks «Karawane» 06 Lionel Bringuier über seine Arbeit mit dem Tonhalle-Orchester Zürich 10 Ohren auf! Zur Uraufführung der «Karawane» von Esa-Pekka Salonen 13 Hugo Ball und der Dadaismus in Zürich 14 Stubete am See 2014 15 Alexander Krichel im Rahmen der «Série jeunes» 16 Die Pianistin Yuja Wang – Artist in Residence 2014/15 18 Hereinspaziert! Tag der offenen Tür 20 Filmmusikwettbewerb – Lifetime Award für Hans Zimmer 21 Blechbläser-Matinee 22 Charles Dutoit dirigiert das Te Deum von Hector Berlioz 24 Max und Moritz im Konzert – mit Timo Schlüssel 25 News 26 Patricia Kopatchinskaja im Gespräch 29 Aus der Zürcher Musikgeschichte 30 Kolumne 06 — Fotos: Clive Barda, Priska Ketterer, Felix Broede, Tobias Madörin Lionel Bringuier dirigiert zur Saisoneröffnung 16 — Yuja Wang mit Prokofjews zweitem Klavierkonzert sowie in einem Kammermusikabend 18 — Tag der offenen Tür Konzerte, Tanz, Swing, Film, Fun, Podiumsgespräche, Kinderprogramme, Führungen, Workshops TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh 5 «Wow, wir sind wirklich ein gutes Orchester ...» — 6 TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh Lionel Bringuier im Interview Lion e l B ri n g u i e r, im Septem be r b e g i n n t Ih re Z e i t a l s C hef dir igent de s To n h a lle - O rch e ste r s Zür ic h. Wi rd Z ü ri ch zu Ih re m H a u ptw o hns it z ? Zürich soll wirklich zu meinem Lebensmittelpunkt werden, ich will mich hier niederlassen. Natürlich ist es mir als musikalischem Direktor wichtig, nahe dem Orchester und seinen Musikern zu sein. Dazu gehört nicht nur unsere gemeinsame Arbeit mit Proben und Konzerten, sondern genauso, das Orchester zu hören, wenn ein Gastdirigent mit ihm musiziert. Bereits ein halbes Leben lang dirigiert Lionel Bringuier. Und doch ist der neue Chefdirigent des Tonhalle-Orchesters Zürich erst 27 Jahre alt – und gefragt bei den bedeutendsten Orchestern der Alten und Neuen Welt. Nun will er Zürich zu seinem Mittelpunkt machen. S i e wolle n Prä se nz m a r k ie re n … Genau. Damit jedermann spürt und erkennt, dass ich wirklich daran interessiert bin, hier etwas zu erreichen. Das ist der orchestrale Teil. Genauso wichtig ist es mir, dem Publikum nahe und gegenüber jedem offen zu sein; ich mag den gesellschaftlichen Kontakt und Austausch. Dieses Verständnis meiner neuen Aufgabe in Zürich schliesst jedoch nicht aus, dass ich weiterhin als Gast andere Orchester dirigieren werde. Auch für das Tonhalle-Orchester scheint es mir wichtig, dass sein Chef von anderen grossen Orchestern eingeladen wird. Fotos: Proska Ketterer, Alberto Venzago im einklang mit ihrer Aufgabe in Zürich ... Ja, natürlich. Und dazu gehört auch, dass wir umgekehrt bedeutende Gastdirigenten und Solisten hierher nach Zürich einladen können. An dieser wunderbaren Tradition wollen wir als neues Leitungsteam – Ilona Schmiel, Marc Barwisch und ich – arbeiten, dem Orchester höchste Qualität in Zürich wie in der Welt zu sichern. Für mich ist das Tonhalle-Orchester Zürich heute eines der besten Orchester in der Welt. Lionel Bringuier im Interview Das erkenne ich im Vergleich mit anderen Orchestern, die ich überall in der Welt dirigiere. Jedes Mal, wenn ich nach Zürich zurückkehre, wird mir bewusst: Wow, wir sind wirklich ein gutes Orchester! Deshalb ist es mein erstes Ziel, diese Qualität zu bewahren und weiterzuentwickeln. Wie viele Wochen im Jahr werden Sie dem Tonhalle-Orchester Zürich widmen? Das hängt etwas davon ab, ob wir in einer Saison auf Tournee gehen oder ob einige Termine mehr hier in Zürich angesetzt werden. Es pendelt sich wohl zwischen zehn und zwölf Wochen ein. Wel ch es R ep ert o i re werd en S ie mit d em To n h al l e-Orch es t er in Ihre n e ige n en Ko n z ert en p f l eg en ? Wo lie gt Ihr Haup t i n t eres s e? Lionel Bringuier Geboren in Nizza, studierte Lionel Bringuier ab seinem dreizehnten Lebensjahr zunächst Cello und ab dem Jahr 2000 auch Dirigieren. Nur ein Jahr nach seinem Studienabschluss gewann er 2005 die 49. Besançon Young Conductors Competition. Seitdem dirigierte er zahlreiche bedeutende Orchester und war sechs Jahre lang Resident Conductor beim Los Angeles Philharmonic, was zu einer Zusammenarbeit zuerst mit Esa-Pekka Salonen und anschliessend mit Gustavo Dudamel führte. Ich bin hier Musikdirektor, und die Aufgabe des Musikdirektors ist es, alles – vom Barock bis zur Gegenwart – zu dirigieren. Mozart, Beethoven, Brahms, Berlioz, Mussorgsky, Strawinsky und zeitgenössische Musik. I h r Vo rg än g er Davi d Z i n m an war noc h As s i s t en t vo n Pi erre Mo n te u x – e ine g ewi s s e Affi n i t ät für d i e französisc he Trad i t i o n kö n n t e man i m Tonhalle Orch es t er d urch aus verm u te n. Ist das eine besondere Voraussetzung für Sie? Möglichweise verstehe ich nun, weshalb ich so glücklich war, mit dem TonhalleOrchester Ravel zu spielen. Sie hatten wunderbare Farben. Aber gleichzeitig erkennt man im deutschen Repertoire diese ganz andere Tradition. Auf jeden Fall habe ich mich mit den Musikern des Tonhalle-Orchesters vom ersten Moment an eng verbunden gefühlt. Es bedarf TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh 7 in unserer gemeinsamen Arbeit gar nicht so vieler Worte und Erklärungen, damit die Musiker spüren, was ich fühle. Ka n n d i e Tra d i t i on e i n e r I ns t it u t io n wi e d er Z ü rch e r Ton h a ll e a uc h e ine Last bede u t e n ? Es ist mir bewusst, dass das Orchester und dieser Saal eine grosse Tradition haben, dass Brahms hier das Eröffnungskonzert dirigiert hat. Solche Dinge sind als Basis wichtig, um zu verstehen, was die Tonhalle heute ist. Natürlich habe ich immer leidenschaftlich zeitgenössische Musik gepflegt. Dennoch wurde ich nicht hierher engagiert, um in jedem Konzert zeitgenössische Musik aufzuführen. Ich sehe meine Aufgaben und Herausforderungen breiter: Die deutsche Chortradition gehört ebenso dazu wie französisches Repertoire – in meiner ersten Saison vor allem Maurice Ravel – oder russische Musik. Letztlich geht es darum, einem breiten Publikum Auswahlmöglichkeiten zu bieten, damit jeder das findet, was ihn fasziniert und was er hören möchte. Dazu gehört auch, ein junges Publikum, das zuvor vielleicht noch nie mit klassischer Musik in Verbindung gekommen war, für unsere Konzerte zu motivieren. Vi el e j un g e Le u t e h a b e n Mü he m it der stren g ri t u a li si e rt e n k l a s s is c he n Kon zer tfo rm . St e h e n S i e a l s ju nger Di r i gen t f ü r Ve rä n d e ru ng en? Am Schluss meiner Zeit als Musikdirektor beim Sinfonieorchester von KastilienLeón hatten wir bei jedem Konzert einen vollen Saal – darunter sehr viele junge Leute. Das war nicht so, als ich dort begann. Man braucht jedoch drei oder vier Jahre, um Dinge wirklich zu verändern. Was gen a u h a b e n S i e g e m a c ht? Als Erstes gründete ich eine Akademie. Mit Musikern aus dem Konservatorium von Salamanca veranstalteten wir Probespiele, die Jurymitglieder waren 8 TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh Mitglieder des Orchesters. So wählten wir einige hervorragende junge Musikerinnen und Musiker aus, die bei bestimmten Projekten im Orchester mitspielen durften. Auf einmal gab es neue, sehr junge Gesichter im Orchester zu sehen! Das heisst nicht, dass wir so etwas auch in Zürich tun werden. Ich will damit nur ausdrücken, dass es viele Möglichkeiten und ganz unterschiedliche Wege gibt, um eine junge Generation für die klassische Musik und für ein Orchester zu interessieren. Sind Sie o f f en für äh n l i ch e Pro j ekt e a u c h in Zür ich ? Auf jeden Fall. Das ist auch ein Grund, weshalb ich hier leben will, um diese jungen Leute zwischen 18 und 30 zu treffen, mit ihnen nach einem Konzert zu sprechen, mit ihnen einen Drink zu nehmen. So werden sie sehen, dass es nicht öde ist, ein Musiker oder ein Dirigent zu sein, und dass klassische Musik nicht langweilig zu sein braucht. « Die Musik ist stets mein Ziel, nicht mein Ego. » Lio nel B r ing ui er, b erei t s mi t d rei z eh n s t a nde n Sie ers t mal s vo r ei n em Orc he s t e r … Und jetzt, mit 27, wurde mir klar, dass ich mein halbes bisheriges Leben mit Dirigieren verbracht habe. Seit ich dreizehn war, habe ich jede Woche dirigiert, die Konservatoriumsorchester in Paris und Toulouse, Amateurorchester in Marseille und Nizza. Ich war stets mit dem Taktstock unterwegs und stand vor vierzig, fünfzig Musikern. Natürlich denken die Leute, dass ich jung sei – aber ich dirigiere bereits vierzehn Jahre! Gleichzeitig möchte ich nie aufhören zu lernen. Als Musiker strebt man immer Perfektion an – im genauen Wissen, dass dieses Ziel letztlich unerreichbar bleibt, dass es immer weitergeht. Das erste Werk übrigens, welches ich dirigierte, war Beethovens Siebte. Un d wi e war d i es e e rfah run g ? Es war eine schwierige Situation für mich. Ich begann damals in der Celloklasse am Pariser Konservatorium, und die Musiker dieses Orchesters hatten schon alle ihr Diplom. Die meisten von ihnen spielten bereits in einem der Rundfunkorchester, waren also schon sehr erfahren. Angst hatte ich deswegen keine, aber es war schon eine neue Erfahrung … Bald gelang es mir jedoch, das Dirigieren so zu begreifen wie ein Solist, der sein Instrument nimmt, aufs Podium geht und zu spielen beginnt. Manche Werke habe ich inzwischen auch schon oft dirigiert, Strawinskys «Feuervogel» zum Beispiel bestimmt schon hundert Mal. (Lacht) Ich dirigiere wirklich viel – und die Freude daran ist mir nie vergangen. Wes h al b h ab en Si e s o früh vo m C e llo auf d as Po d i um g ewech s el t ? Das hat sich sehr natürlich ergeben. Mein Ziel als Cellist war es immer, Kammermusik zu spielen. Die Musik ist stets mein Ziel, nicht mein Ego. Das Dirigieren gehörte zum Ausbildungsprogramm am Pariser Konservatorium auch für uns Instrumentalisten, doch nach zwei Jahren trat ich in die wirkliche Dirigentenklasse ein – und so verlagerte sich mit sechzehn meine musikalische Tätigkeit mehr und mehr auf das Dirigieren. Bald einmal hatte ich mehr Konzerte als Dirigent denn als Cellist. Dann kam der Dirigentenwettbewerb in Besançon – und alles begann. Lionel Bringuier im Interview Es bedarf in unserer gemeinsamen Arbeit gar nicht so vieler Worte und Erklärungen, damit die Musiker spüren, was ich fühle. Sp i el en Si e n o ch Cel l o ? Manchmal. Kan n man Si e kün ft i g vi elle ic ht als Kammermus i ker g emei n s am mit Mu sikern I h res Orch es t ers erl e be n? Eher nicht, das ist zu lange her, dass ich wirklich ambitioniert gespielt habe. Und das sind so wunderbare Musikerinnen und Musiker – da würde ich eine Zumutung bedeuten … ANDREA MEULI Fotos: Proska Ketterer, Alberto Venzago Auszug aus dem Gespräch mit Lionel Bringuier in der Zeitschrift «Musik & Theater» (Ausgabe Mai/Juni 2014). Lionel Bringuier im Interview TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh 9 10 TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh siegt auch in en! Meine haften, Ihre erosteten n klingen?» Hugo Ball — beim Vortrag von Lautgedichten Ohren auf! — Esa-Pekka Salonen Ohren auf! Dada siegt auch i Tönen! Meine Herrschaften, Ihr eingerosteten Ohren klingen?» Fotos: hugo-Ball-Sammlung, Schweizerisches Literaturarchiv, Bern; Katja Tähjä «Aus und vorbei mit dem tönenden Zopf einer, ach so herrlich begründeten Tradition! Dada siegt auch in Tönen! Meine Herrschaften, Ihre eingerosteten Ohren klingen?», verkündete der Dadaist Raoul Hausmann 1919 in Berlin. Und er gab damit die Richtung an: Es war eine Attacke aufs Ohr der Philister, wie einst schon bei Robert Schumann, nun aber mit der Vehemenz einer Avantgarde. Zahlreiche Komponisten des 20. Jahrhunderts haben diesen Impetus aufgegriffen. Berühmt wurde John Cages Neujahrswunsch: «Happy New Ears». Und 1977 nannte sich eine finnische Musikergruppe «Korvat auki!», zu Deutsch: Ohren auf! Zu dieser jungen, initiativen Gruppe, die sich polemisch gegen die Musik der Vätergeneration wandte, gehörten einige Komponisten, die heute zu den Stars der zeitgenössischen Musik zählen: Kaija Saariaho, Magnus Lindberg und Esa-Pekka Salonen. Dieser dritte freilich, 1958 in Helsinki geboren, ist eher als hervorragender Dirigent bekannt geworden. Zu dirigieren, so sagte er später, habe er eigentlich bloss gelernt, um seine eigenen Stücke und die seiner Freunde aufzuführen. So engagierte er sich für diese Neue Musik als Dirigent mit dem neuen Ensemble Avanti!. DIRIGIEREN ODER KOMPONIEREN? Es war noch nichts Aussergewöhnliches, dass er 1979 beim Finnischen Radiosinfonieorchester debütierte. Doch 1983 trat er mit Mahlers dritter Sinfonie beim Philharmonia Orchestra in London auf, und zwar so erfolgreich, dass er flugs zu einer steilen Karriere durchstartete. Er Esa-Pekka Salonen Ohren auf! Mit einem neuen Werk für Chor und Orchester bezieht der finnische Dirigent und Komponist Esa-Pekka Salonen seinen «Creative Chair» beim TonhalleOrchester Zürich. «Karawane» ist eine Hommage an den Dadaismus und damit auf ein herausragendes Kapitel der Zürcher Kulturgeschichte. Esa-Pekka Salonen Zum ersten Mal wird von der Tonhalle-Gesellschaft Zürich in dieser Saison ein Creative Chair vergeben. Die Wahl fiel auf den aus Finnland stammenden Komponisten und Dirigenten Esa-Pekka Salonen. In neun Konzerten werden Werke von Salonen zu hören sein, dirigiert vom Chefdirigenten Lionel Bringuier, von Gastdirigenten sowie 2015 von Salonen selbst. In diversen Workshops, Lectures und Gesprächsrunden werden Einblicke in die Werkstatt des Creative ChairInhabers vermittelt. Zudem wird er eine Meisterklasse Komposition an der Zürcher Hochschule der Künste leiten. B Hugo leitete diverse Orchester als Chef, so das Los Angeles Philharmonic und das Philharmonia London sowie seit 2003 das von ihm gegründete Baltic Sea Festival. Ins Hintertreffen geriet dabei das eigene Komponieren, dies vielleicht nicht nur, weil Esa-Pekka Salonen so viel dirigierte, sondern auch, weil ihn grundsätzliche Zweifel an seiner Musik umtrieben. «Vier, fünf Jahre lang komponierte ich nur ganz wenig», sagte er vor einigen Jahren im Interview, «und danach begann ich von null auf wieder. Lange sammelte ich Material, ohne den Druck des Komponierens, spielte mit unterschiedlichen harmonischen Ideen, und endlich gelangte ich zu dem Punkt, dass ich die Elemente für eine Tonsprache beisammen hatte. Sie ist natürlich nicht vollständig verschieden von meiner früheren Musik, aber in vieler Weise Hinsicht doch. Ich brauchte diesen Break. Danach war ich ziemlich produktiv, denn ich fühlte, dass die Krise vorbei ist. Das ist der Weg, auf dem ich für einige Zeit weitergehe.» DAS PUBLIKUM NICHT VOR DEN KOPF STOSSEN … Es war ein Neuanfang, ein Aufbruch, weg von den hyperkomplexen Klangstrukturen der 80er-Jahre hin zu klaren Rhythmen, tonalen Harmonien, grossorchestralen Klangfarben und übersichtlichen Formverläufen. «Ich merke, dass die Komponisten heute wieder eine Musik schreiben, die ihre potenziellen Zuhörer nicht vor den Kopf stossen will. Ich halte nichts von Publikumsbefragungen und Ähnlichem, wie man es in der kommerziellen Rock- und Popmusik tut, TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh 11 Ball DIE KARAWANE aber ich denke, es ist moralisch und intellektuell ziemlich fragwürdig, wenn ein Komponist sagt, er sei absolut nicht an seinem Publikum interessiert.» Werke Salonens waren in den letzten Jahren bereits beim Tonhalle-Orchester Zürich zu hören: «Insomnia» etwa und die «LA Variations». Nun kommt er auf den neu geschaffenen «Creative Chair» des Tonhalle-Orchesters und begleitet seinen einstigen «assistant conductor» Lionel Bringuier in dessen erste Zürcher Saison. Eine ganze Reihe seiner Stücke von den frühen «Nachtliedern» (1978) bis hin zum Klavierkonzert (2007) und zum orchestralen «Nyx» erklingen in diesem Jahr. Zur Eröffnung hat Salonen ein neues Werk für Orchester und Chor geschrieben, in dem er sich konkret auf ein herausragendes Kapitel der Zürcher Kulturgeschichte bezieht: auf den Dadaismus. Hugo Balls Lautgedicht «Karawane» diente ihm dafür als Vorlage. Und damit bricht auch die TonhalleKarawane zu einer neuen Reise auf. jolifanto bambla ô falli bambla grossiga m’pfa habla horem égiga goramen higo bloiko russula huju hollaka hollala anlogo bung blago bung blago bung bosso fataka ü üü ü schampa wulla wussa ólobo hej tatta gôrem eschige zunbada wulubu ssubudu uluw ssubudu tumba ba- umf kusagauma ba - umf TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh ogol gnub 12 Fotos: Clive Barda THOMAS MEYER Hugo Ball und der Dadaismus Hugo Ball und der Dadaismus in Zürich — «jolifanto bambla ô falli bambla»: Ist das Babysprache? Oder schlicht Unsinn? Und so geht’s auch gleich weiter: «grossiga m’pfa habla horem / égiga goramem». Und sogar: «hollaka hollala». Hollala, was soll denn das? werden sich verdutzt auch die LeserInnen bzw. ZuhörerInnen um 1917 gefragt haben, wenn sie sich nicht ohnehin in Grund und Boden ärgerten. Denn das war nicht der hohe lyrische Ton, den das Publikum von Rainer Maria Rilke, Stefan George oder Hugo von Hofmannsthal her gewohnt war, sondern ein Frontalangriff auf den gutbürgerlichen Literaturgeschmack. «Dada» nannte sich diese Revolution, wiederum kindersprachlich, und ausgebrochen war sie mitten im Chaos des Ersten Weltkriegs – und doch in sicherer Ferne von ihm – in Zürich, an der Spiegelgasse Nummer 1. Einige Häuser die Gasse hinauf, in der Nr. 12, hatte einst der literarische Revolutionär Georg Büchner gewohnt, und noch ein Haus weiter lebte damals Lenin. Eine geeignete Umgebung also, um die Sprache zum Einsturz zu bringen. DADA WAR PROVOKATION Mi 10.09.14 Do 11.09.14 19.30 Uhr, Grosser Saal Saisoneröffnung Tonhalle-Orchester Zürich Lionel Bringuier Leitung Yuja Wang Klavier Artist in Residence Zürcher Sing-Akademie Tim Brown einstudierung Esa-Pekka Salonen Creative Chair Karawane für Chor und Orchester (UA) Sergej Prokofjew Klavierkonzert Nr. 2 g-Moll op. 16 Hector Berlioz Symphonie fantastique op. 14 Unterstützt durch Credit Suisse Artist in Residence wird unterstützt durch Swiss Re «Cabaret Voltaire» nannten Hugo Ball und Emmy Hennings ihr Lokal, das sie am 5. Februar 1916 eröffneten und in dem sie ungewöhnliche Abende durchführten. Alles entstand schnell, all’improvviso, spontan, und der Sinn ging rasch in Unsinn über. Die Künstler wurden sofort davon angezogen: Hans Arp, Tristan Tzara, Richard Hülsenbeck, Georg Grosz und viele andere. Es ist auch heute noch verblüffend, mit welcher Geschwindigkeit sich der Dadaismus da neue Bahnen brach. Gewiss: Unsinnsliteratur gab es schon früher, oft subtile wortspielerische Texte – man denke nur an den 1914 verstorbenen Christian Morgenstern. Das hier aber war nicht mehr feinsinnig. Hier wurde beleidigt und zerstört. Und entsprechend reagierte das Publikum: «Man pfiff, schrie, warf kleine Geldstücke, Orangenschalen und Schimpfworte auf die Bühne und stampfte mit Füssen und Stühlen», berichteten die «Basler Nachrichten» im April 1919. «Dass nach dieser unglaublichen Verhöhnung des Publikums es nicht zu Tätlichkeiten kam, ist wohl nur der allgemeinen Verblüffung zuzuschreiben … ein Skandal, von dem alte Züricher behaupten, sich nicht erinnern zu können, jemals einen ähnlichen erlebt zu haben.» DADA WAR MUSIK Chefideologe der jungen Dada-Bewegung war Hugo Ball (1886–1927), dessen Lautgedicht «Karawane» auch die Grenze zur Musik überschritt. «Mit diesen Tongedichten wollten wir verzichten auf eine Sprache, die verwüstet und unmöglich geworden ist durch den Journalismus. Wir müssen uns in die tiefste Alchemie des Wortes zurückziehen und selbst die Alchemie des Wortes verlassen, um so der Dichtung ihre heiligste Domäne zu bewahren», schrieb er dazu. Weil oft mehrere Texte simultan vorgetragen wurden, gingen die Worte ohnehin in einen Sprachklang über. Der anarchische Jazz, aber auch futuristische Geräuschorgien lieferten den Sound dazu. Befeuert von «Negertrommeln» gingen die Partys oft in «kubistische Tänze» über. Dada war Musik: Es ist deshalb kaum erstaunlich, dass die dadaistischen Gedichte auch später die Komponisten begeisterten, ob den Berliner Stefan Wolpe, die Popgruppe «Talking Heads» oder nun eben Esa-Pekka Salonen. THOMAS MEYER 10./11.9., 18.30 Uhr, Kammermusiksaal Einführung mit Lukas näf Hugo Ball und der Dadaismus TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh 13 Stubete am See 2014 — Fr 05.09.14 19.00–24.00 Uhr, Kleiner Saal Stubeteball erster Stubeteball mit 3 Tanzkapellen Sa 06.09.14 14.00–24.00 Uhr So 07.09.14 10.00–19.00 Uhr Stubete am See Bühne 1: Tonhalle, Kleiner Saal Bühne 2: Tonhalle, Grosser Saal Bühne 3: Tonhalle, Vestibül Bühne 4: Bauschänzli Neu: Kinderprogramm www.stubeteamsee.ch In Zusammenarbeit mit der Tonhalle-Gesellschaft Zürich, Stadt Zürich und Pro Helvetia TANZMUSIK WIE ZUR LANDIZEIT Die Stubete am See ist das umfassendste Festival für Neue Schweizer Volksmusik. Im Grossen und Kleinen Saal der Tonhalle Zürich sowie im Vestibül findet jede Stunde ein Konzert statt. Bei gutem Wetter gibt es zudem ein OpenAir auf dem Bauschänzli zwischen Bellevue und Bürkliplatz, wo zum Tanz aufgespielt wird. 31 verschiedene ensembles werden auftreten. Verraten seien nur einige Highlights. Zum Beispiel Viviane Chassot mit ihrem phänomenalen Akkordeonspiel, welches sogar Alfred Brendel ins Schwärmen brachte. Das Projekt «Ufzupft» bringt das Spiel auf verschiedenen Schweizer Halszithern nach Zürich. Das Ländlerorchester wird dieses Mal vom Wiener Tommaso Huber zusammengestellt mit Musikanten aus Wien und Zürich – Schweizer Volksmusik aus der Sicht eines Wieners und mit österreichischen «Zutaten» wie Harfe oder Zugposaune. 14 TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh FLORIAN WALSER Detaillierte Informationen: www.stubeteamsee.ch Fotos: pixxpower, Steven Haberland 4 Sprachregionen, 4 Bühnen, 44 Konzerte, 11 Premieren – zur Saisoneröffnung an 3 Tagen das Festival für Neue Schweizer Volksmusik Auch Chorkultur ist angesagt sowie der Berner Liedermacher Tinu Heiniger – er erstmals im künstlerischen Teamwork mit zwei Monolithen der Schweizer Volksmusik: mit Töbi Tobler und Markus Flückiger. Der Kleine Saal der Tonhalle Zürich mutiert endlich wieder zum schönsten Ballsaal unserer Stadt mit einem grossen Stubete-Ball, wo drei ausserordentliche Kapellen während fünf Stunden zum Tanz aufspielen. erstmals tritt die «Niinermusig reloaded» auf, eine Blechkapelle, die ausschliesslich aus dem Repertoire des ehemaligen Tonhalle-Solo-Hornisten Otto Würsch (1908–1962) musiziert und damit die Tanzmusik der Landizeit (1939) zurück in die Tonhalle Zürich bringt. Stubete am See 2014 Mit Hirn und Herz — EIN WUNDERKIND Staunen muss und darf man auch über die diversen anderen Gaben, die der liebe Gott dem Sohn eines Ingenieurs und einer Biologin in die Wiege legte. Denn nicht nur ist der schmucke Filius auf dem besten Weg, eine internationale Karriere als Pianist hinzulegen (in Caracas und Tokio schwärmen die Klassikliebhaber schon jetzt in höchsten Tönen). er hat darüber hinaus auch noch die Musse (und selbstredend das nötige Wissen), bei Mathematik-Olympiaden zu reüssieren und bei Wettbewerben in Sachen Fremdsprachen und Naturwissenschaften Preise abzuräumen. Früher nannte man dergleichen ein Wunderkind, heute darf man sich einfach nur darüber freuen, wie selbstbestimmt dieser Musikus mit hirn und herz durchs Leben schreitet. Vielleicht ist es gerade diese Vielfalt an Interessen, die seine interpretationen befruchtet und somit abhebt vom einerlei. nie, ob bei Beethoven, Schumann oder eben bei Liszt, hat man das Gefühl, hier müsse jemand mit K(r)ampf irgendeine expressivität vorspiegeln (wie es leider bei manchen Jungstars der Szene der Fall ist). Diese expressivität ist im Moment der Tonerzeugung bereits da. Sie ist, im besten Sinne des Wortes, vorgedacht. Dazu gesellt sich eine profunde Technik; der einfluss seiner prominenten (russischen) Lehrer Vladimir Krainew und Dmitri Alexeev ist unüberhörbar. Doch würde dies wiederum allein gewiss nicht genügen, um ein Stück wie den «erlkönig» so zu erzählen, dass dem Hörer ein Schauer über den Nacken fährt. Dazu, und so ist es im Leben wie in der Kunst, bedarf es des gewissen etwas. Alexanders Krichel hat es. JÜRGEN OTTEN Im Rahmen der «Série jeunes» spielt der junge deutsche Pianist Alexander Krichel Werke von Mendelssohn, Beethoven, Schumann, Liszt und Pēteris Vasks. Das Gedicht kennt jeder. nun ja: fast jeder. Goethes «erlkönig», die schaurig-schöne Ballade über das Leben und den Tod – und wie Letzterer sich manchmal sogar an Kindern vergreift, schamund gewissenlos. Franz Schubert hat es – natürlich – vertont, und der andere Franz (Liszt) konnte nicht umhin, diesem existenziellen Notturno seine persönlich-pianistische Note zu geben. Herausgekommen ist dabei ein virtuoses Beben, das nicht wenigen Pianisten schon gehörige Schwierigkeiten bereitet hat. Nicht so Alexander Krichel. Der junge Mann aus Hamburg, letztjähriger eCho-Preisträger in der Kategorie «Bester nachwuchskünstler», spielt das Stück mit einer Leichtigkeit und Grandezza, die staunen macht. Alexander Krichel Das gewisse etwas Mo 22.09.14 19.30 Uhr, Kleiner Saal Alexander Krichel Klavier Felix Mendelssohn Auf Flügeln des Gesanges op. 34 Nr. 2 (Transkription von Franz Liszt) Robert Schumann Frühlingsnacht op. 39 Nr. 12 (Transkription von Franz Liszt) Widmung op. 25 Nr. 1 (Transkription von Franz Liszt) Ludwig van Beethoven Klaviersonate Nr. 31 As-Dur op. 110 Pēteris Vasks Sommerabendmusik (2009) Robert Schumann Sinfonische etüden op. 13 TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh 15 Der Hang zum Feuer — So 14.09.14 19.30 Uhr, Kleiner Saal Yuja Wang Klavier Artist in Residence Klaidi Sahatçi Violine Thomas Grossenbacher Violoncello Felix Mendelssohn Klaviertrio Nr. 2 c-Moll op. 66 Sergej Rachmaninow Cellosonate g-Moll op. 19 Antonín Dvořák Klaviertrio Nr. 4 e-Moll op. 90 «Dumky» Foto: Felix Broede Artist in Residence wird unterstützt durch Swiss Re 16 TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh Yuja Wang Der Hang zum Feuer Die Aufnahme ist ein halbes Jahrhundert alt, und sie ist legendär: Gary Graffman spielt, begleitet von den New Yorker Philharmonikern unter Leitung von Leonard Bernstein, das zweite Klavierkonzert und die Paganini-Variationen von Rachmaninow. Ach, seufzt es innerlich, was für eine Leidenschaft waltet da, welche Intensität, welch ein Klangempfinden. Gewiss wäre es nicht übertrieben, wenn man als Besitzer dieser einspielung sagte: «Tausend Mal berührt, tausend Mal ist viel passiert.» Verbinden sich doch in Graffmans Spiel tiefer Sinn und geradezu betörende Sinnlichkeit mit jenem Hauch von Melancholie, wie er so womöglich nur bei Pianisten seiner Generation anzutreffen ist, bei Horowitz, Richter, Solomon oder Rubinstein. VOM RECHT DER JUGEND AUF REBELLION Gary Graffman, Sohn jüdisch-russischer einwanderer, begann seine Studien als sehr junger Mann am Curtis Institute of Music in Philadelphia. Und an eben jener Ausbildungsstätte traf er Jahrzehnte später, genauer 2002, auf eine sehr junge Frau aus Peking, die seine Schülerin wurde. Anscheinend war es eine fruchtbare Zusammenarbeit. Denn einer der Lieblingskomponisten von Yuja Wang wurde Sergej Rachmaninow. Und ihr interpretatorisches Vorbild ist Gary Graffman. Auch wenn man sie nicht miteinander vergleichen sollte, diese nach Alter, Habitus und Mentalität sehr unterschiedlichen Künstler, gibt es zumindest eine Gemeinsamkeit: den Hang zum Feuer. Beide Pianisten lieben das Passionierte, wobei dies bei Graffman stets von der Aura des Grandseigneurs kontrolliert wird, während Yuja Wang das Recht der Jugend auf Rebellion einfordert. Ihr Spiel ist wesentlich schneller, härter, sportiver. EIN ECHTER HINGUCKER Die Zeiten haben sich eben geändert. Und mit ihnen Vorlieben wie Darstellungsweisen, dazu muss man nur die Cover der altehrwürdigen Langspielplatten mit denen der CDs Yuja Wang Lionel Bringuier im Gepräch Der Hang zum mitFeuer Max Mustermann gleichzeitig das eines Fabelwesens und eines menschenfressenden Ungeheuers. Ihre zehn Schlingenfinger wirken wie eine Boa Constrictor, ihr Kopf wie der eines Kindes, das sich über die Tasten beugt.» KULTSTATUS MIT RACHMANINOW Die chinesische Pianistin Yuja Wang ist in dieser Saison Artist in Residence beim Tonhalle-Orchester Zürich. von heute vergleichen. Yuja Wang zählt diesbezüglich zu den Vorreitern der Postpostmoderne, sie ist, salopp gesagt, ein echter hingucker (was im übrigen auch für ihre furiosen Live-Auftritte gilt, von denen selbst ein event-König wie Lang Lang noch lernen könnte!). Auf ihrem dramaturgisch bezwingenden CD-Album mit dem poetischen Titel «Fantasie» etwa posiert die junge Dame als Todesengel – um sich dann zum Glück als famose Interpretin sehr unterschiedlicher Preziosen aus der Feder unter anderem von Rachmaninow sowie von Skrjabin, Scarlatti, Schubert und Johann Strauß zu entpuppen. Wohlan, das sind «Sternstunden» der journalistischen Poesie. Und doch: Sie treffen den Charakter der 1987 in Peking geborenen Künstlerin besser, als es angesichts der ausgestreuten Blumen zunächst den Anschein hat. Denn Yuja Wang lässt sich nicht festlegen auf den Typus «virtuoses Wunderkind». In ihr offenbart sich vielmehr jener Geist Schillers, wie er uns im 15. Brief aus seinem grossen essay «über die ästhetische erziehung des Menschen» begegnet: «Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.» es ist ein Satz, der sehr schön beschreibt, worin der Reiz des Klavierspiels von Yuja Wang liegt, sei es in den etüden von Chopin, Ligeti, Liszt und Skrjabin, sei es in romantischen Sonaten – oder sei es im Falle jenes Komponisten, der zahllose Pianisten immer schon mehr affizierte als andere: bei Sergej Rachmaninow. Ihre CD-Aufnahmen der Klavierkonzerte Nr. 2 (unter Claudio Abbado) und Nr. 3 (mit dem von Gustavo Dudamel geleiteten Simon Bolivar Orchestra) haben Aussichten auf einen Kultstatus. JÜRGEN OTTEN Imposant wie stets ist auch hier das Temperament, mit dem Yuja Wang zu Werke geht. Die Läufe blitzen und perlen und rauschen vorbei, der Bass swingt, technische hürden überspringt sie mit einer Leichtigkeit, die eines Arcadi Volodos würdig wäre. Das alles mischt sich mit einer wundersamen Naivität der Herangehensweise, die anscheinend auch den Kritiker der französischen Tageszeitung «Le Monde» nachhaltig bestrickte, als er, nach einem Konzert von Yuja Wang womöglich noch ganz von Sinnen oder zumindest berauscht, seinen Laptop aufklappte und die folgende eloge in das Gerät tippte: «Das Klavierspiel von Yuja Wang ist TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh 17 Im September 2010 durfte ich unter der Leitung von David Zinman drei slawische Tänze von AntonÍn Dvořák mitspielen. Eine Registerprobe am Vormittag brachte zunächst die Liebhaber zusammen. Am Nachmittag folgte dann im Grossen Saal der Tonhalle die öffentliche Probe mit der gesamten Besetzung. Im Publikum sassen mehrere Hundert Gäste, die im Rahmen des «Tags der offenen Tür» ihren Weg in die Tonhalle gefunden hatten. Schon der Gang von der Garderobe auf die Bühne war einmalig, da Spannung und Freude, welche sich über die 18 TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh Wochen der Vorbereitung im stillen Kämmerchen aufgebaut hatten, nun ihren ersten Höhepunkt fanden. Nachdem alle Musiker ihren Platz eingenommen hatten, kam David Zinman hinzu und begrüsste Orchester und Liebhaber zur Probe. In dem Moment, als David den Taktstock hob und die Musiker ihre Instrumente in «Achtungstellung» brachten, wurde klar: Nun wird gleich die Post abgehen. Der warme und klare sinfonische Klang breitete sich in Sekundenbruchteilen im Saal aus und erreichte kurze Zeit später mein Herz, das nun in doppeltem Tempo schlug. Sehe n Sie s ei t d em d as Orch es t er mi t a ndere n A ug en ? Obwohl ich das Tonhalle-Orchester Zürich seit früher Kindheit verfolge, hat das Mitwirken im Liebhaber-Orchester zusätzliche Nähe zum Orchester erzeugt. Zwischen mir und einigen Orchestermitgliedern haben sich durch das gemeinsame Musizieren Freundschaften angebahnt. Für mich wuchs das Orchester dadurch aus der Anonymität heraus – auch, weil der Orchesterklang mir vertraut zu werden begann. Je mehr ich am Tag der offenen Tür 2010. mich mit der Klangfarbe des TonhalleOrchesters auseinandersetzte, desto mehr begann ich, dessen typischen Klang von anderen Orchestern zu unterscheiden. Was hat Sie dazu bewogen, erneut beim L i eb h ab er-orch es t er mi t z umache n? Unter der neuen Leitung von Lionel Bringuier bin ich sehr gespannt, wie sich der Klangcharakter des Orchesters verändern wird. Durch das erneute Mitwirken im Liebhaber-Orchester bekomme ich die Möglichkeit, in Lionels Arbeit Einsicht zu gewinnen. Seine Einflüsse sind bekanntlich stark geprägt von Esa-Pekka Salonen und Gustavo Dudamel während seiner Dienstjahre mit dem Los Angeles Philharmonic Orchestra. Ich hatte bereits die Möglichkeit, Lionel im Juni 2012 mit Brahms’ vierter Sinfonie mit dem Tonhalle-Orchester Zürich zu erleben. Ein wahres Meisterwerk, bei dem ein Dirigent seine Qualitäten zum Vorschein bringen kann. Seine jugendliche Frische begeisterte das Publikum vom ersten Takt an. CHRISTIAN SCHWARZ Tag der offenen Tür Fotos: Priska Ketterer, Tobias Madörin Davide Petrachi, Sie haben bereits einmal im Liebhaber-orchester mitgespielt. Was war das für eine erfahrung? David Zinman, Andreas Janke und Davide Petrachi Tag der offenen Tür — Davide Petrachi erzählt von seinen Erfahrungen als Mitglied im Liebhaber-Orchester anlässlich des «Tags der offenen Tür». Programm Tag der offenen Tür, Sa 13.09.14 — Konzerte — 10.00 Uhr Kinderprogramm — TOZ Wind Quintett Divertimento mit Bläsern 10–18 Uhr Basteltisch im Konzertfoyer 11.00 Uhr + 15.00 Uhr Rhythmisches à la Stomp Mit Töpfen, eimern und Besen ins Reich des Rhythmus abtauchen 12.00 Uhr Kinderaufführung: Rhythmisches à la Stomp eine kleine Kostprobe! 12.30 Uhr 15.30 Uhr Konzert unter vier Ohren ein ganz besonderes erlebnis! Klaviermusik nur für dich und deine Familie 13.00 Uhr 14.00 Uhr Djemben-Session Trommeln wie in Afrika (für Kinder ab 7 Jahren) 15.15 Uhr Kinderaufführung: Djemben-Session eine kleine Kostprobe! 17.00 Uhr Prämierung des Kindermalwettbewerbs «Fantasie-Instrument» Die originellsten Zeichnungen werden ausgezeichnet 10.15 Uhr Ensemble Forelle Klänge aus dem «Forellenquintett» von Franz Schubert 11.00 Uhr Probe Liebhaber-Orchester Lionel Bringuier probt den «Boléro» 12.30 Uhr Streichquintett Musikalischer Gruss aus Böhmen 13.30 Uhr Salon Passion Beschwingt in den Tag 13.30 Uhr Duo Flöte / Orgel Pfeifen non plus ultra 14.00 Uhr Frank & Isabel Square Dance zum Mittanzen 14.30 Uhr Gypsy & More Osteuropäische Volksmusik 14.30 Uhr Tonhalle Orchester Percussion Group Die Vielfalt der Percussionswelt vereint mit Witz und Humor 14.30 Uhr Klavierquintett Sinfonische Kammermusik mit vier Bläsern und Klavier 15.15 Uhr SAX & STRINGS Swing, Jazz, Film und Fun 16.15 Uhr Isaac, Martin & Monica oboe und englischhorn: «Virtuose Pastorale» 16.30 Uhr The Blues Brothers Music not for the tuba … 12.15 Uhr + 14.00 Uhr Führung Blick hinter die Kulissen 17.00 Uhr Ilios Quartett LioS beschwingt – von Dvořák bis Scott 12.15 Uhr + 16.00 Uhr 18.00 Uhr Konzert des Tonhalle-Orchesters Zürich / Liebhaber-Orchesters Lionel Bringuier, Leitung Yuja Wang Artist in Residence, Klavier Workshop in der Orchesterbibliothek Spannender einblick in die Welt der Noten Tag der offenen Tür Podiumsgespräche — 12.15 Uhr Der Beruf des Orchestermusikers Michaela Braun im Gespräch mit den Musikern Andreas Berger, Josef Gaszi, Thomas Grossenbacher, Sascha Neustroev und der Musikerin Sabine Poyé Morel 13.00 Uhr Intendantin und Chefdirigent im Gespräch Mit ilona Schmiel und Lionel Bringuier 14.00 Uhr Von der Werkidee zur Aufführung Ilona Schmiel im Gespräch mit esa-Pekka Salonen 14.00 Uhr Finanzierung des Orchesters Susanne Kübler («Tages-Anzeiger» Kultur) im Gespräch mit Martin Vollenwyder (Präsident TGZ), André helfenstein (CS, Leiter Region Zürich), Peter haerle (Direktor der Dienstabteilung Kultur der Stadt Zürich), Pierre Rossier (Präsident Gönnerverein) Führungen/ Workshops — TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh 19 3. Internationaler Filmmusikwettbewerb im Rahmen des Zurich Film Festival Mit meinen Kindern bin ich ihm in «Madagascar 3» begegnet. Bei «Sherlock Holmes» konnte ich ihn mit meinem Mann geniessen, und bei «Frost/Nixon» war ich mit meiner Mutter und ihren Freundinnen. oder war es doch damals «Thelma und Louise»? Und jetzt begegne ich ihm endlich in Zürich – live und nicht via Leinwand: hans Zimmer. Der gebürtige Deutsche ist einer der innovativsten, kreativsten und höchstdekorierten FilmmusikKomponisten und -Produzenten der Gegenwart. Mi 01.10.14 19.00 Uhr, Grosser Saal Internationaler Filmmusikwettbewerb Tonhalle-Orchester Zürich Frank Strobel Leitung Eva Wannenmacher Moderation «Highlights» der Filmmusik von Hans Zimmer Suite aus Gladiator / end Titles aus Driving Miss Daisy / Suite aus The Lion King / Suite aus Inception / «Zoostres Breakout» aus Madagascar / «The end?» aus Sherlock Holmes: Game Of Shadows / «Roll Tide» aus Crimson Tide In Zusammenarbeit mit dem Zurich Film Festival und dem Forum Filmmusik 18.00 Uhr, Kammermusiksaal Einführung mit Matthias von Orelli eVA WAnnenMACheR Moderation 20 TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh Lifetime Award für Hans Zimmer — GOLDEN GLOBES – GRAMMYS – AWARDS Hans Zimmer steuerte Kompositionen zu mehr als 100 Filmen bei, die insgesamt über 22 Milliarden Dollar einspielten. er wurde mit einem Academy Award, zwei Golden Globes, drei Grammys, einem American Music Award und einem Tony Award ausgezeichnet. 2003 erhielt Zimmer von der ASCAP den begehrten henry Mancini Award for Lifetime Achievement für seine beeindruckenden und einflussreichen Filmmusiken. Ausserdem wurde ihm im Dezember 2010 ein Stern auf dem Hollywood Walk of Fame gewidmet. Und nun wird ihm im Rahmen des Zurich Film Festival der Lifetime Award verliehen. Am 1. Oktober findet der 3. Internationale Filmmusikwettbewerb statt. Für den sechsminütigen Kurzfilm «MAXiMALL» des Autorenquartetts Axel Tillement, Axel Cheriet, hadrien Ledieu und Nawel Rahal soll ein Score für Sinfonieorchester realisiert werden. Das ist die Aufgabe für die Wettbewerbsteilnehmer. Der Sieger erhält das mit 10‘000 Franken dotierte Goldene Auge «Best International Film Music 2014». Moderiert wird die Soiree von eva Wannenmacher. FILMMUSIK IN DER TONHALLE Geehrt werden der Sieger bzw. die Siegerin des Filmmusikwettbewerbs und Hans Zimmer im Rahmen eines festlichen Konzertes im Grossen Saal der Tonhalle Zürich. Den Abend eröffnen wird das Finalisten-Konzert, in dem das Tonhalle-Orchester Zürich unter Leitung von Frank Strobel, einem Spezialisten für Filmmusik, die fünf in die endauswahl gelangten Kompositionen präsentieren wird. Der zweite Teil des Abends steht dann musikalisch ganz im Zeichen von Hans Zimmer: Zur Aufführung gelangen Ausschnitte aus Scores wie «The Lion King» oder «Gladiator» und noch viele andere. Wollten Sie nicht immer schon jenen Mann live sehen und erleben, der uns sozusagen unbemerkt so viel grossartige Filmmusik geschenkt hat? Am 1. Oktober 2014 um 19.30 Uhr bei uns in der Tonhalle. MICHAELA BRAUN Hams Zimmer Lifetime Award So 28.09.14 Ein Feuerwerk für Trompeten und Posaunen — Kammermusik-Matinee mit Blechbläsern aus dem TonhalleOrchester Zürich Gut möglich, dass das Zürcher Publikum vor 75 Jahren ein solches Sonntagmorgen-Konzertprogramm als ziemlich ungewöhnlich empfunden hätte. Nicht, weil es zu unkonventionell gewesen wäre, russische, italienische, sowjetische, US-amerikanische, böhmische und argentinische Theater- und Konzertmusik zusammenzuführen: ein solches Potpourri wäre um 1939, nach zwei Dezennien der neuen Musik mit ihren experimenten und Skandalen, keineswegs als zu wild erschienen. Vielmehr waren damals die Stile, Besetzungen und Gattungen trotz allem experimentieren noch viel klarer getrennt als heute: Das neue wollte man auf allen ebenen neuartig haben, das Alte ebenso authentisch alt (was unter anderem zur Herausbildung der sogenannten «historischen Aufführungspraxis» führte). 11.15 Uhr, Kleiner Saal Ein Feuerwerk für Trompeten und Posaunen Philippe Litzler Trompete Heinz Saurer Trompete Paulo Muñoz-Toledo Horn Seth Quistad Posaune Bill Thomas Bassposaune Nikolaj Rimskij-Korsakow Prozession der Fürsten aus der Ballettoper «Mlada» Antonio Vivaldi Konzert in G-Dur Giuseppe Verdi Ouvertüre zur oper «La forza del destino» Sergej Prokofjew Kijes Hochzeit aus der Filmmusik «Leutnant Kije» / Troika aus der Filmmusik «Leutnant Kije» Morgentanz aus dem Ballett «Romeo und Julia» Aaron Copland Buckaroo Holiday aus dem Ballett «Rodeo» Bedřich Smetana Tanz der Komödianten aus der Oper «Die verkaufte Braut» Alberto Ginastera estancia Alexander Borodin Polowetzer Tänze aus der Oper «Fürst Igor» 10.30 Uhr, Grosser Saal Einblicke mit Jens-Peter Schütte 11.00 Uhr, Treffpunkt Vestibül Kinder-Matinee mit Sabine Appenzeller für die Kinder der Konzertbesucher (ab 4 J.) Aber eingängige, leicht verständliche Theatermusik aus Opern und Balletten für andere ensembles zu bearbeiten, gehörte einer Praxis des 19. Jahrhunderts an, die man als «fortschrittlich» gesinnter Liebhaber ernster Musik nicht mehr ohne Weiteres goutierte. Und dann noch für Trompeten und Posaunen, also für die «Brass-Band», die ihre Herkunft aus dem englischen Arbeitermilieu nie verleugnen konnte … Doch obwohl man damals deutliche Trennungslinien zwischen «Alter Musik» und «Neuer Musik» ansetzte (wobei man das späte 19. Jahrhundert möglichst ausklammerte), machte man innerhalb des Neuen kaum einen Unterschied mehr zwischen heiter und ernst, hoch und niedrig, unterhaltend und «bildend» – und bereitete damit dann doch den Grund für den stilistischen Pluralismus, für das wirkliche «anything goes», bei dem man heute angelangt ist. Foto: Fotolia Musik aus drei Jahrhunderten, vom vivaldischen Barock bis zu Prokofjews Filmmusik «Leutnant Kije» von 1933, sogar einschliesslich Werken des späteren 19. Jahrhunderts von Smetana und Borodin, für eine eigentlich ganz fernliegende Besetzung wie die Brass-Band zu bearbeiten, schafft jedenfalls einen durchaus neuartigen Reiz. Da nämlich in der Musik das klangliche «Gewand» sich gar nicht so leicht von seinem «Inhalt» trennen lässt, klingt historische Musik in unbekannter und ungewohnter Besetzung immer wieder frisch – und oft auch völlig neu. JENS-PETER SCHÜTTE Kammermusik-Matinee ein Feuerwerk für Trompeten und Posaunen TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh 21 Charles Dutoit dirigiert Berlioz — Mi 17.09.14 Do 18.09.14 Fr 19.09.14 19.30 Uhr, Grosser Saal Tonhalle-Orchester Zürich Charles Dutoit Leitung Erin Wall Sopran Paul Groves Tenor Zürcher Sing-Akademie Zürcher Sängerknaben Tim Brown einstudierung Francis Poulenc Stabat Mater Hector Berlioz Te Deum Unterstützt durch Mercedes-Benz 17./19.9., 18.30 Uhr, Kleiner Saal Einführung mit Roger Cahn 18.9., 18.30 Uhr, Kleiner Saal Surprise mit Studierenden der ZHdK 22 TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh Charles Dutoit dirigiert Berlioz «… kolossal, babylonisch, ninivesk»: Das Te Deum von Hector Berlioz ist gigantisch in jeder Hinsicht – was den immensen Besetzungsaufwand anbelangt, aber auch im Hinblick auf die aussergewöhnlichen Anforderungen an die Musiker und an das Publikum. Bei Charles Dutoit, einem der namhaftesten Spezialisten für französische Musik, liegt das Werk in denkbar besten Händen – ein aussergewöhnliches Konzerterlebnis, übrigens zum ersten Mal in den Konzerten der TonhalleGesellschaft Zürich. Foto: Priska Ketterer Die Zuhörer damals am 30. April 1855 in der Pariser Kirche St-eustache, wo die Uraufführung von Berlioz’ Te Deum stattfand – übrigens kurz vor der eröffnung der ersten Weltausstellung in Paris –, waren ratlos, schockiert, überwältigt. Genau das hatte sich Berlioz von der Wirkung seines neuen Werks erhofft: dass die Zuhörer von der «Unermesslichkeit der Form» und vom «überdimensionalen Ausdruck zerschmettert wären». Und begeistert berichtete er seinem Komponistenkollegen Franz Liszt: «es war kolossal, babylonisch, ninivesk. Die prächtige Kirche war voll … Mein Gott, wenn Sie nur da gewesen wären! Ich versichere Ihnen, es ist ein grossartiges Werk; das ‹Judex crederis› [der letzte Satz] übertrifft alle enormitäten, deren ich mich bisher schuldig gemacht habe.» Babylonisch, ninivesk: Die Vergleiche aus der Bibel sprechen für sich. Der Turmbau zu Babel – seine Spitze sollte bis zum Himmel reichen – war ein vergeblicher Versuch der Menschen, Gott gleichzukommen. Auch Ninive, CharlesBringuier Lionel Dutoit im Gepräch dirigiert Berlioz mit Max Mustermann die legendäre, protzige Assyrerhauptstadt, in der Bibel als Hure bezeichnet, war Gott ebenfalls ein Dorn im Auge und folglich dem Untergang geweiht. KAISER UND KÖNIGE über die entstehung des Te Deums wissen wir nichts, es ist keine Auftragskomposition und ist auch nicht für einen bestimmten Anlass geschrieben worden. Sicher ist, dass Berlioz das Werk in den Jahren 1848/49 komponierte – vielleicht im Hinblick auf einen grossen Staatsakt, bei dem das pompöse Werk zweifellos hervorragend repräsentiert hätte. Die Hoffnung, es schliesslich am 2. Dezember 1852 anlässlich der Krönung von Louis napoleon zum Kaiser uraufführen zu können, erfüllte sich allerdings nicht. Wahrhaft fürstlich waren indes die Begleitumstände zum Te Deum. Berlioz widmete das Werk dem Prinzen Albert, dem Gemahl der englischen Königin Victoria. In die Sub- skriptionsliste zur Drucklegung trugen sich neben dem englischen Königspaar der russische Zar und dessen Mutter, der König von Belgien sowie weitere fünf deutsche Könige nebst dem Kaiser von Österreich ein (der Berlioz zudem einen Brillantring schickte). KLANGMÄCHTIGES GOTTESLOB Von der Uraufführung 1855 in der Pariser Kirche St-eustache unter des Komponisten höchsteigener Leitung muss eine überwältigende Wirkung ausgegangen sein. Zwei Chöre mit je 100 Sängerinnen und Sängern, im Mittelschiff postiert, sowie ein immenser Kinderchor aus insgesamt 600 Kehlen, nicht zu vergessen ein Solotenor im «Te ergo quaesumus», vereinten sich zum klangmächtigen Gotteslob. Das Orchester, mit 160 Musikern besetzt, sollte nach Berlioz‘ Wünschen über vierfache Holzbläser, viel Schlagwerk (darunter vier Paar Pauken), einen massigen Blechbläserapparat und 12 Harfen verfügen. Und nicht zu vergessen die grosse Orgel, die Königin der Instrumente, die über allem thront. «Beide, Orgel sowohl wie Orchester, sind Könige», schrieb Berlioz, «oder vielmehr: eins ist Kaiser und eins ist Papst …» Und beide gebieten mit aller Kraft über die gigantomanische Partitur und bieten sich auch wechselseitig Paroli – besonders eindrücklich gleich zu Beginn des Werks, wenn auf den breiten eröffnungsakkord des vollen orchesters die Orgel mit einem ebenso kräftigen Akkord antwortet. Klangräumliche Stereofonie sozusagen. BERLIOZ HAD ME IN TEARS … Charles Dutoit ist hier der ideale Interpret. er hat das Werk öfters aufgeführt, etwa im Februar 2013 in San Francisco, wo er, wie auch hier in Zürich, vor dem Te Deum das Stabat mater von Poulenc dirigierte. Aus den Reaktionen von Zuhörern sei folgende herausgegriffen: “The performance was one of the all-time favorite concerts of my life. I have a feeling all the forces really had it together and the final movement of the Berlioz had me in tears.” WERNER PFISTER TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh 23 Max und Moritz im Konzert — So 21.09.14 11.15 Uhr und 14.15 Uhr, Grosser Saal Der nächste Streich folgt sogleich ... Jugend Sinfonieorchester Zürich MKZ Massimiliano Matesic Leitung Timo Schlüssel Regie und Spiel Die zweite Sinfonie von Johannes Brahms und Streiche von Wilhelm Busch In Zusammenarbeit mit Musikschule Konservatorium Zürich MKZ Im ersten Familienkonzert der Saison sucht Timo Schlüssel Verbindungen zwischen Brahms und Busch. Fast immer – Ausnahmen waren bisher etwa «Baron Münchhausen und sein Pferd» oder «Die wilden Schwäne» – steht das Musikstück am Anfang. Daraus entwickelt Timo Schlüssel sein Konzept: «Beim hören des Werks und dem Lesen darüber entstehen Ideen und daraus wiederum eine grobe Geschichte, 24 TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh TiMo SChLüSSeL Regie und Spiel die vor den ersten Proben in Dialogform geschrieben wird. Bei den szenischen Proben wird improvisiert und der Text überprüft und natürlich angepasst und verbessert, bis die Geschichte zusammen mit der Musik eine runde Sache ergeben. Während zwei bis drei Probenterminen mit dem Orchester wird das Stück dann in voller Besetzung zusammengesetzt und geprobt.» Für das erste Familienkonzert der Saison steht die zweite Sinfonie von Brahms auf dem Programm, eine eher überraschende Wahl für ein Familienkonzert. Die ernste Welt der norddeutschen Romantik will Timo Schlüssel mit den komischen Figuren aus dem Geschichtenfundus des (ebenfalls norddeutschen Romantikers) Wilhelm Busch auflockern. Wie bringt er diese Welten zusammen? «Mir schwebt eine Geschichte vor, in welcher die Figuren von Busch – Max und Moritz, Tante Julchen und andere – auf Brahms treffen. ein bisschen Klamauk mit Tiefgang.» Immer nach dem Schlüssel-Rezept: «Sparsam eingesetzter Slapstick kann nicht schaden.» REINMAR WAGNER Familienkonzert Illustration: Anna Sommer «Kinderfantasien sich zu eigen machen» heisst ein Schlüsselrezept von Timo Schlüssel, dem Schauspieler und Regisseur mit eigener Produktionsfirma, der schon zahlreiche Familienkonzerte für die Tonhalle-Gesellschaft Zürich konzipierte. «Man kann aus einer Bockleiter, einem Abflussrohr und einer weissen Steppdecke einen zugeschneiten Kirchturm, eine Festung oder einen Baum, um den ein Bär kreist, entstehen lassen.» Klassik kindergerecht zu vermitteln, bedeutet für Schlüssel auch «klare Figurenzeichnung, wenig intellektuelle exkurse und den einbezug der Kinder in die Geschichte. Das bedingt eine gewisse Freiheit im Text und Improvisationswillen, andererseits sind schnelle Wechsel der Bilder für Kinder kein Problem». Orchester — News Aufnahmen — News KA RT ENVERKAUF — Billettkasse Claridenstrasse 7, 8002 Zürich, Wir gratulieren zum Jubiläum Andreas Sami Violoncello, 25 Jahre Andreas Berger Schlagzeug, 20 Jahre Alexander Neustroev stv. Solo-Violoncello, 15 Jahre Martin Frutiger englischhorn/oboe, 10 Jahre Herzlich willkommen Matvey Demin, stv. Solo-Flöte Administration — News Wir gratulieren zum Jubiläum Bernadette Haas Mitarbeiterin Billettkasse, 15 Jahre Christian Eigner CRM/Webmaster, 15 Jahre Mara Corleoni Leiterin Musikvermittlung, 10 Jahre Herzlich willkommen Nathalie Widmer Sachbearbeiterin Finanz- und Rechnungswesen Wir verabschieden Michelle Geser Sachbearbeiterin Finanz- und Rechnungswesen Kaja Di Ruggiero Sachbearbeiterin Finanz- und Rechnungswesen Tel. +41 44 206 34 34, Fax +41 44 206 34 69; www.tonhalle-orchester.ch, [email protected] Schalterverkauf Mo bis Fr 10–18 Uhr resp. bis Konzertbeginn; Sa / So / Feiertage 1½ Stunden vor Konzertbeginn Bestellungen Tel. Mo bis Fr 10–18 Uhr; internet, Fax und e-Mail; Bearbeitung nach eingang der Bestellung KLAIDI SAHATÇI Albanian memories Musik von albanischen Komponisten aus dem 20. Jahrhundert, gespielt von Klaidi Sahatçi (Violine) und Dhurata Lazo (Klavier). Weitere Vorverkaufsstellen Billetzentrale BiZZ am Werdmühleplatz, Musik Hug, Jecklin und Jelmoli City Zahlungsbedingungen Barzahlung, Rechnung, Kreditkarte (Amexco, Diners, Mastercard, Visa), eC-Direct, Postcard. Bei Zustellung per Post verrechnen wir einen Unkostenbeitrag von CHF 8.–. IMPRES S UM — Magazin Tonhalle-Orchester Zürich 16. Jahrgang, August/September 2014 Erscheinungsweise sechsmal jährlich Offizielles Vereinsorgan der Tonhalle-Gesellschaft Zürich und des Vereins «Gönner der Tonhalle-Gesellschaft Zürich» MARTIN FRUTIGER englischhorn originalkompositionen für englischhorn, gespielt von Martin Frutiger (englischhorn), Petya Mihneva (Klavier) und Sarah Verruhe (Harfe). Herausgeberin Tonhalle-Gesellschaft Zürich, Gotthardstr. 5, 8002 Zürich, Tel. +41 44 206 34 40, Fax +41 44 206 34 36, www.tonhalle-orchester.ch Redaktion Michaela Braun, Werner Pfister Gestaltung, Bildredaktion parole gesellschaft für kommunikation mbh Koordination Perkussives Feuerwerk eva Menghetti Druck Schellenberg Druck AG mit Benjamin Forster und Klaus Schwärzler, Solo-Paukist und Solo-Schlagzeuger des Tonhalle-Orchesters Zürich So, 28. September 2014, 19 Uhr in der Klus Park Kapelle, Asylstrasse 130, 8032 Zürich Infos: www.facebook.com/klusclassics.ch Inserate Publicitas Publimag AG Redaktionsschluss 10. Juli 2014 Auflage «ASCHENMUSIK» mit Anita Leuzinger Heinz Holliger (Oboe und Oboe d’amore), Anita Leuzinger (Violoncello) und Anton Kernjak (Klavier) spielen Werke von Robert Schumann und Heinz Holliger. 12’500 exemplare ISSN 2235-1051 © Tonhalle-Gesellschaft Zürich. Änderungen und alle Rechte vorbehalten. Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung der Tonhalle-Gesellschaft. TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh 25 «Jedes Stück muss wie eine Uraufführung klingen!» — Do 25.09.14 19.30 Uhr, Grosser Saal Tonhalle-Orchester Zürich Michael Sanderling Leitung Patricia Kopatchinskaja Violine Joseph Haydn Sinfonie A-Dur Hob. I:64 «Tempora mutantur» Karl Amadeus Hartmann Concerto funèbre für Solovioline und Streichorchester Dmitri Schostakowitsch Sinfonie Nr. 5 d-Moll op. 47 Unterstützt durch Credit Suisse 18.30 Uhr, Kleiner Saal Einführung mit Matthias von Orelli Fr 26.09.14 19.30 Uhr, Grosser Saal Tonhalle-Orchester Zürich Michael Sanderling Leitung Patricia Kopatchinskaja Violine Joseph Haydn Sinfonie A-Dur Hob. I:64 «Tempora mutantur» Karl Amadeus Hartmann Concerto funèbre für Solovioline und Streichorchester György Kurtág Aus: «Signs, Games and Messages» Aus: «Kafka-Fragmente» op. 24 Dmitri Schostakowitsch Sinfonie Nr. 5 d-Moll op. 47 18.00 Uhr, Kleiner Saal Prélude – Künstlergespräch mit musikalischer Umrahmung Nach dem Konzert, Kleiner Saal Ausklang mit Ilona Schmiel 26 TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh Patricia Kopatchinskaja spielt Hartmann Foto: Marco Borggreve Unterstützt durch Credit Suisse Die Geigerin Patricia Kopatchinskaja spielt das «Concerto funèbre» von Karl Amadeus Hartmann. «Mu si k d e r Tra u e r » hies s H a r t m a nns V i oli n k on ze rt a n f ä ngl ic h. Auf l e hnung un d H of f n u n g slos ig k e it s c hw ing en d a ri n a b e r e b e n so m it w ie Tra uer u nd Verzwe i f lu n g . Pa t r ic ia Ko pa t c hins k a ja , welch e e m ot i on e n ve r binde n Sie m it d i e se m St ü ck ? Sie sagen es, genau diese Emotionen. Das «Concerto funèbre» ist für mich einer der stärksten musikalischen Eindrücke überhaupt, in einer Liga mit dem zweiten Violinkonzert von Bartók oder dem Requiem von Mozart. Wi e v e rsöh n li ch is t f ür Sie de r a bsc h li e sse n d e C h o ra l ? Dieser Choral ist ein paradoxes Element. Er gehörte zum Ritual aller kommunistischen Regimes: Er entspricht der Trauerhymne auf die Toten der Russischen Revolte von 1904. Der Text erwähnt zuerst die «unsterblichen Opfer» und endet hoffnungsvoll mit der Aussicht auf die Befreiung von der Tyrannei, eine Hoffnung, die ja wenigstens innerhalb des Kommunismus trügerisch blieb. Eine deutsche Nachdichtung stammt vom bedeutenden Dirigenten Hermann Scherchen, der das Lied als Gefangener im Russland des Ersten Weltkrieges kennengelernt und als Mentor von Hartmann diesen vielleicht damit bekannt gemacht hat. Wi e se h r i st h e u te dies e Mus ik no c h a ls A u sd ru ck d e r de pr im iere nden St i m m u n g e n v on 1 9 3 9 na c h de m Aus b ru ch d e s We lt k r ie g s z u em pf inde n? PatriciaBringuier Lionel Kopatchinskaja im Gepräch spielt Hartmann mit Max Mustermann Die Gültigkeit von Hartmanns «Concerto funèbre» beschränkt sich für mich nicht nur auf das Jahr 1939. Die menschliche Existenz war und ist ja immer wieder ähnlich. Im Moment, wo wir uns unterhalten, herrscht im Nahen und Mittleren Osten ein kriegerischer Flächenbrand, überall wagt sich der Antisemitismus wieder ans Licht, und gemäss UNESCO sind heute mehr Menschen auf der Flucht als je im Zweiten Weltkrieg. Die Auflehnung gegen Gewalt und Unrecht wird leider immer ein Thema bleiben. G ibt es b ei Hart man n Paral l el en z u de n p o l i t i s ch en Sub t ext en i n Sc ho s t ako wi t s ch s Mus i k? Hartmanns Protest ist offen, und das Werk wurde im nationalsozialistischen Deutschland nie aufgeführt. Schostakowitsch dagegen musste sich gezwungenermassen mit dem System arrangieren. Sein Protest ist deshalb versteckt und oft nur zwischen den Zeilen als sarkastisch-zynischer Unterton bemerkbar. Sie hab en ei n mal g es ag t , Si e h ät t en Angst, mit älteren Dirigenten zu spielen. Hier haben Sie mit Michael Sanderling e inen j un g en . Kei n G run d z ur B es o rgn i s al s o ? Manche Dirigenten der älteren Generation kommen aus einer Tradition, in der ich mich nicht wohlfühle. Sie wollen fertige Sachen auf der Bühne präsentieren, sie wissen schon, wie es geht. Ich weiss es noch nicht – und ich möchte es auch noch nicht wissen. Ich möchte Dinge auspro- bieren, möchte fragen, ob es vielleicht auch anders geht. Ich glaube, die Kunst braucht das, um sich zu entwickeln, um beweglich zu sein, um im Moment wieder entstehen zu können. Jüngere Dirigenten gehen offener mit, wenn ich versuche, das Alte, Verstaubte zu sprengen. Ich versuche bei jedem Konzert, von vorn anzufangen, das Stück aufs Neue zu sehen. Es muss etwas Unvorhergesehenes passieren, etwas, das das Stück in den Sinnen des Publikums wieder erfrischt, das es wieder fühlen lässt, bis zum Verwundbaren. Jedes Stück muss wie eine Uraufführung klingen! Hart man n t rei b t d i e Mus i k an die emotionalen Grenzen und die Geige an d i e G ren z en d er Aus d rucksfähigke it. Wie fühlt man sich vor und nach einer Auffüh run g d i es es Werks ? Von jedem Stück, das man spielt, wird man gefangen genommen. Im Moment der Aufführung hofft man, dass man diese Gefangenschaft verlassen, sich mit dem Geist des Komponisten vereinigen und die Seele des Stückes freilassen kann. So etwas kann man nicht vorbereiten, es sind nicht die Töne, die mich beschäftigen, es ist die Mystik, die eintritt oder nicht eintritt. Nachher muss man seine Knochen und anderen Bestandteile zusammenlesen, zusammenfügen und versuchen, wieder zu sich selber zu finden. REINMAR WAGNER TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh 27 DIE STIFTUNG ZUR ERHALTUNG VON PREISGÜNSTIGEN WOHN- UND GEWERBERÄUMEN DER STADT ZÜRICH (PWG) IST EINE GEMEINNÜTZIGE, ÖFFENTLICHE STIFTUNG DER STADT ZÜRICH MIT EIGENER RECHTSPERSÖNLICHKEIT. .WIR KAUFEN IHR HAUS. .UND GEBEN ES NIE. .WIEDER HER. Sie verkaufen Ihre Liegenschaft zu Marktpreisen, und die Stiftung PWG schenkt Ihnen ein paar schöne Gewissheiten dazu: Alle unsere über 1500 Wohnungen und Gewerberäume in der Stadt Zürich bleiben unveräusserlich in unserer Hand. Unser Stiftungszweck sichert den Mietern ein Bleiberecht zu günstigen Zinsen und schützt Ihr Objekt vor der Umwandlung in Eigentumswohnungen. STIFTUNG PWG | POSTFACH | 8026 ZÜRICH | TEL. 043 322 14 14 | WWW.PWG.CH Fühlen Sie sich wohl mit uns Ihre individuellen Wünsche werden von uns mit Erfahrung, Engagement und Einfühlungsvermögen erfüllt. Private Spitex in der ganzen Schweiz Pflege, Betreuung und Unterstützung im Haushalt aus einer Hand. 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Mit Friedrich Hegar wurde ein Dirigent an die Spitze des TonhalleOrchesters Zürich gewählt, der mit seinen Visionen, seiner Tatkraft und seiner musikalischen Professionalität einen legendären Aufbruch des Zürcher Musiklebens provozieren konnte. über seine Anfänge beim Tonhalle-Orchester erinnerte sich Hegar 1906: «Mein Vorgänger war im Theater während eines Zwischenaktes in eine Versenkung gefallen, und ich musste als Konzertmeister die Vorstellung zu ende dirigieren. Da nicht alles ausser Rand und Band geraten war, so machte man später auch einen Versuch im Konzert mit mir, der dann die Ihnen bekannten Folgen hatte.» RÜCKBLICK UND AUFBRUCH Die uns bekannten Folgen können hier zwar nicht alle aufgezählt werden, aber eine dieser Folgen ist doch sehr bemerkenswert und dabei fast in Vergessenheit geraten. Um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert schaute dieser aussergewöhnliche Chefdirigent des Tonhalle-Orchesters Zürich nicht nur auf erfolgreiche Jahre des Aufbruchs zurück (das Industriezeitalter war zu voller Blüte gereift, das Bürgertum hatte sich endgültig etabliert, Dichtung, Musik, Malerei und Architektur waren mit grossartigen Meisterwerken in teilweise völlig neue Bereiche vorgestossen), sondern er begriff die zurückliegenden Jahre als Impuls für weitere Aufbrüche. Die Gründung des Schweizer Tonkünstlervereins im Jahr 1900 war ein solches Unterfangen, dessen Zustandekommen massgeblich Friedrich Hegar zu verdanken war. Daran hatte auch das Tonhalle-Orchester Zürich seinen Anteil: Hochambitioniert startete der Verein 1900 mit zwei Kammermusik- und zwei Orchesterkonzerten (eines davon mit Chor) – mit Hegar als Festdirigenten und dem Tonhalle-Orchester als wichtigem Partner. ÜBER DIE SCHWEIZER GRENZEN HINAUS Ziel des Vereins war und ist die Förderung des zeitgenössischen Schweizer Musikschaffens. Schon 1903 holte man den Allgemeinen Deutschen Musikverein an Bord und veranstaltete ein gemeinsames Musikfest in Basel. Volkmar Andreae, der Nachfolger Friedrich Hegars, wiederholte dies 1910 in Zürich. Und mit dem neuen Chefdirigenten des Tonhalle-Orchesters Zürich gelang es dann auch, die Verbreitung von Schweizer Musik im Ausland zu fördern – das Schweizerische Musikfest in Leipzig 1918 war ein erster Höhepunkt. MARGIT KLUSCH Grosses erreicht «Ohne den Tonkünstlerverein hätte dem schweizerischen Musiker und der schweizerischen Musik der Boden wohl noch lange gefehlt, auf dem sie sich [...] hätten entwickeln können. Ohne ihn wäre aber auch dem schweizerischen Publikum wohl noch lange nicht zum Bewusstsein gekommen, dass unser Land auch auf dem Gebiete der Musik Eigenes und dem Auslande Ebenbürtiges zu leisten imstande sei. Er hat hier Grosses erreicht.» WILHELM MERIAN Der Schweizerische Tonkünstlerverein im zweiten Vierteljahrhundert seines Bestehens, Festschrift zur Feier des 50-Jahr-Jubiläums, Atlantis Verlag Zürich. Zürcher Musikgeschichte TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh 29 KOLUMNE — Christian Berzins Welche Aufgaben hat heute ein städtisches Sinfonieorchester wahrzunehmen? — ChRiSTiAn BeRZinS Kulturredaktor der «Nordwestschweiz». Ein Sinfonieorchester des 21. Jahrhunderts hat keine Aufgaben. Es dient dem Vergnügen. Das macht den viel zu schlauen Intendanten und Intendantinnen fürchterliches Kopfzerbrechen. Subventionen für Vergnügungen? Man muss doch … Will ein städtisches Sinfonieorchester nicht erst die Leute ab 60 ansprechen, muss es gar nichts – schon gar keine umfassende Klassikgrundversorgung bieten. Weder die 20-Jährigen, die selten in den Konzertsaal kommen, noch die über 60-Jährigen müssen Leopold Kozeluchs Sinfonien kennen. Etwas ist allerdings klar: Ein Sinfonieorchester muss ein Publikum haben – ob durchmischt oder nicht, ist egal. Entscheidend ist, dass es in der Stadt wahrgenommen wird. Dafür muss es im Sommer raus auf die städtischen Plätze, im Winter im Saal auch einmal gratis oder für zehn Franken ein Wochenende lang spielen. Bei solchen Aktionen wird nämlich immer auch die berüchtigte irritierende Schwelle überschritten. Einerseits lieben Menschen, die selten ins Konzert gehen, diese Schwelle: Nur dank solcher «Hindernisse» – dem schönen Kleid, der geistigen Vorbereitung, der Herausforderung für die Konzentration – wird ihr Sinfoniekonzertabend zum Ereignis. Andererseits ist diese Schwelle für viele tatsächlich ein Hindernis – eine unliebsame Aufgabe eben. Die Lösung ist einfach: Die Sinfonieorchester müssen Konzerte in vielen bunten Varianten anbieten: im coolen neuen Ambiente, in Kleinformationen, lockere Konzerte im grossen Saal, natürlich nicht nur drei pro Saison – und, naturgemäss, die stinknormalen Abo-Konzerte. Sicher ist, dass niemand auf «früher» bauen sollte. Warum dennoch 96 Prozent der Sinfoniekonzerte einem Ritus wie vor gefühlten 1000 Jahren folgen, ist ein Rätsel. «Die Besucher wollen das so», heisst es von den meisten Intendanten. Dumm nur, dass bloss jene es so wollen, die sowieso kommen – naturgemäss aber immer weniger werden. Es gälte herauszufinden, was jene wollen, die nicht kommen. Kürzere Konzerte? Konzertbeginn gleich nach der Arbeit um 18.30 Uhr? Oder erst um 20 Uhr? Ein tolles Speiseangebot im Pausenfoyer, das nicht so aussieht wie jenes in der Altersheim-Kaffeevitrine? Ein paar wenige Worte zur Sinfonie vom Dirigenten während des Konzertes und nicht eine Stunde vorher vom Musikwissenschaftler für jene, die das «Heiligenstätter Testament» sowieso auswendig können? Und, pardon: Vielleicht müssen die Sinfonieorchester in Zukunft auch einfach halb so oft spielen. Auch so spart man Geld. Der Konzertsaal wird mehr und mehr zum Ort der emotionalen Entspannung. Keiner will hier Aufgaben lösen. Der Rahmen ist genauso wichtig wie die Musik an sich. Und wer fragt, ob das dann wie in der Wellnessoase wäre, dem antworten wir: «Na und?». Erfolgreiche moderne Kunstmuseen bieten genau das an. 30 TonhALLe-oRCheSTeR ZüRiCh Kolumne Die Schweiz als Film. 4.7.2014 bis 19.10.2014 www.kino.landesmuseum.ch Passend zum Frack: Acht Zylinder. Mercedes-Benz Automobil AG ist Partner des Tonhalle-Orchesters Zürich. Dieser Virtuose trifft den Ton besonders gut: Mit 557 PS* aus acht Zylindern sorgt der E 63 AMG 4MATIC für unvergleichliche, sportliche Kraft und eindrucksvolle KIänge. Erleben Sie den Konzertmeister der Strasse bei der Mercedes-Benz Automobil AG. Wir freuen uns auf Sie. Alle Standorte auf www.merbagretail.ch. * E 63 AMG 4MATIC Limousine, 5 Türen, 5461 cm3, 557 PS (410 kW), Verbrauch: 10,3 l/100 km, CO 2 -Emission: 242 g/km (Durchschnitt aller verkauften Neuwagen 148 g/km), Energieeffizienz-Kategorie G.