Statistik mit Excel für Praktiker - *ISBN 3-8272-6999

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Statistik mit
Excel
für Praktiker: Statistiken
aufbereiten und präsentieren
HORST-DIETER RADKE
KAPITEL 3
Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung
Kapitel 3 – Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung
Wahrscheinlichkeitsrechnung und Excel
Vielleicht irritiert es Sie mehrfach, dass das Thema Wahrscheinlichkeitsrechnung in
diesem Buch behandelt wird. Einmal hört sich der Begriff schon so an, als hätte er
nichts mit der exakten Wissenschaft der Statistik zu tun. Dann erscheint es auch
fragwürdig, ob mit Wahrscheinlichkeiten überhaupt (im Sinne der Mathematik)
gerechnet werden kann. Und was Excel damit zu tun hat, ist sowieso unklar (wenn
man einmal von der Fragestellung „Hoffentlich stürzt mir Excel nicht wieder mitten
in der Arbeit ab“ absieht.
Tatsächlich ist die Wahrscheinlichkeitsrechnung kein unwesentlicher Bereich der
Statistik. Da oftmals nicht mit kompletten Grundgesamtheiten, sondern mit Auszügen daraus (so genannten Stichproben) gearbeitet wird, ist die Frage nach der
Wahrscheinlichkeit der erlangten Aussagen unbedingt zu stellen. In der Mathematik
ist der Bereich der Wahrscheinlichkeitsrechnung unter dem Begriff Stochastik eingeordnet, also eine über die Statistik hinausgehende Sache.
In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit den Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung, und zwar in dem Maße, in dem diese mit Excel dargestellt werden kann.
Das Kapitel fällt also knapper aus, als Sie es in manchen anderen Statistiklehrbüchern
finden. Das folgende Kapitel handelt von der Normalverteilung und hat damit auch
etwas mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung zu tun – doch damit greife ich vor.
Beschäftigen wir uns zuvor lieber etwas damit, was Wahrscheinlichkeiten sind.
Wie wahrscheinlich ein Ereignis ist hängt davon ab, mit welcher Sicherheit dieses zu
erwarten ist. Ausgedrückt wird das (in der Wahrscheinlichkeitsrechnung) immer
durch eine Zahl oder einen Prozentwert. Je stärker die Zahl gegen 1 oder 100% geht,
umso wahrscheinlicher ist es, dass das Ereignis eintritt und je stärker es gegen 0 oder
0% geht, umso unwahrscheinlicher ist das Eintreten des Ereignisses.
Die Berechnung einer Wahrscheinlichkeit geht eigentlich auf eine reine Addition
zurück (lassen Sie sich nicht irritieren, nur weil die Formeln komplizierter aussehen!).
Die Summe aller Wahrscheinlichkeiten sämtlicher möglicher Ereignisse gibt immer 1
oder 100%.
118
Kombinieren und Wiederholen
Kombinieren und Wiederholen
Die Kombinatorik als Teilgebiet der Mathematik wird auch der Statistik zugerechnet.
Zumindest deren Methoden werden auch in der Wahrscheinlichkeitsrechnung immer
wieder eingesetzt. Deshalb vorweg einiges zu diesem Thema.
Kombinatorische Fragestellungen
Kombinatorik beschäftigt sich mit der Anordnung verschiedener Dinge. Das können
Buchstaben, aber auch Gegenstände oder Experimente sein.
Typische Fragestellungen sind:
Wie viele Möglichkeiten gibt es, Paare (2) aus einer Gruppe von Personen (z.B. 8)
zusammenzustellen?
Wie viele Möglichkeiten gibt es, aus einer Gruppe von 49 Zahlen 6 Zahlen auszuwählen?
Die Kombination an einem Banksafe besteht aus vier Zahlenscheiben mit jeweils
den Ziffern 0–9. Wie viel Möglichkeiten muss ein Bankräuber durchprobieren,
wenn er den Safe ohne Gewalt öffnen will.
Viele Probleme aus der Kombinatorik können auf zwei grundsätzliche Fragen zurückgeführt werden:
1. Auf wie viele Arten lassen sich die Elemente einer Menge (M) hinsichtlich einer
vorgegebenen Eigenschaft anordnen.
2. Wie viele verschiedene Teilmengen (Auswahlen von k Elementen) aus einer
Grundmenge M gibt es?
Permutationen
Jede Zusammenstellung einer endlichen Anzahl von Elementen in irgendeiner
Anordnung, in der sämtliche Elemente verwendet werden, heißt Permutation der
gegebenen Elemente. Eigentlich haben wir mit so etws im täglichen Leben ständig
zu tun.
119
Kapitel 3 – Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung
Permutationen ohne Wiederholung
Beispiel:
Bei einem Schwimmwettbewerb werden die 6 Bahnen unter den 6 Teilnehmern des
Wettkampfes ausgelost. Dazu werden aus einer Urne die Namenszettel gezogen.
Dabei ergeben sich folgende Möglichkeiten für die einzelnen Bahnen:
1. Bahn: Jeder Schwimmer ist noch an der Ziehung beteiligt -> 6 Möglichkeiten.
2. Bahn: Nur noch 5 Schwimmer sind an der Ziehung beteiligt -> 5 Möglichkeiten.
3. Bahn: 4 Schwimmer -> 4 Möglichkeiten.
4. Bahn: 3 Schwimmer -> 3 Möglichkeiten.
5. Bahn: 2 Schwimmer -> 2 Möglichkeiten.
6. Bahn: 1 Schwimmer -> 1 Möglichkeit.
Jede Möglichkeit kann mit einer anderen kombiniert werden. So ergeben sich
6 * 5 * 4 * 3 * 2 * 1 = 720 Zuordnungsmöglichkeiten. Jede dieser einzelnen Möglichkeiten bezeichnet man als Permutation oder auch als 6-Tupel.
Als Formel ausgedrückt sieht das so aus:
P (n ) = n ! = n * (n −1) * (n − 2) 3 * 2 * 1
Jede dieser Permutationen unterscheidet sich in der Reihenfolge ihrer Elemente von
den anderen Permutationen (bzw. n-Tupel).
Sicher ist Ihnen schon das n mit dem Ausrufezeichen (!) aufgefallen. Man bezeichnet
diese Kombination in der Mathematik als Fakultät. Dabei werden alle Elemente der
Liste miteinander multipliziert. Das ist also genau das, was wir zuvor im Beispiel
beschrieben haben (und was die Formel ausdrückt).
120
Kombinieren und Wiederholen
Excel und die Fakultät
Excel hat in der Sammlung der statistischen Funktionen auch einige zur so genannten Wahrscheinlichkeitsrechnung. Zur Berechnung von Permutationen wird die
Funktion FAKULTÄT eingesetzt:
=FAKULTÄT(Zahl)
Abbildung 3.1: Fakultät berechnet Excel über eine spezielle
mathematische Funktion.
Sie finden diese Funktion allerdings nicht bei den statistischen, sondern bei den
mathematischen Funktionen, wo sie auch korrekt eingeordnet ist.
Achtung
Anwender der Version Microsoft office:mac 2004 finden die Funktion
womöglich gar nicht. Microsoft hat bei der Übersetzung geschlampt und die
englische Bezeichnung FACT belassen. Sie funktioniert aber ansonsten wie
in diesem Kapitel beschrieben.
121
Kapitel 3 – Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung
Abbildung 3.2: Da wurde nicht ganz sauber gearbeitet: FACT ist FAKULTÄT
In den Windows-Versionen zeigt der Funktions-Assistent die Funktion FAKULTÄT
korrekt an.
Abbildung 3.3: So sollte es sein
122
Kombinieren und Wiederholen
Prüfen Sie die Funktion FAKULTÄT anhand einer einfachen Reihe; die ist schnell eingegeben und die Funktion mit dem Assistenten schnell hinzugefügt. Über die Funktion AutoAusfüllen haben Sie die Reihe mit der Funktion schnell ergänzt.
Abbildung 3.4: FACT funktioniert also wie FAKULTÄT
Sie sehen an der obigen Beispieltabelle auch, dass die Fakultät zu null (0!) mit 1
gesetzt wird.
Auch andere Fragestellungen lassen sich leicht aus solch einer Tabelle beantworten.
Wie viel Kombinationen der Buchstaben aus dem Wort WALD gibt es? Richtig! 24.
Muss ja nur aus der Tabelle abgelesen werden. Etwas schwieriger ist es schon, diese
Kombinationen alle aufzuschreiben. In diesem Beispiel kommt kein Buchstabe mehrfach vor.
Permutationen mit Wiederholung
Verändern wir das Wort WALD zu WALL, so ergibt sich das Problem, dass wir einen
Buchstaben zweimal haben – das L. Zunächst einmal scheint es so, als ergäben sich
ebenfalls 24 Kombinationsmöglichkeiten. Wenn Sie aber diese Permutationen beginnen aufzuschreiben, werden Sie schnell feststellen, dass einige Worte doppelt vorkommen. Wenn Sie die beiden letzten Buchstaben vertauschen (L mit L), so ergibt
sich zwar eine erkennbare neue Kombination, wenn Sie die gleichen Buchstaben
indizieren (WAL1L2) – aber ohne diese Indizierung ist kein Unterschied erkennbar.
123
Kapitel 3 – Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung
Da zwei Elemente gerade zwei Anordnungen bilden können, sind jeweils zwei Buchstabenkombinationen identisch. Somit erhält man lediglich 12 verschiedene Wortkombinationen.
Für eine Grundmenge M mit n Elementen, unter denen einige mehrfach vorkommen
(z.B. a gleich der 1. Sorte, b gleich der 2. Sorte), ist die Gesamtanzahl der verschiedenen Permutationen mit Wiederholung:
P (n / a , b ) =
n!
a !* b !
Auf das Beispiel bezogen bedeutet dies:
4!
= 12
2!
Variationen
In der Musik sind sie bis heute beliebt, die Variationen über ein bestimmtes Thema.
Die Freiheit, die der Komponist und/oder der Interpret dabei genießen, haben Mathematiker und Statistiker nicht.
Variationen ohne Wiederholung
In unserem eingangs aufgeführten Beispiel für den Schwimmwettbewerb wurde
zunächst nur überlegt, wie viel Möglichkeiten es für die Belegung der einzelnen
Bahnen gibt. Nun ist aber auch die Überlegung angebracht, wie viel Möglichkeiten
es für die Belegung der ersten drei Plätze gibt.
Inzwischen sind Sie schon gewieft im kombinatorischen Denken und rechnen
schnell:
Für die Vergabe des ersten Platzes gibt es genau 6 Möglichkeiten.
Für die Vergabe des zweiten Platzes gibt es nur noch 5 Möglichkeiten (einer der
Teilnehmer belegt ja schon Platz 1 und steht für den 2. Platz nicht mehr zur Verfügung).
Für die Vergabe des dritten Platzes gibt es jetzt nur noch 4 Möglichkeiten. Die
Teilnehmer, die Platz 1 und 2 belegen, dürfen ja nicht mehr mitgerechnet werden.
124
Kombinieren und Wiederholen
So ergeben sich also 6 * 5 * 4 = 120 mögliche Gruppierungen.
Die Fragestellung ist also: Wie viele Möglichkeiten gibt es, aus einer Menge (M) mit n
Elementen Teilmengen mit je k Elementen unter Berücksichtigung der Anordnung zu
ziehen? Jede gefundene Auswahl ist eine Variation zur Klasse k (bzw. k-ter Ordnung).
Die Anzahl der Variationen von n Elementen zur Klasse k beträgt also:
V (n, k ) = n * (n −1) * (n − 2)…(n − k +1)
Auf das Beispiel bezogen gilt n = 6, k = 3:
V (6,3) = 6 * 5 * 4 = 120
n=6
(n-1) = (6-1) = 5
(n-k+1) = (6-3+1) = 4
Variationen mit Excel
Excel kennt eine Funktion VARIATIONEN (in der Funktionskategorie Statistik), die Sie
für die Berechnung von Variationen ohne Wiederholung verwenden können. Verwechseln Sie diese aber nicht mit der Funktion VARIATION, die zur Trendberechnung
eingesetzt wird.
Abbildung 3.5: Nicht verwechseln mit VARIATION!
125
Kapitel 3 – Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung
Die Funktion VARIATIONEN verlangt die Eingabe zweier Parameter:
N für die Anzahl aller Elemente und
K für die Anzahl der Elemente, aus denen die Variationsmöglichkeit bestehen soll.
Dabei ist Folgendes zu berücksichtigen:
N und K müssen numerische Ausdrücke sein, sonst wird der Fehlerwert #WERT!
zurückgegeben.
Ist N £ 0 oder K < 0 oder N < K, so wird der Fehlerwert #ZAHL! zurückgegeben.
Abbildung 3.6: VARIATIONEN ermittelt zuverlässig das Ergebnis
Tipp
Sie müssen noch nicht einmal die Funktion in die Tabelle schreiben. Sie öffnen über Einfügen/Funktionen einfach den Funktions-Assistenten, wählen
die Funktion VARIATIONEN und geben in den Dialog die Werte für die beiden Parameter ein. Das Ergebnis können Sie sofort im Dialog ablesen.
Die Gleichung, mit der Excel diese Funktion berechnet, lautet allerdings:
Pk ,n =
n!
(n − k )!
und unterscheidet sich damit von der zuerst in diesem Kapitelabschnitt aufgestellten Funktion zumindest optisch. Dass Microsoft P schreibt (und damit wahrscheinlich Permutation meint), soll uns nicht weiter stören. Die Gleichung selbst kann mit
126
Kombinieren und Wiederholen
etwas Mühe in die zuvor aufgeführte Gleichung ein paar Abschnitte zuvor umgewandelt werden. Aber wozu die Mühe? Sie finden beide Gleichungen in diversen
Lehrbüchern und Excel rechnet korrekt. Wenden Sie sich lieber der Anwendung zu.
Die Zocker unter den Lesern werden sicher schon spekuliert haben, was mit dieser
Funktion noch alles angestellt werden kann.
Gehen Sie einmal zurück zu den kombinatorischen Fragestellungen, dann werden Sie
es wissen. Genau, Sie geben für N die 49 und für K die 6 ein und erhalten die Möglichkeiten der Kombinationen, die Sie auf einem Lottoschein ankreuzen können.
Es sind über 10 Milliarden! Wenn Sie jetzt jede mögliche Kombination ankreuzen
und alle Scheine zu Ihrer Lottoannahmestelle tragen (na, tragen wird wohl nicht
gehen, einen Sattelschlepper werden Sie wohl benötigen!), dann zahlen Sie für den
Einsatz ein Vielfaches dessen, was Sie gewinnen werden, selbst wenn es einen Jackpot zu knacken gibt.
Wenn Sie als mathematisch und statistisch vorbelasteter Leser jetzt die Augenbrauen zusammenziehen und zum Widerspruch ansetzen, so nehmen Sie diesen
bitte noch einen Augenblick zurück und lesen einfach noch ein paar Absätze weiter.
Abbildung 3.7: Lotterie ist selbstverständlich etwas für große Zahlen
127
Kapitel 3 – Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung
Damit wissen Sie auch, warum sich Lotto für die Lotteriebetreiber immer, für die
Spieler aber nur sehr selten lohnt.
Variationen mit Wiederholung
Vergessen wir nicht das kombinatorische Beispiel, auf das der mitlesende Bankräuber schon sehnsüchtig wartet: vier Zählscheiben am Safe und jede mit 0 bis 9
einzustellen. Da alle vier Scheiben unabhängig voneinander eingestellt werden können, besitzt auch jede zehn Einstellmöglichkeiten und Nummern können durchaus
doppelt auftreten.
Die Formel zur Berechnung lautet:
V * (n, k ) = n * n * n …nk
Auf das Safe-Beispiel angewendet:
10 * 10 * 10 * 10 = 10 000 Möglichkeiten
Der Bankräuber hat weniger Möglichkeiten, etwas anderes zu lernen – aber damit ist
die Möglichkeit größer, sein Leben in Freiheit zu verbringen, als durch das Austesten
der vielen Möglichkeiten am Safe.
Kombinationen
Während man bei den Variationen die Anordnung berücksichtigt, wird sie in Kombinationen außer Betracht gelassen. Das kann Auswirkungen haben …
Kombinationen ohne Wiederholung
Kommen wir noch einmal zurück zum Lottospiel. Bei der Berechnung der Möglichkeiten über die Funktion Variationen sind wir von der Überlegung ausgegangen, dass
es sich bei der Ziehung um eine Variation ohne Wiederholung handelt, was zumindest teilweise richtig ist.
Nicht bedacht wurde aber, dass die Reihenfolge der Ziehung (Variation ohne Wiederholung) schnurzpiepegal ist. Wer das nicht glaubt, braucht sich solch eine Ziehung
bloß einmal im Fernsehen anzusehen.
128
Kombinieren und Wiederholen
Da die Reihenfolge nun keine Rolle spielt, fallen jeweils P(6) = 6! Möglichkeiten
zusammen, d.h., man muss insgesamt nur
K (49,6) =
49 * 48 * 47 * 46 * 45 * 44
= 13.983.816
1* 2 * 3 * 4 * 5 * 6
Lottoreihen auf den Tippscheinen ausfüllen, um sicher einen Sechsertreffer zu
haben. Das ist schon viel besser. Statt eines Sattelschleppers reicht jetzt ein VW-Bus,
um zur Lottoannahmestelle zu fahren, und mit ganz viel Glück und wenn's ein Jackpot war, bleibt noch so viel vom Gewinn übrig, um den VW-Bus zu bezahlen.
Selbstverständlich können Sie das mit Excel viel einfacher berechnen, denn es gibt ja
die Funktion KOMBINATIONEN (wieder in der Funktionskategorie Math. & Trigonom.).
Abbildung 3.8: Kombiniere Mathematik!
Die Funktion KOMBINATIONEN liefert die Anzahl der Kombinationen ohne Wiederholung von k Elementen aus einer Menge von n Elementen. Die Gleichung, die Excel
dabei verwendet, ist:
⎛n ⎞ Pk ,n
n!
=
⎜ ⎟=
k ! (n − k )!
⎝k ⎠ k !
mit:
Pk ,n =
n!
(n − k )!
129
Kapitel 3 – Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung
Die von uns zuvor benutzte Berechnungsmethode kann aber auch anders in eine Formel gefasst werden:
K (n ,k ) =
n * (n −1) * (n − 2)…(n − k +1) ⎛n ⎞
=⎜ ⎟
1* 2 * 3…k
⎝k ⎠
Wobei wir in der Zusammenfassung wieder beim Ausgangspunkt der Gleichung für
Excel sind. Man liest das übrigens: n über k. Diese Terme nennt man Binomialkoeffizienten, da sie bei der Berechnung binomischer Ausdrücke vorkommen.
Abbildung 3.9: So ist das also nun wirklich mit dem Lottospiel –
alles halb so schlimm
130
Kombinieren und Wiederholen
Ein abschließendes Beispiel (um auch die zufrieden zu stellen, die keine passionierten Lottospieler sind):
Der Bürgermeister und sein Stellvertreter werden gewählt. Zwei Kandidaten sind aus
einer Gruppe von 6 Personen zu wählen. Das Auszählen der Stimmen wird bis zum
Morgengrauen dauern. In der Zeitung auf dem Frühstückstisch sollen aber schon die
lachenden Sieger zu sehen sein. Was tun? Alle möglichen Kombinationen fotografieren. Wie viel das sind, haben Sie jetzt schnell ausgerechnet:
K (6,2) =
6*5
= 15
1* 2
15 Fotos im Voraus zu machen, von denen dann tatsächlich nur eines benötigt wird,
ist wirklich keine große Sache, zumal im Zeitalter der Digitalfotografie keine Mehrkosten für die vielen Fotos mehr entstehen. Lediglich das Risiko, in der Hektik der
Nacht in der Redaktion dann doch noch das falsche Foto zu erwischen, besteht. Wie
hoch die Wahrscheinlichkeit ist, nicht das richtige Foto zu erwischen, können Sie ja
demnächst ausrechnen.
Sie brauchen aber eigentlich nur den Funktions-Assistenten aufzurufen und die beiden Zahlen einzugeben, die für die Funktion benötigt werden: 6 für n und 2 für k.
Abbildung 3.10: Der eingebaute Kombinationsrechner in Excel
Kombinationen mit Wiederholungen
Greifen wir zu den Würfeln – und damit dem nächsten Kapitelabschnitt einmal vor.
Die Frage ist nach den verschiedenen Kombinationen, die mit zwei gleichen Würfeln
möglich sind. Benutzt man Würfel, die sich unterscheiden (etwa durch Farbgebung),
so ist die Berechnung einfach. Es sind
6 * 6 = 36
131
Kapitel 3 – Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung
Würfe möglich. Verzichtet man aber auf eine Unterscheidung der Würfel, so kommen alle Würfe mit verschiedenen Zahlen doppelt vor (in der folgenden Tabelle,
siehe Abbildung 3.10, markiert).
Abbildung 3.11: Wie oft muss nun wirklich gewürfelt werden?
Durch die Markierung ist deutlich zu sehen, dass eine Halbierung der Würfe nicht
möglich ist. Die korrekte Anzahl ergibt sich aus folgender Gleichung:
⎛n + k −1⎞
K * (n ,k ) =⎜
⎟
⎝ k ⎠
Man sagt auch: Eine Kombination zur Klasse k mit Wiederholung ist jede Auswahl
von k zum Teil gleichen Elementen aus einer Menge M mit n beliebig oft wiederholbaren Elementen, wobei die Reihenfolge keine Rolle spielt.
Angewendet auf unser Beispiel:
⎛6 + 2 −1⎞ 7 * 6
= 21
K * (6,2) =⎜
⎟=
⎝ 2 ⎠ 1* 2
Im folgenden Kapitelabschnitt geht es nun mit Münzwurf, Würfeln und Kartenspiel
weiter.
132
Für Zocker und Spieler
Für Zocker und Spieler
Dass die Wahrscheinlichkeitsrechnung ein ernst zu nehmender Bereich der Statistik
ist, wurde eingangs schon erwähnt; es wird auch im Verlauf dieses Kapitels hoffentlich noch deutlich. Zunächst scheint dieser Bereich aber etwas für Spielernaturen zu
sein. Tatsächlich gehen die Anfänge der Wahrscheinlichkeitsrechnung auch auf das
Glücksspiel zurück. Blaise Pascal (1623–1662) und Pierre Fermat (1601–1665)
gehörten zu den Ersten, die mathematische Lösungen zu Problemen des Glücksspiels
versuchten. Erst im 19. Jh. machte der Aufschwung der Naturwissenschaften eine
Erweiterung der Wahrscheinlichkeitsrechnung über das Glücksspiel hinaus notwendig.
Die Wahrscheinlichkeitsrechnung wurde so zu einem Zweig der Mathematik, der
sich mit der Aufdeckung der Gesetzmäßigkeiten von zufälligen Ereignissen befasst.
Dazu ist das Studium von Massenerscheinungen nötig – und damit haben wir auch
den Bogen zur Statistik gespannt.
Kopf oder Zahl?
Klassisches Beispiel für die Demonstration von Wahrscheinlichkeiten ist der Münzwurf: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Münzwurf die Zahl oben
zu liegen kommt? Das wird am einfachsten durch einen Bruch ausgedrückt: Eine
Münze hat zwei Seiten (Kopf und Zahl). Dieser Wert (2) kommt unter den Bruchstrich. Es soll ein bestimmtes Ergebnis erzielt werden: Zahl soll oben liegen. Dieser
Wert (1) kommt über den Bruchstrich:
Über dem Bruchstrich stehen die Anforderungen.
Unter dem Bruchstrich stehen die Möglichkeiten.
In diesem Beispiel wäre also die Wahrscheinlichkeit:
1
= 0,5 oder 50%
2
Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Wurf die Zahlenseite der Münze oben zu liegen kommt, beträgt also 50%.
Wie sieht es denn nun aus, wenn die Fragestellung erweitert wird? Wie hoch ist die
Wahrscheinlichkeit, dass bei zwei Münzwürfen die Zahlseite nach oben zu liegen
kommt?
133
Kapitel 3 – Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung
1 1 1
* = = 0,25 oder 25%
2 2 4
Die Wahrscheinlichkeit beträgt also nur noch 25%.
Erweitern wir das auf drei Münzwürfe, sieht die Rechnung so aus:
1 1 1 1
* * = = 0,1666 oder 16,66%
2 2 2 6
Es ist deutlich: Die Wahrscheinlichkeit, das gewünschte Ergebnis zu erzielen, sinkt
mit der steigenden Zahl von Möglichkeiten.
Wie der Würfel fällt
Beschäftigen wir uns mit dem Würfel, so beginnen wir dort, wo wir gerade beim
Münzwurf aufgehört haben. Ein Würfel hat 6 Seiten (und damit 6 Möglichkeiten)
mit 6 verschiedenen Zahlen (1, 2, 3, 4, 5, 6). Um die Wahrscheinlichkeit zu ermitteln,
mit der bei einem Wurf (1 Anforderung) eine 6 erzielt werden kann, nehmen Sie
folgende Berechnung vor:
1
= 0,1666 oder 16,66%
6
Legen Sie zwei Anforderungen fest, die alternativ mit zwei Würfen erzielt werden
können (entweder die 6 oder die 1), so steigt die Wahrscheinlichkeit:
1 1 2 1
+ = = = 0,3333 oder 33,33%
6 6 6 3
Bestimmen Sie aber zwei Anforderungen, die beide erzielt werden sollen (z.B. die 6
und die 1), so sinkt die Wahrscheinlichkeit rapide:
1 1
1
= 0,277 oder 2,77%
* =
6 6 36
Die Wahrscheinlichkeit ist nun nicht mehr sehr hoch.
134
Für Zocker und Spieler
Kartenspiele
Altgediente Pokerprofis werden diese Methode nun schnell auf Spielkarten übertragen können. Die Wahrscheinlichkeit, aus einem kompletten Kartenspiel (32 Karten)
das Pik-Ass hervorzuziehen, ist:
1
= 0,03125 oder 3,125%
32
Wie hoch ist aber nun die Wahrscheinlichkeit, alle 4 Asse aus dem Stapel zu
nehmen? Dazu müssen Sie nur ein wenig nachdenken, um die Formel – und damit
die Wahrscheinlichkeit – ermitteln zu können. Nehmen Sie das erste Ass heraus, so
stehen nur noch 31 Karten zur Verfügung, nach der Herausnahme des zweiten Asses
nur noch 30 und so weiter. Unsere Berechnung sieht also folgendermaßen aus:
1 1 1 1
1
= 0,00000115869484612532 = 0,000116%
* *
* =
32 31 30 29 863.040
Abbildung 3.12: Das, was man gerne hätte, ist wie immer im Leben, am
unwahrscheinlichsten
Nun etwas für weit Fortgeschrittene: Es sollen aus dem Kartenstapel Karo-Bube,
Karo-Dame, Karo-König und das Karo-Ass gezogen werden. Nehmen wir mal an, die
erste Vorgabe hieße auch: in exakt dieser aufgeführten Reihenfolge. Dann lautete
die Berechnung:
1 1 1 1
1
= 0,00000115869484612532 = 0,000116%
* *
* =
32 31 30 29 863040
135
Kapitel 3 – Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung
Das hatten wir ja schon. Durch andere Karten verändert sich (entgegen landläufiger
Meinung) die Wahrscheinlichkeit nicht. Ist aber die Reihenfolge, in der die Karten
gezogen werden dürfen, beliebig, dann sieht die Berechnung etwas anders aus:
4 3 2 1
* *
* = 0,0000115869484612532 = 0,00116%
32 31 30 29
Abbildung 3.13: Beliebige Reihenfolge erhöht die Wahrscheinlichkeit
Das Komma ist um eine Stelle nach rechts gerückt. Die beliebige Reihenfolge hat die
Wahrscheinlichkeit zwar deutlich erhöht, sie ist aber nach wie vor gering. Wenn
Ihnen diese Berechnung nicht verständlich ist, hilft Ihnen vielleicht folgender Hinweis:
Für die erste Karte gibt es 32 Möglichkeiten (= 32 Karten) und genau 4 Anforderungen (denn 4 verschiedene Karten sollen ja gezogen werden). Danach gibt es nur noch
31 Möglichkeiten (eine Karte ist ja weg), und da nur noch drei Karten zu ziehen sind,
auch nur noch 3 Anforderungen.
Wenn Sie dieses Beispiel einmal testweise für alle Karten durchrechnen (alle 32 Karten dürfen in beliebiger Reihenfolge gezogen werden), so kommen Sie auf die Wahrscheinlichkeit 1 oder 100%.
Spätestens jetzt dürfte Ihnen deutlich geworden sein, dass man die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Ereignis eintreffen könnte, auch berechnen kann.
Etwas Theorie
Zum Abschluss einige theoretische Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Jedes mögliche Ergebnis eines Zufallsexperiments nennt man ein Elementarereignis
E (oder einen Ausfall). Die Menge aller Elementarereignisse
E1, E 2 , E 3 …E n
136
Für Zocker und Spieler
bildet den Ereignisraum
S = {E1, E 2 , E 3 …E N } .
Zwei Ereignisse E und E heißen Gegenereignisse, wenn Folgendes gilt:
E und E bestehen aus verschiedenen Elementarereignissen und
E und E ergänzen sich zum Ereignisraum S.
Zufall und Experiment
Kommen wir wieder auf unser Würfel-Beispiel zurück. Die möglichen Würfe mit zwei
Würfeln haben wir ja schon einmal theoretisch überschaut und in einer Matrix dargestellt. Jetzt betrachten wir dieses Beispiel aus einem neuen Blickwinkel. Zunächst
interessiert uns, welche Ergebnisse überhaupt erzielt werden können. Die kleinste
Kombination, die bei einem Wurf mit beiden Würfeln erzielt werden kann, ist die 2
(2 * 1), die höchste die 12 (2 * 6). Die 1 kommt nicht vor, weil ein Würfel keine 0 als
Wert hat. Es sind somit 11 Ergebnisse möglich.
Abbildung 3.14: Welche Möglichkeiten gibt es bei zwei Würfeln?
Teilen sich zwei Spieler die möglichen Ereignisse folgendermaßen auf:
1. Spieler: die ersten und letzten drei möglichen Ereignisse (2,3,4 und 10,11,12)
2. Spieler: die mittleren 5 möglichen Ereignisse (5,6,7,8,9)
137
Kapitel 3 – Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung
so scheint zunächst der Spieler im Vorteil, auf den mehr mögliche Ereignisse zutreffen (1. Spieler 6 Ereignisse, 2. Spieler 5 Ereignisse). Tatsächlich verhält es sich aber
anders. Untersuchen Sie dazu einmal die Tabelle näher. Sie werden feststellen, dass
die 2 und die 12 nur jeweils einmal auftauchen (sie können ja auch nur aus der
Kombination 1 + 1 und 6 + 6 erzielt werden), die 7 dagegen 6-mal (verschiedene
Kombinationen sind möglich: 6 + 1, 5 + 2, 4 + 3, 3 + 4, 2 + 5 und 1 + 6). So treffen:
auf den 1. Spieler nur 12 Ereignisse,
auf den 2. Spieler aber 14 Ereignisse zu.
Abbildung 3.15: Wie oft kann welches Ergebnis vorkommen?
Mit diesen Ergebnissen können wir jetzt die Wahrscheinlichkeit errechnen:
w (A ) =
h(A )
n
wobei h(A) die Anzahl der für A günstigen Ereignisse und n die Anzahl aller Ereignisse
sind.
138
Für Zocker und Spieler
Die Gewinnchancen für den ersten Spieler betragen:
w (1) =
12 1
=
36 3
w (2) =
24 2
=
36 3
und für den zweiten Spieler:
Die Auszählung der Ergebnisse habe ich in der Excel-Tabelle (siehe Abbildung 3.14)
übrigens mit der Funktion ZÄHLENWENN durchgeführt. Diese Funktion benötigt
zwei Parameter:
den Bereich, den die Funktion auswerten soll (im Beispiel: Q2:V7)
den Wert, nach dem gesucht werden soll (im Beispiel das Ergebnis aus dem Würfelwurf)
Der Bereich wird als absoluter Bereich angegeben. Somit kann die Formel dann in die
darunter liegenden Zellen kopiert werden.
Experimente dieser Art (sämtliche Ausfälle haben die gleiche Chance) nennt man
nach dem Mathematiker Pierre-Simon de Laplace (1749–1827), der diese Untersuchung zuerst geführt hat, Laplace-Experiment, die zugehörigen Wahrscheinlichkeiten Laplace-Wahrscheinlichkeiten.
Gut für den Spieler, der sich ein wenig mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung auskennt!
Untersucht werden kann jetzt auch die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten jeder
Würfelsumme beim Werfen mit zwei Würfeln. Die 2 kommt nur einmal vor, also ist
die Wahrscheinlichkeit:
w (1) =
1
36
Die 7 kommt insgesamt sechsmal vor, also ist die Wahrscheinlichkeit:
w (7) =
6
36
139
Kapitel 3 – Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung
Die Summen aller Wahrscheinlichkeiten aus der Untersuchung „Würfeln mit zwei
Würfeln“ ergeben den Wert 1. Dies bedeutet: Eines der Ereignisse aus diesem Experiment (eine Summe zwischen 2 und 12) tritt mit Sicherheit ein.
Abbildung 3.16: Die Summe aller Wahrscheinlichkeiten aus diesem Experiment ist 1
Relative Häufigkeit
Erinnern Sie sich an das Münz-Beispiel? Wir haben errechnet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Wurf die Zahl oben zu liegen kommt, 50% beträgt. Damit ist
auch die Chance, dass Kopf oben zu liegen kommt, ebenfalls 50% hoch – die Chancen sind also gleich.
Um diese errechnete Wahrscheinlichkeit zu überprüfen, führen wir ein Experiment
durch. Wir angeln den letzten Cent aus der Geldbörse und führen einige Würfe
durch, die wir exakt protokollieren.
Zwanzig Versuche zeigen, dass das Ergebnis gar nicht so weit von der errechneten
Wahrscheinlichkeit entfernt liegt. Allerdings haben wir es hier nur mit einer Stichprobe zu tun, da ja nur ein kleiner Ausschnitt der möglichen Würfe durchgeführt
wurde. Die Anzahl des Auftretens der beiden Münzseiten nennt man auch absolute
Häufigkeiten; h(z) für Zahl und h(k) für Kopf.
140
Für Zocker und Spieler
Abbildung 3.17: Eine Stichprobe auf die Glaubwürdigkeit der
Wahrscheinlichkeitsrechnung
Was sind zwanzig Münzwürfe? Und was sagen schon absolute Häufigkeiten aus?
Erhöhen wir die Versuche – wir haben ja sowieso gerade nichts Besseres vor; was
kann man mit einem Cent schon groß unternehmen? – und versuchen dann die relative Häufigkeit des Experiments zu ermitteln.
Je größer die Zahl der Experimente, umso größer wird die Differenz zwischen den
beiden Varianten. Sie sehen, dass die Aussagekraft der absoluten Häufigkeiten nicht
sehr groß ist. Sie müssen die Anzahl der Experimente mit ins Spiel bringen, um eine
davon unabhängige Aussagekraft zu erreichen.
Die relative Häufigkeit für die Variante „Zahl“ errechnen Sie folgendermaßen:
r(w ) =
h(z )
n
wobei h(z) die Anzahl der Würfe mit der Zahlseite und n die Anzahl der Würfe des
gesamten Experiments sind. Für h(k) gilt es entsprechend.
141
Kapitel 3 – Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung
Abbildung 3.18: Relative Häufigkeiten sagen mehr aus als absolute
Sie sehen, dass sich bei Zunahme der Wurfhäufigkeit die relative Häufigkeit immer
mehr der errechneten Wahrscheinlichkeit annähert. Folgende Aussagen können deshalb getroffen werden:
Bei einer kleinen Anzahl von Versuchen gibt die relative Häufigkeit einen Schätzwert für die Wahrscheinlichkeit an.
Bei einer großen Anzahl von Versuchen sind relative Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit kaum zu unterscheiden.
Übrigens, falls Sie gerade darüber nachdenken, ob ich meine letzte Centmünze
10.000-mal geworfen habe: Ich habe es nur 100-mal geschafft. Dann habe ich
Freunde gebeten, ebenfalls hundertmal ihren letzten Cent zu werfen. Die Ergebnisse
konnte ich für die Reihen 500 und 1.000 verwerten. Für die beiden Reihen 5.000 und
10.000 habe ich auf Ergebnisse zurückgegriffen, die in der Literatur zu finden waren.
Das ist zwar nicht ganz sauber (zumal die Durchführung der Experimente nicht überwacht und die «abgeschriebenen Ergebnisse» nicht auf Glaubwürdigkeit überprüft
werden konnten), zur Demonstration der Errechnung relativer Häufigkeiten mag es
an dieser Stelle aber genügen.
142
Für Zocker und Spieler
Wahrscheinlichkeiten von zufälligen Ereignissen
Setzen wir noch einmal an, wo wir vorhin aufgehört haben. Durch Würfe mit einer
Centmünze und deren Auswertung haben wir versucht, uns über die relativen Häufigkeiten an die Wahrscheinlichkeit anzunähern. Zunächst aber noch etwas Theorie,
genauer Begriffsdefinition:
Wir sprachen schon von Ereignissen; diese können aber noch etwas differenziert
werden. Es gibt
sichere Ereignisse
unmögliche Ereignisse
zufällige Ereignisse
Mit einem Würfel eine der Zahlen 1, 2, 3, 4, 5 oder 6 zu würfeln ist ein sicheres
Ereignis. Mit einem Würfel eine 0 zu würfeln dagegen ein unmögliches Ereignis.
Wird aber nur die 6 als Ergebnis des Würfelwurfs gewünscht, so ist es ein zufälliges
Ereignis, wenn die 6 oben zu liegen kommt, denn genauso gut könnte da jetzt auch
eine 1, 2, 3, 4 oder 5 stehen.
Um aus einer Serie von zufälligen Ereignissen eine gewisse Wahrscheinlichkeit festlegen zu können, haben wir die Berechnung der relativen Häufigkeit benutzt. Dabei
haben wir festgestellt, dass bei einer ausreichend großen Anzahl n von Versuchen, in
denen das Ereignis E m-mal eingetreten ist, die relative Häufigkeit m/n als Zahlenwert für die Wahrscheinlichkeit gewählt werden kann.
Diesen Zahlenwert nennt man auch die statistische Wahrscheinlichkeit des Ereignisses E und bezeichnet sie mit:
⎛m ⎞
P(E ) =⎜ ⎟
⎝n ⎠
Multipliziert mit 100 ergibt sich ein Prozentwert für die Wahrscheinlichkeit, wie wir
schon festgestellt haben.
Es ergibt sich bei dieser Berechnung der Wahrscheinlichkeit immer eine Zahl zwischen 0 und 1, da immer gilt:
0 ≤m ≤n
und damit auch:
E : 0 ≤ P(E ) ≤ 1
143
Kapitel 3 – Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung
Dazu ein kleines Beispiel aus der Praxis:
Bei der Produktion von Schrauben wird der Ausschuss gezählt. Die Produktionschargen-Menge beträgt 5.000 Stück. 58 Schrauben werden bei der Qualitätskontrolle
aussortiert. Die statistische Wahrscheinlichkeit beträgt damit 0,0116 oder anders
gesagt:
P(E ) =
58
= 0,0116 = 1,16%
5000
Abbildung 3.19: Die statistische Wahrscheinlichkeit ist schnell errechnet
Das Additionsgesetz
Die Griechen haben die Demokratie erfunden. Aus einer Urne wurden Tonscherben
mit dem Stimmvermerken der stimmberechtigten Bürger gegeben. Später sollen in
Athen sogar so etwas wie Wahlautomaten eingesetzt worden sein. Von statistischen
Auswertungen der Ergebnisse ist allerdings auch von den mathematisch begabten
Griechen nichts bekannt.
Diese Urne hilft uns aber, die Ereignisse noch etwas weiter zu definieren. Liegen in
einer solchen Urne genau zwei Würfel, ein weißer und ein blauer, so kann entweder
der weiße oder der blaue Würfel aus der Urne gezogen werden, unter der Vorgabe,
dass immer nur ein Würfel gezogen werden darf. So kann immer nur der eine oder
der andere Würfel aus der Urne kommen. Bei der Benutzung des Würfels kann ebenfalls immer nur eine Zahl oben liegen. Man spricht in solchen Fällen von einander
ausschließenden Ereignissen.
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Für Zocker und Spieler
Bei einem Würfel ist es ganz besonders deutlich, da im Idealfall für alle Zahlen
(Seiten des Würfels) durch gleiche Bedingungen (gleiche Kantenlängen) gleiche
Chancen herrschen. Wird die 6 gezeigt, so ist die 1 ausgeschlossen (u. a.). Wird die 1
gezeigt, kann es die 6 nicht sein. Da es 6 Flächen gibt, ist die Wahrscheinlichkeit,
dass die 6 gezeigt wird:
1
P(E ) =
6
6
Für die 1 (E1) gilt das aber ganz genauso. Die Wahrscheinlichkeit, eine 1 oder eine 6
zu würfeln, ist demnach doppelt so groß:
1 1 2
P(E oderE ) = + =
1
6
6 6 6
Man nennt dies auch das Additionsgesetz der Wahrscheinlichkeitsrechnung.
Hinweis
Mann nennt Wahrscheinlichkeiten, die unter festen Bedingungen berechnet
werden, unbedingte Wahrscheinlichkeiten.
Das Multiplikationsgesetz
Bei dem Urnen-Beispiel aus dem vorangegangenen Abschnitt wurde stillschweigend
davon ausgegangen, dass der gezogene Würfel außerhalb der Urne bleibt. Wird aber
der Würfel in die Urne zurückgelegt, so ist es möglich, bei der nächsten Ziehung den
gleichen Würfel wieder in die Hand zu bekommen. Man spricht in diesem Fall von
einem bedingten Ereignis.
Die Wahrscheinlichkeit für das gleichzeitige Auftreten von zwei Ereignissen E und F
ist gleich dem Produkt der Wahrscheinlichkeit des ersten Ereignisses F mit der
bedingten Wahrscheinlichkeit des Ereignisses E, die unter der Voraussetzung berechnet wurde, dass das Ereignis F schon eingetreten war. Daraus ergibt sich das Multiplikationsgesetz, das folgendermaßen dargestellt werden kann:
P(E und F ) = P(F ) * P⎛ E ⎞
⎜ ⎟
⎝F ⎠
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Kapitel 3 – Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung
Da jedes der beiden Ereignisse E und F als das erste angesehen werden kann, gilt aber
auch:
P(E und F ) = P(E ) * P⎛ F ⎞
⎜ ⎟
⎝E ⎠
1
.
6
Die Wahrscheinlichkeit, beim zweiten Wurf ebenfalls eine 6 zu würfeln, ist genauso
groß. Wie sieht es aber mit der Wahrscheinlichkeit aus, eine 6 zu würfeln, nachdem mit
dem ersten Wurf bereits eine 6 erzielt wurde? Der erste Wurf ist vom zweiten unabhängig und umgekehrt. Man spricht in diesem Fall von unabhängigen Ereignissen.
Um beim Würfeln zu bleiben: Die Wahrscheinlichkeit, eine 6 zu würfeln, ist
Das Multiplikationsgesetz für unabhängige Wahrscheinlichkeiten definiert sich so:
Die Wahrscheinlichkeit P(E und F) für das gleichzeitige Eintreten der voneinander
unabhängigen Ereignisse E und F ist gleich dem Produkt der Wahrscheinlichkeit P(E)
für das Eintreten des Ereignisses F.
Als Formel sieht das folgendermaßen aus:
P(E und F ) = P(E ) * P(F )
Umgesetzt auf die zuvor gestellte Frage nach der Wahrscheinlichkeit, dass die gleiche Zahl wie beim ersten Wurf wieder auftritt:
1 1
1
P(E und F ) = * =
6 6 36
Die Wahrscheinlichkeit, dass der zweite dem ersten Wurf gleicht, ist also ungleich
niedriger.
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