Gewässerentwicklung Dreisam Bereich Kartauswiesen in Freiburg Überprüfung der Fledermausvorkommen Konfliktdarstellung und Maßnahmenempfehlung Stand 30. Oktober 2012 Auftraggeber: Kamm und Pohla, Freie Landschaftsarchitekten Schwarzwaldstraße 3, 79539 Lörrach Bearbeitung: Büro für Landschaftsplanung Dipl. - Forstwirt Hans-Joachim Zurmöhle Schillerstr. 16, 79183 Waldkirch, 07681/4937055; [email protected] H.-J. Zurmöhle 30. Okt. 2012 Dreisam-Kartauswiesen Fledermäuse 1 Aufgabenstellung __________________________________________________________2 2 Methoden ________________________________________________________________3 3 Ergebnisse________________________________________________________________4 3.1 Aufzeichnung von Fledermauslauten______________________________________________4 3.2 Vorwissen aus anderen Untersuchungen in der näheren Umgebung ____________________4 3.3 Lebensweise und Habitatansprüche der nachgewiesenen Arten _______________________5 4 Bewertung der Ergebnisse ___________________________________________________7 4.1 Schutzstatus __________________________________________________________________7 4.2 Habitateinschätzung ___________________________________________________________8 4.3 Konflikte/Maßnahmenempfehlung ______________________________________________10 5 Zusammenfassende Beurteilung _____________________________________________11 1 Aufgabenstellung Die Stadt Freiburg plant im Bereich der Kartauswiesen die Entwicklung der Dreisam (s. Abbildung). Der Verfasser wurde vom Büro „Kamm und Pohla / Lörrach“ damit beauftragt, die Fledermausvorkommen im Planungsraum zu prüfen. Auf Grundlage der Bestandserfassung soll geprüft werden, welche Auswirkungen/Konflikte sich durch das geplante Vorhaben ergeben könnten. Als Hinweis zur Planungsoptimierung sollen Maßnahmen definiert werden, die eventuell entstehende Konflikte vermeiden oder die Fledermausvorkommen fördern können. In einer Erstbegehung (1 malige, intensive Kontrolle) sollte geprüft werden, ob erhebliche vorhabenbedingte Beeinträchtigungen auf Fledermausvorkommen denbkar sind. Danach sollte Seite 2 von 12 H.-J. Zurmöhle 30. Okt. 2012 Dreisam-Kartauswiesen Fledermäuse festgelegt werden, ob ergänzende Erhebungen (mehrere örtliche Aufnahmen) erforderlich werden. Dies ist/war nicht der Falle, - wie unten stehend näher erläutert wird. Rechtlicher Hintergrund Nach § 44 Naturschutzgesetz gilt für besonders oder/und streng geschützte und bestimmte andere Tier- und Pflanzenarten: (1) Es ist verboten, 1. wild lebenden Tieren der besonders (und streng) geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören (Tötungsverbot), 2. wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten erheblich zu stören; eine erhebliche Störung liegt vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert (Störungsverbot), 3. Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders (und streng) geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören, 4. wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören (Zerstörungsverbot). 2 Methoden In der Nacht vom 4. auf den 5. Juli 2012 wurde eine örtliche Erfassung der Fledermausvorkommen durchgeführt. Hierzu wurden entlang der Dreisam 4 Horchboxen zur automatisierten Aufzeichnung der Fledermaus-Ultraschallaute positioniert (s. Karte). Der digitale Batcorder (http://www.ecoobs.de) wird uhrzeit-gesteuert aktiviert und zeichnet während der Nacht die Ultraschallaute von Fledermäusen auf. Ein einzigartiger Algorithmus sorgt dafür, dass nur Fledermausrufe und kaum Störgeräusche wie stridulierende Laubheuschrecken aufgezeichnet werden. Die Software (bcAdmin) erlaubt die automatisierte Interpretation von Gattungen und auch eine Artbestimmung der gefundenen Rufe. Ergänzt und hörbar gemacht werden die Fledermausrufe durch einen Ultraschalldetektor. Mit diesem werden während der Transektbegehung Fledermausschwerpunkte ausgemacht, damit hier gezielt mittels Horchbox Aufnahmen gemacht werden können. Zwei Boxen wurden vor Sonnenuntergang an den Positionen 3 und 2 aufgestellt (s. Karte). Mit den beiden anderen Horchboxen wurden durch zwei Personen Linien/Transekte entlang der Dreisam (insbesondere im Eingriffsbereich auf der Nordseite) aufgenommen (s. Karte blaue und gelbe Linie). Nach Abschluss der Transektbegehung wurden auch diese Boxen bis Sonnenaufgang an zwei festen Standorten positioniert (s. Karte Standort 1 und 4). Durch die Transektbegehungen in Verbindung mit der räumlichen Anordnung zur Daueraufzeichnung mit den 4 Horchboxen kann geprüft werden, ob Fledermäuse die Dreisam stärker frequentieren, als den angrenzenden Lebensraum. Seite 3 von 12 H.-J. Zurmöhle 30. Okt. 2012 Dreisam-Kartauswiesen Fledermäuse 3 Ergebnisse 3.1 Aufzeichnung von Fledermauslauten Die Ergebnisse der Aufzeichnung sind in nachfolgender Tabelle dargestellt. Ge- Typ Gesamtzahl Zwerg Rauhhaut Mücken gAbend Stationär Transekt rät 1 Transekt + 152 148 3 1 116 36 stationär 2 Stationär 176 175 1 3 Stationär 45 39 5 4 Transekt 56 53 3 429 415 12 + 176 1 46 21 35 359 71 stationär 1 1 • In ca. 7 Std. wurden auf 4 Horchboxen 430 Flugaktivitäten von Fledermäusen aufgezeichnet (Standorte der Horchboxen s. Karte). • Innerhalb von ca. 1,5 Std. (21:45 Uhr bis 23.20 Uhr) wurden mit 2 Horchboxen (Box 1 und 4) bei der Transektbegehung überwiegend entlang der Dreisam 71 Flugaktivitäten aufgezeichnet (Lage der Transekte s. Karte). • Die stationären Horchboxpositionen 1 und 2 (entlang der Dreisam) zeichneten mit 292 Flugaktivitäten mehr als 4 mal soviel auf, wie die Horchboxen auf den Positionen 3 und 4 (67 Aufzeichnungen), welche nördlich zur Dreisam mit einigem Abstand positioniert wurden (s. Karte). • Auf dem Transektbegang nördlich und südlich der Dreisam wurden in gleicher Zeit auf vergleichbarer Länge in etwa gleiche Flugfrequenzen registriert (36/Nordseite, 35/Südseite). Unterschiede zwischen Nord- und Südseite waren demzufolge nicht zu belegen. • Mit mehr als 96 % der Aufzeichnungen wurde die Zwergfledermaus mit Abstand am häufigsten erfasst, gefolgt von der Rauhhautfledermaus (12 Flugaktivitäten). • Mit je einer Aufzeichnung besteht der Verdacht auf ein Vorkommen der Mückenfledermaus und des großen Abendseglers. 3.2 Vorwissen aus anderen Untersuchungen in der näheren Umgebung Aus weiteren Gutachten, die durch Herrn Dr. Brinkmann bearbeitet wurden ist bekannt, dass im Jahr 2001 die Wimperfledermaus im nordöstlichen Bereich des Planungsraumes nachgewiesen wurde. Seite 4 von 12 H.-J. Zurmöhle 30. Okt. 2012 Dreisam-Kartauswiesen Fledermäuse Aus dem benachbarten Raum der Kartaussiedlung liegen Untersuchungsergebnisse zum BPlan 3-85 vor, die von Edmund Hensle in einem Kurzbericht zusammengefasst wurden. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse von Herrn Brinkmann und Herrn Hensle können im Planraum zumindest sporadisch folgende Fledermausarten erwartet werden: • Wimperfledermaus (Myotis emarginatus), • Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus) (auch an der Dreisam nachgewiesen), • Kleiner Abendsegler (Nyctalus leisleri), • Mückenfledermaus (Pipistrellus pygmaeus) (auch an der Dreisam nachgewiesen), • Myotis-Arten. 3.3 Lebensweise und Habitatansprüche der nachgewiesenen Arten Pipistrellus pipistrellus (Zwergfledermaus) Die Zwergfledermaus ist in ganz Deutschland und Europa bis zum 60. Breitengrad und bis in die oberen Höhenlagen flächendeckend zu beobachten. Sie ist in fast allen Naturräumen die häufigste Art und kann regelmäßig in Siedlungsbereichen beobachtet werden. Das Erfolgsrezept liegt darin, dass sie in der Lebensraumwahl eine große Variabilität an den Tag legt. Sie kommt praktisch überall vor: in Städten und Dörfern, in Wäldern, in trockenen Felslandschaften und in Flussauen. Nur in der weitgehend ausgeräumten Agrarsteppe ist diese Art seltener. Ihr Seite 5 von 12 H.-J. Zurmöhle 30. Okt. 2012 Dreisam-Kartauswiesen Fledermäuse Vorkommen ist dort meist auf den menschlichen Siedlungsbereich beschränkt, der offensichtlich noch genügend Nahrung und die notwendigen Quartiere bietet. Spaltenquartiere an Gebäuden im Dachkasten, in Wandverkleidungen, Garagenfugen und Dachhohlräumen werden bevorzugt und sowohl als Sommerquartier und als Winterhabitat genutzt. Als Paarungsquartiere dienen bevorzugt Baumhöhlen und Nistkästen. Die Jagdgebiete liegen bis 1,5 km von den Wochenstuben entfernt und Wochenstubenwechsel sind im Umkreis von bis zu 15 km nachgewiesen (BRAUN et al.2003, DIETZ et al. 2007). Die Zwergfledermaus jagt zudem in allen urbanen Biotopen, sowie intensiv genutzten Kulturlandschaften und meidet auch Laternen nicht. Sie bevorzugt insektenreiche Flugrouten entlang linearer Leitstrukturen. Beispiele hierfür sind Wege in Gärten und Parks, beleuchtete Straßenzüge, Feldgehölze, Lichtungen und Fließgewässer. Pipistrellus pygmaeus (Mückenfledermaus) Die Mückenfledermaus ist in ganz Deutschland und Europa bis nach Norwegen flächendeckend verbreitet. In höheren Lagen als 400 m ist die Vorkommenswahrscheinlichkeit als gering einzuschätzen (FRINAT GMBH 2012). Sie wurde erst in den 1990er Jahren als eigenständige Art von der Zwergfledermaus getrennt, weshalb bisher über ihre Ökologie nur recht wenig bekannt ist. Vor allem Funde in Auwäldern aus der Oberrheinebene zeigen, dass sie dort eine häufige Populationen aufbaut (KRETZSCHMAR 2002, BRAUN et al. 2003). HÄUSSLER & BRAUN (2004) beschreiben die Art nach Auswertung aller Funde in Baden-Württemberg als typische Auenfledermaus mit Vorkommen in der Rheinebene, im Neckartal, an Jagst, Kocher und Donau, sowie am Bodensee. Das breite Spektrum an Sommerquartieren besteht aus Nistkästen, Spaltenräumen an Gebäuden und Baumhöhlen sowie Jagdkanzeln. Als Winterquartiere konnten bislang Gebäude- um Baumquartiere festgestellt werden. Als Wochenstuben dienen dagegen überwiegend Gebäudequartiere in Ortsrandlage oder außerhalb des Siedlungsbereiches in der Nähe der WasserWald-Jagdhabitate. Die Mückenfledermaus ist bei Ihrer Jagd etwas stärker an die Vegetation gebunden als die Zwergfledermaus. Auch die Nähe zu Gewässern spielt bei der Jagd eine große Rolle. So jagt sie bevorzugt in der Weich- und Hartholzaue und gut strukturierten Auwäldern mit Binnenlichtungen. Individuenstarke Bestände jagen zudem in flussnahen, auwaldartigen Laubwaldforsten (BRAUN & DIETERLEN 2003). Gelegentlich tritt die Mückenfledermaus auch fernab des Auwaldes, an den typischen Zwergfledermaus-Jagdplätzen, wie künstlichen Gewässern oder Straßenlaternen am Ortsrand/in Parks, auf. Pipistrellus nathusii (Rauhhautfledermaus) Diese fernwandernde Art ist in ganz Deutschland und Nordosteuropa verbreitet. Die Reproduktionsschwerpunkte liegen vor allem im Nordosten Europas (in Deutschland vor allem in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein). Südwestdeutschland sowie Südeuropa dagegen sind wichtige Überwinterungsgebiete. (BRAUN & DIETERLEN 2003). In BadenWürttemberg wurden bisher erst zwei Wochenstuben (Bodensee-Region), sowie einige Männchen-, Paarungs- und Zwischenquartiere durchziehender Tiere entlang des Neckars und Rheins nachgewiesen (FRINAT GMBH 2012). Die Rauhhautfledermaus bevorzugt abwechslungsreiche Wälder mit stehendem Wasservorkommen (BURKHARD 1997), beispielsweise Auwälder, Kanäle und Flussarme mit UferbeSeite 6 von 12 H.-J. Zurmöhle 30. Okt. 2012 Dreisam-Kartauswiesen Fledermäuse wuchs. Im Winter ist sie jedoch auch oft in Dörfern und Städten anzutreffen (GEBHARD 1995). Im Sommer nutzt sie Rindenspalten, Baumhöhlen, Vogelnist- und Fledermauskästen als Quartier. Als Winterquartiere dienen die bodennahen Gebiete in Holzstapeln, Spalten in/an Gebäuden und Mauern, Baumhöhlen und seltener Höhlen und Stollen. Die Wochenstubenquartiere werden von 20 bis 50 Weibchen im April/Mai bezogen. Nach der Aufzucht ihrer Jungen verlassen die Muttertiere die Wochenstubenquartiere ab Mitte Juli, um in die bis zu 15 km entfernt liegenden Paarungsquartiere zu fliegen (SCHMIDT 1978). Typische Jagdhabitate sind Wälder oder Waldränder im Flachland, sowie lineare Feldgehölze. Im Winterhalbjahr jagt die Rauhhautfledermaus auch innerhalb von Städten im Bereich von Straßenlaternen, Parks und entlang von Hecken (GEBHARD 1995). Großer Abendsegler (Nyctalus noctula) Es handelt sich um eine typische Wanderfledermaus. Die typische Reproduktionsgebiete befinden sich im nördlichen Mitteleuropa und Russland. Ab Anfang September wandert der Große Abendsegler in die Überwinterungsgebiete nach Südwesteuropa ein. Deshalb treten in BadenWürttemberg Abendsegler gehäuft zu Zugzeiten im Frühjahr und Spätsommer auf, besonders entlang der großen Flüsse wie Rhein und Neckar. Paarungsquartiere an Gebäuden bzw. in Baumhöhlen und Nistkästen können im Herbst festgestellt werden. Im Sommer verbleiben überwiegend Männchen in Mitteleuropa und in Südwestdeutschland sind nur wenige Wochenstubenquartiere bekannt geworden (z.B. SCHEDLER 1998, NAGEL & HÄUSSLER 1998). Massenzuzüge und –wegzüge sind am Bodensee zu beobachten, wobei die ziehenden Tiere auch am hellichten Tag mit über 40 cm Spannweite gut zu beobachten sind. Als Sommerquartiere dienen Spechthöhlen oder andere Baumhöhlen, sowie Fledermauskästen. Im Laufe des Sommers werden die Quartiere häufig gewechselt. Winterquartiere befinden sich sowohl in Baumhöhlen, als auch in Fels- und Gebäudespalten. Als Jagdgebiet wird der offene Luftraum in 10-50 m Höhe über Gewässern, Wiesen und Wäldern genutzt. Die Jagdgebiete befinden sich circa 3 km vom Quartier entfernt. Entfernungen von bis zu 25 km zum Quartier konnten bei Einzeltieren nachgewiesen werden (GEBHARD & BOGDANOWICZ 2004). 4 Bewertung der Ergebnisse 4.1 Schutzstatus Alle heimischen Fledermausarten sind nach BnatSchG „streng/besonders geschützt“ und sind in Anhang IV der FFH-Richtlinie als „streng zu schützende Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse“ aufgeführt (s. hierzu http://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/45214). Es gelten die unter Kap. 1 dargestellten rechtlichen Vorgaben. In nachfolgender Tabelle ist der Schutzstatus nachgewiesener Fledermausarten aufgeführt. Seite 7 von 12 H.-J. Zurmöhle 30. Okt. 2012 Artname Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus) Rauhhautfledermaus (Pipistrellus nathusii) Mückenfledermaus (Pipistrellus pygmaeus) Großer Abendsegler (Nyctalus noctula) Dreisam-Kartauswiesen Fledermäuse FFH BArt s IV s IV s IV s IV § § § § D D G ? 3 B 3 i G i Stand: November 2006 S: Schutzstatus b - besonders geschützt (BartSchV §) s - streng geschüzt (BartSchV §§, FFH Anh. IV) FFH: Anh. II, IV, V. (Quelle: 030301_ffh_arten.pdf, bfn-Dokument vom Oktober 2005) BArt: § besonders geschützt, §§ streng geschützt D : Rote-Liste-Kategorien für Deutschland nach Binot et al. (1998) BW : Rote-Liste-Kategorien für Baden-Württemberg nach Braun & Dieterlen (2003) i - gefährdete wandernde Tierart * - Neunachweis Oberrheinebene 2006 durch Brinkmann 4.2 Habitateinschätzung Bei der Untersuchung entlang der Dreisam wurden Fledermausarten (Zwergfledermaus, Rauhautfledermaus, Mückenfledermaus) nachgewiesen, die an eine siedlungsbezogene Lebensweise angepasst sind. Eher waldorientierte Fledermausarten (kleiner Abendsegler, Wimpernfledermaus) wie in den zitierten anderen Untersuchungen dargestellt, konnten in der einmaligen Untersuchungsnacht nicht nachgewiesen werden. Wegen der Vernetzung von Dreisam und angrenzendem Kartauswald ist jedoch zu erwarten, dass bei ergänzender Erhebung auch diese Arten zumindest sporadisch die Dreisamufer als Transferleitlinie/Orientierungshabitat auf ihrem nächtlichen Weg zum Jagdhabitat nutzen. Die fledermausrelevanten Nutzungen im Planungsbereich und der näheren Umgebung sind in der Karte in der Anlage dargestellt. Intensive landwirtschaftliche Nutzung nördlich Extensives Grünland nördlich der Dreisam der Dreisam Als wertgebende Bereiche sind Flächen hervorgehoben, die in Bezug auf Potential für die Fortpflanzung und Nahrungssuche, oder als Transferhabitat (Orientierungsflug zwischen FortSeite 8 von 12 H.-J. Zurmöhle 30. Okt. 2012 Dreisam-Kartauswiesen Fledermäuse pflanzungs-Ruhezone und Jagdhabitat) von Bedeutung für die nachgewiesenen Fledermausarten sein können. Die höheren Flugfrequenzen entlang der Dreisam deuten darauf hin, dass diese von den nachgewiesenen Fledermausarten als Transferhabitat auf dem nächtlichen Orientierungsflug zu weiter gelegenen Jagdhabitaten genutzt werden. Zum Zeitpunkt der einmaligen Untersuchung konnten während der Transekte über dem Wasser nur wenige (15 von 76 Flugbewegungen) aufgezeichnet werden. Dies deutet darauf hin, dass die Funktion der Dreisam als Transferhabitat derzeit höher zu gewichten ist, als die Funktion der offenen Wasserfläche als Nahrungshabitat. Da nur eine nächtliche Erfassung durchgeführt wurde, ist jedoch nicht auszuschließen, dass sich dieser Sachverhalt zu anderer Jahreszeit anders darstellt. Die Fledermäuse, insbesondere Zwergfledermäuse, nutzen das Nordufer der Dreisam, sowie den vom Südufer abgerückten Bereich der Baumallee mit vorhandenen Lichtanlagen auf ihren nächtlichen Jagdflügen auch zur Nahrungsaufnahme. Luftbildausschnitt aus dem Untersuchungsgebiet Blick auf das Nordufer der Dreisam Weide am Dreisamufer: als Ruhestätte für Fledermäuse nutzbar Eine Bevorzugung einer der beiden Uferseiten kann nicht belegt werden. Es fällt jedoch auf, dass sich die Flugbewegungen auf der Südseite an der Baumallee und der Beleuchtung der angrenzenden Sportanlage orientieren. Auf der Nordseite der Dreisam pendeln die FlugbeweSeite 9 von 12 H.-J. Zurmöhle 30. Okt. 2012 Dreisam-Kartauswiesen Fledermäuse gungen dagegen auf einem breiteren Band nahe der Dreisam. Ein durchgängiger Baumbestand der als Leitlinie dienen könnte ist auf der Nordseite nicht vorhanden. Die Bäume sind in einer Dimension/in einem Alter, daß diese als Ruhestätten (große Spalten, Höhlen) für Fledermäuse (noch) keine Funktion besitzen. Vereinzelt in Richtung Osten finden sich zunehmend ältere Weiden (s. Foto), die Ruhezonen für spaltenbewohnende Fledermäuse (z.B. Zwergfledermaus) bieten könnten. Auf der Südseite der Dreisam befindet sich ein durchgehender, vitaler Baumbestand. Die Bäume haben auch noch nicht das Alter erreicht, um Unterschlupf (Ruhestätte) für spalten- oder höhlenwohnenden Fledermäusen bieten zu können. 4.3 Konflikte/Maßnahmenempfehlung Bei der geplanten Renaturierung der Dreisam auf der nördlichen Uferseite ist wie oben beschrieben die Zerstörung von Fortpflanzungsstätten oder/und Ruhezonen nicht zu erwarten. Die bestehenden Gehölze auf der Nordseite der Dreisam bilden noch keinen durchgängigen Trauf, der als Transferhabitat dienen könnte. Auf der Nordseite orientiert sich der Suchflug mehr an der Wasser-Böschungslinie. Darum sind Beeinträchtigungen von Transferhabitaten durch die Ausdehnung der Überschwemmungszone auf die Nordseite nicht zu erwarten. Als Jagd-Nahrungshabitat wird die offene Wasserfläche der Dreisam derzeit weniger genutzt. Die Nutzung der beiden Uferbereiche als Nahrungshabitat ist in etwa vergleichbar. Eine geringfügige Reduzierung der Nahrungshabitate wäre dann denkbar, wenn die Renaturierung innerhalb der Vegetationsperiode durchgeführt wird. Aber auch in diesem Falle ist Falle wäre zu erwarten, dass sich die Fledermäuse an der Baum-Uferstruktur der Südseite der Dreisam orientiern. Es ist ebenfalls möglich, dass sich bereits während der Bauphase durch Entwicklung von Tiefen- und Breitenvarianz des Fließgewässers die Nahrungssituation verbessert. Wird die Renaturierung im Winterhalbjahr umgesetzt (davon geht der Verfasser aus), können Auswirkungen auf die Nahrungshabitate ausgeschlossen werden. Mit der Fertigstellung des Bauvorhabens im Frühjahr ist für Fledermäuse eine Optimierung zu erwarten: • Kurzfristig: kleinräumige Änderung der Breiten- und Tiefenvarianz des Wasserlaufes und daraus resultierend eine Erhöhung von Dichte und Artenspektrum der Wasserinsekten (Verbesserung der Nahrungssituation); auch die Wasserfläche der Dreisam wird dadurch an Bedeutung als Jagdhabitat gewinnen. • Mittelfristig: bei entsprechender Entwicklung standorttypischer Gehölzstrukturen (z.B. ErlenEschenauewald) ergibt sich eine ausgeprägtere Leitlinie (Transferhabitat) als bisher. • Langfristig: bei Überalterung von Gehölzen ergeben sich Höhlen und Spalten die Potential an Fortpflanzungs- und Ruhezonen bieten. In der Übergangszeit kann diese Situation auch kurzfristig durch das Angebot von Quartieren verbessert werden. Bei alten Weiden im östlichen Bereich sollte, insoweit eine Beseitigung angedacht ist, geprüft werden, ob diese auf einem Umlauf verbleiben und auf den Stock gesetzt werden können. Eine Vernetzungslinie als Nord-Südachse, etwa mittig im Bauabschnitt (s. Karte) würde die Lebensraumsituation für Fledermäuse weiterhin verbessern. Seite 10 von 12 H.-J. Zurmöhle 30. Okt. 2012 Dreisam-Kartauswiesen Fledermäuse 5 Zusammenfassende Beurteilung Fortpflanzungs- oder/und Ruhestätten der 4 nachgewiesenen Fledermausarten sind im Eingriffsbereich der geplante Renaturierung auf der Nordseite der Dreisam nicht zu finden. Die Tötung von Fledermäusen (§ 44 (1) 1. BNatSchG) oder die Zerstörung von Ruhe- oder/und Fortpflanzungsstätten (§ 44 (1) 3. BnatSchG) kann demzufolge ausgeschlossen werden. Eine erhebliche Beeinträchtigung der Nahrungshabitate ist nicht zu erwarten. Eine erhebliche Beeinträchtigung von Wander- bzw. Transferhabitaten sowie von Winterhabitaten ist ebenfalls nicht zu erwarten (§ 44 (1) 2. BNatSchG), da entsprechende Habitatrequisiten auf der Nordseite der Dreisam nur unzureichend vorhanden sind. Eine Optimierung des Lebensraumes für Fledermäuse ist durch die geplante Renaturierung möglich. Waldkirch 30. Oktober 2012 HJZurmöhle Seite 11 von 12 H.-J. Zurmöhle 30. Okt. 2012 Dreisam-Kartauswiesen Fledermäuse Literatur BINOT, M. et al. HRSG. (1998): Rote Liste gefährdeter Tiere Deutschlands, Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz 55 (S. 87-111). Bonn Bad Godesberg: BfN. BRAUN,M. & F.DIETERLEN HRSG. (2003): Die Säugetiere Baden-Württembergs Band 1; S.687; Ulmer BURKHARD, W.-D. (1997): Fledermäuse im Thurgau-Mitt. Thrug. Naturf. Ges., 54; 172 S.; Frauenfeld DIETZ,C., HELVERSEN,O. & D.NILL (2007): Handbuch der Fledermäuse Europas und Nordwestafrikas; S.399; Kosmos. FRINAT GMBH (2012): Vorrangflächen für die Windkraftnutzung in den Gemeinden Waldkirch, Gutach und Simonswald. Änderung des Flächennutzungsplans- Artenschutzrechtliche Prüfung Fledermäuse.- Gutachten im Auftrag der Stadt Waldkirch. Freiburg. GEBHARD, J. (1995): Pipistrellus nathussii, - in: HAUSSER, J.: Säugetiere der Schweiz, Denkschriften der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaften, Bd. 103: 152-156; Basel. HÄUSSLER,U. & M.BRAUN (2004): Zur Mückenfledermaus (Pipistrellus pygmaeus) in BadenWürttemberg.- Der Flattermann 16(1):21-24. KRETZSCHMAR,F.(2002): Zur Biologie der Mückenfledermaus (Pipistrellus pygmaeus) in Südbaden.- Der Flattermann 14(2):6-9. NAGEL,A. & U.HÄUSSLER (1998): Ein Quartier des Großen Abendseglers im Jahresverlauf.Der Flattermann 10:21-23. SCHEDLER,J.(1998): Die Abendsegler von Möckmühl – Was lange währt, wird endlich gut.Der Flattermann 10:19-21. SCHMIDT, A (1978): Zum Geschlechtsdimorphismus der Rauhhautfledermaus (Pipistrellus nathusii) nach Funden im Bezirk Frankfurt/Oder. – Nyctalus, 1(1): 42-46. Siehe Karte in der Anlage Seite 12 von 12