Prävalenz antineuronaler Antikörper bei Patienten mit Multipler

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Aus der Neurologischen Universitätsklinik
der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.
Prävalenz antineuronaler Antikörper bei Patienten mit
Multipler Sklerose
INAUGURAL-DISSERTATION
zur
Erlangung des Medizinischen Doktorgrades
der Medizinischen Fakultät
der Albert-Ludwigs-Universität
Freiburg i. Br.
vorgelegt 2008
von Constanze Murek
geboren in Müllheim
Dekan:
1. Gutachter:
2. Gutachter:
Jahr der Promotion:
Professor Dr. med. Christoph Peters
Professor Dr. med. Sebastian Rauer
Professor Dr. med. Almut Zeeck
2009
Meinen lieben Eltern in Dankbarkeit gewidmet
Inhaltsverzeichnis
1
Einleitung
1.1
Multiple Sklerose: Inzidenz und Krankheitsbild
1.1.1 Pathogenese
1.1.2 Diagnostik
2
3
1
1
3
5
1.2
Paraneoplastische neurologische Syndrome: Krankheitsbild
1.2.1 Pathogenese
1.2.2 Diagnostik
1.2.3 Spezifischer Antikörperindex
7
8
9
11
1.3
13
Fragestellung
Patienten, Material, Methoden
14
2.1
Patientenkollektiv
2.1.1 Kriterien zur Unterteilung des Patientenkollektivs:
2.1.2 Kontrollkollektive
14
14
15
2.2
Versuchsmaterialien
2.2.1 Antigene
2.2.2 Chemikalien
2.2.3 Geräte
16
16
16
16
2.3
Methoden
2.3.1 Funktionsprinzip des ELISA
2.3.2 Durchführung des ELISA
2.3.3 Immunoblot mit rekombinanten Antigenen (Ravoblot)
2.3.4 Immunfluoreszenz
2.3.5 Spezifischer Antikörperindex
2.3.6 Bestimmung des Antikörperindexes
18
18
19
21
21
22
23
Ergebnisse
25
3.1
Demographische Daten
25
3.2
Patienten mit Krebserkrankungen
25
3.3
Sensitivität und Spezifität des ELISA
26
3.4
Prävalenz antineuronaler Antikörpern bei Patienten mit Multipler
Sklerose
27
3.5
Positivkontrollen
32
3.6
Antikörperspezifitätsindex
32
4
Diskussion
33
5
Zusammenfassung
44
6
Literaturverzeichnis
45
7
Anhang
51
7.1
Materialien für ELISA
51
7.2
Abbildungsverzeichnis
52
7.3
Tabellenverzeichnis
52
8
Abkürzungsverzeichnis
53
9
Lebenslauf
54
10 Danksagung
55
Einleitung
1 Einleitung
1.1 Multiple Sklerose: Inzidenz und Krankheitsbild
Die Multiple Sklerose (MS) zählt zu den häufigsten atraumatischen neurologischen
Erkrankungen junger Erwachsener [46]. In Deutschland erkranken jährlich 3,5 bis 5
pro 100 000 Einwohner neu an MS (Inzidenz), wobei Frauen etwa doppelt bis
dreifach so häufig betroffen sind wie Männer [11], [13]. Weltweit ist etwa eine Million
Menschen an MS erkrankt [11], in Deutschland wird die Zahl der Erkrankten auf
100 000-120 000 geschätzt [32]. In den nördlichen und südlichen Breitengraden
scheint die MS häufiger aufzutreten als in den äquatornahen Zonen, was auf
verschiedene
Faktoren
wie
genetische
Disposition,
Klima,
Ernährung
und
unterschiedlichen Hygienestandards zurückzuführen sein kann [13]. Bei den meisten
Patienten liegt das durchschnittliche Alter bei Erkrankungsbeginn zwischen dem 20.
und 40. Lebensjahr, in einigen Fällen kann sich die MS aber auch schon vor dem
zehnten Lebensjahr und selten nach dem 60. Lebensjahr manifestieren [13].
Die Multiple Sklerose ist eine chronische Erkrankung unklarer Ätiologie, deren
Charakteristika die Entzündung und Demyelinisierung der Nervenbahnen in Gehirn
und Rückenmark sind. Diese Schädigungen können an den unterschiedlichsten
Stellen des zentralen Nervensystems (ZNS), vor allem jedoch in der weißen
Substanz auftreten, so dass es zu einer Vielzahl unterschiedlicher Symptome
kommen kann [53]: Häufige Frühsymptome sind Sehstörungen, Störungen der
Augenbewegungen mit Doppelbildern, Gefühlsstörungen, Gangunsicherheit und
erste Lähmungserscheinungen an Armen und Beinen. Im weiteren Verlauf können
neben Schmerzsyndromen, Gleichgewichtsstörungen und Miktionsstörungen auch
Sprech- und Schluckstörungen hinzukommen [19], [34].
Neben dem Krankheitsbild ist auch der Verlauf der MS sehr variabel. Grundsätzlich
kann man drei verschiedene Verlaufsformen unterscheiden:
1. den primär chronisch progredienten Verlauf (primary progressive MS, PPMS)
2. den schubförmig remittierenden Verlauf (relapsing-remitting MS, RRMS)
1
Einleitung
3. den sekundär chronisch progredienten Verlauf (secondary progressive MS,
SPMS)
Die primär chronisch progrediente MS ist durch eine schleichende Zunahme der
neurologischen Symptome über einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten
definiert [48]. Während des Krankheitsverlaufes kommt es zu keinen schubartigen
Episoden oder einer Rückbildung der Symptome. Die Diagnose der PPMS wird eher
bei älteren Personen gestellt [34]. Von dieser Verlaufsform sind etwa 10 - 15% der
MS-Erkrankten
betroffen
Behandlungsoptionen
[14].
vor,
Für
bei
die
PPMS
liegen
überlagernden
keine
Schüben
etablierten
kann
ein
Behandlungsversuch mit Interferon beta 1b unternommen werden und bei
maßgeblicher Bedrohung der Gehfähigkeit wird probatorisch eine immunsuppressive
Behandlung (z.B. mit Mitoxantron oder Cyclophosphamid) empfohlen [11].
Bei über 80% der Patienten ist die Erkrankung durch einen schubförmigen Verlauf
charakterisiert. Als Schub wird ein akuter neurologischer Ausfall bzw. die
Verschlechterung einer vorbestehenden Symptomatik definiert, die mindestens 24
Stunden lang anhält und mit einem Zeitintervall von mindestens 30 Tagen zum
Beginn vorausgegangener Schübe auftritt. Gleichzeitig sollen keine Infekte oder
Fieber
nachweisbar
und
die
Symptome
nicht
Körpertemperatur (Uthoff-Phänom) erklärbar sein.
durch
eine
Änderung
der
Häufig können initial eine
einseitige Optikusneuritis, eine belastungsabhängige Schwäche der Beine oder
Sensibilitätsstörungen beobachtet werden. Im Verlauf können sich die Symptome
vollständig oder zumindest teilweise zurückbilden [11]. Diese Verlaufsform ist die
häufigste und betrifft initial vor allem jüngere Menschen zwischen dem 20. und 40.
Lebensjahr.
Therapie der Wahl eines Schubes ist eine Steroid-Hochdosistherapie über drei bis
fünf Tage. Für die Schubprophylaxe stehen Immunmodulatoren wie Interferon beta
und Glatirameracetat sowie seit kurzem auch der monoklonale Antikörper
Natalizumab zur Verfügung [11].
Bei etwa 30 - 40% der Erkrankten kommt es nach zehn bis 15 Jahren zu einer
schleichenden Progredienz der Symptome auch ohne zusätzliche Schübe. Man
spricht dann von einem sekundär chronisch progredienten Verlauf [11], [14].
2
Einleitung
Therapeutisch
werden
bei
relevanter
Verschlechterung
der
Gehfähigkeit
überwiegend Immunsuppressiva eingesetzt.
Das erstmalige Auftreten eines klinischen Ereignisses mit MS-typischen Symptomen
wird als „klinisch isoliertes Syndrom“ (clinically isolated syndrome, CIS) bezeichnet
[11]. Die Diagnose einer MS nach den McDonald-Kriterien kann jedoch erst nach
einer zeitlichen Dissemination im Sinne eines zweiten Schubes oder einer
subklinischen Progression der Erkrankung (neue T2-Läsion) in einem zweiten, nach
30 Tagen durchgeführten MRT festgestellt werden [48].
1.1.1 Pathogenese
Kennzeichnend für die Pathogenese der MS sind die Entstehung multipler
Entzündungsherde und die Demyelinisierung und axonale Schädigung der
Nervenbahnen im ZNS [46].
Zu Beginn der Erkrankung steht vor allem der Nachweis entmarkter Plaques im
Vordergrund [5]. Dabei können histopathologisch vier unterschiedliche Subtypen der
Demyelinisierung
unterschieden
werden,
wobei
die
Entmarkungsmuster
bei
verschiedenen MS-Patienten unterschiedlich sein können, während verschiedene
Läsionen beim gleichen Patienten dasselbe Muster aufweisen: Die beiden ersten
Muster sind durch Makrophagen-vermittelte (Typ I) und Komplement- und Antikörpervermittelte (Typ II) Entzündungsreaktionen gekennzeichnet. Bei den beiden anderen
Mustern (Typ III und IV) ist die Schädigung der myelinbildenden Zellen
(Oligodentrozyten) ein wesentliches Merkmal [5], [11].
Neben der Demyelinisierung treten zu diesem Zeitpunkt auch bereits axonale
Schädigungen und Remyelinisierungsprozesse auf, der Endzustand eines MSHerdes ist durch die makroskopisch sichtbare Vernarbung (Sklerose) charakterisiert
[5], [11].
Die Läsionen treten multifokal auf, vor allem sind aber die periventrikuläre weiße
Substanz, der Nervus opticus, der Hirnstamm, das Cerebellum und das Rückenmark
betroffen [46].
Man nimmt an, dass die Schädigung des ZNS initial auf eine T-Zell-vermittelte
Autoimmunreaktion gegen die Myelinschicht der Neurone zurückzuführen ist [5], [18],
[39]: Aktivierte T-Lymphozyten durchdringen die Blut-Hirn-Schranke und erkennen
3
Einleitung
Myelinantigene, welche ihnen von Mikrogliazellen (MHC Cd8+) präsentiert werden.
Daraufhin induzieren die T-Lymphozyten eine Entzündungsreaktion und setzen
Zytokine (INF-γ, TNF-α, IL-2) und Proteasen frei, die zu einer Öffnung der BlutHirnschranke und damit zum Einstrom von weiteren Immunzellen und Antikörpern
führen. Die Zytokine aktivieren außerdem weitere Mikrogliazellen und Astrozyten, so
dass auch diese Antigene präsentieren können [39].
Während T-Zellen wahrscheinlich für die Initiation der Inflammation durch
Überwindung der Blut-Hirn-Schranke verantwortlich sind, erfolgt die Demyelinisierung
durch weitere Immunmechanismen der zellulären und humoralen Immunantwort [39]:
Dabei spielen Autoantikörper, die sich gegen eine Vielzahl von Myelinproteinen wie
beispielsweise dem Myelin-Oligodentrozyten-Antigen (MOG) oder dem basischen
Myelinprotein (MBP) richten, eine mögliche Rolle [4]. Des Weiteren tragen
Mechanismen wie aktivierte Makrophagen oder myelinolytische Zytokine zum Abbau
des Myelins bei [39].
Immunologischer Ausdruck des entzündlichen Prozesses im ZNS ist bei der Mehrheit
der MS-Patienten eine intrathekale Immunglobulinproduktion. Der Nachweis von sog.
oligoklonalen Immunglobulin-G-Banden (OKB) überwiegend oder ausschließlich im
Liquor spielt in der MS-Diagnostik eine maßgebliche Rolle [34].
In letzter Zeit wurde auch die axonale Schädigung als Faktor bei der Entstehung der
MS diskutiert [15], [46], [35], [52], [56]: Dabei soll es durch die Freisetzung von
Stickstoffmonoxid und Glutamat, aber auch durch B-Zell-Antikörper, die zu einer
Unterversorgung der Axone mit ATP führen, zur Schädigung und zum Untergang der
Axone kommen.
Nach Meinung der Experten korrelieren die entzündlichen und demyelinisierenden
Prozesse
und
die
axonale
Schädigung
mit
den
progredienten
und
den
schubförmigen Phasen der MS, während sie die Remission nach einem Schub als
einen Rückgang der Entzündungsreaktion, als eine Remyelinisierung und eine
vermehrte Ausbildung von Natriumkanälen entlang der geschädigten Nervenfaser
bewerten [46].
4
Einleitung
1.1.2 Diagnostik
Die Diagnosestellung der MS erfolgt nach den McDonald-Kriterien, die im Jahr 2001
veröffentlicht und im Jahr 2005 überarbeitet und revidiert wurden [38], [48]. Es soll
hervorgehoben werden, dass die Diagnose „MS“ eine Ausschlussdiagnose ist, da
eine
Vielzahl
weiterer
Autoimmunerkrankungen
(z.B.
Kollagenosen)
sowie
Infektionen das Bild der MS phänomenologisch imitieren können.
In Tabelle 1 ist ein Schema zur Diagnosefindung nach den McDonald-Kriterien
dargestellt. Darin steht vor allem der MRT-Nachweis einer räumlichen und zeitlichen
Dissemination im Vordergrund.
Für den Nachweis einer räumlichen Dissemination sollen drei der vier folgenden
Kriterien erfüllt sein [48]:
1. Mindestens eine Gadolinium anreichernde Läsion oder neun hyperintense
Läsionen in der T2-Gewichtung.
2. Mindestens eine infratentorielle Läsion.
3. Mindestens eine juxtakortikale Läsion.
4. Mindestens drei periventrikuläre Läsionen.
Zusätzlich gilt nach der Revision 2005 [48]:
-
Eine Läsion im Rückenmark kann eine infratentorielle Läsion ersetzen.
-
Eine Kontrastmittel aufnehmende Läsion im Rückenmark kann eine
Kontrastmittel aufnehmende Läsion im Gehirn ersetzen.
-
Um die neun erforderlichen T2-Läsionen zu erreichen, kann eine Läsion im
Rückenmark dazu addiert werden.
Eine zeitlichen Dissemination gilt als nachgewiesen, wenn:
1. Eine Gadolinium anreichernde Läsion mindestens drei Monate nach
erstmaligem Auftreten der Erkrankung auftritt und diese Läsion eine andere
Lokalisation hat als die des vorausgegangen Schubes
oder
5
Einleitung
2. zu einem beliebigen Zeitpunkt eine neue T2-Läsion im Vergleich zu einer
Voruntersuchung auftritt, die mindestens 30 Tage nach erstmaligem Auftreten
der Erkrankung durchgeführt wurde.
Tabelle 1 - McDonald Kriterien zur Diagnosefindung einer MS [48]
Klinik
Nachweisbare
Läsionen
Zwei oder
mehr Schübe
Zwei oder
mehr Schübe
Zwei oder mehr
Ein Schub
Zwei oder mehr
Ein Schub
Eine
PPMS
Eine
Zusätzliche Anforderungen zur
Diagnosestellung
• keine weitere Anforderung nötig
• MRT-Befund hinsichtlich einer räumlichen
Dissemination oder
• Nachweis von zwei oder mehr MS-typischen
Läsionen im MRT plus positiver Liquorbefund
oder
• ein weiterer Schub, der eine andere Stelle des
ZNS betrifft
• MRT-Befund hinsichtlich einer zeitlichen
Dissemination oder
• klinischer Nachweis eines zweiten Schubes
• MRT-Befund hinsichtlich einer räumlichen
Dissemination oder
• Nachweis von zwei oder mehr MS-typischen
Läsionen im MRT plus positiver Liquorbefund
und
• MRT-Befund hinsichtlich einer zeitlichen
Dissemination oder
• klinischer Nachweis eines zweiten Schubes
Kontinuierliches Fortschreiten der Erkrankung
über 12 Monate und zwei der folgenden
Kriterien:
A: mindestens 9 Läsionen im T2 gewichteten
MRT oder mindestens vier T2 Läsionen mit
pathologischen visuell evozierten Potentialen
(VEP)
B: zwei Läsionen des Rückenmarks in der T2
Gewichtung des MRT
C: positiver Liquorbefund
Tabelle 1 - McDonald Kriterien zur Diagnosefindung einer MS [48]
Die revidierten McDonald-Kriterien von 2005 schlagen auch für die Diagnosestellung
einer PPMS Neuerungen vor: Diese Verlaufsform gilt nun nach Ausschluss anderer
Differentialdiagnosen als gesichert, wenn die Erkrankung über mindestens zwölf
Monate kontinuierlich fortschreitet und zwei weitere Kriterien zutreffen (s. Tabelle 1).
Hierbei ist der Nachweis eines positiven Liquorbefundes nicht mehr zwingend
6
Einleitung
erforderlich, vielmehr erhält ein positiver Befund im MRT einen höheren Stellenwert
[48].
1.2 Paraneoplastische neurologische Syndrome: Krankheitsbild
Als
paraneoplastische
neurologische
Syndrome
(PNS)
bezeichnet
man
neurologische Erkrankungen, die mit einem Tumor assoziiert sind. Die Ursache der
PNS kann dabei jedoch nicht direkt auf den Tumor selbst, seine Metastasen oder die
Therapie des Tumorleidens zurückgeführt werden. PNS sind sehr seltene
Erkrankungen, die Inzidenz beträgt nur etwa 0,5-3% der Tumorpatienten [29]. Am
häufigsten liegen PNS ein kleinzelliges Bronchial-, Mamma- oder Ovarialkarzinom zu
Grunde,
auch
Hodentumoren,
Prostatakarzinome,
Thymome
und
Hodgkin-
Lymphome sind häufig mit PNS assoziiert [21], [29], [61].
Anhand von klinisch-anatomischen Gesichtspunkten lässt sich eine Einteilung der
PNS in Syndrome des ZNS, des peripheren Nervensystems sowie Syndrome der
neuromuskulären Übertragung und des Muskels vornehmen [21]. Die sog.
klassischen PNS sind in Tabelle 2 aufgezählt:
Tabelle 2: Klinisch-anatomische Klassifikation
paraneoplastischer neurologischer Syndrome
Syndrome des ZNS:
-
Enzephalomyelitis
-
Limbische Enzephalitis
-
Subakute Kleinhirndegeneration
-
Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom
Syndrome des peripheren Nervensystems:
-
Subakute sensorische Neuronopathie
-
Chronische gastrointestinale Pseudoobstruktion
Syndrome der neuromuskulären Übertragung und des
Muskels:
-
Dermatomyositis, Polymyositis
-
Lambert-Eaton-Myastheniesyndrom
Tabelle 2 - Klinisch-anatomische Klassifikation paraneoplastischer neurologischer Syndrome
7
Einleitung
1.2.1 Pathogenese
Der Pathogenese der PNS liegt wahrscheinlich ein Autoimmunprozess zu Grunde.
Man nimmt an, dass es im Tumor zu einer ektopen Expression von Proteinen kommt,
die physiologischerweise nur im Nervengewebe exprimiert werden [39]. Diese
Proteine induzieren als onkoneurale Antigene eine Immunantwort, bei der sich
kreuzreaktive Autoantikörper sowohl gegen die Tumorzellen als auch gegen
Nervenzellen richten und so zu einer Nervenzellschädigung führen. Dieser
pathophysiologische Mechanismus wurde bisher allerdings nur für drei PNS (das
Lambert-Eaton-Syndrom, die Neuromyotonie und die tumorassozierte Retinopathie)
nachgewiesen, indem die Erkrankung durch passive Immunisierung bei Labortieren
auf diese übertragen werden konnte. Bei den anderen PNS konnte die
pathophysiologische Bedeutung der Autoantikörper bislang nicht gezeigt werden
[29], bei ihnen vermutet man einen T-Zell-Effektor-Mechanismus als pathogenetische
Grundlage [1], [50], [62].
Es finden sich auch Hinweise darauf, dass eine Expression von onkoneuralen
Antigenen seitens des Tumors alleine nicht ausreicht, um eine Autoimmunantwort zu
induzieren. Laut Dalmau und Kollegen sind auch immunmodulierende Faktoren wie
der Major Histocompatibility Complex (MHC) bei der Präsentation der Tumorantigene
(Hu-Protein) und der damit resultierenden anti-Tumorantwort beteiligt [7]. Des
Weiteren wird Apoptose-induzierenden Proteinen der TNF-Rezeptor-Superfamilie
(Fas-Proteinen) eine immunregulative Rolle zugeschrieben: Eine Störung der
immunsuppressiven Funktion dieser Proteine wie der Induktion der Apoptose und der
Unterdrückung der T-Zell-Proliferation führt zu einer mangelnden T-Zellsuppression
und damit möglicherweise zu einer gesteigerten Autoimmunantwort [23].
Da die gegen den Tumor gerichtete Immunantwort dazu beizutragen scheint, dass
der Tumor sich für einige Zeit nicht ausdehnt und die Erkrankung auf diese Weise
einen „gutartigeren Verlauf“ nimmt [29], könnte der Sinn der paraneoplastischen
Autoimmunreaktion in der Abwehr des Tumors durch das Immunsystem vermutet
werden. In einigen Studien konnte eine Assoziation zwischen einem positiven
Antikörperbefund und einem längerem Überleben der untersuchten Patienten
gefunden werden [20], [64]. Für die Behandlung der PNS wird eine frühzeitige
Entfernung des Tumors und damit der ektopen Antigene empfohlen [61].
8
Einleitung
Aufgrund ihrer hohen Spezifität für einen zu Grunde liegenden Tumor gelten
antineuronale Antikörper als wichtiger Indikator für einen noch nicht entdeckten
Tumor [29], [61]. In vielen Fällen zeigt sich das PNS bevor sich der Tumor klinisch
manifestiert [9], [29]. Aus diesem Grund misst man in der Tumorfrühdiagnostik dem
Nachweis antineuronaler Antikörper eine wichtige Bedeutung bei.
1.2.2 Diagnostik
Die Diagnosestellung eines PNS erfolgt hauptsächlich anhand der klinischen
Symptomatik des Patienten in Assoziation mit einem (latenten) Tumor und dem
Nachweis spezifischer Autoantikörper mittels Immunoblot oder in einem Enzymlinked immunosorbant-assay (ELISA). Voraussetzung ist, dass andere z.B.
infektbedingte Ursachen eines neurologischen Syndroms ausgeschlossen werden
können [61]. Zur Sicherung des Befundes erfolgt ein Bestätigungstest mit einem
zweiten Verfahren, z.B. der indirekten Immunfluoreszenz.
Von einer europäischen Konsensusgruppe wurden Diagnosekriterien und eine
Einteilung in eine definitive und mögliche PNS vorgeschlagen [21]. Diese Kriterien
basieren auf dem Vorhandensein eines neurologischen Syndroms, dem Nachweis
sog. gut charakterisierter antineuronaler Antikörper sowie der Diagnosestellung eines
für das PNS typischen Tumors. Hierbei wird zwischen gut charakterisierten
antineuronalen
Antikörpern
und
nicht
gut
charakterisierten
Antikörpern
unterschieden: Die Bezeichnung „gut charakterisiert“ beinhaltet, dass die Antikörper
von mindesten zwei Arbeitsgruppen bestätigt und an einer ausreichenden Anzahl
von Patienten und Kontrollgruppen getestet wurden [61]. Zu diesen Antikörpern
zählen anti-HuD, anti-Yo, anti-Ma2, anti-Ri, anti-CV2 und anti-Amphiphysin.
Kriterien, die zur Diagnose eines definitiven PNS führen:
1. Ein neurologische Syndrom (klassisch oder nicht klassisch) und Nachweis gut
charakterisierter antineuronaler Antikörper.
2. Ein klassisches PNS und eine Tumordiagnose innerhalb von fünf Jahren.
9
Einleitung
3. Ein nicht klassisches Syndrom, Nachweis antineuronaler Antikörper (gut
charakterisiert oder nicht gut charakterisiert) und eine Tumordiagnose
innerhalb von fünf Jahren.
4. Ein nicht klassisches Syndrom bei bekanntem Tumorleiden und Besserung
des neurologischen Syndroms nach Tumortherapie.
Kriterien eines möglichen PNS:
1. Ein klassisches PNS, keine antineuronalen Antikörper, aber ein hohes
Tumorrisiko (Risikofaktoren sind z.B. Rauchen, Alter über 40 Jahre oder keine
Besserung der neurologischen Symptomatik nach Immuntherapie).
2. Ein neurologisches Syndrom (klassisch oder nicht klassisch) und Nachweis
(noch) nicht gut charakterisierter Antikörper.
3. Ein nicht klassisches Syndrom, keine antineuronalen Antikörper, aber
Tumordiagnose innerhalb von zwei Jahren.
Die Kriterien zur Diagnosefindung der PNS zeigen, welchen hohen Stellenwert der
Nachweis antineuronaler Antikörper in den letzten Jahren erlangt hat. Daher ist es
nachvollziehbar, dass neben der Einteilung der PNS nach klinisch-anatomischen
Gesichtspunkten (s. Tabelle 2) eine Klassifikation anhand des Antikörperbefundes
zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. In Tabelle 3 ist eine Übersicht der sechs
gut charakterisierten antineuronalen Antikörper, die dieser Arbeit zu Grunde liegen,
und
den
damit
assoziierten
Tumoren
zusammengefasst [29], [61].
10
und
häufig
einhergehenden
PNS
Einleitung
Tabelle 3 - Gut charakterisierte antineuronale Antikörper
Antikörper
Häufig assoziierte
Tumore
Neurologisches
Syndrom
Anti-Hu
- Kleinzelliges BronchialCa
(- Neuroblastom)
(- Prostata-Ca)
Anti-Ri
- Mamma-Ca
- Kleinzelliges BronchialCa
- Ovarial-Ca
- Mamma-Ca
- Seminom
- Bronchial-Ca
- Limbische Enzephalitis
- Hirnstammenzephalitis
- Paraneoplastische
Enzephalomyelitis
- Subakute sensorische und
autonome Neuropathie
- Chronisch
gastrointestinale
Pseudoobstruktion
- Kleinhirndegeneration
- Opsoklonus-MyoklonusSyndrom
- Myelitis
- Kleinhirndegeneration
Anti-Yo
Anti-Ma2
Anti-CV2
- Kleinzelliges BronchialCa
- Thymom
Anti-Amphiphysin
- Mamma-Ca
- Kleinzelliges BronchialCa
- Limbische Enzephalitis
- Hirnstammenzephalitis
- Kleinhirndegeneration
- Limbische Enzephalitis
- Kleinhirndegeneration
- Sensible
Polyneuropathie
- Chronisch
gastrointestinale
Pseudoobstruktion
- Lambert-Eaton-Syndrom
- Stiff-Person-Syndrom
- Neuropathie
Tabelle 3 - Gut charakterisierte antineuronale Antikörper
1.2.3 Spezifischer Antikörperindex
Der Nachweis antineuronaler Antikörper kann sowohl im Serum als auch im Liquor
erfolgen [16]. Aus dem Quotienten der spezifischen Antikörper beider Kompartimente
im Verhältnis zum Quotienten des Gesamt-IgG in Liquor und Serum lässt sich der
spezifische Antikörper-Index (AI) berechnen. Dieser dient als Maßstab zur
Quantifizierung der intrathekalen Synthese spezifischer antineuronaler Antikörper.
In einigen Fällen konnte beobachtet werden, dass die Antikörperkonzentration im
Liquor höher war als im Serum [16]. Vega et al. beschreiben in einer Studie, dass bei
Patienten mit einem anti-Hu assoziierten PNS und einer klinischen Manifestation des
Krankheitsbildes im ZNS eine intrathekale anti-Hu Synthese aufgezeigt werden
11
Einleitung
konnte,
wohingegen
bei
Patienten
mit
einer
isolierten
paraneoplastischen
sensorischen Neuropathie keine intrathekale Antikörpersynthese nachweisbar war
[60]. Dies lässt vermuten, dass eine klinisch-immunologische Korrelation zwischen
einer zentralen Manifestation bei positivem Antikörperindex einerseits und einer
peripheren Manifestation bei fehlendem Nachweis einer spezifischen intrathekalen
Synthese andererseits existiert.
12
Einleitung
1.3 Fragestellung
Den
Krankheitsbildern
MS
und
PNS
liegen
höchstwahrscheinlich
Autoimmunprozesse zu Grunde, deren Ursachen für beide Erkrankungen nicht
vollständig geklärt sind. Bei der Erstmanifestation beider Erkrankungen können die
Symptome der MS und PNS einander ähneln, so dass sich die Unterscheidung für
den Kliniker als schwierig erweisen kann. So konnte bislang die Frage, ob das
Krankheitsbild der MS in manchen Fällen durch eine antineuronale Immunreaktion
eines PNS imitiert werden kann, nicht sicher beantwortet werden [39]. PNS sollten
daher als mögliche Differentialdiagnose der MS in Erwägung gezogen werden.
Sowohl bei der MS als auch den PNS ist es möglich, im Liquor und Serum der
Patienten eine Vielzahl von Autoantikörpern nachzuweisen. Während solche
Antikörper bei der MS allerdings nicht spezifisch sind, sondern auch bei anderen
demyelinisierenden Erkrankungen vorkommen können [4], [19], liefert der Nachweis
antineuronaler Antikörper einen direkten Hinweis auf eine paraneoplastische Genese
[21], [61].
Bislang wurde noch kein größeres Kollektiv an MS-Patienten systematisch auf die
Prävalenz der gut charakterisierten paraneoplastischen antineuronalen Antikörper
untersucht. Das Hauptziel der vorliegenden Arbeit ist deshalb die retrospektive
Analyse der Seren eines großen Kollektives an MS-Patienten der Universitätsklinik
Freiburg auf die Prävalenz der sechs gut etablierten Antikörper anti-Hu, anti-Yo, antiMa2, anti-Ri, anti-CV2 und anti-Amphiphysin. Ferner soll bei Seren, die einen
positiven Antikörperbefund aufweisen, der spezifische Antikörperindex bestimmt
werden und so eine Quantifizierung der intrathekalen Antikörpersynthese ermöglicht
werden.
Dabei liegen der vorliegenden Arbeit folgende Hypothesen zu Grunde: Sollte sich bei
einem der MS-Patienten retrospektiv eine hohe antineuronale Aktivität nachweisen
lassen, muss bei diesem Patienten die Diagnose „MS“ reevaluiert werden und
differentialdiagnostisch an ein PNS gedacht werden. Ferner stellt sich die Frage, ob
bei der MS der Neuronenuntergang durch die entzündlich-degenerativen Prozesse
zu einer sekundär-unspezifischen Erhöhung der gut etablierten antineuronalen
Antikörper im Sinne eines Epiphenomens führen kann.
13
Patienten, Material, Methoden
2 Patienten, Material, Methoden
In der vorliegenden Arbeit wurden retrospektiv die Seren von 247 Probanden auf die
Prävalenz der antineuronalen Antikörpern anti-HuD, anti-Yo, anti-Ma2, anti-Ri, antiCV2 und anti-Amphiphysin untersucht. Der Antikörpernachweis erfolgte mittels
ELISA, bei zweimalig positivem Testergebnis im ELISA wurden die Seren mit einem
Bestätigungstest (Immunoblot und Immunfluoreszenz) untersucht.
2.1 Patientenkollektiv
Im Zeitraum vom 01.01.1996 bis zum 31.12.2005 wurden in der neurologischen
Abteilung der Universitätsklinik Freiburg 684 Patienten mit der Diagnose Multiple
Sklerose (ICD G35.-, 341.-) erfasst.
Aus
dieser
Patientengruppe
wurde
ein
Kollektiv
von
247
Probanden
zusammengestellt, bei denen im Rahmen von Routineuntersuchungen in der
Universitätsklinik Freiburg Serum und gegebenenfalls Liquor entnommen und bei
-80°C tief gefroren worden war.
Es erfolgte eine telefonische und schriftliche Kontaktaufnahme mit diesen Patienten,
um über die Ziele und Inhalte der Studie aufzuklären. Des Weiteren wurde um eine
mündliche und schriftliche Zustimmung zur retrospektiven Untersuchung der
asservierten Proben gebeten. Die Studie wurde von der Ethikkommission der
Universitätsklinik Freiburg genehmigt (Antragsnummer Ethikkommission Freiburg:
214/09; Votum vom 09. Oktober 2006).
2.1.1 Kriterien zur Unterteilung des Patientenkollektivs:
Ausgehend von den Arztbriefen und Krankenakten der Patienten wurde das Kollektiv
im Weiteren in folgende vier Gruppen unterteilt:
Gruppe 1: Patienten mit primär chronisch progredient verlaufender MS (PPMS)
Gruppe 2: Patienten mit schubförmig remittierender MS (RRMS)
Gruppe 3: Patienten mir sekundär chronisch progredient verlaufender MS (SPMS)
Gruppe 4: Patienten mit wahrscheinlicher MS (CIS)
14
Patienten, Material, Methoden
Die Unterteilung des Patientenkollektivs in die vier Untergruppen orientierte sich an
den unterschiedlichen Verlaufsformen der MS. Die Diagnose „MS“ aller Patienten
wurde
klinisch,
liquordiagnostisch
und
kernspintomographisch
in
der
Routinediagnostik gesichert. Anhand der Arztbriefe wurden die Patienten unter
Berücksichtigung des in der Anamnese beschriebenen Verlaufs der Symptome sowie
dem dokumentierten Verlauf der Erkrankung gemäß der McDonald Kriterien [38] in
die oben genannten Subgruppen eingeteilt. Für die einzelnen Definitionen der vier
Untergruppen sei auf das Kapitel 1.1 in der Einleitung dieser Arbeit verwiesen.
Abbildung 1 demonstriert die Einteilung des Patientenkollektives anhand eines
Flussdiagrammes:
Abbildung 1 - Einteilung des Patientenkollektives dargestellt als Flussdiagramm
2.1.2 Kontrollkollektive
Als Negativkontrolle dienten 45 Seren von gesunden Studenten und Liquor/Serumproben
von
Patienten
mit
Normaldruckhydrozephalus
(NPH),
deren
Studiendaten in einer vorausgegangen Arbeit von Barbara Kleer erhoben worden
waren [31]. Als Positivkontrolle wurden die Liquor- und Serumproben von 23
Patienten verwendet, die klinisch und serologisch ein gesichertes PNS gemäß der
15
Patienten, Material, Methoden
Konsensuskriterien von 2004 [21] mit hohen Titern der antineuronalen Antikörper
anti-HuD, Yo, Ri, Ma2, CV2 und Amphiphysin aufwiesen. 21 dieser Patienten wurden
bereits in der vorausgegangenen Arbeit von Barbara Kleer untersucht [31].
2.2 Versuchsmaterialien
2.2.1 Antigene
Die Untersuchung der Patientenproben im ELISA basierte auf der Verwendung der
sechs gut charakterisierten onkoneuralen Antigene HuD, Ri, Ma2, Yo, Amphiphysin
und CV2. Diese wurden mittels des Baclovirus Expressionssystems rekombinant
hergestellt, unter Verwendung der Affinitätschromatographie gereinigt und von Ravo
Diagnostika in Freiburg zur Verfügung gestellt.
2.2.2 Chemikalien
Die verwendeten Chemikalien und weitere Laborreagentien sind im Anhang (s.
Kapitel 7.1) aufgelistet.
2.2.3 Geräte
Die Serum- und Liquorproben wurden in Mikrotiterplatten mit 96 Vertiefungen,
Flachboden und hoher Bindungskapazität der Firma Greiner getestet:
Abbildung 2 - ELISA-Platten mit 96 Vertiefungen mit Flachboden
16
Patienten, Material, Methoden
Die einzelnen Waschschritte erfolgten mit Hilfe eines Platten-Waschgerätes der
Firma Tecan:
Abbildung 3 - ELISA-Washer mit Wasser-, Pufferlösung- und Abfallbehälter
Zur Inkubation bei 37°C wurden die ELISA-Platten in einem Wärmeschrank der
Firma Heraeus Instruments aufbewahrt:
Abbildung 4 - Wärmeschrank
17
Patienten, Material, Methoden
Für die Messung der Farbreaktion wurden die Platten in einem ELISA-Reader der
Firma Biolinx, Dynatec MR 4000, gelesen. Die Auswertung erfolgte an einer
angeschlossenen Computerstation:
Abbildung 5 - Plattenlesegerät und Computerarbeitsplatz
2.3 Methoden
Der Nachweis und die Quantifizierung der antineuronalen Antikörper erfolgte mittels
eines Enzym-linked immunosorbent assay (ELISA):
2.3.1 Funktionsprinzip des ELISA
1. Verdünntes Serum wird in die Vertiefungen (Wells) einer Mikrotiterplatte
pipettiert. In diesen Wells sind spezifische Antigene gebunden (Festphase).
2. Wenn
spezifische
Antikörper
(Primärantikörper)
in
den
Serumproben
vorhanden sind, binden diese an die adsorbierten Antigene.
3. In
mehreren
Spülschritten
erfolgt
die
Entfernung
nicht
gebundener,
überschüssiger Serumbestandteile.
4. Danach wird ein zweiter Antikörper aufgetragen, der gegen den ersten
Antikörper gerichtet ist. An diesen Sekundärantikörper ist ein Enzym
(Peroxidase) gekoppelt.
5. Im nächsten Schritt wird ein farbloses Substrat hinzugegeben, welches von
dem Enzym in einen Farbstoff umgesetzt wird.
18
Patienten, Material, Methoden
6. Die Färbung lässt sich mit einem Photometer (ELISA-Reader) als optische
Dichte (OD) messen: je mehr Primärantikörper im Serum vorhanden sind,
desto intensiver ist der Farbumschlag des Substrates und desto größer ist die
OD.
Substrat
Optische Dichte ~
Antikörperkonzentration in
Serumprobe
Farbreaktion
Peroxidase-markierter
Sekundärantikörper
Probe mit Primärantikörper,
der am Antigen bindet
adsorbiertes Antigen
Plattenboden
Abbildung 6 - Funktionsprinzip des ELISA
2.3.2 Durchführung des ELISA
Im ersten Schritt erfolgte die Beschichtung der Mikrotiterplatte mit dem Antigen: Dazu
wurde die entsprechende Menge Antigen (s. Tabelle 4) in Beschichtungspuffer (pH
9,6) verdünnt und jeweils 100µl in die Vertiefungen pipettiert. Die Mikrotiterplatte
wurde dann über Nacht bei 4°C inkubiert, um eine Bi ndung des Antigens an die
Platte zu erreichen. Am nächsten Tag wurde nach dreimaligem Waschvorgang mit
Waschpuffer je 100µl Verdünnungspuffer in die Wells aufgetragen und die Platten bei
Raumtemperatur erneut inkubiert, um unspezifische Bindungen zu blockieren.
Im zweiten Schritt wurden die Serumproben mit Verdünnungspuffer je nach zu
bestimmenden Antikörper im Verhältnis 1:2000, 1:1000 und 1:500 verdünnt (s.
Tabelle 4) und je 100µl der Proben in die Wells pipettiert. Zur Doppeltbestimmung
wurden dabei jeweils zwei Vertiefungen mit derselben Probe gefüllt. Zusätzlich zu
19
Patienten, Material, Methoden
den Serumproben wurden auf jeder Platte ein Positiv-, eine Negativkontrolle und ein
Leerwert (nur Verdünnungspuffer) mitgeführt. Während der 30 minütigen Inkubation
bei 37°C konnten eventuell vorhandene Antikörper au s der Serumprobe an das
Antigen
binden.
Die
Platten
wurden
erneut
dreimal
gewaschen
und
mit
Verdünnungspuffer für eine Stunde geblockt.
Nachdem der mit Peroxidase (HRP; horse radish peroxidase) konjugierte
Sekundärantikörper zuvor im Verhältnis von 1:5000 in Verdünnungspuffer verdünnt
worden war, wurde dieser nun mit jeweils 100µl in die Vertiefungen aufgetragen, die
Platten bei 37°C über dreißig Minuten inkubiert und danach erneut dreimal
gewaschen.
Für die Farbentwicklung wurden vier Orthophenylendiamin- (OPD) Tabletten eine
halbe Stunde vor dem Entwicklungsschritt lichtgeschützt in 12ml Aqua dest.
aufgelöst und kurz vor Start der Reaktion 10µl H202 dazugegeben. Dann wurden
jeweils 100µl dieser Substratlösung in die Wells pipettiert und nach der jeweiligen
Entwicklungszeit (s. Tabelle 4) 50µl H2SO4 dazu gegeben, um den Farbumschlag zu
stoppen.
Tabelle 4 - Konzentrationen für Antigenbeschichtung, Serumverdünnungen,
Entwicklungszeiten und Cut off-Werte der jeweiligen Antigene
Antigen
Konzentration Serumverdünnung Entwicklungszeit Cut
off
Beschichtung
[min]
[mg/l]
HuD
0,8
1:500
1:15 0,077
Ri
0,2
1:1000
1:30 0,065
Yo
0,4
1:2000
1:15 0,049
Ma2
0,8
1:500
1:30 0,177
CV2
0,2
1:1000
1:30 0,156
Amphiphysin
0,2
1:1000
1:30 0,099
Tabelle 4 - Konzentrationen für Antigenbeschichtung, Serumverdünnungen,
Entwicklungszeiten und Cut off-Werte der jeweiligen Antigene
Im letzten Schritt erfolgte die Bestimmung der optischen Dichte mittels Photometer
(ELISA-Reader) bei einer Wellenlänge von 410 nm. Zur Auswertung wurden die
Mittelwerte der jeweiligen Doppeltbestimmungen berechnet und die Mittelwerte der
Leerwertbestimmungen abgezogen.
20
Patienten, Material, Methoden
In einer vorausgegangenen Arbeit von Barabara Kleer wurden die Cut off-Werte
unter
Verwendung
der
45
Seren
von
NPH-Patienten
und
Studenten
(Negativkontrollen) bestimmt (s. Tabelle 4) [31]. Lagen die Ergebnisse der ODMessung über diesen Werten, wurde die Serumprobe als positiv gewertet und in
einem zweiten Durchlauf sowie in einer seriellen Verdünnung des Serums in
direktem Vergleich zu einer seriellen Verdünnung einer Positivkontrolle erneut
getestet.
2.3.3 Immunoblot mit rekombinanten Antigenen (Ravoblot)
Bei positivem Befund im ELISA diente ein Immunoblot (ravo PNS blot, Ravo
Diagnostika GmbH, Freiburg) als Bestätigungstest.
Dieses Testverfahren verwendet rekombinante Antigene (HuD, Yo, Ri, Ma2, CV2,
Amphiphysin) zum Nachweis antineuronaler Antikörper: Dabei werden verdünnte
Serumproben (1:2000) auf Teststreifen mit Antigenen aufgetragen und 60 Minuten
bei Raumtemperatur auf einem Schüttler inkubiert. Gebundene Antikörper können
nun durch Zugabe eines mit Alkalischer Phosphatase markierten IgG-Konjugats (30
Minuten Inkubation) und eines gebrauchsfertigen Substrates (25 Minuten Inkubation)
sichtbar gemacht werden. Die Farbreaktion wird durch Spülen mit Aqua dest.
gestoppt und die Teststreifen mit einer Positivkontrolle verglichen.
2.3.4 Immunfluoreszenz
Als dritte Methode zum Nachweis antineuronaler Antikörper wurde die indirekte
Immunfluoreszenz herangezogen (Neurologie-Mosaik 1, Euroimmun, Lübeck,
Germany).
Bei
diesem
Verfahren
werden
Gewebeschnitte
vom
Primaten
(Cerebellum, Darm und peripherer Nerv) als Antigen-Substrate verwendet. Während
einer ersten Inkubationszeit von 30 Minuten binden sich bei positiven Proben die
nachzuweisenden Antikörper aus dem verdünnten Patientenserum an die Antigene
im Gewebe. Nach einem zweiten Inkubationsschritt (30 Minuten) mit Fluoreszinmarkierten Antikörpern und anschließendem mehrfachen Waschen können die
gebundenen Antikörper im Fluoreszenzmikroskop nachgewiesen werden.
21
Patienten, Material, Methoden
In den Abbildungen 7 und 8 sind eine Negativkontrolle und eine Positivkontrolle für
das Yo-Antigen dargestellt.
Abbildung 8 - Positivkontrolle Yo,
Cerebellum
Abbildung 7 - Negativkontrolle Yo,
Cerebellum
2.3.5 Spezifischer Antikörperindex
Bei Seren, die einen positiven Antikörperbefund im ELISA aufwiesen, wurde der
spezifische Antikörperindex (AI) bestimmt, um damit eine Quantifizierung der
intrathekalen Synthese antineuronaler Antikörper zu ermöglichen.
Der AI wird aus dem Konzentrationsquotienten der spezifischen Antikörper in Liquor
und Serum (Qspez) einerseits und dem Gesamt-IgG-Quotienten in Liquor und Serum
(QIgG) andererseits nach folgender Formel berechnet:
1) AI = Qspez/QIgG
Die Gesamt-IgG-Konzentration im Liquor kann durch verschiedene Prozesse
beeinflusst werden und damit zu einer Verfälschung des AI führen: Entzündliche
Prozesse im ZNS, die zu einer polyspezifischen intrathekalen Immunantwort führen,
und Funktionsstörung der Blut-Liquor-Schranke können eine erhöhte Konzentration
des Gesamt-IgG im Liquor zur Folge haben. Dadurch würde der AI mit falschniedrigen Werten berechnet werden [54].
Aus diesem Grund wird QIgG mit dem Albuminquotienten (QAlb) verglichen. Dieser ist
ein Indikator für die Integrität der Blut-Liquor-Schranke, da Albumin ausschließlich
22
Patienten, Material, Methoden
peripher, d.h. in der Leber produziert wird. Die nicht-lineare Beziehung zwischen QIgG
und QAlb wird nach Reiber und Peter als eine hyperbolische Funktion dargestellt [49]:
2) QLim (QIgG) = 0,93√(QAlb)² + 6 x 10-6 - 1,7 x 10-3
Durch diese Funktion kann im so genannten „Reibergramm“ zwischen einer isoliert
intrathekalen und einer peripheren IgG-Synthese mit Übertritt von IgG nach
intrathekal unterschieden werden: QIgG -Werte, die oberhalb von QLim liegen, geben
Hinweis auf eine polyspezifische intrathekale IgG-Synthese. In diesem Fall wird die
Berechnung des AI auf QLim bezogen, damit die spezifische intrathekale Synthese
nicht unterschätzt wird.
Deshalb gilt:
-
AI = Qspez/ QIgG für QIgG < QLim
-
AI = Qspez / QLim für QIgG > QLim
Als Referenzbereich gelten Werte für AI = 0,7-1,3. Werte des AI > 1,4 sind als
pathologisch anzusehen und sprechen für eine intrathekale Synthese spezifischer
Antikörper.
2.3.6 Bestimmung des Antikörperindexes
Zur Berechnung von Qspez wurden mittels ELISA die ODs der Liquor-Serum-Paare
bei verschiedenen Konzentrationen (20 mg/l, 10 mg/l, 5 mg/l, 2,5 mg/l, 1,25 mg/l,
0,63 mg/l) bestimmt: Dafür wurden die Probenpaare in Liquor und Serum beginnend
bei 20 mg/l mit Verdünnungspuffer auf die gleiche IgG-Konzentration angeglichen
und seriell verdünnt.
Die Gesamt-IgG-Konzentrationen des Liquors (IgGLiquor) und des Serums (IgGSerum)
sowie die Albuminkonzentrationen wurden im Routinelabor im Nephelometer
bestimmt. Aus den im ELISA ermittelten ODs des Liquors (ODLiquor) und des Serums
(ODSerum) und den Gesamt-IgG-Konzentrationen ließ sich nach der oben genannten
Formel 1) der AI berechnen:
23
Patienten, Material, Methoden
a) Qspez = ODLiquor / ODSerum
b) QIgG = IgGLiquor / IgGSerum
Und daraus folgend:
c) AI = Q(ODLiquor / ODSerum)/ Q(IgGLiquor / IgGSerum)
Mit Hilfe der Albuminkonzentrationen wurde nach Formel 2) QLim berechnet und mit
QIgG verglichen: Für Patienten mit Hinweis auf eine polyspezifische IgGKonzentration (QIgG > QLim) wurde anstelle von QIgG zur Berechnung des AI QLim
herangezogen:
d) AI = Q(ODLiquor / ODSerum)/ QLim
Auf diese Weise erhielt man entsprechend der Konzentrationsschritte je sechs
Einzelwerte des AI.
24
Ergebnisse
3 Ergebnisse
3.1 Demographische Daten
Insgesamt ergab sich innerhalb des Gesamtkollektivs eine Geschlechterverteilung
von 82 Männern und 165 Frauen. Das durchschnittliche Alter bei Probenentnahme
betrug 39,0 Jahre. Die größte Subgruppe stellte die Gruppe der RRMS mit insgesamt
136 Patienten dar, die Gruppen der PPMS, SPMS und wahrscheinliche MS/CIS
umfassten jeweils 53, 32 und 26 Patienten.
In Tabelle 5 finden sich die demographischen Daten des Probandenkollektivs und
der Untergruppen zusammengefasst.
Tabelle 5 - Demographische Daten der Patienten und Kontrollgruppen
Gruppe/Subgruppe
MS-Verlaufsform:
PPMS
RRMS
SPMS
wahrscheinliche
MS/CIS
Total
n
Altersdurchschnitt und
Standardabweichung
Geschlecht
(M/F)
53
136
32
26
45,1 (10,7)
35,9 (10,3)
42,9 (14,4)
38,6 (10,6)
25/28
35/101
10/22
12/14
247
39,0 (11,5)
82/165
PPMS: primär chronisch progrediente MS; RRMS, schubförmig remittierende MS; SPMS, sekundär
chronisch progrediente MS; CIS: klinisch isoliertes Syndrom
Tabelle 5 - Demographische Daten der Patienten und Kontrollgruppen
3.2 Patienten mit Krebserkrankungen
Bei drei der 247 (1,2%) getesteten MS-Patienten wurde in der Vorgeschichte von
einem Tumor bzw. dem Verdacht auf eine Krebserkrankung berichtet:
•
Ein PPMS-Patient mit Zustand nach transurethaler Prostataresektion bei
inzidentiellem
Prostatakarzinom
(pT1aGI)
im
Jahr
1996
und
einer
monoklonalen Gammopathie vom Typ IgG mit Verdacht auf Plasmozytom.
Zum Zeitpunkt der Blutentnahme war der Patient 69 Jahre alt, zwischen
25
Ergebnisse
Tumordiagnose und dem Auftreten neurologischer Symptome lagen zwei
Jahre.
•
Eine RRMS-Patientin mit unklarer suprasellärer Raumforderung im MRT 2001,
DD Zyste der Rathke-Tasche. Das Alter dieser Patientin betrug bei
Probenentnahme 35 Jahre, zwischen dem Verdacht auf eine mögliche
Tumorerkrankung und den neurologischen Beschwerden lag ein Jahr.
•
Eine SPMS-Patientin mit Zustand nach Corpus uteri-Karzinom, Erstdiagnose
1998, die Therapie beinhaltete eine Totaloperation und eine perkutane und
intravaginale Bestrahlung, in den Nachsorgeuntersuchungen fand sich kein
Anhalt für ein Rezidiv. Bei Blutentnahme war die Patientin 64 Jahre alt, das
Intervall zwischen Tumordiagnose und der neurologischen Symptomatik
betrug drei Jahre.
Gesicherte Malignome im untersuchten MS-Kollektiv traten damit nur bei zwei von
247 Patienten (0,8%) auf.
3.3 Sensitivität und Spezifität des ELISA
Zur Etablierung des ELISA wurden in einer vorausgehenden Arbeit von Barbara
Kleer die Sensitivität und Spezifität der Methode bestimmt [31]: Dafür wurden 21
Seren von Patienten, die eindeutig eine Paraneoplasie aufwiesen, für alle sechs
Antigene getestet. Alle zeigten ein eindeutig positives Ergebnis mit OD-Werten
zwischen 0,4 und 1,6. Damit konnte für den ELISA eine Sensitivität von 100%
demonstriert werden.
Die Spezifität wurde anhand einer Gruppe von Negativkontrollen untersucht. Diese
beinhaltete Patienten mit nicht-entzündlichen neurologischen Erkrankungen (NPHPatienten) und gesunde Studenten. Jeweils eine Serumprobe zeigt eine geringe
Reaktion mit den Antigenen CV2 und Yo. Für diese beiden Antigene konnte somit
eine Spezifität von 98,9% ermittelt werden, für die übrigen Antigene wurde eine
Spezifität von 100% erreicht.
26
Ergebnisse
3.4 Prävalenz antineuronaler Antikörpern bei Patienten mit
Multipler Sklerose
Bei keinem der 247 Seren der MS-Patienten konnte im ELISA eine hohe
Konzentration der antineuronalen Antikörpern anti-HuD, anti-Ri, anti-Yo, anti-CV,
anti-Ma2 oder anti-Amphiphysin nachgewiesen werden.
In Tabelle 6 sind die Mittelwerte und Standardabweichungen der optischen Dichte für
die jeweiligen MS-Untergruppen und der 45 Negativ- und 21 Positivkontrollen
aufgezeigt.
Tabelle 6 - Mittelwerte und Standardabweichungen der Optischen Dichte (OD)
MS-Verlaufsform:
Antigen:
HuD
PPMS
0,019
(0,017)
0,005
(0,008)
0,010
(0,010)
0,008
(0,016)
0,024
(0,023)
Amphiphysin
0,008
(0,014)
RRMS
0,020
(0,016)
0,006
(0,009)
0,008
(0,011)
0,009
(0,019)
0,022
(0,022)
0,007
(0,011)
SPMS
0,019
(0,025)
0,007
(0,010)
0,004
(0,004)
0,005
(0,007)
0,022
(0,024)
0,003
(0,005)
wahrscheinliche
MS/CIS
0,019
(0,017)
0,009
(0,016)
0,005
(0,006)
0,007
(0,010)
0,021
(0,025)
0,011
(0,018)
MS gesamt
0,019
(0,018)
0,006
(0,010)
0,007
(0,010)
0,008
(0,017)
0,022
(0,023)
0,007
(0,012)
0,024
(0,013)
0,020
(0,011)
0,007
(0,011)
0,031
(0,031)
0,046
(0,033)
0,031
(0,017)
0,724
(0,183)
0,077
0,826
(0,372)
0,065
1,062
(0,393)
0,049
0,776
(0,481)
0,156
0,602
(0,102)
0,177
1,342
(0,000)
0,099
Kontrollen:
Negativkontrollen
(Studenten und
NPH)
Positivkontrollen
Cut off:
Ri
Yo
CV2
Ma2
Tabelle 6 - Mittelwerte und Standardabweichungen der Optischen Dichte (OD)
27
Ergebnisse
Zwei Patienten wiesen eine sehr niedrige Antikörperkonzentration auf, davon zeigte:
•
ein Patient mit einer SPMS einen mäßig positiven Befund für das HuD-Antigen
(OD: 0,138, Cut off: 0,077)
•
eine Patientin mit einer RRMS einen schwach positiven Befund für das YoAntigen (OD: 0,094, Cut off: 0,049)
Diese beide Seren wurden mittels Immunoblot und indirekter Immunfluoreszenz
erneut auf antineuronale Antikörper getestet: In keinem der beiden Verfahren konnte
ein positives Ergebnis erzielt werden. Auch in einer zusätzlich angefertigten seriellen
Verdünnungsreihe (1:500 bis 1:64000) zeigte die HuD-Probe im Gegensatz zur
Positivkontrolle (dazu s. Tabelle 7, Kapitel 3.5) bereits im zweiten Verdünnungsschritt
OD-Werte unterhalb des Cut offs. Für Yo konnte in der Verdünnungsreihe in keinem
Schritt ein positives Ergebnis wiederholt werden.
Für die Antigene Ri, CV2, Ma2 und Amphiphysin konnte in keinem der Seren eine
positive Antikörperreaktion nachgewiesen werden.
Auch die Patienten, bei denen in der Vorgeschichte ein Tumorleiden oder der
Verdacht auf eine Krebserkrankung (s. Kapitel 3.2) festgestellt worden war, zeigten
keinen Hinweis auf das Vorhandensein antineuronaler Antikörper.
Die Ergebnisse des ELISA sind in den nachfolgenden Abbildungen 9 bis 14
dargestellt, wobei jeder Punkt dem Messwert der optischen Dichte eines
Patientenserums entspricht. Werte über der Cut-off-Linie gelten als positiv.
28
Ergebnisse
Anti-HuD Antikörper
1,200
1,000
0,800
OD
0,600
0,400
0,200
Cut off: 0,077
0,000
gesunde
Studenten
NPH
PPMS
RRMS
SPMS
wahrsch.
MS/CIS
Positivkontrollen
Abbildung 9 - Optische Dichte-Werte (OD) aller getesteten Probanden einschließlich Positivund Negativkontrollen für HuD
Anti-Ri Antikörper
1,200
1,000
0,800
OD
0,600
0,400
0,200
Cut off: 0,065
0,000
gesunde
Studenten
NPH
PPMS
RRMS
SPMS
wahrsch.
MS/CIS
Positivkontrollen
Abbildung 10 - Optische Dichte-Werte (OD) aller getesteten Probanden einschließlich Positivund Negativkontrollen für Ri
29
Ergebnisse
Anti-Yo Antikörper
1,600
1,400
1,200
1,000
0,800
OD
0,600
0,400
0,200
Cut off: 0,049
0,000
gesunde
Studenten
NPH
PPMS
RRMS
SPMS
wahrsch.
MS/CIS
Positivkontrollen
Abbildung 11 - Optische Dichte-Werte (OD) aller getesteten Probanden einschließlich Positivund Negativkontrollen für Yo
Anti-Ma2 Antikörper
0,800
0,700
0,600
0,500
0,400
OD
0,300
0,200
Cut off: 0,177
0,100
0,000
gesunde
Studenten
NPH
PPMS
RRMS
SPMS
wahrsch.
MS/CIS
Positivkontrollen
Abbildung 12 - Optische Dichte-Werte (OD) aller getesteten Probanden einschließlich Positivund Negativkontrollen für Ma2
30
Ergebnisse
Anti-CV2 Antikörper
0,900
0,800
0,700
0,600
0,500
0,400
OD
Cut off: 0,156
0,300
0,200
0,100
0,000
gesunde
Studenten
NPH
PPMS
RRMS
SPMS
wahrsch.
MS/CIS
Positivkontrollen
Abbildung 13 - Optische Dichte-Werte (OD) aller getesteten Probanden einschließlich Positivund Negativkontrollen für CV2
Anti-Amphiphysin Antikörper
1,400
1,200
1,000
0,800
OD
0,600
0,400
0,200
Cut off: 0,099
0,000
gesunde
Studenten
NPH
PPMS
SPMS
RRMS
wahrsch.
MS/CIS
Positivkontrolle
Abbildung 14 - Optische Dichte-Werte (OD) aller getesteten Probanden einschließlich Positivund Negativkontrollen für Amphiphysin
31
Ergebnisse
3.5 Positivkontrollen
Die in der vorliegenden Arbeit mitgetesteten sechs Positivseren zeigten alle hohe
Konzentrationen der antineuronalen Antikörper anti-HuD, anti-Ri, anti-Yo, anti-CV,
anti-Ma2 oder anti-Amphiphysin im Bereich zwischen 0,2 und 1,1.
In Tabelle 7 sind die Mittelwerte der ODs der Positivkontrollen und die Ergebnisse
der seriellen Verdünnung dieser Kontrollen aufgelistet:
Tabelle 7 - Mittelwert
Positivkontrollen
und
Standardabweichung
der
Optischen
HuD
Ri
Yo
CV2
Ma2
MW (SD)
0,222
(0,071)
0,826
(0,424)
0,876
(0,087)
0,420
(0,123)
0,726
(0,205)
Verdünnung
Optische Dichte in serieller Verdünnung
Dichte
der
Amphiphysin
1,039
(0,426)
1:500
0,316
-----
1,196
-----
0,835
1,047
1:1000
0,117
0,68
1,113
1,224
0,516
1,019
1:2000
0,096
0,510
0,952
1,000
0,294
0,923
1:4000
0,036
0,37
0,832
0,701
0,158
0,777
1:8000
0,057
0,244
0,658
0,471
0,076
0,648
1:16000
0,004
0,169
0,492
0,286
0,036
0,450
1:32000
0,006
0,117
0,307
0,189
0,013
0,323
1:64000
0,001
0,093
0,164
0,120
0,007
0,189
Tabelle 7 - Mittelwert und Standardabweichung der Optischen Dichte der Positivkontrollen
3.6 Antikörperspezifitätsindex
Bei den beiden im ELISA schwach positiv getesteten Seren wurde die
Antikörperreaktivität im Liquor bestimmt. Dabei fanden sich in beiden Fällen im
Vergleich zur Kontrollgruppe (10 NPH Patienten; [31]) keine signifikant erhöhte ODs
als Hinweis auf eine intrahekale antigenspezifische Synthese. Aus diesem Grund
konnte die Berechnung des spezifischen Antikörperindexes nicht erfolgen.
32
Diskussion
4 Diskussion
Sowohl der Multiplen Sklerose (MS) als auch paraneoplastischen neurologischen
Syndromen (PNS) liegen wahrscheinlich Autoimmunprozesse zu Grunde, die im
Krankheitsverlauf zu einer entzündlich-autoimmunologischen Schädigung des
Nervensystems führen. Da PNS auch isoliert das zentrale Nervensystem betreffen
können, kann sich in seltenen Fällen die Differenzierung eines PNS von einer MS als
schwierig gestalten, weil sich die Klinik bei Erstmanifestation der beiden ätiologisch
unterschiedlichen Krankheitsbilder ähneln kann. So finden sich z.B. die klinischen
Syndrome
einer
Optikusneuritis
oder
einer
Encephalomyelitis
bei
beiden
Erkrankungen [6], [10], [12], [22].
Fallbeispiel
Im Neurologischen Zentrum der Universitätsklinik Freiburg wurde ein Fall beobachtet,
dessen Symptomatik die Kliniker zuerst an eine MS denken ließ, die Bestimmung
antineuronaler Antikörper letztendlich aber wegweisend für die Diagnose eines PNS
war: Ein 47-jähriger, männlicher Patient stellte sich mit seit über einem Jahr
andauernder, an Intensität zunehmender Gangstörungen vor. Zusätzlich berichtete
er über eine depressive Verstimmung und das Auftreten transienter Doppelbilder. Die
neurologische
Untersuchung
ergab
eine
spastische
Paraparese
und
eine
Pallhypästhesie der Extremitäten. Aufgrund dieser Befunde und dem Nachweis eines
für die MS typisch veränderten Liquorbefundes wurde mit dem Patienten die
Verdachtsdiagnose einer chronisch progredienten MS besprochen. Nachdem zwei
Jahre nach Diagnosestellung der MS ein kleinzelliges Bronchialkarzinom festgestellt
worden war, konnten in einer retrospektiven Serumanalyse die antineuronalen
Antikörper anti-HuD und anti-CV2 bereits zum Zeitpunkt der vermeintlichen MSDiagnosestellung nachgewiesen werden. Anhand dieser neuen Befunde wurde die
Diagnose eines PNS gestellt.
Dieser Fall zeigt, dass PNS eine Differentialdiagnose der MS darstellen können. Mit
dem Nachweis der antineuronalen Antikörper ergibt sich ein direkter Hinweis auf ein
paraneoplastisches Geschehen und damit auf einen oftmals okkulten Tumor [21].
Vor diesem Hintergrund wurden in der vorliegenden Arbeit die Seren von 247 MSPatienten auf das Vorhandensein der sechs gut charakterisierten antineuronalen
33
Diskussion
paraneoplastischen Antikörper anti-HuD, anti-Ri, anti-Yo, anti-CV, anti-Ma2 und antiAmphiphysin getestet. Damit sollte untersucht werden, ob in seltenen Fällen PNS
eine MS imitieren können und ob eine kostspielige Testung auf antineuronale
Antikörper bei MS-Patienten in der Routinediagnostik sinnvoll wäre. Ausgangspunkt
war die These, dass es aufgrund eines möglicherweise noch okkulten Tumorleidens
zu einer Immunantwort kommt, bei der sich kreuzreaktive Autoantikörper und TZellen sowohl gegen Tumorgewebe als auch gegen Nervengewebe richten. Die
dadurch entstandene Nervenzellschädigung kann zu einem PNS führen, das
aufgrund seiner Klinik für eine chronisch entzündliche Erkrankung des ZNS, wie
beispielsweise eine MS, gehalten werden könnte.
MS und Malignome – epidemiologische Studien
Der Zusammenhang zwischen Krebs und MS wird in der Literatur kontrovers
diskutiert. Einige epidemiologische Studien beschreiben keine generell erhöhte
Inzidenz
von
Krebserkrankungen
bei
MS-Patienten
im
Vergleich
zur
Allgemeinbevölkerung [63], [66]. Auch weitere Studien belegen, dass MS-Patienten
kein allgemein höheres Risiko haben, einen Tumor zu entwickeln als Nicht-MSErkrankte: Midgard et al. beschreibt eine Studie in Norwegen, in der mit Hilfe des
norwegischen Krebsregisters retrospektiv ein Kollektiv von 1271 MS-Patienten
untersucht worden war, um das relative Risiko einer Krebserkrankung einzuschätzen
[40]. Møller et al. untersuchte mit Hilfe des dänischen Krebsregisters das Krebsrisiko
einer Kohorte von 5359 MS-Patienten in Dänemark, die zwischen 1977 und 1987
einen Krankenhausaufenthalt hatten [41]. Beide Studien schließen mit dem Ergebnis,
dass für MS-Erkrankte verglichen mit der Normalbevölkerung kein generell erhöhtes
Krebsrisiko besteht. Das Follow-up bei Møller et al. betrug im Durchschnitt allerdings
nur 5,2 Jahre [41], eine längerfristige Beobachtung der Patientengruppe wurde nicht
durchgeführt.
In beiden Studien wird aber auch aufgezeigt, dass es für einige spezielle
Krebserkrankungen dennoch ein erhöhtes Risiko gibt und sie vermehrt bei MSPatienten auftreten: Während bei Møller et al. für viele Tumoren (hämatologische
und lymphatische Tumoren, Tumoren des weiblichen Genitaltraktes, RektumKarzinome u.a.) kein signifikanter Unterschied zwischen der Anzahl der erwarteten
und beobachteten Krebsfällen auftrat, konnte er für Tumoren des Harntraktes, für
maligne Hirntumore und für Brust- und Hautkrebs (ausgenommen waren maligne
34
Diskussion
Melanome) ein erhöhtes relatives Risiko feststellen [41]. Frauen mit MS hatten in
dieser Studie sogar ein 50-fach erhöhtes Risiko, ein Nasopharyngeal-Karzinom zu
entwickeln. Diese Beobachtung beruht allerdings auf der Grundlage von nur drei
Patientenfällen, so dass laut Autoren eine weitere Abklärung sinnvoll erscheint.
Bei Midgard et al. zeigte sich eine erhöhte Inzidenz von Brustkrebs bei MSPatientinnen [40]: Von 741 Frauen wurden bei 21 Frauen ein Brustkrebs beobachtet,
im Vergleich waren das 70% mehr als erwartet. Auch Nielsen et al. veröffentlichte vor
wenigen Jahren Daten, aus denen hervorgeht, dass Frauen mit MS ein erhöhtes
Risiko haben, an Brustkrebs zu erkranken [42]: In seiner Studie verglich er
Patientendaten
des
dänischen
MS-Registers
mit
denen
des
dänischen
Krebsregisters und setzte die Anzahl der Krebsfälle bei MS-Erkrankten in Bezug zur
erwarteten Krebsinzidenz in der Normalbevölkerung. Ebenso wie bei Møller und
Midgard konnte in dieser Studie zwar kein generell erhöhtes Risiko für
Krebserkrankungen bei MS-Patienten gefunden werden, aber auch hier war sowohl
das relative Risiko für nasopharyngeale Tumoren als auch für Brustkrebs signifikant
erhöht. Letzteres ist laut Nielsen und Kollegen nicht auf eine niedrige Anzahl
ausgetragener Schwangerschaften oder auf ein höheres Lebensalter der Mutter bei
der Geburt des ersten Kindes zurückzuführen. Interessanterweise konnte zusätzlich
gezeigt werden, dass die Tumoren bei Diagnosestellung bei Frauen mit MS eine
größere Ausdehnung hatten als bei anderen Frauen. Dies lässt die Autoren zu dem
Schluss kommen, dass es sich bei den beobachteten Ergebnissen bezüglich der
erhöhten Inzidenz von Brustkrebs nicht um eine Verzerrungserscheinung in der
Erfassung und Bewertung des Krankheitsbildes handelt [42].
Auch in anderen Studien finden sich Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen
MS und Tumoren. Anderson et al. beschreibt ein erhöhtes Vorkommen von Gliomen
in ZNS-Bereichen, in denen eine vermehrte Demyelinisierung nachgewiesen werden
konnte [2]. In Finnland wurde von Palo et al. eine erhöhte Prävalenz und
Mortalitätsrate an Krebs bei MS-Patienten beobachtet [44]. Und auch Sumelahti et al.
konnte ein erhöhtes Risiko für ZNS-Tumoren und hämatologische Tumoren bei MSPatienten in Finnland nachweisen. In letzterem Fall vermuten die Autoren eine
mögliche gemeinsame infektiöse Ätiologie, wohingegen sie die Assoziation von MS
und ZNS-Tumoren auf eine Missklassifikation zurückführen [58].
Des Weiteren zeigte eine kürzlich veröffentliche Studie von Torkildsen et al., dass
Patienten mit MS ein doppelt so hohes Risiko haben, an Krebs zu versterben als die
35
Diskussion
Normalbevölkerung [59]. Diese Studie umfasste insgesamt ein Kollektiv von 878 MSPatienten in Norwegen: Frauen verstarben dabei häufiger an Krebs als Männer [59].
Eine Studie von Hjalgrim et al. beschäftigte sich mit der Entstehung des Morbus
Hodgkin bei MS-Erkrankten und ihren Verwandten ebenso wie mit der Entwicklung
einer MS bei Patienten, die an einem Hodgkin-Lymphom erkrankt waren, und deren
Familien. Dabei stellte sich heraus, dass es zwar einerseits nur wenige Fälle von
Hodgkin-Lymphomen bei MS-Patienten und MS-Erkrankungen bei Patienten mit M.
Hodgkin gab. Dafür konnte allerdings für erstgradig Verwandte von MS-Patienten ein
erhöhtes Risiko, im jungen Erwachsenenalter an einem Hodgkin-Lymphom zu
erkranken, festgestellt werden. Außerdem war auch das Risiko einer MS-Erkrankung
bei erstgradig Verwandten von Hodgkin-Lymphom-Patienten signifikant erhöht. Diese
Häufung von MS und Hodgkin-Lymphomen in einer Familie kann nach Ansicht der
Autoren gemeinsame umwelt- und/oder anlagebedingte Risikofaktoren widerspiegeln
[24].
Patienten mit Malignomen und Raumforderungen in der aktuellen
Studie
In der vorliegenden Studie sind drei Patienten eingeschlossen, bei denen zum
Zeitpunkt der Probenentnahme ein Tumor bekannt war oder eine Krebserkrankung
vermutet wurde: Neben einem Patienten mit Prostata-Karzinom und Verdacht auf ein
Plasmozytom fanden sich eine Patientin mit operiertem Corpus uteri-Karzinom und
eine Patientin mit suprasellärer Raumforderung. Bei der zuletzt genannten Patientin
konnte der initiale Verdacht auf eine maligne Neoplasie allerdings nicht bestätigt
werden: Anhand der kernspintomographischen Untersuchung wurde schließlich der
Verdacht auf eine Zyste im Hypophysenbereich (Rathke´sche Zyste) gestellt.
Letztendlich wiesen somit nur zwei der 247 MS-Patienten (0,8%) ein gesichertes
Malignom auf. Dies entspricht in etwa der Prävalenz von Karzinomen bei MSPatienten (0,64%) in Finnland in der Studie von Palo et al. [44]. Interessanterweise
beschreibt Midgard et al. ein statistisch zwar nicht signifikantes, aber dennoch
erhöhtes Risiko für Corpus uteri-Karzinome bei MS-Patientinnen in Norwegen [40].
Auch Møller et al. konnte ein leicht erhöhtes Risiko für Corpus uteri-Karzinome
(RR=1,4) bei MS-Patienten in Dänemark aufzeigen [41], auch wenn dies vor allem
junge Patientinnen betraf und die in dieser Studie eingeschlossene Patientin mit
Corpus uteri-Karzinom bei Probenentnahme bereits 64 Jahre alt war. Des Weiteren
36
Diskussion
konnte in dieser Studie auch ein erhöhtes Risiko für Hirntumore (RR=1,7) festgestellt
werden, allerdings wies keiner der untersuchten MS-Patienten ein Plasmozytom auf.
Für Prostata-Karzinome (RR=0,9) konnte diese epidemiologische Studie kein
erhöhtes Risiko zeigen. [41]
Bei keinem der beiden Patienten mit Malignom konnte im Serum eine erhöhte
Konzentration antineuronaler Antikörper nachgewiesen werden, so dass gemäß den
Konsensuskriterien von Graus et al. kein Hinweis auf ein „definitives“ PNS besteht (s.
Kapitel I.2.2). Allerdings muss bedacht werden, dass PNS auch ohne oder mit nicht
typischen antineuronalen Antikörpern auftreten können. Darüber hinaus lagen
zwischen Tumordiagnose und dem Auftreten neurologischer Symptome nur wenige
Jahre, so dass anhand der Konsensuskriterien ein „mögliches“ PNS nicht sicher
ausgeschlossen werden kann [21].
Paraneoplastische neurologische Syndrome mit Demyelinisierung
des ZNS
Einige wenige Fallstudien berichten über eine Demyelinisierung des ZNS aufgrund
eines möglichen paraneoplastischen Geschehens, welches differentialdiagnostisch
an eine MS denken lassen könnte. Kaluza et al. beschreibt den Fall eines 68jährigen Patienten, der an einem Seminom erkrankt war und der neben der
Symptomatik einer limbischen und bulbären Enzephalitis auch Zeichen einer
zerebellären Degeneration aufwies. Nach seinem Tod wurde bei diesem Patienten
ein PNS diagnostiziert, allerdings fanden sich keine spezifischen Antikörper [30].
Jaster et al. vermutet aufgrund einer Fallstudie von zwei Patienten mit solitären,
fokalen Demyelinisierungen und Malignomen außerhalb des ZNS (Seminom und
Lymphom) eine mögliche paraneoplastische Ursache der neurologischen Symptome
[26]. Des Weiteren greift er die epidemiologische Studie von Sumelahti et al. über die
erhöhte Inzidenz von hämatologischen Malignomen und ZNS-Tumoren bei MSPatienten in Finnland auf und stellt die Ergebnisse in Zusammenhang mit einer
paraneoplastischen Genese [28]. Darüber hinaus fasst er einige Fallserien anderer
Autoren zusammen, bei deren Patienten eine ZNS-Demyelinisierung und entweder
Seminome oder ZNS-Lymphome nachgewiesen werden konnten. Auch hier zieht er
die Möglichkeit einer paraneoplastischen Genese der Demyelinisierung in Betracht
und fordert zu einer intensiveren Diskussion auf [27].
37
Diskussion
Eine Studie von Glantz et al. beschreibt vier Patienten mit verschiedenen PNS und
pathologischen MRT-Befunden in Regionen des ZNS, die mit der Klinik der Patienten
vereinbar waren: Davon zeigte ein Patient mit paraneoplastischer Enzephalomyelitis
(PEM) in der T2-gewichteten MRT-Aufnahme einzelne Läsionen im zervikalen
Rückenmark und im Hirnstamm. Ein weiterer Patient mit nekrotisierender
Myeolopathie wies T2-Läsionen im thorakalen Rückenmark auf, außerdem konnte
bei ihm eine uneinheitliche Gadoliniumanreicherung und in der Rückenmarksbiopsie
eine
Demyelinisierung
nachgewiesen
werden
[17].
Aufgrund
dieser
Befundkonstellationen könnte sowohl hier als auch im nachfolgend beschriebenen
Fall differentialdiagnostisch eine MS in Betracht gezogen werden. Wong et al.
berichtet in einem Case-Report von einem 54-jährigen Patienten mit einem Seminom
und einer neurologischen Symptomatik, die sich in zunehmenden Konzentrationsund Gedächtnisschwierigkeiten und Verwirrtheit äußert. Die cerebrale Bildgebung
(CT und MRT) und eine stereotaktische Biopsie zeigen eine demyelinisierende
Läsion mit zusätzlichem Axonenverlust im periventrikulären Bereich. An diesem
Beispiel veranschaulicht Wong et al., dass im Fall eines bekannten Tumors, einer
neurologischen Symptomatik und einer entsprechenden Bildgebung an eine
paraneoplastische Erkrankung gedacht werden sollte [65].
In einigen weiteren Fällen konnten zudem paraneoplastische Syndrome beobachtet
werden, die verdeutlichen, dass zentral demyelinisierende Erkrankungen eine MS
oder ein Devic Syndrom imitieren können: So gibt Ojeda et al. in seiner Fallserie zwei
Fälle wieder, in denen die Patienten an einer Paraplegie litten und mittels Biopsie
eine ausgeprägte nekrotisierende Myelopathie nachgewiesen werden konnte. Bei
beiden Patienten war in der Vorgeschichte ein Tumorleiden bekannt (Lungentumor
und Brustkrebs). Aus diesen Befunden schließen die Autoren auf zwei neue
mögliche
Beispiele
einer
nekrotisierenden
Myelopathie
paraneoplastischen
Ursprungs, obwohl diese neurologische Erkrankung ein eher ungewöhnliches
Beispiel einer PNS darstellt [43]. Auch Antoine et al. beschreibt einen Fall, in
welchem ein Patient an einer Myasthenia gravis und einem Thymom erkrankt war.
Zusätzlich entwickelte dieser Patient vier Monate nach der Tumorbehandlung eine
Neuromyelitis optica (NMO; Devic Syndrom) und eine nekrotisierende Myositis. Im
Serum fanden sich in der Akutphase der NMO-IgG Antikörper, die mit dem Gewebe
des ZNS und des Tumors reagierten, so dass Antoine und Kollegen daraus einen
denkbaren paraneoplastischen Zusammenhang zwischen Thymomen und dem
38
Diskussion
Devic Syndrom herleiteten [3]. Auch eine weitere Fallstudie zeigt nach Ansicht von
Ducray et al., dass in seltenen Fällen eine NMO paraneoplastischen Ursprungs sein
kann: Die Autoren berichten von einer Patientin, bei der sich phänotypisch ein Devic
Syndrom (und eine nekrotisierende Myelopathie) vermuten ließ und bei der neben
einem Thymom auch anti-CV2/CRMP5-Antikörper nachgewiesen werden konnten
[12]. Bezug nehmend auf eine Studie von Cross et al., in der drei Fälle einer
Myelopathie in Assoziation mit anti-CV2/CRMP5-Antikörper und Krebserkrankungen
beschrieben wurden [6], schlägt er eine zusätzliche Untersuchung auf antineuronale
Antikörper bei Myelopathien unbekannten Ursprungs vor. In der Studie von Cross et
al. dient CV2/CRMP5-IgG als serologischer Marker für eine paraneoplastische
Optikusneuritis/Retinitis
in
Zusammenhang
mit
einem
kleinzelligen
Bronchialkarzinom. Er beschreibt insgesamt 16 Patienten, von denen sich die
meisten
mit
einem
Visusverlust
und
multikokalen
neurolgischen
Ausfällen
präsentierten. Bei den drei Patienten, bei denen die Myelopathie im Vordergrund
stand, wurden initial die Diagnose MS oder Devic Syndrom gestellt [6].
Prävalenz der sog. gut charakterisierten antineuronalen Antikörper
bei Patienten mit MS in der aktuellen Studie
In der vorliegenden Arbeit konnte bei nur zwei der 247 untersuchten MS-Patienten
eine
sehr
niedrige
antineuronale
Aktivität
(anti-Yo,
anti-HuD)
im
ELISA
nachgewiesen werden. Beide Seren wurden parallel zu einer Positivkontrolle in einer
seriellen Verdünnungsreihe untersucht. Während für das Yo-Serum in keinem Schritt
ein positives Ergebnis wiederholt werden konnte und das HuD-Serum bereits im
zweiten Verdünnungsschritt keine Reaktivität mit den rekombinanten Antigenen mehr
zeigte, fanden sich bei den Positivkontrollen Titer zwischen 1:16 000 und 1:128 000
[55]. Im Folgenden soll kurz auf beide MS-Patienten mit schwach positiver
antineuronaler Aktivität im Serum eingegangen werden:
Eine Patientin mit einer schubförmig verlaufenden MS zeigte einen schwach
positiven Befund für anti-Yo-Antikörper. Da aber sowohl im Immunoblot als auch in
der indirekten Immunfluoreszenz dieses Ergebnis nicht verifiziert werden konnte, ist
anzunehmen,
dass
es
sich
dabei
höchstwahrscheinlich
um
unspezifische
Hintergrundaktivität des ELISAs handelt. Der zweite Patient wies einen sekundär
chronisch progredienten MS-Verlauf auf. Bei ihm konnte eine niedrige Konzentration
39
Diskussion
von
anti-HuD
Antikörpern
gefunden
werden.
Allerdings
verlief
seine
Krankheitsgeschichte über einen Zeitraum von über 24 Jahren, was gegen eine
paraneoplastische Ätiologie spricht. Darüber hinaus waren auch hier beide
Bestätigungstests negativ, so dass auch dieses Ergebnis eher auf unspezifische
Bindungen im ELISA zurückzuführen ist als auf ein paraneoplastisches Geschehen,
insbesondere da für PNS typischerweise hohe Titer antineuronaler Antikörper zu
erwarten sind [8].
Für die Seren der anderen Patienten konnte keiner der sechs gut charakterisierten
antineuronalen Antikörper anti-HuD, anti-Ri, anti-Yo, anti-CV, anti-Ma2 oder antiAmphiphysin nachgewiesen werden.
Wenngleich das Fehlen dieser antineuronalen Antikörper ein PNS nicht ausschließt,
ist
unter
Berücksichtigung
neurologische
Syndrome
der
bei
Konsensuskriterien
diesen
Patienten
eine
für
paraneoplastische
Paraneoplasie
sehr
unwahrscheinlich [20]. Aufgrund dieser Ergebnisse scheint eine kostspielige,
routinemäßige Bestimmung von antineuronalen Antikörpern im Rahmen der MSDiagnostik nicht erforderlich zu sein. Allerdings sollte dabei bedacht werden, dass
nicht zwangsläufig jedes PNS mit antineuronalen Antikörpern assoziiert ist und es
außer den sechs gut charakterisierten antineuronalen Antikörpern, die dieser Arbeit
zu Grunde lagen, noch weitere nicht etablierte Antikörper gibt, die mit einem PNS
vergesellschaftet sein könnten.
Klassische antineuronale Antikörper als Epiphenomen des
neuronalen Untergangs bei MS?
Eine weitere These dieser Arbeit beschäftigt sich mit der bereits früh in der
Krankheitsphase einsetzenden axonalen Schädigung bei der MS, aufgrund derer es
zu einem sogenannten „Epitope spreading“ kommen kann [45]: Hierbei wäre im
Rahmen der neuronalen Degeneration eine Freilegung von autologen Determinanten
denkbar, die im Kontext von MHC-Molekülen von sog. Antigen-präsentierenden
Zellen (APC) präsentiert werden. Gegen diese Determinanten könnten sich im Sinne
einer sekundären Immunantwort neben Autoantigen-spezifischen T-Zellen auch
antineuronale
Antikörper
richten.
Bislang
konnte
bei
Patienten
mit
demyelinisierenden Autoimmunkrankheiten wie der MS eine Vielzahl von Antikörpern
nachgewiesen werden, die sich gegen Bestandteile des ZNS richten. Insbesondere
40
Diskussion
bei der PPMS wird einer B-Zell-Autoimmunität eine besondere Rolle zugeschrieben:
So konnte Sadatipour et al. bei Patienten mit PPMS im Gegensatz zu Patienten mit
RRMS/SPMS eine erhöhte Serumkonzentration von Antikörpern gegen axonale
Bestandteile (Antigangliosid-Antikörper) nachweisen, welche laut Autoren den
progredienten Verlauf der Erkrankung erklären könnten [52].
Des Weiteren untersuchte Berger et al. in einer Studie 103 CIS-Patienten, bei denen
Antikörper gegen Myelinproteine wie dem Myelin-Oligodentrozyten-Antigen (MOG)
oder dem basischen Myelinprotein (MBP) zu einer frühen Konversion in eine klinisch
definitive MS beitragen könnten [4]. Ferner beschrieben Lennon und Kollegen sog.
NMO-IgG Antikörper, die eine hohe Spezifität für eine Neuromyelitis optica (NMO;
Devic Syndrom) aufwiesen [33]. Histopathologisch finden sich bei der NMO ähnliche
Befunde mit Ablagerung von IgG und Komplement als Hinweis auf eine maßgebliche
Beteiligung
des
humoralen
Immunsystems
wie
bei
MS-Patienten
des
histopathologischen Subtyps II nach Lucchinetti et al. [36]. Die Rolle der IgG-NMOAntikörper in der Ätiopathogenese der NMO ist jedoch noch unklar [25]. Roussel et
al. konnte in einer Studie von 89 MS-Patienten eine erhöhte Prävalenz von AntiPhospholipid-Antikörpern nachweisen [51]. Des Weiteren zeigte Mathey et al. einen
möglichen Zusammenhang zwischen einem Antikörper gegen Neurofaszin und dem
axonalen Verlust bei MS-Erkrankungen auf [37]. Welche Rolle diese Antikörper in der
Pathogenese allerdings spielen, ist auch hier noch unklar.
Sueoka et al. untersuchte in einer Studie die Seren und den Liquor von 35 MSPatienten auf das Vorhandensein von Antikörpern gegen heterogene nukleäre
Ribonukleinproteine (hnRNP A und B) und verglich die Ergebnisse mit 25 Patienten,
die an einer anderen neurologischen Erkrankung litten. Dabei konnte er im Liquor
von 32 MS-Patienten (91,4%) Antikörper gegen hnRNP B1 nachweisen [57].
Interessanterweise gehört nach Pittock et al. das Ri-Antigen zur Familie der hnRNPs
[47]. Dass anti-Ri-Antikörper ausschließlich mit PNS assoziiert sind, die das ZNS
(Hirnstamm, Kleinhirn und Rückenmark) betreffen [47], ist gut damit vereinbar, dass
bei Sueoka et al. der Nachweis der Anti- hnRNP B1 -Antikörper auf den Liquor der
MS-Patienten beschränkt war [57].
In der vorliegenden Studie konnte bei keinem der Patienten mit MS oder CIS eine
erhöhte Reaktivität mit dem rekombinanten Ri-Antigen detektiert werden. Ebenso
konnte für keinen der beiden Patienten, die im Serum eine niedrige Konzentration
paraneoplastischer Antikörper (anti-Yo, anti-HuD) erkennen ließen, einer der
41
Diskussion
klassischen antineuronalen Antikörper in der entsprechenden Liquorprobe gezeigt
werden. Da die aktuelle Studie zum Nachweis antineuronaler Antikörper im Serum
etabliert wurde, kann hinsichtlich einer möglichen geringen Konzentration dieser
Antikörper
im
Liquor
-
wie
sie
beispielsweise
bei
sekundären
epiphenomenologischen Reaktionen gegen Autoantigene denkbar wäre - keine
Stellung bezogen werden.
Quantifizierung einer intrathekalen Antikörpersynthese anhand des
spezifischen Antikörperindexes
In einigen Studien konnte gezeigt werden, dass bei PNS mit zerebraler Beteiligung
ein erhöhter IgG-Index oder oligoklonale Banden im Liquor vorlagen [16], [54]. Dies
könnte darauf zurückzuführen sein, dass es im Rahmen
der Ätiopathogenese
zentraler PNS zu einem intrathekalen Autoimmunprozess kommt. Außer einer
intrathekalen IgG-Synthese als Zeichen einer unspezifischen Immunreaktion kann in
manchen Fällen auch IgG, welches sich gegen ein spezifisches Antigen richtet,
nachgewiesen werden. In der Studie von Furneaux et al. fand sich eine intrathekale
spezifische IgG-Synthese mit einer erhöhten relativen Konzentration spezifischer
Autoantikörper im Vergleich zum Serum [16].
Die MS ist eine isolierte Erkrankung des ZNS. Somit stellt sich die Frage, ob bei MSPatienten mit geringer antineuronaler Aktivität im Serum eine spezifische intrathekale
Synthese
der
entsprechenden
antineuronalen
Antikörper
vorliegen
könnte.
Interessanterweise wurde in einer Studie zum Antikörperindex von Stich et al. ein
Patient mit einem anti-Ri assoziierten PNS und zentraler Manifestation beschrieben,
der im Serum nur eine geringe anti-Ri-Aktivität aufwies, jedoch im Liquor hoch positiv
war [54]. Vor diesem Hintergrund erfolgte in der vorliegenden Arbeit die Bestimmung
der anti-Yo bzw. anti-HuD spezifischen Synthese der beiden im Serum schwach
positiven Patienten. Da sich in beiden Fällen in der Liquoruntersuchung im Vergleich
zur Kontrollgruppe keine signifikant erhöhten ODs als Zeichen einer möglicherweise
vorliegenden intrathekalen spezifischen Antikörpersynthese nachweisen ließen,
konnte die Berechnung des spezifischen Antikörperindexes nicht erfolgen. Somit
ergab sich auch kein Anhalt für eine anti-Yo- bzw. anti-HuD-spezifische intrathekale
Antikörpersynthese bei beiden Patienten.
42
Diskussion
Conclusio
Insgesamt
kann
anhand
der
Ergebnisse
dieser
Studie
nicht
auf
einen
Zusammenhang zwischen typischen Symptomen einer MS und der Prävalenz gut
charakterisierter antineuronaler Antikörpern geschlossen werden, der eine sekundäre
Immunantwort aufgrund von Neuronuntergang oder gar eine paraneoplatische
Genese vermuten ließe. Der routinemäßige Einsatz der Bestimmung der gut
charakterisierten antineuronalen Antikörper (anti-HuD, Yo, Ri, Ma2, CV2 und
Amphiphysin) erscheint daher nicht sinnvoll. Dennoch könnte sich die Bestimmung
antineuronaler Antikörper bei Abklärung der Verdachtsdiagnose MS in einigen Fällen
durchaus als hilfreich erweisen: Bei Patienten, die sich mit einer untypischen
klinischen Symptomatik, einer B-Symptomatik, einem Tumor innerhalb von fünf
Jahren in der Vorgeschichte oder einem für die MS ungewöhnlichen Alter
präsentieren, könnte ein positiver Antikörperbefund wegweisend für die Diagnose
und damit auch für die Behandlung einer Paraneoplasie sein. Des Weiteren sollte an
eine Antikörperbestimmung gedacht werden, wenn bei einem Patienten nach
Immuntherapie keine Besserung der neurologischen Symptomatik auftritt oder er
Risikofaktoren für einen Tumor wie z.B. Nikotinabusus aufweist. Da die PNS häufig
der Tumordiagnose vorausgehen und das Malignom noch in einem frühen (okkulten)
Stadium ist, sind PNS häufig die einzige Symptomatik, die den Patienten
beeinträchtigt. Eine frühzeitige Erkennung mittels Antikörpernachweis würde somit
sowohl eine Behandlung des Tumors als auch die einzig effektive Therapie
(Entfernung ektoper Antigene durch Tumorextirpation) der paraneoplastischen
neurologischen Symptomatik ermöglichen [17], [61].
43
Zusammenfassung
5 Zusammenfassung
Die Multiple Sklerose (MS) und paraneoplastische neurologische Syndrome (PNS)
sind
Erkrankungen,
denen
ein
bislang
noch
nicht
vollständig
geklärter
Autoimmunprozess zu Grunde liegt. Bei beiden Erkrankungen findet sich eine
Vielzahl von Autoantikörpern. Die sog. gut charakterisierten antineuronalen
Antikörper anti-HuD, Yo, Ri, Ma2, CV2 und Amphiphysin besitzen einen hohen
prädikativen Wert für ein PNS und sind pathognomonisch für einen zu Grunde
liegenden, oftmals okkulten Tumor. Epidemiologische Studien berichten über eine
erhöhte Inzidenz bestimmter Malignome bei MS-Patienten. Da gerade bei der
Erstmanifestation der Symptome (Optikusneuritis, Enzephalomyelitis, cerebelläre
Symptomatik) PNS eine MS imitieren können, stellen PNS eine mögliche
Differentialdiagnose der MS dar.
Ziel der vorliegenden Arbeit war die Bestimmung der Prävalenz der gut
charakterisierten antineuronalen Antikörper bei einem großen Kollektiv von MSPatienten. Hierzu wurden die Seren von 247 MS-Patienten mit einem ELISATestsystem unter Verwendung rekombinanter Antigene untersucht.
Bei keinem der MS-Patienten konnte eine hohe antineuronale Reaktivität im Serum
als Hinweis auf ein PNS gemessen werden. Die knapp überschwelligen Werte von
zwei Patienten werten wir als Hintergrundaktivität im ELISA, da weder die
Bestätigungstests (Immunfluoreszenz, Westernblot) noch die Bestimmung einer
möglichen spezifischen intrathekalen Synthese den Befund verifizieren konnten. Bei
zwei Patienten traten in der Vorgeschichte Malignome auf (Prostata-Ca, Corpus
uteri-Ca), die Seren beider Patienten zeigten jedoch keine antineuronale Aktivität.
Somit erscheint aufgrund dieser Ergebnisse die routinemäßige Bestimmung der
klassischen antineuronalen Antikörper bei der MS-Abklärung nicht notwendig. Diese
Untersuchung sollte atypischen Verläufen vorbehalten sein.
44
Literaturverzeichnis
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50
Anhang
7 Anhang
7.1 Materialien für ELISA
•
Beschichtungs-Puffer: pH 9,6; ad 1000 ml Aqua dest.
Na2 CO3 (106):
1,6g
Na HCO3 (84,01): 2,93g
Na N3 (69,01):
0,2g
•
PBS-Puffer: ad 5000ml Aqua dest.
NaCl:
Na2HPO4:
NaH2PO4:
•
40g
7g
1,2g
Verdünnungspuffer (VP):
1% BSA (Rinderserumalbumin), Firma Sigma, Deutschland
2% Tween 20 (Polyoxyethylensorbitanmonolaurat), Firma GERBU
Biotechnik GmbH
in PBS-Puffer
•
Waschpuffer:
0,05% Tween 20
in PBS-Puffer
•
Substratlösung:
Pro Platte 4 OPD (Orthophenylendiamin)-Tabletten, Firma Dako
in 12ml Aqua dest.
10µl H2O2 kurz vor Start dazugeben
•
Stopplösung:
2,5 M H2SO4, Firma Merck
•
Sekundärantikörper:
Peroxidase-konjugiertes Anti-human-IgG von der Ziege, Firma Dianova
51
Anhang
7.2 Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 - Einteilung des Patientenkollektives dargestellt als Flussdiagramm
15
Abbildung 2 - ELISA-Platten mit 96 Vertiefungen mit Flachboden
16
Abbildung 3 - ELISA-Washer mit Wasser-, Pufferlösung- und Abfallbehälter
17
Abbildung 4 - Wärmeschrank
17
Abbildung 5 - Plattenlesegerät und Computerarbeitsplatz
18
Abbildung 6 - Funktionsprinzip des ELISA
19
Abbildung 7 - Negativkontrolle Yo, Cerebellum
22
Abbildung 8 - Positivkontrolle Yo, Cerebellum
22
Abbildung 9 - Optische Dichte-Werte (OD) aller getesteten Probanden einschließlich
Positiv- und Negativkontrollen für HuD
29
Abbildung 10 - Optische Dichte-Werte (OD) aller getesteten Probanden einschließlich
Positiv- und Negativkontrollen für Ri
29
Abbildung 11 - Optische Dichte-Werte (OD) aller getesteten Probanden einschließlich
Positiv- und Negativkontrollen für Yo
30
Abbildung 12 - Optische Dichte-Werte (OD) aller getesteten Probanden einschließlich
Positiv- und Negativkontrollen für Ma2
30
Abbildung 13 - Optische Dichte-Werte (OD) aller getesteten Probanden einschließlich
Positiv- und Negativkontrollen für CV2
31
Abbildung 14 - Optische Dichte-Werte (OD) aller getesteten Probanden einschließlich
Positiv- und Negativkontrollen für Amphiphysin
31
7.3 Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 - McDonald Kriterien zur Diagnosefindung einer MS [48]
6
Tabelle 2 - Klinisch-anatomische Klassifikation paraneoplastischer
neurologischer Syndrome
7
Tabelle 3 - Gut charakterisierte antineuronale Antikörper
11
Tabelle 4 - Konzentrationen für Antigenbeschichtung, Serumverdünnungen,
Entwicklungszeiten und Cut off-Werte der jeweiligen Antigene
20
Tabelle 5 - Demographische Daten der Patienten und Kontrollgruppen
25
Tabelle 6 - Mittelwerte und Standardabweichungen der Optischen Dichte (OD)
27
Tabelle 7 - Mittelwert und Standardabweichung der Optischen Dichte der Positivkontrollen
32
52
Abkürzungsverzeichnis
8 Abkürzungsverzeichnis
AI
Spezifischer Antikörperindex
Ca
Karzinom
CIS
Clinically isolated syndrome
CT
Computertomographie
ELISA
Enzym-linked immunosorbant-assay
HnRNP
Nukleäre Ribonukleinproteine
IgG
Immunglobulin G
MBP
Basisches Myelinprotein
MHC
Major Histocompatibility Complex
MOG
Myelin-Olgodenntrozyten-Glykoprotein
MRT
Magnet-Resonanz-Tomographie
MS
Multiple Sklerose
NMO
Neuromyelitis optica
NPH
Normaldruckhydrozephalus
OD
Optische Dichte
OKB
Oligoklonale Banden
PEM
Paraneoplastische Enzephalomyelitis
PNS
Paraneoplastisch neurologisches Syndrom
PPMS
Primary progressive MS, primär chronisch progredient verlaufende MS
QAlb
Albuminquotient
QIgG
Gesamt-IgG-Quotient
QLim
QLim (QIgG) = 0,93√(QAlb)² + 6 x 10-6 - 1,7 x 10-3
RR
Relatives Risiko
RRMS
Relapsing-remitting MS, schubförmige remittierend verlaufende MS
SPMS
Secondary progressive MS, sekundär chronisch progredient
verlaufende MS
SSN
Subakut sensorischer Neuropathie
VEP
Visuell evozierbares Potential
ZNS
Zentrales Nervensystem
53
Lebenslauf
9 Lebenslauf
Persönliche Angaben:
Name:
Adresse:
Geburtsdatum:
Geburtsort:
Staatsbürgerschaft:
Familienstand:
Eltern:
Geschwister:
Constanze Murek
Littenweilerstr. 40a, 79117 Freiburg
08.11.1982
Müllheim, Deutschland
deutsch
ledig
Wilfried Murek, berentet; Holle Murek, Hebamme
Mareike, Philipp, Clemens und Franziska Murek
Schulen:
1989-1993:
1993-2000:
2000-2002:
Grundschule Horben, Horben
Rotteck-Gymnasium, Freiburg
St. Ursula-Gymnasium, Freiburg
Universität:
2002-2004:
Aufnahme des Medizinstudiums an der Albert-LudwigsUniversität in Freiburg
Erfolgreich bestandene Ärztliche Vorprüfung
Klinischer Studienabschnitt
Praktisches Jahr im Kreiskrankenhaus Lörrach
2004:
2004-2008:
2008-heute:
Praxiserfahrung:
1 Monat:
1 Monat:
1 Monat:
1 Monat:
Famulatur Gynäkologie - Heliosklinik Müllheim
Famulatur Strahlenheilkunde - Universitätsklinik Freiburg
Famulatur Radiologie - Diakonissenkrankenhaus Karlsruhe
Famulatur Kardiologie - Asklepios Klinik Altona, Hamburg
Berufliche Erfahrung:
2004-2006:
2007:
Medizinische Hilfswissenschaftlerin in der Klinik für Strahlenheilkunde,
Universitätsklinikum Freiburg
Medizinische Hilfswissenschaftlerin im Zentrum Klinische Studien
(ZKS), Universitätsklinikum Freiburg
Sprachkenntnisse:
Englisch:
Latein:
Italienisch:
8 Jahre Schulkenntnisse (mit der Note „gut“ abgeschlossen)
7 Jahre Schulkenntnisse (mit der Note „sehr gut“ abgeschlossen)
3 Jahre Schulkenntnisse (mit der Note „gut“ abgeschlossen)
Freiburg, den 05.06.2008
Constanze Murek
Tel: 0049 761 7669463 • Mobil: 0049 170 4375861 • E-Mail: [email protected]
54
Danksagung
10 Danksagung
An dieser Stelle möchte ich mich sehr herzlich bei all denen bedanken, die mich auf
dem Weg meiner Doktorarbeit begleitet haben.
Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. med. Sebastian Rauer für
die Überlassung dieses überaus spannenden Themas und die dadurch gegebene
Möglichkeit, wissenschaftliches Arbeiten zu erlernen und sich mit einem sehr
interessanten Teilgebiet der Neurologie intensiv auseinander zu setzen.
Die Entstehung dieser Doktorarbeit wurde aber auch durch einen Menschen in ganz
besonderen Maße geprägt, der mir in den beiden letzten Jahren fortwährend zur
Seite stand und dessen geduldigen Erklärungen, wertvollen Anregungen und dessen
fundiertes Fachwissen zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben: Für die
exzellente Betreuung sowohl bei der Durchführung der Studie im Labor als auch der
Literaturrecherche und dem Schreiben der Arbeit möchte ich mich ganz herzlich bei
Dr. med. Oliver Stich bedanken.
Mein weiterer Dank gilt dem Team im Liquorlabor und meinen Laborkollegen, die
immer aushalfen, wenn Not am Mann war und deren hilfsbereite und freundliche Art
für ein sehr angenehmes Arbeitsklima sorgten.
Mein Dank gilt aber auch meiner Familie, vor allem meiner Mutter, die mich während
meines Freisemesters sowohl in finanzieller als auch kulinarischer Hinsicht liebevoll
unterstützte
und
meinem
Vater,
der
mir
mit
einem
unerschöpflichen
Materialienreichtum zum Thema „Multiple Sklerose“ den Einstieg in die Materie um
ein Vielfaches erleichterte. Außerdem möchte im mich bei meinem Bruder Philipp
bedanken, der mir in allen Computerfragen eine große Stütze war und der geduldig
alle Excelprobleme aus der Welt schaffte.
Zuletzt gebührt mein Dank allen Freunden, die mir tatkräftig zur Seite standen,
insbesondere meiner lieben Freundin Nora für den „Anstoß“ zur richtigen Zeit und die
vielen aufbauenden und anregenden Gespräche rund um das Thema Dissertation,
sowie meinen ältesten Freundin Anna und Britta für das Korrekturlesen und ihre
Unterstützung zu jeder Zeit.
55
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