Ökologischer Umbau, sozial gerecht – geht das? Stellschrauben für eine Trendwende im Energie- und Mobilitätsbereich München, 18.06.2015 Referent: Damian Ludewig Diplom-Volkswirt FÖS-Geschäftsführer a.D. Mitglied des FÖS-Beirats Gliederung des Vortrags 1. Vorstellung des FÖS 2. Ökologischer Umbau – wie kann das gelingen? 3. Ökologischer Umbau sozial gerecht? 4. Warum gerade jetzt? 2 Gliederung des Vortrags 1. Vorstellung des FÖS 2. Ökologischer Umbau – wie kann das gelingen? 3. Ökologischer Umbau sozial gerecht? 4. Warum gerade jetzt? 3 Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) • Gemeinnütziger Verein – 1994 gegründet • Kompetenzfelder – Ökologische Steuerreform/ Steuern und Abgaben auf den Verbrauch von Energie und Ressourcen – Abbau umweltschädlicher Subventionen – Emissionshandel – Ökonomische Instrumente der Umweltpolitik in anderen Bereichen, z.B. Flächenverbrauch, Landwirtschaft, Fischerei – Finanztransaktionssteuer und Vermögenssteuer 4 Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) • Haupttätigkeit Entwicklung und Vermarktung von Konzepten ökonomischer Umweltpolitik Studien Konzepte Vorträge Konferenzen • Auftraggeber BMF, BMUB, UBA, Landesministerien, ECF, Greenpeace, BUND, … 5 Medienresonanz Atomsubventionsstudie 6 Gliederung des Vortrags 1. Vorstellung des FÖS 2. Ökologischer Umbau – wie kann das gelingen? 3. Ökologischer Umbau sozial gerecht? 4. Warum gerade jetzt? 7 Wie kommen wir zu einer wirklich nachhaltigen Wirtschaftsweise? Bildung? Selbstverpflichtung? Vorschriften? Subventionen? Preissignale! Bild: CC-BY-SA via Wikipedia/Charles 8 Nachhaltig aus der Krise „Wir müssen jetzt den Paradigmenwechsel hin zu einer Wirtschaftsweise einleiten, die unser Planet verkraftet und letztendlich auch mehr Sinn stiftet.“ „Die Nation, die sich am schnellsten, am intelligentesten auf diese Situation einstellt, wird Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen.“ „Das Preissignal ist immer noch das stärkste, damit Menschen ihr Verhalten ändern.“ Horst Köhler, Bundespräsident a.D. Interview mit dem Focus, 22. März 2010 Bild: Deutscher Bundestag/ Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 9 Preise sagen nicht die ökologische Wahrheit Es dominieren destruktive Preissignale: – Wer sich ökologisch verhält, wird finanziell bestraft – Wer sich unökologisch verhält, wird finanziell belohnt 10 Bio-Lebensmittel oder konventionelle Produkte? Bild: CC-BY-SA via Wikipedia/Alnatura und Onderwijsgek 11 Bahn oder Flugzeug? Bild: CC-BY-SA via Wikipedia/Kabelleger und Errera 12 Ökostrom oder konventioneller Strom? Bild: CC-BY-SA via Wikipedia/Frederik und Tbachner 13 Preise… …sind auch politisch beeinflusst • Externe Effekte verursachen Marktversagen • Umweltschädliches Verhalten wird staatlich subventioniert • Steuer- und Abgabensystem lenkt in die falsche Richtung 14 a Externe Effekte „Wenn Umweltgüter keinen Preis haben, können Märkte nicht effizient funktionieren. Dann wird - häufig auf der Grundlage von externen Effekten – zwischen Generationen und Regionen umverteilt.“ Norbert Röttgen und Christian Lindner Süddeutsche Zeitung, 26. März 2010 Bild: Deutscher Bundestag/Clemens Röttgen und CC-BY-SA via Wikipedia/Seidel 15 Definition: Externe Effekte „Externe Effekte“ sind Auswirkungen wirtschaftlichen Handelns eines Wirtschaftssubjektes auf ein anderes Wirtschaftssubjekt, ohne dass diese Effekte durch die Marktpreise abgegolten werden. Bild: CC-BY-SA via Wikipedia/Beckstet und Guimarães 16 Externe Kosten: Beispiel Flugverkehr • ca. 6,1 Mrd. EURO/Jahr – – – – Klimakosten Lärm Luftverschmutzung Sonstiges 4,9 Mrd. EURO 0,3 Mrd. EURO 0,5 Mrd. EURO 0,3 Mrd. EURO Bild: CC-BY-SA via Flickr/BenJTsunami 17 Externe Kosten: Beispiel Automobilverkehr • ca. 77 Mrd. EURO/Jahr – – – – – – – – Unfälle Lärm Luftverschmutzung Klimakosten Natur- und Landschaftsverbrauch Down- und Upstreamkosten Zusatzkosten städtischer Raum Staukosten 41,7 Mrd. EURO 8,7 Mrd. EURO 7,1 Mrd. EURO 10,7 Mrd. EURO 3,0 Mrd. EURO 4,6 Mrd. EURO 1,1 Mrd. EURO 75,6 Mrd. EURO Bild: CC-BY-SA via Wikipedia/Zimmermann 18 Externe Kosten: Beispiel Kohleenergie • ca. 12,8 Mrd. EURO/Jahr, 6,4 ct./kWh – Abbau und Fördergebiete Landschaftszerstörung, Artenverluste Bodensenkungen und Bergschäden beim Kohleabbau unter Tage Beeinträchtigungen des Wasserhaushaltes und der Trinkwasserversorgung – Umweltrisiken durch Transport – CO2-, Schadstoff- und Staubbelastungen Bild: © [Tim]/Fotolia.com 19 Externe Kosten: Beispiel Atomenergie • Zwischen 4,2 und 11.413,4 Mrd. EURO Bild: Wikipedia/Fischer, Public Domain 20 Umweltschädliche Subventionen „(D)iese Subventionspolitik (ist) nichts anderes [...] als eine Form der politischen Korruption. Wir fordern einen radikalen Rückschnitt der Subventionen.“ Guido Westerwelle, als FDP-Vorsitzender 2004 über Kohlesubventionen Interview mit der Thüringer Allgemeinen Bild: Wikipedia/Lange, Public Domain 21 Umweltschädliche Subventionen 50 Mrd. Euro pro Jahr in Deutschland Bild: CC-BY-SA via Wikipedia/Gohnarch 22 Wie viel ist eigentlich eine Milliarde? 1 Milliarde = 1.000 Million = 1.000.000.000 Einsparungsziel der Hartz IV Reform = 2,5 Milliarden Euro Bild: CC-BY-SA via Wikipedia/Bettenburg 23 Umweltschädliche Subventionen und Steuervergünstigungen: Beispiel Flugverkehr • Ca. 10,4 Mrd. EURO – Fehlende Kerosinbesteuerung: 6,9 Mrd. EURO – Mehrwertsteuerbefreiung: 3,5 Mrd. EURO Bild: CC-BY-SA via Flickr/Xanatos 24 Umweltschädliche Subventionen und Steuervergünstigungen: Beispiel Dienstwagenprivileg • ca. 4,6 Mrd. EURO – Pauschale Versteuerung geldwerter Vorteil – Komplette Absetzbarkeit Anschaffungs- und Betriebskosten Bild: Wikipedia\Mattes, Public Domain 25 Umweltschädliche Subventionen und Steuervergünstigungen: Beispiel Industrieausnahmen bei Energiepreisen Quelle: FÖS 26 Umweltschädliche Subventionen und Steuervergünstigungen: Beispiel Energieerzeugung Subventionen mit Budgetwirkung (A) Finanzhilfen (B) Steuervergünstigungen Subventionen ohne Budgetwirkung (D) Externe Kosten (C) Regelungen mit Subventionswirkung • Ausnahmen für bestimmte Energieverwendungen • Emission von Klimagasen und Schadstoffen • Vorteile durch Emissionshandel • Unterschiedliche Besteuerung der Energieträger • Lärm • Einspeisevergütung des EEG • Flächenverbrauch / Schädigung biologische Vielfalt • Atomenergie: Vorteile durch Regelungen für Rückstellungen Beispiele aus dem Energiebereich • Steinkohlesubventionen • Forschungsausgaben • Sanierungskosten (z.B. Bergbau, Asse) • Bürgschaften, z.B. Atomkraftwerke • Befreiung von Ressourcensteuern (z.B. Förderabgabe) Enger Subventionsbegriff • Kosten / Risiken nukleare Unfälle Weiter Subventionsbegriff 27 Umweltschädliche Subventionen und Steuervergünstigungen: Beispiel Energieerzeugung Subventionen mit Budgetwirkung (A) Finanzhilfen (B) Steuervergünstigungen Subventionen ohne Budgetwirkung (D) Externe Kosten (C) Regelungen mit Subventionswirkung • Ausnahmen für bestimmte Energieverwendungen • Emission von Klimagasen und Schadstoffen • Vorteile durch Emissionshandel • Unterschiedliche Besteuerung der Energieträger • Lärm • Einspeisevergütung des EEG • Flächenverbrauch / Schädigung biologische Vielfalt • Atomenergie: Vorteile durch Regelungen für Rückstellungen Beispiele aus dem Energiebereich • Steinkohlesubventionen • Forschungsausgaben • Sanierungskosten (z.B. Bergbau, Asse) • Bürgschaften, z.B. Atomkraftwerke • Befreiung von Ressourcensteuern (z.B. Förderabgabe) Enger Subventionsbegriff • Kosten / Risiken nukleare Unfälle Weiter Subventionsbegriff Im Subventionsbericht der Bundesregierung aufgeführte Subventionen 28 Subventionen verbilligen Energie: Staatliche Förderungen 1970-2014 im Vergleich 186 Mrd. 69 Mrd. 190 Mrd. 85 Mrd. Anteil Stromerzeugung Quelle: FÖS 2015 29 Staatliche Förderungen für Stromerzeugung kumuliert 1970 – 2014 Quelle: FÖS 2015 30 c Lenkungswirkung von Steuern „Energie ist heute zu billig. (...) es müssen aus meiner Sicht gezielt die Steuern auf Energie angehoben werden, sei es über Mineralöl, Heizgas oder Strom. Der gewünschte umweltpolitische Lenkungs- und Lerneffekt tritt freilich nur ein, wenn klar ist, dass die Steuersätze über Jahre allmählich angehoben werden.“ Angela Merkel, als Umweltministerin 1997 Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Bild: CC-BY-SA via Wikipedia\Linnartz 32 Woher der Staat sein Geld bekommt… Anteil der Steuern & Abgaben auf Arbeit, Kapital & Umweltbelastung am Gesamtaufkommen des Staates. Die übrigen 19,6% entfallen auf sonstige Steuern & Abgaben. Quelle: FÖS 2014 auf Grundlage von Steuerschätzung November 2013 33 Steuersystem setzt falsche Anreize Quelle: FÖS 34 –% des gesamten Steuer- und Beitragsaufkommens 2009 Europäischer Vergleich der ökologischen Steuern: Deutschland ist kein Hochsteuerland –Quelle: Eurostat 2011 37 Dienstleistungen würden billiger, Konsumgüter teurer Bild: Copyright via Wikipedia\Watanabe, CC-BY-SA via Wikipedia\Michels, Flickr\Walter und Wikipedia\Lange 38 Bio-Lebensmittel würden billiger, konventionelle teurer Bild: CC-BY-SA via Wikipedia/Milkwooders und PI77 39 ÖPNV würde billiger, Autofahren teurer Bild: CC-BY-SA via Wikipedia/Darkweasel, CC-BY-PD via Wikipedia/ThomasSD 40 Mehr Service, weniger Energieverbrauch Bild: CC BY-NC-SA 2.0 via Flickr/InterCityImpress 41 Wiederverwertung lohnt sich Bild: CC-BY-SA via Flickr\Polus und Wikipedia\McIntosh 42 Gliederung des Vortrags 1. Vorstellung des FÖS 2. Ökologischer Umbau – wie kann das gelingen? 3. Ökologischer Umbau sozial gerecht? 4. Warum gerade jetzt? 44 Die Analogien von ökologischer und sozialer Frage sind – eigentlich – unübersehbar Soziale Frage Umweltfrage Ursache Aggressive Dynamik des Kapitalismus/ mangelnder Schutz des Faktors Arbeit Aggressive Dynamik des Kapitalismus/ mangelnder Schutz des Faktors Umwelt Kern des Konflikts Menge und Preis der Arbeitskraft Menge und Preis der Umweltnutzung Elemente der Lösung Angebotsbegrenzung (40-hWoche) und höherer Preis (Tarifverhandlungen, Mindestlöhne) Angebotsbegrenzung (Zertifikate) und höherer Preis (Umweltsteuern) Durchsetzung Selbstorganisation der Arbeiter, Demokratie, Mitbestimmung Selbstorganisation der Natur nicht möglich, daher ohne Stimme! Tragik Lösung erst nach Krisen, Kriegen, Revolutionen Lösung erst nach ??? Problem Ehrlicher/ höherer Preis beider primären Produktionsfaktoren – geringere Nutzung – höhere Produktivität 45 Nur Reiche können sich den ökologische Kollaps leisten • Global: v.a. Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern leiden unter zunehmenden Überschwemmungen, Stürmen, Dürren etc. • National: Auch von Lärm, Feinstaub etc. sind eher einkommensschwache Haushalte (z.B. an der Durchgangsstraße) betroffen Ärmere Menschen können sich weder Umzug in weniger betroffene (= teurere) Gegenden noch aufwändige Anpassungsmaßnahmen leisten Durch ambitionierte Umweltpolitik werden Umweltschäden – gerade für die Ärmsten – verhindert 46 Umweltsteuern sind die wachstumsverträglichsten Steuern Beispiel Ungarn Beispiel Spanien 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 Change in GDP relative to baseline, % 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 -0.1 -0.2 -0.3 -0.4 -0.5 -0.6 Energy tax Direct tax 2020 Change in GDP from baseline, % 0 0 -0.1 -0.2 -0.3 -0.4 -0.5 -0.6 Indirect tax Energy Direct Indirect Ohne Rückverteilung der Einkommen! Vivid economics / Cambridge Econometrics E3ME model 47 Belastungswirkung Umweltsteuern auf Einkommensdezil Anteil der Ausgaben für Kraftstoffe, Strom und Heizstoffe an den Gesamtausgaben der Haushalte in Deutschland nach Einkommensdezil (1=einkommensschwächstes Dezil) Quelle: OECD 2015 48 Umweltschädliche Subventionen und Steuervergünstigungen: Beispiel Industrieausnahmen bei Energiepreisen Bild: FÖS 52 Umweltschädliche Subventionen und Steuervergünstigungen: Beispiel Flugverkehr • Ca. 10,4 Mrd. EURO – Fehlende Kerosinbesteuerung: 6,9 Mrd. EURO – Mehrwertsteuerbefreiung: 3,5 Mrd. EURO Bild: CC-BY-SA via Flickr/Xanatos 53 Umweltschädliche Subventionen und Steuervergünstigungen: Beispiel Dienstwagenprivileg • ca. 4,6 Mrd. EURO – Pauschale Versteuerung geldwerter Vorteil – Komplette Absetzbarkeit Anschaffungs- und Betriebskosten Bild: Wikipedia\Mattes, Public Domain 54 Heizölsteuern im EU-Vergleich Ct/ Liter Quelle: EU Kommission Oil Bulletin 2015 56 Soziale Verteilungswirkungen hängen entscheidend von der Verwendung des Umweltsteueraufkommens ab • Haushaltskonsolidierung • Mehr Ausgaben für Umweltschutz • Senkung Unternehmen-/ Einkommensteuern • Senkung Sozialversicherungsbeiträge • Ausschüttung pro Kopf („Ökobonus“) • Aufstockung Sozialtransfers 57 Begleitende politische Maßnahmen • Sozialpolitik: – – – – – Hartz IV oder Grundeinkommen? Rentenkürzung oder Mindestrente? BaföG oder Studiengebühren? Asylbewerberleistungsgesetz? … • Sonstige Steuerpolitik: – – – – Steuersenkung für Spitzenverdiener und Großkonzerne oder Anhebung von Spitzensteuersatz EkSt und Erbschaftsteuer Einführung Vermögensteuer und Finanztransaktionsteuer? … 58 Gliederung des Vortrags 1. Vorstellung des FÖS 2. Ökologischer Umbau – wie kann das gelingen? 3. Ökologischer Umbau sozial gerecht? 4. Warum gerade jetzt? 60 Warum gerade jetzt? • • • • • Weltmarktpreise für Rohöl auf Tiefstand Entwicklung der Heizölpreise 2013-2015 Inflationswirkung bei Mengensteuern Entwicklung der Kraftstoffpreise 2014/2015 Auch CO2-Preise im Emissionshandel sehr niedrig 61 Krisenländer haben hohe Arbeitslosigkeit und hohe Belastungen durch Ressourcenimporte Bild: CC BY-ND 2.0 via Flickr/Dennis Skley 67 Rohstoffimporte belasten Krisenökonomien 20 18 16 14 in Mrd. € 12 Leistungsbilanzdefizit in Mrd. € Rohstoffimportkosten in Mrd. € 10 8 6 4 3. Quartal, 2011 2 Quelle: Sven Giegold, MdEP 0 Griechenland Spanien Italien 68 Finanzielle Effekte Ökofiskalischer Maßnahmen der Regierungskoalitionen seit 1998 Quelle: FÖS 2015 69 Besteuern, was wir vermeiden, nicht was wir fördern wollen! „Die grundsätzlichen Einwände gegen eine Verteuerung des Ressourcenverbrauchs sind sicher ernst zu nehmen, aber letztlich nicht durchschlagend.“ Wolfgang Schäuble, 1998 in seinem Buch „Und sie bewegt sich doch“ Bild: Wikipedia/Schäuble, Public Domain 70 www.foes.de 71 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) Schwedenstraße 15a, 13357 Berlin Tel: 030-76 23 991-30 www.foes.de 72