Bericht der Klimaschutzkoordination Sachstandsbericht Klimawandel in Tirol Stand 19.03.2015 Auftragnehmer alpS GmbH, Umweltbundesamt GmbH, Universität Innsbruck Auftraggeber Amt der Tiroler Landesregierung AutorInnen DANIELA HOHENWALLNER, MICHAEL ANDERL, JOCHEN BÜRGEL, ROBERT GOLER, MICHIKO HAMA, TOBIAS HUBER, NIKOLAUS IBESICH, ARMIN KRATZER, THOMAS KRUTZLER, CHRISTOPH LAMPERT, MARKUS LEITNER, STEFFEN LINK, CHRISTIAN NAGL, ELISABETH RIGLER, CARMEN SCHMID, JÜRGEN SCHNEIDER, WOLFGANG SCHIEDER, KATHARINA SCHRÖER, KATHRIN SCHWAB, SIMON STEUER, ALEXANDER STORCH, HEINZ STROBL, GERHARD ZETHNER 2 Inhaltsverzeichnis A Einleitung ............................................................................................................. 7 1 Klimapolitik Tirol........................................................................................................................8 2 Berichte der Klimaschutzkoordination ......................................................................................8 B Auswirkungen des Klimawandels ....................................................................... 10 1 Die Alpen und der Klimawandel ..............................................................................................10 2 Entwicklung der Klimaelemente .............................................................................................11 3 4 5 C 2.1 Datenquellen ............................................................................................................................................... 11 2.2 Temperatur ................................................................................................................................................. 12 2.3 Niederschlag ................................................................................................................................................ 14 Auswirkungen des Klimawandels auf den Naturraum ............................................................16 3.1 Biosphäre .................................................................................................................................................... 16 3.2 Pedosphäre ................................................................................................................................................. 23 3.3 Hydrosphäre (inklusive Kryosphäre) ........................................................................................................... 27 Auswirkungen auf die Anthroposphäre und ihre sozio-ökonomischen Systeme ...................36 4.1 Wasser- und Energiewirtschaft ................................................................................................................... 36 4.2 Tourismus .................................................................................................................................................... 37 4.3 Gesundheit .................................................................................................................................................. 42 4.4 Bauen & Wohnen ........................................................................................................................................ 42 4.5 Raumplanung .............................................................................................................................................. 43 4.6 Verkehrsinfrastruktur .................................................................................................................................. 44 4.7 Wirtschaft .................................................................................................................................................... 45 4.8 Naturgefahren und Katastrophenmanagement.......................................................................................... 45 Sammlung und Analyse von außerordentlichen Wetterereignissen in Tirol ..........................47 5.1 Abgrenzung und Datenquellen.................................................................................................................... 47 5.2 Ausgewählte Extremwettereignisse ............................................................................................................ 48 5.3 Zusammenfassung....................................................................................................................................... 54 Treibhausgas- und Energiebilanz des Landes Tirol ............................................. 56 3 1 2 Ist-Analyse Energiebilanz ........................................................................................................56 1.1 Bruttoinlandsverbrauch des Landes Tirol.................................................................................................... 57 1.2 Energieerzeugung in Tirol............................................................................................................................ 58 1.3 Analyse des Nutzenergiebedarfs ................................................................................................................. 61 Ist-Analyse Treibhausgasemissionen ......................................................................................64 2.1 Kohlendioxidemissionen ............................................................................................................................. 66 2.2 Methan- und Lachgasemissionen................................................................................................................ 67 Glossar ..................................................................................................................... 68 Literaturverzeichnis.................................................................................................. 71 Rechtsnormen und Leitlinien ................................................................................... 84 Anhang 1 – Detailauswertung Klimaszenarien ......................................................... 90 Anhang 2 – Zusätzliche Informationen zum Klimaschutz .......................................... 93 4 Segoe ui Abbildungsverzeichnis: Abbildung 1: Beschreibung der wichtigsten Arbeitsschritte. ................................................................................................................ 9 Abbildung 2: Mittelabweichung (1901-2000) und deren geglättete Entwicklung der mittleren Jahrestemperatur weltweit von 1850–2009 (orange) und im Großraum Alpen 1760–2009 (rot), Erklärung im Text. Quelle: ZAMG. 2013, bearbeitet. ................................................................................................................................................................................................... 13 Abbildung 3: Stationsunabhängiger Anstieg der Jahresmitteltemperaturen Innsbruck-Universität und Kufstein. Erklärung im Text. Quelle: ZAMG 2013. ...................................................................................................................................................... 13 Abbildung 4: Jahresgang der erwarteten Klimaänderung (Einheit °C). Die dicke Linie stellt die mittlere erwartete Klimaänderung dar, der schattierte Bereich die Bandbreite möglicher Entwicklungen. Die Zahlen darüber zeigen die Monatsmittel der Bezugsperiode (Einheit °C). ................................................................................................................................. 14 Abbildung 5: Jahresniederschlagssummen in Innsbruck-Universität und Kufstein. Die dicke rote Linie zeigt das 20jährige geglättete Mittel. Quelle: HISTALP 2013. .................................................................................................................................... 15 Abbildung 6: Jahresgang der erwarteten Klimaänderung (Einheit %). Die dicke Linie stellt die mittlere erwartete Klimaänderung dar, der schattierte Bereich die Bandbreite möglicher Entwicklungen. Die Zahlen darüber zeigen die Monatsmittel der Bezugsperiode (Einheit mm/Monat). ............................................................................................................... 15 Abbildung 7: Bedeutung des Tourismus auf Gemeindeebene und Skigebiete in Tirol und Südtirol. Quelle: Steiger und Trawöger 2011b. .......................................................................................................................................................................................... 38 Abbildung 8: Änderung der Betriebstage (%) mit Beschneiung. Änderungen in der Periode 2020-2050 im Vergleich mit 1971-2000 (Strasser et al. 2012). ............................................................................................................................................................ 40 Abbildung 9: Regionen in Österreich, die durch Vb und Vb-ähnliche Wetterlagen besonders betroffen sind. Quelle: Formayer, 2006. ..................................................................................................................................................................................................... 50 Abbildung 10: Hitzetage nach Kysely von 1954-2003 (Auer et al. 2005)...................................................................................... 54 Abbildung 11: Entwicklung des Bruttoinlandsverbrauches nach Energieträgern. .................................................................... 57 Abbildung 12: Erzeugung elektrischer Energie nach Energieträgern (PV Photovoltaik). ....................................................... 58 Abbildung 13: Erzeugung von Fernwärme nach Energieträgern (KWK: Kraft-Wärme-Kopplung. WP: Wärmepumpe). ...................................................................................................................................................................................................................................... 59 Abbildung 14: Entwicklung des energetischen Endverbrauchs nach Energieträgern. ............................................................ 60 Abbildung 15: Entwicklung des Endenergieverbrauchs nach Sektoren. ....................................................................................... 61 Abbildung 16: Private Haushalte - Nutzenergie für Raumheizung und Klimaanlagen nach Energieträgern in 2011. ...................................................................................................................................................................................................................................... 62 Abbildung 17: Öffentliche und Private Dienstleistungen - Nutzenergie für Raumheizung und Klimaanlagen nach Energieträgern in 2011....................................................................................................................................................................................... 63 Abbildung 18: Anteil Tirols an den österreichischen Treibhausgas-Emissionen sowie Pro-Kopf-Emissionen, 1990 und 2011. ................................................................................................................................................................................................................. 64 Abbildung 19: Anteile 2011 nach KSG-Sektoren und Gasen. KEX: Kraftstoffexport im Tank. .............................................. 64 5 Abbildung 20: Treibhausgas-Emissionen Tirols in der Einteilung des Klimaschutzgesetzes 1990 bis 2011 in kt CO2Äquivalent. EH – Emissionshandel................................................................................................................................................................. 65 Abbildung 21: CO2-Emissionen, Bruttoinlandsenergieverbrauch (BIEV) und Bruttoregionalprodukt Tirols, 1990– 2011............................................................................................................................................................................................................................ 66 Abbildung 22: Treibende Kräfte der CH4- und N2O-Emissionen Tirols, 1990–2011............................................................... 67 Abbildung 23: Jahresgang der erwarteten Klimaänderung (Einheit: Tage/ Monat). Die dicke Linie stellt die mittlere erwartete Klimaänderung dar, der schattierte Bereich die Bandbreite möglicher Entwicklungen. Die Zahlen darüber zeigen die Monatsmittel der Bezugsperiode (Einheit: Tage/ Monat)............................................................................................. 91 Abbildung 24: Jahresgang der erwarteten Klimaänderung (Einheit: Tage/ Monat). Die dicke Linie stellt die mittlere erwartete Klimaänderung dar, der schattierte Bereich die Bandbreite möglicher Entwicklungen. Die Zahlen darüber zeigen die Monatsmittel der Bezugsperiode (Einheit:Tage/ Monat). ............................................................................................. 91 Abbildung 25: Jahresgang der erwarteten Klimaänderung (Einheit: KGT/ Monat). Die dicke Linie stellt die mittlere erwartete Klimaänderung dar, der schattierte Bereich die Bandbreite möglicher Entwicklungen. Die Zahlen darüber zeigen die Monatsmittel der Bezugsperiode (Einheit:KGT/ Monat). .............................................................................................. 92 Abbildung 26: Jahresgang der erwarteten Klimaänderung (Einheit: HGT/ Monat). Die dicke Linie stellt die mittlere erwartete Klimaänderung dar, der schattierte Bereich die Bandbreite möglicher Entwicklungen. Die Zahlen darunter zeigen die Monatsmittel der Bezugsperiode (Einheit: HGT/ Monat)........................................................................... 92 Tabellen: Tabelle 1: Beobachtete Veränderungen in der Biosphäre................................................................................................................... 17 Tabelle 2: Prognostizierte Veränderungen der Biosphäre. ................................................................................................................. 21 Tabelle 3: Beobachtete Veränderungen in der Pedosphäre............................................................................................................... 24 Tabelle 4: Prognostizierte Veränderungen der Pedosphäre. ............................................................................................................. 26 Tabelle 5: Beobachtete Veränderungen in der Hydrosphäre. ........................................................................................................... 30 Tabelle 6: Prognostizierte Veränderungen der Hydrosphäre ............................................................................................................ 33 Tabelle 7: Die Auswirkungen des Klimawandels auf die natürlichen Schneebedingungen in ganz Tirol. ...................... 39 Tabelle 8: Veränderungen in der Periode 2020 - 2050 im Vergleich zu 1971-2000. ............................................................... 40 Tabelle 9: Auswahl an regionalen Schadenshochwässern in Tirol seit 1985. .............................................................................. 51 Tabelle 10: Vergleich der Schäden durch Windwurf in Tirol .............................................................................................................. 53 Tabelle 11: Bruttoinlandsverbrauch Tirol für das Jahr 2011 nach Energieträgern und Veränderung zu 1988. ............ 93 Tabelle 12: energetischer Endverbrauch Tirol für das Jahr 2011 nach Energieträgern und Veränderung zu 1988. ... 93 Tabelle 13: Energetischer Endverbrauch Tirol für das Jahr 2011 nach Sektoren und Veränderung zu 1988. ............... 94 6 A Einleitung Klima ist ein globales System, das sich im Verlauf der Erdgeschichte immer wieder verändert hat und dessen Ausprägungen die Lebensbedingungen der Menschen stets maßgebend beeinflussten – auch und gerade in Gebirgsräumen wie Tirol. Der Wandel des Klimas war und ist allgegenwärtig. Davon zeugen heute die vielen Formen in der Landschaft, wie z.B. die von Gletschern geformten taleinwärtigen Bereiche der höheren Seitentäler Tirols. Waren früher vor allem natürliche Ursachen dominierend – wie z.B. die Verschiebungen der Kontinente, Schwankungen der Erdumlaufbahn (bekannt als Milanković–Zyklen), die solare Einstrahlung oder die Staubkonzentration durch explosive Vulkanausbrüche – so ist in der jüngeren Vergangenheit zusätzlich der Ausstoß an Treibhausgasen durch den Verbrauch fossiler Energieträger für die starke Erwärmung der unteren Atmosphäre verantwortlich. Spätestens seit dem 2007 veröffentlichten Stern-Bericht (Stern 2007), welcher die Auswirkungen eines ungebremsten Klimawandels auf die Weltwirtschaft darlegt, und den Beiträgen zum vierten Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC 2007), ist die globale Erwärmung zum politischen und gesellschaftlichen Thema geworden. Die unabdingbare Notwendigkeit raschen Handelns wird durch die Erkenntnisse des neuesten Weltklimaberichtes, in dem mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit (≥ 95 %) angenommen wird, dass die derzeitige Klimaerwärmung menschgemacht ist (IPCC 2013), unterstrichen, um einer der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts und der Zeit danach begegnen zu können. Eine Reihe von Initiativen – vom globalen Kyoto-Protokoll, den 20-20-20-Zielen der Europäischen Union, bis hin zu nationalen Strategien – haben sich aus diesem Grund das Ziel gesetzt, den Treibhausgasausstoß zu senken. Ziel ist es, die Erwärmung der Erdoberfläche zu bremsen beziehungsweise auf weniger als 2 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Maßnahmen in diesem Zusammenhang werden unter dem Begriff Klimaschutz zusammengefasst, der die erste wichtige Säule der Klimapolitik darstellt. Allen bereits initiierten politischen und gesellschaftlichen Bemühungen zum Trotz konnten ambitionierte Ziele nicht oder nur in geringem Maße erreicht werden, mit dem Resultat, dass der Klimawandel als Phänomen an sich bereits begonnen hat in die sozio-ökonomischen und natürlichen Systeme der Erde einzugreifen. Deshalb müssen neben den Klimaschutzmaßnahmen auch Maßnahmen zur Anpassung an sich verändernde Rahmenbedingungen umgesetzt werden, um die Lebensqualität zu erhalten, negative Auswirkungen zu minimieren und Chancen zu nutzen. Klimawandelanpassung bildet somit, neben dem Klimaschutz, die zweite wichtige Säule in der Klimapolitik (BMLFUW 2012a, b). Auch Österreich stellt sich diesen Herausforderungen mit dem Klimaschutzgesetz (BMLFUW 2011), einer Klimastrategie (BMLFUW 2007) und der Österreichischen Strategie zur Anpassung an den Klimawandel (BMLFUW 2012a, b). Hier sind sowohl die Betroffenheit Österreichs als auch Maßnahmen zu sektoralen Bereichen enthalten. Darüber hinaus behandelt der Austrian Assessment Report des APCC (Austrian Panel on Climate Change, APCC 2014) die Thematik von einem forschungsbezogenen Standpunkt aus. Das Bundesland Tirol hat bereits in Strategien und Programmen zur Landesentwicklung das Thema Klimawandel behandelt, jedoch mit unterschiedlicher Gewichtung. Insbesondere sind hier die Tiroler Waldstrategie 2020 (Amt der Tiroler Landesregierung 2011b), die Tiroler Energiestrategie 2020 (Amt der Tiroler Landesregierung 2007a), das Tiroler Mobilitätsprogramm 2013-2020 (Amt der Tiroler Landesregierung 2013b), das Biomasse- Versorgungskonzept Tirol (Amt der Tiroler Landesregierung 2007b), der ZukunftsRaum Tirol_2011 (Amt der Tiroler Landesregierung 2011a) und die Tiroler Nachhaltigkeitsstrategie (Amt der Tiroler Landesregierung 2012a) zu erwähnen. 7 1 Klimapolitik Tirol Mit den Berichten der Klimaschutzkoordination, deren integraler Bestandteil die Klimaschutzstrategie für die Periode 2013 - 2020 ist, die sich aus den Verpflichtungen Österreichs durch die Unterzeichnung des KyotoProtokolls ergibt, bekennt sich das Land Tirol zu einer aktiven und vorausschauenden Klimapolitik die folgenden Grundsätzen folgt: Neben den gesetzlich vorgeschriebenen Klimaschutzzielen soll das CO2 Einsparungspotential ausgeschöpft werden. Der sparsame Umgang mit Energie, die Steigerung der Effizienz und die Substitution fossiler Energieträger durch erneuerbare Ressourcen steht im Zentrum (Arbeitsübereinkommen für Tirol 2013-2018) erfolgreiche, bestehende Strategien und Maßnahmen sollen weitergeführt und weiterentwickelt werden, Der Ausbau erneuerbarer Energieträger erfolgt unter Beachtung ökologischer Rahmenbedingungen und Kriterien der Nachhaltigkeit. Entsprechende Grundlagen wurden vom Land Tirol bereits entwickelt (Nachhaltigkeitsstrategie, Kriterienkatalog Wasserkraft, Solarkataster). Eine strategische Bewertung der Energieträger soll Nachhaltigkeitskriterien folgen und Ineffizienzen berücksichtigen. Der Sektor Verkehr wird als entscheidend für die Erreichung der Klimaschutzziele erachtet. Initiativen Tirols auf Bundes- und EU-Ebenen sollen verstärkt werden. Sollten zur Erreichung der Ziele und zur Umsetzung der Maßnahmen gesetzliche Anpassungen notwendig sein und diese in den Kompetenzbereich des Bundes fallen, so wird das Land Tirol im Rahmen der dafür vorgesehenen Möglichkeiten mit der Bitte um Berücksichtigung dieser Ziele und Maßnahmen an den Bund herantreten. Diese Klimapolitik, die durch eine Roadmap 2020 - 2030 (siehe Abbildung 1) im Bereich des Klimaschutzes eine langfristige Strategie zur Reduktion der Treibhausgas-Emissionen darstellt, trägt der globalen Verantwortung des Landes Tirols Rechnung. Unter dem Stichwort Auf dem Weg zu einer CO2-neutralen Landesverwaltung wird Tirols Klimapolitik durch die Vorbildfunktion der öffentlichen Hand im Bereich des Klimaschutzes unterstrichen. Darüber hinaus bekennt sich das Land Tirol zu einer vorausschauenden, proaktiven Haltung und strategischen Ausrichtung, um den Folgen des Klimawandels entgegenzuwirken beziehungsweise diese abzumindern und so auch Chancen die sich daraus ergeben frühzeitig nutzen zu können. Eine Reihe von Maßnahmen im Bereich der Klimawandelanpassung strebt dies an. Sowohl kurz- als auch langfristig soll das Handeln der öffentlichen Hand, der Wirtschaft und der Bevölkerung geprägt, notwendige sektorübergreifende Maßnahmen unterstützt und gefördert sowie der Lebens- und Wirtschaftsraum nachhaltig erhalten werden. Um das übergeordnete Ziel erreichen zu können und nach Maßgabe der sachlichen Dringlichkeit, in Hinblick auf weitere Arbeitsprogramme und der budgetären Möglichkeiten soll eine zeitgerechte, konsequente und umfassende Umsetzung, inklusive aller Anpassungsmaßnahmen erfolgen. 2 Berichte der Klimaschutzkoordination Zur Erreichung der definierten Ziele sind vier Berichte der Klimaschutzkoordination verfasst worden. Die Erstellung vollzog sich unter aktiver Miteinbeziehung der Landesverwaltung sowie relevanter AkteurInnen des Landes 8 I. Sachstandsbericht Klimawandel in Tirol: Analyse der Auswirkungen des Klimawandels auf das Bundesland sowie der Darstellung der CO2- und Energiebilanz. II. Bericht zur Erreichung der Klimaschutzziele bis 2020: Analyse und Evaluierung bestehender Maßnahmen sowie die Erstellung sektorspezifischer Handlungskonzepte (Maßnahmenpläne) als Basis für konkrete Klimaschutzmaßnahmen und Förderrichtlinien zur Erreichung der Klimaziele bis 2020 und darüber hinaus bis 2030. III. Anpassung an den Klimawandel: Herausforderungen und Chancen für das Land Tirol werden durch die Erarbeitung von prioritären Handlungsfeldern auf sektoraler Ebene erarbeitet. Diese bilden den Ausgangspunkt für die Erstellung von Maßnahmen. In diesem Bericht werden auch Synergien und Herausforderungen die sich zwischen Klimaschutz und Anpassung ergeben sowie das Thema Sensiblisierung und Bewußtseinsbildung beleuchtet. IV. Monitoring und Evaluierung der Klimaschutzmaßnahmen und der Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel: hier erfolgt die überblicksartige Diskussion möglicher Monitoring- und Evaluierungsstrategien für die Bereiche Klimaschutz und Anpassung. Abbildung 1: Beschreibung der wichtigsten Arbeitsschritte. Für die Erstellung der vier Berichte der Klimaschutzkoordination wurde ein partnerschaftliches Arbeiten mit allen relevanten Abteilungen der Tiroler Landesverwaltung realisiert. Dabei konnten, in einer Reihe von Interviews und Konsultationen, vorhandenes Wissen und Hintergrundinformationen erhoben und in Workshops vertieft werden. Relevanten AkteurInnen wurde in zwei Workshops, aber auch in schriftlicher Form, die Gelegenheit geboten die Berichte der Klimaschutzkoordination zu kommentieren. Es sei darauf verwiesen, dass sich die in den Berichten der Klimaschutzkoordination behandelten Sektoren im Bereich des Klimaschutzes am österreichischen Klimaschutzgesetz (BMLFUW 2011) und im Bereich der Anpassung an der Österreichischen Strategie zur Anpassung an den Klimawandel (BMLFUW 2012a, b) orientieren. 9 Des Weiteren muss betont werden, dass Klimaschutz und Anpassung als Querschnittsthemen verstanden werden, die Aktivitäten in unterschiedlichen Bereichen oder Sektoren erfordern. Vor allem – aber nicht nur – hat sich gezeigt, dass es im Bereich der Anpassung zum Teil große sektorübergreifende Wechselwirkungen gibt, die bei der Erstellung und Umsetzung der Maßnahmen beachtet werden müssen. Darüber hinaus müssen die Maßnahmen des Klimaschutzes mit denen der Anpassung abgestimmt werden, um mögliche Konflikte zu vermeiden und Synergien zu kreieren. Beide Säulen – Klimaschutz und Anpassung – sind somit wichtige Elemente einer nachhaltigen Entwicklung, welche als normatives Leitbild übergeordnet ist. Im vorliegenden Sachstandsbericht „Klimawandel in Tirol“ werden die Entwicklung der Klimaelemente und die Auswirkungen der klimatischen Änderungen auf den Naturraum und die Anthroposphäre dargestellt. In Kapitel C4 werden außerordentliche Wetterereignisse in Tirol zusammengetragen und analysiert. Kapitel D befasst sich mit der Treibhausgas- und Energiebilanz des Landes. Durch alle Kapitel hinweg gilt es aufzuzeigen, dass der bereits stattfindende Klimawandel nicht nur als Bedrohung gesehen wird. Vielmehr soll der vorliegende Bericht dazu beitragen, Herausforderungen zu erkennen und anzunehmen, aktiv Risiken zu minimieren und sich bietende Chancen zu nutzen. B Auswirkungen des Klimawandels 1 Die Alpen und der Klimawandel Die Alpen sind in mehrfacher Weise vom global wirksamen Klimawandel betroffen. Sie bilden die Grenze zwischen dem mediterran geprägten Klima Südeuropas und dem mitteleuropäischen Übergangsklima, welches atlantisch geprägt ist. Im Kontext des Klimawandels kann hier nicht nur die Erwärmung, sondern auch eine Verschiebung der Klimazonen nach Norden von Bedeutung sein. Die angesprochene Erwärmung findet in den Alpen in stärkerem Ausmaß als global statt. Brunetti et al. (2009) sprechen von einer doppelt so hohen Erwärmung der Alpen im Vergleich zum globalen Durchschnitt. Von besonderer Bedeutung sind hier Rückkopplungen, die im Zusammenhang mit der Albedo, also dem Rückstrahlvermögen von Oberflächen, stehen (Haeberli et al. 2007). Darüber hinaus und aufgrund der komplexen Topographie reagieren die Alpen sehr sensibel auf diese Veränderungen und werden dementsprechend oft als Frühwarnsystem bezeichnet. Sogar kleine Veränderungen in der Temperatur und/oder des Niederschlags können eine Verschiebung von räumlichen Grenzen (z.B. Baumgrenze, Schneegrenze, Permafrostgrenze) bewirken (Veit 2002). Drastische Veränderungen der natürlichen Artzusammensetzungen und Kreisläufe sind in den Alpen verstärkt zu erwarten. Aus diesen Gründen wird sich auch die EU-Strategie für den Alpenraum mit Fragen des Klimaschutzes und der Klimawandelanpassung zu befassen haben. Abgesehen davon sind Gebirgsregionen besonders verwundbare Räume gegenüber wetterbedingten und klimatischen Änderungen (z.B. Beniston 2003; Beniston 2010; Diaz, Grosjean und Graumlich 2003; Thuiller et al. 2005). Dies ist umso mehr von Bedeutung, da das Gebirge wichtige Funktionen bei der Erfüllung von menschlichen Grundbedürfnissen hat, z.B. als Wasserspeicher für Trinkwasser, zur Energiegewinnung oder industriellen Nutzung. Dies gilt nicht nur für Gebirgsregionen allein, sondern auch für das Umland der Gebirge mit weit höheren Bevölkerungszahlen (Barnett, Adam und Lettenmaier 2005; Messerli, Viviroli und Weingartner 2004; Viviroli et al. 2007). Die starken Auswirkungen klimatischer Veränderungen sind zum Teil auf die ökonomische Entwicklung einer spezialisierten Gesellschaft zurückzuführen. Die große, regional unterschiedliche Abhängigkeit vom Wintertourismus ist ein Beispiel hierfür (z.B. Steiger 2011a). Die Ausdehnung des menschlichen Lebensraumes, z.B. durch Zersiedlung, kommt verstärkend hinzu. Häufig ist diese Ausdehnung nur noch bei gleichzeitigen Schutzmaßnahmen gegenüber Klima und Gebirge möglich. Vom heute erschlossenen Dauersiedlungsraum in Tirol (ca. 12 % der Landesfläche) waren 2006 nach Bogner und Fiala (2007) 8,2 % versiegelt. Neuere Schätzungen des Landes Tirol (2013/14) gehen bereits von einem Anteil von 12,8 % aus. Durch diese räumliche Konzentration ist das Schadenspotential bei Extremereignissen besonders hoch. 10 Die starke regionale Veränderung in den natürlichen Systemen bedingt durch den globalen Klimawandel auf der einen Seite und die starken Verwundbarkeiten der spezialisierten, mobilen Gesellschaft auf der anderen Seite resultieren in einer starken Betroffenheit. Detaillierte Informationen zu den Auswirkungen des Klimawandels auf verschiedene Sektoren werden in Kapitel B3 und B4 dargestellt. 2 Entwicklung der Klimaelemente Die Schwankungen des Erdklimas sind gut erforscht. Die Forschung zur Klimageschichte – die Paläoklimatologie – kann hierzu unter anderem auf natürliche Klimaarchive wie Gletscher, Bäume oder Speleotheme (Tropfsteine) zugreifen und mit ihnen das Klima der Vergangenheit rekonstruieren (Nicolussi 2009). Darüber hinaus geben in den Alpen vor allem klimatisch gesteuerte Grenzen, wie z.B. die Waldgrenze, wichtige Anzeichen über diese Veränderungen. Dies ist insofern wichtig, da die Alpen zwar über ein dichtes Netz von mehr als hundert Klimamessstellen verfügen, diese jedoch erst seit ca. 250 Jahren verfügbar sind, global erst seit 150 Jahren (Böhm 2008). Man spricht bei der Betrachtung des Klimas seit dieser Zeit von Neoklimatologie. 2.1 Datenquellen HISTALP Für die Erstellung des Berichts der Klimaschutzkoordination konnte auf die HISTALP-Datenbank der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) zurückgegriffen werden. Das Netzwerk, welches hinter dem HISTALPDatensatz liegt, umfasst ca. 200 Standorte und mehr als 500 einzelne Klimazeitreihen im Großraum Alpen (Böhm 2008). Homogenisierte Daten zu Temperatur, Niederschlag, Luftdruck, Sonnenscheindauer und Bewölkung, welche einen Zeitabschnitt von bis zu 250 Jahren in die Vergangenheit abdecken, stehen zur Verfügung. Szenarien Basis für die Vorhersage zukünftiger Klimatrends ist das Wissen über die Treibhausgasemissionen der Zukunft, welche an die globalen sozio-ökonomischen Entwicklungen gekoppelt sind. Um der Ungewissheit dieser Entwicklungen gerecht zu werden, wurden verschiedene globale Emissionsszenarien entwickelt, die auf verschiedenen Annahmen zur Entwicklung der Bevölkerung, Ökonomie, Technologie, Energie und Landwirtschaft sowie der Bereitschaft für ökologisches Handeln im 21. Jahrhundert basieren (Nakicenovic et al. 2000). Das für den Bericht der Klimaschutzkoordination gewählte Emissionsszenario A1B geht von einer weiteren Zunahme der Treibhausgase, bedingt durch ökonomisches Wachstum, aus. Die voranschreitende Globalisierung sollte für eine Stabilisierung der Bevölkerungsentwicklung ab Mitte des 21. Jahrhunderts sorgen. Zudem geht man davon aus, dass sowohl fossile als auch erneuerbare Energieträger, in Verbindung mit technischem Fortschritt, zur Energiegewinnung eingesetzt werden. Auf Grundlage dieser Annahmen werden Klimamodelle angetrieben. In den Klimamodellen werden die jeweiligen Komponenten des Klimasystems, auf den physikalischen Zusammenhängen basierend, berechnet. Abhängig von den verwendeten Parametrisierungen der physikalischen Zusammenhänge können sich die Ergebnisse einzelner Modelle unterscheiden. Für Aussagen über globale Klimatrends werden Globale Zirkulationsmodelle (GCMs) verwendet. Diese werden mit Regionalen Zirkulationsmodellen (RCM) gekoppelt, um kleinräumige Strukturen abzubilden. Die für den Bericht der Klimaschutzkoordination verwendeten RCMs rechnen mit einer Maschenweite von 25 km x 25 km. Diese Ergebnisse werden auf 1 km x 1 km interpoliert (Haiden et al. 2010; Pospichal et al. 2010). Das Verfahren 11 berücksichtigt das für Tirol typische Relief mit großen Höhenunterschieden. Die RCM-Daten werden auf diese Weise an die lokalen Besonderheiten angepasst. Für den Bericht wurden folgende drei RCMs verwendet: ALADIN vom Centre National de Recherches Météorologiques (F), RegCM3 vom International Centre for Theoretical Physics (I) und REMO vom Max Planck Institut (D). Die RCM-Daten wurden im Rahmen des EU-Projektes ENSEMBLES berechnet. Ausblick Für die künftige Auswertung und Validierung der vorliegenden Strategie stehen ab Ende 2014 räumlich und zeitlich hoch aufgelöste Daten des Projektes 3P-Clim („Past, Present and Perspective Climate of Tirol, Südtirol-Alto Adige and Veneto“) zur Verfügung. In diesem Interreg IV-Projekt unter der Leitung der ZAMG für Tirol und Vorarlberg wird ein Klimaatlas der Region erstellt. Eine ausführliche Analyse des Ist-Zustandes beim Klima beruht auf Stationsdaten der Periode 1981 - 2010, Gletschermessungen und –beobachtungen sowie einer Konvektionsauswertung anhand von Wetterradar- und Blitzdaten. Veränderungen des Klimas seit Messbeginn, also in den letzten 150 Jahren, werden anhand von Schlüsselstationen dargestellt. Darüber hinaus werden auf der Basis mehrerer regionaler Klimamodelle die Auswirkungen des führenden IPCC-Klimaszenarios A1B (realistisch) auf Temperatur- und Niederschlagsparameter für die Perioden 2020 - 2050 und 2070 - 2100 ausgewertet. Das Projekt wird von vier Abteilungen des Landes Tirol mitgetragen. Die Ergebnisse werden der Öffentlichkeit frei zur Verfügung stehen und auf der Website www.alpenklima.eu abrufbar sein. 2.2 Temperatur In der Vergangenheit: Die natürlichen Schwankungen des Klimas in Kombination mit anthropogenen Einflüssen haben zu einer Erhöhung der Temperaturen der unteren Atmosphäre seit 1900 geführt. Diese ist jedoch regional ungleich verteilt: Im globalen Mittel betrug die Erhöhung der oberflächennahen Temperatur +0,7 °C, über der Nordhemisphäre +1 °C (beide Werte Latif 2012) sowie im Alpenraum etwa +2 °C (z.B. Böhm 2008; 2009; Brunetti et al. 2009). Diese Erwärmung erfolgte allerdings nicht linear. Die Entwicklung der Temperatur kann vielmehr in mehrere Phasen unterteilt werden, welche ihrerseits wieder durch klimatisch kurze Zeiträume von Maxima und Minima durchzogen sind (Böhm 2009). Betrachtet man den Zeitraum ab ca. 1900 (in etwa das Ende der Kleinen Eiszeit) so zeigen sich unterschiedliche Phasen der Temperaturentwicklung (vgl. Böhm 2008) 1900 –1950: Phase der Erwärmung auf natürliche Ursachen zurückzuführen (vor allem Zunahme solarer Einstrahlung) (Abbildung 2 innerhalb der grünen Ellipse). 1950 – 1980: Abkühlungsphase durch zunehmende Verschmutzung der Atmosphäre durch Sulfatpartikel (Abbildung 2 blaue Ellipse). 1980 – bis heute: beschleunigte Zunahme der Temperatur; verstärkte Emission von Treibhausgasen, Luftreinhaltungsmaßnahmen (Reduktion Sulfatausstoß) (Abbildung 2 rote Ellipse). Diese drei beschriebenen charakteristischen Phasen der Temperaturentwicklung finden sich sowohl in globalen als auch in nationalen und regionalen Temperaturreihen (Abbildung 3) wieder, im Alpenraum unabhängig vom geographischen Ort. 12 Abbildung 2: Mittelabweichung (1901-2000) und deren geglättete Entwicklung der mittleren Jahrestemperatur weltweit von 1850–2009 (orange) und im Großraum Alpen 1760–2009 (rot), Erklärung im Text. Quelle: ZAMG. 2013, bearbeitet. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, dass diese Erwärmung nur die Erdoberfläche und die unteren Luftschichten betrifft, während sich der darüber liegende Teil der Atmosphäre, die Stratosphäre, abkühlt. Dies geschieht aufgrund der Absorption der Infrarotstrahlung durch das Kohlendioxid. Würde eine stärkere Solarstrahlung die globale Erwärmung bedingen, würde sich auch die Stratosphäre erwärmen, was nicht der Fall ist (Latif 2012; Schönwiese 2008). Dies ist ein wichtiges Indiz für den anthropogenen Einfluss. Abbildung 3: Stationsunabhängiger Anstieg der Jahresmitteltemperaturen Innsbruck-Universität und Kufstein. Erklärung im Text. Quelle: ZAMG 2013. Abbildung 3: Stationsunabhängiger Anstieg der Jahresmitteltemperaturen Innsbruck-Universität und Kufstein. Erklärung im Text. Quelle: ZAMG 2013. In der Zukunft Für den Bericht der Klimaschutzkoordination wurde die zukünftige Entwicklung der Temperatur mit Hilfe von drei regionalen Klimamodellen berechnet. Abbildung 4 zeigt den Jahresgang der Temperaturänderungen für den Zeitraum 2021-2050 – verglichen mit der Bezugsperiode 1971-2000 – in Tirol. Die rote Linie zeigt den Mittelwert der drei Modellergebnisse, die Schattierung die Bandbreite. Die Absolutwerte der Bezugsperiode sind am oberen Rand der Grafik angegeben. 13 Abbildung 4: Jahresgang der erwarteten Klimaänderung (Einheit °C). Die dicke Linie stellt die mittlere erwartete Klimaänderung dar, der schattierte Bereich die Bandbreite möglicher Entwicklungen. Die Zahlen darüber zeigen die Monatsmittel der Bezugsperiode (Einheit °C). Für Tirol ist bis Mitte des 21. Jahrhunderts mit einer Temperaturzunahme von etwa +1,2 °C zu rechnen. Diese ist im Jahresgang relativ gleichmäßig verteilt. Eine derartige Zunahme bedeutet, dass sich vertikale Temperaturgrenzen (z.B. Frostgrenze) um etwa 200 Höhenmeter nach oben verschieben. Die Bandbreite der Erhöhung der Jahresmittel für 2021-2050 liegt zwischen +1 °C und +1,4 °C. Eine Auswertung der prognostizierten Temperaturentwicklung auf Bezirksebene ist Anhang 1 – Detailauswertung Klimaszenarien zu entnehmen. 2.3 Niederschlag In der Vergangenheit Höhere Temperaturen bewirken, dass auf globaler Ebene mehr verdunstet und die wärmere Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann. Eine Konsequenz der dargestellten Erwärmung der Lufttemperatur sollte also auch mehr Niederschlag im globalen Maßstab sein. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, wo dieser vermehrte Niederschlag fallen wird, d. h. wo die Wassermassen hin transportiert werden (Böhm 2009). Das Niederschlagssystem ist zudem eng mit Großwetterlagen und deren Verlagerung sowie globalen Phänomenen wie z.B. der Nordatlantischen Oszillation (Veit 2002) verbunden. Dementsprechend können in der Vergangenheit unterschiedliche dekadische und auch längerfristige Entwicklungen innerhalb des Alpenraums beobachtet werden. Für Westösterreich (Tirol, Vorarlberg) generalisiert wurden seit Mitte der 1940-er Jahre leichte Niederschlagszunahmen beobachtet. Dies bedeutet nicht, dass dies für alle Stationen in allen Jahreszeiten zutreffen muss (Abbildung 5) Der Anstieg des Niederschlags ist außerdem keineswegs linear, sondern noch stärker als bei der Temperatur, von starkem „Hintergrundrauschen“, das heißt einem jährlichen und auch dekadischen Auf-Und-Ab (kurzfristige Variabilität) geprägt. Böhm (2009) sieht einen Zusammenhang zwischen den Langfristentwicklungen von Niederschlagssummen und den Extremwerten Starkregen beziehungsweise Trockenperioden. 14 Abbildung 5: Jahresniederschlagssummen in Innsbruck-Universität und Kufstein. Die dicke rote Linie zeigt das 20jährige geglättete Mittel. Quelle: HISTALP 2013. In der Zukunft Die zukünftige Entwicklung der Niederschläge wurde mit Hilfe von drei regionalen Klimamodellen berechnet. Abbildung 6 visualisiert den Jahresgang der Niederschlagsänderungen für den Zeitraum 2021-2050 – verglichen mit der Bezugsperiode 1971-2000 – in Tirol. Die blaue Linie zeigt den Mittelwert der drei Modellergebnisse, die Schattierung die Bandbreite. Die durchschnittlichen Monatssummen [mm] der Bezugsperiode sind am oberen Rand der Grafik angegeben (Abbildung 6). Generell ist zu beachten, dass Niederschlagsszenarien mit wesentlich höheren Unsicherheiten behaftet sind, als z.B. Temperaturszenarien. Dies liegt daran, dass die Niederschlagsverteilung kleinräumig höchst unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Zudem spielen für die Niederschlagsproduktion verschiedene physikalische Prozesse eine Rolle, die schwieriger zu modellieren sind als Temperatur. Nichtsdestotrotz lassen sich für das Bundesland Tirol jahreszeitliche Niederschlagstrends feststellen: tendenziell zeigen die Modellergebnisse eine Zunahme der Niederschläge im Frühling und im Herbst. Abbildung 6: Jahresgang der erwarteten Klimaänderung (Einheit %). Die dicke Linie stellt die mittlere erwartete Klimaänderung dar, der schattierte Bereich die Bandbreite möglicher Entwicklungen. Die Zahlen darüber zeigen die Monatsmittel der Bezugsperiode (Einheit mm/Monat). 15 3 Auswirkungen des Klimawandels auf den Naturraum Die Folgen des Klimawandels sind bereits deutlich zu erkennen. Sie betreffen sowohl den Naturraum – die Bio-, Hydro- und Pedosphäre – als auch den vom Menschen geschaffenen Lebensraum – die Anthroposphäre. Natur und Mensch sind nicht eindeutig voneinander zu trennen und können gemeinsam Ursache von Auswirkungen sein. Aus diesem Grund werden im Kapitel zur Biosphäre die Bereiche Biodiversität, Land- und Forstwirtschaft gemeinsam behandelt. Da ebenfalls Verknüpfungen zwischen den Bereichen Tourismus und Wasser bestehen, werden diese gemeinsam im Kapitel zur Hydrosphäre besprochen. Beide Kapitel zeigen bereits beobachtete sowie mögliche, zukünftige Auswirkungen des Klimawandels, anhand von Beispielen, auf. 3.1 Biosphäre Fast 20 % aller europäischen Pflanzenarten kommen nur im Hochgebirge, oberhalb der Waldgrenze, vor (Väre et al. 2003). Österreich und speziell dem Bundesland Tirol kommt eine besondere Aufmerksamkeit und Verantwortung für diesen Artenreichtum zu. Mit jeweils eigenen Artenzusammensetzungen überschneiden sich in Österreich alpine Höhenstufen und kaum bis stark kontinentale Verbreitungsgebiete, zwischen Nord- und Südtirol verläuft die Grenze mediterraner und gemäßigter Klimazonen. Tirol bietet daher eine große Vielfalt an ökologischen Nischen und eine Brückenfunktion für wandernde Arten, deren Erhalt von europäischem Interesse ist. Hinzu kommen endemische Arten, die nur in Tirol vorkommen, und vor allem die alpinen Gipfelbereiche besiedeln. Für wandernde Arten, wie Zugvögel, aber auch Insekten und Säugetiere, stellt Tirol eine wichtige Zwischenstation dar. Die kleinräumig strukturierte Kulturlandschaft, die sich über mehrere Höhenstufen erstreckt, leistet einen weiteren Beitrag zur Artenvielfalt. Diese Biodiversität, die eine hohe Anpassungskapazität an den Klimawandel darstellt, wird von verschiedenen sozio-ökonomischen Entwicklungen zunehmend belastet, wie z.B. der Zerschneidung von Lebensräumen, der intensiveren Nutzung (Bodenversiegelung, Bodenverdichtung, häufigere Heuernten) oder der Aufgabe traditioneller Bewirtschaftungsformen, insbesondere der Almweide und der teilweisen Verbrachung dieser Flächen (z.B. im Bezirk Reutte). Für Gebiete in denen aufgrund des Klimawandels Mehrfachbelastungen entstehen, sind diese Entwicklungen besonders problematisch. Beispielsweise müssen Arten bei einem Anstieg der Temperatur wandern, was durch die Zerschneidung von Lebensräumen für manche Arten (Fische, Amphibien, Kleintiere) unmöglich gemacht wird. In Zukunft wird es darum gehen solche Gefährdungen frühzeitig abzusehen, vorzubeugen oder Anpassungsmaßnahmen vorzunehmen. Ein großes Gefährdungspotential des Klimawandels auf die Biodiversität stellen invasive Arten (Neobiota) dar, die durch sich verändernde Standortbedingungen begünstigt werden und die zudem in der Lage sind, ihren Verbreitungsradius innerhalb weniger Jahre um hunderte bis tausende Meter zu verlagern. Sie sind in diesem Zusammenhang einerseits in ihrer Etablierung sehr erfolgreich, andererseits geht von ihnen teilweise ein besonderes Gefährdungspotential aus (siehe Tabelle 1). Darüber hinaus soll an dieser Stelle noch einmal betont werden, dass die Sektoren Land- und Forstwirtschaft, Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen elementar mit der Biosphäre verbunden sind. 16 In der Vergangenheit Tabelle 1: Beobachtete Veränderungen in der Biosphäre. Auswirkung auf … Veränderungen Regionale Beispiele Beobachtungszeitraum Quelle Pflanzen Verlängerte Vegetationsperiode Bayern - Menzel und Fabian 1999; Menzel et al. 2006 Verlängerte Vegetationsperiode Österreichweit 1980 – laufend (Stand Eitzinger et al. 2009 2013) Anstieg der Baumgrenze Niedere Tauern (AT) 1960 – 2000 Schaumberger et al. 2006; Aostatal (IT) 1901 - 2000 Leonelli et al. 2011 Zentralalpen 1760 - 2002 Böhm 2004 Anstieg der Baumgrenze Westliche Tiroler Alpen (AT) 1950 - 2011 Staffler, Nicolussi und Patzelt 2011 Wanderung von Arten in die Höhe (insbesondere Gräser) Schrankogel (AT) 1994 - 2012 Pauli et al. 2012 Arealänderung von Grasarten Ostalpen 1994 - 2012 Pauli et al. 2007; 2012 Gletschervorfelder: Zuwanderung neuer Arten Rotmoosferner, Obergurgl, Ötztal (AT) 1996 - 2006 Erschbamer 2006; Bogner und Fiala Anstieg der Baumgrenze beziehungsweise Anstieg 0 °CIsotherme/grenze (Moränenklee, Alpen-Wundklee, Edelraute, 2007 Lebendgebärendes Alpen-Rispengras) Verlust der Artenvielfalt durch Zuwanderung Gipfelregionen, europaweit in konkurrenzstarker Arten und Verdrängung endemischer, europäischen Gebirgen 1999 - 2013 Pauli et al. 2007; 2012 Österreichweit 2010 AGES 2010 Österreichweit 1980 - 2001 Bortenschlager und Bortenschlager lokaler Flora Ausbreitung gesundheitsschädlicher Neophyten z.B. das hochallergene Beifußblättrige Traubenkraut Verlängerung der Pollenflugsaison (Allergien) 2003 Bakterien/Viren Wanderung von Arten in die Höhe: Zecken, als Schweiz 1984 - 2006 17 BAFU 2007 und Insekten als Überträger für FSME und Lyme-Borelliose, bisher an eine deren Vektoren Höhengrenze von ca. 1200 m gebunden (Überträger) Ausbreitung winterharter Schadorganismen (invasive 1994 - 2005 Deutz et al. 2009; Hofer 2009 2006 - 2008 Klasen 2009; AGES 2009 2006 - 2009 Klasen 2009; AGES 2009 Arten): Tularämie bei Feldhasen (Bakterium F. tularensis) Einwandern von Mücken der Gattungen Aedes, Culex, Italien, Südfrankreich, Deutschland, Anopheles und Phlebotomus (unter anderem Schweiz Sandmücke, asiatische Tigermücke), die Infektionskrankheiten übertragen können Dengue-, Chikungunya-, Gelb-, oder West-Nil-Fieber Italien, Südfrankreich, Deutschland, (Überträger: Aedes-/ Tigermücke) Schweiz Malaria (Überträger: Anophelesmücken, verschiedene Deutschland 2000 Kruger et al. 2001 Baden-Württemberg (D) 2000 Naucke und Pesson 2000 Deutschland 2003, 2006 Beierkuhnlein und Foken 2008 Kärnten, Steiermark (AT) 1993 - 2009 Balas et al. 2010 Schweiz 1970 - 2005 Niedere Tauern (AT) 2006 Arten) benötigt warme, feuchte Sommer für Ausbreitung Leishmaniose und Toskanavirus (durch Einwandern der Phlebotomus-/ Sandmücke aus Südosteuropa) Massenvermehrung von Rötelmäusen (Überträger für Hanta-Viren) in 'Eichen- und Buchenmastjahren', sowie in Zusammenhang mit geschädigten, lichteren Wäldern Zunehmende Infektionen mit Hanta-Virus (Überträger: Nagetiere, insbesondere Rötelmaus) Wanderung von Arten in die Höhe: - BAFU 2007 Fischkrankheit PKD bei Forellenfischen (Vorkommen des einzelligen Parasiten Tetracapsuloides bryosalmonae der bisher an Höhengrenze 800 m gebunden war) Wanderung von Arten in die Höhe: Paulsen 2008 Fliegen, als Überträger von Gamsblindheit (Keratokonjunktivitis), verweilen länger in Hochlagen (bis Dezember) 18 In Hitzeperioden zunehmende bakterielle Belastung von Österreichweit vermutet Balas et al. 2010 Österreich 2010 Holzinger 2012 Alpen - Tamme 2012; Doyle und Ristow 2006 Österreichweit 1945 - 2013 Krehan und Steyrer 2006; Hoch und Lebensmitteln (Salmonellen, Campylobacter) Insekten Wanderung von Arten in die Höhe: Zikaden (unter anderem Sotanus thenii) Arealausweitung Insekten: Alpenquerung durch Wanderfalter, Schwebfliegen Ausbreitung winterharter Schadorganismen (invasive Arten): Borkenkäfer Beeinträchtigung kältegebundener, teils endemischer Steyrer 2013 Österreichweit - Bogner und Fiala 2007 Allergien durch heimische Arten, z.B. Vermehrung vereinzelte Massenvermehrungen in 2000 - 2008 Beierkuhnlein und Foken 2008 Eichenprozessionsspinner Kleve, Darmstadt, Frankfurt (D) Arealausweitung Insekten- und Samen-fressender Schweiz, oberhalb 1800 m Arten: Gletscherfloh Habitate Finkenvögel Steigende Wassertemperatur, abnehmender 1981 - 1989 und 2001 - 2008 OcCC und ProClim 2007 Rhein (CH) 1970 - 2002 Hari et al. 2006 Donau (Wien) 1901 - 1998 Kromp-Kolb 2003 Ybbs, Mur (AT) 1976 - 2001 Schmutz et al. 2004 Österreichweit 1980 Matulla et al. 2007 Bodensee (AT, D, CH) - Grabher, Löning und Weber 2009 Sauerstoffgehalt, Veränderung des aquatischen Lebensraums Steigende Wassertemperatur, abnehmender Sauerstoffgehalt, Veränderung des aquatischen Lebensraums Steigende Wassertemperatur, abnehmender Sauerstoffgehalt, Veränderung des aquatischen Lebensraums Steigende Wassertemperatur, abnehmender Sauerstoffgehalt, Veränderung des aquatischen Lebensraums Sauerstoffversorgung im Tiefenwasser 19 Zurückdrängung von Arten, die an Bergwiesen und Niedere Tauern (AT) 1960 - 2000 Schaumberger et al. 2006 Alpenraum vermutet Kromp-Kolb 2003 Österreich 2001 - 2006 Bogner und Fiala 2007 Tiroler Zentralalpentäler, Osttirol (AT) 2001 - 2006 Bogner und Fiala 2007 Tiroler Zentralalpentäler (AT), Südtirol (I) 2001 Tasser 2002 Österreichweit 2006 - 2007 Bogner und Fiala 2007 Schweizer Hochlagen (über 1200 m) - Dobbertin 2005; Jolly et al. 2005 Kirschblüte Liestal (CH) 1894 - 2012 MeteoSchweiz 2005 Schweiz 1950 - 2011 MeteoSchweiz 2005 Früherer phänologischer Frühlingsanfang (Erhöhung der regionales phänologisches Monitoring 1994 - heute Perroud und Bader 2013 Anfälligkeit für Kälteeinbrüche) Nationalpark Berchtesgaden (D) Konkurrenzkraft der Buche wird durch Dürre- und Bayern (D) Schuttfluren gebunden sind: Birkhuhn, Schneehuhn, Gamswild, Steinwild Zurückdrängung von Arten, die an Bergwiesen und Schuttfluren gebunden sind: Schneefink, Alpenbraunelle, Bergpieper Rolle der Rückgang der Berglandwirtschaft (gemessen), Landnutzung gleichzeitig stabiler Viehbestand, Übernutzung, Degradation, leicht negativer Einfluss auf Biodiversität (postuliert) Rückgang der Berglandwirtschaft, Verbrachung der Bergmähder, negativer Einfluss auf Biodiversität durch Verlust der Nischenstruktur Verbrachung der Bergmähder, Intensivierung in Tieflagen Erhöhung der Verletzbarkeit durch mangelnde Natürlichkeit der Baumartenzusammensetzung Trockenstress für Wälder: je nach Standort unterschiedlich Wechselwirkungen Früherer phänologischer Frühlingsanfang (Erhöhung der physische Anfälligkeit für Kälteeinbrüche) Umwelt/Lebewesen Früherer phänologischer Frühlingsanfang (Erhöhung der Anfälligkeit für Kälteeinbrüche) - Lindner 1999; Kozlowski, Kramer und Spätfrostereignisse stark eingeschränkt Pallardy 1991 20 Ertragseinbußen durch Extremereignisse bei Ober-, Niederösterreich, Steiermark (AT) 1869 - 2002 z.B. Außerfern (AT) 2004 - 2013 Soja und Soja 2003 Kulturpflanzen (Winterweizen, Sommergerste, Mais, Kartoffeln, Zuckerrübe, Wein, Apfel) Borkenkäfermassenvermehrungen nach Schadholzanfall BFW 2008; BUWAL 2005; Krehan und Steyrer 2006 Sensibilität der Bevölkerung für Pollenallergien in Österreichweit - Kim et al. 2005; Ramsey und Celedón Zusammenhang mit Schadstoffbelastung der Luft (Ozon 2005; Eckl-Dorna et al. 2010; Franze und Stickstoffoxid), Kreuzallergien et al. 2005 weiterführende Bestandsdauer einer geschlossenen Schneedecke und Forschungsthemen Bedeutung für angepasste Arten (veränderte Verteilung Wisconsin (USA) - Pauli et al. 2013 Beispiele weltweit - Pampus 2005 und Quantität) Besondere Gefährdung von Amphibien (aufgrund begrenzter Bewegungsspielräume und Anpassungsfähigkeit) In der Zukunft Tabelle 2: Prognostizierte Veränderungen der Biosphäre. Auswirkung auf … Veränderungen Regionale Beispiele Projektionszeitraum Quelle Änderung von Simulationsmodell PICUS simuliert Auswirkungen von Österreichweit, für Tirol nicht 2007 - 2100 Lexer und Seidl 2007 Verbreitungsgebieten Klimaänderung auf Forste in ganz AT (+2 °C, -15 % repräsentativ Sommerniederschlag) Modellierter Rückgang von Hochmooren Österreichweit 2051 - 2060 Niedermair et al. 2011 Anstieg der Baumgrenze (um 450 m in 25 Jahren) Niedere Tauern (AT) 2035 Schaumberger et al. 2006 Zurückdrängung von Arten, die an Bergwiesen und Niedere Tauern (AT) 2035 Schaumberger et al. 2006 Schuttfluren gebunden sind: Birkhuhn, Schneehuhn, Gamswild, Steinwild 21 Auswirkung auf … Veränderungen Regionale Beispiele Projektionszeitraum Quelle Ausbreitung von Schadinsekten: Europaweit 2020 - 2080 Randolph und Rogers 2000 Tirol (AT) vermutet Zecken (Ixodes ricinus) beziehungsweise FSME, bisher an eine Höhengrenze von ca. 1200 m gebunden Mehr Holzzuwachs auf gut wasserversorgten Standorten der montanen und subalpinen Höhenstufe (> 1000 m) Trockenstress Mehr Trockenstress bei Fichte und Buche auf Amt der Tiroler Landesregierung 2011b Tirol (AT) vermutet warmtrockenen Standorten der submontanen Stufe (< Amt der Tiroler Landesregierung 2011b 1000 m). Entwaldung seichtgründiger, extrem warmtrockener Tirol (AT) vermutet Extremstandorte in den Tieflagen Bessere Konkurrenzkraft der Tanne durch tiefgründige Amt der Tiroler Landesregierung 2011b Tirol (AT) vermutet Durchwurzelung, Ausweitung des Areals in Teilen der Amt der Tiroler Landesregierung 2011b Zentralalpen möglich. Gefährdung von Insekten durch Trockenheit und Großbritannien, Niederlande 2030 - 2050 Biesmejer et al. 2006 Großbritannien 2030 - 2050 Araujo und Rahbek 2006 Tirol (AT) vermutet Veränderung der Reproduktionszeiten durch milde Winter in Verbindung mit Spätfrösten Gefährdung von Amphibien und Reptilien durch Trockenheit und Störung der Winterruhe/-schlaf durch milde Winter, frühe Niederschläge und Spätfröste Schutzfunktion Temporäre Entwaldungen mit zeitweiliger Zerstörung der Schutzfunktion von Schutzwäldern Zunahme hochvulnerabler Forste (2001-2020 = 5,9 %, Amt der Tiroler Landesregierung 2011b Österreichweit 2001 - 2100 Tirol (AT) vermutet Seidl und Lexer 2008 nach 2050 = 39,6 %) Höhere Schadensanfälligkeit der Reinbestände von Fichte und Kiefer durch eine Vielzahl biotischer Amt der Tiroler Landesregierung 2011b Schadorganismen (Borkenkäfer, Pilze) 22 3.2 Pedosphäre Die Pedosphäre bezeichnet ganz allgemein die Gesamtheit der Böden. Sie bildet also den Grenzbereich der Erdoberfläche, welcher als Schnittmenge der Natursphären (Litho-, Hydro-, Bio- und Atmosphäre; vgl. Brunotte et al. 2002; Leser 2011) und des Menschen bezeichnet werden kann. Dementsprechend wird ihr Aufbau gesteuert durch die bodenbildende Faktoren Ausgangsgestein, Klima, Relief, Bodenwasser, Vegetation, Bodenlebewesen, Zeitdauer sowie Nutzung und Veränderung durch Menschen (Blume et al. 2010). Die Rolle der Böden im Klimawandel ist differenziert zu betrachten. Sie dienen einerseits als wichtige Senke für CO2, andererseits können sie zu Quellen verschiedener Treibhausgase werden. Organisches Material, das sich auf der Bodenoberfläche und im Boden ansammelt, enthält Kohlenstoff (C) und Stickstoff (N), die bei der Humusbildung im Boden gespeichert werden. Temperatur und Feuchtigkeit steuern die dabei ablaufenden, überwiegend biologischen, Ab- und Umbauprozesse durch Bodenorganismen, vor allem Mikroorganismen. Als Nebenprodukt des Abbaus fallen unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. schwankende Wasserstände) die klimawirksamen Treibhausgase Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (NO2) an. Im günstigsten Fall werden die Bausteine dieser Gase im Boden 1 absorbiert, die Humusauflage des Bodens wird allmählich dicker und er fungiert als Senke . Umgekehrt werden Böden zur Quelle der genannten Treibhausgase, wenn die Rahmenbedingungen für die Humusbildung ungünstig – hohe Temperaturen und vermehrter Niederschlag – sind. Ein schneller Abbau organischen Materials erhöht dabei die Gefahr der Auswaschung von Nährstoffen und der Rückführung von Kohlenstoff und Stickstoff in Atmosphäre und Hydrosphäre. Die Entwicklung von Klimaanpassungsmaßnahmen, die dem Schutz der Böden beziehungsweise der Erhöhung ihrer Widerstandsfähigkeit dienen, birgt einige Herausforderungen. Einerseits gibt es selbst international kaum längere Beobachtungsreihen, welche die Reaktionen unterschiedlicher Böden auf Änderungen von Temperatur und Feuchtigkeit erfassen; andererseits besteht ein großer Forschungsbedarf hinsichtlich der ablaufenden Prozesse, sodass nur wenige Anpassungsmaßnahmen möglich sind. Dazu zählen der Schutz von Mooren und humuserhaltende Maßnahmen, wie Zwischenfrucht, Direktsaat oder Mulchen. Humusauflagen verbessern zudem den Wasserrückhalt und bilden einen Puffer bei Starkniederschlägen und Trockenphasen. 1 Dieser Massenzuwachs erreicht schließlich einen Gleichgewichtszustand, da nicht beliebig viel Humus angereichert werden kann. Im Gleichgewichtszustand verhalten sich Böden dann weitgehend CO2-neutral, bis es wieder zu einer Störung kommt. 23 In der Vergangenheit Tabelle 3: Beobachtete Veränderungen in der Pedosphäre. Auswirkung auf … Veränderungen Regionale Beispiele Beobachtungszeitraum Quelle Quellenfunktion Erwärmung fördert die Aktivität von Bodenorganismen: bei 1 Achenkirch 1998 - 2008 (beobachtet), 2005- Kitzler et al. 2009 °C Temperaturerhöhung steigt die CO2-Freisetzung durch 2008 (künstliche Erwärmung) Bodenatmung um ca. 10 %, bei 2 °C um ca. 20 %, gleiches gilt für Lachgas (N2O) Alpine Böden werden zu CO2-Quellen bei einer Erwärmung Stillberg, Davos, 2180 m von +4 °C (CH) 2001 - 2009 Hagedorn et al. 2013 Klimawandel führt zu häufigeren Frostwechseln: Häufigere Norwegen 2005 - 2007 Goldberg et al. 2010 Geringere Humusauflage bei Brache im Vergleich zu Kaserstattalm, Stubaital, 1998 Seeber 2005 bewirtschafteten Flächen, eventuell durch Erwärmung und 1800 - 2000 m (AT) im Mittel 1995 - 2000 Jungkunst et al. 2006 Frostwechsel im Boden führen zu verstärkter (bis 10-facher) Produktion von N2O erhöhte Aktivität von Bodenlebewesen bedingt Quellen- und Wassergesättigte und trockene Böden geben wenig Senkenfunktion Treibhausgase ab, durchlüftete Böden in Gebieten mit (unterschiedliche Zeiträume an Frostwechseln emittieren (abgeben) viel (trifft auf alpine den Stationen) Deutschlandweit Böden zu) Moore (Niedermoore) benötigen einen ganzjährig hohen Niederlande 2000 - 2001; 2004 Wasserstand beziehungsweise stetige Wasserversorgung Niedermair et al. 2011; Trepel 2008; van Beek et al. 2004 (Hochmoore), um Treibhausgase binden zu können (aerobe Verhältnisse führen zu beschleunigtem Abbau) Bodenfruchtbarkeit in Hochlagen (Kapazität als CO2-Senke) Stubaital (AT), Matschertal wird durch Landnutzungsänderungen stärker beeinflusst als (IT) 2012 Meyer et al. 2012 durch Klimawandel. Brachen binden auf lange Sicht weniger Kohlenstoff in stabilen Aggregaten als bewirtschaftete Flächen (1 Mahd + Beweidung) 24 Auswirkung auf … Veränderungen Regionale Beispiele Beobachtungszeitraum Quelle Senkenfunktion Einwanderung von Zwergsträuchern in alpine Rasen erhöht Hochschwab, Nördliche 2006 Djuki, Tatzberg und Gerzabek 2010; Streuauflage und verbessert Senkenfunktion Kalkalpen (900 - 1900 m) Djukic et al. 2012 Weniger Schneebedeckung führt zu geringeren - Djukic 2011 Bodentemperaturen und damit verringerter Bodenatmung physikalische Abnahme des Schneeniederschlags Schweiz 1931 - 1999 Laternser und Schneebeli 2003 Anstieg der Schneefallgrenze Salzburg (AT) 1990 - 2000 Kromp-Kolb und Formayer 2001 Zunehmende Versiegelung gefährdet Biodiversität und Tirol (AT) jährlich Bogner und Fiala 2007 Bayern (D) 1995 - 1999 BayFORKLIM 1999 Verstärkung der Stickstoffmineralisierung durch Erwärmung Alpenweit 1999 – 2013 (laufend) Huber et al. 2007 Häufige Frostwechsel stören die stabilen Bedingungen des Pellafol, Dévoluy Mountains, 2005 - 2006 Cécillon et al. 2010 Bodensystems und damit die Bodenbildung französische Südalpen (F) Versauerung und Eutrophierung durch Eintrag von europaweit 1987 - 1990 (Bodeninventur), Posch, Slootweg und Hettelingh 2004 (modelliert) 2005; Daten für Österreich: Austrian Eigenschaften (Stabilität, Speicherfunktion) erhöht die Verletzbarkeit bei Extremereignissen Verbesserung der Stickstoffmineralisierung durch Erwärmung (Erhöhung 1 °C, erhöht Mineralisierung um 15 % → verbesserte Nährstoffversorgung aber auch Gefahr der Auswaschung (Kalium, Nitrat, Magnesium, Kalzium)) Luftschadstoffen (Schwefelverbindungen, Stickoxide) Forest Soil Inventory Wechselbeziehungen Mikrobielle Sukzession von Bodenorganismen in Rotmoosferner, zur Biosphäre Gletschervorfeldern Ödenwinkelkees, 2006 Philippokot et al. 2011; Tscherko et al. 2004 Gletschervorfeld (AT) Bestandsdauer einer geschlossenen Schneedecke und Wisconsin (USA) Pauli et al. 2013 Bedeutung für angepasste Arten 25 In der Zukunft Tabelle 4: Prognostizierte Veränderungen der Pedosphäre. Auswirkung auf … Veränderungen Regionale Beispiele Projektionszeitraum Quelle Quellenfunktion Alpine Böden werden zu CO2- Stillberg, Davos, 2180 m (CH) 2006 Hagedorn et al. 2010 ; Hagedorn, Quellen bei Erwärmung von +4 °C Mulder und Jandl 2010 (über eine Saison, längere Beobachtung fehlt) Degradation Versauerung und Eutrophierung Europaweit 2010, 2020, 2030 Posch, Slootweg und Hettelingh durch Eintrag von Luftschadstoffen 2005; Daten für Österreich: (Schwefelverbindungen, Stickoxide) Austrian Forest Soil Inventory 26 3.3 Hydrosphäre (inklusive Kryosphäre) Sucht man nach Indizien der Veränderung, die mit der klimatischen Entwicklung zusammenhängen, so sind diese wohl am einfachsten in der Hydrosphäre zu finden. Global ist die Veränderung wirksam im Anstieg des Meeresspiegels, in den Alpen vor allem im Abschmelzen der Gletscher. Auch hier zeigen sich die engen Verknüpfungen zwischen Mensch und Natur. Das Wasserschloss Alpen versorgt viele Millionen Menschen im Gebirge und den umliegenden Vorländern mit Trinkwasser. Darüber hinaus sind sowohl die Energiegewinnung – vor allem in Tirol – als auch viele Arten des Tourismus sowie Möglichkeiten der Freizeitgestaltung auf Wasser in flüssiger oder fester, gefrorener Form angewiesen. Aus diesem Grund widmen sich in Österreich und auch im gesamten restlichen Alpenraum viele Projekte und Publikationen dem Thema der Veränderungen der Hydrosphäre durch den Klimawandel (z.B. BAFU 2012a, 2012b; Böhm et al. 2008; Formayer und Kromp-Kolb 2009a; Hohenwallner et al. 2011; Schöner et al. 2011; Stanzel und Nachtnebel 2010). Bezüglich des Klimawandels kann ein Zusammenhang zwischen der Erhöhung der Luft- und der Wassertemperatur festgestellt werden. Besonders ausgeprägt ist dies in stehenden Gewässern, aber auch im Grundwasser und Fließgewässern lässt sich ein Zusammenhang nachweisen (Schöner et al. 2011; Standhartinger und Godina 2013). Für die vier Flüsse Donau, Mur, Gail und Salzach haben Standhartinger und Godina (2013) einen solchen Anstieg der mittleren Luft- und Wassertemperatur anhand von Daten aus Langzeitreihen (110 Jahre) aufzeigen können. Den Grund für den geringeren Anstieg der Wasser- gegenüber der Lufttemperatur sehen Standhartinger und Godina (2013) in der dämpfenden Wirkung eines vergrößerten Schnee- und Gletscherwassereintrages auf die Erwärmung. Dennoch kommen die Autoren zu dem Schluss, dass der Anstieg der Wassertemperatur signifikant sein wird und als Folge des Anstiegs der mittleren Lufttemperatur zu erklären ist (Standhartinger und Godina 2013). Konsequenzen der Wasser- und Lufttemperaturerhöhung für Ökosysteme können bereits nachgewiesen werden (BAFU 2012a). Bei fortschreitender Erwärmung sind weitere Auswirkungen (z.B. den Wasserstand und die Qualität von Seen betreffend; oder eine Verschiebung der Bioregionen von Flüssen) zu erwarten. Nach Janauer (2008) 2 könnten in diesem Kontext Makrophyten aus südlicheren Regionen einwandern und heimische Arten verdrängen sowie kälteliebende Fischbestände in höhere Lagen wandern (Matulla et al. 2007) oder aufgrund der begrenzten Lebensräume aussterben (Standhartinger und Godina 2013). Am Gossenköllesee (Stubaier Alpen) konnte durch Koinig et al. (2002) eine Veränderung der Algenpopulation im Kontext höherer Temperaturen festgestellt werden. Aufgrund der Tatsache, dass bei gestiegenen Niederschlägen regional differenziert kaum Änderungen im Abfluss gemessen werden, kann darüber hinaus von einer temperaturbedingten Zunahme der Verdunstung ausgegangen werden. Der Trend zunehmender Verdunstung sollte sich auch in Zukunft fortsetzen, wenngleich er als wenig bedeutsam angesehen wird (Schöner et al. 2011). Der Massenverlust von Gletschern ist global beobachtbar. Neben der Erwärmung und der damit verbundenen Ausdehnung des Meerwassers sowie dem Schmelzen der Eisschilde in Grönland und der Antarktis, trägt der Massenverlust der Gebirgsgletscher maßgeblich zum Anstieg des Meeresspiegels bei (Marzeion, Jarosch und Hofer 2012). Gardner et al. (2013) quantifizieren den Beitrag der weltweiten Gletscherschmelze zum Meeresspiegelanstieg für die Periode 2003 - 2009 mit 30 %. Die Abflusswirksamkeit des Massenverlustes der alpinen Gletscher wird je nach Studie unterschiedlich eingeschätzt (Huss et al. 2008; Huss 2011; Kuhn, Olefs und Fischer 2007; Weber et al. 2009). In naher Zukunft wird jedoch mit erhöhten Abflussspenden aus den Alpengletschern zu rechnen sein (SGHL und CHy 2011). Darüber hinaus werden Auswirkungen auf die Geschiebeführung in hochalpinen Fließgewässern beobachtet und analog zu den erhöhten Abflussspenden zukünftig an Bedeutung gewinnen. Der Einfluss der Gletscherschmelze auf die Biodiversität wurde von Sommaruga und Kandolf (2014) am Beispiel des Faselfadferners (Verwallgruppe) untersucht. Dabei konnte ein negativer Effekt auf das Überleben und Wachstum einzelliger Lebewesen nachgewiesen werden. 2 Makrophyten umfassen alle mit dem bloßen Auge wahrnehmbaren höheren Pflanzen, Armleuchteralgen und Moose (SLULG 2012). 27 In der Schweiz bilden sich durch das temperaturbedingte Abschmelzen der Gletscher vermehrt Gletscherseen. Besonders die Ausbrüche dieser instabilen Seen stellen eine Gefahr für den menschlichen Lebensraum dar, weshalb investitionsintensive Schutzmaßnahmen erforderlich sind (z.B. Entwässerung des Grindelwaldsees, Haeberli et al. 2012). Für Österreich existieren dazu, abgesehen von einer Studie aus den Hohen Tauern (Wiesenegger und Slupetzky 2009), kaum Untersuchungen. Für Tirol werden nach einer mündlichen Mitteilung der Landesgeologie sowie der schriftlichen Stellungnahme des Instituts für Ökologie, Fresh Water Ecology derzeit keine vergleichbaren Probleme gesehen. Permafrost wird im Wesentlichen über Temperatur und Zeit definiert und ist daher auch klimatischen Veränderungen unterworfen. Veränderungen der Lufttemperatur wie auch des Niederschlagregimes haben Auswirkungen auf die Dynamik, Verbreitung und Mächtigkeit des Permafrostes und davon abhängige Prozesse. Sich erwärmender oder abschmelzender Permafrost erhöht besonders im hochalpinen Raum die potentielle Gefährdung von Mensch und Infrastruktur durch: gravitative Massenbewegungen wie zum Beispiel Steinschlag und Felsstürze Murgänge aufgrund eines erhöhten Geschiebepotentials oder Destabilisierung von heute noch gefrorenen Schuttkörpern. Für Tirol wird diese Gefahr seitens der Landesgeologie für Siedlungen oder Verkehrsinfrastruktur als sehr gering eingeschätzt und betrifft im Wesentlichen nur Infrastrukturen im hochalpinen Raum. Für die österreichischen Alpen sehen Krainer et al. (2012) allenfalls lokal eine Gefährdung durch Prozesse, die durch schmelzenden Permafrost induziert werden. Wanderwege im Hochgebirge, die eine besondere Bedeutung für den Sommertourismus haben, könnten jedoch einer erhöhten Gefährdung ausgesetzt sein, wie von Kern et al. (2012) für das alpine Wege- und Routennetz im Großglockner-Pasterze Gebiet dargestellt. Die akturellen Erfahrungen der Landesgeologie zeigen, dass diese erhöhte Gefährdung jedenfalls gegeben ist und bis auf weiteres beiben oder sogar zunehmen wird. Diese Aussage ist auf alle alpinen Infrastrukturen (Wege, Seilbahnstationen, Hütten, Infrastruktureinrichtungen für Energiegewinnung, Schutzbauten) übertragbar. Vereinzelt wird auch Neubildung von Permafrost beobachtet. Blockgletscher sind eine typische Form des Permafrosts und kommen besonders in den Tiroler Alpen häufig vor (Krainer und Ribis 2012). Die im Tiroler Blockgletscher-Inventar angeführten mehr als 3100 Exemplare (aktiv, inaktiv und fossil) umfassen zwar eine Fläche von 167,2 km², jedoch beinhalten die davon rund 1400 aktiven und inaktiven Blockgletscher nur ein gespeichertes Eisvolumen von 0,19 - 0,27 km³. Dies ist im Vergleich zu den 13 km³ Gletschereis in Tirol gering (Krainer und Ribis 2012). Daher ist kein nennenswerter Einfluss der schmelzenden Blockgletscher auf die Abflussregime in Tirol zu erwarten. Nach Krainer und Mostler (2002) können aktive Blockgletscher lokal zu Abflussspitzen beitragen. Seit wenigen Jahren werden Abflüsse aus Blockgletschern auf ihre Schwermetallbelastung untersucht. Dabei wurden in Bächen, die aus Blockgletschern entwässern, hohe Nickel-, Mangan-, Kupfer-, Zink- oder Arsenkonzentrationen festgestellt (beispielhaft siehe Krainer et al. 2011). Es ist noch nicht gelungen, die Herkunft der Schwermetalle zweifelsfrei zu bestimmen. Es wird angenommen, dass sie im Permafrosteis gespeichert sind und auf atmosphärisch Einträge zurückzuführen sind, die durch das Schmelzen in die Bäche gelangen. Derselbe Effekt wurde auch in Hochgebirgsseen beobachtet (Thies et al. 2007; Psenner 2011). Derzeit laufen diesbezüglich neue Untersuchungen (Ribis) im Auftrag der Abteilung Wasserwirtschaft und des Fachbereichs Landesgeologie. Die Bildung von Schnee ist in Bezug auf sich verändernde klimatische Entwicklungen in mehrfacher Hinsicht bedeutsam und steht in engem Zusammenhang mit der Temperatur (Form des Niederschlags und Ausmaß der Schmelze). Die Fähigkeit einer Schneedecke, Sonnenenergie zu reflektieren (Albedo), macht sie temporär wie langfristig bedeutsam für die Erwärmung der Erde. Je kleiner die schneebedeckte Fläche ist, desto weniger Energie wird ins Weltall reflektiert. Mit der Funktion des Schnees als saisonaler Zwischenspeicher des Wassers ist eine verzögerte, Wasserabgabe sichergestellt. Durch das – je nach Verhältnissen – mehr oder weniger langsame Abschmelzen (Jonas 2012) erlangt die Schneedecke große Bedeutung für das Abflussgeschehen und die Wasserverfügbarkeit in Gebirgen (Viviroli et al. 2011). Weniger Schnee oder ein Anstieg der Schneefallgrenze, welche in etwa der Nullgradgrenze entspricht, bedeutet eine Veränderung der saisonalen Abflussverteilung und kann zu Problemen in der Landwirtschaft führen oder die Bildung von Hochwässern in allen Jahreszeiten (z.B. Dobler 2012) begünstigen. Nicht unerwähnt bleiben soll hier die Rolle des Subniviums, des Bereichs zwischen 28 Schneedecke und Untergrund, der mit seinen speziellen klimatischen Ausprägungen ein stabiles Refugium für Pflanzen und Tiere darstellt. Ändern sich die Bedingungen und damit die Beschaffenheit einer Schneedecke (z.B. Geschlossenheit, Schneedeckendauer, Schneedichte, Mächtigkeit der Schneedecke), wird es zu einem Wandel in der Verteilung und Quantität der davon abhängigen Tier- und Pflanzenwelt kommen (Pauli et al. 2013). Die Wichtigkeit von Wasser- und Schneeverfügbarkeit für die Sektoren Wasser- und Energiewirtschaft und Tourismus werden in den Unterkapiteln B4.1 und B4.2 erläutert. 29 In der Vergangenheit Tabelle 5: Beobachtete Veränderungen in der Hydrosphäre. Auswirkung auf Veränderungen Regionale Beispiele Beobachtungszeitraum Quelle Anstieg der Wassertemperaturen generell (im Sommer stärker, Fließgewässer Österreichs 1976 - 2007 Schöner et al. 2011 Teilweise Abflusszunahme durch Gletscherschmelze Venter Ache,Rofenache (AT) 1967 - 2008 Schöner et al. 2011 Geschiebezunahme durch Abflusszunahme beziehungsweise Venter Ache, Rofenache, Tiroler Inn und 1999 - 2009 Schöner et al. 2011 Hochwasser Zuflüsse (A) Fallende Sommerabflüsse, Zunahme der Abflüsse im Herbst Österreich 1976 - 2007 Schöner et al. 2011 Abnahme der Niederwässer unterhalb von 900 m Österreich 1976 - 2007 Schöner et al. 2011 Zunahme der Niederwässer oberhalb von 900 m Österreich 1976 - 2007 Schöner et al. 2011 Eintrag von Gletscherwasser (10 % im Inn zwischen Landeck Inn, Salzach, Donau (AT) 1991 - 2000 Weber et al. 2009 Schweizer Seen 1945 - 2008 Kipfer und Livingstone 2008 1976 - 2007 Schöner et al. 2011 … Fließgewässer im Flachland stärker) und Innsbruck), Ausgleich der geringen Niederschläge im Sommer Seen Anstieg der Wassertemperaturen Anstieg der Wassertemperaturen Achensee, Wallersee, Hallstätter See, Traunsee, Attersee, Neusiedlersee, Altausseer See; Bodensee, Millstättersee, Wörthersee, 1991 - 2006 (Kärntner Seen) Ossiacher See Temperaturbedingten Änderungen im Säure-Basen-Haushalt Schwarzsee ob Sölden Ca. 1800 – 2000 Koinig et al. 2002 Verlängerung der Wachstumsphasen von Organismen Schweizer Seen 1945 - 2008 Kipfer und Livingstone 2008 Bodensee, tiefe Seen (AT, CH, D) 1976 - 2007 Schöner et al. 2011 (Wasserqualität) Stabile Schichtung, geringere Sauerstoffkonzentration in 30 Auswirkung auf Veränderungen Regionale Beispiele Beobachtungszeitraum Quelle Bodensee, Neusiedler See (AT, CH, D) 1976 - 2007 Schöner et al. 2011 Bodensee, tiefe Seen (AT, CH, D) 1976 - 2007 Schöner et al. 2011 Anstieg der oberflächennahen Wassertemperatur Österreichweit, Alpenraum 1997 - 2009 Schartner und Kralik 2011 Wachstum, Vermehrung von Mikroorganismen, Abnahme der Schweiz 1945 - 2008 Kipfer und Livingstone 2008 Österreich 1976 - 2006 Schöner et al. 2011 Schweiz 1931 - 1999 … tieferen Schichten durch geringeren Austausch Verlängerung der Wachstumsphasen von Organismen (Wasserqualität) Stabile Schichtung, geringere Sauerstoffkonzentration in tieferen Schichten durch geringeren Austausch Grundwasser Sauerstoffkonzentration Deutliche Zunahme der Temperatur in oberflächennahen Grundwasserkörpern Schneedecke Abnahme des Schneeniederschlags Laternser und Schneebeli 2003 Anstieg der Schneefallgrenze Salzburg (AT) 1990 - 2000 Kromp-Kolb und Formayer 2001 Abnahme Schneedeckendauer Süddeutschland 1951 - 1996 Hennegriff et al. 2006 Abnahme der Schneehöhe Sonnblick (AT) 1925 - 2005 Schöner, Auer und Böhm 2009 Abnahme der Schneehöhe Schweiz 1931 - 1999 Laternser und Schneebeli 2003 Gletscher Früherer Beginn der Schneeschmelze Alpen (AT, CH, D, F, I,) 2006/2007 Steiger und Mayer 2008 Rückzug der Gletscherzunge Ötztaler Alpen (AT) 1969 - 2006 Abermann et al. 2009 Flächenabnahme Hintereisferner (AT) 2001 - 2008 Bollmann 2010 31 Auswirkung auf Veränderungen Regionale Beispiele Beobachtungszeitraum Quelle -17,3 % Flächenänderung, 3,4 km³ Volumenverlust, -9,4 m Tirol (AT) 1969 - 1998 Abermann et al. 2013 5 km³ Volumenverlust (22 % ), 17 % weniger Eisfläche Österreich 1969 - 1998 Lambrecht und Kuhn 2007 Volumenverlust Hintereisferner, Kesselwandferner, 1948 - 2009 Escher-Vetter 2011 … Eisdickenänderung Vernagtferner, Saint Sorlin, Sarennes, Careser, Grieser Gletscher, Silvrettagletscher (AT, F, I) Volumenverlust Alpen (AT, CH, D, F, I) 1985 - 1999 Paul et al.2007 40 km² Fläche, 2 km³ Volumen Verlust pro Jahr (Mittel) Alpen 2011 Haeberli et al. 2012 Starker Rückgang der Gletscher Österreichische Gletscher 2003 - 2012 Fischer 2013 Starker Rückgang der Gletscher Gepatsch (AT) 1997 - 2006 Kuhn, Olefs und Fischer 2007 50 % Volumensverlust von 1850 bis 1975; 25 % des Alpen 1850 - 2005 Haeberli et al. 2007; Zemp et verbleibenden Volumens zwischen 1975 und 2000 (1 % pro al. 2006 Jahr), 10-15 % 2000 bis 2005, Volumen 1/3 von 1850 Starkes Abschmelzen seit den 1990er Jahren Hintereisferner, Kesselwandferner, Jamtalferner 1953 - 2009 BMLFUW 2009b Schweiz bis 2011 Haeberli et al. 2012 Stubacher Sonnblickkees, Hohe Tauern (AT) ca. 1987 – 2013 (AT) Bildung von Gletscherseen, Extrembeispiel: Grindelwalder Gletschersee Neuer Gletschersee Unterer Eisboden See, Seeausbruch 2006 Wiesenegger und Slupetzky 2009 Permafrost Auftauen des Permafrosts Hochgebirge Österreich - Krainer 2007 Zunahme der Bewegungsgeschwindigkeit von Blockgletschern Stubaier und Ötztaler Alpen (AT) 1953 - 2009 Klug 2011; Schümberg 2012 Anstieg an gelösten Ionen und Schwermetallen in Schwarzsee ob Sölden (AT) und Rasass See 1985 - 2006 Psenner 2011 32 Auswirkung auf Veränderungen Regionale Beispiele Beobachtungszeitraum Quelle Hochgebirgsseen (Vintschgau IT) Abschmelzen des Permafrosts, Zunahme der Hochebenkar (AT) 1938 - 2011 Krainer 2011 Mont Blanc Massiv (F, IT) bis 2009 Deline und Ravanel 2011 … Bewegungsgeschwindigkeit des Blockgletschers Zunahme von gravitativen Massenbewegungen (z.B. Steinschlag, Felssturz und Muren) Instabilität des Untergrundes Suldental (I) Rückgang des Permafrosts, Instabilität des Untergrundes Hoher Sonnblick (AT) Zischg und Mair 2011 gemessen seit 2007 Klee und Riedl 2011 In der Zukunft Tabelle 6: Prognostizierte Veränderungen der Hydrosphäre Auswirkung auf Veränderungen Regionale Beispiele Projektionszeitraum Quelle Schneedecke Weitere Abnahme Schneeniederschlag Österreich 2021 - 2050 Schöner et al. 2011 Weitere Abnahme Schneedeckendauer Österreich 2021 - 2050 Schöner et al. 2011 Heutige schneearme Winter werden zum Normalfall Schweiz bis 2085 SGHL & CHy 2011 Schneedeckendauer ab etwa 1200 m wird um rund 25 Tage kürzer Schweiz bis 2035 Hänggi, Bosshart und Weingartner. 2011 Fließgewässer Durchschnittliche Schneedeckendauer nimmt tirolweit um 15% ab Tirol (AT) 2050 Ragg 2011 Erhöhung der Winterabflüsse um ca. 20 % Österreich 2021 - 2050 Schöner et al. 2011 Abnahme des Sommerabflusses um ca. 10 - 20 % Österreichische Alpen 2021 - 2050 Schöner et al. 2011 Etwas frühere Abflussmaxima im Westen (Alpen) (von Mitte auf Anfang Juni) Österreich 2021 - 2050 Schöner et al. 2011 33 Auswirkung auf Veränderungen Regionale Beispiele Projektionszeitraum Quelle Generelle Zunahme der Wassertemperaturen +0,6 bis 0,9 °C; im Alpenbereich eventuell Österreich 2021 - 2050 Schöner et al. 2011 Wasserdargebot im Sommer und Herbst weniger, im Winter höhere Abflüsse Schweiz 2050 OcCC und ProClim 2007 Abflüsse im Winter erhöhen sich, Sommerabflüsse werden geringer Österreich 2071 - 2100 Holzmann et al. 2010 Zunahme des maximalen Durchflusses im Winter Inn 2021 - 2050 AdaptAlp 2011 größer (Rolle der Gletscher könnte dem jedoch entgegenwirken) 2071 - 2100 Weniger starke Niederwasser im Winter, extreme Niederwasser im Sommer vermehrt Inn möglich Zunahme der Abflüsse im Winter, Abnahme im Sommer, Hochwasserzeitraum wird sich 2021 - 2050 AdaptAlp 2011 2071 - 2100 Lech deutlich ausdehnen (auch in den Wintermonaten ist mit jährlichen 2040 - 2069, Dobler 2012 2070 - 2099 Hochwasserereignissen zu rechnen) Niedrigere Abflüsse im Spätsommer und Herbst Schweiz 2021 – 2050 SGHL und CHy 2011 2071 - 2100 Verschiebung der maximalen Geschiebemenge auf den Frühsommer Schweiz 2021 - 2050 SGHL und CHy 2011 2071 - 2100 Wandel von glazialem zu nivalem Abflussregime Ötztal, Kaunertal, 2011 - 2060 Weber et al. 2009 Pitztal Seen Bis 2020 starke Zunahme des Gletscherwasseranteils (bis >70 %) am Sommerabfluss Vent / Rofenache 2011 - 2060 Weber et al. 2009 Weniger Abfluss im Jahresgang Inn 2011 - 2061 Weber et al. 2009 Keine gesicherten Aussagen über Österreichs Seen möglich Österreich Sommerliche Wasserstände könnten sich reduzieren Bodensee 2021 - 2050 Schöner et al. 2011 Geringere Seewasserstände, Austrocknung möglich Neusiedlersee 2021 - 2050 Schöner et al. 2011 Schöner et al. 2011 34 Auswirkung auf Grundwasser Veränderungen Regionale Beispiele Projektionszeitraum Quelle Bildung neuer Gletscherseen Schweiz bis 2100 Haeberli et al. 2012 Zunahme der Grundwasserneubildung möglich Westösterreich 2021 - 2050 Schöner et al. 2011 Weitere Erhöhung der Grundwassertemperatur, Erhöhung ist von lokalen Faktoren Österreich 2021 - 2050 Schöner et al. 2011 Grundwasserstände in Talschottern sinken stark im Spätsommer und Herbst Schweiz 2050 BAFU 2007 Abnahme der Bodenwasserreserven (Sommerniederschläge weniger), höhere Schweiz 2050 BAFU 2007 abhängig Verdunstung von Wasser (Evaporation) und damit größerer Wasserbedarf der Pflanzen Gletscher Gletscherspende zum Abfluss nimmt noch bis ca. 2015 zu, ab dem Jahr 2015 ist schon so Einzugsgebiet der viel weggeschmolzen, dass die Gletscherspende sich deutlich verringert oberen Donau bis Weber et al. 2009 Passau (AT) Um 2050 Großteil der Gletscher verschwunden, Gletscherspende gleich null Vernagtferner (AT) Weber et al. 2009 Ein Maximum der Gletscherspende wird 2040/2050 erreicht, danach deutliches Gepatsch (AT) bis 2100 Kuhn, Olefs und Fischer 2007 Einzugsgebiet Inn 2021 - 2050 AdaptAlp 2011 (AT) 2071 - 2100 abklingen Nach 2060 kein Beitrag aus dem Gletscherabfluss mehr Schweizer Gletscher bis 2100 fast weg (15 % von 1850) Schweiz 2021 - 2050 SGHL und CHy 2011 2071 - 2100 Permafrost Bei 3 °C Erwärmung, 80 % der Gletscherausdehnung weg, bei 5 °C Erwärmung alle Weltweit bis 2100 Zemp et al. 2006 30 - 50 % der Gletscher weg (Annahme 4 °C Erwärmung) Weltweit bis 2100 Beniston 2003 Erhöhung der Permafrostgrenze, pro 1 °C Verschiebung um 150 m höher Österreich 2021 - 2050 Schöner et al. 2011 Österreich 2021 - 2050 Schöner et al. 2011 (Verschiebungen der Vegetationszonen) Zunahme des Geschiebepotentials schwer abschätzbar (etwa 1 - 3 %) 35 4 Auswirkungen auf die Anthroposphäre und ihre sozioökonomischen Systeme 4.1 Wasser- und Energiewirtschaft Die Wasserwirtschaft spielt für Tirol eine herausragende Rolle. Sie zählt jedoch auch zu den potentiell am stärksten vom Klimawandel betroffenen Sektoren. Eine der Kernaufgaben der Wasserwirtschaft ist die Sicherstellung der Trinkwasserversorgung im Hinblick auf deren Quantität und Qualität. Hierbei ist neben der landesweiten auch eine regionale und lokale Beachtung notwendig. Diese werden durch die Entnahmen seitens Landwirtschaft, Industrie, Tourismus, Gewerbe, aber auch durch den privaten Verbrauch in Trockenzeiten hervorgerufen. Die Temperaturerhöhung in Oberflächengewässern, im Grundwasser und in Seen und die damit verbundenen Auswirkungen auf den chemischen und ökologischen Zustand müssen beobachtet werden, um den in der Wasserrahmenrichtlinie geforderten Erhalt des „guten ökologischen Zustands“ nicht zu gefährden. In Kombination mit Niedrigwasserphasen sind hier Herausforderungen insbesondere bei der Entnahme/Abgabe von Kühlwasser zu sehen. Eine Änderung der Jahresabflüsse ist ebenfalls zu erwarten, wobei eine Steigerung der Winterabflüsse und eine Abnahme der Sommerabflüsse wahrscheinlich sind. So prognostizieren Kranzl et al. (2010) für den Zeitraum 2025-2075 eine Zunahme der Abflüsse im Winterhalbjahr von 9-18% und eine Abnahme im Sommerhalbjahr von 13-24%. Schöner et al. (2011) rechnen mit einer 10%igen Zunahme der Winterniederschläge und einer 10%igen Abnahme der Sommerniederschläge. Weiters wird angenommen, dass der Einfluss des Gletscherabflusses weiter zurückgehen wird, was auf die Gesamtbilanz geringe, lokal jedoch spürbare Auswirkungen haben kann. Konkrete Aussagen über mögliche Änderungen von Hochwasserrisiken können derzeit nicht getroffen werden, weil die Veränderungen von Extremereignissen mit großen Unsicherheiten behaftet sind, auch wenn die Ereignisse von 2002, 2005, 2007 und zuletzt 2013 ein anderes Bild zu geben scheinen. Hier ist jedoch anzuführen, dass nicht nur der Parameter Niederschlag das Hochwasserrisiko beeinflusst, sondern auch Faktoren wie Bebauungsdichte, Landnutzung, Bodenentsiegelung bzw. der Anteil an geeigneten Flächen zur Verbesserung der Versickerungsfähigkeit von Wasser in den Boden oder andere flussbauliche Maßnahmen. Einigkeit besteht jedoch darin, dass lokale Extremereignisse (Starkregen, Überflutungen) zunehmen werden und die Wasserwirtschaft vor große Herausforderungen gestellt wird. Aufgrund der Verschiebungen des saisonalen Abflussregimes können Auswirkungen auf die Energieerzeugung aus Wasserkraft entstehen. Für Tirol beziehungsweise Westösterreich wird jedoch im Gegensatz zu Gesamtösterreich - mit einer geringen Betroffenheit, bedingt durch einen Rückgang des mittleren jährlichen Abflusses, zu rechnen sein (Nachtnebel 2009). Für andere Bereiche der Energiewirtschaft mit ihren Teilbranchen werden unterschiedlich starke Betroffenheiten durch den Klimawandel erwartet, wobei die Auswirkungen in den meisten Bereichen gering und erst mittelfristig von Bedeutung sein werden. Für die Solar- und Windbranche zeichnen sich keine Veränderungen ab, die Anpassungen erfordern. Wird mittels geothermischer Verfahren Grundwasser zu Kühlungszwecken eingesetzt, muss im Inntal bei Hitzewellen der Temperaturanstieg des Grundwassers berücksichtigt werden. 36 Die Auswirkungen höherer Temperaturen und Niederschlagssummen auf das Biomassepotential sind prinzipiell positiv, allerdings können durch Hitzewellen auch Einbußen auftreten. Beide Faktoren wirken sich jedoch nur am Energiemarkt aus. 3 Veränderung der Nachfrage durch Zunahme von Energie, die für Kühlung verbraucht wird, und Abnahme von Heizgradtagen im Winter. Hinzu kommen Veränderungen des Stromangebots zu Spitzenlastzeiten durch die generelle Zunahme regenerativer Energien am Strommix (z.B. Solarenergie zur Mittagszeit). 4.2 Tourismus Tourismus ist ein komplexes System, das durch Veränderungen auf größeren Skalen und Ebenen, mit denen er in wechselseitigen Beziehungen steht, beeinflusst wird. Globalisierungsprozesse, demographische Entwicklungen, sozio-kulturelle und sozio-ökonomische Faktoren (Lebensstile, Wertvorstellungen, Verfügbarkeit von Zeit), politische Instrumente und Konflikte bilden einige solche Einflussfaktoren. Der Klimawandel gesellt sich so zu anderen externen Rahmenbedingungen, die lokal wirksam sind und zuvor genannte Prozesse verstärken können. 4 Eine intakte Umwelt, Wetter und Klima sind als Teil des natürlichen Angebots (Freyer 2006) wesentliche Elemente des Tourismus. Becken und Hay (2007) identifizieren Wetter und Klima als Schlüsselfaktoren der Attraktivität von Destinationen. Veränderungen der natürlichen Umwelt und der Verfügbarkeit von Ressourcen (also des Angebots) werden deshalb auch Veränderungen im Tourismus mit sich bringen. In der Davos Deklaration aus dem Jahr 2007 wurde in diesem Zusammenhang festgehalten, dass der Tourismus ein äußerst klimasensibler Sektor ist. Die AkteurInnen in diesem Sektor werden deshalb auch aufgerufen, rasch auf den Klimawandel zu reagieren (UNWTO 2007). Der Wintertourismus gilt als besonders sensibel (Abegg et al. 2007; Becken und Hay 2007), was zu einer Steigerung des Anpassungsdrucks in den kommenden Jahren führen dürfte (Abegg et al. 2007). Bezogen auf den Klimawandel sind vor allem Veränderungen der Hydrosphäre relevant, da z.B. Schnee stark auf Temperatur- und Niederschlagsveränderungen reagiert. Welche Auswirkungen ein schneearmer Winter in Tirol haben kann, wurde bereits mehrfach erlebt (Steiger und Trawöger 2011a, b). Aufgrund der Abhängigkeit vom natürlichen Angebot ist der Tourismus jedoch auch von Veränderungen in anderen Sphären und Betroffenheiten anderer Sektoren berührt. Ergänzt durch die mehr oder weniger große regionalwirtschaftliche Abhängigkeit, wird er so zur Querschnittsmaterie. Unterschiedliche Tourismusformen und Regionen sind verschieden verletzlich. Nach Elsasser und Bürki (2007) ist der Grad dieser Verletzlichkeit abhängig von der wirtschaftlichen Struktur der Destinationen (Grad der Tourismusabhängigkeit), der touristischen Ausrichtung (monostrukturiert versus diversifiziert), der Abhängigkeit vom natürlichen Angebot, der klimatischen Eignung sowie der Rolle des Binnentourismus. 3 Siehe auch Biomasse-Versorgungskonzept Tirol 2007 (Amt der Tiroler Landesregierung 2007) 4 Topographie, Flora, Fauna, Klima, Wetter, Naturdenkmäler 37 Wirtschaftlich ist der Tourismus in den Alpen von hoher Bedeutung. Abegg et al. (2007) haben zum Zeitpunkt ihrer Untersuchung festgestellt, dass 10-12 % der Beschäftigten im Alpenraum im Tourismus tätig waren und einen Jahresumsatz von nahezu 50 Mrd. Euro erwirtschafteten. Für das Bundesland Tirol werden von der Tirol Werbung 7,3 Mrd. Euro generierter Umsatz und ein direkter Anteil des Tourismus am Bruttoinlandsprodukt von 18 %, angegeben. Zusätzlich sollen mehr als 60.000 Beschäftigte in den charakteristischen Tourismusindustrien tätig sein, welche neben Beherbergung und Gaststätten auch die Bereiche Personenverkehr und Reisebüros, Kultur, Unterhaltung sowie Sport umfassen (Tirol Werbung 2013). Auf der lokalen Ebene tritt die Abhängigkeit noch stärker zu Tage. In Tirol sehen Steiger und Trawöger (2011a) eine Korrelation zwischen der Abhängigkeit vom Tourismus und zunehmender Entfernung von der Landeshauptstadt Innsbruck. Für stark monostrukturierte Orte in einigen Tälern Tirols geben die Autoren den Tourismus als Haupteinnahme- und Beschäftigungsquelle an. Ein Beispiel hierzu ist Ischgl mit 67 % der Beschäftigten in diesem Sektor. Die Winterabhängigkeit zeigt sich im selbigen Beispiel daran, dass 92 % aller Nächtigungen im Winter stattfinden (Steiger und Trawöger 2011b). Abbildung 7 gibt einen Überblick zur Bedeutung des Tourismus auf Gemeindeebene für Tirol und Südtirol. Abbildung 7: Bedeutung des Tourismus auf Gemeindeebene und Skigebiete in Tirol und Südtirol. Quelle: Steiger und Trawöger 2011b. Wintersportdestinationen im Alpenraum sind also in Anbetracht der oben genannten Parameter besonders verwundbar gegenüber dem klimatischen- und sozio-ökonomischen Wandel – in regional unterschiedlichem Ausmaß. Zahlreiche Untersuchungen auf die in den folgenden Kapiteln nur teilweise eingegangen wird, haben sich mit diesem Themenfeld auseinandergesetzt (z.B. Agrawala 2007; Bauer 2011; Fleischhacker und Formayer 2007; Kromp-Kolb und Formayer 2001; Formayer und Kromp-Kolb 2009b; Müller und Weber 2008; Ragg 2011; Steiger 2010; Steiger 2011b; Steiger und Trawöger 2011a, b; Steiger 2012). 38 Schneesicherheit Für den Tourismus ist eine Übersetzung der Erwärmung in eine Höhenmeterverschiebung von Grenzen (z.B. Schneefallgrenze) von zentraler Bedeutung. In der Literatur (z.B. Beniston 2003; BMLFUW 2012a; Müller und Weber 2008; Müller 2011) wird von einem Anstieg der Schneefallgrenze von 150m pro Grad Erwärmung ausgegangen. Dies ist vor allem für die natürliche Schneesicherheit relevant. Schneesicherheit ist eine unabdingbare Voraussetzung für einen erfolgreichen Skibetrieb (Steiger und 5 Trawöger 2011a). Als Indikatoren für die Schneesicherheit werden häufig die 100-Tage-Regel und der 6 Weihnachtsindikator verwendet. In einer OECD-Studie (Agrawala 2007) wurden die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die natürliche Schneesicherheit der Skigebiete in den Alpen analysiert. Bei einer Erwärmung von 1 °C können von den 666 untersuchten Gebieten 500 (75 %) als natürlich schneesicher bezeichnet werden (basierend auf der 100-Tage Regel). Bei +2 °C wären es 404 (61 %), bei +4 °C noch 202 Skigebiete (30 %) – die Beschneiung wurde in dieser Studie allerdings nicht berücksichtigt. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die natürlichen Schneebedingungen in ganz Tirol hat Ragg (2011) untersucht. Ergebnisse daraus finden sich in Tabelle 7. Tabelle 7: Die Auswirkungen des Klimawandels auf die natürlichen Schneebedingungen in ganz Tirol. Parameter Tirol Schneebedeckte Fläche Abnahme von 15 % in ganz Tirol (1961-2048) Höhe der Schneedecke Generell: starke Abnahme; Zunahme der Gebiete, die nie mehr als 5 cm Schnee haben; stärkste Abnahme am Arlberg und Großglockner (hohe Ausgangslage) Länge der Skisaison Durchschnittlich in ganz Tirol -10 bis -20 Tage Ski-opening Durchschnittlich 15 - 20 Tage später Weiße Landschaft Durchschnittliche Abnahme (Tirol gesamt) von 17 Tagen (9 %) In Tirol können mittlerweile mehr als 80 % der Pisten beschneit werden. In neueren Untersuchungen wird dies berücksichtigt und neben der natürlichen (ohne Beschneiung) auch die technische Schneesicherheit (mit Beschneiung) berechnet. Die wichtigsten Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen (Steiger und Abegg 2013): Zurzeit können alle Tiroler Skigebiete (100 %) als technisch schneesicher betrachtet werden. Bei einer Erwärmung von +1 °C wird dieser Wert auf 94 %, bei +2 °C auf 59 % verringert (100-Tage Regel). 5 Schneehöhe von mindestens 30 cm an mindestens 100 Tagen in 70 % aller Winter (Abegg 1996) 6 Weihnachten/Neujahr sind schneesicher, wenn in der Zeitspanne vom 22. Dezember bis zum 4. Jänner mindestens 30 cm Schnee liegen (Steiger und Abegg 2013) 39 Die Weihnachts-/Neujahrsperiode ist nicht nur heute weniger schneesicher; sie reagiert auch stärker auf die zukünftigen Veränderungen der klimatischen Rahmenbedingungen. Um die technische Schneesicherheit gewährleisten zu können, muss in Zukunft deutlich mehr beschneit werden: Je nach Ort, Szenario und Zeitpunkt kann sich der Beschneiungsaufwand verdoppeln bzw. verdreifachen. Mit dem steigenden Beschneiungsbedarf werden auch die Kosten für die Beschneiung steigen – und die Finanzierung der zusätzlichen Beschneiung (sowohl Investitions- als auch Betriebskosten) dürfte verschiedene Bergbahnunternehmen vor ernstzunehmende Herausforderungen stellen. Die vermehrte Schneeproduktion könnte laut Steiger und Trawöger (2011a) grundsätzlich auch zu vereinzelnden Problemen bei der Wasserverfügbarkeit und zu Konflikten um Wassernutzung vor allem in trockenen Gebieten führen. Dies ist auf regionaler Skala in Tirol aufgrund eines ausreichenden Wasserangebots kaum zu befürchten. Probleme könnte allenfalls auf lokaler Ebene eintreten (Steiger & Stötter, Vanham et al. 2009) Strasser et al. (2013) ergänzen die bisherigen Simulationen von Ragg (2011) beziehungsweise Strasser et al. (2012) für natürlichen Schnee um die technische Beschneiung in den Regionen Tirol und Steiermark. Tabelle 8 gibt einige Ergebnisse der Veränderung in der Periode 2020 - 2050 im Vergleich zu 1971 - 2000 wieder. Tabelle 8: Veränderungen in der Periode 2020 - 2050 im Vergleich zu 1971-2000. Parameter Tirol Schneesicherheit inklusive Beschneiung Abnahme schneesicherer Skipisten auf 18 – 54 % in der Periode 2020 - 2050 (abhängig von Modell und Szenario) Anzahl der Tage, in denen Skigebiete 50 % ihres Geringe Veränderung am Alpenhauptkamm; am Gebietes benutzen können (inklusive Beschneiung) stärksten betroffene Gebiete: Außerfern, Region Innsbruck, Region Kitzbühel (-26 bis -50 %) (siehe Abbildung 8) Abbildung 8: Änderung der Betriebstage (%) mit Beschneiung. Änderungen in der Periode 2020-2050 im Vergleich mit 1971-2000 (Strasser et al. 2012). 40 Permafrost, Gletscher, Naturgefahren, Landschaft Permafrost spielt vor allem im Bereich der Sicherheit eine große Rolle im Tourismus. Das Auftauen beziehungsweise eine Verschiebung der Permafrostuntergrenze in höhere Lagen bedingt eine Destabilisierung des Untergrundes. Girstmair (2012) hat eine Verschiebung der Permfrostuntergrenze für die Regionen Ötztal/Pitztal/Kaunertal im Zeitraum 2006 - 2010 festgestellt. Auch in anderen Alpenregionen wurde eine Zunahme der Anzahl von Massenbewegungen in Permafrost- und Gletschergebieten verzeichnet (Jetté-Nantel und Agrawala 2007). Die Zunahme an Steinschlag und eventuell auch Felsstürzen bringt vor allem ein erhöhtes Risiko für den Sommer-Bergsport (Klettern, hochalpines Bergsteigen etc.) mit sich. Naturgefahren und daraus resultierende Katastrophen sind nicht nur aufgrund ihrer direkten Schäden für Bewohner und Infrastruktur relevant. Auch die Wahrnehmung der TouristInnen spielt eine große Rolle für die Nachfrage der Destinationen. Unsicherheit kann zu einem negativen Image betroffener Gebiete beitragen. (Müller 2011; mündliche Mitteilung Amt der Tiroler Landesregierung 2013). Darüber hinaus verursacht der Rückgang des Permafrostes hohe Kosten für die Skiliftbetreiber, wenn Liftstützen gesichert oder versetzt werden müssen; bedingt der Rückzug der Gletscher und die Verschiebung von Vegetationszonen ein verändertes Landschaftsbild, unter dem die Attraktivität der Regionen als Tourismusdestinationen leiden könnte und kann kurzfristig auch eine Zunahme der Touristenströme durch Extremereignisse, wie in der Schweiz beobachtet (Müller 2011), stattfinden. Außerdem bedeutet ein Abschmelzen der Gletscher für den Tourismus eine veränderte Art des Gletscherskifahrens. Geröllhalden statt Firn (BMWFJ 2013; Müller 2011) sowie eventuell auch neue (risikoreiche) Attraktionen durch neu entstehende Gletscherseen, die in Tirol bisher jedoch nicht beobachtet wurden. Sommertourismus als Gewinner? Auch der Sommertourismus in Österreich ist vom Klima, Wetter und den dazu passenden Freiluftaktivitäten abhängig. Fleischhacker und Formayer (2007) haben hierzu die wichtigsten Sommertourismusformen untersucht. Bezogen auf den Klimawandel sehen die Autoren positive Auswirkungen für den Seentourismus in Österreich, aufgrund der Zunahme der Sommertage (> 25°C) um 40%, der Verdopplung der Hitzetage (> 30°C), Halbierung der kühlen Tage (< 20°C) sowie dem Anstieg der Oberflächenwassertemperatur und für den Schutzgebiets- und Weinstraßentourismus, für die Luftkurorte sowie für das Segment Urlaub auf dem Lande aufgrund mittlerer Klima-/Wettersensitivität. Der Städtetourismus könnte laut Fleischhacker und Formayer (2007) auch vom Klimawandel profitieren. Eine allzu hohe Hitzebelastung in den Städten dürfte für den Städtetourismus aber eher negativ sein. Davon wiederum könnten die Berggebiete profitieren - Müller (2011) spricht in diesem Zusammenhang von einer Renaissance der Sommerfrische in den Alpen. Abegg wies in einem Interview mit dem Amt der Tiroler Landesregierung (2013) darauf hin, dass dies durchaus denkbar sei – gleichzeitig wissen wir noch sehr wenig über die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Sommertourismus. 41 4.3 Gesundheit Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit lassen sich in zwei Bereiche unterteilen. Einerseits sind es gesundheitliche Belastungen, die in direktem Zusammenhang mit Hitzeperioden stehen. Durch den Hitzesommer 2003 verfügt man in diesem Bereich bereits über wichtige Erfahrungswerte (Auer und Korus 2005; Auer et al. 2005; Eybl et al. 2005; OcCC 2005; Schär et al. 2004) wie z.B. die besondere Gefährdung bestimmter Bevölkerungsgruppen (ältere und/oder allein lebende Personen, BauarbeiterInnen) oder auch Folgeerscheinungen erhöhter Ozonbelastung und verstärkter Luftverschmutzung durch quasistationäre sommerliche Hochdrucklagen, wie z.B. Sommersmog (Balas et al. 2010; Beierkuhnlein und Foken 2008; OcCC 2007; ProClim 2005). Umstritten ist die Auswirkung von Schönwetterperioden auf das Hautkrebsrisiko, auf vermehrte sportliche Aktivitäten sowie auf Keimbelastungen in verderblichen Lebensmitteln, Quellen und Seen (BMLFUW 2012b; OcCC 2007; ProClim 2005; Simic, Schmalwieser und Mooshammer 2008). Andererseits sind es gesundheitliche Auswirkungen, die indirekt durch Änderungen in der Biosphäre versursacht werden. Das betrifft beispielsweise die Zuwanderung hochallergener Arten und Überträgern tropischer und suptropischer Krankheiten (AGES 2009; AGES 2010), aber auch Massenvermehrungen heimischer Pflanzen und Tiere mit gesundheitsgefährdenden Eigenschaften. Nichtsdestoweniger ergeben sowohl die wissenschaftliche Recherche als auch der Austausch mit ExpertInnen des Amts der Tiroler Landesregierung ein vergleichsweise geringes Gefährdungspotential für die Tiroler Bevölkerung. Dies resultiert zum Großteil aus dem gut ausgebauten Gesundheitssystem, kurzen Reaktionszeiten im Ernstfall sowie aus Erfahrungswerten südlicher Nachbarstaaten (mündliche Mitteilung Amt der Tiroler Landesregierung 2013). 4.4 Bauen & Wohnen Der Bereich Bauen & Wohnen umfasst die Planung, Errichtung, Bewirtschaftung und Nutzung von Gebäuden (BMLFUW 2012a,b). Im Kontext klimatischer Veränderungen sind vor allem die Bereiche Wohlbefinden, Energie und Schutz vor Naturgefahren von zentraler Bedeutung. Sie betreffen alle oben genannten Bereiche des Sektors und führen in Kombination mit anderen Aspekten des gesellschaftlichen Wandels (z.B. Veränderungen des Komforts) zu weitreichenden Veränderungen. Das Raumklima wird im Wesentlichen von der Temperatur und Luftfeuchtigkeit bestimmt und ist wichtig für unser Wohlbefinden. Dies ist umso mehr von Bedeutung, als dass in unseren Breiten Menschen rund 90 % ihrer Lebenszeit in Gebäuden verbringen und auch die Produktivität der Menschen stark von der Temperatur abhängig ist (Sattler, Hinterdorfer und Laaber 2010). Hier zeigt sich bereits der enge Bezug zwischen Wohlbefinden und Energie. Aus der Prognose längerer Hitze- und Trockenperioden im Sommer und der notwendigen Verringerung des Energieverbrauchs, muss daher auf den Aspekt der Vermeidung eines hohen Kühlbedarfs eines Gebäudes vermehrt geachtet werden. Daraus ist nicht abzuleiten, dass dadurch der Wärmeschutz für die Heizungsperiode vernachlässigt werden kann. Ein energieeffizientes Gebäude soll also allgemein so geplant und ausgeführt werden, dass sowohl für den Fall der Beheizung, als auch für die Tauglichkeit im Sommer so wenig Energie wie möglich aufgewendet werden muss. Entscheidend dabei ist die Kühllast, also unerwünschte innere oder von außen wirkende Wärmeeinträge, welche durch technische Maßnahmen (Klimaanlagen) wieder ausgeglichen werden müssen. Besonderer Handlungsbedarf besteht für Nichtwohngebäude und Nutzungen wie Schulen, Kindergärten, Alten- und Pflegeheime. 42 Im Bereich der Gebäudekühlung können sehr große Glasflächen im Sommer zu einem Problem führen, wenn dafür nicht ausreichend Verschattungsvorrichtungen vorgesehen werden. Das können beispielsweise Gebäudevorsprünge bzw. andere vorragende Bauteile oder außenliegende Sonnenschutzeinrichtungen wie Rollläden oder Schiebelemente sein. In diesem Zusammenhang sind Gebäude die eine reine Südausrichtung haben, aufgrund des großen Sonneneinfallswinkels weniger problematisch als Gebäudeausrichtungen in Richtung Ost und West mit sehr flachen Sonneneinfallswinkeln. Zusammenfassend sollten Gebäude durch die Planung (Anteil der Verglasungsfläche, Art der Verglasung, Verschattung) zuerst möglichst geringe Kühllasten aufweisen. Ist eine Kühlung notwendig, sollte diese möglichst intelligent und ohne großen zusätzlichen Energieaufwand (Vermeidung von herkömmlichen Klimaanlagen)erfolgen. Natürlich lassen sich diese Forderungen für Neubauten leichter erfüllen, als für die Anpassung beispielsweise denkmalgeschützter Baukomplexe. Trotzdem sollten diese auch hier in Betracht gezogen werden. Weiterer Handlungsbedarf ergibt sich durch Wechselwirkungen mit den Sektoren Naturgefahren und Raumordnung. Für den Bereich Bauen & Wohnen gilt generell, dass sicherheitsorientierte konservative Investitionsstrategien verfolgt werden sollten, da Wohninfrastruktur ein enormes Schadenspotenzial in Tirol darstellt: Aufgrund potenziell erhöhter Niederschlagssummen steigt die Wahrscheinlichkeit für kleinräumige Überflutungen (Balas et al. 2010). Extreme Hochwässer sind weder zu verhindern noch zu beherrschen und Schäden sind nur durch ein integriertes Hochwassermanagement begrenzbar (Balas et al. 2010). Die Überflutung von Kellern kann die Gebäudestabilität gefährden, wenn unzureichend verankerte Heizöltanks aufschwimmen oder stark befüllte Pelletslager nicht quellen können. Die Abdichtung von Kellern und die Bereitstellung von Schmutzwassertauchpumpen kann die Verletzbarkeit verringern. Schneedrucklasten stellen aufgrund der Verlagerung von Niederschlägen in das Winterhalbjahr auch in Zukunft eine Gefährdung dar. Insekten gefährden in südlichen Ländern die Gebäudestabilität (unter anderem Ameisen, Wespen, Termiten), hier ist längerfristig Aufmerksamkeit gefordert. 4.5 Raumplanung Der Raumplanung kommt im Kontext des Klimawandels eine wichtige Rolle zu. Aufgrund ihrer räumlichen Steuerinstrumente kann sie entscheidend sowohl zur Anpassung an den Klimawandel als auch zum Klimaschutz beitragen. Sowohl im Weißbuch zur Anpassung an den Klimawandel in Europa (EC 2009) als auch in den Anpassungsstrategien in Österreich (BMLFUW 2012a,b), Deutschland (DBR 2008) und der Schweiz (BAFU 2012b) wird die Raumordnung als wichtiges Instrument hervorgehoben. Gegenwärtig haben verschiedene Aspekte des gesellschaftlichen Wandels größere Auswirkungen auf den Sektor als der Klimawandel. Nichtsdestotrotz sind Prozesse, wie z.B. die Land-Stadt-Wanderung direkt und indirekt von der globalen Erwärmung betroffen. Es sind dabei vor allem die Folgen des Klimawandels für die Raumordnung relevant, die durch Raumplanungsinstrumente beeinflusst werden können (Birkmann et al. 2010). Die regionalen Disparitäten ergeben sich aus den naturräumlichen Bedingungen, der unterschiedlichen Betroffenheit sowie aus den verschiedenen Ansprüchen an die Raumnutzung. Für den Bereich Klimaschutz sind vor allem die Schaffung von energieeffizienten, 43 verkehrs- und CO2-sparenden Raumstrukturen relevant (kurze Wege). Darüber hinaus sind Flächen für erneuerbare Energieträger vermehrt gefragt, was auch für das Bundesland Tirol entscheidend ist. Grundsätzlich bedingt der Klimawandel Schutz- und Anpassungsmaßnahmen, die Interessen und Ansprüche verschiedener Sektoren an die Landnutzung verstärken. Aufgabe der Raumordnung ist es, möglichen Konflikten vorzubeugen und zukunftsorientierte verbindliche Planungsgrundlagen zu schaffen. Für Tirol ergeben sich unter anderem folgende Herausforderungen: Abnehmende Schneesicherheit wird den Nutzungsdruck verstärken. Nutzungskonflikte mit Schutzinteressen können die Folge sein. Ein zukünftiger, wenn auch schleichender, Rückgang des Wintertourismus wird eine Bevölkerungsverlagerung von den peripheren Räumen (wo der Wintertourismus einen Magneten darstellt) in die zentraleren Orte zur Folge haben. Chancen ergeben sich im Sommertourismus. Hier sind touristische Entwicklungen tendenziell durch die Raumplanung zu unterstützen. Synergien bestehen zu den Bestrebungen, die Versorgung des ländlichen Raumes zu erhalten und der Abwanderung junger Arbeitskräfte in Städte entgegen zu wirken. Erneuerbare Energien werden unter anderem als Klimaschutzmaßnahme ausgebaut. Schatten, Lärm und Geruch können als Beeinträchtigung wahrgenommen werden. Hier sind Abwägungen von Konfliktpotential und die Moderation von Schutz- und Nutzungsansprüchen notwendig. Beteiligungsprozesse erscheinen vielversprechender als Entscheidungen aufgrund unveränderlicher Planungsgrundlagen. Ein zukünftig verändertes Naturgefahrenpotential lässt sich nicht ohne Vorbehalt aus Modellberechnungen ablesen. Wahrscheinlich sind jedoch häufigere kleine Überschwemmungen, Hochwasser größeren Ausmaßes, verstärkte Massenbewegungen in Hochlagen (z.B. Muren, Felsstürze, Erdfließen) und Hitzewellen im Sommer. Die Siedlungsentwicklung ist folglich so zu steuern, dass potentielle Gefahrenbereiche vermieden werden und Schadenspotentiale nicht weiter zunehmen. Die Umwidmung von Bauland in stark gefährdeten Gebieten soll wie bisher vermieden werden . Freiräume für Retentionsflächen müssen bewahrt werden. Darüber hinaus sollen natürliche Lebensräume, wie etwa Flussräume, naturnahe Wälder und Moorlandschaften als Wasserspeicher und –rückhalteräume gesichert bzw. revitalisiert werden. Die Planung mit Verschattung, Durchlüftungsschneisen und Grünflächen als Frischluftreservoirs zur Vermeidung von Hitzeinseleffekten sind in urbanen Räumen wichtig. 4.6 Verkehrsinfrastruktur Zur Verkehrsinfrastruktur eines Gebietes zählen alle Verkehrswege, ihre räumliche Ausdehnung und Vernetzung und die dazugehörigen baulichen und technischen Einrichtungen (CIPRA 2010). Österreich ist verkehrstechnisch gut erschlossen, dementsprechend verbreitet sind die gefährdeten Anlagen. Der Alpenraum mit seinen Hang- und Tallagen ist besonders anfällig für verstärkte Starkniederschläge und extreme Hitzeperioden. Die Zunahme von Infrastrukturwerten in diesen exponierten Lagen hat das Schadenspotential erheblich erhöht. Betroffen sind insbesondere Seilbahnen und Liftanlagen, Gebäude und deren Zufahrtswege (Balas et al. 2010) sowie Versorgungsinfrastrukturen (Wasser, Abwasser, Strom). In tieferen Lagen sind Schäden durch Hitze, beispielsweise an der A12 im Juli 2009 (ZAMG 2009), dokumentiert. Gleiches gilt 44 für Schieneninfrastruktur, wozu Daten aus der Schweiz für den Jahrhundertsommer 2003 verfügbar sind (OcCC 2007; ProClim 2005). Starke Wechselwirkungen bestehen neben dem Themenkomplex Naturgefahren/Extremereignisse auch mit dem Sektor Wirtschaft, Industrie & Handel. Die direkten Auswirkungen des Klimawandels auf Verkehrsinfrastrukturen wirken sich dort in mehrfacher Hinsicht problematisch aus. 4.7 Wirtschaft Für den Themenkomplex Wirtschaft gilt in besonderem Maße, dass der Klimawandel einerseits viele Herausforderungen mit sich bringt, andererseits aber auch Chancen birgt. Die Tiroler Wirtschaft ist nicht nur über den Tourismus international stark vernetzt, auch die großen, mittleren und kleineren Akteure der Industrie sind in den Außenhandel eingebunden und international aktiv. In diesem Zusammenhang besteht die große Herausforderung darin, Innovationen im Bereich von notwendigen Anpassungsmaßnahmen nicht zu verpassen und bestenfalls selbst aktiv zu werden, um sich so Geschäftsfelder zu sichern beziehungsweise neue erschließen zu können. Weitere Herausforderungen ergeben sich durch Wechselwirkungen mit Auswirkungen in anderen Bereichen: Beschädigungen der Verkehrsinfrastruktur durch Naturereignisse Versorgungssicherheit und den reibungslosen Produktionsablauf. gefährden die Auswirkungen des Klimawandels im globalen Kontext können zunehmende Schwankungen von Rohstoffpreisen und Versorgungsengpässe bedingen. Zusammenfassend sollten langfristige Unternehmensstrategien einen möglichen Anstieg der Heiz‐, Kühl‐, Transport- und Produktionskosten berücksichtigen. Für viele Probleme können Lösungsansätze aus Nachbarländern übernommen werden. So sind Anpassungen zwar aufwändig, aber meist kurzfristig möglich. 4.8 Naturgefahren und Katastrophenmanagement In einer alpinen Region wie Tirol zu leben hieß immer schon mit Naturgefahren leben. Prozesse des naturräumlichen Wandels (z.B. gravitative Massenbewegungen wie Steinschlag oder Felssturz, Erdbeben, Lawinen etc.) waren aufgrund der erhöhten Reliefenergie und der tektonischen Störungszone Inntal immer schon Teil der Entwicklung. Was diese natürlichen Erscheinungen zu Naturgefahren macht, ist ihre Konfrontation mit dem Kulturraum. Demzufolge sind ein Wandel der Kulturlandschaft und seine Ausbreitung in diesem Land mit einem veränderten Schadenspotential und somit einer Veränderung des Naturgefahrenrisikos verbunden (Stötter 2007). Im Tiroler Dauersiedlungsraum treffen dabei die verschiedenen Interessen- und Nutzungsansprüche auf Naturraumprozesse, die in der Gegenwart jedoch nicht nur regional verursacht, sondern auch dem globalen Einfluss ausgesetzt sind. Das gilt für beide. Aspekte der Globalisierung führten und führen zu einem sozio-ökonomischen Strukturwandel, der globale Klimawandel zu veränderten Prozessen. Der Klimawandel trifft hier die Alpen als eines der sensibelsten Ökosysteme Europas (BMLFUW 2012a) besonders und macht entsprechende Anpassungen erforderlich. Für Tirol ist seit dem 20. Jahrhundert ein starker sozioökonomischer Strukturwandel, von einer überwiegend agrarisch geprägten, hin zu einer Dienstleistungs- und Freizeitgesellschaft, zu beobachten. Damit einher ging eine Inwertsetzung Tirols als Sieldungs-, Wirtschafts-, Verkehrs- und Erholungsraum (Stötter und Fuchs 2006). Eine Zunahme der Wohnbevölkerung sowie eine massive 45 Zunahme an touristischer Infrastruktur, Suprastruktur und der sich kurzfristig aufhaltenden Gäste bedingen dabei nicht nur die Erhöhung der Werte (Gebäude, etc.), sondern auch der Präsenzwahrscheinlichkeit, das heißt der Wahrscheinlichkeit, dass sich Objekte und Personen in einem Gefahrenbereich aufhalten. Stötter (2007) sieht hier die entscheidende Größe für eine Zunahme des Naturgefahrenrisikos in Tirol, weit mehr, als durch vermehrt auftretende Naturraumprozesse. Obwohl derzeit keine generelle Aussagen zu einer zukünftigen klimabedingten Zunahme von Extremereignissen vorliegen, wird beispielsweise die Zunahme von Starkregenereignissen für plausibel gehalten (z.B. Loibl, Züger und Köstl 2009; 2011; ÖROK 2010). Starkregenereignisse und Bodendurchfeuchtung führen zu einer erhöhten Dispositionen für Massenbewegungen (Muren, Hochwasser, Sturzprozesse) (Beierkuhnlein und Foken 2008). Auch in Tirol ist die Eintrittswahrscheinlichkeit für Hangrutschungen im Vergleich zu vor 50 Jahren gestiegen. Der zuständige Landesgeologe (Amt der Tiroler Landesregierung, Interview 2013; Gepräch 2014) sieht jedoch die Ursache hierfür nicht nur im Klimawandel, sondern schreibt sie vermehrter Nutzung wie z.B. der Errichtung und Erhaltung von Forstwegen und ähnlichen Eingriffen in die Natur zu. Generell ist zu beachten, dass alle erosionsfördernden Maßnahmen und Veränderungen zu vermeiden sowie entsprechende Instandhaltungsmaßnahem zu fördern (unter anderem Wasserwege, Bachläufe, Be- und Entwässerung) sind. Erwartet wird auch die zeitliche Verlagerung von Naturgefahren, was der im Rahmen des CLISP-Projektes ermittelte Anstieg der winterlichen Starkniederschlagsmengen im Bundesland Salzburg (Amt der Salzburger Landesregierung 2011) belegt. Die Auswirkungen des Klimawandels auf den Gipskarst und die Karbonatkarstgebiete Tirols und der daraus abzuleitenden Auswirkungen und Maßnahmen auf Siedlungraum und Infrastruktur sollten zukünftig näher betrachtet werden. In diesem Spannungsfeld sind die Flusstäler, Schwemm- und Sturzkegel aus denen sich der Wirtschaftsraum zusammensetzt, ohne entsprechende Schutzmaßnahmen nicht zu denken. Zur Wahrung von Sicherheit und Lebensqualität ist eine dauerhafte Instandhaltung baulicher Schutzvorkehrungen sowie Verfolgung nicht-baulicher Schutzstrategien erforderlich. Naturgefahrenbzw. Katastrophenmanagement lassen sich dabei im Wesentlichen auf die zwei Fragen „Was kann passieren?“ und „Was darf passieren?“ zusammenfassen. Die erste Frage bezieht sich auf die hier erwähnten Bereiche Eintrittswahrscheinlichkeit der natürlichen Prozesse in Kombination mit steigendem Schadenspotential, letztere auf die Frage nach der Höhe des Restrisikos. Diese ist das Ergebnis eines gesellschaftlichen und politischen Aushandlungsprozesses, in dem Schutzziele und akzeptierbares Risiko festgelegt werden. Beides bedarf einer vermehrten Diskussion um den Lebensraum langfristig zu sichern. Eine hohe Bedeutung kommt somit der Raumordnung zu. Vor dem Hintergrund des Klimawandels erscheint die Gefahrenzonenplanungen von Risikomanagements, sollten Berücksichtigung WLV die und sich BWV technischen verändernder notwendig. und die Im Klimafaktoren in den Sinne eines präventiven organisatorischen (inkl. juristischen) Voraussetzungen geschaffen werden, um im Falle von Naturkatastrophen, den Schutz von Menschen, Infrastruktur und weiteren Schutzgütern zeitnah zu ermöglichen (z.B. Materialien wie Flussbausteine zur Sofortsicherung). Auch wenn es hinsichtlich des zukünftigen Klimawandels Unsicherheiten gibt, so ist der Zivil- und Katastrophenschutz dennoch aufgerufen, die veränderten Bedingungen in ihre Arbeit miteinzubeziehen. Aus dem Leben im Gebirge und der damit einhergehenden großen Tradition im Umgang mit Naturgefahren, erscheint dies als eine bewältigbare Aufgabe. Die hier angeführten Punkte zeigen jedoch zwei Punkte: 46 1. Aus den veränderten Prozessen kann eine Veränderung der Einsatzmuster abgeleitet werden, hin zu häufigeren, kleineren Ereignissen. Von den Einsatzkräften sind somit eine gute Vernetzung, kürzere Ruhezeiten und hohe Mobilität gefordert. 2. Naturgefahren- und Katastrophenmanagement sind eine Querschnittsmaterie, welche die Zusammenarbeit einer Vielzahl an AkteurInnen erfordert. 5 Sammlung und Analyse von außerordentlichen Wetterereignissen in Tirol In Tirol sind neben den aktuellen Ereignissen, wie dem Hochwasser im Frühjahr 2013 in den Bezirken Kitzbühel und Kufstein, auch die Jahre 1999 und 2005 im Hinblick auf Katastrophen als Folge von außerordentlichen Wetterereignissen in Erinnerung: Das Jahr 1999 zum Einen durch den durch sehr hohe Niederschlagsmengen im Januar und Februar bedingten Lawinenwinter, der in den Lawinenabgängen in Galtür und Valzur, am 23. beziehungsweise 24. Februar gipfelte, zum Anderen durch das Pfingsthochwasser im Außerfern und den Auswirkungen des Orkans Lothar im Dezember. Für 2005 war das Augusthochwasser, das weite Teile des Tiroler Oberlandes, das Außerfern und das Inntal betraf, prägend. Generell betrachtet sind Extremereignisse ein fixer Bestandteil der natürlichen Klimavariabilität. Global gesehen haben sich Intensität, Länge, Häufigkeit und räumliche Ausdehnung von Extremen bedingt durch den Klimawandel, verändert (IPCC 2012). Es wird erwartet, dass es aufgrund der zunehmenden Variabilität in Zukunft weiterhin zu verstärkten Änderungen im Auftreten von Extremereignissen kommen wird. Viele Einzelereignisse, z.B. gravitative Prozesse (Steinschlag, Muren etc.) belegen diese Variabilität auch. Einzelne Klimamodelle gelangen zu dem Ergebnis, dass sich die Änderungen der Wahrscheinlichkeit für das Eintreten von regionalen, langanhaltenden Extremereignissen durch den menschlich bedingten Klimawandel erklären lassen (Pall et al. 2011; Stott, Stone und Allen 2004). Auf globaler Ebene sind seit den 1950er Jahren Änderungen bei einigen Extremereignissen zu beobachten. So ist ein leicht ansteigender Trend unter anderem bei Hitzewellen und Starkregenereignissen zu beobachten. Mit deutlich weniger Sicherheit sind diesbezüglich Aussagen zu einer Änderung in der Häufigkeit von Dürren, Fluten oder kleinräumigen Wetterphänomenen behaftet (IPCC 2012). Generell ist es nicht möglich, extreme Messwerte einzelner außerordentlicher Ereignisse auf die Durchschnittswerte der ablaufenden Klimaänderungen zurückzuführen (Hegerl et al. 2007). 5.1 Abgrenzung und Datenquellen Um in weiterer Folge beurteilen zu können, welche wetter- und klimabedingten Extremereignisse bereits aus heutiger Sicht eine Herausforderung für das Land Tirol darstellen, bedarf es zunächst einer Auseinandersetzung mit den Begriffen Extremereignis und (Natur-)Katastrophe. Als extrem werden im Allgemeinen Ereignisse bezeichnet, die markant vom statistischen Mittel abweichen oder einen bestimmten Schwellenwert über- beziehungsweise unterschreiten. Oftmals werden für die Definition von Extremereignissen Schwellenwerte am oberen und unteren Ende einer Häufigkeitsverteilung herangezogen (IPCC 2012). Der Begriff extrem sagt hierbei zunächst nur etwas über die Intensität der auftretenden Kräfte aus, jedoch nichts über deren Wahrnehmung und Wirkung 47 in der Gesellschaft. Jeder Katastrophe geht ein Extremereignis oder eine Überlagerung mehrerer Klimaoder Wettervariablen voraus; allerdings löst nicht jedes Extremwetterereignis eine Katastrophe aus (IPCC 2012; Pfister 2002). Als Katastrophe werden grundsätzlich plötzliche und massive Störungen in Verbindung mit großen Verlusten bezeichnet, welche die Fähigkeiten einer Gesellschaft, den Folgen mit eigenen Mitteln entgegenzuwirken, übersteigen (UNISDR 2009). Katastrophen sind daher eine auf den Menschen fokussierte Kategorie (Felgentreff und Glade 2008). Die Begriffsdefinition im Tiroler Katastrophenmanagementgesetz lautet folgendermaßen: „Katastrophen sind durch elementare oder technische Vorgänge oder von Menschen ausgelöste Ereignisse, die in großem Umfang das Leben oder die Gesundheit von Menschen, die Umwelt, das Eigentum oder die lebensnotwendige Versorgung der Bevölkerung gefährden oder schädigen“ (§2 Abs. 1 Tir. LGBl. 2006/33). Zur Identifikation und Erhebung von wetter- und klimabedingten Katastrophen stehen unterschiedlichste Quellen zur Verfügung. Dies sind einerseits wissenschaftliche Studien (z.B. FloodRisk II, BMLFUW 2009a) und Ereignisdokumentationen von Landes- oder Bundeseinrichtungen, andererseits Aufzeichnungen in Dorfchroniken oder Medienberichte. Trotz dieser Fülle von Informationsquellen ist die Dokumentation von Extremereignissen teilweise unzureichend. Die Ursachen hierfür sind oftmals der unterschiedliche, zwischen Gemeinde-, Bezirks- und Landesebene wechselnde Betrachtungsmaßstab, der begrenzte Zugang zu Daten und die Konzentration auf ein bestimmtes Klimaelement. Im Zusammenhang mit der Bericht der Klimaschutzkoordination stehen derzeit folgende Quellen für die Erhebung von Daten zur Verfügung: Jahrbücher und Monatsberichte der ZAMG Hydrologische Jahrbücher und Mitteilungsblätter des Hydrographischen Dienstes Ereignisdokumentation der Wildbach- und Lawinenverbauung: www.naturgefahren.at Wildbach- und Lawinenkataster der Bundesländer Ereignisdokumentation der Geologischen Bundesanstalt BFW – Institut für Naturgefahren (Dokumentation und Datenbank von Rutschungsprozessen) Waldbrandstatistik (AFFRI Austrian Forest Fire Research Initiative) NatCatSERVICE Datenbank der Münchner Rückversicherung Unwetterstatistik Österreich HORA – Online-Plattform zur Naturgefahrenerkennung Waldzustandsberichte Studien und Projektergebnisse Medienberichte Diverse Chroniken, z.B. Naturchronik, Tirol Atlas, Dorfchroniken, etc. Diverse Berichte/Aufzeichnungen, z.B. von der Landwirtschaftskammer oder dem Amt der Tiroler Landesregierung, vom Österreichischen beziehungsweise Tiroler Zivilschutzverband 5.2 Ausgewählte Extremwettereignisse Die nachfolgenden Punkte beinhalten eine Sammlung und Analyse von außerordentlichen Wetterereignissen und deren Folgen für Tirol. Im Zentrum des Interesses stehen dabei Katastrophen auslösende Ereignisse, welche meteorologischen (z.B. Sturm), hydrologischen (Hochwasser) und 48 klimatologischen Ursprungs sind beziehungsweise sich aus der Überlagerung einzelner Bereiche ergeben. Massenbewegungen wie Rutschungen, Fels- und Bergstürze sowie Lawinen werden hier nicht berücksichtigt. Laut IPCC (2012) geht man zwar von einem Zusammenhang zwischen Veränderungen einzelner Klimavariablen und der Häufigkeit von Massenbewegungen aus, es ist jedoch nicht möglich, einzelne Ereignisse direkt auf den Klimawandel zurückzuführen. Kleine Änderungen in der Häufigkeit von Extremereignissen können auch Bestandteil der natürlichen Klimavariation sein (Frei 2003). Ferner können andere anthropogene Veränderungen Einfluss auf die Verteilung, Intensität und Häufigkeit von Massenbewegungen und Lawinen nehmen. Hochwasserereignisse Tabelle 9 zeigt eine Auswahl an regionalen Schadenshochwässern in Tirol seit 1985. Ausschlaggebend für die Auswahl ist nicht nur die Intensität der Ereignisse (HQ > 100), sondern auch die aufgetretenen Schäden und die Wahrnehmung des Ereignisses als Katastrophe in der Bevölkerung. Laut Godina (2005) zeigt die Trendanalyse für den Inn – basierend auf 120-jährigen Beobachtungsreihen – keinen bis einen leicht fallenden Hochwassertrend. Bei Trendanalysen und Untersuchungen hinsichtlich des Einflusses des Klimawandels auf Hochwasserereignisse haben in der Vergangenheit verursachte, anthropogene Veränderungen auf das Hochwasserabflussregime die durch den Klimawandel beeinflussten Änderungen im Abfluss überlagert (BMLFUW 2009a). Daher beeinflussen nicht nur meteorologische Kenngrößen die Entstehung von Extremereignissen (sie stellen nur eine notwendige Rahmenbedingung dar), sondern auch die Bebauung, die Landnutzung, die Flussregulierung und die wasserwirtschaftliche Nutzung entlang eines Flusses. Aus diesem Grund sind Hochwasserstatistiken und Trends immer kritisch zu betrachten (Formayer und Frischauf 2004). Bei der Analyse von großflächigen Hochwasserereignissen in Österreich zeigt sich, dass diese häufig mit einer Vb (Fünf-b) oder Vbähnlichen Wetterlage verbunden sind, welche „[…] durch einen Kaltluftvorstoß in den Golf von Genua eine Tiefdruckentwicklung [auslöst][…], wobei der Kern dieses Tiefdruckgebietes mit der Höhenströmung über die nördliche Adria, Slowenien und Ungarn um die Alpen herum nach Polen geführt wird. Bei Vbähnlichen Lagen bildet sich ein abgeschlossenes Tiefdruckgebiet in höheren Luftschichten über Norditalien und dem Alpenraum, in der Meteorologie auch Kaltlufttropfen genannt. Vb-Wetterlagen beregnen im Laufe von 2 bis 3 Tagen ganz Österreich wobei die größten Niederschlagsintensitäten zuerst im Süden und Osten auftreten und gegen Schluss auf der Alpennordseite.“ (Formayer und Kromp-Kolb 2009b). Die Hochwässer 1999, 2005 und 2013 in Tirol wurden durch eine Vb-Wetterlage ausgelöst. Stichhaltige Zukunftsszenarien bezüglich Vb und Vb-ähnlichen Wetterlagen sind sehr rar. Im Allgemeinen wird von einer Abnahme der Tiefdruckentwicklung im Mittelmeerraum und damit auch von einer geringeren Häufigkeit von Vb-Lagen ausgegangen. Derzeit kommen rund 10-15 Ereignisse pro Jahr vor. Jedoch erscheinen diesbezüglich auch eine Zunahme der Niederschlagsintensität und ein damit verbundenes höheres Hochwasserrisiko als plausibel (Formayer und Kromp-Kolb 2009a, siehe Abbildung 9) 49 Abbildung 9: Regionen in Österreich, die durch Vb und Vb-ähnliche Wetterlagen besonders betroffen sind. Quelle: Formayer, 2006. 50 Tabelle 9: Auswahl an regionalen Schadenshochwässern in Tirol seit 1985. Datum Ort Vorhergehender Folgen Schaden Witterungsverlauf 1./2.06.2013 Tiroler Unterland mit Schwerpunkt Extreme Niederschläge im Zeitraum Hochwasser Großache (das höchste seit In Kössen mehr als 500 Häuser, zum Teil bis ins Kössen, Waidring, Kirchdorf, 31.5.2013 bis 2.6.2013 1951, Jährlichkeit 100), Loferbach, Erdgeschoß überflutet, 60 Personen wurden in Fieberbrunner Ache, Kitzbühler Ache Bruckhäusl aus 12 Häusern evakuiert. In St. Erpfendorf, St. Ulrich, St. Jakob und St. Johann i.T. wurden trotz der Ausbringung von Johann, Bruckhäusl 20.000 Sandsäcken und Hochwasserschutz mit Brettern an der Fieberbrunner und Kitzbühler Ache von St. Johann i.T. rund 50 Häuser überschwemmt. 80 kleinere und größere Muren im gesamten Unterland, längerer Ausfall der Zugverbindung Innsbruck-Salzburg, zahlreiche Straßensperren (Amt der Tiroler Landesregierung 2013c) (22.-) 23.08.2005 Arlberg, Lechtal, Außerfern, Paznauntal, Tiefdruckgebiet über dem Golf von Hochwasser an Lech, Trisanna, 1 Toter, 2 Verletzte. 9 zerstörte Häuser, 253 Stanzertal, Silvrettagruppe, Inntal Genua verursachte ab dem 20.08.2005 Rosanna, Sanna und Inn. 200-jährliches beschädigte Häuser, ca. 10 km unbefahrbare schwere Niederschläge in den Hochwasserereignis in Innsbruck. 175 Straßen. Insgesamt 443,6 Mio. Euro Schaden. nördlichen Gebieten des registrierte Wildbachereignisse, 111 (www.naturgefahren.at) Alpenhauptkammes. Schwerste registrierte Massenbewegungen. Niederschläge vom 22. nachmittags (naturgefahren.at; BMLFUW 2006) bis 23. vormittags (Jährlichkeit - 150). Rückhaltekapazität wegen feuchter erster Augusthälfte verringert. (www.naturgefahren.at) 12.08.2002 Außerfern, vor allem unteres Lechtal und Großachengebiet Starke Niederschläge in den Tagen Hochwasser am unteren Lech und an Ungefähr 6 Mio. Euro Schaden in Tirol vor dem Hochwasserereignis (Godina der Vils (HQ30-HQ50). Jährlichkeiten von (Habersack et al. 2003). Nur geringe Schäden et al. 2003). Jeweils über 100mm 30 bis zu 100 Jahren an der Kitzbühler im Raum Reutte wegen neuer Niederschlag in den angegebenen Ache, Aschauer Ache und der Hochwasserschutzdämme. Große Schäden im Tagen an den Messstellen Fierberbrunner Ache (Godina et al. Zentrum von St. Johann i. T. - 67 zerstörte Vorderhornbach, Höfen und Vils. 2003). Wohnungen. 51 12./13. und 21.- Lechanrainer, Reutte sowie Siedlungen Starke Schneeschmelze wegen 12./13.05.: Hochwasser Lech, 50- Schaden in mehrfacher Millionenhöhe, alleine 23.05.1999 in unmittelbarer Nähe zu den niederschlagsreicher Wintermonate, jährliches HW in Steeg, und Vils (30- in der Gemeinde Pflach ca. 8,5 Mio. Euro Lechzuflüssen sehr ergiebige Niederschläge in der jährliches HW). 22./23.05.1999: 40- Schaden. Beschädigung der Periode 11./12.05. und 20.-22.05.1999 jährliches HW am Lech, 100-jährliches Planseebundesstraße und der Bahnverbindung (bis zu 212 mm in den angegebenen HW durch hohe Abflussspenden der zwischen Ehrwald und Garmisch-Partenkirchen. Tagen in Reutte). Der Mai 1999 war Zubringer zwischen Steeg und Erheblicher Sachschaden an den tirolweit um 1-2 °C zu warm. (Amt der Lechaschau. In Vils ebenfalls 100- Uferverbauungen am Lech. Hohe Schäden in Tiroler Landesregierung 2001) jährliches HW. Unzählige Muren und den Gemeinden Lechaschau, Reutte und Pflach Erdrutsche im betroffenen Gebiet. (25 beschädigte Gebäude) (Meier 2002). (Tirolatlas, Meier 2002) 23.-25.08.1987 05.-07.08.1985 Ötztal, Inntal im Unterland Inn und Anrainergemeinden Niederschläge bis 150 mm in den 10-jährliches Abflussereignis in 13 Tote im Ötztal. Unzählige Brücken und angegebenen Tagen und eine hohe Innsbruck, in Rotholz, Brixlegg und mehrere Hektar Fluren im Ötztal zerstört, Nullgradgrenze führen zu einer Kirchbichl jedoch im Bereich HQ100 schwere Schäden an Häusern. 1 Mrd. Schilling Hochwasserwelle am Inn. (Pegeltafel (Pegeltafel Innsbruck/Inn). Ötztaler (ca. 73 Mio. Euro) Schaden im Ötztal (Amprosi Innsbruck/Inn) Ache möglicherweise HQ300 2007). Starke Niederschläge am 5./6.08.1985 5-jährliches Hochwasser am Pegel Überflutung des Stadtteils Dreiheiligen und der (teileweise über 100 mm in den Kajetansbrücke, in Innsbruck bereits Ing.-Etzl-Straße in Innsbruck. Schwere Schäden angegebenen Tagen). Nullgradgrenze 30-jährliches Hochwasser, ab Kirchbichl am Zeughaus. In Schwaz wurde die Innbrücke um 4000 m. (Pegeltafel Innsbruck/Inn) HQ100. (Pegeltafel Innsbruck/Inn) zerstört. (Pegeltafel Innsbruck/Sill; Fliri 1998) 52 Sturmereignisse Die Meteorologie versteht unter dem Begriff Sturm starke Winde und bezeichnet damit auch Tiefdruckgebiete in Verbindung mit hohen Windgeschwindigkeiten und oftmals intensiven Niederschlägen (Formayer et al. 2001). Aus Sicht der Versicherungen wird Sturm als eine „Wetterbedingte Luftbewegung, deren Geschwindigkeit am Versicherungsort mehr als 60 km/h beträgt“ definiert (Hlatky et al. 2003). Von einem Orkan spricht man dann, wenn über einen Zeitraum von mindestens zehn Minuten der Wind mit einer Geschwindigkeit von mindestens 118 km/h weht (Reinhart 2005). Tirol war in den letzten beiden Jahrzehnten von mehreren Orkanstürmen (Wiebke 1990, Lothar 1999, Kyril 2007, Paula und Emma 2008) betroffen, die in weiten Teilen Mitteleuropas schwere Schäden verursachten. Die aufgetretenen Schäden durch Windwurf sind dennoch im Vergleich zu anderen Regionen gering (Amt der Tiroler Landesregierung 2008, siehe Tabelle 10). Der Orkan Wiebke zählt europaweit zu den zehn teuersten Wetterkatastrophen für die Versicherungswirtschaft (Reinhart 2005). Es konnte jedoch keine systematische Zunahme derartig extremer Sturmereignisse festgestellt werden (Formayer et al. 2001). Matulla et al. (2007) gehen von einem abnehmenden Trend der Starkwindentwicklung aus. Tirol profitiert von seiner geschützten inneralpinen Lage. Folgerichtig entstehen die größten Sturmschäden auch wiederkehrend im stärker exponierten Außerfern. Tabelle 10: Vergleich der Schäden durch Windwurf in Tirol Jahr Schaden 2011 60.000 m3 (Amt der Tiroler Landesregierung 2012b) 2010 83.000 m3 (Amt der Tiroler Landesregierung 2012b) 2009 128.000 m3 – 1.915 ha (Amt der Tiroler Landesregierung 2010) 2008 (Orkan Paula / Emma) 258.000 m3 – 5.093 ha (Amt der Tiroler Landesregierung 2009) 2007 (Orkan Kyrill) 144.000 m3 – 2.200 ha (Amt der Tiroler Landesregierung 2008) 2006 50.000 m3 – 1.500 ha (Amt der Tiroler Landesregierung 2007c) 2005 50.000 m3 – 2.500 ha (Amt der Tiroler Landesregierung 2007c) 1999 (Orkan Lothar) 1990 (Orkan Wiebke) 30.000 m3 Windwurf durch Lothar, großteils im Außerfern (Amt der Tiroler Landesregierung 2000) Ca. 750.000 m3 (Stöhr, Huber und Kätzler 2011) Hitzeereignisse Der Hitzesommer 2003 war europaweit wahrscheinlich der heißeste seit mindestens 500 Jahren. In großen Teilen Mitteleuropas lagen die Temperaturen 3 - 5 °C über dem langjährigen Durchschnitt, weiters war das Jahr von einer 53 außergewöhnlichen Trockenheit gekennzeichnet (Luterbacher et al. 2004; Schär et al. 2004). Im Vergleichszeitraum über die letzten 500 Jahre war der Sommer 2003 im Alpenraum der trockenste (Casty et al. 2005). Österreichweit betrug die Jahresniederschlagssumme weniger als 80 % des Normalwertes 1961-1990 (Nobilis und Godina 2006). Dies führte zu unterdurchschnittlichen Grundwasserständen, negativen Folgen für die Fischbestände und teilweise beträchtlichen Schäden in der Landwirtschaft (BUWAL, BWG und MeteoSchweiz. 2004; Eybl et al. 2005; ProClim 2005). Die monetären Schäden durch die Hitzeperiode 2003 sind mit der Schadenssumme des Hochwassers 2002 zu vergleichen. Auer et al. (2005) analysierten die Hitzeperioden in Österreich beginnend mit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Berechnung und Klassifizierung erfolgte dabei nach Kyselý, Kalvová und Kveton (2000). Die beiden in Tirol herangezogenen Stationen, Innsbruck-Universität und Innsbruck-Flughafen, zeigen bezogen auf ihre räumliche Nähe, ein sehr heterogenes Bild (siehe Abbildung 10). Die Differenzen lassen sich aufgrund verschiedener lokaler Luftströmungsverhältnisse an den Stationen erklären (Auer et al. 2005). Entgegen der Annahme fallen die maximalen Hitzeperioden der beiden Messstationen nicht in das Jahr 2003, an der Station Innsbruck-Universität wurde die längste Hitzeperiode mit einer Dauer von 20 Tagen von 23.07.1994 bis 11.08.1994 aufgezeichnet, die Flughafenstation weißt hierfür den Zeitraum von 17.07.1983 bis 02.08.1983 aus. Entwickung der Hitzetage an zwei Innsbrucker Stationen 1954 - 2003 200 170 150 113 100 70 50 46 55 46 40 54 42 25 0 1954-1963 1964-1973 1974-1983 Innsbruck-Universität 1984-1993 1994-2003 Innsbruck-Flughafen Abbildung 10: Hitzetage nach Kysely von 1954-2003 (Auer et al. 2005). Im Allgemeinen sind die Hitzetage nach Kysely seit Mitte des vorigen Jahrhunderts gestiegen, eine deutliche Zunahme ist aber ab der Dekade 1984-1993 zu erkennen. Diese erfolgte nicht nur in den niedrigen Seehöhenbereichen, sondern ist auch noch in Seehöhen um 800m nachweisbar. Hingegen zeigen die Klimastationen in Westösterreich eine abnehmende Häufigkeit von Trockenperioden. Sowohl Trockenperioden mit einer Länge von mindestens 10 Tagen als auch jene mit einer Dauer von über 20 Tagen zeigen einen abnehmenden Trend (Auer et al. 2005). 5.3 Zusammenfassung Die Auswertung von Extremwetterereignissen mit katastrophalen Folgen in Tirol ergibt ein heterogenes Bild. Die Orkanstürme, die in Mitteleuropa große Schäden anrichteten, führten zwar zu höheren Verlusten durch Windwurf. Flächendeckende Schäden blieben aber aufgrund der geschützten inneralpinen Lage weitgehend aus, mit Ausnahme des Orkans Wiebke im Jahr 1990. Hitzewellen und Hitzeperioden wiederum nehmen seit dem Zeitraum 1984 - 2003 deutlich zu. Dabei stellt der Hitzesommer 2003 ein extremes Ereignis dar, dessen Folgen den Bedarf für Anpassungsmaßnahmen zeigten und europaweit Bewusstsein und Erfahrungswerte für dieses Risiko und 54 Erfahrungswerte schaffte. Die größte Herausforderung stellt im Land Tirol das Hochwasserrisiko dar. Vor allem in den Jahren 1999 und 2005 waren die Schäden enorm. Diese Anfälligkeit hat sich im Juni 2013 erneut gezeigt. Entsprechend ist in diesem Bereich nach wie vor großer Handlungsbedarf gegeben. Der Eindruck, dass Tirol in den letzten Jahren von einer deutlich gestiegenen Anzahl von Extremereignissen betroffen war, ist unter anderem auf eine konzentriertere Medienberichterstattung und auf eine verstärkte Präsenz und Diskussion der Thematik in der Bevölkerung zurückzuführen. Eine Bevölkerungszunahme, geänderte Lebensstile und eine Wertekonzentration in urbanen Gebieten führten gleichzeitig zu einem gestiegenen Schadenspotential. Somit ist im Bundesland Tirol, welches seit jeher mit Extremwetterereignissen und Naturgefahren konfrontiert ist, eine verstärkte Beachtung und Integration dieses Themas in die Entwicklung des Landes zu forcieren. 55 C Treibhausgas- und Energiebilanz des Landes Tirol Die Höhe und die Entwicklung der Treibhausgasemissionen hängen von vielen unterschiedlichen Faktoren ab. Der wesentlichste Einflussfaktor ist der Energieverbrauch, der im nachfolgenden Kapitel detailliert dargestellt und analysiert wird. Darauf aufbauend wird die aktuelle Treibhausgasbilanz Tirols erläutert (Kapitel D2). Der Energieverbrauch und die Emissionen von Treibhausgasen werden wiederum von Faktoren wie dem Wirtschaftsund Bevölkerungswachstum, dem Verkehrsaufkommen etc. beeinflusst. Diese werden in den jeweiligen Sektoren diskutiert. 1 Ist-Analyse Energiebilanz Da der Energieverbrauch eines Landes maßgeblich die Emissionsmenge an Treibhausgasen bestimmt, ist ein genauerer Blick auf die aktuelle Energiebilanz Tirols notwendig. Die Energiebilanz wird ausgehend vom Bruttoinlandsverbrauch an Energie erläutert. Der Bruttoinlandsverbrauch (BIV) ist jene Energiemenge, die ein ganzes Land oder eine Region zur Deckung des Energiebedarfs benötigt. Der Bruttoinlandsverbrauch umfasst folgende Elemente (Statistik Austria 2011): Erzeugung Rohenergie in Tirol (=Energieerzeugung) + Importe Ausland/andere Bundesländer +/- Lager - Exporte Ausland/andere Bundesländer = Bruttoinlandsverbrauch _____________________________________________ = Umwandlungseinsatz - Umwandlungsausstoß + Verbrauch des Sektors Energie + Transportverluste + Nichtenergetischer Verbrauch + Energetischer Endverbrauch (=Endenergieverbrauch; z.B. Erdgas, Strom) ______________________________________________ - Umwandlungsverluste = Nutzenergiebedarf (Wärme, Kälte, Licht, mechanische Arbeit) 56 Ausgehend vom gesamten Bruttoinlandsverbrauch an Energie nach Energieträgern in Tirol, werden in den 7 folgenden Kapiteln ausgewählte Teile der Energiebilanz nach Sektoren und Energieträgern analysiert: Energieerzeugung (Elektrizität und Wärme) Endenergieverbrauch Nutzenergiebedarf von Haushalten und Dienstleistungsunternehmen Die Datenbasis dieser Ist-Analyse bildet die Energiebilanz (EB) der Statistik Austria für das Land Tirol mit Stand 8 November 2012 . Diese Ausgabe der Energiebilanz Tirol umfasst den Zeitraum 1988–2011. 1.1 Bruttoinlandsverbrauch des Landes Tirol Abbildung 11 zeigt die Entwicklung des Bruttoinlandsverbrauchs in Terajoule (TJ) nach Energieträgern für den Zeitraum 1988–2011 sowie die prozentuale Aufteilung für das Jahr 2011. Entwicklung des Bruttoinlandsverbrauchs nach Energieträgern 2011 120.000 11 % 1% 0% 19 % 0% Bruttoinlandsverbrauch [TJ] 100.000 13 % 5% 49% 80.000 2% 60.000 1% 0% Gas Öl Kohle 40.000 Brennbare Abfälle Umgebungswärme etc. Brennholz 20.000 Biogene Brenn- u. Treibstoffe Wind und Photovoltaik Wasserkraft 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 0 Fernwärme Elektrische Energie -20.000 Quelle: Statistik Austria, Umweltbundesamt Abbildung 11: Entwicklung des Bruttoinlandsverbrauches nach Energieträgern. 7 Detaillierte und weiterführende Informationen befinden sich im Anhang 2 8 Download der Energiebilanz Tirol von der Website der Statistik Austria am 21. November 2012. 57 Der Bruttoinlandsverbrauch ist nach einem steilen Anstieg und dem Erreichen des Höchstwertes im Jahr 2005 tendenziell wieder rückläufig. Der Einbruch im Jahr 2009 ist auf die Wirtschaftskrise zurückzuführen. Rund ein Drittel des Zuwachses am Bruttoinlandsverbrauch wurde von den biogenen Brenn- und Treibstoffen abgedeckt, die zwischen 1988 und 2011 um +12.815 TJ zugenommen haben. Von den fossilen Energieträgern ist zwischen 1988 und 2011 der Verbrauch an Ölprodukten mit einem Zuwachs von +11.401 TJ (+29 %) am stärksten angewachsen. Der Verbrauch von Erdgas hat im selben Zeitraum um +8.309 TJ zugenommen, was ungefähr einer Verdreifachung entspricht. Lediglich bei Kohle gab es einen Rückgang um -1.046 TJ (-36 %). Die Erzeugung von elektrischer Energie aus Wasserkraft legte zwischen 1988 und 2011 um +1.033 TJ (+5 %) zu. Im Jahr 2011 wurden +1.077 TJ mehr an elektrischer Energie importiert als exportiert, während im Jahr 1988 noch die Exporte überwogen. Insgesamt wurden 41 % des Zuwachses (+14.862 TJ) durch erneuerbare Energieträger abgedeckt. Der Anteil der erneuerbaren Energieträger beträgt gemäß Energiebilanz Tirol 40,3 % im Jahr 2011, im Jahr 2005 lag er noch bei 31,9 %. Der anteilige Zuwachs ist einerseits auf den gestiegenen Einsatz erneuerbarer Energieträger, aber auch auf den gesunkenen Einsatz fossiler Brennstoffe zurückzuführen. 1.2 Energieerzeugung in Tirol In diesem Kapitel werden die von öffentlichen Kraft- und Heizwerken erzeugten Energieträger (elektrische Energie und Fernwärme) in Tirol analysiert. Elektrische Energie Abbildung 12 zeigt die Zusammensetzung der Erzeugung elektrischer Energie nach eingesetzten Energieträgern im Jahr 2011 in Tirol. Der Verlauf (in TWh) über die Jahre 2005 - 2011 ist im Anhang 2 abgebildet. Erzeugung elektrischer Energie nach Energieträgern 2011 1% 4% 0,10% aus Wind,PV, Geothermie aus Wasserkraft aus Biogenen aus Naturgas 95% Quelle: Statisik Austria Abbildung 12: Erzeugung elektrischer Energie nach Energieträgern (PV Photovoltaik). Mit über die Jahre fast konstanten 95 % hat die Erzeugung aus Wasserkraft den größten Anteil, gefolgt von den biogenen Energieträgern mit 4 % und Naturgas mit rund 1 %. Der Beitrag von Wind und Photovoltaik lag im Jahr 2011 bei rund 0,1 %, Öl spielte 2011 bei der Verstromung keine Rolle mehr. Im Jahr 2011 wurden ca. 38 % der in 58 9 thermischen Kraftwerken erzeugten elektrischen Energie in KWK -Anlagen erzeugt, im Jahr 2005 lag der KWKAnteil nur bei 21 %. Die Produktion an elektrischer Energie aus Wasserkraft hängt stark von der saisonalen Wasserführung und der damit verbundenen Auslastung der Kraftwerke ab. Obwohl die Kapazitäten der Laufkraftwerke im Zeitraum 2005 bis 2011 laut Energiebilanz von 1.424 MW auf 1.611 MW ausgebaut wurden, ist die Stromproduktion seit 2009 rückläufig und sank von 6,72 TWh in 2009 auf 5,61 TWh in 2011, was vermutlich auf die schwache Wasserführung zurückzuführen ist. Seit 2009 zeigt sich ein sehr ähnlicher Trend auch auf gesamtösterreichischer, also überregionaler, Ebene. In Summe lag die Erzeugung von elektrischer Energie aus Wasserkraft im Jahr 2011 jedoch damit nur geringfügig über dem Wert von 5,57 TWh im Jahr 2005. Die aus biogenen Brennstoffen erzeugte elektrische Energie war im Jahr 2011 mit 237 GWh um 9 % höher als im Jahr 2005. Wind und Photovoltaik erzeugten im Jahr 2011 rund 5,7 GWh elektrischer Energie, was der fast zehnfachen Menge von 2005 entspricht. Die aus Naturgas 10 erzeugte Strommenge lag mit 80 GWh um 25 % höher als im Jahr 2005. Fernwärme Die Erzeugung von Fernwärme hat sich im Zeitraum 1988 bis 2011 von 552 TJ auf 2.660 TJ fast verfünffacht (siehe Abb. 13). Abbildung 13: Erzeugung von Fernwärme nach Energieträgern (KWK: Kraft-Wärme-Kopplung. WP: Wärmepumpe). Seit dem Jahr 2005 wird Fernwärme vorwiegend aus biogenen Energieträgern (vor allem Hackschnitzel und Pellets) gewonnen, wobei der Anteil im Jahr 2011 bei 82,6 % beziehungsweise 2.197 TJ lag. Der Fernwärmeausbau 9 KWK = Kraftwärmekoppelung. KWK-Anlagen sind Heizkraftwerke, in denen die bei der Stromerzeugung anfallende Wärme genutzt und z.B. in ein Fernwärmenetz eingespeist wird. 10 Erdgas wird in der Energiebilanz als Naturgas bezeichnet. 59 basiert seit 2005 weitestgehend auf reinen Biomasse-Heizwerken (ohne KWK). Mit einem Anteil von 14.7 % beziehungsweise 392 TJ ist Naturgas der zweitbedeutendste Energieträger, gefolgt von Öl mit 2,4 % beziehungsweise 64 TJ und Solar/Wärmepumpen/Geothermie mit einem Anteil von 0,2 % beziehungsweise 6 TJ. Endenergieverbrauch Die Abbildung 14 undAbbildung 15 zeigen die Entwicklung des Endenergieverbrauchs nach Energieträgern und Verbrauchersektoren. Abbildung 14: Entwicklung des energetischen Endverbrauchs nach Energieträgern. Der Trend des Endenergieverbrauchs folgt im Wesentlichen dem Verlauf des Bruttoinlandsverbrauchs. Abbildung 14 zeigt den Endenergieverbrauch 1988 - 2011 nach Energieträgern. Im Tortendiagramm ist der Anteil der einzelnen Sektoren am Gesamtendenergieverbrauch im Jahr 2011 dargestellt; die Prozentangaben im Trenddiagramm beziehen sich auf die Änderung des Verbrauchs im jeweiligen Sektor zwischen 1988 und 2011. Der Sektor mit dem größten Endenergieverbrauch ist der Transportsektor, gefolgt von Privathaushalten und dem produzierenden Bereich. Die Landwirtschaft hat als einziger Sektor einen rückläufigen Endenergieverbrauch seit 1988 (siehe Abbildung 15). Die Entwicklung im Verkehrssektor hängt unter anderem mit dem stark erhöhten Transitaufkommen in Tirol zusammen. Der im Inland abgesetzte Treibstoff wird vor allem von schweren Nutzfahrzeugen während ihres Transits durch Österreich getankt (aufgrund der günstigeren Dieselpreise in Österreich), aber dann zum Großteil auf Fahrten im Ausland verbraucht. Der Trend in den Treibstoff-Absatzmengen korreliert deshalb nicht direkt mit der Tiroler Straßenverkehrsleistung, beziehungsweise mit den tatsächlich innerhalb der Landesgrenzen verursachten, Emissionen. 60 Entwicklung des Energetischen Endverbrauchs nach Sektoren 120.000 Energetischer Endverbrauch [TJ] 100.000 +50 % 80.000 60.000 +92 % Produzierender Bereich Transport 40.000 -26 % 20.000 +16 % +57 % Private Haushalte Öffentliche und Private Dienstleistungen 2010 2008 2006 2004 2002 2000 1998 1996 1994 1992 1990 1988 0 Landwirtschaft Quellen: Statistik Austria, Umweltbundesamt Abbildung 15: Entwicklung des Endenergieverbrauchs nach Sektoren. 1.3 Analyse des Nutzenergiebedarfs Die Nutzenergie ist jene Energie nach der letzten Umwandlung beim Endverbraucher und wird vom Verwendungszweck des Energieverbrauchs beeinflusst. Da die Treibhausgasemissionen von Privathaushalten und Dienstleistungsgebäuden (Kapitel C2) überwiegend aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe zur Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser stammen, ist hier eine Nutzenergieanalyse 11 (NEA) interessant. Private Haushalte Die Nutzenergieanalyse umfasst sieben Kategorien, wobei nur vier für die privaten Haushalte relevant sind. Deren Anteil am Gesamtverbrauch ist für 2011 in Klammern angeführt: Raumheizung und Klimaanlagen (71 %) Warmwassererzeugung und Kochen (16 %) 12 11 Dazu werden detaillierte Informationen zum sektoralen Endenergieverbrauch von der Statistik Austria jährlich im Rahmen der Nutzenergieanalyse (NEA) auf Bundesländerebene erstellt. 61 Standmotoren (Kühlschrank, Waschmaschine etc.) (9 %) Beleuchtung und EDV (4 %) Die Kategorie Raumheizung und Klimaanlagen ist mit 71 % der wichtigste Energieverbraucher der Haushalte, wobei hier nur ein sehr geringer Anteil für Klimaanlagen genutzt wird. Danach folgt die für Warmwasser und Kochen aufgewendete Energie. In den Kategorien Standmotoren sowie Beleuchtung und EDV ist nur die elektrische Energie relevant. Abbildung 16 zeigt den Energieverbrauch der Privaten Haushalte nach Energieträgern für die Nutzkategorie Raumheizung und Klimaanlagen. Abbildung 16: Private Haushalte - Nutzenergie für Raumheizung und Klimaanlagen nach Energieträgern in 2011. Der Energieverbrauch für Raumheizung und Klimaanlagen für private Haushalte lag im Jahr 2011 bei 14.506 TJ. Mit einem Anteil von 40 % ist in Tirols Haushalten das Gasöl für Heizzwecke (Heizöl extraleicht) der im Jahr 2011 am stärksten genutzte Energieträger. Andere fossile Energieträger, wie Heizöl (1,4 %), Flüssiggas (0,8 %), Kohle (0,4 %) und Naturgas (6 %), spielen eine weniger bedeutende Rolle beim Heizen. Von den Erneuerbaren ist Brennholz der wichtigste Energieträger mit einem Anteil von 29 %, gefolgt von den biogenen Brenn- und Treibstoffen (im wesentlichen Hackschnitzel und Pellets) mit 5 %. Der Anteil der Fernwärme lag im Jahr 2011 bei 7 %, gleichauf mit der elektrischen Energie (Strom). Der Energieverbrauch für Raumheizung und Klimaanalagen ist auch witterungsbedingten Schwankungen ausgesetzt (siehe auch Anhang 2 Heizgradsummen Tirol). So sank der Endenergieverbrauch in der Bundesländerenergiebilanz Tirols von 2010 auf 2011 um 4,7 Petajoule(s) (PJ). Öffentliche und private Dienstleistungen In folgender Punktation sind die für den Sektor Öffentliche und Private Dienstleistungen relevanten Kategorien und deren Anteile am Gesamtverbrauch für das Jahr 2011 angeführt: 12 Entspricht der Kategorie Industrieöfen in der Nutzenergieanalyse 62 Raumheizung und Klimaanlagen (56 %) Warmwassererzeugung und Kochen (21 %) 13 Beleuchtung und EDV (14 %) Standmotoren (6 %) Dampferzeugung (4 %) Die Kategorie Raumheizung und Klimaanlagen ist mit 56 % (5.900 TJ) der wichtigste Energieverbraucher dieses Sektors, wobei nur ein geringer Anteil für Klimaanlagen genutzt wird. Es folgt die zur Warmwassererzeugung und zum Kochen aufgewendete Energie, hier kommt hauptsächlich elektrische Energie mit einem Anteil von 94 % im Jahr 2011 zum Einsatz. Für die Kategorie Beleuchtung und EDV ist ausschließlich die elektrische Energie relevant, bei den Standmotoren setzt sich der Verbrauch zu 72 % aus Strom und zu 17 % aus Diesel zusammen. Abbildung 17 zeigt den Nutzenergiebedarf der Dienstleister für die Nutzkategorie Raumheizung und Klimaanlagen nach Energieträgern. Die im Jahr 2011 vorwiegend eingesetzten Energieträger sind Naturgas, gefolgt von elektrischer Energie und Gasöl (Heizöl extraleicht). Abbildung 17: Öffentliche und Private Dienstleistungen - Nutzenergie für Raumheizung und Klimaanlagen nach Energieträgern in 2011. 13 Entspricht der Kategorie Industrieöfen in der Nutzenergieanalyse 63 2 Ist-Analyse Treibhausgasemissionen Im Jahr 2011 lebten 8,4 % der Bevölkerung Österreichs in Tirol; der Anteil am Bruttoinlandsprodukt betrug 8,7 %. Der Anteil an Österreichs Treibhausgas (THG)-Emissionen betrug 6,7 % (5,5 Mio.t CO2-Äquivalent). Im Jahr 2011 lagen die Pro-Kopf-Emissionen Tirols mit 7,8 t CO2-Äquivalent unter dem österreichischen Schnitt von 9,8 t (siehe Abbildung 18). Abbildung 18: Anteil Tirols an den österreichischen Treibhausgas-Emissionen sowie Pro-Kopf-Emissionen, 1990 und 2011. Abbildung 19: zeigt die Treibhausgas-Emissionen Tirols, aufgegliedert nach Sektoren und Gasen für 2011. Abbildung 19: Anteile 2011 nach KSG-Sektoren und Gasen. KEX: Kraftstoffexport im Tank. 64 Knapp die Hälfte (46 %) der Treibhausgas-Emissionen Tirols stammten 2011 aus dem Sektor Verkehr, knapp ein Viertel aus dem Sektor Energie und Industrie (23 %). Mit einem Anteil von 82 % war Kohlendioxid im Jahr 2011 hauptverantwortlich für die Treibhausgas-Emissionen Tirols. Methan trug im selben Jahr 10 % bei, gefolgt von Lachgas und den fluorierten Treibhausgasen (F-Gasen). Abbildung 20 zeigt die Emissionstrends für Tirol von 1990 bis 2011 nach Treibhausgasen und Sektoren basierend auf der Systematik des Klimaschutzgesetzes (KSG). Abbildung 20: Treibhausgas-Emissionen Tirols in der Einteilung des Klimaschutzgesetzes 1990 bis 2011 in kt CO2-Äquivalent. EH – Emissionshandel. Von 1990 bis 2011 stiegen die Treibhausgas-Emissionen Tirols um 13 %, auf 5,5 Mio.t CO2-Äquivalent an; von 2010 auf 2011 ist eine Reduktion von 3,4 % zu verzeichnen. Hauptverantwortlich für die generelle Emissionszunahme ist der Verkehr. In diesem Sektor kam es von 1990 bis 2011 zu einem Anstieg um insgesamt 66 % (+999 kt). Der Grund für diese Entwicklung liegt im zunehmenden Straßenverkehr, wie auch im Kraftstoffexport ins Ausland, aufgrund der im Vergleich zu den Nachbarstaaten günstigen Kraftstoffpreise in Österreich. Von 2005 auf 2006 kam es durch den seit Oktober 2005 verpflichtenden Einsatz von Biokraftstoffen (Substitutionsverpflichtung) und dem generell geringeren Kraftstoffabsatz 2006 zu einer Abnahme der Emissionen. Von 2007 auf 2008 sanken die Emissionen des Verkehrssektors ebenfalls, Grund hierfür war ein rückläufiger Kraftstoffabsatz sowie ein geringeres Verkehrsaufkommen und ein verstärkter Einsatz von Biokraftstoffen. Die Abnahme von 2008 auf 2009 ist neben Maßnahmen, wie dem verstärkten Einsatz von Biokraftstoffen und Effizienzsteigerungen (unter anderem aufgrund der NOVA-Spreizung), auch durch die Wirtschaftskrise und einem dadurch bedingten Rückgang beim Gütertransport beziehungsweise den Fahrleistungen (auch bei Pkw) hervorgerufen. Zwischen 2010 und 2011 gab es eine Treibhausgas-Reduktion um 3,4 % aufgrund eines geringeren Kraftstoffverbrauchs, bedingt durch steigende Kraftstoffpreise und einer Abnahme des spezifischen Verbrauchs pro Fahrzeug-Kilometer. 65 Die Treibhausgas-Emissionen des Sektors Energie und Industrie haben sich zwischen 1990 und 2011 um 2,6 % (24 kt) erhöht, wobei von 2010 auf 2011 eine Zunahme von 3,4 % zu verzeichnen ist. Von 1990 bis 2011 nahmen die Treibhausgas-Emissionen aus Wohn- und Dienstleistungsgebäuden um insgesamt 5,4 % (–50 kt) ab. Durch den milden Winter im Jahr 2011 kam es im Vergleich zum Vorjahr 2010 zu einer Emissionsabnahme um 13 %. Die Treibhausgas-Emissionen im Sektor Landwirtschaft sind von 1990 bis 2011 um 13,4 % (-94 kt) zurückgegangen. Als Ursache dieser Entwicklung können der geringere Dieselverbrauch, der reduzierte Viehbestand und der sparsamere Mineraldüngereinsatz genannt werden. Im Sektor Abfallwirtschaft bewirkten abfallwirtschaftliche Maßnahmen einen Rückgang der Treibhausgase von 1990 bis 2011 um 60,9 % (–336 kt). Abzüglich der Treibhausgas-Emissionen aus dem Emissionshandelsbereich (520 kt) ergibt sich für Tirol eine Emissionsmenge von 4.998 kt CO2-Äquivalent im Jahr 2011. Bei Betrachtung der nationalen Emissionsmenge gemäß Klimaschutzgesetz (ohne Emissionshandelsbereich) erhöht sich der Anteil Tirols von 7 % auf rund 10 %. 2.1 Kohlendioxidemissionen In Abbildung 21 sind die CO2-Emissionen dem Bruttoinlandsenergieverbrauch sowie dem Bruttoregionalprodukt gegenübergestellt. Zusätzlich ist der Energieverbrauch an fossilen und erneuerbaren Energieträgern für 1990, 2010 und 2011 abgebildet. Das Jahr 1990 entspricht in der Indexdarstellung 100 %. Abbildung 21: CO2-Emissionen, Bruttoinlandsenergieverbrauch (BIEV) und Bruttoregionalprodukt Tirols, 1990–2011. Die CO2-Emissionen Tirols stiegen von 1990 bis 2011 um 27 % auf 4,5 Mio.t, während sich das Bruttoregionalprodukt um 71 % erhöhte. Beim Bruttoinlandsenergieverbrauch ist eine Zunahme von 49 % zu verzeichnen, wobei der Verbrauch erneuerbarer Energieträger um 67 % anstieg. Von 2010 auf 2011 sanken die CO2-Emissionen Tirols um 3,8 %. Der gesamte Bruttoinlandsenergieverbrauch nahm um 1,8 % ab, wobei der Verbrauch von fossilen Energieträgern um 3,9 % und jener von erneuerbaren Energieträgern um 3,7 % zurückging. 66 2.2 Methan- und Lachgasemissionen Abbildung 22 stellt den Methan (CH4)- und Lachgas (N2O)-Emissionen Tirols die wesentlichsten treibenden Kräfte gegenüber. Das Jahr 1990 entspricht in der Indexdarstellung 100 %. Eine Ausnahme bilden die deponierten Abfallmassen, bei denen die Zeitreihe im Jahr 1998 beginnt (das heißt 1998 = 100 %). Abbildung 22: Treibende Kräfte der CH4- und N2O-Emissionen Tirols, 1990–2011. Die CH4-Emissionen Tirols konnten von 1990 bis 2011 um 43 %, das heißt auf etwa 25.600 t reduziert werden, von 2010 auf 2011 um 4,2 %. Hauptverursacher sind die Sektoren Landwirtschaft und Sonstige (i.W. Abfalldeponierung) mit einem Anteil von 61 % beziehungsweise 35 % im Jahr 2011. Gründe für die Abnahme der CH4-Emissionen Tirols sind neben dem leicht gesunkenen Rinderbestand in der Landwirtschaft auch gesetzliche Verordnungen im Abfallbereich (vor allem die Deponieverordnung) und Abfallexporte zur thermischen Behandlung nach Deutschland. Im Bereich der Abfalldeponierung sind dies insbesondere die Verringerung des organischen Kohlenstoffgehaltes im abgelagerten Abfall sowie die seit Beginn der 1990er-Jahre verbesserte Deponiegaserfassung. Für Tirol galt die Ausnahmeregelung nach der Deponieverordnung, weshalb bis 2008 noch vergleichsweise große Mengen an Restmüll direkt deponiert wurden. Die N2O-Emissionen nahmen von 1990 bis 2011 um 3,4 % auf rund 1.000 t ab. Die gestiegenen Emissionen aus der Abwasserbehandlung sowie dem Verkehr und der Industrie sind für diesen Anstieg hauptverantwortlich. Mit einem Anteil von 68 % verursachte 2011 die Landwirtschaft den Hauptteil der N2O-Emissionen Tirols, wobei dieser Sektor durch den gesunkenen Viehbestand und die reduzierte Stickstoffdüngung im Vergleich zu 1990 verringerte N2O-Emissionen aufweist (-15 %). Von 2010 auf 2011 blieben die gesamten N2O-Emissionen Tirols nahezu konstant (-0,4 %). 67 G l o s s a r G lossar 15 Begriffe zum Klimawandel Anpassung an den Klimawandel (Adaptation) Als Anpassung bezeichnet man Maßnahmen, mit denen natürliche und menschliche Systeme (z.B. Tourismus, Landwirtschaft) gewappnet werden, um die Folgen des Klimawandels möglichst unbeschadet zu überstehen. Quelle: www.klimawandelanpassung.at Anpassungsfähigkeit Die Anpassungsfähigkeit eines Landes hängt davon ab, welche Institutionen, Fähigkeiten und Ressourcen ihm zur Verfügung stehen. Quelle: www.klimawandelanpassung.at Emissionsszenarien bezeichnen unterschiedliche Entwicklungen des Ausstoßes anthropogener Treibhausgase. Es gibt 4 Hauptszenarien beziehungsweise Szenariofamilien, welche die Beziehung zwischen Bevölkerungsentwicklung, Wirtschaftsentwicklung sowie technologischem Fortschritt mit der Entwicklung des Treibhausgasaustoßes beschreiben. Jede dieser Szenariofamilien steht für bestimmte ökonomische, ökologische, demographische, soziale und Entwicklungswege, hat also mehrere verschiedene Unterszenarien. Durch die verschiedenen Szenarien wird eine Bandbreite möglicher Entwicklung geschaffen. Die 4 Szenariofamilien sind: A1: Die Welt des globalen Wirtschaftswachstums, A2: Die „Jeder-kämpft-für-sich-Welt“, B1: Die geplante grüne Welt und B2: Die Welt der grünen Regionen. Quelle: ZAMG Informationsportal Klimawandel (städtischer) Hitzeinseleffekt (engl. urban heat island) Phänomen der im Vergleich zum Umland erhöhten Luft- und Oberflächentemperatur in stark verbauten (=versiegelten) Gebieten. Die starke Erwärmung tagsüber und die geringere Abkühlung nachts (Wärmespeicher der Baukörper) haben Auswirkungen auf die Gesundheit. Quelle: Howard 1833, Oke 1982 68 IPCC Abkürzung für „Intergovernmental Panel on Climate Change“ (auch „Weltklimarat“); 1988 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) gegründete Institution zur Sammlung des Forschungsstandes im Bereich „Klimawandel“. In regelmäßigen Abständen werden sogenannte Wissensstandberichte („Assessment Reports") veröffentlicht, die in vielen Fällen als Basis für die politische und wissenschaftliche Diskussion herangezogen wird. Der Assessment Report umfasst 4 Teile: 1. Basiswissen zum Klimasystem, 2. Auswirkungen, Anpassung, Verwundbarkeiten, 3. Verminderung ( Mitigation), 4. Synthese. Neben den Wissensstandberichten werden unter anderem noch Sonderberichte („Special reports“) zu bestimmten Themen veröffentlicht. Quelle: www.klimawandelanpassung.at, Latif 2012 Klima Klima wird im engen Sinn definiert als statistisches „Durchschnittswetter", das in einer Region über Monate bis hin zu Tausenden von Jahren herrscht. Dazu gehören die immer wiederkehrenden, tages- und jahreszeitlichen Schwankungen. Der klassische, von der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) definierte Zeitraum (= Klimanormalperiode) beträgt 30 Jahre. Einbezogen sind Temperatur, Niederschlag und Wind. Die Wissenschaft definiert regional unterschiedliche Klima-Regionen: gemäßigt, tropisch, subtropisch, mediterran oder arktisch. Quelle: www.klimawandelanpassung.at Klimamodell Klimamodelle simulieren das Klimasystem der Erde und seine Veränderungen auf der Grundlage von physikalischen Gesetzen durch mathematische Gleichungen. Wechselwirkungen und Rückkopplungsprozesse werden berechnet - etwa der Zusammenhang von Temperatur, Meeresströmungen und Eisbildung. Quelle: www.klimawandelanpassung.at Klimaschutz / Mitigation Das Ziel des Klimaschutzes ist die Minderung der Treibhausgas-Emissionen, welche die hauptsächliche Ursache der derzeitigen globalen Erwärmung sind. Das Kyoto-Protokoll (erste Verpflichtungsperiode von 2008-2012) ist ein wichtiger Meilenstein zur Erreichung dieses Zieles, da es verbindliche Zielwerte für den Ausstoß von Treibhausgasen fest hält. 183 Staaten haben das Kyoto-Protokoll ratifiziert oder ihm anderweitig formell zugestimmt. Der Rückgang der Treibhausgase kann durch politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche, technologische, usw. Maßnahmen erreicht werden. Quelle: www.klimawandelanpassung.at Klimaszenario /-projektion bezeichnet eine plausible Beschreibung des zukünftigen Klimas unter Verwendung bestimmter und Klimamodelle Emissionsszenarien. Sie gibt an, wie sich das Klima ändert, wenn verschiedene Mengen und Arten an Treibhausgasen emittiert werden. Quelle: www.klimawandelanpassung.at No-Regret-Maßnahmen Als "No regret"-Maßnahmen werden diejenigen bezeichnet, die auf jeden Fall einen umweltpolitischen und wirtschaftlichen Nutzen für die Gesellschaft mit sich bringen, unabhängig davon in welchem Ausmaß die Klimaänderung ausfällt. Als No-regret Maßnahme werden z.B. die Reduktion von Leck-Schäden bei der Wasserinfrastruktur oder die Schaffung von Saison-unabhängigen Tourismus- und Freizeitangeboten verstanden. Quelle: www.klimawandelanpassung.at 69 Permafrost (permanenter Bodenfrost) bezeichnet Boden, Sediment oder Gestein, welches in unterschiedlicher Mächtigkeit und Tiefe unter der Erdoberfläche mindestens 2 Jahre ununterbrochen Temperaturen unter dem Gefrierpunkt aufweist. Das bedeutet, dass Permafrost nur aufgrund der Bodentemperatur definiert ist und Eis zwar enthalten kann, aber nicht muss. Quelle: Brunotte et al. 2002, Nötzli & Gruber 2005 Resilienz (Robustheit, Elastizität und Widerstandsfähigkeit) Fähigkeit eines Systems auf Störungen zu reagieren und dabei seine Struktur und Funktionen, die Fähigkeit zur Selbstorganisation und Anpassungsfähigkeit zu bewahren. Wird die Resilienz eines Systems überschritten ändert sich der Systemzustand. Quelle: vgl. Holling 1973, Adger 2000 Treibhauseffekt Durch diese Fähigkeit wird eine Temperaturerwärmung erreicht, ohne die das Leben auf der Erde gar nicht möglich wäre (= natürlicher Treibhauseffekt). Seit der Industriellen Revolution verstärkt der Mensch den natürlichen Treibhauseffekt durch den Ausstoß von Treibhausgasen und der daraus ergebende Veränderung der Zusammensetzung der Atmosphäre erheblich. Der höhere Anteil von Treibhausgasen sorgt dafür, dass mehr Sonnenstrahlen in der Atmosphäre bleiben und sich dadurch das Klima aufheizt. Diese aktuelle Klimaerwärmung begründet sich durch diesen vom Menschen verursachten Treibhauseffekt. Quelle: www.klimawandelanpassung.at Verwundbarkeit, Verletzbarkeit (engl. Vulnerability) Wie anfällig ein System für Schäden durch den Klimawandel ist, wird als Vulnerabilität (Verwundbarkeit, Verletzlichkeit) bezeichnet. Die Vulnerabilität hängt von verschiedenen Faktoren ab. Von außen sind das Art, Ausmaß und Geschwindigkeit der Klimaänderung sowie deren Schwankungen. Innere Faktoren sind Empfindlichkeit und Anpassungsfähigkeit des jeweiligen Systems. 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I Nr. 50/2012 Tiroler Bauordnung 2011 LGBl. Nr. 57/2011 Tiroler Energiemonitoringbericht 2012; Statusbericht zur Umsetzung der Tiroler Energiestrategie. https://www.tirol.gv.at/fileadmin/themen/umwelt/wasser_wasserrecht/Downloads/Tiroler_EnergiemonitoringBericht2012_Statusbericht-zur-Umsetzung-der-Tiroler-Energiestrategie.pdf.pdf 87 Tiroler Gentechnik Vorsorgegesetz LGBl.Nr. 36/2005 Tiroler Jagdgesetz LGBl. Nr. 41/2004 Tiroler Katastrophenmanagementgesetz LGBI Nr. 33/2006 Tiroler Naturschutzgesetz LGBl. Nr. 26/2005 Tiroler Naturschutzverordnung LGBl. Nr. 18/2006 Tiroler Pflanzenschutzgesetz 2001 LGBl. Nr. 41/2001 Tiroler Pflanzenschutzmittelgesetz 2012 LGBl. Nr. 56/2012 Tiroler Raumordnungsgesetz 2011 LGBl. Nr. 56/2011 Tiroler Stadt- und Ortsbildschutzgesetz 2003 LGBl. Nr. 89/2003 Tiroler Tierzuchtgesetz 2008 LGBl. Nr. 38/2008 Tiroler Waldordnung LGBl. Nr. 55/2005 Tiroler Wirtschaftsförderungsfondsgesetz LGBl. Nr. 16/1989 Übereinkommen über die biologische Vielfalt BGBl. Nr. 213/1995 Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. September 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds (ELER), ABl. L 277. http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2005:277:0001:0040:DE:PDF Verordnung (EG) Nr. 1974/2006 Der Kommission vom 15. Dezember 2006 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds (ELER), ABl. L 368. http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2006:368:0015:0073:DE:PDF Verordnung (EG) Nr. 1998/2006 der Kommission vom 15. Dezember 2006 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf „De-minimis’“-Beihilfen (ABl. L 379, S 5ff). http://www.tirol.gv.at/fileadmin/www.tirol.gv.at/themen/wirtschaft-undtourismus/wirtschaftsfoerderung/downloads/vo-de-minimis-beihilfen.pdf Verordnung (EG) Nr. 800/2008 der Kommission vom 6. August 2008 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag (allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung) (ABl. L 214 vom 9.8.2008, S.3). http://www.tirol.gv.at/fileadmin/www.tirol.gv.at/themen/wirtschaft-undtourismus/wirtschaftsfoerderung/downloads/Allg.GVO.pdf Waldentwicklungsplan (WEP) http://www.lebensministerium.at/dms/lmat/forst/oesterreichwald/raumplanung/waldentwicklungsplan/WEP/2012_neu_WEP-Richtlinie_2012_mit-Leitbild_Helvetica_17-072012_0800/2012_neu_WEP%20Richtlinie_2012_mit%20Leitbild_Helvetica_17%2007%202012_0800.pdf Waldfachplan (WFP) http://www.lebensministerium.at/dms/lmat/forst/oesterreichwald/raumplanung/waldfachplan/WAF/WAF_20Brosch_re_layout_version0/WAF_20Brosch_re_layout_version.pdf Wasserbautenförderungsgesetz 1985 Bundesgesetz über die Förderung des Wasserbaues aus Bundesmitteln (BGBL Nr. 148/1985 i.d.g.F.) Wasserkraft in Tirol – Kriterienkatalog – Kriterien für die weitere Nutzung der Wasserkraft in Tirol (2011). http://www.tirol.gv.at/fileadmin/www.tirol.gv.at/themen/umwelt/wasser/wasserrecht/downloads/Kriterienkatalog_Versio n-07-04-2011_3.0.pdf Wasserrechtsgesetz 1959 (BGBL. Nr. 215/1959 i.d.g.F.), http://www.bmlfuw.gv.at/wasser/wasseroesterreich/wasserrecht_national/wasserrechtsgesetz.html Wirtschaftsbericht Österreich 2013. http://www.bmwfj.gv.at/Wirtschaftspolitik/Wirtschaftspolitik/Documents/Wirtschaftsbericht%20Österreich%202013.pdf 88 Zoonosengesetz BGBl. I Nr. 128/2005 Zukunftsstrategien der Tiroler Landwirtschaft. https://www.tirol.gv.at/fileadmin/themen/land-forstwirtschaft/agrar/zahlen-datenagrarberichte/Landwirtschaft-2020/Ergebnispapier_ZStrategieLW2020__final.pdf Zweites Aktionsprogramm der Gemeinschaft im Bereich der öffentlichen Gesundheit (2008-2013). Beschluss Nr. 1350/2007/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über ein zweites Aktionsprogramm der Gemeinschaft im Bereich der Gesundheit (2008—2013) http://eur-lex.europa.eu/legalcontent/DE/ALL/;jsessionid=JLTCTpGTNTHWgWHwXF9qV3G8tgBnhcdXfHqVQTpST105GDQTTp8V!907663123?uri=CELE X:32007D1350 89 Anhang 1 – Detailauswertung Klimaszenarien Im Folgenden werden Detailauswertungen der Klimaszenarien dargestellt. Zusätzlich zu Temperatur und Niederschlag wurden die zu erwartenden Änderungen für den Zeitraum 2021-2050 der ununterbrochenen Trockentage, der Starkniederschläge, der Kühlgradtage sowie der Heizgradtage im Vergleich zur Bezugsperiode 1971-2000 ausgewertet. Definitionen: Ununterbrochene Trockentage: Aufeinanderfolgende Tage mit weniger als 1mm Niederschlag Starkniederschlag: Tage mit mehr als 30mm Niederschlag Kühlgradtage: Summe von Temperaturdifferenzen (Tagesmittel minus 18,3°C) an Tagen mit einer Mitteltemperatur von über 18,3°C (Tage an denen gekühlt wird) Heizgradtage: Summe von Temperaturdifferenzen (Innenraumtemperatur (20,0°C) - Tagesmitteltemperatur) an Tagen mit einer Mitteltemperatur von ≤ 12,0°C (Tage an denen geheizt wird) 90 Abbildung 23: Jahresgang der erwarteten Klimaänderung (Einheit: Tage/ Monat). Die dicke Linie stellt die mittlere erwartete Klimaänderung dar, der schattierte Bereich die Bandbreite möglicher Entwicklungen. Die Zahlen darüber zeigen die Monatsmittel der Bezugsperiode (Einheit: Tage/ Monat). Abbildung 24: Jahresgang der erwarteten Klimaänderung (Einheit: Tage/ Monat). Die dicke Linie stellt die mittlere erwartete Klimaänderung dar, der schattierte Bereich die Bandbreite möglicher Entwicklungen. Die Zahlen darüber zeigen die Monatsmittel der Bezugsperiode (Einheit:Tage/ Monat). 91 Abbildung 25: Jahresgang der erwarteten Klimaänderung (Einheit: KGT/ Monat). Die dicke Linie stellt die mittlere erwartete Klimaänderung dar, der schattierte Bereich die Bandbreite möglicher Entwicklungen. Die Zahlen darüber zeigen die Monatsmittel der Bezugsperiode (Einheit:KGT/ Monat). Abbildung 26: Jahresgang der erwarteten Klimaänderung (Einheit: HGT/ Monat). Die dicke Linie stellt die mittlere erwartete Klimaänderung dar, der schattierte Bereich die Bandbreite möglicher Entwicklungen. Die Zahlen darunter zeigen die Monatsmittel der Bezugsperiode (Einheit: HGT/ Monat) 92 Anhang 2 – Zusätzliche Informationen zum Klimaschutz Ad Kapitel IST-Analyse Energiebilanz Tabelle 11: Bruttoinlandsverbrauch Tirol für das Jahr 2011 nach Energieträgern und Veränderung zu 1988. Energieträger Veränderung 1988-2011 Wert 2011 Anteil 2011 [%] [TJ] [TJ] [%] Elektrische Energie (Nettoimporte) +159 % +2.902 1.077 1% Wasserkraft (elektrische Energie) +5 % +1.033 20.205 19 % Wind und Photovoltaik (elektrische - +20 20 0% Biogene Brenn- und Treibstoffe +4144 % +12.815 13.124 13 % Brennholz -0 % -20 4.838 5% Umgebungswärme etc. +676 % +1.035 1.188 1% Brennbare Abfälle +47 % +95 295 0% Kohle -36 % -1.046 1.887 2% Öl +29 % +11.401 51.163 49 % Gas +304 % +8.309 11.044 11 % Gesamt +54 % +36.543 104.841 100 % Energie) Ad Kapitel Energetischer Endverbrauch Tabelle 12: energetischer Endverbrauch Tirol für das Jahr 2011 nach Energieträgern und Veränderung zu 1988. Energieträger Veränderung 1988-2011 Wert 2011 Anteil 2011 [%] [TJ] [TJ] [%] Elektrische Energie +20 % +3.073 18.173 19,8 % Fernwärme +392 % +1.950 2 447 2,7 % Biogene Brenn- u. Treibstoffe +1927 % +5.746 6.045 6,6 % Brennholz -0 % -22 4.836 5,3 % Umgebungswärme etc. +672 % +1.029 1.182 1,3 % Brennbare Abfälle +47 % +95 295 0,3 % 93 Kohle -45 % -1.083 1.300 1,4 % Öl +40 % +13.567 47.585 52,0 % Gas +288 % +7.217 9.724 10,6 % Gesamt +53 % +31.571 91.586 100,0 % Nachstehende Tabelle zeigt Verbrauchswerte und Änderungen des energetischen Endverbrauchs im Zeitraum 1988–2011 nach Sektoren. Tabelle 13: Energetischer Endverbrauch Tirol für das Jahr 2011 nach Sektoren und Veränderung zu 1988. Energieträger Veränderung 1988-2011 Wert 2011 Anteil 2011 [%] [TJ] [TJ] [%] +57 % +3.817 10.570 12 % Private Haushalte +16 % +2.772 20.309 22 % Landwirtschaft -26 % -544 1.522 2% Transport +92 % +18.961 39.494 43 % Produzierender Bereich +50 % +6.565 19.691 22 % Gesamt +53 % +31.571 91.586 100 % Öffentliche und private Dienstleistungen 94