Der alte Kampf des deutschen Imperialismus um die Vorherrschaft

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Hintergrundmaterial:
Der alte Kampf des deutschen Imperialismus um die Vorherrschaft in Europa und die
Unterwerfung des Ostens
Gegen Frankreich, im Bündnis mit Frankreich gegen die USA, im Bündnis mit den USA gegen Frankreich, den Osten nutzend, um den Westen zu erpressen – und bei Zuspitzung der Widersprüche deutsche
Alleingänge. Einige Schlaglichter aus der Geschichte.
Deutschland und Frankreich als „Achse der Guten“ gegen die kriegerische USA – es ist ein u.U. kurzer Moment in der Geschichte der momentan von einer starken internationalen Arbeiterbewegung
befreiten imperialistischen Staaten und ihres sich stetig verschärfenden Kampfes um die Beute. Die
Geschichte wiederholt sich nicht – man sollte sie jedoch wenigstens kennen, um zu wissen, wie kurzfristig ein solches Bündnis unter sich zuspitzenden Widersprüchen sein kann, welche Traditionslinien es
dabei auf Grund der spezifischen Situation der imperialistischen Staaten gibt und warum die Bourgeoisie osteuropäischer Staaten vor dieser „Achse der Guten“ lieber in die Arme der USA flüchtet.
1870/71:
Alfred von Kiderlen-Wächter, Staatssekretär im auswärtigen Amt, und der
französische Botschafter
Jules Cambon (re.), führten
die Agadierkrise zu einem
friedlichen Abschluss.
Die späte, nicht von den Bürgern (die ihre Verbündeten, die Arbeiter, aus Angst vor ihnen bekämpften), sondern dem Junker Bismarck erkämpfte Einigung Deutschlands, trug schon die aggressiven Züge
eines zu spät gekommenen Räubers. Die Einigung der zersplitterten deutschen Lande durch das reaktionäre Preußen reichte nicht. Es erfolgte auch noch gleich der direkte Angriff gegen Frankreich mit der
Annexion Elsass/Lothringens. Gegen die Pariser Kommunarden half man dann wieder zusammen, die
französische Regierung erbat die Hilfe der Deutschen.
Um die Jahrhundertwende:
Mit dem Bau der Bagdad-Bahn, dem Zollgesetz von 1902, das sich gegen die Getreideeinfuhren aus
Russland richtete und schließlich noch dem Untersagen weiterer deutscher Anleihen für die russische Eisenbahn (beides Zugeständnisse an die Junker, um sich im Gegenzug deren Zustimmung zur zweiten
Flottenvorlage zu sichern), trieb man nicht nur Russland in die Arme Frankreichs1,
sondern trat auch England empfindlich auf die Füße. Die Bagdad-Bahn durchschnitt den Weg Englands zu seinen asiatischen Kolonien und Einflusssphären.
Die Alldeutschen jubelten, dass „sich die deutsche Expansion des näheren Orients ... mit der des fernen Ostens verbinden würde.“2 England schloss einen
Pakt mit Frankreich, die Entente Cordiale. Frankreich verzichtet auf seine Ansprüche in Ägypten, England versprach im Gegenzug, die französische Durchdringung Marokkos zu unterstützen. Das erzürnte wiederum die Deutschen, die
sich übergangen fühlten und auch erhebliche Interessen am marokkanischen
Erz hatten. Kriegsgeschrei gegen Frankreich und England kam auf. Die Krise
konnte noch einmal beigelegt werden. Es wurde ein deutsch-französisches Abkommen erzielt (1909), in dem Deutschland Frankreich die politisch-militärische
Vormachtstellung Frankreichs in Marokko zuerkannte und ein gemeinsames wirtschaftliches Vorgehen in Marokko vereinbart wurde. Ein deutsch-französisches
Wirtschaftsunternehmen wurde gegründet, um das sich die Herren der Deutschen Bank und Kirdorf kümmerten, der gleichzeitig die Alldeutschen finanzierte (und später dann Hitler), die stets den Krieg gegen Frankreich auf den
Lippen hatten.
1911:
Das Bündnis war von kurzer Dauer. Bereits 1911 flammte der Marokko-Konflikt wieder auf. Mannesmann wollte die Erzvorkommen, notwendig für die
Herstellung von Stahl, in seine Hände bekommen. Er bestach den Sultan und
bekam von ihm die Zusage auf das marokkanische Erz. Das wiederum wollten
England und Frankreich nicht zulassen. Das deutsche Kriegsschiff „Panther“
wurde nach Agadir geschickt mit der Begründung: „Deutsche Firmen, die im
Süden Marokkos und besonders in Agadir und Umgebung tätig sind, sind über
eine gewisse Gärung unter den dortigen Stämmen beunruhigt. Diese Firmen
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haben sich an die kaiserliche Regierung mit der Bitte um Schutz für Leben und Eigentum gewandt“.3
Doch England und Russland erklärten klipp und klar,
dass sie sich auf die Seite Frankreichs stellen würden, wenn das Deutsche Reich von seiner Provokation nicht ablässt. Der Konflikt endete mit einem
Kompromiss: Marokko wurde Frankreich überlassen.
Dieses trat dafür einen bedeutenden Teil des französischen Kongo-Gebietes an Deutschland ab. Außerdem blieb Deutschland weiterer wirtschaftlicher
Einfluss in Marokko zugesichert. Kurz vor Beginn des
1. Weltkrieges befand sich ein Achtel des gesamten Landreichtums Marokkos in den Händen der
Firma Mannesmann.
Den vom deutschen Imperialismus (in Verbund
mit Habsburg) initiierten ersten Weltkrieg, den Angriff auch auf Frankreich, hat dieser Kompromiss
ebenso wenig verhindert wie die deutsch-französische wirtschaftliche Zusammenarbeit.
Nach dem ersten Weltkrieg:
Deutschland lag danieder. Die Arbeiter Russlands sorgten dafür, dass ihr Land aus dem illustren Kreis
der imperialistischen Staaten ausschied. Die Siegermächte, v.a. England, die USA und Frankreich4, einerseits verbunden durch ihren Sieg über den Räuber Deutschland, hatten trotzdem durchaus unterschiedliche Interessen und Strategien. Vereint waren sie alle gegenüber Sowjetrussland als Vorhut der
internationalen Arbeiterklasse, dem Hauptfeind der Bourgeoisie, der über Russland hinaus in vielen Ländern durch revolutionäre Erhebungen der Bourgeoisie ihr unvermeidliches Ende ankündigte.
Aus solchen Erhebungen, die dann von der Bourgeoisie niedergeschlagen werden konnten, als Folge
des von deutscher Seite räuberischen Friedensschlusses mit den russischen Arbeitern von Brest-Litowsk,
wie auch aus Gründen der imperialistischen Neuordnung der Einflusszonen, entstanden zwischen dem
revolutionären Russland und Deutschland eine Reihe von Staaten (vorher durch das russische Zarenreich,
Deutschland oder das Habsburger Reich beherrscht), als Sperrgürtel gegen die Sowjetmacht, wie auch
gegen die Expansionsbestrebungen Deutschlands nach Osten gerichtet: der sog. Cordon Sanitaire, von
Finnland über die baltischen Staaten, Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn, bis Rumänien.
So strebte z.B. Frankreich nach der Bildung eines starken polnischen Staates, der in Osteuropa die
Rolle seines Verbündeten sowohl gegen Deutschland, wie auch gegen Sowjetrussland spielen sollte,
um Frankreichs Hegemonie in Europa zu erreichen. Polen sollte die Grenzen von 1772 umfassen, was
bedeutet hätte, dass ganz Oberschlesien zu Polen gekommen wäre, sowie Danzig. Dieses Programm
Frankreichs stieß auf den Widerstand Großbritanniens, wie der USA. Durch eine Volksabstimmung wurde Oberschlesien dann zwischen Polen und Deutschland geteilt, Danzig bekam den Status einer Freien
Stadt unter der Verwaltung des Völkerbundes.
Anfang der zwanziger Jahre entstand die sog. Kleine Entente, ein Bündnis zwischen der Tschechoslowakei, Jugoslawien (das als Staat ebenfalls nach dem 1. Weltkrieg entstand), Rumänien und Polen
unter französischer Vorherrschaft. Die Kleine Entente richtete sich gegen Bestrebungen einer Revision
der Grenzen, wie sie nach dem Versailler Frieden gezogen worden sind, aber auch gegen die UdSSR
und die revolutionäre Bewegung in Mittel- und Südosteuropa.
Andererseits wollte der französische Imperialismus auch die linksrheinischen Gebiete des deutschen
Imperialismus von diesem abtrennen und scheiterte dabei ebenfalls an England und der USA (ausgenommen Elsass-Lothringen, das Deutschland wieder an Frankreich abtreten musste). „Großbritannien
und die USA verpflichteten sich, mit Frankreich einen Sondervertrag abzuschließen, nach dem beide
Staaten Frankreich im Falle eines Überfalls seitens Deutschlands zu Hilfe kommen sollte.“5 Dieses Garantieabkommen wurde aber weder von den USA, noch von Großbritannien je ratifiziert.
1922:
Um einen Block der imperialistischen Staaten gegen die Sowjetunion zu verhindern, nutzte diese die bestehenden Widersprüche aus und bot Deutschland einen Vertrag zur Zusammenarbeit an,
den die deutsche Reichsregierung auch annahm (Vertrag von Rapallo). 75 Jahre später schriebt die
FAZ dazu: „Bis heute gilt dieses Abkommen vor allem in Paris und Warschau, aber auch in London
als Beleg für die zwischen 1922 und 1939 ... verfolgte Absicht Deutschlands, die ... Friedensordnung von 1919 auszuhebeln und stattdessen mit Moskau eine Aufteilung – oder auch die gemeinsame Beherrschung – Europas anzustreben (Imperialisten können sich halt nichts anderes wie Aufteilung und Beherrschung vorstellen! die Arbeitsgruppe) ... Die heftigen französischen Vorwürfe ...
an die deutsche Adresse unmittelbar nach Abschluss des Rapallo-Vertrags entsprangen indes nicht
allein aufrichtiger Besorgnis, sondern auch ... um erneut zu versuchen, die Sicherheitsgarantien für
Frankreich zu erlangen, die ihm ... im Friedensvertrag von Versailles ... vorenthalten worden sind.“6
Auch wenn die reaktionärsten Kräfte im Deutschen Reich damals gegen diesen Vertrag hetzten und
Rathenau, der damalige Außenminister zwei Monate nach Abschluss des Vertrages in Folge dieser
Hetze ermordet wurde, nutzte der deutsche Imperialismus die in Folge entstehenden Handelsbe-
Deutsche Großmachtgelüste.
1 Siehe dazu auch: Albert Norden:
Lehren deutscher Geschichte,
Dietz-Verlag, Berlin 1947, S.28f
2 zit. nach ebd. S.18
3 zit. nach ebd.S.25
4 Lenin schrieb damals dazu: „Amerika ist stark, an Amerika sind jetzt
alle verschuldet, von ihm hängt
alles ab ... es plündert alle aus,
und zwar auf sehr originelle Weise. Es besitzt keine Kolonien. England ist aus dem Krieg mit riesigen Kolonien hervorgegangen,
Frankreich ebenfalls“. Lenin 1920,
LW Bd.31, S.444
5 Wörterbuch der Geschichte, DietzVerlag, Berlin 1984, Bd. 2, S.1109
ff.
6 „Zur Not geht es auch ohne Russland“, FAZ 24.6.1997
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ziehungen zwischen Deutschland und der Sowjetunion zum eigenen Erstarken und um so von den
Westmächten mehr erpressen zu können.7
1923/24:
Die deutsche Monopolbourgeoisie, besiegt durch die imperialistische Konkurrenz, aber leider nicht geschlagen durch die Arbeiter, reckte das Haupt wieder. Thyssen hatte bereits unmittelbar nach Ende des Krieges den Gedanken entwickelt, dass Frankreich „das größte industrielle Land werden kann. Aber es wird ihm
nur zum Vorteil gereichen, wenn es uns in sein Spiel einbezieht“.8 Stinnes schlug dem französischen Ministerpräsidenten ein deutsch-französisches Kohle- und Erzbündnis zur Beherrschung des Weltmarkts vor.
Doch die Verhandlungen über diese westeuropäische Montanunion brachen zusammen über der Frage der
Anteile. 50:50 wollten die Deutschen, 40: 60 zu ihren Gunsten die Franzosen. Um sich durchzusetzen torpedierten die reaktionärsten Gruppen des deutschen Finanzkapitals die Reparationszahlungen und provozierten so den Konflikt mit Frankreich. Ohne die Zustimmung Englands und der USA besetzten französische
Truppen das Ruhrgebiet. Doch weder England noch die USA waren an einer Stärkung des Einflusses Frankreichs in Europa interessiert, sondern daran, ihn zu Gunsten der Erweiterung der eigenen Einflusssphären
zurückzudrängen. Vor allem die USA wollten ihren Sieg nutzen, um in Europa Fuß zu fassen. Dazu musste
der deutsche Imperialismus, zwar abhängig, aber wieder gestärkt werden. So kam es zum Dawes-Plan, der
einerseits erhebliche Reparationszahlungen, wie auch Einschränkungen der nationalen Souveränität Deutschlands vorsah, andererseits aber die Aufhebung aller der „wirtschaftlichen und der finanziellen Einheit Deutschlands entgegenstehenden Besatzungsmaßnahmen“9 vorsah, sowie eine internationale Anleihe in Höhe von
800 Millionen Goldmark. Diese Anleihe wurde vor allem von amerikanischen und britischen Banken ausgegeben. Mit Annahme dieses Plans musste sich Frankreich aus dem Ruhrgebiet zurückziehen. Kapital v.a. aus
den USA war die Grundlage für eine rasche Rationalisierung und Modernisierung der deutschen Industrie.
„Eintritt in ein neues Zeitalter des vom Kriege nicht bedrohten Glückes und Gedeihens“10 versprach das
Gutachten von Dawes und lieferte doch nur den Grundstein für die nächste Runde des gewaltsamen Versuchs, die Welt zu Gunsten des deutschen Imperialismus neu aufzuteilen.
Bis 1925:
Erste Tagung des Generalrats der neuen Reichsbank,
31.10.1924. Im Bild Reichsbankpräsident
Hjalmar
Schacht (Mitte sitzend)
Dank des einfließenden Kapitals gelang es den deutschen Monopolen in kürzester Zeit die wichtigsten Industriezweige zu rationalisieren, die Produktionsmittel auf moderner Grundlage zu erneuern und
so die Produktionskapazitäten erheblich zu erweitern. Die Industrieproduktion betrug 1925 bereits wieder 83% des Vorkriegsstandes – trotz des verkleinerten Territoriums. Eine immense Konzentration und
Zentralisation des Kapitals ging vor sich. So entstanden z.B. die IG-Farben und die Vereinigten Stahlwerke. Einerseits fand eine enge Verflechtung amerikanischer Monopole mit deutschen statt (und Absprachen, wie z.B. die zwischen Standard Oil und der IG-Farben11), andererseits strebten deutsche
Monopole wieder verstärkt die Zusammenarbeit mit französischen Monopolen an. So entstanden u.a.
das deutsch-französische Kalikartell und die europäische Rohstahlgemeinschaft, Kartelle, die auch gegen die Sowjetunion gerichtet waren, da sie auf deren Rohstoffe spechteten.
Die Europastrategien des deutschen Kapitals
wurden um eine Variante reicher: Der PaneuropaKonzeption. Sie war Ausdruck der (damals noch wenigen) deutschen Monopole, die sich stark genug
fühlten, in einem Großraum, geschaffen durch den
„freiwilligen“ Zusammenschluss der Vereinigten
Staaten von Europa die Führungsrolle zu behalten.
Dieses Pan-Europa sollte aus 26 Staaten bestehen
– mit Ausschluss Englands und Russlands. „Pan-Europa würde den übrigen Weltteilen und Weltmächten gegenüber als Einheit auftreten, während innerhalb der Föderation jeder Staat ein Maximum
an Freiheit hätte. Pan-Europa hätte zwei Kammern:
Ein Völkerhaus und ein Staatenhaus (Hervorhebung
im Original); das Völkerhaus würde aus dreihundert
Abgeordneten von je einer Million Europäern bestehen – das Staatenhaus aus den sechsundzwanzig Vertretern der sechsundzwanzig europäischen
Regierungen.... Den europäischen Kolonialmächten wäre der Besitz ihrer Kolonien garantiert, die
sie isoliert früher oder später an Weltmächte verlieren müssen. Denjenigen Völkern hingegen, die
infolge ihrer geographischen Lage und historischen
Schicksale bei der Verteilung der außereuropäischen Erde zu kurz kamen, wie die Deutschen,
Polen...hätten im großen afrikanischen Kolonialreich ein Betätigungsfeld für ihre wirtschaftlichen
Energien.“12 Coudenhove-Kalgeri beendet seine
Vorstellungen folgendermaßen: „Das Zeichen, in
dem sich die Pan-Europäer aller Staaten vereini-
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gen werden ist, das Sonnenkreuz: das Rote Kreuz
auf goldener Sonne ... Diese Flagge der Liebe und
des Geistes soll einst von Portugal bis Polen wehen über einem einigen Weltreich des Friedens
und der Freiheit!“ So wenig neu ist alles, was wir
heute in Bezug auf Europa zu hören bekommen.
Übrigens: Diese Ideen fanden damals v.a. Anhänger unter der Finanzoligarchie in europäischen
Ländern außerhalb Deutschlands.
1925:
Im Vertrag von Locarno wurde das Deutsche
Reich bereits wieder als gleichberechtigter Partner
Frankreichs behandelt. In diesem Vertrag wurden
Garantien festgelegt für die Unverletzlichkeit der
durch den Versailler Vertrag festgelegten Grenzen
zwischen Deutschland einerseits, Belgien und
Frankreich andererseits. Die Grenzen Deutschlands nach Osten erhielten keine internationale
Garantie und wurden von der Reichsregierung
auch nicht anerkannt. Gleichzeitig wurde mit Abschluss dieses Vertrags das Deutsche Reich in den
Völkerbund aufgenommen.
1928/29:
1928 übertraf die industrielle Gesamtproduktion Deutschlands bereits wieder den Vorkriegsstand,
gleichzeitig machte sich ein Abflauen der Hochkonjunktur bemerkbar. Die Monopole forderten eine
Revision des Dawes-Plans. Auf Ersuchen der Reichsregierung vereinbarten Belgien, Deutschland,
Frankreich, Großbritannien, Italien und Japan die Eröffnung offizieller Verhandlungen über eine vorzeitige Räumung des Rheinlandes und die Einberufung
einer neuen Sachverständigenkonferenz zur Reparationsfrage. Der Young-Plan (genannt nach dem
amerikanischen Vorsitzenden dieser Kommission, in
der von deutscher Seite überwiegend Vertreter des
Finanzkapitals saßen) sah dann eine 60-jährige Reparationsverpflichtung Deutschlands mit einer
durchschnittlichen Jahresrate von 2 Mrd. Mark vor
(die auf Grund der Weltwirtschaftskrise 1931 vorübergehend außer Kraft gesetzt und 1932 schließlich für beendet erklärt worden sind), den Abzug der
letzten alliierten Kontrollorgane aus Berlin und schließlich räumten 1930 die Truppen der Entente das
Rheinland. Die Forderungen von Reichsbankpräsident Schacht während der Verhandlungen, die Rückgabe der ehemaligen Kolonien und die Revision der deutschen Ostgrenzen, wurden allerdings nicht erfüllt.
Montage John Heartfield
1930/31:
7 A. Norden, a.a.O. S.111
Sein außenpolitisches Debüt gab der von Versailles befreite deutsche Imperialismus mit der Proklamation des Zollanschlusses Österreichs an Deutschland. Dieser Versuch, von England unterstützt,
konnte jedoch „von den unter Frankreichs Führung stehenden kontinentalen Staaten zu Fall gebracht
werden.“13 Gleichzeitig gab es inoffizielle Versuche zwischen deutscher und französischer Seite, der
deutsch-französischen Industrie-Allianz ein politisch-militärisches Bündnis folgen zu lassen, mit dem
Ziel, sich den Osten gemeinsam aufzuteilen. So fanden Anfang der 30er Jahre wiederholt Verhandlungen über den Abschluss eines „accord à trois“ (Dreibund) zwischen Frankreich, Deutschland und
Polen statt.14 Auch das Weimarer Dreieck hat also seine geschichtlichen Vorläufer!
Der deutsche Imperialismus verfolgte weiterhin seine Pläne eines Europas unter deutscher Vorherrschaft – wie auch immer es erreicht wird. 1931 klang das noch so: „Auch in Europa scheint dieses Ziel des
regionalen Wirtschaftsraumes allmählich festere Formen anzunehmen ... Handelspolitisch wird letzten Endes eine Verständigung zwischen Deutschland, Österreich und den südosteuropäischen Staaten die Form
einer Zollunion finden müssen ... Durch diese regionale Wirtschaftskombination kann das europäische
Problem von der Südostecke aus aufgerollt werden. Selbst wenn es gelingt, im Südosten zu einer tragbaren Regelung zu kommen, bleibt doch für eine endgültige Regelung des europäischen Problems die Frage einer wirtschaftlichen Verständigung mit Frankreich zu lösen. Erst ein geschlossener Wirtschaftsblock
von Bordeaux bis Sofia wird Europa das wirtschaftliche Rückgrat geben, dessen es zur Behauptung seiner
Bedeutung in der Welt bedarf.“15
9 Institut für Marxismus-Leninismus
beim Zentralkomitee der SED:
Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Kapitel VIII, Dietz
Verlag, Berlin 1967(Taschenbuchausgabe) S.31
8 ebd. S.71
10 ebd. S.33
11 Die Absprache war, dass sich Standard Oil aus dem Chemiegeschäft
und die IG-Farben dafür aus dem
Ölgeschäft heraus halten.
12 Coudenhove-Kalgeri: Pan-Europa
(1923), zitiert nach: Reinhard Opitz
(Hg.), Europastrategien des deutschen Kapitals, Bonn 1994, S.496ff
13 Norden, a.a.O. S.79
14 ebd. S.115 f.
15 Carl Diusberg, IG-Farben, auf einer Tagung des Bayerischen Industriellenverbandes im März 1931,
zit. nach Opitz, a.a.O. S.581
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Errichtung der faschistischen Diktatur in Deutschland und zweiter Weltkrieg:
Die Rechnungen der Westmächte gingen nicht auf. Wieder erstarkt verlangte das deutsche Finanzkapital nach weltweiten Absatzmärkten, Rohstoffquellen und Einflusssphären und das zwangsläufig gegen
die anderen imperialistischen Staaten. Es drängte nach Neuaufteilung der Welt. Der Verrat Frankreichs
am Zweck der Kleinen Entente, eine Revision der Grenzen zu verhindern, durch sein Stillhalten während der Annexion Österreichs, seine und Englands Zustimmung zum Münchener Abkommen und damit zur Zerschlagung der Tschechoslowakei, schließlich der Annexion der restlichen Tschechoslowakei
nutzten nichts, sie stillten die Gier des deutschen Imperialismus nicht. Er rieb sich auch nicht auf im
Kampf gegen die Sowjetunion, deren Vernichtung doch im Interesse aller imperialistischen Staaten war.
Noch bevor der Staat der Arbeiter überfallen wurde, wurde Frankreich überfallen – und so mit Gewalt
die Achse Berlin – Paris hergestellt. Und als bereits fast ganz Europa bis zum Ural unter den Stiefeln der
Wehrmacht ächzte, „von Bordeaux bis zum Schwarzen Meer“, wurde auch den USA der Krieg erklärt.
Wie bereits im ersten Weltkrieg fanden sich Frankreich, England und die USA wieder vereint im Bündnis
gegen den kriegerischen deutschen Imperialismus. „Dass sie mit ihrem Verhalten zwischen 1918 und
1933 gleichzeitig die Konkurrenz gegen sich selbst hochzüchteten und den deutschen Imperialismus in
die Lage versetzten, sich abermals waffenklirrend zu erheben, zeigt nur die Widersprüche in der Politik
des internationalen Finanzkapitals und seine Unfähigkeit zur friedlichen Organisierung der Welt.“16 Dass
spät, aber doch, eine Anti-Hitler-Koalition zustande kam, dass die USA schließlich gezwungen war, die
zweite Front im Westen zu eröffnen, lag an der Stärke der Völker der Sowjetunion und der anderen um
ihre Befreiung vom Faschismus kämpfenden Völker. Die Gefahr eines sozialistischen Europas war es,
was die Imperialisten für eine kurze Zeit anspornte, ein Bündnis mit den kämpfenden Völkern gegen
den die ganze Welt mit unsäglicher Barbarei bedrohenden deutschen Faschismus einzugehen.
Alte Traditionslinien nach 1945:
General de Gaulle und Bundeskanzler Adenauer nach
Unterzeichnung des französisch-deutschen Freundschaftsvertrages in Paris im
Elysée-Palast, 22.01.1963
Als Ergebnis des Krieges hatten sich die Kräfteverhältnisse zwischen den imperialistischen Staaten
noch einmal wesentlich zu Gunsten des US-Imperialismus verändert. Deutschland war besiegt und in
Besatzungszonen aufgeteilt. England, vor allem aber Frankreich waren politisch und militärisch äußerst
geschwächt und verloren im Laufe der folgenden Zeit durch die Befreiungsbewegungen und Unabhängigkeitskämpfe einen großen Teil ihrer Kolonien. Die USA wurde zum Gläubiger aller anderen imperialistischen Staaten und zur bestimmenden imperialistischen Kraft. Andererseits ging die internationale
Arbeiterbewegung trotz ungeheurer Verluste im Kampf gegen den Faschismus gestärkt hervor. In allen
Staaten des ehemaligen „Cordon Sanitaire“ und darüber hinaus in Jugoslawien und Albanien und in
einem Teil Deutschlands, konnte die Arbeiterklasse im Bündnis mit den Bauern und mit Unterstützung
der Sowjetunion Siege über die Bourgeoisie erringen und Volksdemokratien bzw. sozialistische Staaten errichten. Im Osten rang das chinesische Volk 1949 seine Feinde nieder, überall standen die Völker
im Kampf um ihre Befreiung auf.
Diese Kräfteverhältnisse bestimmten das Geschehen in den folgenden Jahrzehnten. Der Kampf des
Finanzkapitals weltweit unter Führung des US-Imperialismus gegen die internationale Arbeiterbewegung, der Versuch, das Rad der Geschichte noch einmal zurück zu drehen (was ihnen ja leider auch gelungen ist), überlagerte die
Widersprüche zwischen den imperialistischen Staaten. Doch unter dieser Decke
zeichneten sich die nun schon bekannten Widersprüche und Strategien, sie zu
bewältigen, wieder ab.
Der deutsche Imperialismus, nun zusammengedrängt auf Westdeutschland, wurde mit massiver Unterstützung von Seiten der USA und Englands
wieder hochgepäppelt als Frontstaat gegen die sozialistischen Länder im
Osten. Gleichzeitig begann das, was bürgerliche Strategen bis heute die
„doppelte Eindämmung“ nennen: Die militärische Einbindung in die NATO,
die politische in ein Bündnis mit den anderen europäischen imperialistischen
Staaten. „Die USA haben die Nato immer als „ihr“ Bündnis verstanden. Sie
wurde gegründet, um, wie das alte Bonmot heißt, die Sowjets aus (West-)
Europa draußen und die Deutschen niederzuhalten“17 und , was man nicht
vergessen darf, die USA in Europa drinnen zu halten.
Für den französischen Imperialismus war diese Politik der USA und Englands ein Affront, war sie doch wieder auf eine Stärkung des deutschen Imperialismus, sowie des US-Imperialismus in Europa und damit eine weitere Schwächung des französischen Imperialismus gerichtet. Nur ein Beispiel:
„Für Frankreich erschien die Remilitarisierung Deutschlands nur 5 Jahre
nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges unvorstellbar, und es suchte daher nach einem Ausweg über Europa. Der französische Premierminister ...
schlug darum die Gründung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft
(EVG) vor. So hätten die Westdeutschen Waffen und Soldaten bekommen,
ohne eine deutsche Armee zu gründen.“18 Dies scheiterte später an der Ablehnung des französischen Parlaments. Deutschland wurde remilitarisiert und
in die Nato aufgenommen. De Gaulle schlug 1958 daraufhin den Amerikanern ein Sonderbündnis in der NATO zwischen Paris, London und Washington vor. Die USA lehnten ab. Am 13.2.1960 explodierte dann die erste französische Atombombe in Regane. 1967 zog Frankreich seine Streitkräfte aus der
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Juli 2003: Die Fluggesellschaft Emirates entscheidet
sich für Airbus und gegen
Boeing. Airbus Chef Nöel
Forgeard und Scheich Ahmed bin Saeed
Nato zurück, verließ die Atlantische Allianz aber nicht.19 Um in dieser Situation sowohl den deutschen
Imperialismus unter Kontrolle zu halten, wie auch den eigenen Einfluss in Europa gegen die USA und
England wieder zu stärken, versuchte Frankreich andererseits immer wieder, das Bündnis mit Deutschland innerhalb einer europäischen Zusammenarbeit, möglichst unabhängig von den USA. Das traf durchaus auch auf Interesse des deutschen Imperialismus, seinerseits jedoch mit dem Ziel, eine zu starke Rolle
Frankreichs zu Gunsten des eigenen Vorherrschaftsstrebens dabei zu verhindern – und das mit Hilfe der
berühmten „transatlantischen Freundschaft“. So schrieb die SZ zum 40. Jahrestages des Elysee-Vertrags20: „...zugleich sollte nach dem Wunsch der Pariser Regierung die deutsch-französische Allianz zum
Kern eines Europa werden, das sich gegenüber Amerika würde behaupten können. Umso größer war
die Enttäuschung für de Gaulle, als der Bundestag erst bereit war den Elysée-Vertrag zu ratifizieren, als
in einer Präambel festgestellt wurde, der Vertrag schwäche weder die Nato noch mindere er die Bedeutung der Beziehungen der Bundesrepublik zu den Vereinigten Staaten. Damit war der Vertrag ausgehöhlt und der „Sichtbare Dritte“ war genannt, der in den deutsch-französischen Beziehungen stets eine
Schlüsselrolle spielte: Amerika.“21
Sprung in die Gegenwart:
Nach den Jahrzehnten des scheinbar ewig währenden Friedens zwischen den imperialistischen
Mächten brechen nun all diese Widersprüche mit Vehemenz wieder auf. Schon 1999 war im EuropaHandbuch der Bertelsmannstiftung zu lesen: „Vergangenheit wird gegenwärtig in den alten neuen
Gleichgewichtskalkülen, die gemeinsames Handeln zwischen den drei großen Staaten im Westen erschweren, die sogar den deutsch-französischen Motor der alten Integration belasten. ... Bisweilen
scheint es, als wiege die historische Prägekraft der Zwischenkriegszeit stärker als die Integrationsgeschichte der Nachkriegszeit.“22 Und Thomas Paulsen, Mitarbeiter der Strategie & Trend Research der
HypoVereinsbank schreibt im gleichen Buch „Deutschland wird lernen müssen, Interessenkonflikte
auszutragen und ... mit der Einsamkeit einer Führungsmacht zu leben, ohne den prinzipiellen Nutzen
europäischer Entscheidungsmechanismen für die deutsche Außenpolitik in Frage zu stellen ... die deutsche Außenpolitik (wird) auch in Zukunft vor der Notwendigkeit eines außenpolitischen Spagates
zwischen Frankreich und den USA stehen ... Frankreich als der wichtigste Partner in Fragen der europäischen Politik, Amerika als sicherheitspolitischer Partner und Garant des europäischen Machtgleichgewichtes“.23 Also mit Frankreich gegen die USA und umgekehrt – und den Osten nutzend, um mit
der dazu gewonnenen Macht den Westen zu erpressen. „Die neugewonnene Lage in der Mitte Europas (die berühmte Mittellage. Die Arbeitsgruppe) bedeutet nicht nur eine machtpolitische Schlüsselstellung, sondern erhöht auch den Handlungsspielraum deutscher Außenpolitik in West- und Osteuropa. Vor diesem Hintergrund erscheint die deutsche Rolle in Europa tatsächlich als die einer „Zentralmacht Europas“...“.24 Kein Wunder also, dass die USA alles tun, um eine zu enge Achse Paris-Berlin
gegen sie zu stören und dabei die berechtigte Furcht der Bourgeoisien in Ost- und Mitteleuropa vor
einer solchen Achse (erhofften sie in der EU doch einen Ausgleich gegen den deutschen Imperialismus durch z.B. Frankreich) ebenso ausnutzen, wie Widersprüche zwischen Deutschland und Frankreich. So ist z.B. in der SZ zu lesen, dass der US-Botschafter Coats meint „Vor allem Deutschland müsse
daran interessiert sein, die amerikanischen Forderungen nach einem Subventionsabbau auch gegen
Frankreich durchzusetzen.“25 Und Kerstin Müller, Staatsministerin einer Regierung, die als Erste sich
gegen den Irakkurs der USA laut und deutlich ausgesprochen hat, erklärt hinterher: „Als ein Land, das
im Irak keine vorrangigen ökonomischen Interessen habe, könne Deutschland ,wirklich konstruktiv
wirken.’“26 Es ist wirklich herzergreifend!
Arbeitsgruppe Zwischenimperialistische Widersprüche
16 Norden, a.a.O. S.118
17 Kommentar in der SZ v.13.2.03
18 Henri Ménudier, Frankreich; in:
Werner Weidenfeld (Hg.), EuropaHandbuch, Verlag Bertelsmann
Stiftung, Gütersloh 1999, S.111
19 siehe dazu ebd. S.112
20 Am 22.1.1963 unterzeichneten
Adenauer und de Gaulle im Pariser Elysée-Palast den deutsch-französischen Freundschaftsvertrag,
der die Versöhnung beider Staaten besiegeln und die Jahrhunderte alte Rivalität beenden sollte.
21 SZ 18./19.1.2003
22 Werner Weidenfeld, Europa – aber
wo liegt es?, Europa-Handbuch,
a.a.O. S.42
23 Thomas Paulsen, Die deutsche
Rolle in Europa, Europa-Handbuch,
a.a.O. S.549
24 ebd. S.544
25 SZ 6.5.03
26 SZ 10./11.5.03
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