Kollegstufe 2005/2007 Schuljahr 2006/2007 3 WR 1 Ausbildungsabschnitt 12/1 2. (und letzte) Schulaufgabe am 15. Januar 2007 A. Fachgebiet Volkswirtschaft I. Geldpolitik / Außenwirtschaftspolitik 1. In der Anlage sind die aktuellen Leitzinsen der EZB genannt. Erläutere, warum man bei der Spanne zwischen Einlagefazilität und Spitzenrefinanzierungsfaziltiät von einem „Zinskanal“ spricht. [4 BE] 2. Müntefering spricht im Zeitungsartikel vom 11.01.07 davon, dass er bei 3,5% die obere Grenze des Leitzinses der EZB sehe. Die EZB vergibt ihre Kredite aber nach dem Zinstender, der Zins wird dabei gar nicht von der EZB festgelegt. Erkläre diesen scheinbaren Widerspruch.[4 BE] 3. In Überschrift und Text des Zeitungsartikels vom 11.01.07 spricht der Redakteur, dass die EZB den Fuß vom Gas nehme. Begründe unter Beschreibung der aktuellen Wirtschaftslage und der Entwicklung der Geldmenge, dass der Redakteur den bildhaften Vergleich unglücklich gewählt hat.[6 BE] 4. Im Zeitungsartikel vom 11.01.07 spricht die EZB u.a. davon, dass der starke Euro ein Bremsklotz für die wirtschaftliche Entwicklung sein könnte. Erkläre unter Zuhilfenahme eines Beispiels, was man unter einer Aufwertung des Euro zu verstehen hat und wie sich diese auf die wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone auswirken kann.[6 BE] 5. Begründe, ob die kurzfristigen oder langfristigen Zinsen i.d.R. höher sind und unter welchen Bedingungen es zu einer „inversen“ Zinsstruktur kommen kann. [6 BE] II. Finanzpolitik des Staates 6. Nenne jeweils eine Bundes-, eine Landes- und eine Gemeindesteuer. [3 BE] 7. Erkläre die Begriffe „Zuweisung“ und „Umlage“ im Zuge des vertikalen Finanzausgleichs der Bundesrepublik Deutschland. [3 BE] 8. Beschreibe, was man unter dem „Allokativen Ziel“ der Finanzpolitik versteht.[3 BE] 9. Erläutere anhand von drei verschiedenen Merkmalen, warum ein antizyklisches Wirtschaftskonzept scheitern kann. [9 BE] 10. Aus der aktuellen wirtschaftlichen Situation in Deutschland lassen sich konjunkturpolitische Maßnahmen ableiten, die der Staat ergreifen könnte. Beschreibe jeweils kurz drei Maßnahmen für den Fall einer klassischen und eine antizyklischen Wirtschaftspolitik. [Vorsicht: Es ist nur nach konjunkturpolitischen Maßnahmen gefragt, nicht nach der Lösung struktureller Probleme!] [9 BE] 11. „Die Höhe des Arbeitslosengeldes 2 ist zu hoch, da viele Menschen davon abgehalten werden, sich eine Beschäftigung in einer Niedriglohngruppe zu suchen, die ihrer Produktivität entspricht.“ Diskutiere dieses Zitat aus Sicht eines Arbeitgebers und eines alleinstehenden Arbeitnehmers ohne Kinder. Ein Fazit wird erwartet. [7 BE] Anlage 1: NK vom 11.01.07 Anlage 2: Aktuelle EZB-Zinssätze: Satz der Einlagefazilität 2,5% Mindestbietungssatz der Hauptrefinanzierungsgeschäfte 3,5 % Satz der Spitzenrefinanzierungsfazilität 4,50 % alle Werte gültig seit 13.12.2006 Anlage 3: DIW: Der Aufschwung bleibt 13.01.2007 0,4 Prozent Wachstum im ersten Quartal 2007 Berlin - Die höhere Mehrwertsteuer wird das Wachstumstempo der Wirtschaft zum Jahresanfang nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) etwas dämpfen, aber nicht abwürgen. „Alles in allem wird die konjunkturelle Entwicklung zwar von den Auswirkungen der Finanzpolitik belastet, ein Abbruch des gegenwärtigen Aufschwungs ist jedoch derzeit nicht in Sicht“, erklärte das Berliner Institut am Freitag in seinem Konjunkturbarometer. Für die Monate Januar bis März erwarten die Berliner Forscher einen Anstieg der Wirtschaftsleistung von knapp 0,4 Prozent verglichen mit dem Vorquartal. Für das letzte Quartal im vergangenen Jahr rechnen die Experten mit einem saison- und kalenderbereinigten Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent. Das kräftige Wachstum, das so nicht erwartet worden war, deute „neben einer weiterhin deutlich aufwärts gerichteten konjunkturellen Grundtendenz darauf hin, dass vermutlich ein größerer Teil der mehrwertsteuerbedingten Vorzieheffekte in diesem Zeitraum produktionswirksam geworden war, als noch im Dezember vermutet wurde“, schreibt das DIW. Analge 4: Geldpolitik Aus der Pressekonferenz der EZB am 12.01.06 ... Was die monetäre Analyse anbelangt, so stieg das jährliche Wachstum von M3 im November auf 9,3%. Es handelt sich dabei um die höchste Jahreswachstumsrate von M3 seit Einführung des Euro und das stärkste aggregierte Geldmengenwachstum in den Ländern des Euroraums seit 1990. Wenngleich die Bedeutung von Monatswerten nicht überschätzt werden sollte, da diese auch unter dem Einfluss zeitlich begrenzt auftretender Faktoren stehen können, unterstreicht das kräftige Geldmengenwachstum der letzten Monate die anhaltend sehr lebhafte Grunddynamik der weit gefassten Geldmenge des Euroraums. Die steigenden Kurzfristzinsen hatten zusammen mit den niedrigen Langfristzinsen nur begrenzt Auswirkungen auf die monetäre Entwicklung der letzten Monate. Dies schlug sich in erster Linie in Umschichtungen bei den Komponenten von M3 nieder und dämpfte nicht die Ausweitung von M3 insgesamt. Insbesondere die Jahreswachstumsrate von M1 hat sich während der letzten Monate etwas gemäßigt und spiegelt Umschichtungen von den täglich fälligen Einlagen zu anderen Komponenten von M3 wider, die stärker marktbestimmte Erträge bieten. Anlage 5: Arbietslosengeld 2 (Berechnungsschema) Berechnung des Regelsatzes für 2 Erwachsene und 3 Kinder (über 14 Jahre) 1484,00 € Bruttowarmmiete 705,00 € verfügbares Einkommen 2189,00 € Empfehlung zur Verwendung des Regelsatzes Der aktuelle Regelsatz von 345,- Euro setzt sich etwa wie folgt zusammen (nach Empfehlungen/Dienstanweisungen der Bundesanstalt für Arbeit): • • • • • • • • • • Nahrung, Getränke, Tabakwaren ca. 38% (131,10 Euro) Bekleidung, Schuhe ca. 10% ( 34,50 Euro) Wohnung (ohne Mietkosten), Strom, etc. ca. 8% ( 27,60 Euro) Möbel, Apparate, Haushaltsgeräte ca. 8% ( 27,60 Euro) Gesundheitspflege ca. 4% ( 13,80 Euro) Verkehr ca. 6% ( 20,70 Euro) Telefon, Fax ca. 6% ( 20,70 Euro) Freizeit, Kultur ca. 11% ( 37,95 Euro) Beherbergungs- und Gaststättenleistungen ca. 3% ( 10,35 Euro) sonstige Waren und Dienstleistungen ca. 6% ( 20,70 Euro) Ergebnis: Punkte von 15 14 13 12 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 1,00 0,95 0,90 0,85 0,80 0,75 0,70 0,65 0,60 0,55 0,50 0,45 0,40 0,33 0,27 0,20 58 55 52 49 46 43 40 37 34 31 28 25 21 17 13 0- bis Anzahl 60 57 54 51 48 45 42 39 36 33 30 27 24 20 16 12 1 1 2 2 2 1 1 2 2 Erwartungshorizont 1. Die Fazilitäten bilden die höchsten und die niedrigsten Zinsen im Euroraum, [1BE] der Zinssatz für das Hauptrefinanzierungsgeschäft ist dazwischen, so wie alle Zinsen im Interbankenhandel, [1BE] da die Bank ja ihr Geld nicht billiger verleiht als zur Einlagefazilität [1BE] und nicht mehr zahlen wird als zum Spitzenrefinanzierungssatz, da sie sonst Kapital bei der EZB anlegen bzw. aufnehmen würde, das sie unbegrenzt in Anspruch nehmen kann. [1BE] 2. Es ist richtig, dass der Zins nicht von der EZB festgelegt wird, [1BE] aber ein Mindestbietungszins [1BE] und den meint Müntefering mit den 3,5 %. [1BE] Der Zins kann also höher aber nicht niedriger sein. Offenbar liegt der tatsächliche Zins nicht weit darüber und schon der Mindestbietungssatz hat hohe Signalwirkung. Die EZB steuert mit diesem Mittel den Zins ziemlich genau.[1BE] 3. Die aktuelle Wirtschaftslage ist ein ungebrochener Aufschwung, auch nach der MWSt.-Erhöhung auf 19%, was viele nicht erwartet hatten. [1BE] Die Geldmenge ist unerwartet stark gewachsen, (das Wachstum ist für einen Aufschwung an sich nichts ungewöhnliches, aber die Höhe ist ungewöhnlich) , die Betriebe investieren offenbar wieder sehr stark. [1BE] Die Zentralbank hat die Zinsen regelmäßig erhöht, sie wird dies wahrscheinlich auch künftig tun, nur mit etwas mehr Pause. [2 BE] Das Gaspedal ist also für die wirtschaftliche Entwicklung und die Geldmenge eher eine Bremse und kein Gaspedal! [2BE] (Auch wenn man die Preisniveaustabilität als reziproken Wert nähme, wäre es sicherlich falsch, davon zu sprechen, dass bisher ordentlich auf das Gaspedal gedrückt wurde um dieses zu erhöhen.) (eine sinnvolle Argumentation wird erwartet und kann von dieser Lösung abweichen =SUMME 6BE) 4. Die Aufwertung bedeutet, dass man für eine inländische Währung mehr ausländisches Geld bekommt. [1BE] Beispiel: 1 US-Dollar kostet erst 1,10€, dann 1€; der Wert des EUR ist gestiegen. [1BE] Für Ausländer steigt dadurch der Preis eines Gutes, das sie aus dem Land importieren wollen und nun teurer bezahlen müssen. [1BE] Ein 11000 €-Auto war vorher für 10.000 USD zu haben, jetzt kostet es 11.000 USD. [1BE] Die Verteuerung der Waren für Ausländer hat einen Rückgang der Exporte aus dem Euroraum zur Folge. [1BE] Die Wirtschaft wird also gebremst, da die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zurückgeht. [1BE] Dies wirkt dämpfend auf die Geldmenge und die Inflation. [1BE] [in der SUMME max. 6 BE] 5. Kurzfristige Zinsen sind niedriger als langfristige. [1BE] Jemand der nur kurzfristig bereit ist, Geld auszuleihen bleibt flexibler und leistet nur kurz Konsumverzicht. [1BE] Langfristige Geldausleihungen sind immer mit einem höheren Risiko behaftet. Daher wird der Zins für langfristiges Geld meist höher sein. [1BE] Nur in einer Hochzinsphase, [1BE] bei der man mit einem starken Rückgang der Zinsen fest rechnet [1BE] wird man für kurzfristige Anlagen noch einen hohen, für längerfristige Anlagen aber schon einen gemittelten niedrigeren Zins erhalten. [1BE] 6. Bundessteuer: Mineralölsteuer Landessteuer: Kfz-Steuer Gemeindesteuer: Gewerbesteuer 7. Zuweisung wird von oben nach unten verteilt, also z.B. vom Land an die Gemeinde, eine Umlage wird von unten nach oben verteilt, z.B. von der Gemeinde an den Bezirk [3BE] 8. Das Allokative Ziel der Finanzpolitik bedeutet, dass die Ressourcen, [1BE] also die Produktionsfaktoren, möglichst sparsam und effektiv [1BE], also zu ihrem höchsten Nutzen eingesetzt werden. [1BE] 9. 1) Antizyklische Finanzpolitik geht davon aus, dass in der Aufschwung- und Boomphase die Ausgaben des Staates zurückgefahren werden [1BE] , um Schulden - die in der Rezession gemacht wurden, zu tilgen [1BE]. Dies ist politisch aber kaum durchsetzbar. Politiker sind aus verschiedenen Gründen dazu nicht bereit: Stimmenmaximierung, Selbstüberschätzung, Prestigedenken [1BE] 2) Die Zeitverzögerungen, die zwischen dem Erkennen eines Abschwungs, den politischen Entscheidungen bis hin zum Greifen der Maßnahmen [2 BE] entstehen sind oft so lang, dass die Phase des Abschwungs schon lange vorbei sein kann. Aus dem antizyklischen Verhalten würde ein prozyklisches. [1BE] 3) Wenn der Staat sich in einer Wirtschaftskrise noch weiter verschuldet, kann dies dazu führen, dass die Haushalte das Vertrauen gegenüber dem Staat verlieren und ihren Konsum zurückfahren. Die gewollte gesamtwirtschaftliche Nachfragebelebung bleibt aus, auch verdrängt der Staat durch seine Verschuldung private Investitionen und lenkt Produktionsfaktoren oft in Bereiche, in denen sie relativ unproduktiv sind. [3 BE] 10. Analyse der aktuellen Wirtschaftslage: Wir befinden uns z.Zt. in einer Aufschwungphase, das Wachstum beträgt 0,4% im ersten Quartal. a) antizyklisches Verhalten im Falle einer antizyklischen Wirtschaftspolitik bieten sich folgende Maßnahmen an: - Abbau von Subentionen, der Staat vermindert die Nachfrage zu Gunsten privater Nachfrage [1,5BE] - mit den steigenden Steuereinnahmen werden Schulden getilgt bzw. Guthaben angelegt[1,5BE] - vorgesehene Investitionen werden zeitlich verschoben, um in einer Abschwungphase getätigt zu werden[1,5BE] b) prozyklisches Verhalten im Falle einer prozyklischen Wirtschaftspolitik verhält man sich anders: - Steuern erhöhen, z.B. Einkommensteuer, und erhöhung der Staatsnachfrage, z.B. durch Einstellung von Beamten[1,5BE] - Investitionen werden vorgezogen oder neu durchgeführt, z.B. in Bildung, Verkehr o.ä.[1,5BE] - Die Subventionen werden erhöht, um zusätzliche private Nachfrage zu erzeugen[1,5BE] 11. Ein Arbeitnehmer, der geringqualifiziert ist, kann in einem Betrieb vielleicht nur eine Produktivität von 7,50 € erbringen. Das ergibt bei 160 Stunden pro Monat gerade einmal 1200 €. Wenn er aber alleinverdienend mit drei Kinder ist, bekommt er fast das doppelte an ALG II. Er hat verständlicherweise kein Interesse an einer Arbeit. Selbst wenn er nur wenige hundert Euro dazuverdient, wird ihm das ALG II gekürzt. Dieses System ist eher geeignet, dass Personen in die Schwarzarbeit abwandern. Da ein solcher Arbeiter es wohl nicht schaffen wird, seine Produktivität zu verdoppeln, gibt es keinen Anreiz für ihn, sich einen Arbeitsplatz zu suchen. [3 BE] Ein alleinstehender Arbeitnehmer ohne Kinder erhält 345 € ALG II. Mit dieser Untersützung ist er vielleicht vor dem Hunger bewahrt, die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ist ihm aber kaum möglich. Mit gerade 4,33€ für Lebensmittel kann man nicht davon sprechen, dass die Untersützung zu hoch wäre. Weniger genügt nicht mehr den einfachsten Ansprüchen. Im Vergleich zu einem Einkommen von 1200 € sind selbst in Niedriglohngruppen das Einkommen um ein vielfaches höher. Besser wäre die Einführung eines Mindestlohnes, z.B. von 8,50 €, was den Abstand noch erhöhen würde. [3BE] Wenn Löhne höher sind als die Produktivität, dann werden die Arbeitsplätze ins Ausland wandern, damit ist niemanden geholfen. Fazit: Eine Lösung wäre ggf. das Koppeln von ALG II mit einer täglich 8stündigen Tätigkeit für die Gemeinde. [1BE] [Eine sinnvolle Argumentation und ein Fazit werden erwartet, die durchaus von dieser Lösung abweichen dürfen.]