"Ich kann denken, aber nicht reden" - badische

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12. März 2015
"Ich kann denken, aber nicht reden"
Schönbergs Oper "Moses und Aron" mit dem SWR-Orchester auf CD / Konzert in Freiburg.
Arnold Schönberg Foto: dpa
Ein Fragment ist ein Fragment. In diesem Fall aber haben wir es mit einem ganz besonderen Exemplar zu tun. In Arnold
Schönbergs Oper "Moses und Aron", bei welcher der Komponist auch als Librettist tätig war, blieb der finale dritte Akt unvertont.
Gleichwohl ist ein Werk entstanden, dem man sich kaum entziehen kann. Vor allem, wenn es derart packend dargeboten wird
wie bei dieser Einspielung mit dem SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg – die in der Kategorie "Beste OpernAufnahmen" denn auch für den Grammy, den begehrtesten Musikpreis der Welt, nominiert war. Dass es dann mit der
Auszeichnung in Los Angeles doch nicht geklappt hat, ist keineswegs der Produktion anzulasten.
"Moses und Aron" – das impliziert beim SWR-Orchester einen Rückblick in die eigene Geschichte. Denn: Um die konzertante
(1954) und die szenische Uraufführung (1957) hat sich der mit diesem Klangkörper eng verbundene Hans Rosbaud verdient
gemacht. Auf den beiden SACDs ist Sylvain Cambreling, der langjährige Chefdirigent bis 2011, in Aktion. Cambreling und das
Orchester bringen all ihre Musica-nova-Kompetenz ein: Transparenz, Percussion-Farben, die Fähigkeit zum orchestralen
Kammerdiskurs. In diese Musik, die, obwohl auf einer Zwölftonreihe basierend, den Hörer weder langweilt noch irgendwie vor
den Kopf stößt. Der Komponist, der in das Hauptwerk frühere Musiktheatererfahrung einfließen lässt, und seine Interpreten
machen die Musik zur äußerst spannenden Angelegenheit. Diese Oper, die man durchaus als Oratorium verstehen könnte (was
auch geschehen ist). Das religiöse Bekenntniswerk mit alttestamentlichem Hintergrund. Gott meldet sich. Thematisiert wird
letztlich die Kluft zwischen Idealismus und Materialismus.
Zudem ist die Hauptrolle dieser Oper mit einem Sprecher besetzt. Moses ist jene Gestalt, die von sich sagt: ". . . ich kann
denken, aber nicht reden". Der Bariton Franz Grundheber gestaltet die musikalisierte Aufgabe ungemein überzeugend. Andreas
Conrad als Aron: Das ist ein veritables, sich bis zur letzten Faser der (Extrem-)Partie auslieferndes Überantworten. Da mischt
sich das Heldische mit charaktertenoralen Eigenschaften. Es muss von einem Chor die Rede sein, der keine dem antiken Muster
folgende Kommentarfunktion zu erfüllen hat, sondern dramatischer Handlungsträger ist. Wie hochexpressiv und präsent die
Mitglieder der Europa-Chor-Akademie das leisten, ist schlechterdings phänomenal.
Der Ausdruck der Aufnahme, die an mehreren Orten entstand und nicht zum Flickenteppich geriet, lässt niemanden kalt. Und das
bei Schönberg! Eine bessere Werbung für den Rang seiner Kunst ist nicht möglich. Dem SWR-Sinfonieorchester sei Dank. Da
zeigt sich wieder, was wir an ihm haben.
– Arnold Schönberg: "Moses und Aron". Solisten, Europa-Chor-Akademie, SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg.
Leitung: Sylvain Cambreling. Zwei SACDs. Hänssler Classic 93.314.
– Am Samstag, 14. März, 20 Uhr, beendet das SWR-Orchester im Konzerthaus Freiburg sein Festival "Beethoven plus". Auf dem
0761/4968888.
Programm: Werke von Beethoven, Berio und Lachenmann. Karten: BZ-Kartenservice
Autor: Johannes Adam
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12.03.2015 11:14
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