Julius-Maximilians-Universität Würzburg Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Realschulen Schriftliche Hausarbeit Thema: „Phyllotaxis – Die mathematische Beschreibung und Modellierung von Blattstellungsmustern“ Eingereicht von Frank Schamann Fach: Mathematik Eingereicht am 24.03.2014 Dozent: Prof. Dr. Jörn Steuding Abbildung 1: Erkennbare Spiralen bei einer Margerite Abbildung 2: Erkennbare grüne Spiralen bei einem Sonnenhut „Die Natur hat uns einen wißbegierigen Geist gegeben und hat uns im Bewußtsein ihrer edlen Bildung und Schönheit zu Zuschauern dieses herrlichen Schauspiels bestimmt. Sie würde sich nämlich um die Wirkung ihres Seins bringen, wenn sie alle diese großen, wundervollen, feinen, glänzenden und nicht nur auf eine Art schönen Erscheinungen lediglich dem öden Weltenraum darböte.“ (Seneca, an Lucilius)1 1 Puntsch, Eberhard: Das neue Zitatenbuch. Bechtermünz Verlag, 1997, S. 51 Inhaltsverzeichnis 1. Historischer Hintergrund der Phyllotaxis………………………………………………………………….4 2. Eine mathematische Einführung in die Phyllotaxis……………………………………………………6 3. Biologische Grundlagen der Blattbildung………………………………………………………………….8 4. Mathematische Grundlagen der Phyllotaxis………………………………………………………………9 4.1 Die Kettenbruchentwicklung……………………………………………………………………..13 4.2 Beste rationale Approximationen………………………………………………………………25 4.3 Farey-Folgen und Ford-Kreise…………………………………………………………………...30 4.4 Geometrie der Phyllotaxis: Zylindergitter und Parastichiebasen………………….45 5. Fibonacci- und Lucasfolgen in der Phyllotaxis………………………………………………………...50 6. Zusammenfassung………………………………………………………………………………………………...53 Abbildungsverzeichnis……………………………………………………………………………………………...55 Tabellenverzeichnis………………………………………………………………………………………………….57 Literaturverzeichnis………………………………………………………………………………………………....58 Danksagung……………………………………………………………………………………………………………..60 Erklärung…………………………………………………………………………………………………………………61 -4- 1. Historischer Hintergrund der Phyllotaxis Unter Phyllotaxis versteht man die mathematische Beschreibung und Modellierung von Blattstellungsmustern. Die ersten Überlegungen zur Phyllotaxis sind aus der Antike bekannt. Damals wurden verschiedene Typen von Mustern unterschieden und damit die Pflanzen bestimmt. Hinweise gibt es hierfür in den Werken von Theophrastos von Eresos (370-285 v.Chr.) und Plinius dem Älteren (23-79 n. Chr.). In der antiken Baukunst der Griechen und der Ägypter lassen sich Feinheiten ihrer Beobachtungen erkennen (siehe Abbildung 3 und 4).2 Abbildung 3: Korinthisches Kapitell mit Akanthusblätter-Ornament Abbildung 4: Akanthusblätter Den modernen Phyllotaxis-Gedanken begründete ein Schweizer Naturalist namens Charles Bonnet. Er entdeckte 1754 als Erster folgende Anordnung in der schraubigen Phyllotaxis: Je ein Blatt pro Knoten, was dem Bereich der Sprossachse, an dem eine oder mehrere Blätter ansetzen, entspricht. Die aufeinanderfolgenden Blätter sind jeweils um einen bestimmten Winkel zueinander verschoben.3 Er fand heraus, dass die Blätter um einen Ast spiralartig angeordnet sind (siehe Abbildung 5).4 2 Vgl. Départements de Mathématiques et de Biologie Universität Freiburg: Les pionniers de la phyllotaxie / Pioniere der Phyllotaxis (http://math.unifr.ch/plantexpo/pdf/01_pionniers.pdf Aufrufdatum: 06.08.2013) 3 Schöppke, Thomas: „Phyllotaxis“. <http://pharm1.pharmazie.uni-greifswald.de/systematik/ergaenz/phylotax.htm> (Aufrufdatum: 06.08.2013) 4 Vgl. Départements de Mathématiques et de Biologie Universität Freiburg: Les pionniers de la phyllotaxie / Pioniere der Phyllotaxis (http://math.unifr.ch/plantexpo/pdf/01_pionniers.pdf Aufrufdatum: 06.08.2013) -5- Abbildung 5: Links: Ein Zweig der Salix Cinerea: keine offensichtliche Blattanordnung. Rechts: Grundmuster der schraubenförmigen Phyllotaxis mit rot eingezeichneter Spirale Bonnet nannte diese Spirale die genetische Spirale. Interessant ist die Intuition des Astronoms Johannes Kepler (1571-1630). Er konnte damals als Erster einen Zusammenhang der Phyllotaxis und der Fibonacci-Folge (siehe Gliederungspunkt 2) aufzeigen.5 Im September 1829 stellten auf einer Tagung von deutschen Wissenschaftlern und Physikern in Heidelberg zwei junge Botaniker, Carl Schimper und Alexander Braun, ihre Arbeiten über eine neue Theorie, welche die Verteilung von Blättern um eine Achse beschreibt, vor. Die Theorie bricht mit bereits bekannten Schriften über das Gebiet in zwei Hinsichten: Die zwei Botaniker postulierten, dass alle Blattverteilungen als eine Spirale verstanden werden sollten, und was noch wichtiger ist, dass alle möglichen Spiralen durch die Zahlentheorie beschrieben werden könnten.6 5 Départements de Mathématiques et de Biologie Universität Freiburg: Les pionniers de la phyllotaxie / Pioniere der Phyllotaxis (http://math.unifr.ch/plantexpo/pdf/01_pionniers.pdf Aufrufdatum: 06.08.2013) 6 Vgl. Montgomery, William M.: “The origins of the spiral theory of phyllotaxis” in: Dietrich, Michael R. (Hauptherausgeber): “Journal of the History of Biology”, Springer Verlag 1970, S. 299 -6- 2. Eine mathematische Einführung in die Phyllotaxis Im Reich der Pflanzen kann man eine wunderbare Art der Phyllotaxis beobachten, nämlich die Spiralmuster bei Sonnenblumen (siehe Abbildung 6). Weitere Beispiele, bei denen man diese Spiralmuster erkennen kann, sind unter anderem die Korbblüten einer Margeritenblume (siehe Abbildung 7) und die Rückseite eines Kiefernzapfens (siehe Abbildung 8). Abbildung 6: Kerne im Fruchtstand einer Sonnenblume Aerklärungbbildung 8: Rückseite eines Kieferzapfens Abbildung 7: Gelbe Korbblüten einer Margerite -7Weitere Beispiele mit eingezeichneten Spiralen finden sich unter: Atela-Cortés, Pau; Golé, Christophe vom Smith College: “Phyllotaxis” (Aufrufdatum: 06.08.2013). <http://www.math.smith.edu/phyllo//Gallery/Pages/FrameSet.htm>7 Im Fruchtstand einer Sonnenblume fallen sowohl rechtsdrehende als auch linksdrehende Parallelscharen von Spiralarmen auf. Diese bestehen aus Blüten und später aus Samen. Durch zwei aufeinanderfolgende Fibonacci-Zahlen (1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21,…) lassen sich die Anzahl der Spiralarme beschreiben. Die Fibonacci-Zahlen (๐น๐ )๐∈โ sind definiert durch die rekursiv definierte Folge: ๐น1 = ๐น2 = 1, { ๐น๐+2 = ๐น๐ + ๐น๐+1 für ๐ ≥ 1. Dieses Phänomen tritt bei der Mehrzahl der Pflanzenarten mit Spiralmustern auf. Empirisch nachgewiesen wurde die Bedeutung der Fibonacci-Zahlen im Pflanzenreich erstmals von Carl Schimper. Mittels der Blattzyklen um einen Ast oder Stamm führte er den Begriff der Divergenz ein. Das Ende eines Zyklus tritt ein, wenn man an das Blatt gelangt, welches direkt über dem Anfangsblatt liegt. Die Divergenz definierte er als einen Quotienten ๐ ๐ mit p:=Anzahl der Achsenumläufe des Zyklus und q:=Anzahl der Blätter eines Zyklus. Damit ist die Divergenz also rational. Schimper führte nun Messungen für eine Vielzahl von Pflanzen durch und stellte Folgendes fest (siehe Tabelle 18): Tabelle 1: Divergenzen von Blattstellungen einiger Baumarten: 7 Divergenz Pflanzenart 1/2 Ulme, Linde 1/3 Buche, Haselstrauch 2/5 Eiche, Aprikose 3/8 Pappel, Birne 5/13 Weide, Mandel Aufrufdatum: 21.08.2013 Hellwig, Heino; Neukirchner, Thomas: „Phyllotaxis – Die mathematische Beschreibung und Modellierung von Blattstellungsmustern“, in: Müller-Stach, S.; Steuding, J.; Volkert, K. (Geschäftsführende Hg.): „Mathematische Semesterberichte“, Springer Verlag 2011, S. 19 8 -81 1 2 3 5 Häufig trat die sogenannte Braun-Schimpersche-Hauptfolge 2 , 3 , 5 , 8 , 13,… auf. Man erkennt, dass sich diese Brüche durch Quotienten benachbarter Fibonacci-Zahlen ๐น๐ ๐น๐+2 schreiben lassen. Über diese auftretenden Zahlen bei den Divergenzen schreibt Schimper: „… dass die Nothwendigkeit der Zahlen, die wir erhalten haben, schon durch die Art, wie wir sie erhalten haben, erwiesen ist.“9 Mit solch eine Aussage gaben sich die Naturforscher nicht zufrieden. Die Beschreibung und Deutung der Spiralformen wurde in der Folge zu einem viel diskutierten Hauptproblem der Botanik. Ein Hauptproblem der Phyllotaxis ist es, die bevorzugte Ausbildung des goldenen Winkels (≈137,5°) zu erklären. An einer Berliner Sommerschule wurde 2007 im Rahmen einer Gruppenarbeit von Heino Hellwig mit dem Thema „Phyllotaxis – Über Zahlen und Pflanzen“ die Phyllotaxis als Kursthema für Oberstufenschüler erprobt. Das Thema eignet sich natürlich auch für einen fächerübergreifenden Unterricht (z.B. Biologie, Mathematik).10 3. Biologische Grundlagen der Blattbildung An der Sprossknospe einer Pflanze werden neue biologische Anlagen gebildet. Häufig werden Kreis- oder Zylinderflächen als geometrische Flächen gewählt, auf denen sich die Blattanlagen anordnen. Der Divergenzwinkel, der internodule Zuwachs (Zylinderflächen) bzw. der Plastochronquotient (Kreisflächen) sind neben der Wirtelzahl wichtige Parameter zur โโโโโ๐ , โโโโโโโโโโ Beschreibung phyllotaktischer Muster. Als Divergenzwinkel α = โก(0๐ 0๐๐+1) wird der Winkel zwischen zwei aufeinanderfolgenden Anlagen bezeichnet. Definiert wird der internodule Zuwachs h (bedeutet Zuwachs zwischen den Knoten, lat. Nodus) a durch h = U mit dem vertikalen Abstand ๐ zweier aufeinanderfolgender Anlagen und dem Umfang ๐ der Sprossknospe. Mittels des Plastochronquotienten R wird die radiale Wachstumsrate auf der Kreisfläche gemessen. 9 Hellwig, Heino; Neukirchner, Thomas: „Phyllotaxis – Die mathematische Beschreibung und Modellierung von Blattstellungsmustern“, in: Müller-Stach, S.; Steuding, J.; Volkert, K. (Geschäftsführende Hg.): „Mathematische Semesterberichte“, Springer Verlag 2011, S. 19 10 Hellwig, Heino; Neukirchner, Thomas: „Phyllotaxis – Die mathematische Beschreibung und Modellierung von Blattstellungsmustern“, in: Müller-Stach, S.; Steuding, J.; Volkert, K. (Geschäftsführende Hg.): „Mathematische Semesterberichte“, Springer Verlag 2011, S. 19 -9R ist als Verhältnis vom Sprossmittel 0 und zweier aufeinander folgender Primordia (Ort, an dem neue biologische Anlagen in einem frühen Entwicklungsstadium entstehen) bestimmt. Interessant ist die Häufigkeitsverteilung der Parastichiemuster (Spiralmuster) (siehe Tabelle 211), welche Schoute nach der Untersuchung von 319 Sonnenblumen aufgestellt hat.12 Tabelle 2: Häufigkeitsverteilung der Parastichie-Muster bei der Sonnenblume: Muster Parastichien Häufigkeit Fibonacci 1, 2, 3, 5, … 82,1 % Lucas 1, 3, 4, 7, … 14,4 % Fibonacci-Bijugate 2(1, 2, 3, 5, …) 2,8 % Sekundär-Folge 1, 4, 5, 9, … 0,6 % Man kann bei zweikeimblättrigen Pflanzen (z.B. Korbblütler wie die Sonnenblume) früh einen Wechsel von der gegenständigen Blattstellung mit Divergenzwinkel 180° zur spiraligen Blattstellung mit Winkel 137,5…°, dem so genannten „Goldenen Winkel“ (Erklärung siehe Kap. 4), beobachten.13 4. Mathematische Grundlagen der Phyllotaxis In diesem Kapitel beziehen wir uns auf Hellwig, Heino; Neukirchner, Thomas: „Phyllotaxis – Die mathematische Beschreibung und Modellierung von Blattstellungsmustern“, in: Müller-Stach, S.; Steuding, J.; Volkert, K. (Geschäftsführende Hg.): „Mathematische Semesterberichte“, Springer Verlag 2011 S. 22 – 30. 11 Hellwig, Heino; Neukirchner, Thomas: „Phyllotaxis – Die mathematische Beschreibung und Modellierung von Blattstellungsmustern“, in: Müller-Stach, S.; Steuding, J.; Volkert, K. (Geschäftsführende Hg.): „Mathematische Semesterberichte“, Springer Verlag 2011, S. 21 12 Hellwig, Heino; Neukirchner, Thomas: „Phyllotaxis – Die mathematische Beschreibung und Modellierung von Blattstellungsmustern“, in: Müller-Stach, S.; Steuding, J.; Volkert, K. (Geschäftsführende Hg.): „Mathematische Semesterberichte“, Springer Verlag 2011, S. 20 13 Vgl. Hellwig, Heino; Neukirchner, Thomas: „Phyllotaxis – Die mathematische Beschreibung und Modellierung von Blattstellungsmustern“, in: Müller-Stach, S.; Steuding, J.; Volkert, K. (Geschäftsführende Hg.): „Mathematische Semesterberichte“, Springer Verlag 2011, S. 21 - 10 Um den kompakten Blütenstand einer Sonnenblume, welche ein Korbblütengewächs (lat. Asteraceae oder Compositae) ist, möglichst einfach beschreiben zu können, werden Polarkoordinaten verwendet. Bei einem Polarkoordinatensystem handelt es sich um ein zweidimensionales Koordinatensystem, bei dem jeder Punkt P einer Ebene durch den Abstand (meist bezeichnet man ihn mit „r“) bezüglich des Nullpunktes 0 und dem Winkel (meist bezeichnet man ihn mit „φ“) zwischen der Halbgeraden mit Anfangspunkt 0 und der x-Achse des Koordinatensystems festgelegt ist (siehe Abbildung 9). Abbildung 9: Polarkoordinatensystem Auf einer ontogenetischen Spirale (verbindet Anlagen der Entstehungsgeschichte) wird die Position der n-ten Anlage als Punkt P(n) wie folgt beschrieben, wobei n∈โ. ๐∗φ √ ๐ )๐∈โ ๐(๐) = ((φ ) = (๐∗ ๐) (๐ ๐) ๐∈โ (1) Hierbei bezeichne φ einen fest gewählten Divergenzwinkel mit φ ∈ [0;2π[ und c ∈ โ+. Präsentiert wird eine Korbblüte mit dem Radius 1. Vom Zentrum hat die n-te Anlage den Abstand ๐√๐. Der Flächeninhalt der ersten n Blattanlagen ist somit proportional zum Flächeninhalt des Kreises, in dem sie sich befinden. Das Flächenwachstum der Kreise ist damit auch proportional zum Flächenzuwachs, der durch Hinzunahme einer Korbblüte entsteht. Eine Spirale der Form r(n) mit ๐ ∈ โ nennt man parabolische, Fermatsche oder Zyklotronspirale. Um den Blütenstand von Korbblütengewächsen am besten beschreiben zu können, benötigt man den Goldenen Schnitt (siehe Abbildung 10). - 11 Dieser ist wie folgt definiert: Abbildung 10: Goldener Schnitt. S teilt die Strecke [AB] im Verhältnis des Goldenen Schnitts ฬ ฬ ฬ ฬ . Es sei S ∈ [๐ด๐ต] ein Punkt auf dieser Es sei [๐ด๐ต] eine Strecke mit ihrer Streckenlänge ๐ โ ๐ด๐ต ฬ ฬ ฬ ฬ > ๐๐ต ฬ ฬ ฬ ฬ =: ๐. Dann teilt der Punkt S die Strecke [๐ด๐ต] im Goldenen Schnitt, falls Strecke und ๐ โ ๐ด๐ ฬ ฬ ฬ ฬ ๐ด๐ ฬ ฬ ฬ ฬ ๐ด๐ต ฬ ฬ ฬ ฬ ๐ต๐ ๐ ๐ = ๐ด๐ , also kurz, wenn ๐ = ๐. ฬ ฬ ฬ ฬ ๐ ๐ ๐ ๐ Algebraisch kann man aus ๐ = ๐ folgern, dass ๐+๐ = ๐. Hieraus kann man durch Umformung schließen, dass a²-ab-b²=0. Durch Anwenden der Mitternachtsformel erhält man algebraisch zwei Lösungen. Berücksichtigt man aber a > b, so folgt hieraus: ๐ = ๐ ๐ = ๐+√๐2 +4๐² . 2 Nach Vereinfachung folgt: 1+√5 2 , das Verhältnis des Goldenen Schnitts.14 Der Goldene Schnitt lässt sich unter anderem durch Quotientenbildung ๐น๐+2 ๐น๐ der Fibonacci-Zahlen annähern (siehe Kapitel 4.1). ๐น1 = ๐น2 = 1 { ๐น๐+2 = ๐น๐ + ๐น๐+1 2 3 5 8 13 21 34 55 , , , 8 13 21 34 => 1 , 2 , 3 , 5 , ๏ ๐ ๐ = 1+√5 2 Den „Goldenen Winkel“ erhält man, indem man den Vollwinkel (g:=360°) im Verhältnis des Goldenen Schnitts teilt. => ๐ผ = √5−1 ∗ 2 360° = 222,49223…° Üblicherweise wird β = 360° - ๐ผ =137,50776…° als der Goldene Winkel bezeichnet (siehe Abbildung 11). 14 Vgl. Reiss, K.; Schmieder, G.: „Basiswissen Zahlentheorie“ 2. Auflage Springer Verlag 2007, S.325 - 12 - Abbildung 11: Goldener Winkel. Wird der Winkel β in Gleichung (1) verwendet, so erhält man in großer Übereinstimmung das Bild eines realen Korbblüters (Abbildung 12 (a)). Schon kleinste Veränderungen des Goldenen Winkels verursachen große Änderungen (Abbildung 12 (b)). Abbildung 12: Spiralmuster (a) mit Gleichung (1) (Parameter c=1, n=1, 2, …, 500) für β = 360° (1 (b) √๐−๐ ) = 137,50776…° ๐ √๐−๐ mit Gleichung (1) (Parameter c=1, n=1, 2, …, 500) für β = 358,2° (1 ) = 136,82022...° ๐ Es bezeichne nun m die Anzahl der rechtsdrehenden Spiralen und n die Anzahl der linksdrehenden Spiralen. Das entstehende Muster wird als (m, n) Parastichiepaar bezeichnet. Es entstehen (๐น๐ , ๐น๐+1 ) – Parastichiepaare für den Fall des Goldenen Winkels 137,50776…°. - 13 Wer sich mit der Phyllotaxis befasst, beschäftigt sich natürlich mit der Frage, weshalb in der Welt der Pflanzen der Goldene Winkel bevorzugt ausgebildet wird. Deren Beantwortung ist leider noch offen. Man kann aber erklären welcher Zusammenhang zwischen dem Parastichiepaar (m, n) und dem Divergenzwinkel φ besteht. Gelöst wurde die Frage im Rahmen der diophantischen Approximation (Näherung) und Klassifikation ebener Gitter, auf die wir noch eingehen werden. Im Folgenden wird im Rahmen der Theorie der Kettenbrüche der Zusammenhang zwischen den Fibonacci-Zahlen und dem Goldenen Schnitt erklärt. 4.1 Die Kettenbruchentwicklung Im Folgenden beziehen wir uns auf Menzer, Hartmut: „Zahlentheorie“ Oldenburg Wissenschaftsverlag 2010, S. 134 – 142. Kettenbruchdarstellungen besitzen eine Reihe von Vorteilen: - Die reellen Zahlen โ lassen sich besonders gut durch Kettenbrüche approximieren (annähern). - ๐ Jede rationale Zahl von der Form ๐ ∈ โ mit p, q ∈ โค besitzt eine endliche Kettenbruchdarstellung. - Jede quadratisch irrationale Zahl, d.h. ๐ฅ ∉ โ und Nullstelle eines quadratischen Polynoms mit Koeffizienten aus โค, besitzt eine periodische reguläre Kettenbruchdarstellung. Definition 4.1.1: (Kettenbruch) (i) Es seien ๐0 , ๐1 , ๐2 , … reelle Zahlen für ๐๐ > 0 mit i ≥ 1. Die Darstellung x := [๐0 , ๐1 , ๐2 , … ] := ๐0 + (ii) 1 ๐1 + 1 ๐2 +... wird als Kettenbruch bezeichnet. Ein Kettenbruch wird als endlich bezeichnet, wenn die zugehörige Folge reeller Zahlen (๐๐ )๐∈โ endlich ist. (iii) Als unendlich bezeichnet man einen Kettenbruch, wenn die zugehörige Folge reeller Zahlen (๐๐ )๐∈โ unendlich ist. - 14 (iv) Es sei [๐0 , ๐1 , ๐2 , … ] ein beliebiger Kettenbruch. Die Glieder ๐๐ werden Teilnenner des Kettenbruchs genannt. Die Darstellung ๐ ๐ = [๐0 , ๐1 , ๐2 , … , ๐๐ ] wird als k-ter Abschnitt und ๐๐ =[๐๐ , ๐๐+1 , ๐๐+2 , … ] als k-ter Rest oder k-te Restzahl des Kettenbruchs bezeichnet. Um nun aus einer beliebig vorgegebenen reellen Zahl ๐ฅ einen einfachen Kettenbruch herzustellen, bedient man sich des nun folgenden Algorithmus: Dazu sei ๐0 = [๐ฅ] die größte ganze Zahl mit ๐0 ≤ ๐ฅ. Dabei besitzt ๐ฅ die Darstellung 1 ๐ฅ = ๐0 = ๐0 + ๐ mit 1 < ๐1 , 1 ๐1 = ๐1 + 1 ๐2 mit ๐1 = [๐1 ] und 1 < ๐2 . Allgemein folgt hieraus, dass ๐๐ = ๐๐ + ๐ 1 ๐+1 mit ๐๐ = [๐๐ ] und 1 < ๐๐+1 . Mit diesem Algorithmus können wir bereits rationale Zahlen als Kettenbruch entwickeln. Z.B. 34 = 1,617647… ≈ 55 1+√5 = 2 55 34 =1+ =1+ 1 34 21 1 =1+ 1 1+ 21 1,618033… lässt sich so entwickeln: 1 1+ 13 =1+ 1 1+ 13 8 1 1+ =1+ 1 1 1 1+ 1 1+ 1 1+ 1 1+ 1 1+ 2 1 1+ =1+ 1 1 1+ 1 1+ 8 5 1 1+ 1 =1+ 1 1+ 1 1+ 1 1+ 5 3 1 1+ 1 1 1+ 1 1+ 1 1+ 1 1+ 3 2 = [1,1,1,1,1,1,1, 2ฬ ]. Wir können allerdings auch irrationale Zahlen entwickeln, z.B. den Quotienten des Goldenen Schnitts ๐ฅ = 1 + √5 . 2 Hierzu benötigen wir die nächste kleinere ganze Zahl von √5. Es gilt: √4 = 2 < √5 also [√5] = 2. - 15 Damit folgt ๐ฅ0 = [๐ฅ] = [ 1 + √5 ] 2 1 +2 ]= 2 =[ 1 und ferner 1 1 1 + √5 1 + √5 1 2 +1 ๐ฅ = ๐ฅ0 + ๐ฅ − ๐ฅ0 = 1 + −1=1+ =1+ 2 1 + √5 1 + √5 1 + √5 ( 2 − 1) ( 2 + 1) 2 −1 1 1 1 + √5 1 + √5 1 2 +1 = 1+ 2 +1 = 1+ =1+ =โฏ 1 6 + 2√5 1 + √5 1 + −1 1 + √5 4 2 2 Da wir [ 1 + √5 ] 2 schon kennen, können wir die Rechnung beenden. Es folgt insgesamt für die Kettenbruchentwicklung: ๐ฅ = [1, 1, 1, … ] = [1, 1ฬ ]. Es liegt nun folgende Vermutung nahe, die wir im Anschluss beweisen: Satz 4.1.1: a) Es ist möglich jede reelle Zahl x als Kettenbruch zu schreiben. b) Ein Kettenbruch ist genau dann endlich, wenn x rational ist. Beweis: a) folgt direkt aus dem Kettenbruchalgorithmus Definition 4.1.1 (iv) und Folgerung 4.1.2 (welche wir später beweisen werden). b)15 „=>“: Klar aufgrund Definition 1 (ii). ๐ „<=“: Folgt aus der Anwendung des euklidischen Algorithmus. Sei also x = ๐ ∈ โ echt größer als Null. O.B.d.A gelte ggT(p, q) = ๐๐ . Dabei bezeichne ๐๐ den n-ten Rest im euklidischen Algorithmus. 15 Vgl. Müller-Stach, Stefan; Piontkowski, Jens: „Elementare und algebraische Zahlentheorie“, 2. Auflage, Vieweg+Teubner-Verlag 2006, S. 68-69 - 16 Zur Bestimmung des größten gemeinsamen Teilers von p und q betrachten wir den euklidischen Algorithmus mit n+1 Schritten: p = ๐0 ๐ + ๐1 mit 0 < ๐1 < ๐ q = ๐1 ๐1+ ๐2 mit 0 < ๐2 < ๐1 … ๐๐−2 = ๐๐−1 ๐๐−1 + ๐๐ mit 0 < ๐๐ < ๐๐−1 ๐๐−1 = ๐๐ ๐๐ mit ๐๐+1 = 0. Zu beliebigen ๐, ๐ terminiert dieser nach endlich vielen Schritten, da die Reste ๐๐ immer kleiner werden. Aus p = ๐0 ๐ + ๐1 folgt ๐ ๐ = ๐0 + 1 ๐ ๐1 ๐ ๐ ๐ = ๐0 + ๐1 . Schrittweises Einsetzen liefert: = ๐0 + 1 ๐ ๐1 + 2 = … = ๐0 + ๐1 1 ๐1 + 1 …+ 1 = ๐0 + ๐ ๐๐−1 + ๐ ๐๐−1 1 ๐1 + . 1 …+ 1 1 ๐๐−1 + ๐๐ ๐ฅ besitzt damit die gesuchte Darstellung als Kettenbruch. q.e.d. Satz 4.1.2: Es sei [๐0 , ๐1 , ๐2 , … ] ein beliebiger Kettenbruch. Für k ≥ 1 gelten folgende Rekursionsformeln: { ๐๐ = ๐๐ ๐๐−1 + ๐๐−2 ๐๐๐ก ๐−1 = 1 ๐ข๐๐ ๐0 = ๐0 , ๐๐ = ๐๐ ๐๐−1 + ๐๐−2 ๐๐๐ก ๐−1 = 0 ๐ข๐๐ ๐0 = 1. ๐ Dann gilt für den k-ten Abschnitt des Kettenbruchs die Beziehung: [๐0 , ๐1 , ๐2 , … , ๐๐ ] = ๐๐ . ๐ Beweis: Wir beweisen den Satz durch vollständige Induktion über k. Induktionsanfang: ๐ = 1: [๐0 , ๐1 ] = ๐0 + 1 ๐1 = ๐0 ๐1 + 1 ๐1 = ๐1 . ๐1 - 17 Induktionsannahme: Die Behauptung gelte für ein festes ๐ ≥ 1. Induktionsschluss: ๐ โฆ ๐ + 1: [๐0 , ๐1 , ๐2 , … , ๐๐ , ๐๐+1 ] = [๐0 , ๐1 , ๐2 , … , ๐๐ + ๐๐+1 (๐๐ ๐๐−1 + ๐๐−2 ) + ๐๐−1 ๐๐+1 (๐๐ ๐๐−1 + ๐๐−2 ) + ๐๐−1 ๐ ๐ +๐ 1 ๐๐+1 ]= 1 )๐ +๐๐−2 ๐๐+1 ๐−1 1 (๐๐ + )๐ +๐๐−2 ๐๐+1 ๐−1 (๐๐ + = ๐ = ๐๐+1 ๐๐ + ๐๐−1 = ๐๐+1 . ๐+1 ๐ ๐−1 ๐+1 Nach dem Prinzip der vollständigen Induktion ist die Behauptung für alle k ∈ โ gezeigt. q.e.d. Man bezeichnet den Quotienten ๐๐ ๐๐ als Näherungsbruch k-ter Ordnung des zugehörigen Kettenbruchs [๐0 , ๐1 , ๐2 , … , ๐๐ ]. Man kann also jedem unendlichen Kettenbruch [๐0 , ๐1 , ๐2 , … , ๐๐ , … ] eine unendliche Folge von ๐ ๐ ๐ Näherungsbrüchen (๐0 , ๐1 , … , ๐๐ , … ) zuordnen. Jeder Näherungsbruch ist eine reelle Zahl. 0 Wenn ๐0 ๐1 ๐ , , … , ๐๐ , … ๐0 ๐1 ๐ 1 ๐ konvergiert, d.h. einen eindeutig bestimmten Grenzwert x mit |๐ฅ| < ∞ ๐ ๐1 ๐ ,…, ๐,… ) ๐ ๐ ๐๐ ๐→∞ 0 1 besitzt, so kann die reelle Zahl x als Grenzwert des Kettenbruchs x = lim ( 0 , aufgefasst werden. Korollar 4.1.1: (Determinanten der Kettenbrüche) Es gelten die folgenden Formeln: (a) ๐๐ ๐๐−1 − ๐๐−1 ๐๐ = (−1)๐−1 für ๐ ≥ 0, (b) ๐๐−2 ๐๐ − ๐๐ ๐๐−2 = (−1)๐−1 ๐๐ für ๐ ≥ 1. Beweis: (a) Durch vollständige Induktion über k. - 18 Induktionsanfang: Für k = 0 gilt: ๐0 ๐−1 − ๐−1 ๐0 = −1 = (−1)−1 . Für k = 1 gilt: ๐1 ๐0 − ๐0 ๐1 = ๐1 ๐0 + ๐−1 − ๐0 (๐1 ๐0 + ๐−1 ) = ๐0 ๐1 + 1 − ๐0 ๐1 = 1 = (−1)๐−2 . Induktionsannahme: ๐๐ ๐๐−1 − ๐๐−1 ๐๐ = (−1)๐−1 gelte für ein ๐ ≥ 0. Induktionsschluss: ๐ โฆ ๐ + 1: ๐๐+1 ๐๐ − ๐๐ ๐๐+1 = (๐๐+1 ๐๐ + ๐๐−1 )๐๐ − ๐๐ (๐๐+1 ๐๐ + ๐๐−1 ) = ๐๐+1 ๐๐ ๐๐ + ๐๐−1 ๐๐ − ๐๐ ๐๐+1 ๐๐ − ๐๐ ๐๐−1 = −(๐๐ ๐๐−1 − ๐๐−1 ๐๐ ) = −(−1)๐−1 = (−1)๐ . Nach dem Prinzip der vollständigen Induktion ist die Behauptung für alle k ∈ โ gezeigt. (b) Durch vollständige Induktion über ๐. Induktionsanfang: Für ๐ = 1 gilt: ๐−1 ๐1 − ๐1 ๐−1 = ๐1 ๐0 + ๐−1 = ๐1 = (−1)1−1 ๐1 . Induktionsannahme: ๐๐−2 ๐๐ − ๐๐ ๐๐−2 = (−1)๐−1 ๐๐ gelte für ein ๐ ≥ 1. Induktionsschluss: ๐ โฆ ๐ + 1: ๐๐−1 ๐๐+1 − ๐๐+1 ๐๐−1 = ๐๐−1 (๐๐+1 ๐๐ + ๐๐−1 ) − (๐๐+1 ๐๐ + ๐๐−1 )๐๐−1 = ๐๐+1 (๐๐−1 ๐๐ − ๐๐ ๐๐−1 ). Einsetzen von (a) liefert: ๐๐+1 (๐๐−1 ๐๐ − ๐๐ ๐๐−1 ) = ๐๐+1 (−(−1)๐−1 ) = ๐๐+1 (−1)๐ . Nach dem Prinzip der vollständigen Induktion ist die Behauptung für alle k ∈ โ gezeigt. q.e.d. ๐ Es ergeben sich die folgenden Eigenschaften für die Folge der Näherungsbrüche (๐๐ ) ๐ einer ๐∈โ beliebigen Kettenbruchdarstellung: Korollar 4.1.2: ๐ Es sei (๐๐ ) ๐ ๐∈โ eine Folge der Näherungsbrüche einer beliebigen Kettenbruchdarstellung. - 19 Es gelten die folgenden Eigenschaften: (i) ๐ Die Folge der geraden Näherungsbrüche (๐2๐ ) 2๐ ist streng monoton ๐∈โ wachsend. (ii) ๐ Die Folge der ungeraden Näherungsbrüche (๐2๐+1 ) 2๐+1 ist streng monoton ๐∈โ fallend. (iii) Alle geraden Näherungsbrüche sind kleiner als alle ungeraden ๐ ๐ Näherungsbrüche. Das heißt: ๐2๐ < ๐2๐+1 für k, l ∈ โ. 2๐ 2๐+1 Beweis: (i) Aus Korollar 4.1.1 (b) folgt nach Division mit ๐๐ ๐๐−2 : ๐๐−2 ๐๐ ๐๐ ๐๐−2 ๐๐−2 ๐๐ (−1)๐−1 ๐๐ − = − = . ๐๐ ๐๐−2 ๐๐ ๐๐−2 ๐๐−2 ๐๐ ๐๐ ๐๐−2 Ersetzt man hier ๐ durch 2๐, so kann man hieraus folgern, dass: ๐2๐−2 ๐2๐ (−1)2๐−1 ๐2๐ − = ๐2๐−2 ๐2๐ ๐2๐ ๐2๐−2 bzw. ๐2๐ ๐2๐−2 ๐2๐ − = > 0. ๐2๐ ๐2๐−2 ๐2๐ ๐2๐−2 Damit folgt ๐ Somit ist die Folge (๐2๐ ) 2๐ ๐2๐ ๐2๐−2 > . ๐2๐ ๐2๐−2 also streng monoton steigend. ๐∈โ (ii) Nach (i) gilt: ๐๐−2 ๐๐ (−1)๐−1 ๐๐ − = . ๐๐−2 ๐๐ ๐๐ ๐๐−2 - 20 Ersetzt man hier k durch 2k+1, so kann man hieraus folgern, dass: ๐2๐−1 ๐2๐+1 (−1)2๐ ๐2๐+1 ๐2๐+1 − = = >0 ๐2๐−1 ๐2๐+1 ๐2๐+1 ๐2๐−1 ๐2๐+1 ๐2๐−1 ๐๐ง๐ค. ๐ und die Folge (๐2๐+1 ) 2๐+1 ๐2๐−1 ๐2๐+1 > ๐2๐−1 ๐2๐+1 ist also streng monoton fallend. ๐∈โ (iii) Wir unterscheiden die beiden Fälle k ≤ l und k > l. 1. Fall (k ≤ l ): Wir dividieren zunächst die Formel aus Korollar 4.1.1 (a) mit ๐๐ ๐๐−1 und erhalten ๐๐ ๐๐−1 ๐๐−1 ๐๐ (−1)๐−1 − = ๐๐ ๐๐−1 ๐๐ ๐๐−1 ๐๐ ๐๐−1 ๐๐ง๐ค. ๐๐ ๐๐−1 (−1)๐−1 − = . ๐๐ ๐๐−1 ๐๐ ๐๐−1 Wir ersetzen k durch 2k und erhalten ๐2๐ ๐2๐−1 (−1)2๐−1 − = ๐2๐ ๐2๐−1 ๐2๐ ๐2๐−1 ๐2๐ ๐2๐−1 1 − =− . ๐2๐ ๐2๐−1 ๐2๐ ๐2๐−1 ๐๐ง๐ค. ๐ ๐ Für k = l folgt daraus, dass: ๐2๐−1 > ๐2๐ . 2๐−1 2๐ Da aus (i) und (ii) folgt, dass die geraden Näherungsbrüche streng monoton wachsen, gilt für ๐ ๐ k < l die Ungleichung ๐2๐ > ๐2๐ . Da die ungeraden Näherungsbrüche streng monoton fallen, gilt 2๐ für k < l, 2๐ ๐ die Ungleichung ๐2๐−1 2๐−1 ๐ < ๐2๐−1 . 2๐−1 - 21 Insgesamt folgt also, dass: ๐2๐−1 ๐2๐−1 ๐2๐ ๐2๐ > > > ๐2๐−1 ๐2๐−1 ๐2๐ ๐2๐ und damit die gewünschte Ungleichung: ๐2๐+1 ๐2๐ > . ๐2๐+1 ๐2๐ 2. Fall (k > l ): Betrachten wir wie beim 1. Fall die Formel ๐2๐ ๐2๐−1 1 − =− . ๐2๐ ๐2๐−1 ๐2๐ ๐2๐−1 ๐ ๐ Damit ist ๐2๐ − ๐2๐−1 < 0. 2๐ 2๐−1 Für k > l gilt: ๐2๐ ๐2๐−1 ๐2๐ ๐2๐−1 ๐2๐ ๐2๐ ( − )=( − )+( − ). ๐2๐ ๐2๐−1 ๐2๐ ๐2๐−1 ๐2๐ ๐2๐ ๐ ๐ Da die geraden Näherungsbrüche streng monoton wachsend sind, ist ๐2๐ − ๐2๐ < 0. 2๐ Insgesamt folgt also ๐2๐ ๐2๐−1 − <0 ๐2๐ ๐2๐−1 ๐๐ง๐ค. ๐2๐ ๐2๐−1 < . ๐2๐ ๐2๐−1 q.e.d. Aus Korollar 4.1.2 können wir folgende interessante Eigenschaft folgern: 2๐ - 22 - Folgerung 4.1.1: ๐0 ๐2 ๐2๐ ๐2๐+1 ๐3 ๐1 < < ...< < ...< ๐ฅ < ...< < ...< < . ๐0 ๐2 ๐2๐ ๐2๐+1 ๐3 ๐1 Die Näherungsbrüche von ๐ฅ sind damit abwechselnd kleiner bzw. größer. Nun können wir eine wichtige Abschätzung für die Konvergenz der Kettenbruchentwicklung folgern: Folgerung 4.1.2: Der Abstand einer reellen Zahl zu ihren Näherungsbrüchen kann wie folgt abgeschätzt werden: |๐ฅ − ๐→∞ ๐๐ 1 → 0. |< 2 ๐๐ ๐๐ (๐๐−1 ) Beweis: Nach Folgerung 4.1.1 gilt: |๐ฅ − ๐๐ ๐๐−1 ๐๐ ๐๐−1 ๐๐ − ๐๐ ๐๐−1 − |=| |<| |. ๐๐ ๐๐−1 ๐๐ ๐๐−1 ๐๐ Nach Korollar 4.1.1 (a) gilt: | und ๐ ๐๐−1 ๐๐ − ๐๐ ๐๐−1 −(−1)๐−1 1 1 1 |= = < |=| ๐๐−1 ๐๐ ๐๐−1 ๐๐ ๐๐−1 ๐๐ ๐๐−1 (๐๐ ๐๐−1 + ๐๐−2 ) ๐๐ (๐๐−1 )2 ๐→∞ 1 0, 2 → (๐ ) ๐ ๐−1 da die rekursiv definierte Folge (๐๐−1 )๐∈โ so konstruiert wurde, dass diese monoton wächst (nicht streng monoton, da z.B. für ๐1 = 1 gilt: ๐1 = ๐1 ๐0 + ๐๐−1 = ๐0 = 1). q.e.d. Wir betrachten nun eine besondere Art von Kettenbrüchen, die sogenannten noblen Zahlen: - 23 - Definition 4.1.2: Eine reelle Zahl ๐ heißt nobel, wenn deren unendliche Kettenbruchdarstellung ab irgendeiner Stelle nur noch Einsen enthält, d.h. wenn sie die folgende Gestalt besitzt: ๐ โ [๐0 , ๐1 , ๐2 , … , ๐๐ , 1ฬ ]. Bemerkung: Der Goldene Schnitt ๐ โ 1 + √5 2 wird als die nobelste aller Zahlen bezeichnet, da sie die Kettenbruchentwicklung ๐ = [1, 1ฬ ] besitzt. Wir versuchen mit unseren bisherigen Kenntnissen ๐ = [1, 1ฬ ] rational zu approximieren. Hierzu benötigen wir die Formeln aus Satz 4.1.2 für k ≥ 1: { ๐0 ๐0 = ๐0 = 1 ; ๐1 ๐1 2 1 ๐๐ = ๐๐ ๐๐−1 + ๐๐−2 ๐๐๐ก ๐−1 = 1 ๐ข๐๐ ๐0 = ๐0 , ๐๐ = ๐๐ ๐๐−1 + ๐๐−2 ๐๐๐ก ๐−1 = 0 ๐ข๐๐ ๐0 = 1. = =2 ; ๐2 ๐2 = 3 2 ๐3 ๐3 ; = 5 3 ; ๐4 ๐4 = 8 5 ; ๐5 ๐5 Dies bestätigt, dass sich der Goldene Schnitt ๐ durch Quotientenbildung = 13 8 ; … ๐น๐+2 der Fibonacci-Zahlen ๐น๐ annähern lässt. Damit ergibt sich der Zusammenhang zwischen der Fibonacci-Folge 1 1 2 3 5 , , , , ,… 2 3 5 8 13 und dem Goldenen Divergenzwinkel β = 137,50776…°. Aufgrund Satz 4.1.2 und ๐ = [๐0 , ๐1 , ๐2 , … , ๐๐ , 1ฬ ] und ๐ = [1, 1ฬ ] kann für ๐ geschrieben werden: Folgerung 4.1.3: ๐= ๐๐๐ + ๐๐−1 . ๐๐๐ + ๐๐−1 Nahezu alle in der Pflanzenwelt vorkommenden Parastichie-Zahlen (Anzahl der Spiralen) sind die Konvergentennenner ๐๐ von noblen Winkeln16 (vgl. Tabelle 3). 16 Hellwig, Heino; Neukirchner, Thomas: „Phyllotaxis – Die mathematische Beschreibung und Modellierung von Blattstellungsmustern“, in: Müller-Stach, S.; Steuding, J.; Volkert, K. (Geschäftsführende Hg.): „Mathematische Semesterberichte“, Springer Verlag 2011, S. 25 - 24 In folgender Tabelle werden Zusammenhänge mit einigen noblen Zahlen dargestellt. Es sei hierzu ๐(๐) = [0, ๐, 1ฬ ] und ๐(๐, ๐) = [0, ๐, ๐, 1ฬ ] gegeben mit der zugehörigen Winkeldarstellung und die Darstellung mittels des Goldenen Schnitts ๐ und der zugehörigen Kettenbruchentwicklung. Tabelle 3:17 ๐ Winkel in Grad Darstellung mittels Kettenbruchentwicklung ๐ 17 ๐(1) 222,492 1 ๐ [0,1, 1ฬ ] ๐(2) 137,507 1 ๐+1 [0,2, 1ฬ ] ๐(3) 99,501 1 ๐+2 [0,3, 1ฬ ] ๐(4) 77,955 1 ๐+3 [0,4, 1ฬ ] ๐(5) 64,079 1 ๐+4 [0,5, 1ฬ ] ๐(2, 2) 151,136 ๐+1 2๐ + 3 [0,2, 2, 1ฬ ] ๐(6) 54,396 1 ๐+5 [0,6, 1ฬ ] Hellwig, Heino; Neukirchner, Thomas: „Phyllotaxis – Die mathematische Beschreibung und Modellierung von Blattstellungsmustern“, in: Müller-Stach, S.; Steuding, J.; Volkert, K. (Geschäftsführende Hg.): „Mathematische Semesterberichte“, Springer Verlag 2011, S. 25 - 25 - 4.2 Beste rationale Approximationen Im Folgenden beziehen wir uns auf Jörn Steuding: „Diophantine Analysis“, Chapman & Hall/ CRC Verlag 2005, S. 44 – 45 und Sollte, Martin: „Kettenbrüche“. Ausarbeitung zum Vortrag im Proseminar Analysis (Wintersemester 2008/09), Leitung PD Dr. Gudrun Thäter, S. 12-13 <http://www.mathi.uni-heidelberg.de/~thaeter/anasem08/Kettenbruch2.pdf>. Wir zeigen nun, dass die rationalen Zahlen โ dicht in den reellen Zahlen โ liegen: Satz 4.2.1 (โ liegt dicht in โ): Zu je zwei reellen Zahlen a, b mit a < b gibt es eine rationale Zahl q = ๐ ๐ mit m, n ∈ โค und a < q < b. Beweis: Zu zeigen: Sind x ∈ โ und ε > 0 gegeben, so existiert ein q ∈ โ, mit |๐ฅ − ๐| < ε. 1 Sei n ∈ โ und ๐ < ε. Sei nun m = ⌊๐๐ฅ⌋. Es bezeichne ⌊๐๐ฅ⌋ die größte ganze Zahl kleiner oder gleich nx. Es gilt dann: ๐ ≤ ๐๐ฅ < ๐ + 1. Daraus folgt, dass ๐ ๐ ≤๐ฅ< ๐ ๐ 1 ๐ + ๐. Es sei nun qโ ๐ . Damit gilt 1 also: 0 ≤ |๐ฅ − ๐| < ๐ < ε. Somit gilt insgesamt: |๐ฅ − ๐| < ε. q.e.d. ๐ Da โ dicht in โ liegt, können reelle Zahlen gut durch rationale Zahlen ๐ approximiert werden. - 26 Die Näherungen sollen in gekürzter Form vorliegen, denn z.B. für den Goldenen Schnitt 1 + √5 2 1 16 161 1618 16180 = 1,618033 … sind 1 , 10 , 100 , 1000 , 10000 , … nicht besonders sinnvoll, da die Nenner sehr groß werden. Man könnte sich nun die Frage stellen, ob nicht bessere rationale Approximationen durch kleinere Nenner erzielt werden könnten.18 Satz 4.2.2 (Gesetz der besten rationalen Approximation): ๐ Es bezeichne x eine irrationale Zahl mit ihren Näherungsbrüchen ๐๐ . Falls ๐ ≥ 2 und p, q positive ๐ ganze Zahlen sind, welche 0 < ๐ < ๐ ๐๐ und ๐ ≠ ๐๐ ๐๐ erfüllen, so gilt: |๐๐ ๐ฅ − ๐๐ | < |๐๐ฅ − ๐|. Beweis19: ๐ Wir können annehmen, dass p und q teilerfremde Zahlen sind, also der Bruch ๐ bereits in gekürzter Form vorliegt. Wir betrachten zunächst das lineare Gleichungssystem in den Unbekannten ๐ผ, ๐ฝ ∈ โค : ๐๐ ๐ผ + ๐๐−1 ๐ฝ = ๐, ๐๐ ๐ผ + ๐๐−1 ๐ฝ = ๐. Dieses könnten wir umschreiben zu: ๐๐ (๐ ๐ 18 ๐ ๐๐−1 ๐ผ ๐๐−1 ) (๐ฝ ) = (๐ ). Hellwig, Heino; Neukirchner, Thomas: „Phyllotaxis – Die mathematische Beschreibung und Modellierung von Blattstellungsmustern“, in: Müller-Stach, S.; Steuding, J.; Volkert, K. (Geschäftsführende Hg.): „Mathematische Semesterberichte“, Springer Verlag 2011, S. 25 19 Vgl. Sollte, Martin: „Kettenbrüche“ Ausarbeitung zum Vortrag im Proseminar Analysis (Wintersemester 2008/09), Leitung PD Dr. Gudrun Thäter S. 12-13). <http://www.mathi.uni-heidelberg.de/~thaeter/anasem08/Kettenbruch2.pdf>. - 27 Anwendung der Cramerschen Regel liefert: ๐ ๐๐−1 ๐๐๐ก (๐ ๐ ) ๐๐๐−1 − ๐๐−1 ๐ ๐−1 ๐ผ= , ๐๐ ๐๐−1 = ๐ ๐ ๐ ๐−1 − ๐๐−1 ๐๐ ๐๐๐ก (๐ ๐ ) ๐ ๐−1 ๐๐ ๐ ๐๐๐ก (๐ ๐ ) ๐๐ ๐ − ๐๐๐ ๐ ๐ฝ= . ๐๐ ๐๐−1 = ๐ ๐ ๐ ๐−1 − ๐๐−1 ๐๐ ๐๐๐ก (๐ ๐ ) ๐ ๐−1 Mit Korollar 4.1.1 (a) folgt: ๐ผ= ๐๐๐−1 − ๐๐−1 ๐ = (−1)๐−1 (๐๐๐−1 − ๐๐−1 ๐), (−1)๐−1 ๐ฝ= ๐๐ ๐ − ๐๐๐ = (−1)๐−1 (๐๐ ๐ − ๐๐๐ ). (−1)๐−1 Es muss nun ๐ฝ ≠ 0 sein, denn sonst würde gelten: 0 = (−1)๐−1 (๐๐ ๐ − ๐๐๐ ) ๐๐ง๐ค. ๐๐ ๐ = ๐๐๐ . Wir haben angenommen, dass p und q teilerfremd sind. Es kann nun passieren, dass ๐๐ | ๐ gilt. Dann müsste aber ๐๐ ≤ ๐ gelten, im Widerspruch zur Annahme, dass 0 < ๐ < ๐๐ . Zur Untersuchung von ๐ผ führen wir eine Fallunterscheidung durch. 1. Fall: ๐ถ = ๐: Dem linearen Gleichungssystem kann entnommen werden, dass ๐๐−1 ๐ฝ = ๐ und ๐๐−1 ๐ฝ = ๐. Damit folgt, dass |๐๐ฅ − ๐| = |๐๐−1 ๐ฝ๐ฅ − ๐๐−1 ๐ฝ| = |๐ฝ||๐๐−1 ๐ฅ − ๐๐−1 | ≥ |๐๐−1 ๐ฅ − ๐๐−1 | > |๐๐ ๐ฅ − ๐๐ |. Die letzte Ungleichung |๐๐−1 ๐ฅ − ๐๐−1 | > |๐๐ ๐ฅ − ๐๐ | ergibt sich aus Folgerung 4.1.1. 2. Fall: ๐ถ ≠ ๐: (a) Sei zunächst ๐ผ < 0, dann ist äquivalent zu ๐๐ ๐ผ + ๐๐−1 ๐ฝ = ๐: ๐๐−1 ๐ฝ = ๐ − ๐๐ ๐ผ > 0. - 28 Daraus folgt ๐ฝ > 0, da ๐, ๐๐ , ๐๐−1 > 0. (b) Sei nun ๐ผ > 0, dann ist äquivalent zu ๐๐ ๐ผ + ๐๐−1 ๐ฝ = ๐: ๐๐−1 ๐ฝ = ๐ − ๐๐ ๐ผ < 0. Hieraus folgt ๐ฝ < 0, denn 0 < ๐ ≤ ๐๐ und ๐, ๐๐ , ๐๐−1 > 0. Damit folgt, dass α und ๐ฝ unterschiedliches Vorzeichen besitzen. Unter Berücksichtigung von Folgerung 4.1.1 gilt offensichtlich: { ๐๐ ๐ฅ − ๐๐ < 0 und ๐๐−1 ๐ฅ − ๐๐−1 > 0 für ungerade ๐, ๐๐ ๐ฅ − ๐๐ > 0 und ๐๐−1 ๐ฅ − ๐๐−1 < 0 für gerade ๐. Damit haben α(๐๐ ๐ฅ − ๐๐ ) und β(๐๐−1 ๐ฅ − ๐๐−1 ) das gleiche Vorzeichen. Daher gilt: |α(๐๐ ๐ฅ − ๐๐ ) + β(๐๐−1 ๐ฅ − ๐๐−1 )| = |α(๐๐ ๐ฅ − ๐๐ )| + |β(๐๐−1 ๐ฅ − ๐๐−1 )|. Es gilt also nun: |๐๐ฅ − ๐| = |(๐๐ ๐ผ + ๐๐−1 ๐ฝ)๐ฅ − (๐๐ ๐ผ + ๐๐−1 ๐ฝ)| = |๐๐ ๐ผ๐ฅ + ๐๐−1 ๐ฝ๐ฅ − ๐๐ ๐ผ − ๐๐−1 ๐ฝ)| = |๐ผ(๐๐ ๐ฅ − ๐๐ ) + ๐ฝ(๐๐−1 ๐ฅ − ๐๐−1 )| = |α(๐๐ ๐ฅ − ๐๐ )| + |β(๐๐−1 ๐ฅ − ๐๐−1 )| = |α||๐๐ ๐ฅ − ๐๐ | + |β||๐๐−1 ๐ฅ − ๐๐−1 |. Da ๐ผ ≠ 0, folgt: |α||๐๐ ๐ฅ − ๐๐ | + |β||๐๐−1 ๐ฅ − ๐๐−1 | > |β||๐๐−1 ๐ฅ − ๐๐−1 | ≥ |๐๐−1 ๐ฅ − ๐๐−1 | Insgesamt gilt damit: |๐๐ฅ − ๐| ≥ |๐๐−1 ๐ฅ − ๐๐−1 | > |๐๐ ๐ฅ − ๐๐ |. q.e.d. Lemma 4.2.1: ๐ ๐ Es sei 0 < ๐ ≤ ๐๐ . Für die rationale Zahl ๐ ≠ ๐๐ gilt die Ungleichung: ๐ |๐ฅ − ๐๐ ๐ | ≤ |๐ฅ − |. ๐๐ ๐ - 29 - Beweis: Wir führen einen Widerspruchsbeweis durch. Wir nehmen an, es wäre |๐ฅ − ๐๐ ๐ | > |๐ฅ − |. ๐๐ ๐ Daraus würde folgen, dass |๐๐ ๐ฅ − ๐๐ | = ๐๐ |๐ฅ − ๐๐ ๐๐ ๐ | ≥ ๐ |๐ฅ − | > ๐ |๐ฅ − | = |๐๐ฅ − ๐|, ๐๐ ๐๐ ๐ im Widerspruch zu Satz 4.2.2. Damit ist die Behauptung gezeigt. q.e.d. Die noblen Zahlen sind die am schlechtesten rational approximierbaren Zahlen, da diese die Kettenbruchentwicklung [๐0 , ๐1 , ๐2 , … , ๐๐ , 1ฬ ] besitzen und damit die möglichen Teilnenner ab einer gewissen Stelle ๐๐ alle 1 ergeben. Damit konvergiert nach Folgerung 4.1.2 der Term ๐ |๐ฅ − ๐๐ | < ๐ ๐ 1 2 (๐ ๐ ๐−1 ) nur sehr langsam gegen 0. Mithilfe der Methodik der Kettenbrüche kann recht einfach die Struktur der Muster der Phyllotaxis erklärt werden. Insbesondere kann das Rotationsmuster (siehe Abbildung 12 (a)) genauer beschrieben werden. Nach Satz 4.2.2 sind die Näherungsbrüche ๐๐ ๐๐ die beste rationale Approximation reeller Zahlen. Dadurch ist der zugehörige Parastichiewinkel der Ordnung k, welcher definiert ist durch ๐๐ โ 2๐|๐๐ ๐ฅ − ๐๐ |, ๐∗φ √ ๐ )๐∈โ der kleinste Winkel zwischen dem Punkt ๐(๐) = ((φ ) = (๐∗ ๐) mit ๐ ≤ ๐๐+1 − 1, und der x(๐ ๐) ๐∈โ Achse. Ist ๐๐๐ < ๐๐+1, so ist der Winkel zwischen einem Punkt P(๐๐๐ ) des Rotationsmusters und der xAchse gleich n๐๐ . Für einen kleinen Zuwachs liegen die Punkte P(๐๐ ), P(2๐๐ ), P(3๐๐ ), … auf einer sogenannten Kontaktparastichie, welche Parastichien bezeichnen, bei denen die nächsten benachbarten Blattanlagen verbunden werden. - 30 Da wegen der Folgerung 4.1.1 ๐๐ ๐ฅ − ๐๐ { > 0, für ๐ gerade, < 0 für ๐ ungerade gilt, haben bei einem Parastichiewechsel die Kontaktparastichien (siehe Abbildung 13) immer eine andere Drehrichtung.20 Abbildung 13: Darstellung einer Kontaktprastichie (rot) 4.3 Farey-Folgen und Ford-Kreise 4.3 Farey-Folgen und Ford-Kreise In diesem Kapitel berufen wir uns auf Jörn Steuding: „Diophantine Analysis“, S. 25-28. Zuerst wurde 1802 die Farey-Folge bei Haros bekannt und unabhängig davon von Farey entdeckt. Jedoch war Cauchy der Erste, der systematisch die Farey-Folgen untersuchte. Die Farey-Folge hat die besondere Eigenschaft die rationalen Zahlen der Größe nach anzuordnen. 20 Hellwig, Heino; Neukirchner, Thomas: „Phyllotaxis – Die mathematische Beschreibung und Modellierung von Blattstellungsmustern“, in: Müller-Stach, S.; Steuding, J.; Volkert, K. (Geschäftsführende Hg.): „Mathematische Semesterberichte“, Springer Verlag 2011, S. 26 - 31 - Definition 4.3.1 (Farey-Folge): Für jede positive Zahl n ist die Farey-Folge ๐น๐ der Ordnung n eine aufsteigende Folge der gekürzten Brüche zwischen 0 und 1 mit Nenner kleiner gleich ๐: ๐ ๐น๐ = { ∈ โ โถ 0 ≤ ๐ ≤ ๐ ≤ ๐ mit ๐๐๐(๐, ๐) = 1}. ๐ Beispielsweise gilt: ๐ ๐ 0 ๐ 1 0 ๐ 1 ๐ 1 ๐น1 = { , } ⊂ ๐น2 = { , , } ⊂ ๐น3 = { , , , , } ⊂ โฏ ๐ ๐ 1 ๐ 1 1 ๐ 2 ๐ 1 Offensichtlich ist ๐น๐ ⊂ ๐น๐+1 (Die fettgedruckten Zahlen sind die neu hinzukommenden Zahlen). Man erhält die neu hinzukommenden Zahlen durch Mediantenbildung zweier Farey-Brüche. Satz 4.3.1: ๐ ๐ Die Mediante zweier Farey-Brüche liegt genau zwischen ihnen, d.h., falls ๐ < ๐, dann gilt ๐ ๐+๐ ๐ < < . ๐ ๐+๐ ๐ Beweis21: Multiplikation der Ungleichung ๐ ๐ ๐ ๐ < mit ๐ liefert ๐๐ < ๐๐. Zu ๐๐ < ๐๐ sind äquivalent: (๐ผ) ๐๐2 + ๐๐๐ < ๐๐๐ + ๐๐๐ ๐๐ง๐ค. ๐๐(๐ + ๐) < ๐๐(๐ + ๐). Heino Hellwig (Gruppenleiter): „Geometrie der Brüche“. <http://didaktik.mathematik.hu-berlin.de/files/bericht_hellwig_17_34.pdf> (Aufrufdatum: 10.08.2013) 21 - 32 (๐ผ๐ผ) ๐๐๐ < ๐²๐ ๐๐ง๐ค. ๐๐๐ + ๐๐๐ < ๐ 2 ๐ + ๐๐๐ ๐๐ง๐ค. ๐๐(๐ + ๐) < ๐๐(๐ + ๐). Zusammenführen von (I) und (II) liefert: ๐๐(๐ + ๐) < ๐๐(๐ + ๐) < ๐๐(๐ + ๐). Teilen durch b+d und bd liefert: ๐ ๐+๐ ๐ < < . ๐ ๐+๐ ๐ q.e.d. Für tiefergehende Eigenschaften benötigen wir Hilfssätze. Hilfssatz 4.3.1: (a) (Division mit Rest) Zu ๐, ๐ ∈ โค mit ๐ ≠ 0 existieren eindeutig bestimmte ๐, ๐, sodass mit 0 ≤ ๐ < |๐| gilt: ๐ = ๐๐ + ๐. (b) Es sei a, b∈ โค mit b ≠ 0 sei d = ggT(a, b). Dann gilt: ๐โค โ {๐๐ | ๐ ∈ โค} = {๐๐ฅ + ๐๐ฆ โถ ๐ฅ, ๐ฆ ∈ โค}. - 33 - Beweis22: (a) Da jede nichtleere Teilmenge der natürlichen Zahlen ein kleinstes Element (Wohlordnungsprinzip) besitzt, besitzt ๐ โ {๐ − ๐๐ โถ ๐ ∈ โค} ∩ โ0 ein kleinstes Element r. Falls ๐ โค ๐ gilt, gilt 1 ≤ ๐ < |๐|, andernfalls ist ๐ = 0 und in jedem Fall sind r und q eindeutig. (b) O.B.d.A sei ๐ ≠ 0 (denn der Fall ๐ = 0 ist trivial, denn ggT(a, b) = b). Definiere ๐ โ {๐๐ฅ + ๐๐ฆ โถ ๐ฅ, ๐ฆ ∈ โค} ⊂ โค und ๐ โ ๐๐๐{๐ ∈ โ ∩ ๐} als die kleinste natürliche Zahl in Y (gilt, da die natürlichen Zahlen wohlgeordnet sind). Es gilt ๐ ⊂ ๐โค, denn mit ๐ | ๐ und ๐ | ๐ (da ๐ = ๐๐๐(๐, ๐)) folgt ๐ โฃ ๐ง für alle ๐ง ∈ ๐. Insbesondere gilt ๐ | ๐. Mit ๐, ๐๐ ∈ โค ist auch ๐ − ๐๐ ∈ โค. Division mit ๐ und ๐ liefert den Rest ๐ = 0, da ๐ minimal in ๐. Damit gilt ๐ = ๐๐ + 0, bzw. ๐ โฃ ๐. Mit dem gleichen Argument zeigt man, dass ๐ โฃ ๐ und damit ๐ โฃ ๐๐๐(๐, ๐) = ๐. Da zusätzlich gilt ๐ โฃ ๐, ist damit ๐ = ๐ und ๐โค ⊂ ๐, bzw. ๐โค = ๐. q.e.d. Das folgende Korollar gibt Auskunft darüber, wann eine lineare diophantische Gleichung der Form ๐๐ − ๐๐ = ๐ ๐๐๐ก ๐, ๐, ๐ ∈ โค ganzzahlig lösbar ist. Hilfssatz 4.3.2: (Bézout) Die lineare diophantische Gleichung ๐๐ − ๐๐ = ๐ ๐๐๐ก ๐, ๐, ๐ ∈ โค ist genau dann ganzzahlig lösbar, wenn ๐๐๐(๐, ๐) โฃ ๐. 22 Vgl. Prof. Dr. Steuding, Jörn: Vorlesung Elementare Zahlentheorie WS 2012/13 Satz 5.1, Korollar 5.2, Mitschrift: Schamann, Frank - 34 - Beweis: „=>“: Nach Korollar 4.3.1 kann ๐๐ + ๐๐ = ๐๐๐(๐, ๐) bzw. ๐ ๐ + =1 ๐๐๐(๐, ๐) ๐๐๐(๐, ๐) geschrieben werden. Falls ๐๐๐(๐, ๐) โฃ ๐, also ๐ = ๐ ∗ ๐๐๐(๐, ๐) für ein ๐ ∈ โค, dann ist mit einer Lösung ๐ฅ, ๐ฆ somit ๐๐ฅ, ๐๐ฆ eine Lösung von ๐๐ + ๐๐ = ๐, denn: ๐๐๐ฅ + ๐๐๐ฆ = ๐(๐๐ฅ + ๐๐ฆ) = ๐ ∗ ๐๐๐(๐, ๐) = ๐. „<=“: Nach Korollar 4.3.1 gilt folgendes: Für beliebige ๐ฅ, ๐ฆ ∈ โค ist ๐๐ฅ + ๐๐ฆ ein Vielfaches des ๐๐๐(๐, ๐). Falls also ๐๐๐(๐, ๐) โค ๐ gelten würde, so könnte ๐๐ − ๐๐ = ๐ nicht ganzzahlig lösbar sein. q.e.d. Satz 4.3.2: (Haupteigenschaften der Farey-Folgen) ๐ ๐ ๐ ๐ (a) Für irgendwelche aufeinanderfolgende Brüche < in ๐น๐ gilt: ๐๐ − ๐๐ = 1, oder anders ausgedrückt: ๐ ๐ ๐๐ − ๐๐ 1 − = = . ๐ ๐ ๐๐ ๐๐ (b) Diejenigen Brüche, welche zu ๐น๐ , aber nicht zu ๐น๐−1 gehören, sind genau die Medianten von Elementen von ๐น๐−1 . Beweis (a): Wir betrachten die diophantische Gleichung ๐๐ − ๐๐ = 1. Nach Korollar 4.3.2 ist sie ganzzahlig lösbar, falls a und b teilerfremd sind. Auch die Lösungen ๐ฅ und ๐ฆ müssen teilerfremd sein. ! - 35 Angenommen sie wären es nicht, dann würde gelten: ๐๐ − ๐๐ = ๐ ∗ ๐๐๐(๐ฅ, ๐ฆ)๐ ′ − ๐ ∗ ๐๐๐(๐ฅ, ๐ฆ)๐ ′ = 1. Man könnte die Gleichung umschreiben zu: ! ๐ ∗ ๐๐๐(๐ฅ, ๐ฆ)๐ ′ − ๐ ∗ ๐๐๐(๐ฅ, ๐ฆ)๐ ′ = b′ X ′ − a′ X ′ = 1. Dann wäre aber a‘ und b‘ nicht teilerfremd. Das ist ein Widerspruch zu Korollar 4.3.2. Da die Gleichung eine Lösungsmenge der folgenden Gestalt besitzt: ๐ฅ ๐ฅ0 ๐ {( ) = ( ) + ๐ก ( ) โถ ๐ก ∈ โ}, ๐ฆ ๐ฆ0 ๐ ๐ฅ kann y eingeschränkt werden durch ๐ − ๐ < ๐ฆ ≤ ๐. Da ๐ฅ und ๐ฆ teilerfremd sind, ist ๐ฆ ∈ ๐น๐ . ๐ฅ ๐ 1 Aus ๐๐ − ๐๐ = 1 kann man schließen, dass ๐ฆ − ๐ = ๐๐ฆ. ๐ ๐ฅ Wir wollen nun zeigen, dass ๐ = ๐ฆ gelten muss. Der Fall ๐ ๐ ๐ฅ ๐ฆ ๐ ๐ ๐ ๐ > kann ausgeschlossen werden, da er sich bei und um benachbarte Brüche einer Farey-Folge handelt. Es müsste gelten, dass ๐ฅ ๐ฆ ๐ ๐ = , was offensichtlich nicht die diophantische Gleichung ๐๐ − ๐๐ = 1 löst. ๐ ๐ ๐ฅ ๐ฆ Angenommen es würde gelten < und damit ๐๐ฆ < ๐๐ฅ. Dann würde gelten: ๐ฅ ๐ ๐๐ฅ − ๐๐ฆ 1 − = ≥ . ๐ฆ ๐ ๐๐ฆ ๐๐ฆ Weiterhin würde gelten: ๐ ๐ ๐๐ − ๐๐ 1 − = ≥ . ๐ ๐ ๐๐ ๐๐ Beide Gleichungen zusammengefasst ergäben: ๐ฅ ๐ ๐ฅ ๐ ๐ ๐ 1 1 ๐+๐ฆ ๐ − = − + − ≥ + = > ๐ฆ ๐ ๐ฆ ๐ ๐ ๐ ๐๐ฆ ๐๐ ๐๐๐ฆ ๐๐๐ฆ (Letzte Ungleichung würde direkt aus ๐ − ๐ < ๐ฆ ≤ ๐ folgen). - 36 ๐ฅ ๐ ๐ ๐ฅ ๐ 1 Betrachte man nun ๐ฆ − ๐ > ๐๐๐ฆ mit ๐ฆ − ๐ = ๐๐ฆ, so erhielte man also die Ungleichung 1 ๐ > . ๐๐ฆ ๐๐๐ฆ ๐ Aus dieser würde folgen, dass ๐ < ๐, im Widerspruch zu ๐ ∈ ๐น๐ . Beweis (b): ๐ ๐ฅ ๐ Wir nehmen an, dass ๐ , ๐ฆ , ๐ ∈ ๐น๐ mit ๐ ๐ฅ ๐ < < . ๐ ๐ฆ ๐ ๐ฅ ๐ฆ Wir müssen zeigen, dass = ๐+๐ ๐+๐ und damit genau die Mediante ist. Nach (a) ist (๐ผ) ๐๐ฅ − ๐๐ฆ = 1, (๐ผ๐ผ) ๐๐ฆ − ๐๐ฅ = 1. Löst man (I) nach x auf, so erhält man: ๐ฅ= 1 + ๐๐ฆ . ๐ Setzt man dieses in (II) ein, so folgt: ๐๐ฆ − ๐ 1 + ๐๐ฆ =1 ๐ ๐๐ง๐ค. ๐๐๐ฆ − ๐ − ๐๐๐ฆ = ๐ ๐๐ง๐ค. (๐ผ๐ผ ′ ) ๐ฆ(๐๐ − ๐๐) = ๐ + ๐. Löst man (II) nach y auf, so erhält man: ๐ฆ= 1 + ๐๐ฅ . ๐ - 37 Einsetzen in (I) liefert: ๐๐ฅ − ๐ 1 + ๐๐ฅ =1 ๐ ๐๐ง๐ค. ๐๐๐ฅ − ๐ − ๐๐๐ฅ = ๐ ๐๐ง๐ค. (๐ผ ′ ) ๐ฅ(๐๐ − ๐๐) = ๐ + ๐. (I‘) und (II‘) liefern: ๐ฅ ๐ฅ(๐๐ − ๐๐) ๐ + ๐ = = , ๐ฆ ๐ฆ(๐๐ − ๐๐) ๐ + ๐ was zu zeigen war. q.e.d. Die Farey-Folgen führen zu einer herausragenden Geometrie, die von Ford in den 1930er Jahren entdeckt wurde. Wenn man sich Folgen sind diese 0 1 eine untere und eine obere Schranke festlegt (bei den Farey − 1 1 und ), dann kann man durch immer wieder fortwährende Medianten- bildung und Größenvergleich mit einer reellen Zahl ๐ฅ eine Intervallschachtelung aufbauen, bis man eine angestrebte Genauigkeit erhält. Schimper benutzte diese Methode, um seine Tabelle der möglichen Blattstellungen zu entwerfen.23 ๐ Wir stellen das Bild des Intervalls [0, 1] in der komplexen Ebene โ dar, und definieren für ๐ ∈ ๐น๐ den sogenannten Ford-Kreis. Definition 4.3.1 (Ford-Kreis): ๐ Es sei ๐ ein gekürzter Bruch. 23 Hellwig, Heino; Neukirchner, Thomas: „Phyllotaxis – Die mathematische Beschreibung und Modellierung von Blattstellungsmustern“, in: Müller-Stach, S.; Steuding, J.; Volkert, K. (Geschäftsführende Hg.): „Mathematische Semesterberichte“, Springer Verlag 2011, S. 28 - 38 ๐ Ein Ford-Kreis ๐ฎ(๐ ) ist gegeben durch: ๐ ๐ ๐ 1 โญ ( ) = {๐ง ∈ โ โถ |๐ง − ( + 2 )| = }. ๐ ๐ 2๐ 2๐² Wie gewohnt ist in den komplexen Zahlen die imaginäre Einheit ๐ โ √−1. ๐ Die einzelnen Glieder von โญ ( ๐ ) können wie folgt gedeutet werden: Der über dem Farey-Bruch Radius ๐ = 1 (siehe 2๐² ๐ ๐ ๐ 1 konstruierte Ford-Kreis hat als Mittelpunkt M( ๐ , 2๐²) und hat als Abbildung 1424). 1 Als uneigentlicher Ford-Kreis wird โญ (0) โ {๐ฅ + ๐ โถ ๐ฅ ∈ โ} bezeichnet. Abbildung 14: Konstruktion der Ford-Kreise Um die wichtigsten Eigenschaften für Ford-Kreise zeigen zu können, benötigen wir den Begriff der Möbius-Transformation. 24 Steuding, Jörn: „Diophantine Analysis“, Chapman & Hall/ CRC Verlag 2005, Bucheinband - 39 - Definition 4.3.2: (Möbius-Transformation) Die ‘ganzzahlige‘ Möbius-Transformation ist für ๐ง ∈ โ โ {๐ฅ + ๐๐ฆ ∈ โ โถ ๐ฆ > 0} gegeben durch: ๐๐ง + ๐ ๐ ๐ Φ: z โฆ ๐๐ง + ๐ =: ( ๐ Dies lässt sich auch wie folgt schreiben: ( ๐ ๐ ) ๐ง. ๐ ๐ ๐ง ) ( ) = (๐๐ง+๐ ) für a, b, c, d ∈ โค mit der Eigenschaft, ๐๐ง+๐ ๐ 1 dass für ๐ง ∈ โ gilt: ๐๐ง + ๐ ๐๐ง + ๐ ๐๐งฬ + ๐ ๐๐|๐ง|2 + ๐๐๐ง + ๐๐๐งฬ + ๐๐ = = |๐๐ง + ๐|2 ๐๐ง + ๐ ๐๐ง + ๐ ฬ ฬ ฬ ฬ ฬ ฬ ฬ ฬ ๐๐ง + ๐ ๐๐|๐ง|2 + ๐๐ + ๐๐(๐ฅ + ๐๐ฆ) + ๐๐(๐ฅ − ๐๐ฆ) = . |๐๐ง + ๐|2 ๐๐ง+๐ Also ist der Imaginärteil von ๐๐ง+๐ : ๐๐ง + ๐ ๐๐ − ๐๐ ๐ผ๐ ( )= . |๐๐ง + ๐|2 ๐๐ง + ๐ ๐๐ง + ๐ Damit ist ๐๐ง + ๐ in โ, falls det(๐๐ − ๐๐) = ๐๐ − ๐๐ > 0. Satz 4.3.3: (i) Durch eine Modultransformation ๐(๐ง) = ๐๐ง + ๐ ๐ ,( ๐๐ง + ๐ ๐ ๐ a ) ∈ โค2๐ฅ2 mit det( ๐ c ๐ b ) > 0 werden die d 1 Ford-Kreise auf sich selbst abgebildet. Der Ford-Kreis โญ (๐ ) ist das Bild von โญ (0). ๐ ๐ (ii) Zwei Ford-Kreise โญ ( ๐ ) , โญ (๐) von zwei verschiedenen Brüche berühren sich tangential, falls |๐๐ − ๐๐| = 1, oder schneiden sich nicht, falls |๐๐ − ๐๐| < 1. - 40 Beweis (i)25: Geraden und Kreislinien sind die Punktmengen, die durch Gleichungen der folgenden Form beschrieben werden: (∗) ๐ผ๐ง๐งฬ + ๐๐ง + ๐ฬ ๐งฬ + ๐ฟ = 0 ๐๐ง๐ค. ๐ผ|๐ง|2 + 2๐ ๐(๐๐ง) + ๐ฟ = 0. Hierbei ist ๐ผ, ๐ฟ ∈ โ, ๐ ∈ โ, |๐|2 > ๐ผ๐ฟ. Es handelt sich um eine Kreisgleichung, falls ๐ผ ≠ 0, und um eine Geradengleichung, falls ๐ผ = 0. Die Isomorphismen (also bijektive Homomorphismen) ๐: โฬ → โฬ sind gegeben durch a) Translationen ๐ง โฆ ๐ง + ๐ค b) Drehstreckungen ๐ง โฆ ๐๐ง und c) die Inversion ๐ง โฆ ๐ง =: ๐พ, 1 1 mit ๐ค ∈ โ und ๐ ∈ โ, und Verknüpfungen hiervon (z. B. : ๐ง โฆ ๐๐ง +๐ค). Damit genügt es den Satz für a) Translationen, b) Drehstreckungen und c) die Inversion zu zeigen. Für die Fälle a) und b) ist die Aussage trivial, denn ein Kreis bzw. eine Gerade bleibt unter Drehstreckungen und Translationen ein Kreis bzw. eine Gerade. 1 1 Fall c): Startend mit (*), also ๐ผ๐ง๐งฬ + ๐๐ง + ๐ฬ ๐งฬ + ๐ฟ = 0 liefert die Inversion ๐ค = ๐ง (bzw. ๐ง = ๐ค): ๐ผ 11 1 1 + ๐ + ๐ฬ + ๐ฟ = 0 ๐ค๐ค ฬ ๐ค ๐ค ฬ Multiplikation der Gleichung mit ๐ค๐ค ฬ liefert: ๐ผ + ๐๐ค ฬ + ๐ฬ ๐ค + ๐ฟ๐ค๐ค ฬ = 0. Tauscht man nun ๐ผ mit ๐ฟ, so erhält man (*). q.e.d. 25 Fischer, Wolfgang; Lieb, Ingo: „Einführung in die komplexe Analysis“, Vieweg+Teubner 2010, S. 101 - 41 Dass es sich tatsächlich bei (*) für ๐ผ ≠ 0 um eine Kreisgleichung handelt, liefert folgende Rechnung: Wir ersetzen ๐ผ, ๐ und ๐ฟ derart, sodass folgende Gleichung entsteht: ๐ง๐งฬ − ๐ง0 ๐งฬ − ๐งฬ 0 ๐ง + ๐ง0 ๐งฬ 0 = (๐ง − ๐ง0 )(๐งฬ − ๐งฬ 0 ) = (๐ง − ๐ง0 )(๐งฬ ฬ ฬ ฬ ฬ ฬ ฬ ฬ ) − ๐ง0 = |๐ง − ๐ง0 |2 = ๐ 2 , wobei ๐ง0 ∈ โ. Bei der Gleichung |๐ง − ๐ง0 |2 = ๐ 2 handelt es sich um einen Kreis mit Mittelpunkt ๐ง0 und Radius r. Beispiele: a) ๐ผ = 0, ๐ = 1 + ๐, ๐ฟ = 1 mit ๐ง = ๐ฅ + ๐๐ฆ folgt aus (*): (1 + ๐)(๐ฅ + ๐๐ฆ) + (1 − ๐)(๐ฅ − ๐๐ฆ) + 1 = 0 ๐๐ง๐ค. 2๐ฅ − 2๐ฆ + 1 = 0 ๐๐ง๐ค. ๐ฆ = ๐ฅ + 1 2 Es handelt sich dabei um eine Gerade. b) ๐ผ = 1, ๐ = 1 + ๐, ๐ฟ = 1 mit ๐ง = ๐ฅ + ๐๐ฆ folgt aus (*): (๐ฅ + ๐๐ฆ)(๐ฅ − ๐๐ฆ) + (1 + ๐)(๐ฅ + ๐๐ฆ) + (1 − ๐)(๐ฅ − ๐๐ฆ) + 1 = 0 ๐๐ง๐ค. ๐ฅ 2 + ๐ฆ 2 + 2๐ฅ − 2๐ฆ + 1 = 0 ๐๐ง๐ค. (๐ฅ + 1)2 + (๐ฆ − 1)2 − 1 = 0 Es handelt sich hier um einen Kreis mit Mittelpunkt M(-1; 1) und Radius r = 1. - 42 - Beweis (ii) 26: Abbildung 15: Ford-Kreise zweier benachbarter Farey-Brüche berühren sich tangential oder sind disjunkt. Nach Abbildung 1527 gilt: ๐ ๐ 2 1 1 2 ๐ 2 ๐2 ๐๐ 1 1 2 1 ฬ ฬ ฬ ฬ 2 = ๐๐ ฬ ฬ ฬ ฬ 2 = ( − ) + ( ฬ ฬ ฬ ฬ 2 + ๐๐ ๐๐ − ) = + − 2 + ( + ) − 2 2 2 2 2 2 2 2 ๐ ๐ 2๐ 2๐ ๐ ๐ ๐๐ 2๐ 2๐ ๐ ๐ = ๐ 2 ๐ 2 + ๐2 ๐2 − 1 − 2๐๐๐๐ 1 1 2 (๐๐ − ๐๐)2 − 1 + ( + ) = + (๐ + ๐)2 . ๐ 2 ๐2 2๐2 2๐ 2 ๐ 2 ๐2 ฬ ฬ ฬ ฬ = ๐ + ๐ und die Kreise berühren sich tangential. Falls Falls dabei |๐๐ − ๐๐| = 1, so ist ๐๐ |๐๐ − ๐๐| > 1, so sind die Kreise disjunkt. Den Fall |๐๐ − ๐๐| < 1 kann man ausschließen, da ๐๐ − ๐๐ > 0 wegen 0 < ๐ ๐ ๐ ๐ < gilt. Da ๐, ๐, ๐, ๐ ∈ โค gilt sicherlich ๐๐ − ๐๐ ≥ 1. q.e.d. ๐ ๐ Wir betrachten nun die Konvergenten {๐๐−1 , ๐๐ } einer reellen Zahl x (zwischen zwei rationalen ๐−1 ๐ Zahlen liegt stets eine irrationale Zahl. Daher kann ๐๐ ๐๐ von oben bzw. konvergieren.). 26 27 Vgl. Ford, L.: “Fractions”. Am. Math. Monthly 45, 1938, S. 586-601 Ford, L.: “Fractions”. Am. Math. Monthly 45, 1938, S. 587 ๐๐−1 ๐๐−1 von unten gegen x - 43 Diese sind diese wegen ๐๐ ๐๐−1 − ๐๐−1 ๐๐ = (−1)๐−1 (siehe Korollar 4.1.1 (a)) benachbarte Farey-Brüche. Die zu den Konvergenten ๐๐ ๐๐ mit ๐ ≥ 0 ๐ gehörenden Kreise โญ (๐๐ ) bilden eine Verkettung von paarweise sich berührenden Kreisen, deren ๐ Radien monoton abnehmen (siehe Abbildung 1628). ฬ ] Abbildung 16: Ford-Kreise über die Farey-Folgen mit eingezeichneter Kettenkurve von ๐ = √๐ − ๐ = [๐, ๐ Betrachten wir die folgende lineare diophantische Gleichung ๐๐ฅ − ๐๐ฆ = ±1. 28 Hellwig, Heino; Neukirchner, Thomas: „Phyllotaxis – Die mathematische Beschreibung und Modellierung von Blattstellungsmustern“, in: Müller-Stach, S.; Steuding, J.; Volkert, K. (Geschäftsführende Hg.): „Mathematische Semesterberichte“, Springer Verlag 2011, S. 29 - 44 Dies ist eine Gleichung mit gegebenen ๐, ๐ ∈ โค, welche ganzzahlig in den Variablen ๐ฅ, ๐ฆ zu lösen ist. Diese Gleichung besitzt eine Lösungsmenge, die wie folgt aussieht: ๐ฅ๐ ๐ฅ0 ๐ {( ) = ( ) + ๐ก ( ) โถ ๐ก ∈ โ; ๐ ∈ โค}. ๐ฆ๐ ๐ฆ0 ๐ ๐ฅ Die zugehörigen Ford-Kreise โญ (๐ฆ๐ ) zur linearen diophantischen Gleichung ๐ ๐๐ฅ − ๐๐ฆ = ±1 ๐ sind genau die Ford-Kreise, welche den Ford-Kreis โญ (๐ ) tangential berühren (siehe Abbildung 17).29 1/3 2/5 3/7 1/2 4/7 3/5 2/3 Abbildung 17: Geometrische Lösungen der linearen diophantischen Gleichung ๐๐ − ๐ = ±๐ mit q = 2 und p = 1 29 Hellwig, Heino; Neukirchner, Thomas: „Phyllotaxis – Die mathematische Beschreibung und Modellierung von Blattstellungsmustern“, in: Müller-Stach, S.; Steuding, J.; Volkert, K. (Geschäftsführende Hg.): „Mathematische Semesterberichte“, Springer Verlag 2011, S. 30 - 45 - 4.4 Geometrie der Phyllotaxis: Zylindergitter und Parastichiebasen Im Jahre 1837 wurde die Phyllotaxis erstmals mithilfe von Zylindergittern beschrieben. Um diese beschreiben zu können, benötigt man die Angabe eines Vektors (๐, โ) ∈ โ2 . Hierbei bezeichne ๐ die Divergenz und โ den Zuwachs. Dieser erzeugt eine ontogenetische Spirale und damit das Zylindergitter. Je mehr eine Pflanze wächst, desto mehr verringert sich der Zuwachs. Man kann neue Parastichienpaare (๐, ๐) erkennen. Die Frage, welche Parastichienpaare (๐, ๐) in Abhängigkeit von (๐, โ) erscheinen, kann beantwortet werden, indem man in der hyperbolischen Ebene โ โ {๐ ∈ โ โถ ๐ผ๐(๐) > 0} einen Parameterraum für die Zylindergitter konstruiert. Dieser Parameterraum kann weiter strukturiert werden durch Ford-Kreise und Voronoi-Zellen. Bei den folgenden Ausführungen beziehen wir uns auf Hellwig, Heino; Neukirchner, Thomas: „Phyllotaxis – Die mathematische Beschreibung und Modellierung von Blattstellungsmustern“, in: Müller-Stach, S.; Steuding, J.; Volkert, K. (Geschäftsführende Hg.): „Mathematische Semesterberichte“, Springer Verlag 2011,S. 31 – 35. Wir betrachten nun Punkte ๐๐ auf der ontogenetischen Spirale, welche eindeutig beschrieben werden durch: Dabei bezeichnet R den Zylinderradius, ๐ผ = 2๐๐, mit ๐ ∈ [0,2๐[ den Divergenzwinkel und h die Steighöhe. ๐๐ โ (๐ , ๐ ∗ ๐ผ, ๐ ∗ โ), ๐ ∈ โ. Wir normieren nun den Umfang des Zylinders auf 1. - 46 - Abbildung 18: Ontogenetische Spirale auf einem Zylinder Auf der ontogenetischen Spirale (siehe Abbildung 1830) befinden sich Punkte, welche gleich weit voneinander entfernt liegen. Rollen wir den Zylinder in der Ebene ab (Beispiele in Abbildung 1931), so erhalten wir ein Punktgitter, das sogenannte Zylindergitter. Die Ebene kann nun mittels der komplexen Zahlen parametrisiert werden. Hierbei soll der Vektor (๐, โ) die ontogenetische Spirale erzeugen. Er wird zur komplexen Zahl ๐ง = ๐ + ๐โ. 30 Hellwig, Heino; Neukirchner, Thomas: „Phyllotaxis – Die mathematische Beschreibung und Modellierung von Blattstellungsmustern“, in: Müller-Stach, S.; Steuding, J.; Volkert, K. (Geschäftsführende Hg.): „Mathematische Semesterberichte“, Springer Verlag 2011, S. 31 31 Hellwig, Heino; Neukirchner, Thomas: „Phyllotaxis – Die mathematische Beschreibung und Modellierung von Blattstellungsmustern“, in: Müller-Stach, S.; Steuding, J.; Volkert, K. (Geschäftsführende Hg.): „Mathematische Semesterberichte“, Springer Verlag 2011, S. 32 - 47 - Abbildung 19: Die Parastichiebasen (๐๐ , ๐๐ ) eines Zylindergitters bei der festen Divergenz ๐ = ๐ ๐+๐ (๐๐ฎ๐ซ ๐๐ซ๐ข๐ง๐ง๐๐ซ๐ฎ๐ง๐ : ๐ = ๐ + √๐ ๐ ) und abnehmendem Zuwachs h: links: ๐ = ๐, ๐ ; Mitte: ๐ = ๐, ๐ ; rechts: ๐ = ๐, ๐๐. Das Parastichiepaar (๐, ๐) durchläuft hierbei(๐, ๐) → (๐, ๐) → (๐, ๐). Definition 4.4.1: Ein (zweidimensionales) Gitter λ = λ(v,w), welches von v, w ∈ โ und zusätzlich ๐ฃ ๐ค ∉โ aufgespannt wird, ist die Menge λ = < v, w > = {๐๐ฃ + ๐๐ค โถ ๐, ๐ ∈ โค}. Ein Zylindergitter bezeichne ein Gitter der Form λ(z, 1) = < z, 1 >. Zwei Gitter λ1 , λ2 ⊆ โ werden als äquivalent ( λ1 = ฬ λ2 ) bezeichnet, falls diese durch eine Drehstreckung ineinander übergeführt werden können, d.h. falls es ein ρ ∈ โ mit ρ ≠ 0 gibt, sodass λ2 = { ρ ∗ z โฃ ๐ง ∈ λ1 }. Wenn der Zylinder in die Ebene abgewickelt wird, so wird er bijektiv auf den Parallelstreifen T abgebildet, wobei 1 1 ๐ โ ]− , ] ๐ฅ โ. 2 2 - 48 Es bezeichne [๐λ] die nächste natürliche Zahl, welche kleiner als ๐λ ist. Zudem bezeichne {๐λ} โ ๐λ − [๐λ] die sogenannte Sekundärdivergenz. Jeder Gitterpunkt wird einem Repräsentanten ({๐λ}, ๐λ) ∈ ๐ zugeordnet. Es werden zwei Zylindergitter ๐(๐ง, 1), ๐(๐งฬ , 1) mit ๐ง, ๐งฬ ∈ โ = {๐ ∈ โ โถ ๐ผ๐(๐) > 0} als identisch bezeichnet, falls für eine ganze Zahl ๐ ∈ โค gilt: ๐งฬ = ๐ง + ๐. Es legt ๐ผ๐(๐) > 0 dabei die einheitliche Orientierung der Gitterbasis fest. Die Erzeugerpaare, die das Zylindergitter ๐(๐ง, 1) erzeugen, lassen sich wie folgt charakterisieren: Es sei (๐ง, 1) โฆ (๐๐ง + ๐, ๐๐ง + ๐) mit ๐, ๐, ๐, ๐ ∈ โค ein beliebiger Basiswechsel. Damit ist auch (๐๐ง + ๐, ๐๐ง + ๐) ein linear unabhängiges Erzeugendensystem und damit eine Basis für das Gitter ๐(๐ง, 1). Dadurch ist die Matrix ๐ ( ๐ ๐ ) ∈ โค2๐ฅ2 invertierbar. Damit gilt für die Determinante der inversen Matrix: ๐ ๐ ๐๐๐ก ( ๐ 1 ๐ −1 ) = ๐๐๐ก ๐ ๐ ๐๐๐ก ( ๐ ( ๐ Dies ist ein Element der ganzen Zahlen, falls ๐๐๐ก ( −๐ ๐ ๐๐๐ก ( ๐ ๐ −1 ๐ ) = (๐๐๐ก ( ๐ ๐ ๐ ( ๐ −๐ ) ๐ −๐ ) . ๐ ) −๐ ) = ๐๐ − ๐๐ = ±1. In diesem Fall gilt: ๐ ๐ )) ๐ −1 ∈ โค. Wir beschäftigen uns im Folgenden nur auf den orientierungserhaltenden Basiswechsel, also wenn die Determinante größer als 1 ist. - 49 Wir erhalten nun den folgenden Sachverhalt: Lemma 4.4.1: Es sei ๐(๐ง, 1) ein Gitter. (๐งฬ , ๐ค ฬ) = (๐๐ง + ๐, ๐๐ง + ๐) bildet eine zu ๐(๐ง, 1) gleichorientierte Basis, genau dann, wenn die Transformationsmatrix ๐ ( ๐ ๐ ) Element der so genannten Modulgruppe ist: ๐ ๐๐ฟ(2, โค) = { ๐ ∈ ๐บ๐ฟ(2, โค) โฃ det(๐) = 1 }. Dabei bezeichne ๐บ๐ฟ(2, โค) die Menge aller regulären 2 ๐ฅ 2 Matrizen mit Koeffizienten aus โค. Beweis: Wir verweisen auf E. Freitag, R. Busam: Funktionentheorie. Springer, Berlin u.a., 2. Auflage (1995), S. 309 – 317. Äquivalent zum Satz ist, dass die von (๐ง, 1) und (๐งฬ , ๐ค ฬ) aufgespannten Parallelogramme gleichorientiert sind und den gleichen Flächeninhalt haben. Die beiden Basiswechselmatrizen T und S erzeugen die Modulgruppe ๐๐ฟ(2, โค) mit: ๐ง 1 ๐( ) = ( 0 ๐ค ๐ง+๐ค 1 ๐ง )( ) = ( ) 1 ๐ค ๐ค ๐ง 0 ๐( ) = ( 1 ๐ค −๐ค −1 ๐ง )( ) = ( ), 0 ๐ค ๐ง und wobei durch S die Basisvektoren orientierungserhaltend vertauscht werden. In der Phyllotaxis sind nur in Ausnahmefällen die Erzeuger (๐ง, 1) geometrisch sichtbar. Deshalb ist der von der Modulgruppe erzeugte Basiswechsel von Bedeutung. Eine Basis aus benachbarten Gitterpunkten ist besser beobachtbar. - 50 - Lemma 4.4.2: (Parastichiebasis) Betrachte zwei kleinste linear unabhängige Elemente ๐งฬ , ๐ค ฬ in einem Gitter ๐(๐ง, ๐ค), d.h. für ๐ฃ ∈ ๐(๐ง, ๐ค) mit |๐ฃ| < max(|๐งฬ |, |๐ค ฬ|) ist ๐ฃ ein Vielfaches von ๐งฬ oder ๐ค ฬ. Es ist dann (๐งฬ , ๐ค ฬ) ein Erzeugerpaar des Gitters und wird als Parastichiebasis oder auch kanonische Basis bezeichnet. Beweis: Es sei nun ๐ง๐ โ ๐๐ง − ๐๐ und ๐ง๐ โ ๐๐ง − ๐๐ ∈ ๐(๐ง, 1) eine Parastichiebasis des Zylindergitters ๐, das aus der Basis (๐ง, 1) durch Modultransformation ( ๐ ๐ −๐๐ ) ∈ ๐๐ฟ(2, โค) hervorgeht. Gilt −๐๐ |๐ง๐ | = |๐ง๐ |, sind also die Basisvektoren (๐ง๐ , ๐ง๐ ) von ๐ gleich lang, so spricht man von einer rhombischen Basis. Man bezeichnet (๐ง๐ , ๐ง๐ ) von ๐ als gegenläufige Basis, falls ๐ ๐(๐ง๐ ) ≤ 0, ๐ ๐(๐ง๐ ) ≥ 0, ๐. โ. ๐๐ ๐๐ ≤ ๐ ๐(๐ง) ≤ . ๐ ๐ Wir betrachten nun die Gerade โค ∗ ๐ง๐ und legen durch jeden Gitterpunkt die parallele Gerade. Wickelt man diese Konstruktion auf einen Zylinder auf, so sind zwei solche Geraden identisch, falls sie im Gitter modulo โค übereinstimmen. Das bedeutet, dass man die n verschiedenen solcher sogenannten Parastichien ๐๐ง + โค ∗ ๐ง๐ , ๐ = 0, 1, … , ๐ − 1 erhält. Das sind genau die sichtbaren Spiralsysteme der Blattanlagen im Zylindermodell, welche in der Botanik gezählt werden. 5. Fibonacci- und Lucasfolgen in der Phyllotaxis Wir berufen uns in diesem Kapitel auf den Artikel „Fibonacci- und Lucasfolgen in der Phyllotaxis“ von Alfred Höhn, zu finden unter der folgenden Website: <http://www.alfredhoehn.ch/Phyllotaxis.pdf> (Aufrufdatum: 01.12.2013). Wir haben im Verlauf der Arbeit erfahren, um was es sich bei der Phyllotaxis handelt. Es geht hierbei um einen botanischen Begriff, der die Blattanordnung und die Position von Scheinblüten z.B. bei Tannenzapfen beschreibt. - 51 Ganz besonders ausgeprägt ist die Phyllotaxis bei Sonnenblumen und Kakteen. Man kann die Phyllotaxis z.B. bei Sonnenblumen in den sogenannten Parastichien erkennen. Unter dem Begriff der Parastichie versteht man die spiralförmige Anordnung der Samenkapseln auf dem Blütenboden, den Früchten oder in ihrer Gesamtstruktur. Es wurde deutlich, dass die Fibonacci-Folge eine große Rolle spielt. Unübersehbar in der Natur ist die Ausprägung des Goldenen Winkels. Man kann die Phyllotaxis bei einer Sonnenblume in der Art darstellen, dass man Punkte auf einer engen Spirale abträgt, die sich bei der Drehung eines Strahls um den sogenannten Divergenzwinkel (ca. 137,5078°) ergeben. Der Goldene Winkel ermöglicht eine möglichst platzsparende Packung der Samenkapseln auf dem Blütenboden. Die Frage, um welche Art der Spirale (logarithmisch, archimedisch, o.Ä.) es sich beim Wachstum in der Natur handelt, ist nach wie vor ungeklärt32. Zumindest bei der Sonnenblume würden sich die Samenstände bei einer logarithmischen Spirale (siehe Abbildung 20 Mitte33) zu sehr verdichten, sodass diese Beschreibung für diesen Fall nicht in Frage käme. Will man das Ganze in der Ebene geometrisch darstellen, so eignet sich die archimedische Spirale (siehe Abbildung 20 links34). Diese ergibt ein recht gutes Abbild eines Blütenbodens der Sonnenblume, obwohl die Verdichtung immer noch zu stark erscheint. Sehr gut lässt sich ein ausgereifter Blütenboden durch die von H. Reis vorgeschlagene √๐ – Spirale (siehe Abbildung 20 rechts35) darstellen. H. Reis schlägt eine Wachstumsspirale vor, die sich nach außen weitet. Dies erreicht er, indem die Abstände der Fibonacci-Zahlen von der Mitte aus von √๐ bestimmt werden. Abbildung 20: links: archimedische Spirale 32 Mitte: logarithmische Spirale Höhn, Alfred: „Fibonacci- und Lucasfolgen in der Phyllotaxis“. S. 1. <http://www.alfredhoehn.ch/Phyllotaxis.pdf> 33 Höhn, Alfred: „Fibonacci- und Lucasfolgen in der Phyllotaxis“. S. 2. <http://www.alfredhoehn.ch/Phyllotaxis.pdf> 34 Höhn, Alfred: „Fibonacci- und Lucasfolgen in der Phyllotaxis“. S. 2. <http://www.alfredhoehn.ch/Phyllotaxis.pdf> 35 Höhn, Alfred: „Fibonacci- und Lucasfolgen in der Phyllotaxis“. S. 2. <http://www.alfredhoehn.ch/Phyllotaxis.pdf> rechts: √๐ - Spirale . - 52 In der Wachstumsphase der Sonnenblume scheint es so, als ob die Ursprungsspirale tatsächlich eine archimedische wäre, denn die Größe der einzelnen Samenkapseln nimmt von innen nach außen kontinuierlich zu. Bei einem ausgewachsenen reifen Blumenboden scheint es so, als ob die Größe der Kapseln überall gleich groß ist. Dies wiederum spricht für eine √๐ −Spirale. Eine logarithmische Spirale lässt sich zum Beispiel bei einem Schneckenhaus erkennen (siehe Abbildung 21). Abbildung 21: Schneckenhaus Die Herren K. F. Schimper, A. Braun und die Gebrüder Bravais in der ersten Hälfe des 19. Jahrhunderts haben die Blattstellungen, Blütenstände und die Spiralmuster untersucht. Zudem haben sie das Auftreten der Fibonacci-Zahlen in der Anzahl der Parastichien erkannt. Die Gebrüder Bravais, die zu den Pionieren der Phyllotaxis zählen, erklärten, dass die Divergenzwinkel in der Natur irrational seien, ganz im Gegensatz zu Schimper und Braun. Diese Annahme begründeten sie bei der Beobachtung von weiteren Divergenzwinkeln, welche sich durch den Goldenen Schnitt berechnen lassen. Die Winkel hierfür haben wir in Tabelle 3 gesehen. Neben der Fibonacci-Folge tritt in der Natur eine weitere berühmte Folge auf. Dies ist die sogenannte Lucas-Folge (1, 3, 4, 7, 11, 18). In der Literatur findet man dafür häufig die Begriffe „spezielle Lucasfolge“, „abnormale“, oder „Lamé’sche Folge“. - 53 H. Baravalle sagte, dass, wenn man zwei beliebige natürliche Zahlen nimmt und diese im gleichen Maße wie bei der Fibonacci-Folge addiert, man immer zum Goldenen Schnitt kommt. Jede beliebige Lucasfolge führt damit zu einer Divergenz und insbesondere zu einem Divergenzwinkel. Dies führt wiederum zu einem Parastichiebild, aus dem man wiederum die Lucasfolge erkennen kann. Es wurden eine ganze Reihe solcher Divergenzen in der Botanik gefunden. Die Divergenzen beruhen aber zumeist auf die Fibonacci-Folge und deren Vermehrfachungen. Leider ist nicht genau definiert, ob wirklich alle Lucas-Folgen in der Natur vorkommen, oder ob es sich um theoretische Beispiele handelt. Neben der Fibonacci-Folge und deren Vermehrfachungen haben die Gebrüder Bravais bei der Dispacus sylvestris oder auch „wilde Karde“ die Folgen 1, 3; 1, 4; 1, 5; 2, 5; 2, 7; 4, 11 gefunden. Bei Tannenzapfen kommt die Folge 1, 3 oft vor. Bei Kakteen können nebst der Fibonacci-Folge zum Teil exotische Folgen erkannt werden. Es wäre also besonders interessant, in einer Kakteensammlung nach diesen Folgen zu suchen. 6. Zusammenfassung Im Verlaufe der Arbeit haben wir gesehen, dass bereits schon in der Antike begonnen wurde, sich mit der Phyllotaxis auseinander zu setzen. Darüber hinaus ist die Phyllotaxis auch heute noch Teil der aktuellen Forschung. Wir haben festgestellt, dass der Goldene Schnitt und der daraus resultierende Goldene Winkel eine herausragende Rolle spielen. Mithilfe der Methodik der Kettenbruchentwicklung war es für uns möglich, mathematisch zu beschreiben, dass bei einem Parastichiewechsel die Kontaktparastichien immer eine andere Drehrichtung haben. Bemerkenswert ist, dass es uns mithilfe der Kettenbrüche möglich war zu beweisen, dass die Näherungsbrüche der Kettenbruchentwicklung beste rationale Approximationen an reelle Zahlen liefern. Im Anschluss daran haben wir die Farey-Folgen definiert, mit deren Hilfe wir die Ford-Kreise konstruieren konnten. Durch die Einführung der Ford-Kreise war es uns insbesondere möglich, lineare diophantische Gleichungen geometrisch lösen zu können. - 54 Durch die Ford-Kreise könnte man einen Parameterraum der Phyllotaxis konstruieren, was wir aber nicht weiter vertieft haben. Danach haben wir uns näher mit der Geometrie der Phyllotaxis beschäftigt und konnten die Ontogenetische Spirale auf einem Zylinder mathematisch beschreiben. Wir haben ein Verfahren kennengelernt, wie man die Ontogenetische Spirale in die Ebene „abrollen“ kann, und haben dabei das Zylindergitter erhalten. Schließlich haben wir festgestellt, dass man dieses Zylindergitter so auf einen Zylinder aufwickeln konnte, dass die sichtbaren Spiralsysteme der Blattanlagen im Zylindermodell mathematisch beschrieben werden konnten. Diese werden in der Botanik gezählt. Am Ende sind wir noch einmal näher auf die Fibonacci-Folgen und Lucas-Folgen in der Phyllotaxis eingegangen. - 55 - Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Blüte einer Margerite Abbildung 2: Blume mit gut erkennbaren Spiralen Abbildung 3: Korinthisches Kapitell mit Akanthusblätter-Ornament Abbildung 4: Akanthusblätter Abbildung 5: Links: Ein Zweig der Salix Cinerea: keine offensichtliche Blattanordnung. Rechts: Grundmuster der schraubenförmigen Phyllotaxis mit rot eingezeichneter Spirale Abbildung 6: Kerne im Fruchtstand einer Sonnenblume Abbildung 7: Gelbe Korbblüten einer Margerite Abbildung 8: Rückseite eines Kieferzapfens Abbildung 9: Polarkoordinatensystem Abbildung 10: Goldener Schnitt Abbildung 11: Goldener Winkel Abbildung 12: Spiralmuster (a) mit Gleichung (1) (Parameter c=1, n=1, 2, …, 500) für β = 360° (1 - √๐−๐ ) = 137,50776…° ๐ (b) mit Gleichung (1) (Parameter c=1, n=1, 2, …, 500) für β = 358,2°(1 - √5−1 ) = 136,82022...° 2 Abbildung 13: Darstellung einer Kontaktparastichie (rot) Abbildung 14: Konstruktion der Ford-Kreise Abbildung 15: Ford-Kreise zweier benachbarter Farey-Brüche berühren sich tangential oder sind disjunkt. - 56 Abbildung 16: Ford-Kreise über die Farey-Folgen mit eingezeichneter Kettenkurve von ฬ ] ๐ = √๐ − ๐ = [๐, ๐ Abbildung 17: Geometrische Lösungen der linearen diophantischen Gleichung ๐๐ − ๐ = ±๐ mit q = 2 und p = 1 Abbildung 18: Ontogenetische Spirale auf einem Zylinder Abbildung 19: Die Parastichiebasen (๐๐ , ๐๐ ) eines Zylindergitters bei der festen Divergenz ๐ ๐ = ๐+๐ (๐๐ฎ๐ซ ๐๐ซ๐ข๐ง๐ง๐๐ซ๐ฎ๐ง๐ : ๐ = ๐ + √๐ ) ๐ und abnehmendem Zuwachs h: links: ๐ = ๐, ๐; Mitte: ๐ = ๐, ๐ ; rechts: ๐ = ๐, ๐๐. Das Parastichiepaar (๐, ๐) durchläuft hierbei(๐, ๐) → (๐, ๐) → (๐, ๐). Abbildung 20: links: archimedische Spirale; Mitte: logarithmische Spirale; rechts: √๐ – Spirale Abbildung 21: Schneckenhaus - 57 - Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Divergenzen von Blattstellungen einiger Baumarten Tabelle 2: Häufigkeitsverteilung der Parastichie-Muster bei der Sonnenblume Tabelle 3: Zusammenhänge mit einigen noblen Zahlen - 58 - Literaturverzeichnis Atela-Cortés, Pau; Golé, Christophe vom Smith College: “Phyllotaxis”. <http://www.math.smith.edu/phyllo//Gallery/Pages/FrameSet.htm> Départements de Mathématiques et de Biologie Universität Freiburg: Les pionniers de la phyllotaxie / Pioniere der Phyllotaxis. <http://math.unifr.ch/plantexpo/pdf/01_pionniers.pdf> Fischer, Wolfgang; Lieb, Ingo: „Einführung in die komplexe Analysis“, Vieweg+Teubner 2010, S. 101 Ford, L.: “Fractions”. Am. Math. Monthly 45, 1938, S. 586-601 Freitag, E.; Busam, R.: Funktionentheorie. Springer, Berlin u.a., 2. Auflage (1995), S. 309-317 Hellwig, Heino (Gruppenleiter): „Geometrie der Brüche“. <http://didaktik.mathematik.hu-berlin.de/files/bericht_hellwig_17_34.pdf> Hellwig, Heino; Neukirchner, Thomas: „Phyllotaxis – Die mathematische Beschreibung und Modellierung von Blattstellungsmustern“, in: Müller-Stach, S.; Steuding, J.; Volkert, K. (Geschäftsführende Hg.): „Mathematische Semesterberichte“, Springer Verlag 2011, S. 18-35 Höhn, Alfred: „Fibonacci- und Lucasfolgen in der Phyllotaxis“. <http://www.alfredhoehn.ch/Phyllotaxis.pdf> Menzer, Hartmut: „Zahlentheorie“ Oldenburg Wissenschaftsverlag 2010, S. 134 – 142. Montgomery, William M.: “The origins of the spiral theory of phyllotaxis” in: Dietrich, Michael R. (Hauptherausgeber): “Journal of the History of Biology”, Springer Verlag 1970, S. 299 - 59 Müller-Stach, Stefan; Piontkowski, Jens: „Elementare und algebraische Zahlentheorie“, 2. Auflage, Vieweg+Teubner-Verlag 2006, S. 68-69 Puntsch, Eberhard: „Das neue Zitatenbuch“. Bechtermünz Verlag, 1997, S. 51 Reiss, K.; Schmieder, G.: „Basiswissen Zahlentheorie“ 2. Auflage Springer Verlag 2007, S. 325 Schöppke, Thomas: „Phyllotaxis“. <http://pharm1.pharmazie.uni-greifswald.de/systematik/ergaenz/phylotax.htm> (Aufrufdatum: 06.08.2013) Sollte, Martin: „Kettenbrüche“ Ausarbeitung zum Vortrag im Proseminar Analysis (Wintersemester 2008/09), Leitung PD Dr. Gudrun Thäter. <http://www.mathi.uni-heidelberg.de/~thaeter/anasem08/Kettenbruch2.pdf>. Steuding, Jörn: „Diophantine Analysis“, Chapman & Hall/ CRC Verlag 2005 Prof. Dr. Steuding, Jörn: Vorlesung Elementare Zahlentheorie WS 2012/13 Satz 5.1, Korollar 5.2, Mitschrift: Schamann, Frank - 60 - Danksagung An dieser Stelle möchte ich mich recht herzlich bei Herrn Prof. Dr. Steuding bedanken, der jederzeit ein offenes Ohr für meine Fragen hatte und sich für deren Beantwortung viel Zeit nahm. - 61 - Erklärung Hiermit versichere ich, dass ich die Arbeit in allen Teilen selbständig verfasst habe und keine anderen als die in der Arbeit angegebenen Quellen verwendet habe. Die Abbildungen und Tabellen habe ich selbst gefertigt oder deren Quellen angegeben. Marktbreit, den 24.03.2014 X Frank Schamann Frank Schamann