Kantonsschule Olten Hardwald 4600 Olten Vollständige Induktion Andreas Stoll Andreas Pulfer Erfänzungsfach Anwendungen der Mathematik (2016/17) 1 Beweisen 1.1 Axiome und Prämissen Bei einem Beweis wird eine Aussage aus bereits bewiesenen anderen Aussagen hergeleitet. Dieses Zurückführen auf andere Aussagen muss irgendeinmal einen Anfang haben und man landet bei Aussagen, die unbewiesen vorausgesetzt werden. Solche Aussagen nennt man Axiome. Euklid verstand unter Axiomen noch unmittelbar einleuchtende oder konventionell akzeptierte Prinzipien, ein Verständnis, welches bis ins 19. Jahrhundert vorherrschte. Hilbert führte 1899 einen formalen Axiomsbegri ein: Ein Axiom ist jede unabgeleitete Aussage. Beispiel 1. Die fünf Peano-Axiome charakterisieren die natürlichen Zahlen (bzw. N0 ): 1. 0 ist eine natürliche Zahl. 2. Jede natürliche Zahl n hat eine natürliche Zahl n0 als Nachfolger. 3. 0 ist kein Nachfolger einer natürlichen Zahl. 4. Natürliche Zahlen mit gleichem Nachfolger sind gleich. 5. Enthält X die 0 und mit jeder natürlichen Zahl bilden die natürlichen Zahlen eine Teilmenge von n auch X. deren Nachfolger n0 , so Das letzte Axiom heisst Induktionsaxiom und bildet die Grundlage der vollständigen Induktion. Beispiel 2. Parallelenaxiom der euklidischen Geometrie: Zu jeder Geraden und jedem Punkt, der nicht auf dieser Geraden liegt, gibt es genau eine zu der Geraden parallele Gerade durch diesen Punkt. Dieses Axiom kann auch weggelassen werden. Die projektive Geometrie operiert ohne Parallelen. Soll ein Satz bewiesen werden, wird dieser also auf andere Aussagen zurück geführt. Dabei kann es sich um andere bewiesene Aussagen, um Axiome oder auch um Voraussetzungen des Satzes handeln. Diese Voraussetzungen werden Prämissen genannt. Aus diesen Prämissen werden durch logische Schlussfolgerungen weitere Aussagen hergeleitet, aus denen wiederum durch logische Schlussfolgerungen neue Aussagen hergeleitet werden usw. bis irgendeinmal die zu beweisende Aussage hergeleitet ist. 2 Abbildung 1: https://de.wikibooks.org/wiki/Mathe_für_Nicht-Freaks:_Beweis Beispiel 3. Wir wollen folgendes beweisen: Gilt für reelle Zahlen x, y und k, dass k = x + y, 3 dann gilt k 2 2 ≥ xy . 1.2 Direkte und indirekte Beweise Denition 1. Bei einem direkten Beweis wird die zu beweisende Aussage A direkt bewiesen. Man beginnt dabei mit den Prämissen von logischen Folgerungen die Aussage A und leitet aus diesen direkt mit A her. Die Struktur sieht dabei folgendermassen aus: Prämissen von A Logische Schlüsse ⇒ A Der Beweis oben ist z.B. ein direkter Beweis. Denition 2. Bei einem beweisende Aussage indirekten Beweis oder Widerspruchsbeweis wird die zu A nicht direkt bewiesen. Dabei wird die Negation ¬A angenommen und mit logischen Folgerungen zu einem Widerspruch geführt. Die Struktur sieht so aus: ¬A Beispiel 4. Wenn Logische Schlüsse ⇒ Widerspruch n eine natürliche Zahl ist, dann ist n + (n + 1) + (n + 2) durch 3 teilbar. 4 Aufgabe 1. Zeigen Sie direkt die folgende Aussage für reelle Zahlen Wenn x > 1, 6x + 3 > 3x + 6. so ist Aufgabe 2. Zeigen Sie die Formel für die Summe der ersten direkt: n X k= k=1 Aufgabe 3. Zeigen Sie indirekt für alle Wenn n2 x: n∈N natürlichen Zahlen n · (n + 1) 2 n ∈ N: gerade ist, dann ist auch Aufgabe 4. Zeigen Sie mit Widerspruch für √ n gerade. a, b ∈ R+ : ab ≤ a+b 2 Aufgabe 5. Zeigen Sie indirekt. a) Die Wurzel aus einer geraden natürlichen Quadratzahl n b) Die Wurzel aus einer ungeraden natürlichen Quadratzahl √ c) Die Zahl 7 ist gerade. n ist ungerade. ist irrational. Aufgabe 6. Beweisen Sie, dass für drei aufeinanderfolgende natürliche Zahlen gilt: 1. Das Quadrat der mittleren Zahl ist um 1 grösser als das Produkt der beiden an- deren Zahlen 2. Das Vierfache der mittleren Zahl ist gleich der Dierenz der Quadrate der beiden anderen Zahlen. Aufgabe 7. Überprüfen Sie die folgende Gleichheiten. Formuliere mit Variablen das all- gemeine Gesetz und beweisen Sie es: 2 2 1 2 1 2 − = − ; 3 3 3 3 2 2 3 1 3 1 − = − ; 4 4 4 4 2 2 4 1 4 1 − = − ; ... 5 5 5 5 Aufgabe 8. Schreiben Sie eine dreistellige Zahl zweimal hintereinander und beweisen Sie, dass die entstandene sechsstellige Zahl durch 5 7, 11, und 13 teilbar ist. Aufgabe 9. Beweisen Sie, dass die folgenden Aussagen nicht stimmen, indem Sie ein Gegenbeispiel nennen. 1. Primzahlen sind ungerade. 2. Das Sechsfache einer Primzahl, vermehrt um 3. Für alle n∈N gilt: 1, ist eine Primzahl. n(n2 − 3n + 8) = 3 · 2n . 2 Vollständige Induktion Denition 3. Beim deduktiven Schliessen (lateinisch deductio Abführen, Fortfüh- ren, Ableitung) wird eine neue Aussage aus gegebenen Prämissen mit zwingenden logischen Schlüssen hergeleitet. Aristoteles bezeichnete die Deduktion als Schluss vom Allgemeinen auf das Besondere. Denition 4. Beim induktiven Schliessen (lat. inducere herbeiführen, veranlas- sen, einführen) wird aus Beobachtungen und Versuchen auf eine Verallgemeinerung geschlossen, z.B. auf einen allgemeinen Begri oder ein Naturgesetz. Damit ist die Annahme aber natürlich nicht bewiesen, sie kann später eventuell falsiziert werden. In der Mathematik wird in einem induktiven Prozess mit Hilfe von Beispielen eine Verallgemeinerung vermutet. Aufgabe 10. Lösen Sie in Algebra 3, Kapitel 21, die Aufgaben 1ab, 2, 5 und 7. Zusätzlich können Sie noch die restlichen der Aufgaben 1-7 lösen. Denition 5. Für jede natürliche Zahl A(1), A(2), A(3), ... n ∈ N ist eine Aussage A(n) gegeben, d.h. sind abzählbar unendlich viele Aussagen. Mit dem Prinzip der vollständigen Induktion können diese Aussagen folgendermassen bewiesen werden: 1. 2. Induktionsverankerung: n = 1. Man beweist, dass A(1) wahr ist. Induktionsschritt: n 7→ n + 1. Induktionsvoraussetzung A(n) Bemerkung 1. Man zeigt also folgendes: • A(1) ist wahr • A(1) ⇒ A(2) • A(2) ⇒ A(3) • A(3) ⇒ A(4) • n ∈ N, dass A(n + 1) folgt. Man beweist für jedes die Induktionsbehauptung ... 6 aus der Abbildung 2: Damit muss A(n) für alle n∈N http://feelgrafix.com wahr sein. Bemerkung 2. Das Prinzip der vollständigen Induktion kann für jede abzählbare Menge N statt N verwendet werden. Beispiel 5. Wir wollen die folgende Gleichheit mit vollständiger Induktion für alle beweisen: a1 + a1 · q + a1 · q 2 + . . . + a1 · q n−1 = a1 · 7 qn − 1 q−1 n∈N Beispiel 6. Gegeben ist die folgende Folge: Wir wollen zeigen, dass gilt an = a1 = 2, an+1 = 2 − n+1 . n Beispiel 7. Wir wollen beweisen, dass n5 − n für alle n∈N 1 . an durch 5 teilbar ist. Aufgabe 11. Lösen Sie in Algebra 3, Kapitel 21, die Aufgaben 9a, 10b, 11b, 13ab, 15a, 17ab, 20, 24. Zusätzlich können Sie noch die restlichen der Aufgaben 8 - 24 lösen, insb. die Aufgaben 19, 21 - 23 sind anspruchsvoll. 8 Beispiel 8. Wir wollen die folgenden Ungleichungen für alle n ≥ 10 beweisen: 2n > n3 Aufgabe 12. Lösen Sie in Algebra 3, Kapitel 21, die Aufgaben 27, 28, 29, 30, 31, 33 Zusätzlich können Sie noch die restlichen der Aufgaben 25 - 33 lösen, insb. die Aufgaben 19, 21 - 23 sind anspruchsvoll. Aufgabe 13. Lösen Sie in Algebra 3, Kapitel 21, die Aufgaben 34 und 36. 9 3 Quellen • https://de.wikibooks.org/wiki/Mathe_für_Nicht-Freaks:_Beweis • https://de.wikipedia.org/wiki/Axiom • https://de.wikipedia.org/wiki/Peano-Axiome • http://www.math.uni-hamburg.de/home/posingies/Vorkurs/AufgabenBeweiseLsg.pdf • https://www2.math.ethz.ch/education/bachelor/lectures/hs2015/math/analysis1/vollstaendigeindukt pdf • http://www.emath.de/Referate/induktion-aufgaben-loesungen.pdf • Rahel Käser, Kantonsschule Olten, Aufgaben zum Beweisen, 2009 10