Eine Biografie

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Bund 19mm
»David Suzuki und Wayne Grady haben
ein wunderbares Buch geschaffen:
gelehrsam, aber poetisch. Umfassend, jedoch
auf das Wesentliche beschränkt.
Es ist genauso groß wie das Leben selbst.«
Der Baum
»Eine ebenso gehaltvolle
wie spannend geschriebene
Schilderung eines Baumlebens.
Ein Buch zum Lesen und
Genießen.«
(Josef H. Reichholf )
David Suzuki erhielt 2009 für
sein Lebenswerk den Alternativen
Nobelpreis. Bis 2001 war er Professor für Genetik an der University of British Columbia/Kanada.
Im Rahmen der David Suzuki
Foundation kämpft er gegen die
globale Erwärmung und für den
Schutz der Ozeane.
Wayne Grady ist Schriftsteller,
Essayist und Übersetzer. Für seine
Arbeiten wurde er mehrfach ausgezeichnet.
Bäume gehören zu den größten und faszinierendsten
Lebewesen. Manche blicken auf eine mehr als tausendjährige
Geschichte zurück; könnten sie sprechen, sie hätten
einiges zu berichten.
David Suzuki und Wayne Grady erzählen eine solche
Geschichte. Ihre »Biografie eines Baumes« beschreibt
sieben Jahrhunderte im Leben einer Douglasie im
Westen Kanadas. Erzählt wird nicht allein die Geschichte
in ihrem ökologischen Kontext, etwa wie es dem
Samen gelingt, Wurzeln zu schlagen, oder wie
der heranwachsende Baum Wind und Wetter trotzt.
Eingebunden sind zahlreiche Ausflüge in die Kulturgeschichte der Menschheit und die Evolutionsgeschichte
unseres Planeten.
Ein wahrhaft gelungener Blick darauf, wie alles mit
allem zusammenhängt, eine großartige Hommage an das
Wunder namens Leben.
David Suzuki & Wayne Grady
David Quammen
»Dieses Buch ist beides – ein
berührender Blick auf einen
einzelnen Baum und eine
poetische ­Verehrung der Natur
und ihrer überbordenden Fülle.«
(Publishers Weekly)
»Das Buch schildert all die
wunderbaren Pfade und Wege,
David Suzuki &
Wayne Grady
mit denen es einem Baum
gelingt, Jahrhunderte zu
überdauern.«
(The Garden Island)
Der Baum
Eine Biografie
19,95 Euro
www.oekom.de
Schutzumschlag_HC_Suzuki_Tree.indd 1
oekom
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Dieses Buch wurde klimaneutral hergestellt.
CO2-Emissionen vermeiden, reduzieren, kompensieren –
nach diesem Grundsatz handelt der oekom verlag.
Unvermeidbare Emissionen kompensiert der Verlag
durch Investitionen in ein Gold-Standard-Projekt.
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Deutsche Erstausgabe
© der Originalausgabe »Tree. A Life Story«:
David Suzuki und Wayne Grady, 2004 (Text),
Robert Bateman, 2004 (Umschlag, Illustrationen)
Original erstmals veröffentlicht bei:
Greystone Books, Mitglied der Verlagsgruppe D&M Publishers
Inc., 2323 Quebec Street, Suite 201, Vancouver, BC V5T 4S7, Canada
© der deutschen Ausgabe oekom verlag München 2012
Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbH,
Waltherstraße 29, 80337 München
Lektorat: Christoph Hirsch, oekom verlag
Korrektur: Silvia Stammen
Layout, Herstellung, Umschlaggestaltung:
Ines Swoboda, oekom verlag
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
Dieses Buch wurde auf FSCTM-zertifiziertem Papier und
auf Papier aus anderen kontrollierten Quellen gedruckt.
FSC (Forest Stewardship Council) ist eine nichtstaatliche,
gemeinnützige Organisation, die sich für eine ökologische
und sozialverantwortliche Nutzung der Wälder unserer
Erde einsetzt.
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-86581-312-1
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David Suzuki, Wayne Grady
Der Baum
Eine Biografie
Aus dem amerikanischen Englisch
von Eva Leipprand
Zeichnungen von Robert Bateman
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Dieses Buch ist Ellen Adams gewidmet.
Als ich sie kennenlernte war sie Doktorandin
im Fachbereich Zoologie
an der Universität von British Columbia.
Sie war intelligent und aufgeweckt
und weit über die Zoologie hinaus interessiert.
Sie verstarb viel zu früh.
In ihrer Großzügigkeit unterstützte sie
die David Suzuki Foundation
und hat dieses Buch ermöglicht.
David Suzuki
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Einführung
7
{ EINS }
Geburt
15
{ ZWEI }
Wurzeln schlagen
53
{ DREI }
Wachstum
89
{ VIER }
Reife
125
{ FÜNF }
Tod
169
Dank
205
Literatur
206
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EINFÜHRUNG
Dieses Buch beschreibt das Leben eines ganz bestimmten Baumes, einer Douglasie. Es könnte aber auch jeder andere Baum
sein – ein australischer Eukalyptusbaum, eine indische Banyanfeige, ein afrikanischer Baobab, ein Mahagonibaum aus Amazonien, eine Zeder vom Libanon oder eine Eiche in England oder
Mitteleuropa. Alle Bäume bezeugen das Wunder der Evolution,
die Fähigkeit des Lebens, sich unerwarteten Herausforderungen
anzupassen und extrem lange Zeiträume zu überdauern.
Sicher und fest in der Erde verwurzelt streben Bäume hinauf
in den Himmel. In einer wunderbar üppigen Vielfalt von Form
und Funktion halten sie überall auf dem Planeten buchstäblich
die Welt zusammen. Zum Wohl aller irdischen Geschöpfe empfangen ihre Blätter die Energie der Sonne und geben unablässig
große Mengen Wasserdampf in die Atmosphäre ab. Zweige und
Stamm gewähren Säugetieren, Vögeln, Amphibien, Insekten und
auch anderen Pflanzen Schutz, Nahrung und Lebensraum. Die
Wurzeln sind in der geheimnisvollen Unterwelt von Fels und
Erde verankert und halten sie zusammen. Bäume gehören zu den
langlebigsten Organismen der Erde. Ihr Leben umfasst Zeitspannen, die weit über Existenz, Erfahrung und Erinnerungsvermögen des Menschen hinausreichen. Bäume sind bemerkenswerte
Wesen. Im Drama des Lebens jedoch stehen sie wie Statisten da,
immer nur Hintergrund für die ständig wechselnden Ereignisse
um sie herum, so vertraut und allgegenwärtig, dass wir sie kaum
wahrnehmen.
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Ich bin Zoologe – weil ich das so wollte und gelernt habe. Zeit
meines Lebens nahmen Tiere meine ganze Aufmerksamkeit und
Leidenschaft in Anspruch. Die ersten Tiere, die ich sah, waren
meine Eltern, Geschwister und Spielkameraden, und später dann
Sport, mein Hund. Meine Eltern waren begeisterte Gärtner; ich
selbst dagegen fand Pflanzen nie besonders aufregend. Sie waren
nicht lustig, sie bewegten sich nicht und machten auch keine
Geräusche. Die Leidenschaft meiner Kindheit war das Angeln.
Beim Erforschen von Gräben und Sümpfen waren Salamander
und Frösche eine hochgeschätzte Beute und die überwältigende
Vielfalt der Insekten, vor allem der Käfer, war Gegenstand nicht
nachlassender Faszination. Es war gewiss kein Zufall, dass ich
dann als Erwachsener meine Genforscherkarriere auf dem Studium eines Insekts, der Fruchtfliege Drosophila melanogaster,
aufbaute.
Warum also sollte einer, der Tiere liebt, ein Buch über Bäume
schreiben? Seit dem bahnbrechenden Buch von Rachel Carson
Der stumme Frühling ist man weltweit auf die Bedeutung der
Umwelt aufmerksam geworden. Man prangerte die Zerstörung
der Wälder überall auf der Erde sowie die mangelnde Nachhaltigkeit der industrialisierten Forstwirtschaft an. Wie viele
andere Aktivisten wurde ich von der Bewegung zum Schutz der
naturbelassenen Wälder in Nord- und Südamerika, Asien und
Australien mitgerissen, habe mich dabei aber vor allem mit dem
Lebensraum beschäftigt, den diese Wälder für andere Organismen zur Verfügung stellen, mit dem Verlust an Biodiversität und
mit der Rolle, die sie bei der globalen Erwärmung spielen. Es war
dann ein einzelner Baum in der Nähe meines Inselhäuschens, der
mir letztendlich die Augen dafür öffnete, was für ein Wunder ein
Baum doch ist.
Von meinem Häuschen schlängelt sich ein Weg hinunter zur
Küste und fällt dort, wo das Erdreich aufhört und der Sand beginnt, steil ab. Genau dort, am Rand des Erdreichs, ragt eine
prachtvolle Douglasie empor, mehr als 50 Meter hoch und etwa
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Douglasie in der Nähe meines Häuschens
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fünf Meter im Umfang. Sie ist vielleicht 400 Jahre alt. Sie begann
mit ihrem Leben also etwa zur gleichen Zeit wie Shakespeare mit
der Niederschrift von König Lear. Es ist ein merkwürdiger Baum,
weil er zunächst horizontal aus der Strandböschung herausragt,
sich dann in einem 30-Grad-Winkel aufwärts krümmt, um sich
schließlich kerzengerade nach oben zu wenden. Auf dem horizontalen Teil des Stammes kann man wunderbar sitzen, man
kann von dort aus auch hochklettern, und da, wo er ansteigt,
haben wir um den Stamm Seile für Schaukeln und Hängematten
gebunden.
Dieser Baum hat unsere Aktivitäten geduldig ertragen, hat
Schatten gespendet, Eichhörnchen und Backenhörnchen ernährt
sowie Adlern und Raben Unterschlupf gewährt und doch verharrte er immer an der Peripherie unseres Bewusstseins. Eines
Tages ließ ich meinen Blick ganz gemächlich über den deformierten Stamm des Baumes schweifen; da wurde mir auf einmal
klar, dass vor Hunderten von Jahren, als er gerade anfing zu
wachsen – also etwa zu der Zeit, als Isaac Newton in England
einen Apfel beim Herunterfallen von einem Baum beobachtete –
dass also damals das Stück Land, auf dem der Baum ursprünglich
keimte, zum Strand hin abgesunken sein musste; damit wurde
der Baum in schrägem Winkel über den Sand gekippt. Der junge
Stamm musste seine Wuchsrichtung ändern, wollte er weiterhin
zum Licht hinaufsteigen. Jahre später hat dann wohl ein weiterer
Erdrutsch den Stamm noch tiefer abgesenkt, bis in die Horizontale, und die Aufwärtskrümmung musste dies erneut kompensieren, um in die Senkrechte zu kommen. Dieser Baum war tatsächlich ein stummer Zeuge der Geschichte.
Das Leben eines jeden Baumes ist gefährdet. Ein Baum kann
sich nicht bewegen; trotzdem muss er zunächst den Pollen so
weit wie möglich aus seinem Territorium hinausbefördern, dann
aber wieder die Samen im eigenen Einflussbereich verteilen. Um
dies zu bewerkstelligen, hat er erstaunliche Mechanismen entwickelt, von der Methode, Tiere als Verteiler zu instrumentalisie10
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ren, bis zu dem Trick, an den harten Schalen eines Samens Propeller, Fallschirme und Katapulte anzubringen. Jeder, der schon
einmal den Pollennebel über einem immergrünen Wald gesehen
hat, die hauchdünnen Schleier aus Pappelkätzchen an einem stillen Bachufer oder auch die Berge von Eicheln in einem Eichenmastjahr, der kennt die aufwendige Verschwendung, die Bäume
betreiben, um das Überleben einiger weniger Exemplare sicherzustellen. Wo auch immer ein Samen landet, sein Schicksal ist
damit besiegelt. Für die meisten bedeutet das, Insekten, Vögeln
oder Säugetieren als Beute ausgeliefert zu sein, auf Felsen zu vertrocknen oder im Wasser unterzugehen. Selbst wenn ein Samen
auf dem Erdreich landet, ist seine Zukunft noch lange nicht gesichert. Dieser winzige Tropfen Protoplasma enthält das gesamte
Erbe seines Erzeugers, ein Vorratspaket, das den Samen durch
seine ersten tastenden Lebensregungen begleiten soll, dazu eine
genetische Blaupause; diese bringt der wachsenden Pflanze bei,
dass sie die Wurzeln nach unten und den Stamm nach oben zu
schicken hat, und erklärt ihr auch, wie sie die Energie, das Wasser
und die Substanzen, die sie zum Leben braucht, gewinnen kann.
Ihr Leben ist programmiert; und doch muss sie flexibel genug
sein, um mit Unerwartetem umzugehen, mit Stürmen, Dürre,
Feuer und Räubern.
Sobald seine erste Wurzel das Erdreich durchdringt, ist der
Samen an genau diesen Ort auf dem Planeten gebunden. Hier
muss er sich alles Notwendige beschaffen, um zu überleben und
über Jahrhunderte zu gedeihen. Aus Luft und Erde muss er sich
all die nötigen Bausteine holen für die Herstellung der Moleküle
und Strukturen, die ihn befähigen, sich zehn, 20 oder auch Hunderte von Metern über den Boden zu erheben, zig Tonnen zu
wiegen und den zerstörerischen Kräften von Feuer und Wind zu
widerstehen. Mit all seinem Einfallsreichtum und technologischen Wissen könnte der Mensch niemals etwas Vergleichbares
erfinden wie die in jeden Baum eingebaute Stärke und Widerstandsfähigkeit. Allein mit Sonnenlicht, Kohlendioxid, Wasser,
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Stickstoff und einigen wenigen Spurenelementen stellt ein Baum
das gesamte Spektrum an komplexen Molekülen her, welche die
Bausteine seiner physischen Struktur und die Komponenten
seines Stoffwechsels bilden. Damit diese Aufgabe gelingt, haben
die Bäume Pilze als Helfer rekrutiert, welche die Wurzeln und
Wurzelhaare des Baumes wie filigrane Spinnweben umhüllen
und dabei der Erde Spurenelemente und Wasser entziehen. Als
Gegenleistung erhalten sie dann vom Baum Zucker, den er in
seinen Blättern erzeugt.
Das Protoplasma eines Baumes ist vollgepackt mit Energievorräten und Substanzen, die andere Organismen unwiderstehlich anziehen. Bäume können weder davonlaufen noch sich verstecken oder gar angreifende Räuber erschlagen, aber hilflose
Opfer sind sie deswegen noch lange nicht. Ihre Rinde funktioniert wie eine Rüstung und sie stellen eine Vielzahl von wirksamen chemischen Verbindungen her, die als Gift oder Abschreckung gegenüber Eindringlingen dienen. Wenn sie von Insekten
angegriffen werden, können Bäume flüchtige Verbindungen produzieren, die nicht nur die Insekten abwehren, sondern auch die
Bäume in der Nachbarschaft auf die Gefahr aufmerksam machen
und sie anregen, den Abwehrstoff ebenfalls zu erzeugen. Die
Bäume bieten den Pilzen in ihren Zellen Unterkunft und Verpflegung; dafür produziert der Gast Substanzen gegen bakterielle
Infektionen. Sind Krankheit oder Schädlinge dann doch einmal
zu stark, kann ein Baum den betroffenen Bereich abschotten und
auf diese Weise einzelne Glieder oder andere Teile seines Körpers
opfern, um den Rest zu retten. Drunten in der Erde können sich
die Wurzeln der Bäume einer Gemeinschaft intensiv durchdringen oder sogar vereinigen. So können die Bäume kommunizieren, Stoffe austauschen und sich gegenseitig zur Seite stehen.
Kein Baum ist eine Insel; er ist Bürger einer Gemeinde. Indem er
kooperiert, teilt und sich für ein gemeinsames Ziel einsetzt, gewinnt er den gleichen Vorteil wie jedes andere Lebewesen, das an
einem voll funktionsfähigen Ökosystem teilhat.
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Im Lauf der Zeit wird dann jedoch selbst der zäheste Baum
unweigerlich durchlöchert, durchbohrt, infiziert und geschwächt.
Der Tod eines Baumes kündigt sich nicht durch Herzstillstand
oder durch das Erlöschen der Hirnströme an, auch nicht durch
den letzten Atemzug. Ein sterbender Baum funktioniert immer
noch, wenn auch eingeschränkt und sporadisch; durch verstopfte, schadhafte Gefäße versuchen Wurzeln weiterhin Nahrung und Wasser nach oben zu transportieren; hier und da arbeitet noch die Photosynthese. Schließlich aber wird der Baum
ein toter Stumpf, der gleichwohl noch eine Unzahl anderer Arten
am Leben erhält. Wenn er dann am Ende fällt, wird er im Verrotten noch jahrhundertelang wechselnden Lebensformen Nahrung
vorhalten und Unterstützung gewähren.
Im Lauf unserer Geschichte haben wir immer wieder über
unsere Beziehung zum Rest des Lebens auf der Erde nachgedacht. Früher waren sich viele Völker der Tatsache bewusst, dass
uns nicht nur mit den Tieren, sondern mit allem, was an Grünem
lebt und wächst, Verwandtschaft und gegenseitige Abhängigkeit
verbindet. Sie malten sich aus, wie das Universum entstanden
war, wann und warum auf einmal der Mensch auftauchte und
wie überhaupt alles so gekommen war. Die Geschichten, die man
in diesen Kulturen erzählte, enthielten all die Beobachtungen,
Einsichten und Vermutungen, aus denen das Weltbild eines jeden
Volkes besteht.
Die Wissenschaft vertritt eine vollkommen andere und sehr
einflussreiche Sicht auf die Welt. Indem wir uns auf ein Teilstück
der Natur konzentrieren, indem wir alles, was damit zu tun hat,
erfassen und ein bestimmtes Fragment messen und beschreiben, gewinnen wir tiefe Einsichten – aber eben nur in jenen Teilaspekt. Im Forschungsverlauf verlieren Wissenschaftler oftmals
den Kontext aus den Augen, in dem jenes Teil, in dem jener Prozess sich bewegt. Sie nehmen die Rhythmen, Kreisläufe und Muster nicht mehr wahr, durch die das Fragment überhaupt erst
interessant wurde. Die Erkenntnisse der Wissenschaft befinden
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sich ständig im Fluss, wobei sie sich immerfort erweitern, verändern oder sogar durch neue Beobachtungen ersetzt werden. In
diesem Buch haben wir versucht, wieder die staunende Haltung
eines Laien einzunehmen, und haben diese dann mit wissenschaftlich gewonnener Information ergänzt. Das Detailwissen
wird im Lauf der Zeit wachsen und sich wandeln, die Phänomene
jedoch werden ihren wunderbaren Glanz für immer behalten.
Die Geschichte eines einzelnen Baumes verbindet uns mit
vergangenen Zeiten und allen Regionen der Erde. Davon erzählt
dieses Buch. Es erzählt aber zugleich die Geschichte aller Bäume
und allen Lebens, überall hier auf unserer Erde.
David Suzuki
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{ EINS }
Geburt
Bäume sind Zeitmaschinen.
John Fowles, Der Baum
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