JPPD Jugendpsychologischer/ -psychiatrischer Dienst JppD Psychologische Diagnostik zum Fallverständnis im Rahmen von Erziehungshilfen Psychologische Diagnostik 1 Absender JPPD Jugendpsychologischer/ -psychiatrischer Dienst JppD Der JPPD ist ein • zentraler Fachdienst des Jugendamtes • zuständig in Zusammenhang mit stationären Jugendhilfemaßnahmen • wird vom ASD angefragt Der JPPD kann einbezogen werden bei Hilfen zur Erziehung SGB VIII: • • • • • Mutter und Kind Einrichtung (§ 19) Trägereigener Wohnraum, Erziehungsbeistand (§ 30) Pflegefamilie (§ 33) Wohngruppe/Soz.Päd Lebensgemeinschaft (§34), Intensive Sozialpädagogische Einzelhilfe (§ 35), … für Kinder Jugendliche, Junge Erwachsene bis zum 21. Lebensjahr Psychologische Diagnostik 2 Absender JPPD Jugendpsychologischer/ -psychiatrischer Dienst JppD Inhaltliche Anlässe für die Fallanfragen des ASD • • Diagnostik, Fallverständnis, psychische Hintergründe von Kindern Jugendlichen Beratung hinsichtlich des Hilfebedarfes aus psychologisch/psychiatr. Sicht • • • • • Schulische Fragen (Schulbegleitung) Familiengerichtliche Verfahren • • • • • • Anforderungen an den Lebensort und die pädagogische Betreuung Pädagogische Hilfen Klärung des therapeutischen Bedarfs Umgangskontakte Rückkehrplanungen Geschlossene Unterbringung (1631b BGB) Bedarf der Volljährigenhilfe (ggf. in Zusammenhang §35a SGB VIII) Vorbereitung Eingliederungshilfe § 53 SGB XII nach dem 21. Lj Beratung des Kindes/Jugendlichen/Helfersystems Psychologische Diagnostik 3 Absender JPPD Jugendpsychologischer/ -psychiatrischer Dienst JppD Wer ist „SCHWIERIG“ ? Kinder und Jugendliche die mehrfach auffallen z.B. durch • Gewalt: Körperverletzung / Bedrohung gegen Pädagogen, andere Jugendliche/Kinder oder Dritte • Delinquenz: Diebstähle, Raub, Waffenbesitz, Hehlerei, Dealen, Erpressung • Sexuell grenzverletzendes Verhalten und Übergriffe • Risikoreiche sexuelle Kontakte / Prostitution • Selbstverletzendes Verhalten / schwere Essstörungen/ Suizidalität • Drogenkonsum • Schulabstinenz • Wechselnde instabile Aufenthaltsorte Psychologische Diagnostik 4 Absender JPPD Jugendpsychologischer/ -psychiatrischer Dienst JppD Gewalt: Körperverletzung / Bedrohung gegen Pädagogen, andere Jugendliche/Kinder , Dritte Wechselnde instabile Aufenthaltsorte Schulabstinenz Schwere Ausprägung, Mehrere Problemfelder Sexuell grenzverletzendes Verhalten und Übergriffe Delinquenz: Diebstähle, Raub, Waffenbesitz, Hehlerei, Dealen, Erpressung Drogenkonsum Selbstverletzendes Verhalten / Schwere Essstörungen/ Suizidalität Risikoreiche sexuelle Kontakte / Prostitution Psychologische Diagnostik 5 Absender JPPD Jugendpsychologischer/ -psychiatrischer Dienst JppD Psychologisch-Psychiatrische Diagnostik: WOZU EIGENTLICH? Behandlungsindikation Rechtfertigung von therapeutischen Maßnahmen und Kosten Erklärungen von Problemen mit medizinisch therapeutischen Vokabular Fallverständnis ? Therapeutische Intervention Eingliederungshilfe Maßnahme Psychologische Diagnostik 6 Absender JPPD Jugendpsychologischer/ -psychiatrischer Dienst JppD Multiaxiales Klassifikationsschema nach ICD 10 WHO • • • • • • Achse I : Achse II : Achse III: Achse IV: Achse V : Achse VI: Psychologische Diagnostik psychiatrische Diagnosen Entwicklungsstörungen Intelligenzdiagnostik Somatische Erkrankungen Abweichende psychosoziale Bedingungen Beurteilung der psychosozialen Anpassung 7 Absender JPPD Jugendpsychologischer/ -psychiatrischer Dienst JppD Achse I: Diagnosen psychischer Störungen • sind beschreibend • Gruppen von Symptomen werden zu einer Diagnose zusammengefasst. • Es gibt i.d.R. keine ursächliche Zuordnung bei psychischen Störungen („Multiätiologisch“) • Isolierte Diagnosen erklären Nichts und tragen kaum zum Fallverständnis bei • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • Bindungsstörung Soziale Ängste Panikattacken Selbstverletzendes Verhalten Auffälliges Essverhalten Suizidalität Konzentrationsschwierigkeiten Antriebslosigkeit Schulabstinenz Unruhe Impulsivität Stimmungsschwankungen Gewalt gegen Sachen Gewalt gegen Menschen Delinquenz Sexuelle Grenzüberschreitungen Distanzlosigkeit Drogenkonsum Dissoziative Störung Wechselnde Aufenthaltsorte Fraglicher Realitätsbezug Störung des Sozialverhaltens ADHS PTBS Drogenkonsum – Abhängigkeit Affektive Störung (manisch/depressiv) Persönlichkeitsstörung Schizophrenie, Psychotische Störung Psychologische Diagnostik 8 Absender JPPD Jugendpsychologischer/ -psychiatrischer Dienst JppD Achse II Entwicklungsstörungen • • • Entwicklungsstörung des Sprechens und der Sprache Umschriebene Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten Umschriebene Entwicklungsstörung der motorischen Funktion „Schwierige“ Kinder/Jugendliche fallen oft durch schulische Schwierigkeiten, und Teilleistungsstörungen auf Psychologische Diagnostik 9 Absender JPPD Jugendpsychologischer/ -psychiatrischer Dienst JppD Achse III Intelligenzdiagnostik • • • • • Leichte Intelligenzminderung IQ < 70 Mittelgradige Intelligenzminderung IQ < 50 Schwere Intelligenzminderung IQ < 35 Schwerste Intelligenzminderung IQ < 20 Dissoziierte Intelligenzminderung Uneinheitliche Intelligenzminderung in verschiedenen Leistungsbereichen • • • Psychologische Diagnostik Kognitive Ressourcen scheinen oft eingeschränkt. Dennoch ist eine Intelligenzminderung bei diesem Klientel eher selten. Es wird oft ein inhomogenes Intelligenzprofil festgestellt. Testbefunde sind oft nur eingeschränkt bewertbar bzw. es müssen die äußeren Rahmenbedingungen und Verhaltensbeobachtung in die Interpretation einfließen. 10 Absender JPPD Jugendpsychologischer/ -psychiatrischer Dienst JppD Achse IV Somatische Erkrankungen • • • • • Z.B Schmerzerkrankungen Intoxikationen Nervenerkrankungen Körperbehinderungen chronische Erkrankungen Körperliche Erkrankungen/Behinderungen können nachhaltige Folgen für die psychische Gesundheit haben. Beispiele: Psychologische Diagnostik Schmerzstörungen Drogeninduzierte Psychose Meningitis Körperbehinderungen 11 Absender JPPD Jugendpsychologischer/ -psychiatrischer Dienst JppD Achse V : Abweichende psychosoziale Bedingungen • • • • • • • Abweichende intrafamiliäre Beziehung • Mangel an Zuwendung • Misshandlungen Psychische Störung/Behinderung in der Familie • Körperliche, geistige, seelische Beeinträchtigung Inadäquate intrafamiläre Kommunikation • Feindseligkeit gegen das Kind • Feindseligkeit zwischen anderen Familienangehörigen Abweichende Erziehungsbedingungen • Überfürsorge Es gibt • Unzureichende Aufsicht • intrafamiliäre Risiken • Unangemessene Anforderungen • Risiken außerhalb der Familie Abweichende unmittelbare Umgebung • und Risiken, die durch die eingesetzte Hilfe • Erziehung in einer Institution entstehen • Isolierte Familie • Lebensbedingungen mit psychosozialer Gefährdung Akut belastende Lebensereignisse • Verlust von Bezugspersonen • Bedrohliche Umstände in Zusammenhang mit Fremdunterbringung • Missbrauch und Gewalterlebnisse Gesellschaftliche Belastungsfaktoren • Verfolgung und Diskriminierung • Migration Psychologische Diagnostik 12 Absender JPPD Jugendpsychologischer/ -psychiatrischer Dienst Achse VI: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. JppD Beurteilung der psychosozialen Anpassung Herausragend gute soziale Funktionen kann alterstypische Entwicklungsaufgaben sehr gut (inner- und außerfamiliäre Beziehungsgestaltung zu Erwachsenen und Gleichaltrigen soziale Autonomie, schulische Integration, Integration in Freizeitgruppen) Mäßige Soziale Funktionen Kann AET in 2-3 Bereichen gut erfüllen Leichte soziale Beeinträchtigungen Kann ATE in 2-3 Bereichen befriedigend erfüllen Mäßige Soziale Beeinträchtigungen kann ATE in 2-3 Bereichen befriedigend erfüllen in anderen Bereichen nur teilweise funktionsfähig Ernsthafte Soziale Beeinträchtigungen Kann ATE in 2-3 Bereichen befriedigend erfüllen, sonst nur sehr eingeschränkt funktionsfähig Ernsthafte durchgängige Soziale Beeinträchtigungen Kann ATE nur in einem Bereich befriedigend erfüllen, sonst nur sehr eingeschränkt funktionsfähig Funktionsunfähig in den meisten Bereichen Kann AET nur in einem Bereich befriedigend erfüllen, sonst nicht funktionsfähig Schwere und durchgängige soziale Beeinträchtigung Kann AET nicht ohne beträchtliche Anleitung und zeitweise Aufsicht erfüllen, ist in seiner Kommunikation schwer beeinträchtigt Tiefe und durchgängige Soziale Beeinträchtigung Kann AET nicht erfüllen und braucht ständige Anleitung und Aufsicht ist kaum kommunikationsfähig Nicht einschätzbar „Schwierigen“ Kindern/Jugendlichen fällt in Teilbereichen die psychosoziale Anpassung schwer, die Beeinträchtigung ist aus psychiatrischer Sicht oft aber verhältnismäßig gering. Psychologische Diagnostik 13 Absender JPPD Jugendpsychologischer/ -psychiatrischer Dienst JppD Prozessdiagnostik Anamnese, kritische Lebensereignisse klinische Diagnostik (ICD 10, Expertenwissen) Prozessdiagnostik (Handlungs-, Beziehungs-, Konfliktmuster) Testdiagnostik Fragebögen Psychologische Diagnostik 14 Projektive Verfahren Diagnostik trägt nur zum Fallverständnis bei, wenn Sinnhaftigkeit des „schwierigen“ Verhaltens angenommen und gesucht wird. Dies ist nur mit einem vielschichtigen Diagnostikprozess zu erreichen. Absender JPPD Jugendpsychologischer/ -psychiatrischer Dienst JppD Was ist schwierig ? (I) Mangelversorgung Wird verstärkt durch: Zeugenschaft schwerer Gewalt • • Fehlende emotionale Spiegelung in der frühen Kindheit Abbruch/Verlust von Beziehungen zu nahen Bezugspersonen Psychologische Diagnostik • • • Zeugenschaft schwerer Gewalt Zeugenschaft sexueller Gewalt Anhaltend deprivierende Lebensbedingungen Opfer schwerer Gewalt • Opfer sexueller Gewalt • • 15 Junges Lebensalter des Kindes Fehlender Schutz Unvorhersehbarkeit der/des Ereignisse/s Häufigkeit der/des Ereignisse/s Ereignis/se im Kontext von (vermeintlich) schutzgewährenden Beziehungen (Subjektive) Wahrnehmung von (Lebens-)bedrohung (Subjektiv) fehlende Handlungsalternative (Flucht / Kampf) Erlebte Wahrnehmung von Ohnmacht Absender JPPD Jugendpsychologischer/ -psychiatrischer Dienst JppD Auswirkungen von wiederkehrenden bedrohlichen Lebensereignissen Die belastenden Gefühle werden geleugnet, die Kinder/Jugendlichen sind kaum in der Lage, sie sich bewusst zu machen und zu benennen. • • • • • • • Erleben permanenter Bedrohung, Alarmbereitschaft Erstarrung, Handlungsunfähigkeit, Ohnmacht Angst Fragmentierung von traumatischen Erlebnissen (Flashbacks) Dissoziation: Abspaltung von Erinnerungen, Körperteilen, Gefühlen Amnesie: Traumatische Ereignisse werden u.U. nicht erinnert Schuld und Scham Kinder/Jugendliche benötigen Unterstützung, ihre (vorbewussten) Gefühle einordnen zu können. Psychologische Diagnostik 16 Absender JPPD Jugendpsychologischer/ -psychiatrischer Dienst JppD Strategien von Kindern / Jugendlichen zum Umgang mit Erfahrungen von Gewalt und Vernachlässigung Kompensationsstrategien, um • die Ohnmacht zu überwinden • unerträgliche Gefühle, erträglich zu machen „Abschalten“ (Dissoziation) Psychologische Diagnostik Situationskontrolle herstellen 17 Absender JPPD Jugendpsychologischer/ -psychiatrischer Dienst JppD „Abschalten“ (Dissoziation) • • • • • • • • • • • • • Bewusstseinstrübung/Abwesenheitszustände Wahrnehmung überflutender Erinnerung Erinnerungslücken Konzentrationsstörungen Verlust der Impulskontrolle (Handlungen im Zustand von Dissoziation) Unerklärliche Ängste häufige Erkrankungen, Verletzungen Veränderte Körperwahrnehmungen Selbstverletzungen Verlust des Raum-Zeit-Gefühls Verlust der Identität Erschöpfungszustände, (ohne Anlass) Soziale und/oder körperliche Hypersensibilität Psychologische Diagnostik 18 Absender JPPD Jugendpsychologischer/ -psychiatrischer Dienst JppD Situationskontrolle herstellen • • • • • • • • Anhaltend hoher Erregungszustand (scannen der Situation, um vermeintlich bedrohliche Situationen abzuwenden) Schlafstörungen Vermeidungsverhalten (Vermeidung sozialer Situationen, Orten, Anforderungen, Verantwortung) Anhaltendes Kontaktverhalten (Provokationen, Distanzlosigkeit) Dissoziale Überlebensstrategien (Stehlen, Lügen, Aggressivität, Horten von Lebensmitteln) „Stockholm Syndrom“ (Beschwichtigung, Leugnung, Überanpassung, Übernahme der Tätersichtweise) Drogenkonsum Selbstverletzendes Verhalten (Selbstvergewisserung) Psychologische Diagnostik 19 Absender JPPD Jugendpsychologischer/ -psychiatrischer Dienst JppD Auswirkungen von Gewalt und Vernachlässigung auf die psychosoziale Entwicklung des Kindes 0-1 emotionale Instabilität Schreien, Schlafstörungen, Gedeihstörungen, Apathie 1-3 fehlende psychomotorische Erfahrungen / Integration Psychomot. Entwicklungsstörungen, Angst, Unruhe, Rückzug, Regression, 3-6 fehlende /eingeschränkte, spielerische Lernerfahrungen Einnässen/Einkoten, fehlendes oder unangemessenes Spielverhalten, spielerische Reinszenierung 6-10 abweichende psychosoziale Erfahrungen Sonderstellung in Peergruppen, inkonstante Beziehungen, Konzentrationsstörungen 10-14 Fehlendes Selbstwertgefühl mit dem Drang zur symptomatischen Kompensation Selbstschädigendes Verhalten , Fremdschädigendes Verhalten Infragestellung soz. Beziehungen, Regeln und Normen 14-18 veränderte Werte- und Normen-Orientierung Schulleistung Schulabbruch Delinquenz, Promiskuität, Drogenkonsum Psychologische Diagnostik 20 Absender JPPD Jugendpsychologischer/ -psychiatrischer Dienst JppD Was ist noch schwierig? (II) Beziehung Wohngruppe / Betreuer Herkunftsfamilie Therapeuten Aktuelle Lebenssituation Jugendamt Schule Peers Psychologische Diagnostik 21 Eine Jugendhilfemaßnahme löst die inneren psychischen Konflikte nicht. Teilweise verstärkt sie die inneren Konflikte oder löst sie gar erst aus. Bei Interventionen müssen die Folgen und „Nebenwirkungen“ berücksichtigt werden. Absender