D-MATH/D-PHYS Prof. G. Felder Funktionentheorie HS 2007 Lösung 3 1. Für z = x + iy, w = u + iv ∈ C = R + R · i setzen wir (z, w) := xu + yv ∈ R. Dies definiert ein Skalarprodukt des reellen Vektorraums C. Sei nun L : C → C eine bijektive R-lineare Abbildung. Zeige, dass die folgenden Eigenschaften äquivalent sind: a) L ist eine Drehstreckung (also eine Drehung um 0 gefolgt von einer Streckung). b) L ist winkeltreu (es gilt |Lz| · |Lw| · (z, w) = |z| · |w| · (Lz, Lw) für alle z, w ∈ C) und orientierungstreu (es gilt det L > 0). Es ist klar, dass eine Drehstreckung winkel- und orientierungstreu ist. Sei anderseits b) erfüllt. Es existiert eine Drehstreckung D mit D(L(1)) = 1. Setzen wir I := D ◦ L. Wegen a) ⇒ b) ist I als Komposition winkel- und orientierungstreuer Abbildungen wieder winkel- und orientierungstreu, und erfüllt ausserdem I(0) = 0 und I(1) = 1 nach Konstruktion. Nun muss das Dreieck mit Ecken 0, 1, i auf ein Dreieck mit denselben Winkeln abgebildet werden. Da der rechte Winkel des Dreiecks erhalten bleibt, muss I(i) rein imaginär sein. Da auch die Winkel mit 45 Grad erhalten bleiben, muss I(i) = ±i gelten. Da I orientierungstreu ist, muss dass Pluszeichen gelten, also hat die lineare Abbildung I drei Fixpunkte. Somit ist I die Identität und L = D−1 ◦ D ◦ L = D−1 ◦ I = D−1 eine Drehstreckung. 2. Wir untersuchen die stereographische Projektion b := C ∪ {∞}, σ : S 2 := {x = (x1 , x2 , x3 ) ∈ R3 : |x| = 1} → C x 7→ x1 + ix2 . 1 − x3 a) Zeige, dass die stereographische Projektion wohldefiniert und bijektiv ist. b) Sei K ⊂ S 2 ein Kreis. Zeige, dass das Bild von K unter der stereographischen Projektion entweder ein Kreis in C ist, oder aus der Vereinigung einer Geraden in C mit dem Punkt ∞ besteht. Für zusätzliche Bemerkungen siehe http://www.bfmathematik.info/pdf/MI29%20Meyer%20Stereogr.%20Proj..pdf. a) Ist x3 6= 1 so ist (x1 + ix2 )/(1 − x3 ) ein wohldefiniertes Element von C. Anderseits gilt x3 = 1 genau dann, wenn x1 = x2 = 0 ist, da |x| = 1 ist. Bitte wenden! Diesen Punkt N := (0, 0, 1) wollen wir den Nordpol nennen. Es ist also natürlich, σ(N ) := ∞ zu setzen. Zur Bijektivität etwas geometrische Intution: Via R3 −→ C × R, (x1 , x2 , x3 ) 7→ (x1 + ix2 , x3 ) fassen wir C als die Ebene derjenigen Punkte im R3 auf, welche verschwindende letzte Koordinate haben. Dann ist die stereographische Projektion eines Punktes x 6= N der Schnittpunkt der Geraden durch x und N mit C. (Vgl. auch das Bildchen in Freitag/Busam, Funktionentheorie 1, Abschnitt III.A, Möbiustransformationen). Zeigen wir, dass σ injektiv ist, indem wir x aus z := σ(x) rekonstruieren. Wir rechnen 1 + x3 x2 + x22 = |z|2 = |σ(x)|2 := 1 2 (1 − x3 ) 1 − x3 Umformen liefert x3 = |z|2 − 1 |z|2 + 1 sowie 1 − x3 = 2 +1 |z|2 Weiter sind nun auch x1 = Re σ(x)·(1−x3 ) und x2 = Im σ(x)(1−x3 ) durch σ(x) bestimmt, und σ injektiv. Wir erhalten als Kandidaten für die Umkehrabbildung b → S 2 gegeben durch von σ die Abbildung σ −1 : C ( |z|2 −1 z+z z−z , , , z 6= ∞ |z|2 +1 |z|2 +1 |z|2 +1 z 7→ N, z=∞ Da die Rechnungen in der obigen Rekonstruktion von x aus σ(x) invertierbar sind, genügt es zu zeigen, dass σ −1 wohldefiniert ist. Aber für z ∈ C gilt 2 4|z|2 + |z|2 − 1 −1 2 = 1, |σ (z)| = 2 |z|2 + 1 wie gewünscht. b) Jeder Kreis K ⊂ S 2 lässt sich schreiben als Schnittmenge von S 2 mit einer affinen Hyperebene in R3 , mit Koordinaten α1 x1 + α2 x2 + α3 x3 = α0 . Wir dürfen annehmen, dass α12 + α22 + α32 = 1 gilt (diese Summe ist nicht Null; ist sie ungleich 1, so können wir das Tupel (αi )i um einen reellen Faktor strecken), sowie dass 0 ≤ α0 < 1 gilt (die Zahl α0 ist das Skalarprodukt des Tripels (αi )3i=1 mit x = (xi ); da beide dieser Tripel Betrag 1 haben, ist der Betrag ihres Skalarprodukts < 1. Ist er negativ, können wir das Tupel (αi )i um −1 strecken). Wir setzen in die Ebenengleichung x = σ −1 (z) ein, und erhalten α1 (z + z) + α2 (z − z) + α3 (|z|2 − 1) = α0 (|z|2 + 1). Siehe nächstes Blatt! Umformen liefert für z = u + iv die Gleichung (α0 − α3 )(u2 + v 2 ) − 2α1 u − 2α2 v + (α0 + α3 ) = 0. Für α0 6= α3 ist dies eine Kreisgleichung. Für α0 = α3 ist dies eine Geradengleichung. Beachte, dass unter unserer Normierung α12 + α22 + α32 = 1 die Bedingung α0 = α3 äquivalent dazu ist, dass der Nordpol N auf dem Kreis K liegt. 3. a) Finde Zahlen a, b, c, d ∈ C sodass die zugehörige Möbiustransformation M : C r {−d/c} → C r {a/c}, z 7→ az + b cz + d die Gleichungen M (0) = 1, M (1) = i und M (−1) = −i erfüllt. b) Zeige, dass das Bild der oberen Halbebene H := {z ∈ C : Im(z) > 0} unter der Möbiustransformation M aus a) die offene Einheitskreisscheibe E := {z ∈ C : |z| < 1} ist. ! ! a) Wir müssen die Gleichungen 1 = M (0) = b/d (also b = d), i = M (1) = ! (a + b)/(c + d) (also a + b = (c + d)i) und −i = M (−1) = (−a + b)/(−c + d) (also −a + b = (c − d)i) simultan lösen. Die Summe der zweiten und dritten Gleichung liefert unter Verwendung der ersten 2b = 2ci. Wählen wir also z.B. c = 1 und b = d = i, dann bleibt noch die zweite Gleichung zu lösen. Diese ! besagt a = (c + d)i − b = (1 + i)i − i = −1. Somit tut’s die Abbildung M : z 7→ z−i −z + i =− . z+i z+i Bemerkung: Ist a0 , b0 , c0 , d0 eine andere (korrekte) Lösung, so existiert ein λ ∈ C r {0} mit a = λa0 , b = λb0 , c = λc0 und d = λd0 . b) Überprüfen wir zunächst, dass M (H) ⊂ E gilt. Sei also z = x + iy mit y > 0, ! ! zu zeigen ist |M (z)| < 1, oder, äquivalent, |M (z)|2 < 1. Diese Gleichung ist nach Definition von M äquivalent zu |z − i|2 = |z + i|2 . Nun ist |z − i|2 = |x + i(y − 1)|2 = x2 + y 2 − 2y + 1 und |z + i|2 = |x + i(y + 1)|2 = x2 + y 2 + 2y + 1. Somit ist |M (z)| < 1 äquivalent zu −2y < 2y, also y > 0. Im folgenden zeigen wir, dass M : H → E bijektiv ist, mit Umkehrabbildung z−1 N : z 7→ −i z+1 (diesen Ansatz für N erhälten man z.B., indem wie in a) versucht Bitte wenden! wird, eine Möbiustransformation mit N (1) = 0, N (i) = 1 und N (−i) = −1 zu konstruieren). Überprüfen wir zunächst, dass N (E) ⊂ H ist. Sei also z ∈ C mit ! |z| < 1, zu zeigen ist, dass Im N (z) > 0 gilt. Das bedeutet, dass −i (z − 1)(z + 1) z−1 = −i z+1 |z + 1|2 positiven Imaginärteil hat, also, dass (z − 1)(z + 1) = |z|2 + (z − z) − 1 = |z|2 − 1 + Im(z − z)i negativen Realteil hat. Der Realteil ist aber |z|2 −1, nach Voraussetzung negativ. Wir rechnen: M ◦ N (z) = − z−1 −i z+1 −i −i z−1 +i z+1 −i(z − 1) − i(z + 1) = − −i(z − 1) + i(z + 1) −zi + i − zi − i = − −zi + i + zi + i 2zi = =z 2i Und: − z−i − 1 N ◦ M (z) = −i z+i − z−i +1 z+i −(z − i) − (z + i) = −i −(z − i) + (z + i) −2z =z = −i 2i Fertig!