Unterschiedliche Darstellungen zum selben Thema

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Unterschiedliche Darstellungen zum
selben Thema vergleichen – Die
Französische Revolution
Markus Grass
2015
Seite 2
Unterschiedliche Darstellungen zum selben Thema vergleichen – Die Französische Revolution
UNTERSCHIEDLICHE DARSTELLUNGEN ZUM SELBEN THEMA VERGLEICHEN
1. Anforderungsbereich 1 – Sachverhalte aus zur Verfügung gestelltem Material ermitteln, herausarbeiten,
zusammenfassen (oder aus Vorwissen darlegen)
a. Fasse zusammen, wie in den Texten 1 und 2 der Verlauf der französischen Revolution nach 1791
dargestellt wird.
2. Anforderungsbereich 2 – Sachverhalte und Materialien (mit Hilfe von eigenem Vorwissen) einordnen,
erklären, charakterisieren, vergleichen, gegenüberstellen
a. Vergleiche, wie in den Texten 1 und 2 die Ursachen, der Verlauf und Auswirkungen der
Herrschaft der Jakobiner während der Französischen Revolution dargestellt werden.
b. Stelle die wichtigsten Unterschiede zwischen den beiden Darstellungen gegenüber.

Erkläre dabei insbesondere, wie die Einschätzung der Jakobinerherrschaft begründet
wird. Achte darauf, welche Fakten genannt werden, welche nicht genannt werden und
wie sie charakterisiert werden („gut“, „neutral“, „schlecht“ etc.)

Charakterisiere die Wortwahl der Texte 1 und 2 erkläre, wie sie (welche) Einstellung zur
Jakobinerherrschaft „transportieren“.
3. Anforderungsbereich 3
Unter Offenlegung der eigenen Kriterien/Maßstäbe einen Sachverhalt bewerten, beurteilen, Stellung beziehen
Re-konstruieren, d.h. kritisches Darstellen der Vergangenheit
De-konstruieren, d.h. kritisches Durchschauen oder Durchleuchten einer vorgegebenen Erzählung über die
Vergangenheit bzw. Gegenwart
a. Nimm Stellung zu den in den Materialien 3, 4 & 5 getroffenen Einschätzungen der
Französischen Revolution und insbesondere der Jakobinerherrschaft.
b. Beurteile - unter Bezugnahme auf die Einschätzungen in den Texten 3, 4 & 5 - die
unterschiedlichen Darstellungen zur Französischen Revolution (Text 1 & 2). Erörtere auch
mögliche ideologische oder weltanschauliche Hintergründe, die für diese Unterschiede
verantwortlich sein könnten. („De-konstruktion“)
c. Erkläre, wie – deiner Ansicht nach – eine adäquate Darstellung der Jakobinerherrschaft in
einem Schulbuch aussehen müsste/sollte. Beurteile in diesem Zusammenhang, ob eine
Darstellung der Französischen Revolution und der Herrschaft der Jakobiner ohne Bezugnahme
auf die Revolution auf Haiti sinnvoll ist
d. A politician from Indo-China (now Vietnam) - who had fought against the French colonial
power in order to gain independence in the 1950s - was asked what he thought of the French
Revolution. His answer was, “It is too soon to tell.” Please try to give an explanation for his
answer.
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Die Französische Revolution im Überblick
1789
Die Vertreter des „dritten Stands“ erklären sich zur
Nationalversammlung
Der König will die Nationalversammlung auflösen. Er befiehlt
der Armee, gegen die Abgeordneten der Nationalversammlung
vorzugehen.
Am 14. Juli 1789 kommt es zum "Sturm auf die Bastille". Die
Bastille war ein Gefängnis und ein Waffenarsenal. Teile der
Pariser Bevölkerung bewaffneten sich. Sie stellen sich der Armee
des Königs entgegen. Deshalb konnte der König sein Ziel nicht
erreichen.
Die Nationalversammlung trat weiterhin zusammen und
beschloss im August 1789 die -> "Erklärung der Menschen- und
Staatsbürgerrechte"
1792
1791
Frankreich wird eine Republik
Die Machthaber in Preußen und in Österreich rechneten damit,
dass auch in Berlin und in Wien eine demokratische Revolution wie
in Frankreich beginnen könnte.
Sie wolltem dem König von Frankreich dabei helfen, sich gegen die
demokratischen Kräfte durchzusetzen.
Im Jahr 1792 begann ein Krieg zwischen Frankreich auf der einen
Seite, und Österreich und Preußen auf der anderen Seite. Die
französische Armee hatte anfangs wenig Erfolg in diesem Krieg.
König Ludwig XVI. wurde von vielen dafür verantworlich gemacht.
Im September 1792 rief die Nationalversammlung die Republik aus.
Der König war damit entmachtet. Er wurde vor Gericht gestellt,
zum Tode verurteilt und im Jänner 1793 hingerichtet.
1793
Nationalversammlung beschließt eine Verfassung
In der Verfassung werden die Grundrechte der StaatsbürgerInnen
festgelgt. Die Grundrechte der Staatsbürger müssen von Regierung
respektiert werden. Ein Staat, der nach diesem Prinzip
"funktioniert", wird als -> Rechtsstaat bezeichnet.
Regierung der Jakobiner
Diese Phase der Französischen
Revolution wird von
HistorikerInnen sehr verschieden
beurteilt.
Die Verfassung bestimmt auch, dass die folgenden "Gewalten"
voneinander getrennt sein sollen.
In der Aufgabe XY kannst du die
unterschiedlichen Sichtweisen auf
die Regierungszeit der Jakobiner
vergleichen.
Einig sind sich aber alle HistorikerInnen, dass der Rechtsanwalt
Maximilien Robespierre (Abbildung) eine wichtige Rolle in der
Regierung der Jakobiner spielte.



Legislative (Gesetzgebung = Parlament)
Exekutive (Regierung)
Rechtsprechung (unabhängige Gerichte)
1794
1799
Ende der Jakobinerregierung ("Thermidor")
Napoleon übernimmt die Macht
Im Juli - wird die Regierung der Jakobiner gestürzt und
Robespierre zum Tod verurteilt. Der Sturz der Jakobiner wird
von manchen auch einfach als "Thermidor" bezeichnet.
"Thermidor" war eigentlich der neue Name für den Monat Juli im
neuen Revolutionskalender.
Der "Wohlfahrtsausschuss" der Jakobiner wird ersetzt durch ein
Direktorium, das in Frankreich regiert. Die Girondisten
übernehmen die führende Rolle in der Regierung. Viele
Girondisten waren Vertreter des wohlhabenden Großbürgertums
(Händler, Manufakturbesitzer, Bankiers etc.).
Napoleon war als Artilleriehauptmann im Krieg gegen Österreich und
Preußen bekannt geworden, weil er in einigen Schlachten erfolgreich
gewesen war.
1799 übernimmt Napoleon die Macht in Frankreich. Er stellte sich
gegen die Kräfte, welche die Königsherrschaft wieder einführen
wollten.
1804 führt Napoleon eine Volksabstimmung durch und lässt sich als
Kaiser der Franzosen bestätigen.
Im "Code Napoleon" werden Gesetze gesammelt. -> In Aufgabe XY
kannst du einige der Gesetze näher kennenlernen
Seite 4

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POLITISCHE UMBRÜCHE, DIE ALS REVOLUTIONEN BEZEICHNET WERDEN,
VERGLEICHEN UND BEWERTEN
Wir vergleichen zwei verschiedene Darstellungen über eine Phase der Französische Revolution. In beiden Texten geht es um
das Geschehen in den Jahren 1793 - 1794 in Frankreich. Zu dieser Zeit wurde Frankreich von den -> Jakobinern regiert.
Text 1 stammt aus dem Buch Zeitbilder 7 und ist überschrieben mit "Der Terror als Regierungsmittel". Zeitbilder 7 ist ein
Lehrbuch für das Fach "Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung" für die 11. Schulstufe an österreichischen Schulen. Es
wurde 2012 veröffentlicht.
Text 2 stammt aus dem Buch "Geschichte 7". Dieses Lehrbuch wurde für den Geschichteunterricht in der "Deutschen
Demokratischen Republik" (DDR) verwendet. Der Text stammt aus der Ausgabe des Buches im Jahr 1987.
Lies die beiden Texte durch und schreibe in der "Aufgabenstellung - Vergleich" (Seite 7) in Stichworten nieder, was dir beim
Lesen auffällt!
TEXT 1: ZEIBILDER 7
Der Terror als Regierungsmittel
Den Jakobinern gelang es schließlich, die Macht an sich zu reißen. Die radikale Minderheit hatte sich - vorerst in
Paris - durchgesetzt. Es erhoben sich die Provinzen gegen die zentralistische Diktatur der Jakobiner. Diese Aufstände wurden
in einem wahren Vernichtungskrieg mit aller Grausamkeit (Massenerschießungen und Massenertränkungen) niedergeschlagen.
Auch in der Kulturpolitik kam es zu radikalen Neuerungen. Die Kirchen- und Religionsfeindlichkeit erlebte einen Höhepunkt.
Das Christentum wurde abgeschafft und ein "Kult der Vernunft" eingeführt. An die Stelle des christlichen Kalenders trat ein
"vernünftiger": Die Monate wurden in drei Dekaden geteilt, Tage und Monate erhielten neue Namen.
Die Politik der Pariser Regierung geriet in dieser Zeit unter den immer stärker werdenden Druck der radikalisierten
Volksmassen von Paris. Drei Gesetze begründeten die nun folgende "Schreckensherrschaft" der Gruppe um Robespierre
(September 1793 bis Juli 1794):
Der Schrecken („la terreur“) wurde offiziell als Regierungsmittel anerkannt.
Das Gesetz gegen die Verdächtigen ermöglichte es dem Regime, sich aller Personen zu entledigen, die es für
gefährlich hielt.
Es wurden Lebensmittelhöchstpreise festgesetzt.
Alle, die gegen diese und andere Gesetze verstießen, wurden verhaftet und vor ein Revolutionstribunal gestellt. Von dort
führten nur zwei Wege weg: in die Freiheit oder unter die Guillotine, das „Rasiermesser der Nation“. Ein ordentlicher Prozess
oder Verteidigungsmöglichkeit war nicht vorgesehen.
Insgesamt werden die Opfer der Schreckensherrschaft auf ca. 15 000 allein in Paris geschätzt; dazu kamen noch
mehr als 100 000 im übrigen Frankreich. Die Mehrzahl der Opfer entstammte den Unterschichten, die sich durch
Verstöße gegen das Höchstpreis-Gesetz ein besseres Leben schaffen wollten. Aber selbst die Regierungskollegen Robespierres
waren vor dessen Diktatur nicht sicher. Er brachte alle seine Rivalen um die Macht vor das Revolutionstribunal, das ganz unter
seinem Einfluss stand. Dieses schickte sie dann weiter zur Guillotine. Die Revolution fraß ihre Väter. Schließlich schlossen sich
die Bedrohten zusammen und verhafteten den Diktator. Robespierre endete wie die Opfer seiner Schreckensherrschaft unter
dem Fallbeil.
Die Reaktion der Besitzenden
Viele Maßnahmen der Jakobinerherrschaft wurden nun rückgängig gemacht. Die Preiskontrolle wurde aufgehoben, politische
Gefangene wurden befreit und einige der grausamsten Terroristen hingerichtet. Durch die Wiederherstellung der
Wirtschaftsfreiheit stiegen allerdings die Lebenshaltungskosten sehr stark an. Anhänger des Königtums versuchten, die
schlimme Lage der Pariser Bevölkerung auszunützen, und wagten einen Aufstand. Der junge General Napoleon Bonaparte
erhielt die Führung der Truppen, die die Aufständischen zusammenschlossen. Das liberale Großbürgertum hat die Vormacht
im Staat wieder zurückgewonnen.
(zitiert aus: Zeitbilder 5&6 – 1. Auflage 2006, S. 159-160)
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TEXT 2: GESCHICHTE 7
Jakobiner und Sanscoulotten im Bündnis
In den Städten und Dörfern Frankreichs jubelten die Menschen über den Sieg von Valmy und die Ausrufung
der Republik. Doch bald verbreiteten sich Enttäuschung und Zorn. Die Regierung der Girondisten ließ es zu,
daß die Getreidehändler und die Kaufleute in den Häfen den Kriegszustand ausnutzten, um das Korn und den
Zucker zu Wucherpreisen zu verkaufen. Das Brot wurde immer teurer, und oft brachten die Händler
überhaupt kein Getreide auf den Markt, um die Preise noch höher zu treiben. […]
Am 2. Juni 1793 bewaffneten sich die Handwerker, Gesellen und Arbeiter von Paris [die sogenannten
„Sanscoulotten“] erneut. Sie umzingelten den Konvent und erreichten, daß die Führer der Girondisten
verhaftet und die Regierung den Jakobinern übergeben wurde . Die Jakobiner gaben dem Land eine neue
Verfassung, errichteten für die Zeit des Krieges eine Revolutionsregierung, die Jakobinerdiktatur. […]
Freiheit den Bauern und Brot den Armen
Nach dem 2. Juni 1793 riefen die Girondisten zum Aufstand gegen die Jakobiner auf, der zwei Drittel des
Landes erfaßte. England, das sich dem konterrevolutionären Bündnis der europäischen Feudalmächte
angeschlossen hatte, landete Truppen an der französischen Küste. Die preußisch-österreichische Armee drang
wiederum in Frankreich ein. Das ermutigte die Anhänger der Konterrevolution in Frankreich, erneut aus ihren
Schlupfwinkeln hervorzukommen. Sie überfielen besonders bekannte Revolutionäre und verübten zahlreiche
Morde. Überall verbreiteten sie Schrecken und Unruhe. So kam auch eine adlige Konterrevolutionärin nach
Paris und ermordete dort heimtückisch den vom Volk geliebten Marat.
Die Jakobiner im Wohlfahrtsausschuß handelten kühn und entschlossen, so wie es die gefährliche Lage
erforderte. Zuerst erfüllten sie die Forderungen der Bauern. Diese hatten seit 1789 immer wieder die
Beseitigung der feudalen Abgaben gefordert und sich dafür auch erhoben. Das den Bauern im Laufe früherer
Jahrhunderte von den Feudalherren geraubte Gemeindeland wurde ihnen zurückgegeben und machte sie zu
freien Eigentümern ihres Landes. Damit vollendete die Jakobinerdiktatur die bürgerliche Revolution in
Frankreich. Das Land der geflüchteten Adligen wurde in kleine Parzellen geteilt, die jetzt auch ärmere Bauern
käuflich erwerben können. Der Wohlfahrtsausschuß unter den Jakobinern befreite auch die arbeitenden
Menschen in der Stadt von der schlimmsten Not. Er erfüllte die stürmisch vorgetragenen Forderungen der
Sansculotten und setzte Höchstpreise für Brot und andere Lebensmittel durch. Eine besondere Armee wurde
aufgestellt, die das Getreide in die Städte holte und alle Wucherer hart bestrafte. Der Wohlfahrtsausschuß
entsandte Kommissare mit bewaffneten Abteilungen in die Gebiete, in denen Konterrevolutionäre wüteten.
Viele Gegner der Revolution, Spekulanten und Kriegsgewinnler wurden hingerichtet. Mit Hilfe des Volkes
stellten die Kommissare in kurzer Zeit die Herrschaft der Jakobiner über ganz Frankreich wieder her. So
sicherte der Wohlfahrtsausschuß die Errungenschaften der Revolution gegen den Ansturm der inneren Feinde.
Alles für die Verteidigung der Republik! – Soldaten der Revolution siegen über Fürstenheere
[…] Nachdem die Jakobiner die Revolution vollendet und die inneren Feinde niedergeworfen hatten, blieb
aber noch das Schwerste zu tun: der Kampf gegen die tödliche Bedrohung durch die Feudalmächte Europas.
Vom kapitalistischen England, das sich die französischen Kolonien aneignen wollte, erhielten diese Mächte
Geld. Damit schufen sie Armeen, die Frankreich erobern sollten. Danach planten sie, die Monarchie und die
Herrschaft der Feudalherren wiederherzustellen. […]
Wer tapfer und klug war, konnte in der Armee schnell befördert werden. Es herrschte eine strenge, aber keine
kleinliche Disziplin. Das Schlagen, Auspeitschen und Spießrutenlaufen, wie es in den Armeen der Fürsten
üblich war, gab es nicht. Die Jakobiner schufen aus den zu Eigentümern ihres Bodens gewordenen Bauern eine
Armee von bewußten und treuen Kämpfern, die die Sache der Revolution auch unter Einsatz ihres Lebens
verteidigten.
Die Überlegenheit der Revolutionsarmee gegenüber den Fürstenheeren
zeigte sich bald in ihren Erfolgen. Bereits im Herbst 1793 war Toulon, das
die Engländer besetzt hielten, nach längerer Belagerung zurückerobert
worden. Ein junger Artilleriehauptmann, Napoleon Bonaparte, hatte den
Plan zur Rückeroberung der Stadt ausgearbeitet und seine Durchführung
geleitet. Der Konvent beförderte ihn dafür zum General. […]
Robespierre (Abbildung) über den revolutionären Terror: „Das eine
oder das andere muß unterliegen. Die Menschheitsbedrücker
bestrafen ist milde, ihnen verzeihen ist Unmenschlichkeit."
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Das Ende der Revolution 1794/95 – Die Besitzenden triumphieren
Im Laufe der Revolution hatte die französische Bourgeoisie an Reichtum und Einfluß gewonnen. Durch den
Erwerb von Ländereien der geflohenen Adligen und der Kirche, durch Heereslieferungen und Spekulationen
hatte sich das Bürgertum bereichert und zahlenmäßig vergrößert. Die reichsten Angehörigen des Bürgertums
stellten eine neue, sehr einflußreiche Schicht, die Großbourgeoisie, dar. Die französische Großbourgeoisie
hatte die Diktatur der Jakobiner geduldet, solange die Republik bedroht war. Als die Gefahr einer
ausländischen Intervention beseitigt worden war, wollten die französischen Großkaufleute und Fabrikbesitzer
unter anderem die lästige Preiskontrolle und die Aufsicht über den Innen- und Außenhandel durch den
Wohlfahrtsausschuß beseitigen. Ihr Besitz an Land, Manufakturen, Fabriken, Reedereien und Handelshäusern
war von den Jakobinern nicht angetastet worden. Als Angehörige des Kleinbürgertums war den Jakobinern
natürlich das Privateigentum an den Produktionsmitteln heilig. Doch die Herrschaft Robespierres und seiner
Freunde hinderte die Großbourgeoisie daran, sich unbeschränkt auf Kosten des Volkes zu bereichern. Gerade
das aber mißfiel dem Großbürgertum. Deshalb setzten die Girondisten im Frühjahr 1794 ihr Geld und ihren
Einfluß daran, um im Konvent und in den Ausschüssen eine Verschwörung gegen Robespierre und seine
engsten Freunde zustandezubringen. Der Jakobinerdiktatur drohte aber auch von anderer Seite Gefahr. Seit
dem Winter 1793/94 hatte sie sich auch von den Volksmassen entfernt. Beispielsweise hatte sie im Dezember
1793 bis Kriegsende Wahlen untersagt.[…]
Am 27. Juli 1794, dem 9. Thermidor (dem »Hitzemonat") nach dem Revolutionskalender, ließen die von der
Großbourgeoisie gedungenen Verschwörer Robespierre, Saint-Just und andere Jakobiner verhaften. Bereits
am nächsten Tag wurden sie hingerichtet. Damit trat wieder die Großbourgeoisie die Herrschaft an. Vertreter
der reichsten französischen Kaufleute, Bankherren, Manufakturbesitzer und Großgrundbesitzer bildeten eine
neue Regierung. Banden von jungen Bürgersöhnen, die man die „Goldene Jugend“ nannte, schlugen auf der
Straße mit Knüppeln auf alle ein, die als Jakobiner bekannt waren. Der Konvent ließ den Jakobinerklub
schließen. In vielen Teilen Frankreichs wurden bekannte Jakobiner und Vertreter der Volksmassen ermordet.
Der Konvent hob das Gesetz über die Höchstpreise auf. Jetzt begannen die Händler und Fabrikanten,
zügellos die Preise in die Höhe zu treiben. Zur Verteuerung der lebensnotwendigen Waren kam die
Geldentwertung. Das Volk wurde, im Gegensatz zur Zeit der Jakobinerdiktatur, dem Hunger und der Not
preisgegeben.
Die französische bürgerliche Revolution gibt der Welt das Beispiel
Der bürgerlichen Revolution in Frankreich folgten weitere Erhebungen in Europa und Amerika. Die
Nachrichten von der Erstürmung der Bastille, von der Aufhebung der Feudallasten, vom Sturz des Königtums
und von den Siegen der Revolutionsarmeen erweckten auch in anderen Ländern die Hoffnung, das feudale
Joch abschütteln zu können. Mutige Bürger, Bauern und Handwerker erhoben sich gegen Fürsten und
Feudalherren. In Europa geschah das in Belgien, Polen, Irland, Italien, Spanien, Österreich, Schweiz und
Deutschland. Später folgten revolutionäre Erhebungen in Rußland und Griechenland.
Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, die die Gleichheit aller Menschen verkündete, fand
besonders großen Widerhall unter der Bevölkerung der französischen, spanischen und portugiesischen
Kolonien in Mittel- und Südamerika.
Auf der Insel Haiti, die zu einem Teil Frankreich, zum anderen Spanien gehörte, erhoben sich 1791 die
aus Afrika stammenden Sklaven gegen die Herrschaft der Plantagenbesitzer. Unter ihrem Führer Toussaint
L'Ouverture, den der Konvent zum General ernannte, siegten sie. Im Februar 1794 [= also noch während der
Jakobinerherrschaft] hob der Konvent für alle französischen Kolonien die Sklaverei auf. 1804 erklärten die
Kampfgefährten Toussaint L'Ouvertures Haiti zur unabhängigen Republik. Damit blieb die erste
Befreiungsrevolution gegen die Kolonialherren in Mittel- und Südamerika siegreich.
[Zitiert nach: Geschichte 7 – Volkseigener Verlag Berlin (DDR) 1987, S. 159-170]
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AUFGABENSTELLUNG - VERGLEICHE
Im ersten Schritt vergleichen wir den Umfang der beiden Texte.
Zeitbilder 5&6
Geschichte 7
Umfang des Textes
Im zweiten Schritt ermitteln wir, in welchem Zeitraum das behandelte Geschehen stattgefunden hat.
Zeitbilder 5&6
Geschichte 7
Welcher zeitliche
Ablauf der Ereignisse
wird angegeben?
Im dritten Schritt fassen wir zusammen, was wir über die Ursachen des Ereignisses erfahren.
Zeitbilder 5&6
Geschichte 7
Wie werden in den
Texten die Ursachen
dafür erklärt, warum
die Jakobiner die
Macht übernommen
haben?
Im vierten Schritt suchen wir im Text nach Informationen darüber, welche Handlungen die Jakobiner gesetzt haben und mit
welchen Absichten die Jakobiner gehandelt haben.
Zeitbilder 5&6
Welche Maßnahmen
der Jakobiner werden
genannt?
Warum ergreifen die
Jakobiner diese
Maßnahmen?
Welche Absichten
haben die Jakobiner
verfolgt?
Geschichte 7
Seite 8
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Im fünften Schritt untersuchen wir, welche Wertungen und Urteile der Autorinnen und Autoren wir im Text finden können.
Wir untersuchen auch, wie die Urteile begründet werden.
Wie bewerten und
beurteilen die
AutorInnen die
Regierung der
Jakobiner?
Welche Argumente
führen die Autoren für
ihre Beurteilung an?
Nenne Begriffe und
Wörter, mit denen die
Jakobiner und die
Handlungen der
Jakobiner charakerisiert
werden.
Beurteilungen und Bewertungen der Französischen Revolution und der Jakobinerherrschaft:
MATERIAL 3: ERIC HOBSBAWM
It [= die Zeit der Jakobinerregierung 1793-94] was not a comfortable phase to live through, for most men were hungry and
many afraid. But it was phenomenon as awful and irreversible as the first nuclear explosion, and all history has been
permanently changed by it. And the energy it generated was sufficient to sweep away the armies of the old regimes of
Europe like straw.
Eric Hobsbawm, "The Age of Revolution. Europe 1789 - 1848", London 2012, S. 94
MATERIAL 4: C.L.R. JAMES, THE BLACK JACOBINS AND THE REVOLUTION ON HAITI
It is Toussaint's [= the leader of the slave uprising on Haiti since 1791]supreme merit that while he saw European
civilization as a valuable and necessary thing, and strove to lay its foundations among his people, he never had the
illusion that it conferred any moral superiority. He knew French, British, and Spanish imperialists for the insatiable
gangsters that they were, that there is no oath too sacred for them to break, no crime, deception, treachery, cruelty,
destruction of human life and property which they would not commit against those who could not defend
themselves.
[…] The slaves destroyed tireless. From their masters they had known rape, torture, degradation, and, at the slightest
provocation, death. They did as they had been taught. And yet they were surprisingly moderate, far more humane
than their masters had been or would ever be to them. The cruelties of property and privilege are always more
ferocious than the revenges of poverty and oppression. For the one aims at perpetuating resented injustice, the
other is merely a momentary passion soon appeased.
[...] Long before abolition [of slavery] the mischief had been done in the French colonies. And it was not abolition
but the refusal to abolish which had done it. [...] When history is written as it ought to be written, it is the
moderation and long patience of the masses at which men will wonder, not their ferocity.”
C.L.R. James, The Black Jacobins: Toussaint L'Ouverture and the San Domingo Revolution
MATERIAL 5: DER PHILOSOPH SLAVOJ ZIZEK ÜBER DIE JAKOBINERREGIERUNG
https://www.youtube.com/watch?v=esGJdV0cT38&feature=youtu.be
Seite 9
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AUFGABENSTELLUNG - BEURTEILE SELBST!
Nimm Stellung: Welches Urteil über die Jakobiner ist deiner Ansicht nach besser begründet?
HINTERGRUNDINFORMATIONEN: THE REVOLUTION ON HAITI
Inspired by the French Revolution of 1789 and the declaration of the rights of men, slaves in French colonies in
the West Indies demanded freedom. In 1789, there were half a million slaves working on plantations owned by
French colonists and every year an average of 30,000 slaves were imported from Africa to Haiti alone. The slaveowners made huge profits by exporting sugar, coffee and tobacco produced by slave labour. By 1791, the most
important development was the Haitian slave revolution led by Toussaint Louverture, a former slave.
In 1793 the National Convention in Paris, led by Robespierre and the Jacobins (Jakobiner), endorsed the abolition
of slavery and extended it to all the French colonies. After the end of the Jacobins’ rule in France in 1794,
Louverture declared Haiti’s independence. Thereafter, in 1802 Napoléon Bonaparte sent an expedition of more than
20,000 soldiers to regain control of the island and to re-establish slavery as
well as the status of Haiti as a colony of France. The Haitians defeated the
French troops in 1803, thus accomplishing the first ever successful slave
revolution. France then withdrew its remaining troops from the island and
Napoleon gave up his idea of re-establishing a North American empire.
Haiti's independence was proclaimed in 1804.
Fearful of the influence of the slave revolution, U.S. President Thomas
Jefferson and most European nations refused to recognize the new Haitian
republic. The republic's future was even more compromised in 1825, when it
was forced to pay 150 million gold francs in reparations to French
slaveholders, in order to receive French recognition and end the nation's
political and economic isolation. Though the amount of the reparations was
reduced in 1838, Haiti was unable to finish paying off its debt until 1947, and
the payments left the country's economy deeply impoverished.
Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Haiti
Seite 10
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AUFGABENSTELLUNG - VERGLEICHE - LÖSUNG
Im ersten Schritt vergleichen wir den Umfang der beiden Texte.
Umfang des Textes
Zeitbilder 5&6
Geschichte 7
Deutlich kürzer
Deutlich länger und umfangreicher
Im zweiten Schritt ermitteln wir, in welchem Zeitraum das behandelte Geschehen stattgefunden hat.
Welcher zeitliche
Ablauf der Ereignisse
wird angegeben?
Zeitbilder 5&6
Geschichte 7
September 1793 - Juli 1794
2. Juni 1793 (Umzingelung des Konvents) bis
27. Juli 1794 (Verhaftung Robespierres)
Im dritten Schritt fassen wir zusammen, was wir über die Ursachen des Ereignisses erfahren.
Wie werden in den
Texten die Ursachen
dafür erklärt, warum
die Jakobiner die
Macht übernommen
haben?
Zeitbilder 5&6
Geschichte 7
Die Jakobiner haben die Macht an sich
gerissen, sie haben sich in Paris
durchgesetzt.
Aufstände gegen ihre Regierung werden
mit einem "wahren Vernichtungskrieg"
niedergeschlagen
Handwerker und Arbeiter in Paris sind
unzufrieden wegen der hohen
Lebensmittelpreise. Sie bewaffnen sich und
demonstrieren vor dem Konvent (=
Nationalversammlung)
Deshalb wird die Regierung den Jakobinern
übergeben
Im vierten Schritt suchen wir im Text nach Informationen darüber, welche Handlungen die Jakobiner gesetzt haben und mit
welchen Absichten die Jakobiner gehandelt haben.
Zeitbilder 5&6
Geschichte 7
Welche Maßnahmen
der Jakobiner werden
genannt?
Abschaffung des Christentums
Einführung eines neuen Kalenders
Lebensmittelhöchstpreise festgesetzt
Warum ergreifen die
Jakobiner diese
Maßnahmen?
Stehen unter dem Druck der
radikalisierten Volksmassen von Paris
Konterrevolutionäre ermorden Jakobiner (z.B.
"den vom Volk geliebten Marat")
Jakobiner reagieren auf Gefahr mit
(Gegen)maßnahmen:
Forderungen der Bauern erfüllt =
Beseitigung der feudalen Abgaben
Bauern = freie Eigentümern ihres Landes.
Welche Absichten
haben die Jakobiner
verfolgt?
Schrecken (= "Terreur") als offizielles
Regierungsmittel
Gegner des Regimes kamen vor
Revolutionstribunal = kein ordentliches
Gerichtsverfahren
Entweder Freispruch oder Todesstrafe
("Rasiermesser der Nation")
Mehr als 100.000 Opfer der
Schreckensherrschaft
Höchstpreise für Lebensmittel, weil dies von
Pariser Bevölkerung gefordert
Hartes Vorgehen gegen -> Wucherer
Eindringen der preußisch-österreichischen
Armee nach Frankreich (= militärische
Bedrohung): Überlegenheit der
Revolutionsarmee unter Jakobinern gegenüber
den Fürstenheeren (z.B. Rückeroberung von
Toulon im Herbst 1793)
Jakobiner schaffen die Sklaverei in den
französischen Kolonien ab (nach Aufstand der
afrikanischen Sklaven in der französischen
Kolonie Haiti)
Seite 11
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Im fünften Schritt untersuchen wir, welche Wertungen und Urteile der Autorinnen und Autoren wir im Text finden können.
Wir untersuchen auch, wie die Urteile begründet werden.
Wie bewerten und
beurteilen die
AutorInnen die
Regierung der
Jakobiner?
Welche Argumente
führen die Autoren für
ihre Beurteilung an?
Nenne Begriffe und
Wörter, mit denen die
Jakobiner und die
Handlungen der
Jakobiner charakerisiert
werden.
Radikale Minderheit
Jakobinerdiktatur
Jakobiner handelten kühn und entschlossen
Zentralistische Diktatur
Führen wahren Vernichtungskrieg mit
aller Grausamkeit
Kirchen- und Religionsfeindlichkeit
Bauernbefreiung = Vollendung der bürgerlichen
Revolution in Frankreich
Arbeitende Menschen werden von der
schlimmsten Not befreit + harte Bestrafung von
Wucherern, Spekulanten etc.
Schaffen eine bessere Armee, die den
Fürstenheeren überlegen war und in der
einfache Bürger, die tapfer und klug waren,
schnell befördert wurden
Vorbildhaft für die ganze Welt
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