Vorkurs Mathematik 2016 3. Potenzen und Potenzgesetze Die einfachsten Potenzfunktionen ergeben sich für natürliche Exponenten: f (x) = x n , Abb. 1: Ungerade Exponenten n 2 N. Abb. 2: Gerade Exponenten Die Funktionen für die Exponenten n1 sind die Umkehrfunktionen zu x n . TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 1 3. Potenzen und Potenzgesetze Definition 1. Seien A und B Mengen. Eine Funktion f : A ! B ist eine Vorschrift, durch die jedem x 2 A genau ein y = f (x) 2 B zugeordnet wird. A heißt Definitionsbereich von f , B heißt Zielmenge von f , und f (A) := {f (x) : x 2 A} µ B heißt Wertebereich oder Bild von f . Zu einer gegebenen Menge A0 µ A heißt f (A0 ) := {f (x) : x 2 A0 } µ B das Bild von A0 unter f . Zu einer gegebenen Menge B 0 µ B heißt f °1 (B 0 ) := {x 2 A : f (x) 2 B 0 } das Urbild von B 0 unter f . TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 2 3. Potenzen und Potenzgesetze Definition 2. Eine Funktion f : A ! B heißt injektiv (eineindeutig), wenn für alle x1 ,x2 2 A mit x1 6= x2 stets f (x1 ) 6= f (x2 ) gilt, surjektiv, wenn es zu jedem y 2 B ein x 2 A gibt mit y = f (x), bijektiv, wenn f injektiv und surjektiv ist. Ist f bijektiv, so existiert die Umkehrfunktion f °1 : B ! A, f °1 (y) = x :, y = f (x). TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 3 3. Potenzen und Potenzgesetze Der Graph der Umkehrfunktion f °1 ergibt sich aus dem Graphen der Funktion f durch Spiegeln an der Geraden y = x. y = f (x) () f °1 (y) = f °1 (f (x)) = x TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 4 3. Potenzen und Potenzgesetze p p 3 Die gezeigten Wurzelfunktionen x 7! x und x 7! x sind die Umkehrfunktionen von f (x) = x 2 und f (x) = x 3 mit den nichtnegativen Zahlen als Definitionsbereich. TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 5 3. Potenzen und Potenzgesetze Definition 3 (Wurzel). Die n-te Wurzel, n 2 N, aus einer reellen Zahl a ∏ 0, ist diejenige p nichtnegative reelle Zahl b, für die bn = a gilt. Man schreibt b = n a. Die n-te Wurzel bzw. die Wurzelfunktion f (x) = x ∏ 0 definiert. p n x ist nur für nichtnegative TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 6 3. Potenzen und Potenzgesetze Wurzel und Quadrat Für beliebige reellen Zahlen x gilt Somit hat die Gleichung x 2 = a p p x2 = q x 2 = |x |. im Fall a < 0 keine reelle Lösung, (°x)2 = q im Fall a ∏ 0 zwei reelle Lösungen, nämlich x = p |x |2 und somit p p a und x = ° a. Achtung: Die Lösung x = ° a im zweiten Fall wird häufig vergessen! TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 7 3. Potenzen und Potenzgesetze WO STECKT DER FEHLER? p 8x 2 ° 4 ° 2x = 0. Man bestimme alle Lösungen von p 8x 2 ° 4 ° 2x = 0 (1) p 8x 2 ° 4 = 2x (2) 8x 2 ° 4 = 4x 2 (3) 4x 2 = 4 x2 = 1 Folglich sind 1 und °1 Lösungen der Gleichung (4) (5) p p 7x = 0.= 0. 8x22° 3 °4 2x 2x Art des Fehlers: (A) beide Lösungen sind falsch, (B) x = °1 ist keine Lösung, (C) x = 1 ist keine Lösung, (D) es gibt keine Lösungen. TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 8 3. Potenzen und Potenzgesetze Der lange Weg zu den Potenzgesetzen: 1. Schritt: x n , n 2 N, also eine natürliche Zahl (ungleich Null). Wie jeder weiß, gilt: 106 · 103 = 10 · 10 · 10 · 10} · 10 | · 10 · 10{z | · 10 {z · 10} 9 = 10 · 10 · 10 · 10 · 10 · 10 · 10 · 10 · 10 = 10 | {z } 6+3 = 9 Faktoren Das gilt deshalb auch allgemein für jede reelle Zahl x 2 R und natürliche Zahlen m,n 2 N n+m x n · x m = x| · x ...x · x · x · x ...x · x = x · x ...x · x · x ...x · x = x {z } | {z } | {z } n Faktoren m Faktoren n+m Faktoren m x m n (mn) sowie analog (x ) = x und x n = x m°n , falls m > n. TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 9 3. Potenzen und Potenzgesetze Rationale und reelle Exponenten 2. Schritt: Wir definieren zunächst x 1 n. p 1 n Die Umkehrfunktion zu x (x > 0) ist x n := n x. Sie erfüllt die Gleichung ≥ 1 ¥n xn = x. Wegen der diskutierten Probleme mit der Umkehrfunktion bei geradem Exponenten n definiert man x 1 n nur für nichtnegative x. Für positive rationale Exponenten definieren wir x m n ≥ = x 1 ¥m n p n = ( x)m , x ∏ 0, n,m 2 N. 3. Schritt: Per Definition ist x 0 = 1 für alle x 2 R. TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 10 3. Potenzen und Potenzgesetze 4. Schritt: Negative ganze Zahlen °n, n 2 N. Für x 6= 0 gilt x · x1 = 1 und damit auch µ ∂n 1 n x · x xn 1 n =1= n =x n. x x Deshalb definiert man x °n := x1n , und es gilt m x x m · x °n = n = x m°n . x Ergebnis: Für rationale Zahlen r = m n ist x m n p n = ( x)m . Für irrationale Æ 2 R wird x Æ mittels Stetigkeitsargument definiert: Zu jeder irrationalen Zahl Æ gibt es eine Folge rationaler Zahlen mit lim rn = Æ, und wir definieren: n!1 x Æ := lim x rn . n!1 TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 11 3. Potenzen und Potenzgesetze Potenzgesetze Für beliebige reelle Zahlen a, b, c 2 R und natürliche Zahlen n 2 N sowie m 2 Z gelten die folgenden Potenzgesetze: (ab )c = a(bc) , a > 0, (ab)c = ac bc , a, b > 0, ab+c = ab ac , a °b = 1 , ab b a ab°c = c , a 1 an m an = = p n a, p n a > 0, a>0 a>0 a ∏ 0. p am = ( n a)m , a ∏ 0. TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 12 3. Potenzen und Potenzgesetze Quadrieren und Potenzieren mit geradem Exponenten Beispiel: Aus x = °3 folgt x 2 = (°3)2 = 9. Wenden wir das Wurzelziehen als Umkehroperation an, so folgt p x 2 = |x | = p 9 = 3, und wir erhalten 2 Lösungen x1 = °3 und x2 = 3. Merke: Quadrieren ist keine äquivalente Umformung! Trotzdem wird man in vielen Fällen quadrieren, um eine Lösung zu erhalten. In diesem Fall muss man eine Probe machen, um beim Quadrieren entstandene Scheinlösungen zu identifizieren. Das Phänomen tritt analog bei sämtlichen Potenzen mit geradem Exponenten auf. TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 13 3. Potenzen und Potenzgesetze Potenzieren mit ungeradem Exponenten Beispiel: Die Gleichung x 3 = °8 besitzt die einzige Lösung x = °2. p 3 Allerdings darf diese nicht als x = °8 geschrieben werden, denn Wurzeln sind nur für nichtnegative Zahlen definiert! Die korrekten Schritte beim äquivalenten Umformen lauten hier x 3 = °8 () °x 3 = 8 () (°x)3 = 8 () °x = p 3 8 = 2 () x = °2. Eine Probe ist entbehrlich, da äquivalent umgeformt wurde. Sie schadet aber auch nicht. TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 14 3. Potenzen und Potenzgesetze p 3 Exkurs: Warum nicht einfach °8 = °2? Ein Grund wäre die Allgemeingültigkeit der Potenzgesetze: Es gilt für m 2 Z, n, k 2 N: x m n =x m ·k n ·k . p 3 Würde man fälschlicherweise mit °2 = °8 rechnen, so folgt daraus ein Widerspruch: °2 = p 3 1 °8 = (°8) 3 2 = (°8) 6 = q 6 1· 2 = (°8) 3·2 (°8)2 = p 6 64 = 2. Eine weitere Begründung lernen Sie in HM 1 kennen: in den komplexen Zahlen hat die Gleichung x 3 = °8 drei verschiedene Lösungen! TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 15 3. Potenzen und Potenzgesetze Lösen von Potenzgleichungen Die Gleichung x n = a mit geradem Exponenten n 2 N besitzt: p n genau die beiden Lösungen x1/2 = ± a, falls a ∏ 0, keine Lösung, falls a < 0. Die Gleichung x n = a mit ungeradem Exponenten n 2 N besitzt: die eindeutige Lösung x = p n a, falls a ∏ 0, p p n die eindeutige Lösung x = ° |a| = ° n °a, falls a < 0. TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 16 3. Potenzen und Potenzgesetze Lösungsverfahren für Wurzelgleichungen 1. Den maximalen Definitionsbereich bestimmen. 2. Quadrieren bzw. Potenzieren bis keine Wurzeln mehr auftreten. 3. Resultierende Gleichung lösen. 4. Abgleich der erhaltenen Lösungen mit dem Definitionsbereich. 5. Probe. Lösen Sie die beiden Wurzelgleichungen p p x °1+ x +2 = 1 und p 4 p x3 +4 = x +2 TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 17 3. Potenzen und Potenzgesetze Die Gleichung besitzt keine Lösung. p p x °1+ x +2 = 1 TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 18 3. Potenzen und Potenzgesetze Die Gleichung p 4 x3 +4 = besitzt die Lösungen x0 = 0, x1 = p 1° 17 2 p x +2 und x2 = p 1+ 17 2 . TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 19 3. Potenzen und Potenzgesetze Die Exponentialfunktion x 7! ax ist für a > 0 und alle x 2 R definiert. Gebräuchliche Werte für die Basis sind die Zahlen 10, 2 und e º 2.71828. TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 20 3. Potenzen und Potenzgesetze Plot von Exponentialfunktionen zu verschiedenen Basen: TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 21 3. Potenzen und Potenzgesetze Die Eulersche Zahl e Ein Startkapital von 1e werde jeweils für ein Jahr angelegt. Auf Leonhard Euler (1707-1783) geht folgende Überlegung zum Zinseszins zurück: Bei jährlicher Verzinsung mit 100% sind am Jahresende 2e fällig. Bei halbjährlicher Verzinsung mit 50% sind am Jahresende (1 + 12 )2 e = 2.25e zu zahlen. Bei vierteljährlicher Verzinsung mit 25% sind am Jahresende (1 + 14 )4 e º 2.44e zu zahlen. 1 -tel des Frage: Wie wächst die zu zahlende Summe, wenn 100 % pro n n Jahres zu zahlen sind? Wird diese Zahl beliebig groß? Euler: Nein, denn µ 1 e := lim 1 + n!1 n ∂n º 2.71828. TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 22 3. Potenzen und Potenzgesetze Exponential- und Logarithmusfunktion Die Logarithmusfunktion ist die Umkehrfunktion der Eponentialfunktion. Der Definitionsbereich der Logarithmusfunktion ist das offene Intervall (0; 1). Der Logarithmus ist folglich nur für positive Argumente x definiert. Für die Basis a gilt a > 0. TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 23 3. Potenzen und Potenzgesetze Wozu braucht man den Logarithmus? Schallpegel (dB) 120 90 60 30 0 Schallintensität (W/m2) Düsenjet in 500m Entfernung Rock-Konzert U-Bahn PKW leise Unterhaltung ruhiges Zimmer Blätterrauschen Hörbarkeitsgrenze 1 10-3 Wie laut ist laut? 10-6 10-9 10-12 Die Schallintensität I läuft von I0 = 10°12 W2 bis über 100 = 1 W2 , deshalb m m ist eine logarithmische Darstellung als Schallpegel P besser: I P = 10log10 . I0 TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 24 3. Potenzen und Potenzgesetze Rechnen mit Logarithmen Alle Logarithmengesetze ergeben sich aus den Potenzgesetzen. Für x,y > 0 und a > 0, a 6= 1 sowie r ,b > 0 gilt b = loga c () ab = c, ab = eb lna , loga (xy) = loga x + loga y, loga x r = r loga x, ≥ ¥ loga yx = loga x ° loga y , loga x °r = loga x1r = ° loga x r = °r loga x, wichtige Beziehungen: loga 1 = ln1 = 0,loga a = lne = 1. log x Umrechnungsformel: loga x = logb a und loga x = lnx . lna b TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 25 3. Potenzen und Potenzgesetze Logarithmen- und Exponentialgleichungen Maximalen Definitionsbereich bestimmen. Logarithmen- und Potenzgesetze anwenden und Gleichung lösen. Liegt die Lösung im Definitionsbereich? (Betrifft vor allem Logarithmen.) Beispiel: log10 (x ° 2) = 1 ( () log10 (x ° 2) = log10 10) =) x ° 2 = 10 () x = 12 Da x = 12 im Definitionsbereich liegt, ist x = 12 Lösung der Gleichung. TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 26 3. Potenzen und Potenzgesetze Bestimmen Sie alle reellen Lösungen der Gleichung 1 lnx ° ln(3x ° 2) = 0. 2 TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 27 3. Potenzen und Potenzgesetze Beispiel zur Exponentialgleichung: 9x °1 = 36 · 3x Maximaler Definitionsbereich: x 2 R. Anwenden von Potenzgesetzen: 9x °1 = (32 )x °1 = 32(x °1) und 36 · 3x = 36+x ergibt 32(x °1) = 36+x () 2(x ° 1) = 6 + x | log3 () x = 8. TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 28 3. Potenzen und Potenzgesetze Plot zum Beispiel 9x °1 = 36 · 3x mit x = 8 als Lösung: TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 29 3. Potenzen und Potenzgesetze Bestimmen Sie alle reellen Lösungen der Gleichung 3x +3 ° 2 · 5x = 5x +1 + 2(3x + 5x ). TU Bergakademie Freiberg | Fakultät 1 | S. Bernstein, M. Helm, S. Dempe et al | Vorkurs Mathematik | 2016 30