V Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung .................................................................................................. 1 2 2.1 2.2 2.3 2.4 Gefährdung durch Tabak, Alkohol und Glücksspiel ................................. 6 Gesundheitliches Gefährdungspotential ................................................. 10 Suchtgefährdungspotential...................................................................... 11 Soziale Kosten ........................................................................................ 27 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen ........................................... 33 3 3.1 3.2 Die gesetzliche Regulierung der Werbung ............................................. 36 Internationale rechtliche Rahmenbedingungen ...................................... 36 Generelle Werbeeinschränkungen bei Tabak, Alkohol und Glücksspiel ...................................................................................... 42 Spezielle Regelungen für Tabak und Alkohol ........................................ 46 Spezielle Regelungen für das Glücksspiel .............................................. 58 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen ........................................... 82 3.3 3.4 3.5 4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 5 5.1 5.2 5.3 5.4 Auslegung der Werbeeinschränkungen bei Glücksspielprodukten durch die Gerichte................................................................................... 85 Auslegung durch die ordentliche Gerichtsbarkeit .................................. 85 Auslegung durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit ................................ 100 Rechtsfragen zum Internetwerbeverbot ................................................ 103 Verbot von Fernsehsendungen .............................................................. 105 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen ......................................... 107 5.5 5.6 Erfahrungen mit Werbeeinschränkungen .............................................. 110 Modelle und Methoden der Werbewirkungsforschung......................... 111 Werbung und Tabakkonsum.................................................................. 116 Werbung und Alkoholkonsum .............................................................. 126 Auswirkungen der Werbung auf den Umsatz bei Glücksspielprodukten ........................................................................... 136 Auswirkungen von Werbung auf gefährdete Spieler ............................ 144 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen ......................................... 155 6 Werbung im Rahmen der Kanalisierung des Spieltriebes..................... 160 Anhang .................................................................................................. 166 VI VII Abbildungsverzeichnis Tabelle 1: Prävalenz eines pathologischen Konsumverhaltens bei Alkohol, Tabak und Glücksspiel ............................................... 13 Tabelle 2: Anzahl der Nennungen der von pathologischen Spielern als problematisch erlebten Glücksspielformen und deren Rangplatz ....................................................................... 15 Tabelle 3: Prävalenz der verschiedenen Formen pathologischen Spielverhaltens................................................................................ 17 Tabelle 4: Kriterien des Mess- und Bewertungsinstruments des Wissenschaftlichen Forum Glücksspiel .......................................... 22 Tabelle 5: Gewichte für die einzelnen Kriterien.............................................. 23 Tabelle 6: Werbeverbote nach Werbemedium ................................................. 67 Tabelle 7: Ausgaben für Alkoholwerbung (ohne Sekt und Wein) in Deutschland im Jahr 2007 in Mio. € nach Werbeträgern ............. 127 VIII 1 1 Einleitung Der Gesetzgeber beschränkt die Werbung für Tabak-, Alkohol- und Glücksspielprodukte. Bei Tabak- und Alkoholerzeugnissen haben Werbeeinschränkungen eine lange Tradition. Der Konsum von Tabak, aber auch von Alkohol kann zu gesundheitlichen Schäden führen. Dies ist bei Glücksspielprodukten in der Regel nicht der Fall. Aber sowohl der Konsum von Tabak als auch von Alkohol und von Glücksspielprodukten kann zu einer Abhängigkeit führen, d. h. süchtig machen. Die neu eingeführten Werbeeinschränkungen für Glücksspielprodukte sollen der Suchtprävention dienen und sind Teil des neuen Glücksspielstaatsvertrags. Der seit Anfang 2008 gültige neue Glücksspielstaatsvertrag hat den bis dahin gültigen Lotteriestaatsvertrag abgelöst. Anlass für den neuen Glücksspielstaatsvertrag war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 zu Sportwetten. Dieses Urteil wurde zum Anlass genommen, einen einheitlichen gesetzlichen Rahmen, nicht nur für Sportwetten, sondern für alle Formen des Glücksspiels - mit Ausnahme der gewerblichen Geldspielgeräte, der Pferdewetten und der TV-Gewinnspiele - zu schaffen. Auch Casinospiele wurden in das einheitliche Regelwerk mit einbezogen. Der Glücksspielstaatsvertrag ist ein weiterer Schritt zu einer Zusammenführung der unterschiedlichen nationalen Gesetzgebung zu Glücksspielen. Diese Gesetzgebung unterscheidet sich einmal auf Ebene der Bundesländer und zum zweiten für verschiedene Formen des Glücksspiels. Der Glücksspielstaatsvertrag koordiniert diese unterschiedlichen Ebenen und integriert erstmals alle Glücksspiele, mit gewissen Ausnahmen, in einem einheitlichen Gesetzesrahmen. Der Glücksspielstaatsvertrag beschränkt die Grundrechte bzw. Grundfreiheiten der Bürger. Es besteht ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt. Mit wenigen Ausnahmen dürfen nur staatliche Anbieter Glücksspielprodukte anbieten. Dies wird mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses begründet. An erster Stelle steht hier das Ziel, das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen. Der „natürliche Spieltrieb der Bevölkerung“ soll in geordnete und überwachte Bahnen gelenkt werden, insbesondere soll ein Ausweichen auf nicht erlaubt Glücksspiele verhindert werden. Der Jugend- und Spielerschutz soll gewährleistet werden und es ist sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt werden, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt werden und die mit Glücksspielen verbundene Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt wird. 2 Sowohl die Werbeeinschränkungen bei Tabak-, Alkohol- als auch bei Glücksspielprodukten sollen der Konsumlenkung dienen. Gesundheits- und suchtpolitische Ziele sollen erreicht werden. Der vorliegende Beitrag beginnt daher mit einem Überblick über die Gefährdung der Bevölkerung durch Tabak, Alkohol und Glücksspiel. Das gesundheitliche Gefährdungspotential von Tabak und Alkohol wird dargestellt. Dann erfolgt ein Überblick über das Suchtgefährdungspotential von Tabak, Alkohol und den verschiedenen Glücksspielprodukten. Die Auswirkungen des Konsums von Tabak, Alkohol und Glücksspielprodukten auf die Allgemeinheit, die sozialen Kosten, werden untersucht. Der Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers für Werbeeinschränkungen wird durch die internationalen rechtlichen Rahmenbedingungen begrenzt. Hier ist vor allem von Interesse, ob ein staatliches Glücksspielmonopol mit einer zum Kauf anreizenden und auffordernden Werbung für Glücksspielprodukte vereinbar ist. Es zeigt sich, dass dies der Fall ist. Die generellen und die speziellen nationalen rechtlichen Werbeeinschränkungen bei Tabak, Alkohol und Glücksspielprodukten werden vorgestellt. Die gesetzliche Normierung der Werbung für Glücksspielprodukte durch den Glücksspielstaatsvertrag ist neu und die Werbeeinschränkungen, die der Glücksspielstaatsvertrag vorsieht, sind auslegungsbedürftig. Es wird die derzeitige Auslegung durch die ordentliche Gerichtsbarkeit und die Verwaltungsgerichtsbarkeit dargestellt. Auf das Werbeverbot für Glücksspielprodukte im Internet und Fernsehen wird eingegangen. Für eine fundierte gesetzliche Normierung von Werbung ist die Kenntnis der Wirkung der Werbung unerlässlich; insbesondere wenn es um die Werbung für Glücksspiel geht. Der vorliegende Beitrag stellt die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Wirkung der Werbung dar. Sowohl bei dem Konsum von Alkohol und Tabak als auch bei Glücksspiel ist die Gefahr vor­handen, abhängig zu werden. Es kann zu einem pathologischen Konsumverhalten kommen. Bei einer undifferenzierten Betrachtung liegt es nahe, das Konzept der Werbeeinschränkungen, welches für Tabak und Alkohol bereits vorhanden ist, ohne weitere Überlegungen auch auf das Glücksspiel zu übertragen. Wie in diesem Beitrag gezeigt wird, ist jedoch aus einer Reihe von Gründen eine differenzierte Betrachtung angebracht. Während die Werbeeinschränkungen bei Alkohol und Tabak vornehmlich gesundheitspolitisch begründet sind, steht bei den Werbeeinschränkungen für Glücksspiel das Ziel der Suchtprävention im Vordergrund. Da 3 jedoch nicht jedes Glücksspielprodukt ein Suchtgefährdungspotential aufweist, ist deutlich auch zwischen den verschiedenen Formen des Glücksspiels zu unterscheiden. Bei einer Beurteilung von Werbung aus suchtpolitischer Sicht ist nicht nur nach dem Suchtgefährdungspotential des jeweilig beworbenen Glücksspielproduktes zu fragen, sondern zu untersuchen, wie diese Werbung auf die Gruppe der besonders schutzbedürftigen Bürger wirkt. Die Auswirkungen von Werbung auf die Nachfrage bei Tabak und Alkohol wurden in einer ganzen Reihe von Untersuchungen empirisch untersucht. Modelle und Methoden der Werbewirkungsforschung werden kurz skizziert und das ökonomische Modell, welches den vorliegenden ökonometrischen Untersuchungen zu Grunde liegt, wird dargestellt. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen, der vorliegenden Befragungen und experimentellen Untersuchungen werden dargestellt. Während bei Alkohol und Tabak in der Regel kein oder nur ein geringer Einfluss der Werbung auf den Gesamtumsatz gefunden wurde, spricht vieles dafür, dass bei Glücksspielprodukten ein solcher Einfluss gegeben ist. Hier liegen jedoch nur wenige Untersuchungen vor. Doch nicht jeder Konsum von Glücksspielprodukten ist mit negativen gesundheitlichen Folgen verbunden, wie dies bei Tabak der Fall ist. Es ist hier, wie bei Alkohol, zwischen einem schädlichen und einem unschädlichen Konsum zu unterscheiden. Daher ist bei Alkohol und Glücksspielprodukten nicht der Einfluss von Werbung auf den Umsatz, sondern auf die gefährdeten Personen von Bedeutung. Die vorliegenden Untersuchungen zu den Auswirkungen der Werbung auf gefährdete Spieler werden ausführlich vorgestellt. Es gibt keinen direkten Zusammenhang zwischen Werbung und pathologischem Spielverhalten, doch signalisiert Werbung Verfügbarkeit. In dem vorliegenden Beitrag werden die Werbeeinschränkungen bei Produkten mit einem Suchtgefährdungspotential aus rechtlicher, ökonomischer und psychologischer Sicht untersucht. Es ist eine besonders reizvolle Aufgabe, diese drei unterschiedlichen Herangehensweisen an denselben Gegenstand, die Werbeeinschränkungen, in einer interdisziplinären Sicht zu integrieren. Die Werbeeinschränkungen, wie sie der Glücksspielstaatsvertrag vorsieht, werden vor diesem Hintergrund einer kritischen Prüfung unterzogen. Bei dieser interdisziplinären Sichtweise wird deutlich, dass die Werbeinschränkungen bei Glücksspielprodukten zu überdenken sind. Eine an wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgerichtete gesetzliche Normierung der Werbung für Glücksspielprodukte wird in Grundzügen vorgestellt. Es werden Verbesserungsvorschläge für die sachgerechte Aus- 4 richtung der Werbeeinschränkungen an den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags formuliert. Bei Glücksspiel geht der Gesetzgeber von einem „natürlichen Spieltrieb“ aus und verfolgt das Ziel, diesen „natürlichen Spieltrieb“ durch ein entsprechendes (staatliches) Angebot zu kanalisieren. In diesem Beitrag wird begründet, warum dieser Auftrag der (staatlichen) Konsumlenkung nicht nur die Verhinderung des Ausweichens auf nicht erlaubte Glücksspiele umfasst, sondern vor dem Hintergrund des Ziels der Suchtprävention auch ein Ausweichen auf Spiele mit einem hohen Suchtgefährdungspotential. Wenn von dem Auftrag des Gesetzgebers aus­ gegangen wird, den „natürlichen Spieltrieb“ zu kanalisieren, so bedeutet dies nicht nur eine Lenkung vom illegalen Spielangebot hin zu einem legalen Glücksspielangebot, sondern auch eine Lenkung von gefährlichen Formen des Glücksspiels hin zu ungefährlichen Formen des Glücksspiels. Gerade die Werbung für ungefährliche Formen des Glücksspiels kann diesem Ziel dienen. Zum Abschluss des Beitrags wird dann das Konzept im Detail vorgestellt. Dies Konzept für eine wissenschaftlich fundierte gesetzliche Normierung der Werbung für Glücksspiele baut auf dem gesetzlich vorgegebenen Auftrag der „Kanalisierung des natürlichen Spieltriebes“ und den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen zu den Auswirkungen der Werbung auf Minderjährige und gefährdete Spieler auf. Die Beschäftigung mit Werbeeinschränkungen wurde angeregt von einem Gutachten, welches im Auftrag der Nordwestdeutschen Klassenlotterie erstellt wurde. An dieser Stelle sei dem Auftraggeber ganz herzlich dafür gedankt. Dieses Buch basiert in großen Teilen auf diesem Gutachten. Eine Reihe von Personen hat mit Anmerkungen dazu beigetragen, die Überlegungen für den Leser besser verständlich zu machen. Insbesondere sei hier Frau Anne Kohl, Herrn Joachim Brückner, Herrn Ulrich Pelzer-Müller und Frau Andrea Wöhr für die sorgfältige Durchsicht des Manuskripts bzw. von Teilen und die sich hieraus ergebenden vielfältigen Anregungen gedankt. Herr Joachim Brückner hat mit einzelnen Abschnitten einer gemeinsam geplanten Veröffentlichung zu dem Kapitel 4 beigetragen und ihm gilt mein ganz besonderer Dank. Selbstverständlich ist nur der Autor für den Inhalt und die möglichen Fehler verantwortlich. In deutschen wissenschaftlichen Veröffentlichungen im Bereich der Suchtforschung wird viel Wert auf eine Erklärung der Interessenskonflikte gelegt. In ökonomischen und juristischen wissenschaftlichen Veröffentlichungen hingegen ist 5 dies nicht üblich. Als interdisziplinär arbeitender Wissenschaftler fühle ich mich der Wahrheit verpflichtet und erkläre, dass ich die Wahrheit in der vorliegenden Veröffentlichung weder verschwiegen noch unterdrückt oder gar geleugnet habe, sondern versucht habe, nach bestem Wissen und Gewissen der Findung der Wahrheit zu dienen. Der Wahrheit kann man sich nur durch eine interdisziplinäre Sichtweise nähern, so die feste Überzeugung des Autors. Dabei fühle ich mich den wissenschaftlichen Standards der Objektivität, Nachvollziehbarkeit und Transparenz verpflichtet. 6 2 Gefährdung durch Tabak, Alkohol und Glücksspiel Bei Tabak und Alkohol handelt es sich um psychoaktive Substanzen, die konsumiert werden. Obwohl Glücksspiel keine Droge ist, kann es zu einer Abhängigkeit kommen. Während bei Alkohol und Tabak von einer stoff­gebundenen Abhängigkeit gesprochen wird, spricht man bei Glücksspiel von einer nichtstoffgebundenen Abhängigkeit. Drogensucht und Glücksspielsucht sind dennoch in gewisser Weise vergleichbar.1 Das Diagnostische und Statistische Handbuch Psychischer Störungen (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders DSM) in der vierten Version (DSM-IV) definiert die Drogensucht an Hand von sieben Kriterien.2 Wenn drei (oder mehr) davon erfüllt sind, wird von einer Abhängigkeit oder Sucht gesprochen. Diese Kriterien sind: 1. Toleranzentwicklung: Steigerung der Dosis, um den gewünschten Effekt zu erreichen bzw. deutliche Verringerung des gewünschten Effekts bei fortgesetztem Gebrauch ohne Dosissteigerung; 2. Entzug: ein Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums; 3. Zwanghaftes Verhalten: ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, die Substanz zu konsumieren oder einer oder mehrere erfolglose Versuche, den Substanzkonsum zu reduzieren oder zu beendigen; 4. Verminderte Kontrollfähigkeit: Substanz wird in größeren Mengen oder über eine längere Zeitperiode gebraucht, als von der Person gewünscht; 5. Vernachlässigung von anderen Aktivitäten: fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügungen oder Interessen zugunsten des Substanzkonsums; 6. Zeitaufwand: erhöhter Zeitaufwand, um die Substanz zu beschaffen, zu konsumieren oder sich von den Folgen zu erholen; 7. anhaltender Konsum trotz Probleme: die Substanz wird anhaltend konsumiert trotz der Kenntnis oder Erfahrung eindeutig schädlicher Folgen, die durch den Substanzgebrauch verursacht oder verstärkt werden. 1 2 Eine wissenschaftliche Diskussion darüber, bei welchen Gemeinsamkeiten es sich um Analogien oder Homologien handelt, steht noch aus. Analogien sind Gemeinsamkeiten, denen keine gemeinsame Ursache zu Grunde liegt, deshalb also aus wissenschaftlicher Sicht nicht wesentliche Gemeinsamkeiten sind. Wesentliche Gemeinsamkeiten, also Homologien, sind Gemeinsamkeiten, die sich auf Grund einer evolutionär bestimmten Übereinstimmung von Merkmalen, eines gemeinsamen „Wesens“, ergeben. Vgl. zu dieser Diskussion im Kontext der Sucht Elster und Skog (1999). Vgl. hierzu ausführlich: Koob und Le Moal (2006), S. 3 ff. 7 Alle diese Symptome können in unterschiedlichem Maße vorhanden sein. Einige Personen entwickeln einen hohen Grad an Toleranz, wohingegen andere Personen einen geringeren Grad an Toleranz gegenüber derselben Substanz haben. Einige Personen haben starke Entzugserscheinungen, andere nur geringe. Einige Personen neigen zu einer starken, andere Personen zu einer geringen Vernachlässigung von Aktivitäten. Sucht kann bei unterschiedlichen Personen unterschiedliche Formen und Ausprägungen annehmen. Die Probleme, die sich durch das Verhalten ergeben, hängen entscheidend von der Umwelt ab. Für einen Alkoholiker, der auf Grund seines Berufes jeden Abend an Veran­staltungen teilnehmen muss, auf denen es dazu gehört, Alkohol zu trinken, gelten andere soziale Umweltbedingungen als für einen Steward, der auf langen Flugstrecken unterwegs ist, auf denen nicht geraucht werden darf. Auch die Kriminalisierung von bestimmten Süchten bzw. Suchtstoffen hat einen Einfluss auf die mit den obigen Kriterien definierte Sucht. Die Wahrscheinlichkeit, andere Aktivitäten zu vernachlässigen, und der mit der Drogenbeschaffung verbundene Zeitaufwand steigen durch die Kriminalisierung des jeweiligen Suchtverhaltens. So dürften Nikotinabhängige in der Regel diese Kriterien nicht erfüllen, während sie für von illegalen Drogen Abhängige einige Relevanz haben dürften. Die soziale Umwelt und die gesetzlichen Regelungen haben einen Einfluss auf die Definition von Suchtverhalten in der Gesellschaft. Das pathologische Glücksspielverhalten, die Glücksspielsucht, ist nach DSM-IV durch die folgenden zehn Kriterien definiert. Wenn fünf (oder mehr) dieser Kriterien erfüllt sind, wird von einer Glücksspielsucht gesprochen: 1. Vernachlässigung von anderen Aktivitäten: ist stark eingenommen vom Glücksspiel (z. B. starkes Beschäftigtsein mit gedanklichem Nacherleben vergangener Spielerfahrungen, mit Verhindern oder Planen der nächsten Spielunternehmungen, Nachdenken über Wege, Geld zum Spielen zu beschaffen); 2. Toleranzentwicklung: muss mit immer höheren Einsätzen spielen, um die gewünschte Erregung zu erreichen; 3. Zwanghaftes Verhalten: hat wiederholt erfolglose Versuche unternommen, das Spiel zu kontrollieren, einzuschränken oder aufzugeben; 4. Verminderte Kontrollfähigkeit: ist unruhig und gereizt beim Versuch, das Spielen einzuschränken oder aufzugeben; 8 5. Motivation: spielt, um Problemen zu entkommen oder um dysphorische Stimmung (z. B. Gefühle von Hilflosigkeit, Schuld, Angst, Depression) zu erleichtern; 6. Chasing-Verhalten: kehrt, nachdem er/sie beim Glücksspiel Geld verloren hat, oft am nächsten Tag zurück, um den Verlust auszugleichen (dem Verlust „hinterher jagen”); 7. anhaltender Konsum trotz Probleme: belügt Familienmitglieder, den Therapeuten oder andere, um das Ausmaß der Ver­strickung in das Spielen zu vertuschen; 8. anhaltender Konsum trotz Probleme: hat illegale Handlungen wie Fälschung, Betrug, Diebstahl oder Unterschlagung began­gen, um das Spielen zu finanzieren; 9. anhaltender Konsum trotz Probleme: hat eine wichtige Beziehung, seinen Arbeits­platz, Ausbildungs- oder Aufstiegs­chancen wegen des Spielens gefährdet oder verloren; 10. anhaltender Konsum trotz Probleme: verlässt sich darauf, dass andere Geld bereit­stellen, um die durch das Spielen verursachte hoffnungslose finanzielle Situation zu überwinden. Die Gemeinsamkeiten von einer Drogen-, d. h. Alkohol- oder Tabaksucht, und einer Glücksspielsucht werden deutlich. Es kommt zu einer Toleranzentwicklung und körperlichen bzw. psychischen Entzugs­symptomen. Andere Interessen und Aktivitäten werden vernachlässigt und verlieren an Reiz. Es dreht sich alles um die Sucht. Es wird weiter konsumiert, obwohl es zu Problemen kommt. Die verminderte Kontrollfähigkeit macht es nicht möglich, aufzuhören. Es besteht ein zwanghaftes Verhalten. Auch die Unterschiede werden deutlich. Bei der Definition von Glücksspielsucht bzw. pathologischem Glücksspielverhalten wird mehr Gewicht auf die auftretenden Probleme und hinter dem Verhalten stehenden Motive gelegt. Die auftretenden Probleme wie Verschuldung und illegale Geldbeschaffungsaktivitäten werden in die Definition bzw. Klassifizierung einer Glücksspielsucht mit einbezogen. Aus psychologischer Sicht wird Sucht maßgeblich durch die verminderte Kontrollfähigkeit und zwanghaftes Verhalten definiert. Die individuelle Entscheidungsfreiheit wird durch das Individuum selbst als eingeengt empfunden und dies führt zu Problemen, die das Individuum hat. Eine eingehende Analyse der DSM-IV-Kriterien aus entscheidungstheoretischer Sicht kommt zu dem Ergeb- 9 nis, dass sich eine Sucht durch drei Kriterien auszeichnet. Erstens hat die Person ein starkes Verlangen nach einer Substanz oder einem Verhalten entwickelt. Zweitens findet es die Person unangenehm, diesem Verlangen nicht nachzugeben. Drittens fällt es der Person sehr schwer und sie hat zu kämpfen, wenn die Person starke Motive hat, das Verhalten zu beenden.3 Neurobiologische Untersuchungen zeigen, dass die Unterscheidung zwischen stoff­gebun­denen und nicht-stoffgebundenen Abhängigkeiten für das neurobiologische Geschehen im Gehirn - nach gegenwärtigem Stand der Wissenschaft weitgehend bedeutungslos ist. Die­selben Gehirnregionen, die für eine Abhängigkeit von Drogen eine Rolle spielen, tun dies auch bei einem pathologischen Glücksspielverhalten (und anderen Verhaltenssüchten). Diese Regionen sind das ventral tegmentale Dopamin-System, der Nucleus accumbens, das limbische System und der frontale Kortex. Dieselben Neurotransmitter, die bei Alkohol, Tabak oder anderen Drogen eine Rolle spielen, tun dies auch bei pathologischem Glücksspiel. Dies sind vor allem Dopamin, Serotonin und Noradrenalin.4 Das Gehirn pathologischer Glücksspieler weist die gleichen Fehlfunktionen auf, die bei Substanz­abhängigen zu finden sind.5 Vereinfacht lässt sich eine Alkohol-, Tabak- oder Glücksspielsucht aus neurobiologischer Sicht folgendermaßen darstellen: Die abhängig machende Substanz oder das abhängig machende Verhalten führt zu Veränderungen in dem mesolimbischen Belohnungssystem, oder wie Ross et al. es ausdrücken, „kapert“ dieses System und sorgt dafür, dass der präfrontale Kortex das mesolimbische Belohnungssystem nicht mehr ausreichend kontrollieren kann. 6 Bei der Gefährdung durch eine Droge bzw. eine Sucht werden drei Bereiche unterschieden7: zum ersten die körperlichen Folgen des Konsums für den Süchtigen selbst, also das gesund­heitliche Gefährdungspotential, zum zweiten das Gefährdungspotential, eine Abhängigkeit zu entwickeln, also das psychische Gefährdungspotential, und drittens die Auswirkungen der Sucht auf die Familie des Süchtigen, die Gemeinschaft und die Gesellschaft, also das gesell­schaftliche Ge3 4 5 6 7 Eine ausführliche Diskussion der DSM-IV-Kriterien aus entscheidungstheoretischer Sicht ist zu finden bei Skog (2005), S. 111-140. Vgl. hierzu den Überblick von Stoehr (2006). Vgl. hierzu Böning und Grüsser-Sinopoli (2009) oder insbesondere auch Kapitel 6 in Ross et al (2008). Vgl. hierzu Kapitel 6 in Ross et al (2008). Vgl. hierzu Nutt et al. (2007). 10 fährdungspotential. Diese drei Bereiche werden in den folgenden Abschnitten für Tabak-, Alkohol- und Glücksspielprodukte dargestellt. 2.1 Gesundheitliches Gefährdungspotential Die Glücksspielsucht auf der einen Seite und die Tabak- bzw. Alkoholsucht auf der anderen Seite unterscheiden sich in Bezug auf mehrere Aspekte. Während der Tabak- und Alkohol­konsum zu körperlichen Schäden führen kann, gilt dies nicht für das Glücksspielen. Während die Tabaksucht und in geringerem Maße auch die Alkoholsucht in der Regel nicht direkt mit einem kriminellen Verhalten assoziiert sind, ist dies bei der Glücksspielsucht auf Grund der hohen Kosten für die Aufrechterhaltung der Sucht oft der Fall, ja wird sogar als konstituierend für ein pathologisches Verhalten betrachtet. Die gesundheitlichen Folgen des Tabakkonsums sind sehr gravierend. Nach einer Untersuchung von Neubauer et al. (2006) betrug im Jahr 2003 die Anzahl der Todesfälle in Deutschland, die auf das Tabakrauchen zurückzuführen sind, 114.647 Todesfälle. Die Anzahl der verlorenen Lebensjahre durch das Rauchen lag 2003 bei 1,6 Millionen Jahren.8 Weitere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Die Ergebnisse der vorliegenden Studien lassen sich derart zusammenfassen, dass in Deutschland von ca. 110.000 bis 140.000 tabakbedingten Todesfällen jedes Jahr auszugehen ist.9 Nicht ganz so gravierend sind die gesundheitlichen Folgen des Alkoholkonsums.10 Nach einer Untersuchung von Hanke und John waren im Jahr 1997 in Deutschland 167.845 (19,5%) aller 462.072 Todesfälle auf Tabakrauchen oder Alkoholkonsum zurückzuführen. Davon wurden 94.131 (10,9%) durch Tabakrauchen allein, 54.190 (6,3%) durch Tabakrauchen als auch durch Alkoholkonsum und 19.524 durch Alkoholkonsum allein verursacht. Von den tabak- und alkoholattributablen Todesursachen stellen Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit 42,9% und Krebserkrankungen mit 31,6% die größten Anteile.11 Laut Todesursachenstatistik liegt die Zahl der jährlich in Deutschland an alkoholbedingten Krankheiten Ver8 Vgl. Neubauer et al. 2006. 9 Vgl. Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS): Jahrbuch Sucht 2009, S. 16. 10��������������������������������������������������������������������������������� Vgl. zu einem ausführlichen Überblick über die Abgrenzung von schädlichem und unschädlichem Konsum an Hand von Konsumempfehlungen für Alkohol bei Bühringer et al. (2000), S. 133 ff. 11 Hanke und John (2003). Die Zahlen wurden direkt aus dem Beitrag übernommen, die Prozentangaben und die absoluten Zahlen stehen jedoch im Widerspruch zueinander. 11 storbenen bei 16.000.12 Dabei führt eine Auswertung der in der Todesursachenstatistik ausgewiesenen Todesfälle durch Alkohol auf Grund der monokausalen Erfassung der Todesursache mit großer Wahrschein­lichkeit zu einer Unterschätzung der tatsächlichen Fallzahlen. Nach Schätzungen von Konnopka und König starben im Jahr 2002 in Deutschland 48.000 Personen durch Alkohol.13 Die Glücksspielsucht hingegen hat keine direkten gesundheitlichen Folgen. In der Regel gibt es jedoch bei den pathologischen Spielern eine polyvalente Abhängigkeit, wobei die Abhängigkeiten von Alkohol und Nikotin die wichtigste Rolle spielen. Die für Deutschland vorliegenden Untersuchungen kommen zu Angaben für den Anteil pathologischer Spieler, die einen problematischen Alkoholkonsum haben bzw. eine Alkoholabhängigkeit aufweisen, in dem Bereich von 25% bis 50%. Etwa 60% der pathologischen Spieler weisen eine Nikotinabhängigkeit auf.14 2.2 Suchtgefährdungspotential Auch das Gefährdungspotential, eine Abhängigkeit zu entwickeln, also das Sucht­gefährdungs­potential, ist bei Tabak, Alkohol und Glücksspiel unterschiedlich. Nach den Ergebnissen des Mikrozensus 2005 sind 27,2% der Bevölkerung von 15 oder mehr Jahren Raucher bzw. Raucherinnen.15 Hiervon sind 85% regelmäßige und 15% gelegentliche Raucher bzw. Raucherinnen. Nach dem Epidemiologischen Suchtsurvey (Epidemiological Survey of Substance Abuse, ESA) 2006 sind 31,8% der deutschen Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren Raucher, d. h. haben in den letzten 30 Tagen geraucht. Die Abhängigkeit von Nikotin wurde für den Zeitraum der letzten 12 Monate nach den Kriterien des DSM-IV erfasst. In der Gesamtstichprobe zeigten 7,3% eine Abhängigkeit nach DSM-IV und unter den Rauchern waren es 21,7%.16 In zwei weiteren deutschen Studien der erwachsenen Allgemein­bevölkerung fanden sich mit 11% bzw. 9% etwas höhere Prävalenzraten der Nikotinabhängig­keit nach DSM-IV.17 Eine Prävalenzrate von 12 13 14 15 16 17 Statistisches Bundesamt (2007), zitiert nach Pabst und Kraus (2008), S. S37. Zitiert nach Pabst und Kraus (2008), S. S37. Vgl. im Detail Becker (2009): Glücksspielsucht in Deutschland, S. 18 ff. Zitiert nach Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS): Jahrbuch Sucht 2009, S. 14. Vgl. Baumeister et al. (2008). Vgl. zu diesen beiden anderen Studien Baumeister et al. (2008), S. S32. 12 7%-11% bedeutet 3,7 Millionen bis 5,8 Millionen erwachsene Bundesbürger mit einer Nikotinabhängigkeit. Im Jahr 2007 wurden pro Kopf der Bevölkerung 112 Liter Bier, 24 Liter Wein und Schaum­wein und sechs Liter Spirituosen (inkl. Spirituosen-Mischgetränke umgerechnet auf einen durch­schnittlichen Alkoholgehalt von 33 Vol.%) getrunken. Dies entspricht je Einwohner 10 Litern an reinem Alkohol.18 Nach dem Epidemiologischen Suchtsurvey weisen 7,9% der deutschen Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren einen riskanten Konsum, 2,4% einen gefährlichen Konsum und 0,4% einen Hochkonsum auf.19 Nach den DSM-IV-Kriterien sind 2,4% der deutschen Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren alkoholabhängig.20 Eine Prävalenzrate von 2,4% bedeutet 1,3 Millionen alkoholabhängige Personen in der erwachsenen Bevölkerung. Die unterschiedlichen Formen des Glücksspiels haben eine unterschiedliche Verbreitung. Nach den vorliegenden Befragungen nehmen etwa 40% bis 50% der erwachsenen Bevölkerung mehr oder weniger regelmäßig an Lotterien teil. Etwa 4% bis 7% der Bevölkerung haben in der letzten Zeit an Geldspielautomaten in Gaststätten, Spielhallen oder Casinos gespielt. Auch bei Casinospielen ist davon auszugehen, dass etwa 3% bis 6% der Bevölkerung diese in der letzten Zeit gespielt haben und bis zu 18% der Bevölkerung gelegentlich im Casino gespielt haben. An Sportwetten dürften 4% bis 10% der erwachsenen Bevölkerung mehr oder weniger regelmäßig teilnehmen.21 Die bisher vorliegenden Schätzungen für die Verbreitung der Glücksspielsucht in Deutsch­land nach den DSM-IV-Kriterien liegen im Bereich von 0,18% bis 0,56%. Nach dem Epidemiologischen Suchtsurvey liegt im Jahr 2006 die Prävalenzrate für pathologisches Glücksspiel in der Bevölkerung bei 0,18% und die Prävalenzrate für problematisches Spielverhalten bei 0,27%.22 Wenn eine 18 Vgl. Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS): Jahrbuch Sucht 2009, S. 7. 19������������������������������������������������������������������������������������� Ein riskanter Konsum bei Männern entspricht 30-60 g Reinalkohol pro Tag und bei Frauen 20-40 g Reinalkohol pro Tag. Ein gefährlicher Konsum entspricht bei Männern 60120 g Reinalkohol pro Tag und bei Frauen 40-80 g Reinalkohol pro Tag. Ein Hochkonsum entspricht bei Männern mehr als 120 g Reinalkohol pro Tag und bei Frauen mehr als 80 g Reinalkohol pro Tag. Ein Liter Bier mit 4,8 Vol.% entspricht einer Alkoholmenge von 38,1 g. Ein Liter Wein mit 11 Vol.% entspricht einer Alkoholmenge von 87,3 g. 20 Vgl. Pabst und Kraus (2008). 21 Vgl. Becker (2007). 22 Vgl. im Detail Becker (2009): Glücksspielsucht in Deutschland. 13 Prävalenzrate von 0,18% bis 0,56% unterstellt wird, so bedeutet dies bei einer Bevölkerung von 52.616.837 Bundesbürgern zwischen 18 Jahren und 65 Jahren23 eine Prävalenz von 94.235 bis 296.674 pathologischen Spielern.24 Tabelle 1: Prävalenz eines pathologischen Konsumverhaltens bei Alkohol, Tabak und Glücksspiel „Substanz“ Prävalenzrate Prävalenz Tabak 7-11% 3,7 bis 5,8 Mio. Alkohol 2,4% 1,3 Mio. Glücksspiel 0,18-0,56% 0,1 bis 0,3 Mio. Quelle: Eigene Zusammenstellung Die vorliegenden epidemiologischen Untersuchungen verdeutlichen, dass das Sucht­gefähr­dungs­potential, gemessen an der Anzahl der Personen, die nach den DSM-IV-Kriterien abhängig bzw. süchtig sind, bei Tabak am höchsten ist, gefolgt von Alkohol und dann mit einigem Abstand Glücksspiel. Es gibt in Deutschland etwa 3,7 bis 5,8 Millionen Nikotin­süchtige, 1,3 Millionen Alkoholsüchtige und 0,1 bis 0,3 Millionen Glücksspielsüchtige. Dies bedeutet, dass auf einen Glücksspielsüchtigen etwa fünf bis 10 Alkoholsüchtige und 15 bis 60 Nikotinsüchtige kommen. Bei Alkohol- und Tabaksucht handelt es sich um stoffgebundene Süchte. Eine Unter­scheidung zwischen einer Bier-, Wein- oder Schnapssucht ist hier weniger von Bedeutung. Dasselbe gilt für eine Unterscheidung nach dem Nikotingehalt bei den verschiedenen Zigarettenmarken. Bei Glücksspiel hingegen ist jedoch das Suchtgefährdungs­potential der verschiedenen Formen des Glücksspiels ganz unterschiedlich ausgeprägt. Es handelt sich hier um eine Verhaltenssucht und dementsprechend ist hier nicht der Alkohol- oder Nikotingehalt relevant, sondern das jeweilige Verhalten. Von diesem besteht eine Abhängigkeit und dieses ist bei unterschiedlichen Glücksspielen ganz unterschiedlich. Dies wird aus der Analyse der Klientendaten ersichtlich. 23 Statistisches Bundesamt (2005), S. 42. 24 Vgl. im Detail Becker (2009): Glücksspielsucht in Deutschland. 14 In einer Untersuchung von Meyer und Hayer25 wurde ein Kurzfragebogen an die ambulanten und stationären Versorgungseinrichtungen im Bundesland Nordrhein-Westfalen geschickt, mit der Bitte, diesen Fragebogen beim Erst- oder Zweitkontakt an alle vorstellig werdenden Klienten zu verteilen. Der Untersuchungszeitraum erstreckte sich von Mitte 2002 bis Ende 2004. In der Mehrheit stammten die zurückgeschickten Fragebögen aus der ambulanten Spielerversorgung (62%), bzw. aus Schwerpunktberatungsstellen (26,6%). Nur 11,5% kamen aus stationären Versorgungseinrichtungen. Es wurde nach den problembehafteten Glücksspielformen gefragt. Eine Liste mit 16 verschiedenen Glücksspielformen wurde zum Ankreuzen vorgegeben. Mehrfachnennungen waren möglich. Es nahmen 44 Versorgungseinrichtungen teil und 495 Fragebögen wurden ausgefüllt zurückgesandt. Einige Fragebögen wurden nicht vollständig ausgefüllt. Aus diesem Grund schwanken die in die Berechnung einfließenden Fälle. In dem Fragebogen von Meyer und Hayer wurden nicht nur die problembehafteten Glücksspielformen abgefragt, sondern auch deren jeweiliger Stellenwert. Die Bildung einer Rangreihe der als problembehaftet wahrgenommenen Glücksspielformen kann als Indikator für die relative Bedeutung einer Glücksspielform im Rahmen der Entwicklung glücksspielbezogener Probleme gewertet werden. Es zeigt sich, dass ein verschwindend geringer Anteil der pathologischen Spieler die Lotterien generell und insbesondere die Klassenlotterien als Hauptproblem empfinden. Bei Lotto „6 aus 49“ sind dies vier der 466 befragten pathologischen Spieler und bei Klassenlotterien nur einer der 466 befragten pathologischen Spieler. Diese Person hat alle Lotterien als problematisch angekreuzt. Selbst auf dem zweiten oder einem geringeren Rangplatz sind Klassenlotterien nur einmal zu finden. Fernsehlotterien werden von keinem einzigen der 466 pathologischen Spieler als problematisch empfunden. Bei Fernseh- und Klassenlotterien kann davon ausgegangen werden, dass kein signifikantes Suchtgefährdungspotential besteht. Bei der Lotterie „6 aus 49“ besteht ein unbedeutendes Suchtgefährdungspotential. 25 Meyer und Hayer (2005). 15 Tabelle 2: Anzahl der Nennungen der von pathologischen Spielern als problematisch erlebten Glücksspielformen und deren Rangplatz Geldspielautomaten Glücksspielautomaten Roulette/Black Jack Karten-/Würfelspiele um Geld ODDSET-/Top-Wette Lotto „6 aus 49“ Sonstige illegale Glücksspiele Sportwetten in privaten Wettbüros Pferdewetten bei Galopp-/ Trabrennen Spiel 77/Super 6/ Glücksspirale Börsenspekulationen Rubbellotterien Toto Glücksspiele im Internet Gewinn-/PS-Sparen Klassenlotterien Restliche Nennungen Gesamt Rangplatz 1 296 63 29 Rang- Rang- Rang- Rang- RangGesamt platz 2 platz 3 platz 4 platz 5 platz 6 31 10 4 1 342 34 11 5 2 115 25 11 2 3 70 8 25 18 12 3 1 67 13 4 19 13 13 5 3 5 1 2 1 1 50 30 4 1 4 2 12 1 18 1 18 1 8 3 6 8 6 1 2 1 1 3 1 6 1 3 1 1 29 5 2 2 2 3 2 4 1 1 3 1 2 3 18 1 4 10 9 11 8 4 2 56 466 186 97 1 3 1 1 3 1 1 48 19 12 Quelle: Meyer und Hayer (2005), S. 89. Vor allem die Spiele, die deutlich häufiger auf dem ersten Rangplatz als auf späteren Rangplätzen gesetzt werden, sind als gefährliche Glücksspiele einzuordnen. Dies gilt an erster Stelle für die Geldspielautomaten, dann für Glücksspielautomaten und in geringerem Umfang auch für Roulette/Black Jack und Sportwetten. Wenn eine bestimmte Glücksspielform von einem pathologischen Spieler nicht als problematisch empfunden wird, so dürfte dies erst Recht für die Werbung für dieses Glücksspiel gelten. Wenn nur einer von 466 pathologischen Spielern 16 Klassenlotterien als sehr problematisch empfunden hat, so dürfte maximal dieser eine pathologische Spieler auch die Werbung hierfür als problematisch empfinden. Hier stellt sich dann die detektivische Frage, ob dieser eine Klient die Werbung als „Trigger“ wahrnimmt. Nur wenn dies auch der Fall sein sollte, gäbe es überhaupt eine mögliche Rechtfertigung für Werbeeinschränkungen bei Klassenlotterien. Dieselbe Argumentation gilt auch für die Handvoll von pathologischen Lottospielern. Diese Argumentation verdeutlicht, dass ein faktisches Werbeverbot für Lotterien, wie es derzeit gültig ist, unverhältnismäßig ist.26 Nach Hochrechnungen auf Grund der Suchthilfestatistik für das Jahr 2006 ergibt sich eine Zahl von 4.362 Patienten, die mit der Diagnose pathologisches Glücksspiel in ambulanten und stationären Einrichtungen in Deutschland in Behandlung sind.27 Auf Grund epidemiologischer Studien liegt die Häufigkeit, die Prävalenz, pathologischen Glücksspiels in der erwachsenen deutschen Bevölkerung bei 87.000 bis 287.000 Personen.28 In der Regel sind die Klienten, die sich auf Grund ihrer Glücksspielsucht in ambulante oder stationäre Behandlung begeben, von den Geld- oder Glücksspielautomaten abhängig. Obwohl Lotterien in der Bevölkerung eine große Verbreitung haben, mit der von Alkohol oder Tabak durchaus vergleichbar, dürfte es nur ganz wenige Personen in Deutschland geben - zwischen 400 und 1.500 Personen in der erwachsenen Bevölkerung - die ein pathologisches Spielverhalten bei Lotto aufweisen. Diese Hochrechnungen basieren auf einer Befragung von 39 Einrichtungen und einer Stichprobe von 1.724 Klienten mit der Diagnose pathologischen Glücksspiels in Behandlung. Von diesen 1.724 pathologischen Glücksspielern haben 1.221 ein pathologisches Spielverhalten bei Geldspielgeräten und 202 bei Glücksspielautomaten. Bei der Lotterie „6 aus 49“ hatten im Vergleich dazu nur neun Klienten, auf denen die Hochrechungen basieren, ein pathologisches 26 Dies bedeutet nicht, dass ein staatliches Monopol für Lotterien unverhältnismäßig wäre. Die seit Jahrzehnten von den staatlichen Anbietern angebotenen Lotterien zeichnen sich auf Grund ihres Designs durch ein sehr geringes Suchtgefährdungspotential aus. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass es sich hier um einen staatlichen monopolistischen Anbieter handelt. Ein privater Anbieter hätte sicherlich für Produktinnovationen gesorgt, die sich durch ein hohes Suchtgefährdungspotential auszeichnen würden. Vgl. hierzu ausführlich Becker (2009): Monopol, Lizenzlösung oder Liberalisierung aus ökonomischer Perspektive, S. 103 ff. 27 Vgl. Sonntag et al. (2007), S. S7-S41 und S42-S64. 28 Vgl. zu den vorliegenden epidemiologischen Studien und den Angaben im Detail: Becker (2009): Glücksspielsucht in Deutschland. 17 Spielverhalten und bei Klassenlotterien nur zwei von den 1.724 pathologischen Spielern. Es gab keinen einzigen pathologischen Spieler bei den Fernsehlotterien. Es kann zu Recht bei Fernseh- und Klassenlotterien von einem nicht vorhandenen Suchtgefährdungspotential und bei der Lotterie „6 aus 49“ von einem nicht signifikanten Suchtgefährdungspotential gesprochen werden. Diese Zahlen machen deutlich, dass sich das Suchtgefährdungspotential der verschiedenen Formen des Glücksspiels sehr von einander unterscheidet und von nicht vorhanden bis zu sehr stark reicht. Aber selbst bei den beiden gefährlichsten Formen des Glücksspiels zusammen, den Geld- und Glücksspielautomaten, gibt es deutlich weniger Personen mit einem pathologischen Konsumverhalten, als bei Alkohol oder gar bei Tabak. Tabelle 3: Prävalenz der verschiedenen Formen pathologischen Spielverhaltens Form des Glücksspiels Geldspielautomaten in Spielhallen/ Gaststätten Glücksspielautomaten in Spielbanken Sportwetten (Wettbüros, Internet) Roulette Poker (Karten- und Würfelspiele) ODDSET Kombi-/TOP-Wette Pferdewetten Zahlenlotto „6 aus 49“ Rubbellose Toto-/Auswahl-/13er-Wette Klassenlotterie (SKL/NKL) SUMME Anzahl der abhängigen Personen in der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland 60.196 bis 204.705 9.945 bis 33.821 5.932 bis 20.174 5.060 bis 17.207 3.141 bis 10.680 1.396 bis 4.747 523 bis 1.780 436 bis 1.483 349 bis 1.187 174 bis 593 87 bis 297 87.240 bis 296.674 Quelle: Becker (2009): Glücksspielsucht in Deutschland, S. 68. Eine Einschätzung des Gefährdungspotentials verschiedener Glücksspielformen ergibt sich auch durch die Beurteilung der strukturellen und situationalen Merkmale von Glücksspiel­produkten. In der Literatur gibt es verschiedene Kriterien, 18 die zur Bestimmung des Gefährdungspotentials herangezogen werden können. Die Zahl der relevanten Kriterien schwankt. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung führt die folgenden sieben Kriterien auf und erläutert diese:29 • • • • • • Schnelle Spielabfolge: Je schneller ein Spiel ist, desto schneller kann die gewünschte „Wirkung“ erzielt werden. Das Ergebnis ist bei schnellen Spielen innerhalb von Sekunden präsent. Abhängige Spielende wählen hauptsächlich Spiele mit einer schnellen Spielabfolge aus. Auszahlungsintervall: Das Auszahlungsintervall, also die Zeitspanne zwischen Anfang und Ende des Spiels, hängt mit der schnellen Spielabfolge zusammen: Ist das Auszahlungsintervall kurz, können die Spielenden direkt nach dem Ergebnis über den Gewinn verfügen. Sie können den Gewinn sofort wieder in ein neues Spiel investieren. Haben sie verloren, dauert die Frustration darüber nicht lange, denn sie können sofort weiter spielen und setzen darauf, im nächsten Spiel zu gewinnen. Aktive Einbeziehung des Spielers: Durch Stopp-Tasten an Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit oder bei Kartenspielen haben die Spielenden den Eindruck, aktiv ins Spielgeschehen einbezogen zu sein und es somit beeinflussen zu können. Auch bei Live-Wetten erfolgt eine Einbeziehung des Spielers. Verbindung mit anderen Interessen: Die Verbindung mit allgemein anerkannten Freizeitinteressen, insbesondere bei Sportwetten, kann schnell zu einer Verharmlosung des Glücksspiels führen. Gleichzeitig erhöhen die eigenen Interessen den Spielanreiz, wenn man z. B. Sportereignissen schon immer nahe stand und meint, aufgrund von speziellem Insiderwissen besondere Gewinnchancen zu haben. Gewinnchancen und -höhe, Fast-Gewinne, Art des Einsatzes: Die Höhe der möglichen Gewinne, beispielsweise ein besonders hoher Jackpot beim Lotto-Spiel, schafft einen zusätzlichen Spielanreiz. Häufige Fast-Gewinne verstärken die Erwartung, beim nächsten Spiel zu gewinnen. Die Einsatzmöglichkeiten, beispielsweise kleinere Geldbeträge oder Geldersatzmittel wie Jetons oder auch das Zahlen mit Kreditkarten, senken die Hemmschwelle, immer wieder Einsätze zu tätigen, die sich am Ende zu größeren Beträgen summieren. Ton-, Licht- und Farbeffekte, Atmosphäre: Bestimmte Signale, besonders das Zusammenwirken von Licht- und Toneffekten an Geldspielautomaten 29 Vgl. http://www.spielen-mit-verantwortung.de/gluecksspiele/gefahrenpotential/ Der Text wurde weitgehend wörtlich übernommen. 19 • • mit Gewinnmöglichkeit, lösen bei Glücksspielsüchtigen den unbezwingbaren Drang aus, zu spielen. Die besondere Atmosphäre z. B. in einem Casino oder auf der Pferderennbahn vermittelt das Gefühl von Aktivität, Spaß und Freizeitvergnügen und regt zum Spielen an. Leichte Verfügbarkeit: Je leichter ein Glücksspiel verfügbar ist, umso mehr erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen es vermehrt benutzen. Die leichte Verfügbarkeit ist eine problematische Situation, die abstinente Glücksspieler als besonders schwierig beschreiben. Das Wissenschaftliche Forum Glücksspiel führt zwölf Kriterien auf und begründet diese Kriterien.30 Diese werden hier in den folgenden zehn Kriterien zusammengefasst. • Ereignisfrequenz und Auszahlungsintervall: Die Ereignisfrequenz bezeichnet die Zeitspanne zwischen dem Einsatz, der Gewinnauszahlung und der Entscheidung zum nächsten Einsatz. Mit der Ereignisfrequenz eng verbunden ist das Auszahlungsintervall. Aufgrund der Prinzipien der Konditionierung birgt eine rasche Ereignisfrequenz ein hohes Gefährdungspotential in sich. Je schneller die Spielabfolge, desto größer sind die psychotropen Wirkungen eines Spiels. Psychotrope Wirkungen umfassen den „Nervenkitzel“, der sich aus der Mischung von euphorischer Hoffnung auf Gewinn und der Angst vor Verlust ergibt. Eine kurze Zeitspanne zwischen Einsatz und Spielergebnis bzw. Gewinnauszahlung hat eine stärker belohnende Wirkung als ein lang gestreckter Spielablauf, bei dem Gewinne erst Tage später den Spieler erreichen. Ein kurzes Auszahlungsintervall ermöglicht zudem eine umgehende Reinvestition des Geldes in den Glücksspielkreislauf. Eine hohe Ereignisfrequenz macht es einem Spieler schwerer, einen gewissen Abstand zu dem Spielgeschehen zu bekommen. Bei einer geringen Ereignisfrequenz hingegen bekommt der Spieler die Möglichkeit, in den Spielpausen einen Abstand zu dem Spielgeschehen zu entwickeln. Wenn die Auszahlung kurz nach dem Eintritt des Ereignisses stattfindet, ist der Anreiz, den Gewinn sofort wieder zu investieren, relativ hoch. Wenn hingegen die Gewinnauszahlung sehr zeitverzögert stattfindet, besteht bei einem langen Auszahlungsintervall, wie bei einer geringen Ereignisfrequenz, für den Spieler die Möglichkeit, eine emotionale Distanz zu entwickeln. 30 Vgl. Wissenschaftliches Forum Glücksspiel (2008). Die dortige Argumentation wurde hier weitgehend wörtlich mit einigen Kürzungen übernommen. 20 • • • • Grad der Interaktivität: In einzelnen Spielen ist der Spieler aktiv bzw. emotional einbezogen. Dies gilt z. B. für Geldspielautomaten durch das Drücken auf Stopp- und Starttasten sowie beim Roulette. Die aktive Einbeziehung, die auch emotional sein kann (z. B. bei Sportwetten), erhöht die Spannung und den Nervenkitzel. Unabhängig vom Ausgang des Spiels erfährt der Teilnehmer einen positiven Effekt auf sein psychisches Erleben. Die persönliche Beteiligung ist bei solchen Glücksspielen besonders hoch, bei denen der Spieler direkt am Spielgeschehen beteiligt ist, etwa bei den Kartenspielen, aber auch bei Geldspielautomaten und Roulette. Förderung der Kontrollüberzeugung: Bei einigen Spielen kann die aktive Einbeziehung des Spielers in den Spielablauf dazu führen, dass ein Gefühl der Einflussnahme auf den Spielausgang ausgeprägt wird. Vermeintlich erfolgreiche Strategien können auf eigene Kompetenzen zurückgeführt werden. Die aktive Einbeziehung des Spielers in den Spielablauf, eine Vielzahl von Auswahlmöglichkeiten sowie eine längere gedankliche Beschäftigung mit der Materie führen zu der subjektiven Überzeugung, durch eigene Kompetenz die Wahrscheinlichkeit eines Gewinns erhöhen zu können. Es entsteht eine illusionäre Kompetenz- oder Kontrollüberzeugung. Einsatz und Gewinnstruktur: Ein breites Spektrum an Einsätzen (z. B. Multi-Line-/Multi-Coin-Spielfeature) gewährleistet, dass durch höhere Einsätze erlittene Verluste (vermeintlich) wieder wettgemacht werden können. Dies steigert den Spielanreiz gerade für pathologische Spieler („Chasing“). Ein variables Spektrum an Gewinnchancen erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass weiter gespielt wird. Fast-Gewinne steigern den Anreiz, weiter zu spielen. Wenn der Gewinn greifbar nahe ist, nur um Haaresbreite verfehlt wurde, ist der Anreiz, weiter zu spielen, größer, als wenn der Gewinn in weite Ferne gerückt ist. Je klarer die Kenntnis der objektiven Gewinn- und Verlustwahrscheinlichkeiten und vor allem die Kenntnis der Ausschüttungsquote bei einem Glücksspiel, desto weniger Spielraum bleibt für kognitive Irrtümer und damit für pathologisches Spielverhalten. Sozialer Kontext: Gruppendynamische Prozesse - z. B. das gemeinschaftliche Wetten am Stammtisch, als Mitglieder der Fangruppe eines Sportvereins oder Tippgemeinschaften beim Lotto - können das Wettverhalten verstärken. Pathologische Spieler können durch häufiges Spielen und damit verbundenen Gewinnen versuchen, Anerkennung zu erlangen. Verluste werden verdrängt und verschwiegen, Gewinne werden erinnert und lautstark verkündet und betont. Dies bedingt in der Regel häufiges Spielen bzw. hohe Einsätze. Hier wäre zu ergänzen, dass der soziale Kontext auch eine gewisse soziale Kontrolle ausüben kann. So kann die soziale Ansprache auf ein zwanghaftes 21 • • • • Verhalten eine eigene Kontrolle dieses Verhaltens unterstützen. Somit ist das Vorzeichen dieser Variablen nicht eindeutig positiv oder negativ. Eine differenzierte Betrachtung ist angebracht. Aus diesem Grund wird als weiteres Kriterium die Anonymität definiert: Bei einigen Spielformen steigt das Gefährdungspotential mit dem Grad der Anonymität des Spielens. Da das Spielen nicht beobachtet werden kann, steigt das Gefühl der Kontrolle darüber. Soziale Kontrolle kann moderierend wirken, wenn aufgrund der Umgebungsfaktoren die Exzessivität des Spielverhaltens abnimmt. Die Unterscheidung in positiven (sozialer Kontext) und negativen (Anonymität) sozialen Spielbedingungen versucht der Komplexität der sozialen Einflüsse auf das Spielverhalten gerecht zu werden. Vermarktung und Jackpot: Diese beiden Kriterien sollen hier nicht getrennt werden. Sie gehören zusammen, da ein hoher Jackpot und insbesondere die damit verbundene hohe Aufmerksamkeit in den Medien vor allem als Teil der Vermarktung zu betrachten sind. Ein hoher planmäßiger Jackpot erhöht auch die Ausschüttungsquote, steigert die Attraktivität der Spielteilnahme, verändert die Gewinnstruktur und ist damit auch ein Teil der Einsatz- und Gewinnstruktur. Verfügbarkeit: Die Verfügbarkeit eines Glücksspiels steht in direkter Verbindung mit einer vermehrten Nachfrage und einer erhöhten Auftretenswahrscheinlichkeit problematischen Spielverhaltens bei entsprechend anfälligen Personen. Zu berücksichtigen sind auch die Distributionswege. D. h.: Ist das Angebot an einzelne Orte oder Zeiten gebunden? Gibt es ein breites Netz an Vertriebsstellen? Werden Direktwurfsendungen oder Emailing-Aktionen betrieben? Besonders problematisch ist eine 24-Stunden-Verfügbarkeit von Online-Spielen, deren Nutzung zudem kaum kontrollierbar ist. Sensorische Produktgestaltung: Glücksspiele treten dem Konsumenten nicht in gleicher Form gegenüber. Einzelne Glücksspiele erscheinen wie Wunderwerke in Bezug auf Ton-, Licht- und Farbeffekte (z. B. Geldspielautomaten). Sie vermitteln das Gefühl von Vergnügen und Aktivität. Gewinne werden von Ton- und Lichtabfolgen begleitet und fördern so die Spielintensität. Diese sensorischen Stimuli wirken als Konditionierung. So berichten pathologische Glücksspieler, dass bestimmte Melodien, die mit bestimmten Geldspielautomaten bzw. den Gewinnen an diesen Geldspielautomaten verbunden werden, einen beinahe magischen Reiz auf sie ausüben. Hier wäre zu ergänzen, dass zwischen einem „Trigger“, einem Auslöser, der einen kaum zu widerstehenden Zwang zum Spielen auf einen Spieler mit spielbedingten Problemen ausübt, und einem „Cue“, einem Stichwort, welches kognitive 22 • und emotionale Assoziationen (auch) für einen unproblematischen Spieler mit sich bringt, zu trennen ist. Die Wahrnehmung von Melodien von Geldspielautomaten als „Trigger“ ist durch Berichte von pathologischen Spielern belegt. Art des Zahlungsmittels: Die Verwendung von Jetons (Roulette), der Einsatz von Token (z. B. Münzautomaten) oder der virtuelle Einsatz per Kreditkarte verschleiern das Wertesystem, beeinträchtigen das Urteilsvermögen des Spielers und senken die Hemmschwelle für die Teilnahme am Glücksspiel. Verluste werden geringer eingeschätzt und es wird risikoreicher gespielt. Der Spieleinsatz verliert seinen Geldcharakter. Vor allem bei Online-Spielen führt der Einsatz von elektronischem Geld bzw. die Möglichkeit, auf Kreditbasis zu spielen, zu einer tendenziell höheren Gefährdung. Problematisch ist auch die Verdunkelung der finanziellen Belastung durch Punktesysteme. Tabelle 4: Kriterien des Mess- und Bewertungsinstruments des Wissenschaftlichen Forum Glücksspiel Kriterium 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. Ereignisfrequenz Grad der Interaktivität Förderung der Kontrollüberzeugung Einsatz Gewinnstruktur Sozialer Kontext Anonymität Vermarktung Verfügbarkeit Jackpot Sensorische Produktgestaltung Art des Zahlungsmittels Quelle: Wissenschaftliches Forum Glücksspiel (2008), S. 1-11. Im Gegensatz zu den anderen Kriterienkatalogen wurde das Messinstrument des Wissenschaftlichen Forum Glücksspiel auf Reliabilität und Validität getestet. Hierfür wurden Normalspieler (N = 200), Problemspieler (N = 300) und Anbieter (N = 100) nach der subjektiven Einschätzung des Suchtgefährdungspotentials der einzelnen Glücksspielformen und der Bedeutung der 12 Kriterien für das Sucht- 23 gefährdungspotential befragt. Die Messskala für das Suchtgefährdungspotential basierend auf den 12 Kriterien weist gute Reliabiliäts- und Validitätskennwerte auf. Die Gewichte für die einzelnen Kriterien wurden auf Grund des jeweiligen Mittelwert, Median und Modus erhoben. Die Vermarktung, also auch die Werbung, erhält von den Befragten die geringste Gewichtung und damit die geringste Bedeutung für die Erklärung des Suchtgefährdungspotentials einer Glücksspielform und steht von allen Kriterien an letzter Stelle. Bei den Kriterien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung wird die Vermarktung oder Werbung gar nicht als Kriterium aufgeführt. Tabelle 5: Gewichte für die einzelnen Kriterien Gesamtstichprobe Mittelwert Kontrollüberzeugung 2,42 Ereignisfrequenz 2,34 Einsatz 2,33 Interaktivität 2,20 Gewinnstruktur 2,07 Produktgestaltung 2,07 Verfügbarkeit 2,03 Jackpot 2,02 Anonymität 1,99 Zahlungsmittel 1,95 Sozialer Kontext 1,60 Vermarktung 1,60 Median 3 3 2 2 2 2 2 2 2 2 1 1 Modus 3 3 3 3 3 3 2 3 1 1 1 1 Gewicht 3 3 2 2 2 2 2 2 2 2 1 1 Quelle: Wissenschaftliches Forum Glücksspiel: Mess- und Beurteilungsinstrument zur Bewertung des Gefährdungspotentials von Glücksspielprodukten. Präsentation der Endergebnisse am 3. Februar 2009 in Bonn. Wenn die einzelnen Glücksspielprodukte entsprechend diesen Kriterien und Gewichten bewertet werden, so entspricht dieses der Rangfolge, die aus den empirischen Untersuchungen bekannt ist. 24 Beutel und Mörsen haben die teststatistische Güte der zwölf Merkmalskriterien getestet.31 Auf Grund der Ergebnisse dieser Studie ergibt sich folgende Rangreihe der einzelnen Glücksspielformen (Skalenwert) in Bezug auf das Suchtgefährdungspotential: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. Glücksspielautomaten Geldspielautomaten Online-Poker Live-Sportwetten Roulette Sportwetten mit festen Quoten Lotto „6 aus 49“ Rubbellose Klassenlotterie Fernsehlotterie In einer Delphi-Studie gehen Meyer und Häfeli von leicht veränderten Merkmalskriterien aus32 und kommen zu dieser Rangreihung der einzelnen Formen des Glücksspiels in Bezug auf das Suchtgefährdungspotential: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. Geldspielautomaten Glücksspielautomaten Roulette Sportwetten (Live-Wetten im Internet) Poker im Internet Sportwetten (Festquoten) Rubbellose Lotto „6 aus 49“ Klassenlotterie Fernsehlotterie 31������������������������������������������������������������������������������������ Siehe Folien der Präsentation von Manfred Beutel und Chantal Mörsen auf der Vorstellung des Assessment Tool to measure and Evaluate the Risk potential of Gambling products (AsTERiG) auf der Präsentation der Endergebnisse am 3. Februar 2009 in Bonn. 32 Siehe Folien der Präsentation von Gerhard Meyer und Jörg Häfeli auf der Vorstellung des Assessment Tool to measure and Evaluate the Risk potential of Gambling products (AsTERiG) auf der Präsentation der Endergebnisse am 3. Februar 2009 in Bonn. 25 Allen Studien gemeinsam ist es, dass Geld- und Glücksspielautomaten an erster Stelle stehen. Das Gefährdungspotential von Casinospielen, Poker und Sportwetten ist in etwa vergleichbar hoch. Das von Lotterien hingegen ist sehr gering bzw. nicht signifikant vorhanden. Auf Grund des Mess- und Beurteilungsinstruments des Wissenschaftlichen Forums Glücksspiel werden die Lotterie „6 aus 49“ und die Klassen- und Fernsehlotterien als unbedenklich mit der Farbe Grün eingestuft. Mit der Suchtgefährdungsklasse „Gelb“ wird Oddset versehen. „Rot“ erhalten nicht nur die Geld- und Glücksspielautomaten, sondern auch Poker und Live-Sportwetten.33 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt anhand der Odd Ratios eine Erhebung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)34. In dieser Repräsentativbefragung der deutschen Bevölkerung im Jahr 2007 wurde eine Zufallsstichprobe von 10.001 Personen im Alter von 16 bis 65 Jahren, die in Deutschland wohnen, ausgewählt und telefonisch zu ihrem Glücksspielverhalten befragt. Bei insgesamt 0,4% aller Befragten ist das Glücksspiel als problematisch und bei 0,2% als wahrscheinlich pathologisch einzustufen. Von den Befragten erzielen insgesamt n = 17 Personen fünf Punkte oder mehr auf dem South Oaks Gambling Screen (SOGS) und sind somit als wahrscheinlich pathologische Glücksspieler und Glücksspielerinnen einzustufen. Als problematische Spieler, d. h. mit drei oder vier Punkten auf dem SOGS, sind 36 Personen einzuordnen. Es wird in der Studie nicht dargestellt, wie sich die Personen auf die unterschiedlichen Formen des Glücksspiels verteilen. Es werden jedoch die Odd Ratios ausgewiesen. Das Odd Ratio stellt ein Chancenverhältnis dar. Es wird zuerst der Anteil der normalen Spieler, die ein bestimmtes Glücksspiel in den letzten zwölf Monaten gespielt hat, an allen Spielern, die in den letzten zwölf Monaten irgendein Glücksspiel gespielt haben, berechnet. Bei der Lotterie „6 aus 49“ beträgt dieser Anteil z. B. 65%. Es wird dann der Anteil der problematischen und pathologischen Spieler, die dieses Glücksspiel in den letzten 12 Monaten 33 Vgl. Wissenschaftliches Forum Glücksspiel: Mess- und Beurteilungsinstrument zur Bewertung des Gefährdungspotentials von Glücksspielprodukten. http://presse.aktion-mensch.de/media/downloads/files/StudieGefaehrdungGluecksspiel. pdf. 34����������������������������������������������������������������������������������� Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): Glücksspielverhalten und problematisches Glücksspielen in Deutschland 2007. Ergebnisse einer Repräsentativbefragung. Ergebnisbericht Juli 2008. http://www.slsev.de/Gluecksspiel2007.pdf. 26 gespielt haben, an allen problematischen und pathologischen Spielern, die in den letzten 12 Monaten gespielt haben, berechnet. Bei der Lotterie „6 aus 49“ beispielsweise beträgt dieser Wert 52%. Diese beiden Anteile werden in dem Odd Ratio in Beziehung gesetzt. Hiermit ist praktisch eine Aussage über die Attraktivität einer Form des Glücksspiels bei normalen Spielern im Vergleich zu problematischen und pathologischen Spielern möglich. Alle Lotterien, d. h. die Lotterie „6 aus 49“, die Fernseh- und Klassenlotterien haben ein Odd Ratio von weniger als 1. Dies bedeutet, dass diese Spiele für problematische und pathologische Spieler weniger attraktiv sind als für normale Spieler. Bei den Sofortlotterien und Rubbellosen ist dieser Wert etwas größer als 1. Allerdings sind diese Unterschiede von 1 statistisch nicht signifikant. Erwartungsgemäß fällt dieser Wert bei dem Glücksspiel mit dem höchsten Gefährdungspotential, den Geldspielautomaten, mit 9,03 von allen Formen des Glücksspiels am höchsten aus und ist signifikant größer als 1. Die Attraktivität der Geldspielautomaten ist für die problematischen und pathologischen Spieler viele Mal höher als für die normalen Spieler. Die vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen legen es nahe, zwischen Spielformen mit einem zu vernachlässigenden Suchtgefährdungspotential und gefährlicheren Spielformen zu unterschieden. Die Lotterien werden in dem Messinstrument des Wissenschaftlichen Forums mit „Grün“ klassifiziert; die Untersuchungen der BZgA zeigen, dass die Attraktivität der Lotterien für pathologische Spieler geringer ist, als für Spieler ohne Probleme. Dies lässt die Schlussfolgerung zu: Die betrachteten Lotterien haben ein nicht signifikantes bzw. unwesentliches Suchtgefährdungspotential. Die Anzahl der Klassenlotteriesüchtigen würde hochgerechnet für ganz Deutschland im Bereich von 100 bis 300 Personen und die der Lotterie „6 aus 49“ im Bereich von 450 bis 1.500 liegen. Im Vergleich dazu ist von 60.000 bis 200.000 pathologischen Spielern mit dem Hauptproblem Geldspielautomaten, 1.300.000 Personen mit einem Alkoholproblem und 3.700.000 bis 5.800.000 Personen mit einem Nikotinproblem auszugehen. Angesichts dieser Zahlen stellt sich doch die Frage, wie ernst das Suchtgefährdungspotential der betrachteten Lotterien zu nehmen ist. 27 2.3 Soziale Kosten Eine Abhängigkeit kann die Familie des Abhängigen, die soziale Umwelt und generell die Allgemeinheit auf verschiedene Weisen schädigen. Die sozioökonomischen Belastungen der Gesellschaft durch Krankheit werden durch drei Kategorien beschrieben: 35 • • • Direkte Kosten sind der volkswirtschaftliche Ressourcenverbrauch zur Behandlung von Krankheiten und zur Wiederherstellung von krankheitsbedingten Einschränkungen des Gesundheitszustandes. Sie stellen den bewerteten Verbrauch an Gütern und Dienstleistungen im Gesundheitswesen dar, die für die Behandlung einer Erkrankung in Anspruch genommen werden. Indirekte Kosten sind der volkswirtschaftliche Ressourcenverlust, der einer Ökonomie dadurch entsteht, dass krankheitsbedingt Güter und Dienstleistungen nicht erzeugt werden können. Indirekte Kosten stellen somit den bewerteten Verlust an Produktivität infolge von Krankheit, Invalidität und vorzeitigem Tod dar. Die verlorenen Lebens- oder Erwerbstätigkeitsjahre werden in dem Humankapitalansatz monetär mit dem Marktpreis für den Produktionsfaktor Arbeit, also über Lohn oder Einkommen, bewertet. Dabei kann über die entlohnte Arbeit hinaus auch die nicht entlohnte Arbeit, wie im Haushalt, bewertet werden. Zukünftig anfallende Kosten werden in der Regel diskontiert. Die Friktionskostenmethode kommt hier zu geringeren Werten, da bei dieser Methode angenommen wird, dass durch Krankheit oder Tod verloren gegangene Arbeitsplätze auf dem Arbeitsmarkt nach einer gewissen Übergangszeit von anderen Personen wieder besetzt werden können und deshalb die Produktionsverluste entsprechend niedriger ausfallen. Intangible Kosten sind die monetär bewerteten Einschränkungen der Lebensqualität, die bei einem an einer Krankheit leidenden Menschen und bei seinen Angehörigen auftreten. Intangible Effekte sind beispielsweise Schmerzen, psychische Belastungen, vermindertes Selbstwertgefühl, Verlust an Lebensfreude und Sozialprestige, also insgesamt einschneidende Einschränkungen in der Lebensqualität der Betroffenen sowie ihres Umfeldes. 35 Vgl. Bergmann und Horch (2002), S. 17. 28 Als vierte Kategorie wäre diese Liste insbesondere für Alkohol, aber auch für Glücksspiel, um die Kosten der begleitenden Kriminalität und die hierdurch verursachten volkswirtschaftlichen Kosten zu ergänzen: • Begleitende Kosten: Kosten, die durch die Begleitkriminalität, insbesondere auch durch die Beschaffungskriminalität, verursacht werden, sowie die Kosten, die durch ein drogenbedingtes Fehlverhalten anderen Personen, z. B. den Verkehrsteilnehmern, entstehen. Bei den Berechnungen der Kosten des Alkohol- oder Nikotinkonsums wird entweder der Inzidenz- oder Prävalenzansatz verfolgt.36 Beim Inzidenzansatz werden die erwarteten Kosten während der gesamten Lebenszeit berechnet, die durch den Alkohol- oder Nikotingenuss entstehen. Beim Prävalenzansatz, der in den meisten Studien gewählt wird, werden die Kosten berechnet, die durch das Vorhandensein, also die Prävalenz von alkoholassoziierten Krankheiten und vorzeitigem Tod entstehen, unabhängig vom Zeitpunkt, an dem die Krankheit bzw. der Alkoholkonsum begonnen haben. Tabak Es ist eine ganze Anzahl von Krankheiten bekannt, für die Tabak eine nachgewiesene oder wahrscheinliche Ursache oder verstärkender Faktor ist. Insbesondere Krebserkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen der Atemwege und Schädigungen des Kindes vor der Geburt sind hier zu nennen.37 Der Tabakkonsum schädigt nicht nur die konsumierende Person selbst, sondern kann auch negative gesundheitliche Auswirkungen auf die Umgebung haben. Es wird davon aus­ge­gan­gen, dass auch das Passivrauchen beträchtliche Effekte auf die Gesundheit der Bevölkerung hat, und dass Personen, die häufig dem Tabakrauch passiv exponiert sind, vermehrt an Lungenkrebs, koronaren Herzkrankheiten, Schlaganfällen und Atemwegserkrankungen leiden.38 36 Ein umfassender Überblick zu verschiedenen Methoden ist in Bergmann und Horch (2002) zu finden. 37 Vgl. zu einer umfassenden Liste West (2006). 38 Vgl. Deutsches Krebsforschungszentrum (2005) Heidrich et al. (2007). Beide Veröffentlichungen lagen im Original leider nicht vor und wurden zitiert nach: Baumeister et al. (2008). 29 Anhand des Prävalenzansatzes schätzen Welte et al.39 die durch Tabakkonsum in Deutschland verursachten Kosten für das Jahr 1993. Es wird von 116.507 tabakbedingten Todesfällen in Deutschland ausgegangen. Die direkten Kosten der tabakbedingten Krankheiten für das Gesundheitssystem liegen bei 4,7 Mrd. €. Hinzu kommt der Verlust an Arbeitsproduktivität auf Grund der tabakbedingten Todesfälle in Höhe von 4,2 Mrd. € und der Verlust an Arbeitsproduktivität auf Grund von Krankheit und vorgezogenem Ruhestand in der Höhe von 8,4 Mrd. € (bei einer Diskontrate von 3%). Es ergeben sich somit direkte und indirekte Kosten der tabakbedingten Krankheiten von insgesamt 17,3 Mrd. €. Umgerechnet auf alle Raucher entsprechen dem jährliche Kosten von 817 € für jeden Raucher. Der geschätzte Verlust an Lebenszeit liegt bei 1,5 Millionen Menschenjahren. Ausschließlich die Kosten für das Gesundheitssystem, d. h. die direkten Kosten, werden von Ruff et al.40 für das Jahr 1996 geschätzt. Sie gehen von 137.000 tabakbedingten Todesfällen aus und kommen zu Kosten von 16,6 Mrd. €. Ausschließlich die Kosten des Produktivitätsausfalls auf Grund des Tabakkonsums, die indirekten Kosten, werden von Wegner et al.41 mit der Friktionskostenmethode für das Jahr 1999 geschätzt. Die so berechneten Kosten betragen 4,3 Mrd. € (3,8 Mrd. € durch Arbeitsunfähigkeit, 0,3 Mrd. € durch Erwerbsunfähigkeit, 0,3 Mrd. durch vorzeitigen Tod). Verglichen mit den 12,6 Mrd. € von Welte et al. kommen Wegner et al. mit der Friktionskostenmethode erwartungsgemäß zu deutlich geringeren Werten. Einen ähnlichen Ansatz wie Welte et al. verfolgen Neubauer et al.42 Es wird für 2003 von 114.647 tabakbedingten Todesfällen ausgegangen. Die tabakbedingten Kosten in Deutschland werden für 2003 auf 21 Mrd. € geschätzt. Die direkten Kosten für das Gesundheitssystem betragen 7,5 Mrd. €. Die indirekten Kosten der Todesfälle werden auf 4,7 Mrd. € geschätzt und die indirekten Kosten auf Grund von verlorener Arbeitszeit und frühzeitigem Ruhestand auf 8,8 Mrd. €. Der Verlust an menschlicher Lebenszeit wird auf 1,6 Millionen Menschenjahre geschätzt. 39 40 41 42 Vgl. Welte et al. (2000). Ruff et al. (2000). Wegner et al. (2005). Neubauer et al. (2006). 30 Die vorliegenden Studien deuten darauf hin, dass die direkten und indirekten Kosten tabakbedingter Krankheiten aktuell bei 20 bis 25 Mrd. € pro Jahr liegen dürften. Unterschiede in den Ergebnissen der vorliegenden Studien für Deutschland lassen sich auf die unterschiedlichen Analysezeiträume zurückführen. 43 So kommen Neubauer et al. bei einem Vergleich der vorliegenden Studien zu dem Ergebnis, dass sich zwischen 1993 und 2003 die direkten Kosten um 35,8% erhöht haben, während die indirekten Kosten um 7,1% gesunken sind. Alkohol Eine Reihe von gesundheitlichen Schäden wird in Zusammenhang mit einer chronisch hohen Zufuhr von Alkohol gebracht: vor allem Leberschäden, aber auch Pankreatitis, Gastritis, Herzmuskelerkrankungen, Schädigungen des Gehirns, des peripheren Nervensystems, der Muskulatur und der Knochen sowie verschiedene Krebserkrankungen. Das Risiko für Bluthochdruck steigt und verschiedene Stoffwechselerkrankungen werden verstärkt. Bei einigen mit Alkohol assoziierten Krankheiten reichen bereits anhaltend mäßige Alkoholmengen aus, das Erkrankungsrisiko ansteigen zu lassen, wie bei der Leberzirrhose sowie Tumoren in dem Bereich von Mundhöhle, Rachen, Kehlkopf und Speiseröhre.44 Zu den akuten gesundheitsrelevanten Folgen von Alkoholkonsum zählen auch Unfälle in Verkehr, am Arbeitsplatz und im Haushalt. Von den jährlich etwa 150.000 Verurteilungen wegen Straftaten im Straßenverkehr gehen im Jahr 2000 etwa 60% auf Alkohol zurück.45 Bezogen auf das Jahr 2007 war Alkohol bei rund 21.000 Verkehrsunfällen mit Personenschaden beteiligt, d. h. zumindest ein Fahrer oder Fußgänger hatte mehr als 0,3 Promille Alkohol im Blut. Bei diesen Unfällen verunglückten 26.594 Personen, wovon 565 starben. Dies ist ein Anteil von 11,4% an allen Verkehrstoten.46 Aggressivität, Gewalttaten, Kriminalität, Suizid und Suizidversuche treten ebenfalls in Abhängigkeit von der akuten Blutalkoholkonzentration auf. Eine hohe Zufuhr von Alkohol innerhalb kurzer Zeit kann eine Alkoholintoxikation verursachen. Alkoholkonsum kann soziale Störungen verursachen und verstärken. 43 Eine ausführliche Diskussion der Ergebnisse der für Deutschland vorliegenden Studien ist zu finden in Neubauer et al. (2006). 44 Vgl. hierzu im Detail Burger und Mensink (2003). 45 Bühringer et al. (2000). 46 Albrecht et al. (2009). 31 Diese können sich als Verlust der sozialen Anbindung, des Arbeitsplatzes und der Wohnung äußern. Für Deutschland liegen mehrere wissenschaftlich umfassende Berechnungen der durch Alkohol verursachten Kosten vor. Diese Studien berechnen die direkten Kosten für das Gesundheitssystem und die indirekten Kosten. Die intangiblen und vor allem die begleitenden Kosten werden nicht berücksichtigt. Bergmann und Horch47 gehen für 1995 von 41.872 alkoholbedingten Todesfällen aus und schätzen die Kosten für alkoholbedingte Krankheiten für 1995 (ohne Diskontierung) auf 20,3 Mrd. €. Die Anzahl der Todesfälle durch alkholbedingte Krankheiten wird für das Jahr 2002 auf 48.751 Fälle geschätzt. Die Behandlungs- und Rehabilitationskosten werden von Konnopka und König48 für das Jahr 2002 auf 8,4 Mrd. € geschätzt. Die indirekten Kosten, die durch den Verlust der bezahlten Arbeitsproduktivität durch Tod (6,6 Mrd. €), einen früheren Ruhestand (1,6 Mrd. €), vorübergehend verlorene Arbeitszeit (2,2 Mrd. €) entstehen, liegen bei insgesamt 10,3 Mrd. €. Die indirekten Kosten, die durch den Verlust nicht-entlohnter Arbeit entstehen, werden auf 5,6 Mrd. € geschätzt. Insgesamt werden die alkoholbedingten Kosten von Konnopka und König (bei einer Diskontrate von 5%) mit 24,4 Mrd. € veranschlagt. Der Unterschied zu der Studie von Bergmann und Horch lässt sich maßgeblich auf die unterschiedliche Schätzung der Kosten durch indirekt verursachte Krankheiten zurückführen. Konnopka und König kommen hier zu 16 Mrd. € Kosten, während Bergmann und Horch hier nur zu 7 Mrd. € kommen. Für das Jahr 1995 schätzen Bühringer et al. die direkten Kosten alkoholbedingter Krankheiten auf 8,1 Mrd. € und die indirekten Kosten auf 11,9 Mrd. €. Die Summe liegt bei knapp 20 Mrd. €.49 In diesen Studien werden nicht die Kosten berücksichtigt, die durch andere Auswirkungen des Alkoholkonsums entstehen: alkoholbedingte Unfälle, Straftaten, Kosten, die der Polizei und Justiz entstehen, Gefängniskosten, Kosten für das 47 Vgl. Bergmann und Horch (2002). 48 Vgl. Konnopka und König (2007). 49 Vgl. Gerhard et al. (2000), S. 133 ff. 32 soziale System, verminderte Produktivität am Arbeitsplatz etc. Auch die intangiblen Kosten werden nicht veranschlagt.50 Glücksspiel Bei den Schätzungen der jährlicher Kosten durch Alkoholkonsum vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat wird von knapp 25.000 € Kosten pro Suchtkrankem (Behandlungskosten und Produktivitätsausfall) ausgegangen.51 Wenn diese Kosten auch für Glücksspielsuchtkranke unterstellt werden, ergeben sich bei einer Anzahl von 5.000 pathologischen Spielern Kosten pro Jahr von 125 Millionen €. Diese Schätzung ist sehr ungenau, macht jedoch die Größenordnungen klar, um die es bei den glücksspielbedingten Kosten im Vergleich zu den alkohol- oder tabakbedingten Kosten geht. Alle direkten und indirekten Kosten zusammen dürften deutlich unter einer Milliarde Euro liegen. Im Vergleich zu den Kosten bei Tabak für das Gesundheitssystem in der Höhe von 20 bis 25 Milliarden Euro, und bei Alkohol, die zumindest in dieser Höhe liegen dürften, fallen die sozialen Kosten des Glücksspiels mit weit unter einer Milliarde Euro sehr moderat aus. Leider liegen jedoch keine genaueren Schätzungen vor. Sowohl bei Alkohol- als auch bei Glücksspielprodukten wären noch die Kosten durch die Begleitkriminalität in die sozialen Kosten mit einzubeziehen. Die unterschiedlichen Kosten bei Tabak, Alkohol und Glücksspiel lassen sich darauf zurück­führen, dass diese Kosten bei Tabak und Alkohol auch von nicht süchtigen Personen verursacht werden, da der Konsum gesundheitsschädlich sein kann, während bei Glücksspiel nur die pathologischen Spieler Kosten für die Allgemeinheit verursachen. Dies unterscheidet den Tabak- und Alkoholkonsum von dem Glücksspiel. Zum zweiten ist die Anzahl der Alkohol und Nikotinsüchtigen bedeutend höher, als die der Glücksspielsüchtigen. 50 Zu einem umfassenden Überblick über Umfang und Art schädlicher Auswirkungen vgl. Bühringer et al. (2000), S. 67-104. 51 Quelle: Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und Deutscher Verkehrssicherheitsrat (1995), zitiert nach Bergmann und Horch (2002), S. 14. 33 2.4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Es ist deutlich zwischen gesundheitspolitischen und suchtpolitischen Gründen für die Regulierung eines Marktes zu unterscheiden. Die Gefahr körperlicher Schäden durch einen Konsum ist mit weitem Abstand bei Nikotin am größten, gefolgt von Alkohol. Durch einen Glücksspielkonsum ergeben sich keine direkten negativen Konsequenzen für die körperliche Gesundheit. Werbeeinschränkungen bei Tabak- und Alkoholprodukten können der körperlichen Gesundheit der Bevölkerung dienen. Dies ist keine Begründung für Werbeeinschränkungen bei Glücksspielprodukten. Die Gefahr, abhängig zu werden, ist bei Tabak bzw. Nikotin mit weitem Abstand am größten, gefolgt von Alkohol. Es ist von 3,7 Mio. bis 5,8 Mio. Nikotinsüchtigen, von zumindest 1,3 Mio. Alkoholsüchtigen und 0,1 Mio. bis 0,3 Mio. Glücksspielsüchtigen auszugehen. Das Suchtgefährdungspotential von Glücksspielprodukten ist im Vergleich zu den klassischen Produkten mit Suchtgefahr sehr gering. Eine suchtpolitische Begründung für staatliche Eingriffe ist daher jedoch prinzipiell gegeben. Bei den verschiedenen Formen des Glücksspiels ist das Suchtgefährdungspotential sehr unterschiedlich ausgeprägt. Das Suchtgefährdungspotential ist mit weitem Abstand bei den Geldspielautomaten am größten. Es folgen Glücksspielautomaten und mit etwa gleichem Suchtgefährdungspotential Roulette, Kartenspiele mit Geldeinsatz und Sportwetten. Das Suchtgefährdungspotential der Lotterie „6 aus 49“ ist unbedeutend. Bei Fernsehund Klassenlotterien kann nicht ernsthaft von einem Suchtgefährdungspotential gesprochen werden. Alle bisher vorliegenden Untersuchungen zeigen, dass bei den in Deutschland angebotenen Lotterien das Suchtgefährdungspotential zu vernachlässigen ist. Anders sieht dies bei den in der Regel in Spielbanken angebotenen Glücksspielen und den Geldspielautomaten aus. Diese sind als vergleichsweise gefährlich einzustufen. Das Suchtgefährdungspotential einer Glücksspielform hängt entscheidend von den jeweiligen Eigenschaften des Glücksspiels ab. Gefährliche Glücksspiele zeichnen sich unter anderem durch eine schnelle Spielabfolge, eine aktive Einbeziehung des Spielers und eine leichte Verfügbarkeit aus. Die vorliegenden Untersuchungen zeigen, dass die Lotterien für problematische und pathologische Spieler weniger interessant sind, als für normale Spieler. Anders sieht dies bei den gefährlicheren Spielen aus; so sind Geldspielgeräte für problematische und pathologische Spieler neun Mal so attraktiv wie für normale Spieler. Diesem ist bei einer wissenschaftlich fundierten Regulierung der Werbung für Glücksspiel- 34 produkte Rechnung zu tragen. Aus suchtpolitischer Sicht sind Werbeeinschränkungen bei den gefährlichen Glücksspielprodukten gerechtfertigt, nicht jedoch bei den Fernseh- und Klassenlotterien sowie der Lotterie „6 aus 49“. Die Gefahr für die Allgemeinheit, gemessen an den Kosten, die der Gesellschaft entstehen, liegen bei Alkohol und Tabak am höchsten. Die sozialen Kosten betragen bei diesen Produkten zwischen 20 und 25 Mrd. Euro. Die sozialen Kosten liegen bei Glücksspiel mit weniger als 1 Mrd. Euro bei einem Bruchteil hiervon. Die Gefahr für die Allgemeinheit, die aus dem pathologischen Spielverhalten entsteht, ergibt sich aus dem hohen Geldbedarf der pathologischen Spieler. An erster Stelle führt der Geldbedarf eines pathologischen Spielers zu Problemen durch Arbeitsplatzverlust, sozialen Problemen mit Freunden, Bekannten und Familie. Daher sollte an erster Stelle jeder gesellschaftlichen Suchtprävention bei Glücksspiel die Einschränkung der maximal möglichen Verluste eines Spielers stehen. Um einen Spieler mit einem problematischen Spielverhalten bei dem Versuch, mit dem Spielen aufzuhören, zu unterstützen, gibt es die freiwillige Spielerselbstsperre. Diese Möglichkeit ist im Glücksspielstaatsvertrag für die Glücksspiele mit einem besonderen Gefährdungspotential, wie den Glücksspielautomaten, gesetz­lich vorgeschrieben, aber nicht für Geldspielautomaten. Die Möglichkeit der Selbstsperre sollte auch auf die Geldspielautomaten ausgedehnt werden. Werbung bei Nikotin und Alkohol steigert den Absatz dieser Produkte. Damit steigt der Konsum. Ein vermehrter Konsum dürfte auch eng korreliert sein mit dem Anstieg der Gesundheitsausgaben des Staates und anderer Indikatoren für die gesellschaftlichen Kosten. Bei stoffgebundenen Abhängigkeiten, insbesondere von Nikotin, besteht eine enge Beziehung zwischen Ausmaß des Konsums, der Anzahl abhängiger Personen und den Schäden für die Allgemeinheit. Wenn der Konsum steigt, dürfte auch der Schaden für die Allgemeinheit steigen. Bei einem pathologischen Glücksspielverhalten hingegen ist dieser Zusammenhang nicht in dieser Form gegeben. Zwar wird Werbung für ein Glücksspiel den Absatz und damit die Anzahl der Spieler steigern. Aber die Kosten für die Gesellschaft entstehen nicht durch die Steigerung des Umsatzes eines bestimmten Glücksspiels per se. Es kommt entscheidend darauf an, für welche Form des Glücksspiels geworben wird und welche Bedeutung dieses in der Bevölkerung hat. Aus suchtpolitischer Sicht ist die Wirkung der Werbung auf die Gruppe der möglicherweise schutzbedürftigen Spieler in den Mittelpunkt zu stellen. Diese 35 hängt ganz entscheidend von der jeweilig beworbenen Form des Glücksspiels ab. 36 3 Die gesetzliche Regulierung der Werbung Das internationale Recht und das europäische Recht schränken den politischen Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers ein. In diesem Kapitel wird zuerst auf die internationalen und europäischen rechtlichen Rahmenbedingungen eingegangen. Dann werden im Detail die Werbeeinschränkungen, die sich durch die nationale Gesetzgebung ergeben, vorgestellt. Es wird sowohl auf die generellen Werbeeinschränkungen als auch auf die speziellen Regelungen bei Tabak, Alkohol und Glücksspiel eingegangen. 3.1 Internationale rechtliche Rahmenbedingungen Das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade, GATT) hat das Ziel, Zölle, Abgaben und andere Hemmnisse des internationalen Handels zu reduzieren. Zentrale Elemente des GATT sind die Meistbegünstigungsklausel, auf Grund der allen Handelspartnern eines Landes gleiche Zollvergünstigungen gewährt werden müssen, und das Prinzip der Gleichbehandlung von inländischen und ausländischen Anbietern. Mengenmäßige Beschränkungen bei Importen und Exporten und Maßnahmen gleicher Wirkung sind, mit gewissen Ausnahmen, nicht zulässig. Für den Glücksspielbereich relevant ist das Allgemeine Abkommen über Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services, GATS). Dieses internationale rechtliche Rahmen­werk ergänzt das GATT um den Bereich der Dienstleistungen und ist ein weiteres Abkommen im Rahmen der Welthandelsorganisation (World Trade Organisation, WTO), neben dem Abkommen über den Schutz geistigen Eigentums (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, TRIPS). Allerdings haben die EG und ihre Mitgliedstaaten den Bereich „Glücksspiele und Wetten“ explizit von den Verpflichtungen, die im Rahmen des GATS ratifiziert wurden, für sich ausgenommen.52 Die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) hingegen haben den Bereich „Glücksspiele und Wetten“ nicht von dem Abkommen ausgenommen. Deswegen haben auch Antigua und Barbuda ein Streitbeilegungsverfahren gegen die USA eingeleitet. Antigua bietet in großen Umfang Online-Glücksspiele im Ausland, auch in den USA, an. Die USA gingen gegen die aus ihrer Sicht illegalen 52 Vgl. zu den internationalen rechtlichen Restriktionen Ennuschat (2008). 37 Online-Glücksspiele aus Antigua vor; so versuchten sie z. B. die Zahlungsströme zwischen den Kunden in den USA und den ausländischen Anbietern zu unterbinden. Am 7. April 2005 veröffentlichte die WTO ihre Entscheidung im Fall Antigua gegen die USA betreffend das Verbot von Internet-Glücksspiel in den USA, welches zu Gunsten des kleinen Inselstaats im Pazifik ausfiel.53 Nach Artikel XVI GATS gewährt jeder WTO-Mitgliedstaat einem Dienst­ leistungs­unternehmen mit Sitz in einem anderen WTO-Mitgliedstaat eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die, die nach den in seiner Liste vereinbarten und festgelegten Bestimmungen, Beschränkungen und Bedingungen vorgesehen ist. Das Ständige Berufungs­gremium der WTO geht in dem Streitbeilegungsverfahren davon aus, dass sich die USA - vorbehaltlich einer allgemeinen Ausnahme gemäß Artikel XIV GATS - verpflichtet haben, ausländische Online-Glücksspielangebote zuzulassen. Nach Artikel XIV GATS können Mitgliedstaaten handelsbeschränkende Maßnahmen beibehalten und treffen, wenn es erstens hierfür einen in Artikel XIV explizit genannten Rechtfertigungsgrund gibt. Rechtfertigungs­gründe sind Aufrechterhaltung der öffentlichen Moral oder der öffentlichen Ordnung, Schutz der Gesundheit von Menschen oder auch die Verhinderung irreführender oder betrügerischer Geschäftspraktiken. Zweitens ist bei handels­beschränkenden Maßnahmen das Verhältnis­mäßig­keitsprinzip zu wahren. Drittens darf es sich nicht um Willkür, unberechtigte oder verschleierte Diskriminierung handeln. Die Darlegungs- und Beweislast obliegt dem Staat, der sich auf eine allgemeine Ausnahme beruft.54 In dem Streit Antigua und Barbuda gegen USA wurde Antigua ermächtigt, in Höhe von 21 Mio. US-Dollar gegen US-Urheberrechte und das TRIPS-Abkommen zu verstoßen, um dadurch die USA zu sanktionieren. Mittlerweile ist auch die Europäische Kommission der Ansicht, dass die europäische Wirtschaft durch das Online-Gambling Verbot in den USA einen massiven Schaden nimmt.55 53 Vgl. ausführlich zu dieser Auseinandersetzung: Dispute DS285: United Staates - Measures Affecting the Cross-Border Supply of Gambling and Betting Services. http://www.wto.org/english/tratop_e/dispu_e/cases_e/ds285_e.htm. 54 General Agreement on Trade in Services. http://www.wto.org/english/docs_e/legal_e/26-gats.pdf. 55 Vgl. Quelle: http://www.pokerfirma.de: US-Recht verstößt gegen EU-Recht. http://www.isa-guide.de/gaming/articles/25038_us_recht_verstoesst_gegen_eu_recht. html. 38 Die Einschränkungen, die das GATS-Abkommen für Deutschland (möglicherweise zukünftig) bedeutet, sind weiter gefasst als die Einschränkungen durch europäisches Recht. Auch dieses fordert unter anderem eine Verhältnismäßigkeit der handelsbeschränkenden Maßnahmen. Aus diesem Grund sind für Deutschland primär die europäischen rechtlichen Rahmenbedingungen von Bedeutung. Die rechtlichen Rahmenbedingungen des europäischen Rechts basieren auf dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EGV). Das Glücksspielrecht als deutsches Ordnungsrecht ist weder gemeinschaftsrechtlich harmonisiert, noch besteht eine primär­rechtliche Bereichsausnahme. Vielmehr wird das Spannungsverhältnis im Einzelfall im Wege der Rechtfertigungspflicht gelöst.56 Glücksspiele und Wetten werden jedoch auch nicht als gewöhnliche Dienstleistungen angesehen. Dies wird an Hand der Dienstleistungsrichtlinie (Richtlinie 2006/123/EG) deutlich. Grundsätzlich erstreckt sich der Anwendungsbereich dieser Richtlinie auf alle Dienstleistungen, die von einem in einem Mitgliedstaat nieder­gelassenen Dienstleistungs­erbringer erbracht wird. Im Entwurfstadium dieser Richtlinie galt dies auch für den Glücksspielbereich. Doch in der beschlossenen und gültigen Fassung gilt eine Bereichsausnahme für „Glücksspiele, die einen geldwerten Einsatz verlangen, einschließlich Lotterien, Glücksspiele in Spielcasinos und Wetten.“ Es wird explizit die „spezifische Natur dieser Tätigkeiten, die von Seiten der Mitgliedstaaten Politikansätze zum Schutz der öffentlichen Ordnung und zum Schutz der Verbraucher bedingen“, anerkannt. Glücksspiele wurden nicht nur aus dem Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie, sondern auch aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste (Richtlinie 2007/65/EG) und der Richtlinie über den elektronischen Zahlungsverkehr (Richtlinie 2000/31/EG) ausgenommen. In dem aktuellen Bericht des Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz über die Integrität von Online-Glücksspielen (2008/2215(INI)) vom 17. Februar 2009 an das Europäische Parlament wird die Aufgabenverteilung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten detailliert beschrieben. So wird in dem Bericht ausdrücklich hervorgehoben, „dass die Mitgliedstaaten laut Subsidiaritätsprinzip und Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs das Interesse und das Recht haben, ihre Glücksspielmärkte gemäß ihren Traditionen und Kulturen zu regulieren und zu kontrollieren, um die Verbraucher vor Sucht, Betrug, Geldwäsche und Spielabsprachen im Sport zu schützen sowie die auf kulturellen 56 Vgl. zu den europäischen Rahmenbedingungen Haltern (2008). 39 Grundlagen beruhenden Finanzierungsstrukturen für sportliche Aktivitäten und weitere soziale Anlässe in den Mitgliedstaaten zu bewahren.“ In Bezug auf Werbung für Online-Glücksspiele werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, „auf EU-Ebene zusammenzuarbeiten, um Maßnahmen gegen jegliche aggressive Werbung oder Vermarktung seitens öffentlicher oder privater Betreiber von Online-Glücksspielen, darunter freien Demo-Spielen, zu ergreifen, um vor allem Spieler und gefährdete Verbraucher wie Kinder und Jugendliche zu schützen.“ Online-Glücksspiele werden als Glücksspiele mit einem hohen Suchtgefährdungspotential eingeordnet. Online-Glücksspiele kombinieren nach Ansicht des Berichts „mehrere Risikofaktoren im Zusammenhang mit zwanghaftem Glücksspiel“, so „unter anderem den leichten Zugang zu Glücksspielen, die Verfügbarkeit einer Vielfalt von Spielen und weniger sozialer Zwänge“. Das Europäische Parlament hat am 10. März 2009 den Bericht mit 544 gegen 36 Stimmen angenommen. Der EGV verbietet in Artikel 49 generell Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs. Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ergibt sich, dass nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantieren grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, vier Voraussetzungen erfüllen müssen: Sie müssen in nicht-diskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirk­lichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Es ist eine weitere Forderung des EuGH, dass die mitgliedstaatlichen Beschränkungen „kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeit beitragen“ müssen.57 Auch darf das Interesse an der Generierung von Staatseinnahmen, das fiskalische Interesse, nicht im Vordergrund stehen.58 Die Be­urteilung der Frage, ob die nationalen 57 Hierzu ein Zitat aus dem Gambelli-Urteil (EuGH C-243/01, Abschnitt 67): „Zunächst hat der Gerichtshof in den Urteilen Schindler, Läärä u. a. und Zenatti zwar anerkannt, dass Beschränkungen der Spieltätigkeiten durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu überhöhten Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein können; jedoch müssen die Beschränkungen, die auf solche Gründe sowie auf die Notwendigkeit gestützt sind, Störungen der sozialen Ordnung vorzubeugen, auch geeignet sein, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen.“ 58 Vgl. Gambelli-Urteil des EuGH C-243/01 vom 06.11.2003, Abschnitt 62. 40 Beschränkungen diesen Voraussetzungen entsprechen, erfolgt durch die nationalen Gerichte, wobei der EuGH jedoch die Kriterien vorgibt, die sie berücksichtigen müssen. Die nationale Regulierung des Glücksspielsektors - das repressive Verbot mit Befreiungsvorbehalt für das Veranstalten und Vermitteln von Glücksspielen, das Internetverbot und auch die Werbebeschränkungen und -verbote - sind Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit und anderer im EG-Vertrag garantierter Grund­freiheiten. Diese Einschränkungen müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt, geeignet und verhältnismäßig sein. Wenn den nationalen Gerichten Kriterien fehlen, um zu entscheiden, ob nationales Recht mit europäischem Recht vereinbar ist und sie hieran Zweifel haben, können sie den EuGH um eine Vorabentscheidung ersuchen. Nach Artikel 234 EGV entscheidet der EuGH im Wege des sogenannten Vorabentscheidungsverfahrens über die Auslegung des EG-Vertrages sowie u. a. über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft (Art. 249 EGV). Unter letzteres fällt insbesondere das sog. sekundäre Gemeinschaftsrecht, d. h. die von den Organen der Gemeinschaft geschaffenen Rechtsvorschriften. Mittlerweile haben mehrere deutsche Gerichte an den EuGH solche Vorabentscheidungsersuchen gestellt, die sich mit der Regulierung des deutschen Glücksspielmarktes befassen. Das Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart hat als drittes deutsches Verwaltungsgericht, nach dem VG Köln und dem VG Gießen, dem EuGH einen Sport­wetten­fall zur Vorabentscheidung vorgelegt. Wie bereits das VG Köln und das VG Gießen, so fragt auch die 4. Kammer des VG Stuttgart den EuGH unter anderem nach der Auslegung des Gebots der Kohärenz und Systematik59: „Sind die Art. 43 und 49 EG dahingehend auszulegen, dass sie einem innerstaatlichen Monopol auf bestimmte Glücksspiele, wie z. B. Sportwetten und Lotterien, entgegenstehen, wenn es in dem betreffenden Mitgliedstaat insgesamt an einer kohärenten und systematischen Politik zur Beschränkung des Glücksspiels fehlt, weil die innerstaat­ lich konzessionierten Veranstalter zur Teilnahme an anderen Glücksspielen - wie staatlichen Sportwetten und Lotterien - ermuntern und hierfür werben, und ferner andere Spiele mit gleichem oder sogar höherem Suchtgefährdungspotential - wie Wetten auf bestimmte Sportereignisse (Pferderennen), Automatenspiele und in Spielbanken - von privaten Dienstleistungsanbietern erbracht werden dürfen?“ 59 VG Stuttgart Beschluss vom 24.7.2007 4 K 4435/06. 41 Zu dem gegenwärtigen Zeitpunkt ist noch offen, wie der EuGH auf diese Frage antworten wird. Es ist möglich, dass sich der EuGH dabei auch konkret zu der Werbung äußern wird, doch wahrscheinlich wird dies den nationalen Gerichten überlassen. Einen gewissen Hinweis gibt eine Entscheidung des „kleinen Bruders“, des Europäischen Gerichtshofs, des Gerichtshofs der European Free Trade Association (EFTA-Gerichtshof). In dem Fall „Ladbrokes“ geht der EFTA-Gerichtshof60 in Übereinstimmung mit dem EuGH davon aus, dass, wenn ein staatliches Monopol im Bereich des Glücksspiels, insbesondere bei den Lotterien, mit Gründen des Allgemeininteresses begründet wird, insbesondere mit dem Schutz vor Spielsucht, die nationalen Gerichte zu prüfen haben, ob und inwieweit den einzelnen Arten von Glücksspielen ein tatsächliches Suchtpotential innewohnt. Es wird dem staatlichen Anbieter das Recht zugesprochen, Maßnahmen zur Ausdehnung des Marktes zu ergreifen, wie die Einführung neuer Glücksspielprodukte und auch die Werbung, um Spieler weg von Spielen mit einem hohen Suchtgefährdungspotential hin zu ungefährlicheren Spielen zu lenken, wenn dies dem Ziel der Suchtprävention als Ganzem dienlich ist. Hierbei ist eine Gesamtbetrachtung des Glücksspielsektors relevant. 61 Auch in dem Urteil zum staatlichen Monopol für das Automatenspiel in Norwegen vertrat der EFTA-Gerichtshof die Auffassung, dass „umfangreiche Werbemaßnahmen“ bei Lotterien nicht einem staatlichen Monopol bei Geldspielautomaten (ohne nennenswerte Werbemaßnahmen) entgegenstehen. Es wird damit begründet, dass „das Automatenspiel von allen Spielen das größte Suchtpotential hat und insofern einen Sonderfall darstellt“.62 Eine Ausweitung des Glücksspielangebots kann mit dem Ziel, „die Spiellust und den Betrieb der Spiele in kontrollierte Bahnen zu lenken“, vereinbar sein. Eine „Kanalisierung der natürlichen Spieltriebes“, wie es der deutsche Gesetzgeber vorsieht, hat vor allem zwei Ziele. Zum ersten ist ein ausreichendes Spielangebot sicherzustellen und somit ein Abweichen der Spieler und des Angebots in die 60 Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 30. Mai 2007, Rs. E-3/06. 61 „The gaming policy as a whole must at least provide for a lower level of gambling addiction in society than would be the case without restrictions on free movement in relation to gaming services.“ 62 Vgl. zum deutschsprachigen Zitat: Pressemitteilung des EFTA Court 02/2007 im Urteil in der Rechtssache E-1/06 EFTA-Überwachungsbehörde ./. Königreich Norwegen. Vgl. im Detail die englischsprachige Entscheidung Judgement of the EFTA Court of March 14, 2007 in Case E-1/06, Randnummer 45. 42 Illegalität mit all den sich hieraus ergebenden negativen gesellschaft­lichen Folgen zu verhindern. Zum zweiten wären geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um ein Abweichen der Spieler und des Angebots auf sehr gefährliche Spielformen zu begrenzen oder zu reduzieren. Maßnahmen, die kohärent und systematisch zu der Verwirklichung dieser beiden Ziele beitragen, sind mit den europäischen rechtlichen Rahmenbedingungen sicherlich vereinbar. Hierzu führt Haltern63 aus: „Schließlich kann sich die Rechtfertigung einer moderaten und kontrollierten Spielangebotsausweitung nicht nur aus der Bekämpfung illegaler Spiele ergeben, sondern auch dann, wenn es um die Umlenkung von Spielern von Spielen mit großem Suchtgefährdungspotential auf weniger gefährliche Spiele mit geringerem Suchtgefährdungspotential geht.“ Die Überlegungen zu der Regulierung der Werbung für Glücksspiele, die in diesem Beitrag erfolgen, bauen auf dieser rechtlichen Einschätzung auf. So wird argumentiert werden, dass eine Werbung für weitgehend ungefährliche Glücksspielprodukte mit dem Ziel der Suchtprävention durchaus vereinbar ist und sinnvoll zu der Zielverwirklichung beitragen kann. Die Regulierung der Werbung für Glücksspiele mit einem unterschiedlichen Suchtgefährdungspotential sollte deren jeweiligem Suchtgefährdungspotential Rechnung tragen, auch in Bezug auf die gesetzliche Normierung der Werbung. Die internationalen und europäischen rechtlichen Rahmenbedingungen stehen einem staatlichen Glücksspielmonopol mit einer hohen Werbeaktivität und geringen Werbeeinschränkungen für (vergleichsweise) ungefährliche Glücksspielprodukte nicht entgegen. 3.2 Generelle Werbeeinschränkungen bei Tabak, Alkohol und Glücksspiel Die Werbung für Tabak, Alkohol und Glücksspiel unterliegt einer Reihe von Werbe­ein­schränkungen. Es ist hier zu unterscheiden zwischen den generellen Beschränkungen der Werbung und den besonderen Beschränkungen der Werbung für diese Produkte oder für die Werbung in bestimmten Medien. In Deutschland ist das Werberecht kein einheitliches, in sich geschlossenes Rechtsgebiet. Vielmehr beschränkt eine ganze Reihe von Gesetzen die Werbegestaltung. Früher waren die gesetzlichen Bestimmungen vor allem zum Schutz der Mitbewerber des werbe­treibenden Unternehmens gedacht. Der Schutz des Verbrauchers stand dabei weniger im Vorder­grund. Doch in den letzten Jahrzehnten 63 Haltern (2008), S. 277. 43 hat ein Umdenken in der Gesellschafts- und Ver­braucher­­politik stattgefunden, insbesondere auch auf der Ebene der Europäischen Union. Es wurde eine Reihe rechtlicher Bestimmungen geschaffen, die die Position des Verbrauchers stärken und die werbliche Beeinflussung beschränken soll. Weiterhin hat sich der Gesetzgeber auf europäischer und nationaler Ebene auch zunehmend der Gesundheitspolitik angenommen. Für das Werberecht gilt zunächst einmal nationales Recht. Jedoch erlässt die EU im Zuge der Binnen­markt­harmonisierung Richtlinien und Verordnungen. Die Mitgliedsstaaten sind ver­pflichtet, Richtlinien in nationales Recht umzuwandeln. Hingegen sind Verordnungen direkt in allen Mitgliedsstaaten gültig. Der Bereich der Werbung ist durch eine Vielzahl von Gesetzen geregelt, die beachtet werden müssen. Auf die wichtigsten Gesetze wird im Folgenden eingegangen. Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)64 dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb. In Paragraph 3 findet sich die Generalklausel: (1) Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. (2) Geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern sind jedenfalls dann unzulässig, wenn sie nicht der für den Unternehmer geltenden fachlichen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, die Fähigkeit des Verbrauchers, sich auf Grund von Informationen zu ent­scheiden, spürbar zu beein64 In der aktuellen Fassung mit letzten Änderungen am 22. Dezember 2008 zu finden unter: http://bundesrecht.juris.de. Das „Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb“ vom 22. Dezember 2008 (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008 Teil 1 Nr. 64, S. 2949 ff.) ist in der Lesefassung berücksichtigt. Diese Gesetzesnovelle setzt die EU-Richtlinie 2005/29/EG um. Vgl. zu Literaturangaben und zur Entstehungsgeschichte dieser Gesetzesnovellierung: http://www.jura.uni-augsburg.de/fakultaet/lehrstuehle/moellers/materialien/3_wettbewerbsrecht/Erstes_Gesetz_Aenderung_UWG. 44 trächtigen und ihn damit zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Dabei ist auf den durchschnittlichen Verbraucher oder, wenn sich die geschäftliche Handlung an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe abzustellen. Auf die Sicht eines durchschnittlichen Mitglieds einer auf Grund von geistigen oder körperlichen Gebrechen, Alter oder Leichtgläubigkeit besonders schutzbedürftigen und eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern ist abzustellen, wenn für den Unternehmer vorhersehbar ist, dass seine geschäftliche Handlung nur diese Gruppe betrifft. (3) Die im Anhang aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig. Es wird hier bereits deutlich zwischen der Gruppe der nicht schutzbedürftigen und der Gruppe der „besonders schutzbedürftigen und eindeutig identifizierbaren Gruppe von Verbrauchern“ unterschieden. Pathologische Spieler wären eindeutig zu der zweiten Gruppe zu rechnen. Der Anhang, eine Liste unzulässiger Geschäftspraktiken, wurde im Rahmen der Umsetzung der europäischen Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken eingeführt. Eine unzulässige Handlung im Sinne von Paragraph 3 Absatz 3 in dieser Liste mit der Nummer 16 ist „die Angabe, durch eine bestimmte Ware oder Dienstleistung ließen sich die Gewinnchancen bei einem Glücksspiel erhöhen.“ Hierdurch wird die Generalklausel konkretisiert. In dem UWG findet sich eine Reihe von generellen Beschränkungen der Werbung. So handelt nach Paragraph 4 unlauter, wer den Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen verschleiert oder die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher durch Ausübung von Druck beeinträchtigt. Schleich- und Angstwerbung sind damit verboten. In Paragraph 5 wird irreführende Werbung verboten. In Paragraph 6 wird die Zulässigkeit vergleichender Werbung gesetzlich normiert. In Paragraph 7 wird definiert, was eine unzumutbare Belästigung und damit unzulässige Werbung ist. Eine unzumutbare Belästigung ist stets anzunehmen bei Werbung mit einem Telefonanruf gegenüber einem Verbraucher ohne dessen Einwilligung, bei Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt. Eine unzumutbare Belästigung ist auch die Werbung mit einer Nachricht, bei der die Identität des Absenders, in dessen 45 Auftrag die Nachricht übermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird oder bei der keine gültige Adresse vorhanden ist, an die der Empfänger eine Aufforderung zur Einstellung solcher Nachrichten richten kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen. Abweichend hiervon ist bei Werbung unter Verwendung elektro­nischer Post eine unzumutbare Belästigung nicht anzunehmen, wenn ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden dessen elektronische Postadresse erhalten hat, der Unternehmer die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet, der Kunde der Verwendung nicht widersprochen hat und der Kunde bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen wird, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen.65 In der Liste im Anhang zum UWG wird die in eine Werbung einbezogene unmittelbare Aufforderung an Kinder, selbst die beworbene Ware zu erwerben oder die beworbene Dienstleistung in Anspruch zu nehmen oder ihre Eltern oder andere Erwachsene dazu zu veranlassen, als unzulässige geschäftliche Handlung ausdrücklich erwähnt. Außer dem Verbot, mit erhöhten Gewinnchancen zu werben, sieht das UWG keine speziellen Regulierungen für den Glücksspielsektor vor. Die Generalklausel und die generellen Werbegebote gelten aber auch für die Werbung für Tabak-, Alkohol und Glücksspielprodukte. 65 Am 26. März 2009 hat der Bundestag über Änderungen im Direktmarketing-Bereich entschieden. Das Gesetz bedarf noch der Zustimmung des Bundesrates. Es wird klargestellt, dass die Einwilligung des Verbrauchers in einen Werbeanruf vorher und ausdrücklich erfolgen muss. Es ist ein Verbot der Rufnummern-Unterdrückung bei Werbeanrufen vorgesehen. Vgl. auch zu den anderen geplanten Änderungen: Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen, Deutscher Bundestag Drucksache 16/10734, und Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, Deutscher Bundestag Drucksache 16/12406. 46 Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) Im Lebensmittelsektor stellt das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittel­gesetzbuch (LFGB) das zentrale Dach- und Rahmengesetz dar.66 Bei Lebensmitteln gelten strenge Anforderungen bezüglich der Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit von Werbe­behauptungen einschließlich der Warenbezeichnung, weil die Verbraucher mit wachsendem Gesundheitsbewusstsein solche Angaben besonders ernst nehmen. Das LFGB löst weitgehend die Bestimmungen des Lebensmittel- und Bedarfs­ gegen­stände­gesetzes (LMBG) ab. Damit wurde das deutsche Lebensmittelrecht entsprechend der EU-Basisverordnung (VO 178/2002) umgestaltet. Viele Paragraphen des LMBG finden sich auch im neuen Gesetz wieder. Gleichzeitig sind die Bestimmungen über Tabakerzeugnisse nicht mehr im LFGB enthalten, sondern werden jetzt als „Vorläufiges Tabakgesetz“ zusammen­gefasst. Der Paragraph 12 LFGB sieht ein Verbot der krankheitsbezogenen Werbung für Lebensmittel vor, d. h. es ist verboten, in der Werbung für Lebensmittel Aussagen, die sich auf die Besei­tigung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten beziehen, zu verwenden. 3.3 Spezielle Regelungen für Tabak und Alkohol Außer diesen generellen rechtlichen Rahmenbedingungen für Werbung gelten noch spezielle Regelungen für Tabak- und Alkoholwerbung. Vorläufiges Tabakgesetz Das Vorläufige Tabakgesetz67 gilt seit dem 1. September 2005 und enthält Vorschriften im Zusammenhang mit Tabakprodukten. Die Richtlinie 2003/33/ EG68 beschränkt die Werbung für Tabakerzeugnisse. Diese Richtlinie wurde am 66 Vgl. Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB), zuletzt geändert am 26. Februar 2008. In der aktuellen Fassung zu finden unter: http://bundesrecht. juris.de. 67 Vgl. Vorläufiges Tabakgesetz, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3365). In der aktuellen Fassung zu finden unter: http://bundesrecht.juris.de. 68 Vgl. Richtlinie 2003/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 (ABl. L 152 vom 20. Juni 2003, S. 16) berichtigt am 5. März 2004 (ABl. L 067 vom 5. März 2004, S. 34) in der Lesefassung zu finden unter http://eur-lex.europa.eu. 47 29. Dezember 2006 in nationale Gesetz­gebung umgesetzt69 und findet sich in dem Vorläufigen Tabakgesetz wieder. Werbung wird hier definiert als „jede Art kommerzieller Kommunikation mit dem Ziel oder der direkten oder indirekten Wirkung, den Verkauf eines Tabakerzeugnisses zu fördern“.70 Dies entspricht der in der Gesetzgebung generell zu findenden sehr umfassenden Definition von Werbung als jeder Form der Absatzförderung. In Paragraph 21a und Paragraph 22 des Vorläufigen Tabakgesetzes sind die Einschränkungen für Werbung für Tabakerzeugnisse festgelegt. Es ist verboten, für Tabakerzeugnisse im Hörfunk oder im Fernsehen zu werben. Es ist verboten, für Tabakerzeugnisse in der Presse oder in einer anderen gedruckten Veröffentlichung zu werben, es sei denn, diese sind ausschließlich für im Tabakhandel tätige Personen bestimmt oder betreffen in ihrem redaktionellen Inhalt weit überwiegend Tabakerzeugnisse oder ihrer Verwendung dienende Produkte. Dies gilt entsprechend für die Werbung für Tabakerzeugnisse in Diensten der Informationsgesellschaft.71 Dienste der Informationsgesellschaft sind Dienstleistungen, die in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbracht werden. Das Sponsoring wird eingeschränkt. Es ist nach Paragraph 21a des Vorläufigen Tabakgesetzes einem Unternehmen, dessen Haupttätigkeit die Herstellung oder 69 Dieser Umsetzung ist eine Klage der Bundesregierung vorweg gegangen. Am 12. Dezember 2006 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Klage der Bundesregierung gegen die EU-Richtlinie über Tabakwerbung abgewiesen und das Regelwerk für rechtmäßig erklärt. In den Urteilsgründen hat der EuGH ausgeführt, dass bei Erlass der Richtlinie Unterschiede zwischen den nationalen Regelungen über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen bestanden hätten. Diese Unterschiede seien geeignet gewesen, den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr innerhalb des Binnenmarkts zu behindern. Das Tätigwerden des EU-Gesetzgebers sei deshalb gerechtfertigt. Nicht zu beanstanden sei, dass er sich bei Erlass der Richtlinie möglicherweise auch von Gesundheitsschutzüberlegungen habe leiten lassen. Der ausdrückliche Ausschluss jeglicher Harmonisierung der in diesem Bereich bestehenden Vorschriften der Mitgliedstaaten bedeute nicht, dass eine auf einer anderen Grundlage erlassene Harmonisierungsmaßnahme keine Auswirkungen auf den Schutz der menschlichen Gesundheit haben dürfe (vgl. hierzu Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft. EU Werbepolitik - Tabak. http://www. zaw.de/index.php?menuid=108). 70 Vgl. Artikel 2b der Richtlinie 2003/33/EG. 71 Dienste der Informationsgesellschaft sind Dienste im Sinne des Artikels 1 Absatz 2 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft. 48 der Verkauf von Tabakerzeugnissen ist, verboten, ein Hörfunkprogramm zu sponsern. Auch das Spon­soring von Veranstaltungen und Aktivitäten mit grenzüberschreitender Wirkung ist diesen Unternehmen untersagt. Sponsoring bezeichnet hier jede Art von öffentlichem oder privatem Beitrag zu einer Veranstaltung oder Aktivität oder jede Art von Unterstützung von Einzel­personen mit dem Ziel oder der direkten oder indirekten Wirkung, den Verkauf eines Tabak­erzeugnisses zu fördern. Es ist nach Paragraph 22 des Vorläufigen Tabakgesetzes verboten, in der Werbung für Tabakerzeugnisse allgemein oder im Einzelfall Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Aussagen zu verwenden, durch die der Eindruck erweckt wird, dass der Genuss oder die bestimmungs­gemäße Verwendung von Tabakerzeugnissen gesundheitlich unbedenklich oder geeignet ist, die Funktion des Körpers, die Leistungsfähigkeit oder das Wohlbefinden günstig zu beein­flussen oder die das Inhalieren des Tabakrauchs als nachahmenswert erscheinen lassen. Der Jugendschutz findet seinen Ausdruck in dem Verbot der Werbung, die ihrer Art nach besonders dazu geeignet ist, Jugendliche oder Heranwachsende zum Rauchen zu veran­lassen. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates, soweit es zum Schutz des Verbrauchers erforderlich ist, insbesondere die Art, den Umfang oder die Gestaltung der Werbung durch bestimmte Werbemittel oder an bestimmten Orten zu regeln sowie die Verwendung von Darstellungen oder Äußerungen von Angehörigen bestimmter Personen­gruppen zu verbieten oder zu beschränken. Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste ohne Grenzen Die Werbung im Fernsehen ist in der Richtlinie 2007/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 zur Änderung der Richtlinie 89/552/EWG des Rates zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit gesetzlich normiert. Mit dieser „Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste ohne Grenzen“ wird die 1989 verabschiedete und erstmals 1997 geänderte Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“ überarbeitet. 49 Nach dieser Richtlinie gilt: „Jede Form der audiovisuellen kommerziellen Kommunikation für Zigaretten und andere Tabakerzeugnisse ist untersagt.“ 72 Fernsehwerbung und Teleshopping für alkoholische Getränke müssen folgenden Kriterien entsprechen:73 • • • • • • Sie dürfen nicht speziell an Minderjährige gerichtet sein und insbesondere nicht Minderjährige beim Alkoholgenuss darstellen. Es darf keinerlei Verbindung zwischen einer Verbesserung der physischen Leistung und Alkoholgenuss oder dem Führen von Kraftfahrzeugen und Alkoholgenuss hergestellt werden. Es darf nicht der Eindruck erweckt werden, Alkoholgenuss fördere sozialen oder sexuellen Erfolg. Sie dürfen nicht eine therapeutische, stimulierende, beruhigende oder konflikt­lösende Wirkung von Alkohol suggerieren. Unmäßigkeit im Genuss alkoholischer Getränke darf nicht gefördert oder Enthaltsamkeit oder Mäßigung nicht negativ dargestellt werden. Die Höhe des Alkoholgehalts von Getränken darf nicht als positive Eigenschaft hervorgehoben werden. Nach Artikel 3 gilt auch ein besonderer Schutz für Minderjährige: • • 72 73 Audiovisuelle kommerzielle Kommunikation für alkoholische Getränke darf nicht speziell an Minderjährige gerichtet sein und darf nicht den übermäßigen Genuss solcher Getränke fördern. Audiovisuelle Kommunikation darf nicht zur körperlichen oder seelischen Beeinträchtigung Minderjähriger führen. Daher darf sie keine direkten Aufrufe zum Kaufen oder Mieten von Waren oder Dienstleistungen an Minderjährige richten, die deren Unerfahrenheit und Leichtgläubigkeit ausnutzen, Minderjährige nicht unmittelbar dazu auffordern, ihre Eltern oder Dritte zum Kauf der beworbenen Ware oder Dienstleistung zu bewegen, nicht das besondere Vertrauen ausnutzen, das Minderjährige zu Eltern, Lehrern und anderen Vertrauenspersonen haben, und Minderjährige nicht ohne berechtigten Grund in gefährlichen Situationen zeigen. Vgl. Artikel 3e Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste. http://ec.europa.eu/avpolicy/docs/reg/avmsd/avmsd_comp_table_de.pdf. Vgl. Artikel 3e Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste. http://ec.europa.eu/avpolicy/docs/reg/avmsd/avmsd_comp_table_de.pdf. 50 Auf europäischer Ebene gibt es weiterhin Empfehlungen des Rates vom 5. Juni 2001 zum Alkoholkonsum von jungen Menschen, insbesondere von Kindern und Jugendlichen.74 Nach diesen Empfehlungen sollten die Mitgliedstaaten, unter Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen oder Selbstkontrollmechanismen, gegebenenfalls gemeinsam mit den Herstellern und Vertreibern alkoholischer Getränke und einschlägigen Nichtregierungsorganisationen, die Einführung wirksamer Mechanismen in den Bereichen Werbung, Vermarktung und Abgabe an den Verbraucher fördern, mit denen dafür gesorgt wird, dass die Hersteller keine alkoholischen Erzeugnisse gezielt für Kinder und Jugendliche produzieren und dass die Aufmachung alkoholischer Erzeugnisse oder die Werbung für sie nicht auf Kinder und Jugendliche abzielt, wobei unter anderem auf Folgendes besonders zu achten ist: • • • • • • • • • Verwendung von Trendsymbolen (wie Zeichen, Motive oder Farben), die mit der Jugendkultur assoziiert werden; Einsatz von Kindern, Jugendlichen oder anderen jung wirkenden Models in Werbekampagnen; Anspielungen auf den Konsum von Drogen und anderen schädlichen Stoffen wie Tabak, oder damit assoziierte Bilder; Verbindungen mit Gewalt oder gesellschaftsfeindlichem Verhalten; Suggestion von sozialem, sexuellem oder sportlichem Erfolg; Aufforderung an Kinder und Jugendliche zum Alkoholkonsum, einschließlich des Verkaufs alkoholischer Getränke zu Billigpreisen an Jugendliche; Werbung bei Sport- und Musikveranstaltungen oder anderen besonderen Veranstaltungen, bei denen eine nennenswerte Anzahl von Kindern oder Jugendlichen als Teilnehmer oder Zuschauer anwesend sind, oder Sponsoring solcher Veranstaltungen; Werbung in Medien, die auf Kinder und Jugendliche abzielen oder die eine erhebliche Zahl von Kindern und Jugendlichen ansprechen; kostenlose Verteilung alkoholischer Getränke an Kinder und Jugendliche und Verkauf oder kostenlose Verteilung von Erzeugnissen, mit denen der Absatz alkoholischer Getränke gefördert werden soll und die möglicherweise insbesondere auf Kinder und Jugendliche wirken. Es sollen gegebenenfalls besondere Schulungen des Bedienungs- und Verkaufspersonals in Bezug auf den Kinder- und Jugendschutz entwickelt werden, unter 742001/458/EC (Amtsblatt Nr. L 161 vom 16. Juni 2001, S. 38-41). 51 Berücksichtigung bestehender rechtlicher Beschränkungen des Ausschanks und des Verkaufs von Alkohol an Kinder und Jugendliche. Diese Empfehlungen werden in den Mitgliedstaaten ganz unterschiedlich umgesetzt. Alle europäischen Länder verfügen über mindestens eine Regelung, die die Vermarktung von Alkohol und Alkoholwerbung betrifft, davon sind in 24 Staaten 49 Regelungen gesetzlich und 27 nichtgesetzlich. In allen Staaten – mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs – gibt es ein wie auch immer geartetes Verbot einer oder mehrerer Arten von Werbung.75 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag Der Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag - JmStV)76 sieht Einschränkungen der Werbung generell und im Besonderen für Tabak und Alkohol vor. Nach Paragraph 6 darf Werbung keine direkten Kaufappelle an Kinder und Jugendliche enthalten, die deren Unerfahrenheit und Leichtgläubigkeit ausnutzt. Werbung, die sich auch an Kinder und Jugendliche richtet oder bei der Kinder oder Jugendliche als Darsteller eingesetzt werden, darf nicht den Interessen von Kindern oder Jugendlichen schaden. Werbung für alkoholische Getränke darf sich weder an Kinder und Jugendliche richten, noch durch die Art der Dar­ stellung Kinder und Jugendliche besonders ansprechen oder diese beim Alkoholgenuss darstellen. Entsprechendes gilt für die Werbung für Tabak in Telemedien. Jugendschutzgesetz Das Jugendschutzgesetz77 reguliert auch die Werbung in Filmveranstaltungen. Nach Paragraph 11 dürfen Werbefilme und Werbeprogramme, die für Tabakwaren oder alkoholische Getränke werben, nur nach 18 Uhr vorgeführt werden. 75 Vgl. hierzu im Detail „Die Auswirkungen von Alkoholwerbung“, Bericht über das ElsaProjekt und die Argumente für eine Verschärfung der Bestimmungen zum Schutz von Jugendlichen, S. 5. http://www.dhs.de/makeit/cms/cms_upload/dhs/alkoholwerbung.pdf. 76 Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien vom 10. bis 27. September 2002, zuletzt geändert durch Artikel 2 des Elften Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 12. Juni 2008, in Kraft getreten am 1. Januar 2009. http://www.kjm-online.de/public/kjm/downloads/JMStV_Stand%2011%20RStV.pdf. 77 Jugendschutzgesetz vom 23. Juli 2002, zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 31. Oktober 2008, in Kraft getreten am 5. November 2008. http://www.kjm-online.de/public/kjm/downloads/juschg%20081128.pdf. 52 Nationales Aktionsprogramm zur Tabakprävention Bisher noch erlaubt ist die Bewerbung von Tabakerzeugnissen im Außenbereich (Plakate etc.) und in Filmtheatern. Für diese nicht grenzüberschreitend wirkenden Medien konnte die Europäische Union den Mitgliedstaaten mangels Rechtsetzungskompetenz keine Vorgaben setzen. Es liegen Empfehlungen des Drogen- und Suchtrates an die Drogenbeauftragte für ein Nationales Aktionsprogramm zur Tabakprävention78 vor. Es werden Maßnahmen in den fünf Bereichen Tabaksteuererhöhung, Werbeverbote, Tabak­ entwöhnung, Schutz vor Passiv­rauchen und Verhinderung des Einstiegs in das Rauchen vorgeschlagen. In Bezug auf die Werbung werden folgende Strategieempfehlungen gegeben (S. 11): • • • Umfassende Werbeverbote für Tabakprodukte in sämtlichen Medien (z. B. Kinos). Mit diesen Regelungen sollen die direkte und indirekte Werbung sowie Sponsoring­maßnahmen für Tabakwaren vollständig unterbunden werden. Verbot der (Großflächen-)Plakatwerbung für Tabakwaren. Durchsetzung eines Rauchverbots in Film- und Fernsehproduktionen, die mit öffentlichen Mitteln (ko-)produziert werden, soweit bei der Produktion nicht aus künstlerischen oder dokumentarischen Gründen Rauchszenen erforderlich sind. Nationales Aktionsprogramm zur Alkoholprävention Im Rahmen des Nationalen Aktionsprogramms zur Alkoholprävention79 sollen, neben anderen Maßnahmen, auch die Werbung und das Sponsoring eingeschränkt 78 Empfehlungen des Drogen- und Suchtrates an die Drogenbeauftragte für ein Nationales Aktionsprogramm zur Tabakprävention in der Fassung vom 9. Juni 2008, erarbeitet von der Facharbeitsgruppe „Suchtprävention“ im Auftrag des Drogen- und Suchtrates, aktualisiert durch Beschluss der Bund-Länder-Steuerungsgruppe vom 21. April 2008 und aktualisiert durch Beschluss des Drogen- und Suchtrates vom 9. Juni 2008. http://www. bmg.bund.de/cln_117/SharedDocs/Downloads/DE/Drogen-Sucht/Tabak/EmpfehlungenNationales-Aktionsprogramm-Tabak,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Empfehlungen-Nationales-Aktionsprogramm-Tabak.pdf. 79 Empfehlungen des Drogen- und Suchtrates an die Drogenbeauftragte für ein Nationales Aktionsprogramm zur Alkoholprävention in der Fassung vom 9. Juni 2008, erarbeitet von der Facharbeitsgruppe „Suchtprävention“ im Auftrag des Drogen- und Suchtrates, aktualisiert durch Beschluss der Bund-Länder-Steuerungsgruppe vom 21. April 2008 und aktualisiert durch Beschluss des Drogen- und Suchtrates vom 9. Juni 2008. http://www.bmg.bund.de/cln_117/SharedDocs/Downloads/DE/Neu/Alkohol__Aktionspla 53 werden. So wird davon ausgegangen, dass ein Teil der im Deutschen Fernsehen ausgestrahlten Alkoholwerbung, entgegen Paragraph 6 JugendmedienschutzStaatsvertrag, bevorzugt Jugendliche anspricht. Es wird eine Regulierung der Alkoholwerbung durch Werbeverbote empfohlen. Auch das Sponsoring von Veranstaltungen - insbesondere im Bereich des Sports - soll eingeschränkt werden. Nach dem Nationalen Aktionsprogramm sollten sich Werbeverbote für Alkohol auf bestimmte Arten von Werbung (z. B. Sponsoring im Sportbereich, Werbung in Verbindung mit Sportsendungen im Fernsehen, im Internet) auf festgelegte Orte (z. B. in Fußballstadien und anderen Sportstätten) und auf bestimmte Zeiten (keine Werbung für Alkohol in Fernsehen und Kino vor 20.00 Uhr) beziehen. Es wird konkret empfohlen, analog dem Tabakgesetz oder als Ergänzung im Jugendmedien­schutz-Staatsvertrag die Werbung für Alkohol vor 20.00 Uhr in Kinos zu untersagen sowie ein Werbeverbot für Alkohol in Fußballstadien und anderen Sportstätten sowie in Verbindung mit (Sport-)Sendungen im Fernsehen auszusprechen. Es wird die Verabschiedung eines „Alkohol­werbekontrollgesetzes“ angestrebt, mit dem auf dem Verordnungswege Alkohol­werbung in Medien untersagt werden kann, die über eine Produktinformation hinausgeht. Es ist das Ziel der Drogenbeauftragten, die freiwillige Werbeselbstkontrolle bei Alkohol durch eine gesetzliche Werbekontrolle zu ersetzen, da erstere nach Ansicht der Drogenbeauftragten nicht ausreichend eingehalten werde. WHO Framework Convention on Tobacco Control Die Tabakrahmenkonvention der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist das erste weltweite Gesundheitsabkommen, das sich zum Ziel gesetzt hat, weltweit den Tabakkonsum in den Vertragsparteienstaaten durch gemeinsame Anstrengungen zu reduzieren. Die Tabakrahmen­konvention wurde von der Bundesrepublik Deutschland am 24. Oktober 2003 unterschrieben, am 16. Dezember 2004 ratifiziert und ist am 16. März 2005 in Kraft getreten.80 In Artikel 13 der Tabakrahmenkonvention erkennen die Vertragsparteien an, dass ein umfassendes Verbot der Werbung, der Verkaufsförderung und des Sponsorings den Konsum von Tabakerzeugnissen vermindern würde. Jede Vertragspartei verpflichtet sich, in Überein­stimmung mit ihrer Verfassung oder ihren n,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/Alkohol_Aktionsplan.pdf. 80 Vgl. World Health Organization (WHO): Full list of Signatories and Parties to the WHO Framework Convention on Tobacco Control. http://www.who.int/fctc/signatories_parties/en/index.html. 54 verfassungsrechtlichen Grundsätzen ein umfassen­des Verbot aller Formen von Tabakwerbung, Förderung des Tabakverkaufs und Tabak­sponsoring zu erlassen.81 Die dritte Konferenz der Vertragsparteien zur WHO-Tabakrahmenkonvention hat am 22. November 2008 in Durban (Südafrika) Leitlinien zur Ausgestaltung der internationalen Tabakrahmenkonvention verabschiedet.82 Diese Leitlinien betreffen die Umsetzung umfassen­der Tabakwerbeverbote, die Verpackung und Etikettierung von Tabakerzeugnissen sowie die Unabhängigkeit der Gesundheitspolitik von den Interessen der Tabakindustrie. Die verabschiedeten Leitlinien sind Empfehlungen für Maßnahmen in der Tabakpolitik, die sich die internationale Staatengemeinschaft unter dem Dach der Weltgesundheitsorganisation zur Umsetzung der Tabakrahmenkonvention erarbeitet hat. Sie sind keine verbindlichen Regelungen für die Mitgliedsstaaten, sondern eine Orientierung zur weiteren Ausgestaltung der nationalen Politik. Die Leitlinien sehen ein umfassendes Verbot (ohne Ausnahme) jeglicher Form der direkten oder indirekten Tabakwerbung, Verkaufsförderung und des Sponsoring vor, die das Ziel, die Wirkung oder auch mögliche Wirkung hat, ein Tabakprodukt oder den Gebrauch von Tabak zu fördern. Auch am Verkaufsort sollen Tabakprodukte nicht mehr sichtbar ausgelegt werden dürfen. Der Verkauf über Automaten und über das Internet soll gänzlich verboten werden.83 Werbeselbstkontrolle Zur gesetzlichen Werbekontrolle ist im Jahre 1949 mit der Gründung des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft e.V. (ZAW) die freiwillige Werbe­ selbstkontrolle hinzu­ge­kom­men. Das Ziel ist die Erhöhung der Selbstverantwortlichkeit der werbenden Unternehmen und damit staatliche Werberegeln und Werbeaufsicht entbehrlich zu machen. 81 Vgl. World Health Organization (WHO): Framework Convention on Tobacco Control. World Health Organization 2003, updated reprint 2004, 2005. http://www.who.int/tobacco/framework/WHO_FCTC_english.pdf. 82 Vgl. Pressemitteilung des Bundesministerium für Gesundheit vom 8. November 2008: Empfehlungen zu Verpackung und Werbung für Tabakprodukte und zur Unabhängigkeit der Gesundheitspolitik von der Tabakindustrie verabschiedet. 83 Vgl. World Health Organization (WHO) Framework Convention on Tobacco Control: Elaboration of guidelines for implementation of Article 13 of the Convention FCTC/ COP/3/9, 2. September 2008. http://www.who.int/gb/fctc/PDF/cop3/FCTC_COP3_9-en.pdf. 55 Als Dachorganisation ist der ZAW der Interessenverwalter seiner mittlerweile 43 Mitgliedsverbände. Zur Förderung der freiwilligen Selbstkontrolle gründete der ZAW im Jahre 1972 den Deutschen Werberat (DWR). Der DWR dient dabei als zentrale Institution für selbstdisziplinäre Maßnahmen. Bei Beschwerden von Verbrauchern über gesetzwidrige oder zweifelhafte Werbemaßnahmen oder auch aus Eigeninitiative schaltet sich der Werberat ein, um diese zu verhindern oder abzustellen. Im Jahre 2007 gab es 269 Werbeaktivitäten zur Überprüfung vor dem Werberat. 187 Werbeaktivitäten wurden von Kritik freigesprochen. Die anderen 82 wurden beanstandet. Davon erklärten sich 79 werbende Unternehmen bereit, die betreffenden Werbemaßnahmen zu ändern oder einzustellen. Drei Unternehmen schalteten ihre Werbung weiterhin in unveränderter Form und mussten deshalb öffentlich gerügt werden.84 Zusätzlich entwickelte der DWR mehrere Verhaltensregeln für die Werbepraxis. Darunter fallen unter anderem die „Verhaltens­regeln des Deutschen Werberates für die Werbung mit und vor Kindern in Hörfunk und Fernsehen“ von 1998 und die „Verhaltensregeln des Deutschen Werberats über die kommer­zielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke“ vom Januar 2005 bzw. in der Fassung gültig ab April 2009. Die Verhaltensregeln für die Werbung mit und vor Kindern lehnen sich weitgehend an die gesetzlichen Bestimmungen an und gehen nicht darüber hinaus. Die Verhaltensregeln für die Kommunikation für alkoholhaltige Getränke hingegen sind deutlich konkreter als die gesetzlichen Bestimmungen und gehen teilweise darüber hinaus. Die gesetzlichen Regelungen werden durch diese freiwilligen Verhaltensregeln für das Produkt Alkohol konkretisiert und interpretiert. Bei der Gestaltung und Durchführung von Maßnahmen der kommerziellen Kommunikation für alkoholhaltige Getränke sollen insbesondere die nachstehenden Grundsätze beachtet werden:85 84 Vgl. Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (2008), S. 43 ff. 85 Vgl. Verhaltensregeln des Deutschen Werberats über die kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke vom Januar 2005. http://www.interverband.com/dbview/owa/IGservsearch1.opt4middlerow?puid=2786408 &paid=69392&pccat=217042&pscat=4349&purl=/werberat. 56 • • • • • • • • • • • • Kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke soll nicht zu schädlichem Konsum alkoholhaltiger Getränke auffordern oder einen solchen Konsum verharm­losen. Kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke soll keine Menschen zeigen, die erkennbar zuviel alkoholhaltige Getränke zu sich genommen haben, oder den Eindruck erwecken, ein solches Konsumverhalten sei akzeptabel. Kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke soll keine Verbindung zwischen dem Konsum alkoholhaltiger Getränke und gewalttätigen, aggressiven oder gefährlichen Verhaltensweisen herstellen. Kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke soll den verantwortungs­vollen Umgang mit alkoholhaltigen Getränken fördern und den Verzicht auf alkohol­haltige Getränke nicht abwertend darstellen. Kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke soll Kinder und/ oder Jugendliche weder zum Trinken alkoholhaltiger Getränke auffordern noch trinkende bzw. zum Trinken auffordernde Kinder und/oder Jugendliche zeigen. Kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke soll nicht in Medien erfolgen, deren redaktioneller Teil sich mehrheitlich an Kinder und/ oder Jugendliche richtet. Kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke soll keine Aussagen enthalten, in denen Kinder und/oder Jugendliche als noch nicht alt genug für den Konsum alkoholhaltiger Getränke angesprochen und dadurch zum Trinken provoziert werden. Kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke soll keine Personen darstellen, die aussagen, dass sie bereits als Kind oder Jugendlicher alkoholhaltige Getränke getrunken haben. Kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke soll keine trinkenden oder zum Trinken auffordernden Leistungssportler darstellen. Kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke soll keine trinkenden oder zum Trinken auffordernden Personen beim Führen von Fahrzeugen zeigen. Kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke soll keine Verbindung zwischen dem Konsum alkoholhaltiger Getränke und dem Führen eines Fahrzeuges herstellen. Kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke soll keinen Konsum alkohol­­­haltiger Getränke in Situationen darstellen, die gegen Sicherheits­bestimmungen verstoßen. 57 • • • • • • • • • • Kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke soll keine Aussagen zur Beseitigung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten enthalten. Kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke soll keine Aussagen enthalten, die alkoholhaltigen Getränken die Wirkungen eines Arzneimittels zusprechen. Kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke soll keine bildlichen Darstellungen von Personen in der Berufskleidung oder bei der Tätigkeit von Angehörigen der Heilberufe, des Heilgewerbes oder des Arzneimittelhandels enthalten. Kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke soll nicht einen hohen Alkoholgehalt eines Getränks als besonderes Merkmal einer Marke oder als Kauf­aufforderung herausstellen. Kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke soll nicht den Eindruck erwecken, ein niedriger Alkoholgehalt eines Getränks verhindere einen schädlichen Konsum. Kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke soll keine Aussagen enthalten, die auf eine enthemmende Wirkung alkoholhaltiger Getränke abstellen. Kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke soll keine Aussagen enthalten, die auf die Beseitigung oder Linderung von Angstzuständen abstellen. Kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke soll keine Aussagen oder Darstellungen enthalten, die auf die Beseitigung oder Überwindung von psycho­sozialen Konflikten abstellen. Kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke soll keine Aussagen enthalten, die auf eine Verbesserung der physischen Leistungsfähigkeit durch den Konsum alkoholhaltiger Getränke abstellen. Kommerzielle Kommunikation für alkoholhaltige Getränke soll nicht den Eindruck erwecken, der Konsum alkoholhaltiger Getränke fördere sozialen oder sexuellen Erfolg. Mit diesen freiwilligen Selbstverpflichtungen der Werbewirtschaft wird detailliert dargelegt, welche Werbeaussagen in der Alkoholwerbung nicht erwünscht sind. Werbeaussagen sind nicht erwünscht, wenn sie geeignet erscheinen, zu einem schädlichen Konsum aufzufordern, ihn zu verharmlosen oder gar akzeptabel erschei­nen zu lassen. Weiterhin sollen mit diesen Regeln Kinder und Jugendliche nicht zu einem Konsum angereizt werden. 58 Auf europäischer Ebene dient die im Juni 1991 gegründete European Advertising Standards Alliance (EASA) als Werbeselbstkontrolle. Zu ihren Zielen gehören unter anderem die Behand­lungen von Verbraucherbeschwerden über einzelne grenzüberschreitende Werbe­maßnahmen. Die ehemalige Drogenbeauftragte der Bundesregierung Sabine Bätzing hält die gegenwärtige Form der freiwilligen Selbstkontrolle für „unzureichend, weil sie einfach nicht eingehalten wird“. Die Drogenbeauftragte wünscht an Stelle einer freiwilligen Vorkontrolle eine obligatorische Vor­kontrolle der Werbung.86 Bei Tabak und Tabakprodukten und insbesondere bei Alkohol ist eine sehr differenzierte rechtliche Normierung der Werbaussagen zu finden. Bei Alkohol wird deutlich zwischen normalem und schädlichem Konsum unter­schie­den. Die Werbeeinschränkungen zielen insbesondere auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen ab. Bei Tabak ist jeglicher Konsum schädlich und dementsprechend sind auch die Werbe­einschränkungen umfassender. 3.4 Spezielle Regelungen für Glücksspiel Die generellen Werbegebote, wie das Verbot irreführender oder unlauterer Werbung und die Werbeeinschränkungen, die auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen abzielen, gelten auch für die Glücksspielwerbung. Der Glücksspielstaatsvertrag ist als ein erster Versuch anzusehen, darüber hinaus auch für den Glücksspielbereich spezielle Werbegebote zu definieren. Die Werbeeinschränkungen bei Glücksspielprodukten sind sehr viel weniger detailliert und ausdifferenziert, als die Werbeeinschränkungen bei Alkohol und Tabak. Die unterschiedlichen Perspektiven eines gefährdeten oder gar pathologischen, d. h. schutzbedürftigen Spielers, und eines durchschnittlichen Spielers haben keine Berücksichtigung gefunden. Es wird auch nicht das Suchtgefährdungspotential des jeweiligen Glücksspielprodukts berücksichtigt. Wie dargestellt, kann bei den staatlich angebotenen Lotterien nicht von einem nennenswerten Suchtgefährdungspotential gesprochen werden. Diese sind schon von dem Spielablauf her ungefährlich. Die Werbung für Glücksspielprodukte wird zwar in dem Glücksspielstaatsvertrag geregelt, doch sind die Vorschriften auslegungsbedürftig. Werbung für 86 Vgl. Interview mit der Drogenbeauftragten der Bundesregierung in der Lebensmittelzeitung vom 13. März 2009, S. 30. 59 Glücksspiel hat mit den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags vereinbar zu sein und sich dabei auf die Information und Aufklärung zu beschränken. Die Werbung darf nicht gezielt zur Teilnahme auffordern, anreizen oder ermuntern. Die Werberichtlinien der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder füllen diese generellen Kriterien mit Inhalt und legen diese praktisch aus. In diesem letzten Abschnitt dieses Kapitels wird auf die gesetzliche Normierung der Werbung durch den Glücksspielstaatsvertrag und auf die Werberichtlinien eingegangen. In dem nächsten Kapitel werden dann die Ergebnisse der gerichtlichen Auseinandersetzungen zu der Werbung dargestellt. Glücksspielstaatsvertrag In dem Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland87 (Glücksspielstaatsvertrag) wird die Werbung für Glücksspiel gesetzlich normiert. Paragraph 5 des Glücksspielstaatsvertrags schränkt die erlaubte Werbung für Glücksspiel ein: (1) Werbung für öffentliches Glücksspiel hat sich zur Vermeidung eines Aufforderungscharakters bei Wahrung des Ziels, legale Glücksspielmöglichkeiten anzubieten, auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Glücksspiel zu beschränken. (2) Werbung für öffentliches Glücksspiel darf nicht in Widerspruch zu den Zielen des § 1 stehen, insbesondere nicht gezielt zur Teilnahme am Glücksspiel auffordern, anreizen oder ermuntern. Sie darf sich nicht an Minderjährige oder vergleichbar gefährdete Zielgruppen richten. Die Werbung darf nicht irreführend sein und muss deutliche Hinweise auf das Verbot der Teilnahme Minderjähriger, die von dem jeweiligen Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und Hilfsmöglichkeiten enthalten. (3) Werbung für öffentliches Glücksspiel ist im Fernsehen (§§ 7 und 8 Rundfunkstaatsvertrag), im Internet sowie über Telekommunikationsanlagen verboten. (4) Werbung für unerlaubte Glücksspiele ist verboten. Diese Werbeeinschränkungen des Glücksspielstaatsvertrags reichen über die generellen gesetzlichen Werbebeschränkungen weit hinaus und werden in den folgenden Abschnitten zusammengefasst und nacheinander diskutiert. 87 Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag GlüStV). https://gluecksspiel.uni-hohenheim.de/fileadmin/einrichtungen/gluecksspiel/Staatsvertrag/GlueStV.pdf. 60 Werbung für öffentliches Glücksspiel darf nicht in Widerspruch zu den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags stehen und hat sich auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Glücksspiel zu beschränken und darf nicht gezielt zur Teilnahme am Glücksspiel auffordern, anreizen oder ermuntern Der Bundesgerichtshof definiert Werbung als „jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern.“88 Werbung umfasst also praktisch alle Maßnahmen, denen die Absatzförderung gemeinsam ist. Der Glücksspielstaatsvertrag lehnt sich an das BGH-Urteil „Telefonische Gewinnauskunft“ in den Erläuterungen zu Paragraph 5 Glücksspielstaatsvertrags explizit an: „Vor diesem Hintergrund richtet sich das Verbot des gezielten Aufforderns, Anreizens oder Ermunterns zur Teilnahme am Glücksspiel in Satz 1 vor allem gegen unangemessene unsachliche Werbung. Verboten sind insbesondere die Glücksspiel­sucht fördernde Formen der Werbung etwa durch verkaufsfördernde Maßnahmen wie Rabatte, Gutscheine und ähnliche Aktionen.“89 Jeder Art von Werbung ist ein gewisser Aufforderung- und Anreizmoment immanent, auch einer rein informativen Werbung. Dies wird bereits in den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag anerkannt und darauf hingewiesen, dass sich das Werbeverbot vor allem gegen unangemessene unsachliche Werbung richtet. Die Vorschriften für Werbung gelten für Werbung für „öffentliches Glücksspiel“. Da jedes andere Glücksspielangebot (bis auf das gewerbliche Glücksspiel der Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit) untersagt ist, sind diese Vorschriften erst einmal allumfassend zu interpretieren. Die Vereinbarkeit der Werbung mit den Zielen des Staatsvertrags steht an erster und wichtigster Stelle. Die Ziele des Staatsvertrags sind in Paragraph 1 definiert: 88 Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. Juni 2005 - I ZR 279/02. 89 Erläuterungen zum Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland, S. 15 f. 61 Ziele des Staatsvertrages sind 1. das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen, 2. das Glücksspielangebot zu begrenzen und den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, insbesondere ein Ausweichen auf nicht erlaubte Glücksspiele zu verhindern, 3. den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten, 4. sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrü­gerischen Machenschaften geschützt und die mit Glücksspielen verbundene Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt werden. Diese Beschränkung der Werbung auf Information und Aufklärung knüpft fast wortwörtlich an das Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 28. März 2006 an. Dort heißt es: „Die Werbung für das Wettangebot hat sich zur Vermeidung eines Aufforderungscharakters bei Wahrung des Ziels, legale Wettmöglichkeiten anzubieten, auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeiten zum Wetten zu beschränken.“ Es soll hiermit eine „expansive Vermarktung“ verhindert werden. Die dahinter liegende Argumentation ist die folgende: Wenn der Gesetzgeber auf dem Glücks­spielmarkt ein staatliches Monopol etabliert und dieses mit „zwingenden Gründen des Allgemeininteresses“ begründet wird, so hat sich auch die Vermarktung des „öffentlichen Glücksspielangebots“ diesem Ziel unterzuordnen. Damit wird angemahnt, dass ein staatliches Angebot in höherem Maß als ein gewerbliches Angebot eine gewisse Verantwortung trägt, die sich auch in der Form der Vermarktung ausdrückt. Die vom Bundesverfassungsgericht für Sportwetten geforderten Werbebeschränkungen werden unbesehen auf alle Formen des Glücksspiels übertragen, ohne den Besonderheiten der unterschiedlichen Formen des Glücksspiels und deren unterschiedlichem Suchtgefährdungs­potential Rechnung zu tragen. Was für Sportwetten angebracht ist, gilt nicht für alle Glücksspielprodukte gleichermaßen. Der Gesetzgeber hat die Beschränkung auf eine Information und Aufklärung in Paragraph 5 Absatz 1 des Glücksspielstaatsvertrags durch zwei Zusätze näher bestimmt, die in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen. Die Beschränkung soll „zur Vermeidung eines Auf­forderungs­charakters bei Wahrung des Ziels, legale Glücksspielmöglichkeiten anzubieten“ erfolgen. Während die Vermeidung eines Aufforderungscharakters den zulässigen Inhalt und Umfang von Informati- 62 on und Aufklärung begrenzt, bringt das Ziel, ein legales Angebot zu erhalten und so den „natürlichen Spieltrieb“ in geordnete Bahnen zu lenken, eher eine Ausweitung der Werbung mit sich. Die Ziele des Glücksspielstaatsvertrags dienen dazu, dieses Spannungsverhältnis zu lösen. Bereits Heermann weist darauf hin, dass das Spannungsverhältnis zwischen Vermeidung eines Aufforderungscharakters und Erhaltung eines legalen Angebots näher aufgelöst und inhaltliche Kriterien zur Abgrenzung entwickelt werden müssen.90 Heermann begründet seine Interpretation jedoch nicht aus und mit den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags, sondern bezieht sich in seiner Auslegung auf ein Urteil des Bundes­verfassungs­gerichts aus dem Jahr 1977 zur Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung. Es ging um die Abgrenzung zulässiger Information von unzulässiger Wahlbeeinflussung. Das Bundes­verfassungs­gericht musste klären, wie anhand inhaltlicher Kriterien zulässige Information von unzulässiger Wahlbeeinflussung der Bundesregierung zugunsten einer bestimmten Partei abzugrenzen ist. Heermann überträgt diese Ausführungen auf die Werbemaßnahmen für öffentliches Glücksspiel und leitet daraus eine Reihe von sehr restriktiven Kriterien ab, die für eine informative Werbung für Glücksspiel nach seiner Auffassung zu gelten haben. Nach Ansicht von Heermann darf Werbung für Glücksspiel nur darüber informieren, unter welchen Bedingungen aus der Teilnahme an einem Glücksspiel ein Gewinn erlangt wird, ob Geld- oder Sachgewinne ausgelobt werden, wie sich die konkrete Höhe eines Geld- oder Sachgewinns sowie die Gewinnchancen ermitteln oder errechnen. Sofern bei Werbung des Glücksspielanbieters aufgrund der äußeren Form und der Aufmachung von Werbung der informative Gehalt eindeutig hinter der reklamehaften Aufmachung zurücktritt, läge keine Information über die Möglichkeit zum Glücksspiel vor und die Werbung sei unzulässig. Wenn sich bei zunehmender zeitlicher Nähe zur Durchführung des öffentlichen Glücksspiels Werbemaßnahmen häufen, handele es sich ebenfalls nicht mehr um eine Information über die Möglichkeit zum Glücksspiel. Heermann ist hier der Meinung, dass in einem solchen Fall allein schon aufgrund der Häufigkeit der Aufmerksamkeit erregenden Werbemaßnahmen der Informationsgehalt hinter deren nunmehr eindeutig überwiegenden Werbeanteil zurücktritt. Auch primär informative Werbung könne bei deutlicher Erhöhung der Zahl der Werbe­maß­ nahmen, beispielsweise kurz vor Teilnahmeschluss, eine unzulässige Anreizwirkung auf die Adressaten ausüben. 90 Vgl. hierzu Heermann (2008). 63 Diese aus der Rechtsprechung zur politischen Werbung übernommene Interpretation von Heermann ist nicht sachgerecht. Die Werbeeinschränkungen für die Werbung von Glücksspielprodukten bestimmen sich letztendlich anhand der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags. Jede Werbung, die das Entstehen von Glücks­ spielsucht und Wettsucht begünstigt, wäre nicht im Sinne des Glücksspielstaatsvertrags. Die Werbeeinschränkungen sind an der Werbewirkung auf die Gruppe der besonders schutz- und hilfebedürftigen Konsumenten zu messen. Neben Kindern und Jugendlichen sind dies die durch Spielsucht gefährdeten Spieler. Ein eng ausgelegtes generelles Verbot jeder Werbung, die über Information und Aufklärung hinausgeht, übersteigt das, was für den Spielerschutz notwendig wäre. Hier ist auf ein Problem in der Auslegung des Glücksspielstaatsvertrags hinzuweisen.91 Auf der einen Seite wird Werbung in dem Glücksspielstaatsvertrag sehr generell als jede absatzfördernde Maßnahme definiert, auf der anderen Seite ist jede Werbung, die gezielt „zur Teilnahme am Glücksspiel auffordert, anreizt oder ermuntert“, also darauf hin abzielt, den Absatz zu fördern, verboten. Zwar wird in den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag darauf hingewiesen, dass sich das Werbeverbot vor allem gegen unangemessene unsachliche Werbung richtet, doch der Wortlaut des Paragraph 5 legt es nahe, praktisch jede Form der Werbung als verboten einzuordnen. Weder Heermann in seiner Auslegung noch die ordentliche Gerichtsbarkeit in ihrer Rechtsprechung berücksichtigen die Ziele des Glücksspielstaatsvertrags in der jeweiligen Auslegung des Paragraph 5. Heermann befasst sich auch mit der Sonderproblematik der Jackpot-Werbung.92 Er ist hier der Meinung, dass die Mitteilung der Höhe eines ausgelobten Geldgewinns (z. B. „Jackpot jetzt bei 10 Millionen Euro“) regelmäßig keine Information darstellt und daher unzulässig sei. „Denn die Möglichkeit zur Glücksspielteilnahme ist auch in Unkenntnis der Höhe des Geldgewinns oder des genauen - regelmäßig hochwertigen - Sachgewinns eröffnet.“ Wenn diese Logik weiter verfolgt wird, könnte argumentiert werden, dass ja jedem Bundesbürger die Möglichkeit 91 Auf dieses Problem weist auch Rechtsanwalt Dr. Bahr in seinem Kommentar zu einem Urteil eines Oberlandesgerichts in sehr drastischen Worten hin und bezeichnet Artikel 5 als die „schwachsinnigste und absurdeste Regelung im neuen Glücksspielstaatsvertrag“. Die Bestimmung sei deswegen so missglückt, weil sie einerseits Werbung für Glücksspiele zulässt, andererseits aber verbiete, dass diese Werbung Aufforderungscharakter haben darf, was aber jeder Werbung immanent sei (Rechts-Newsletter 28. KW / 2009: Kanzlei Dr. Bahr, Abschnitt 5). 92 Vgl. hierzu Heermann (2008). 64 der Spielteilnahme an der Lotterie „6 aus 49“ bekannt sei und daher jede Form der Werbung für dieses Produkt nach dem Glücksspielstaatsvertrag untersagt sei. Dies ist zugegebenermaßen eine „extensio ad absurdum“ der Argumentation von Heermann, doch macht es deutlich, dass, ohne eine Rückbesinnung auf die Ziele des Glücksspielstaatsvertrags, eine rein an dem Text orientierte Auslegung der Werbeeinschränkungen unter Berücksichtigung der sehr generellen Definition von Werbung als jeder absatzfördernden Maßnahme der Wortlaut des Glücksspielstaatsvertrags als ein fast generelles Werbeverbot interpretiert werden kann. Aus seiner Sicht zieht Heermann hier eine systematische Parallele zu dem Verbot der Jackpot-Werbung und -Praxis bei Geldspielgeräten. Auch diese Interpretation ist nicht sachgerecht, weil sie dem unterschiedlichen Suchtgefährdungspotential der verschiedenen Glücksspielprodukte nicht Rechnung trägt. Der Jackpot bei einer Lotterie, die nur zweimal wöchentlich stattfindet und nachgewiesenermaßen nur ein unerhebliches Sucht­gefährdungspotential hat, ist aus Sicht der Suchtprävention ganz anders zu bewerten, als der Jackpot bei der nachgewiesenermaßen mit Abstand gefährlichsten Form des Glücksspiels, nämlich den Geldspielautomaten. Die Auslegung der Werbeeinschränkungen bei Glücksspielen durch Heermann berücksichtigt weder die Ziele des Glücksspielstaatsvertrags noch die Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag und schon gar nicht die vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Suchtgefährdungspotential verschiedener Formen des Glücksspiels. Durch eine Werbung für eine ungefährliche Form des Glücksspiels kann der Konsum weg von gefährlichen Glücksspielen hin zu ungefährlichen Glücks­spielen gelenkt werden. Dies ist im Sinne einer effektiven Suchtprävention und dient damit den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags. Wenn der gesetzgeberische Auftrag, den „natürlichen Spieltrieb des Menschen“ zu kanalisieren, ernst genommen wird, so bedeutet dies auch, dass Werbemaßnahmen für ungefährliche Glücksspielformen eine Konsumlenkung von den gefährlichen Spielen hin zu den ungefährlichen Spielen ermöglichen. Eine Gleichbehandlung der verschiedenen Formen des Glücksspiels wird deren unterschiedlichem Sucht­gefährdungs­potential nicht gerecht und steht daher nicht mit den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags im Einklang. Bei ungefährlichen Glücksspielprodukten sollte irreführende, unsachliche, unangemessene oder unlautere Werbung verboten sein. Eine Beschränkung auf Information und Aufklärung für diese Produkte ist angesichts des unbedeutenden Suchtgefährdungspotentials nicht angemessen und schon gar nicht verhältnismäßig und kann dem Kanalisierungsauftrag des Staates sogar entgegenstehen. 65 Die hier vertretene differenzierte Auffassung wird auch von Hecker und Ruttig in dem Kommentar zum Glücksspielrecht geteilt. Das erste und vorrangige Ziel des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV) ist, „das Entstehen von Glücksspiel­sucht und Wettsucht zu verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Sucht­ bekämpfung zu schaffen.“ Diesem Ziel haben sich auch die Vorschriften für Werbung unterzuordnen. Hecker und Ruttig93 merken an: „Wenn aber wichtigstes Ziel des GlüStV die Verhinderung von Glücksspielsucht und Wettsucht ist (hier unterscheidet der Staatsvertrag) und durch den GlüStV die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung geschaffen werden sollen, dann darf das unterschiedliche Suchtpotenzial der einzelnen Spielarten nicht unberücksichtigt bleiben. Auch um nicht in Konflikte mit dem Übermaßverbot zu geraten, ist bei der Beurteilung der Frage, ob eine Werbung den Zielen des § 1 widerspricht, daher zwischen den einzelnen Glücksspielformen zu unterscheiden. Für das weniger gefährliche LOTTO ist demnach ein großzügigerer Maßstab anzulegen als etwa für Casinospiele oder Sportwetten zu festen Gewinnquoten.“ Hieraus wird nach Hecker und Ruttig deutlich, dass „die Regelungsinhalte der Norm keine starren Vorgaben in Bezug auf die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einzelner Werbemaßnahmen und -darstellungsarten beinhalten können, sondern einer flexiblen und dynamischen Handhabung bedürfen, die den aktuellen Marktgegebenheiten Rechnung trägt“. Hecker und Ruttig weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Sportwetten­ent­scheidung vom 28. März 2006 offensichtlich sogar aggressive Werbung toleriert, wenn es ausführt, dass es nicht darauf ankomme, „ob die Werbung als aggressiv zu bewerten ist“, sofern und solange sie nur „auf eine Kanalisierung der ohnehin vorhandenen Wettleidenschaft hin zu staatlichen Wettangeboten angelegt ist“. Erstens ist eine Kanalisierung hin zu dem legalen und weg vom illegalen Angebot anzustreben. Zweitens ist mit einem staatlichen Glücksspielmonopol eine Kanalisierung weg von Glücksspielformen mit einem hohen Gefährdungspotential und hin zu Glücksspielen mit einem geringen Suchtgefährdungspotential anzustreben. Wenn die „aggressive“ Vermark­tung im Einklang mit den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags steht, dürfte an dieser Vermarktung aus juristischer und auch aus suchtpräventiver Sicht nichts auszusetzen sein. 93 Hecker und Ruttig (2008), S. 61. 66 Weiterhin ist hier auf die Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag zu verweisen. Es wird dort erläutert, dass sich das Verbot des gezielten Aufforderns, Anreizens oder Ermunterns zur Teilnahme am Glücksspiel vor allem gegen unangemessene unsachliche Werbung richtet und insbesondere die Glücksspielsucht fördernde Formen der Werbung verboten sind. Dies wird auch von Engels in seiner Rechtsauffassung betont. Im Gegensatz zu Herrmann, der sich an dem Wortlaut des Paragraph 5 orientiert und die Werbeeinschränkungen des Glücksspielstaatsvertrags sehr restriktiv auslegt, orientiert sich Engels mehr an dem Wortlaut der Erläuterungen zu diesem Paragraphen und kommt daher zu einer deutlich weniger restriktiven Auslegung. Engels94 argumentiert: „Da Werbung für Glücksspiel nicht generell untersagt wurde, ist also jede kommerzielle Kommunikation mit Absatzförderungsabsicht erlaubt, wenn sie nicht gezielt zur Teilnahme auffordert, anreizt oder ermuntert. Gemeint sind damit vor allem ‚unangemessene unsachliche‘ Werbemaßnahmen, wozu laut Entwurfsbegründung insbesondere verkaufsfördernde Maßnahmen wie Rabatte, Gutscheine und ähnliche Aktionen zählen“. Es lässt sich als Zwischenergebnis festhalten, dass eine restriktive Auslegung des Gebots der informierenden und aufklärenden Werbung mit dem Verbot der zum Glücksspiel auffordernden, anreizenden oder ermunternden Werbung, wie bei Heermann, den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags nicht entspricht. Wenn hingegen bei der juristischen Betrachtung die Priorität der Ziele des Staatsvertrags in den Vordergrund gerückt wird, wie bei Hecker und Ruttig, und eine Würdigung des unterschiedlichen Sucht­gefährdungs­potentials von verschiedenen Formen des Glücksspiels stattfindet, so kann eine absatzfördernde oder sogar „aggressive“ Werbung für weitgehend ungefährliche Formen des Glücksspiels ganz im Sinne der Ziele des Staatsvertrags stehen, insbesondere wenn damit eine Konsumlenkung von gefährlichen Glücksspielen hin zu ungefährlichen Glücksspielen erreicht wird. Werbung für öffentliches Glücksspiel ist im Fernsehen, im Internet sowie über Telekommunikationsanlagen verboten Es wird ein Werbeverbot für bestimmte Werbemedien, d. h. Werbeträger, ausgesprochen. Hier nimmt das Glücksspiel eine Zwischenstellung zwischen Tabak und Alkohol ein. Während für Tabakwerbung alle Werbemedien bis auf Kinound Plakatwerbung gänzlich verboten sind, sind dies bei Glücks­spiel das Internet 94 Vgl. Engels (2008). 67 und Fernsehen. Bei Alkohol gibt es keine derartigen Beschränkungen der erlaubten Werbemedien. Tabelle 6: Werbeverbote nach Werbemedium Internet Fernsehen Hörfunk Presse Kino Plakate Tabak Alkohol Glücksspiel verboten verboten verboten verboten1 erlaubt2 erlaubt erlaubt erlaubt erlaubt erlaubt erlaubt2 erlaubt verboten verboten erlaubt erlaubt erlaubt erlaubt nur in Tabakfachzeitschriften erlaubt nur nach 18 Uhr Quelle: Eigene Zusammenstellung 1 2 Es ist wissenschaftlich weitgehend abgesichert, dass jeder Tabakkonsum (sogar für Passiv­raucher) schädlich ist. Es ist daher konsequent, hier ein Werbeverbot für (fast) alle Werbe­medien auszusprechen. Bei den Werbeselbstbeschränkungen für Alkohol wird explizit davon ausgegangen, dass es bei Alkohol einen unschädlichen und einen schädlichen Konsum gibt. Bei Glücksspiel ist auch nicht jedes Spielen schädlich. Daher bietet es sich an, auch hier zwischen schädlichem und unschäd­lichem Konsum zu unterscheiden. Dies erfolgt jedoch nicht in dem derzeit geltenden Glücks­spielstaatsvertrag. Wie später gezeigt wird, ist diese Differenzierung gerade für die Analyse der Wirkung der Werbung auf nicht pathologische Spieler und pathologische Spieler jedoch von Bedeutung. Hinter dem Verbot der Werbung für Glücksspiel im Internet und Fernsehen steht der Versuch, durch ein umfassendes Verbot des Angebots von und der Werbung für Glücksspiele im Internet dem ausländischen Glücksspielangebot ein Riegel vorzuschieben. Dieses Internet­verbot wird sehr kontrovers diskutiert.95 Hierauf soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. 95 Die vorherrschende Meinung geht davon aus, dass dieses Internet- und Fernsehverbot verfassungsgemäß ist. 68 Das Verbot der Werbung über Telekommunikationsanlagen, d. h. über das Telefon, ist im Glücksspielstaatsvertrag eigens erwähnt, wird aber bereits durch andere Gesetze geregelt. Paragraph 7 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb verbietet solche Anrufe, wenn zuvor keine Einverständniserklärung des Angerufenen eingeholt wurde.96 Nach den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag geht dieses Verbot über die allgemein geltenden wettbewerbsrechtlichen Grenzen in Paragraph 7 des UWG hinaus und verbietet generell die Werbung im Fernsehen, im Internet und über Telekommunikationsanlagen. Dies wird nicht weiter erläutert, könnte jedoch dahingehend interpretiert werden, dass selbst dann, wenn die Einverständniserklärung des Angerufenen eingeholt wurde, eine Werbung nicht zulässig ist. Dem widerspricht die Rechtsauffassung von Engels. Dieser geht davon aus, dass nur aktive Anrufe beim Spieler („Outbound-Calls“), nicht jedoch Anrufe des (potentiellen) Spielers beim Veranstalter oder Vermittler („Inbound-Calls“) verboten sind. Auch der weitere Kontakt per Telefon falle nicht unter das Verbot, wenn der Ursprungskontakt vom Spieler ausgegangen sei, da dann nicht mehr von Werbung im Sinne des Gesetzes die Rede sein könnte. Ein über den Paragraph 7 des UWG hinausgehendes Werbeverbot werde damit nicht deutlich. Eine nicht unerhebliche Ausnahme erfährt das Verbot der Werbung für öffentliches Glücksspiel für Veranstaltungen, die traditionell in Verbindung mit dem Fernsehen präsentiert werden. In Paragraph 12 Absatz 2 des Glücksspielstaatsvertrags wird die Erteilung einer Er­laubnis für Lotterien mit geringerem Gefährdungspotential geregelt: „In der Erlaubnis kann für Veranstaltungen, die traditionell in Verbindung mit dem Fernsehen präsentiert werden und bei denen vorrangig die gemeinnützige Verwendung der Reinerträge dargestellt wird, eine Befreiung vom Verbot der Fernsehwerbung (§ 5 Abs. 3) zugelassen werden.“ In den Erläuterungen zu Paragraph 12 des Glücksspielstaatsvertrags wird hierzu ausgeführt, dass hinsichtlich der Werbung für Soziallotterien (Aktion Mensch, Goldene Eins, Glücksspirale) angesichts des geringeren Suchtpotentials eine Ausnahme vom Verbot der Fernsehwerbung eröffnet wird. In den Erläuterungen zu Paragraph 5 wird auch ausgeführt, dass vom generellen Werbeverbot im Fernsehen nicht umfasst sind andere Programmteile, die von der Werbung gemäß Paragraph 7 Absatz 3 Satz 2 des Rundfunkstaatsvertrags optisch 96 Hierauf ist in Kapitel 3.2 bereits eingegangen worden. 69 zu trennen sind, wie die Ziehung der Lottozahlen und Sendungen, die zugelassene Lotterien zum Gegen­stand haben. Bei diesen Ausnahmeregelungen wird bereits das Suchtgefährdungspotential berücksichtigt. Es wäre angebracht, dies konsequent durchzuhalten, nicht nur in Bezug auf das Werbemedium, sondern auch auf den Werbeinhalt. Heermann97 weist hier auf einen seiner Ansicht nach „systematischen Bruch“ in dem Glücksspielstaatsvertrag hin. Wenn man sich streng am Wortlaut der Paragraphen 5 und 12 des Glücksspielstaatsvertrags orientiert, könnte man folgenden „Erst-recht-Schluss“ ziehen: Wenn es schon nach Paragraph 12 für Veranstaltungen, die traditionell in Verbindung mit dem Fernsehen präsentiert werden und bei denen vorrangig die gemeinnützige Verwendung der Reinerträge dargestellt wird, ausdrücklich einer Befreiung vom Verbot der Fernsehwerbung nach Paragraph 5 bedarf, so hat dies erst recht für sonstige Sendungen zu gelten, die Glücksspiele zum Gegenstand haben, ohne dass vorrangig die gemeinnützige Verwendung der Reinerträge dargestellt wird. Zu der letztgenannten Kategorie wären auch die „Ziehung der Lottozahlen“ und andere Glücks­spielsendeformate wie die „SKL-Show“ zu zählen. Bei einer streng an dem Wortlaut orientierten Auslegung wären also die Ziehung der Lottozahlen und die SKL-Show nach Paragraph 5 verboten, da sie als Werbung für Glücksspiel im Fernsehen anzusehen sind und könnten auch keine Ausnahme hiervon erhalten, da hier nicht vorrangig die gemeinnützige Verwendung der Reinerträge dargestellt wird. Diese sehr re­striktive Auslegung findet ohne eine Würdigung des realen Tatbestandes statt. Der reale Tatbestand ist das Suchtgefährdungspotential eines Glücksspielproduktes. Ohne dessen Würdigung greift jede Regulierung daneben. Zu einem anderen Ergebnis als Heermann kommt hier Engels98: „Nicht verboten ist damit die Sendung der Ziehung der Lottozahlen oder solcher Sendungen, die zugelassene Lotterien (‚NKL-Show‘) oder sonstiges erlaubtes Glücksspiel zum Gegenstand haben. Es ist also mit einer Zunahme derartiger Sendungshybride zu rechnen, da diese es risikolos ermöglichen, Aufmerksamkeit für erlaubtes Glücksspiel zu erzeugen.“ 97 Vgl. hierzu Heermann (2008). 98 Vgl. hierzu Engels (2008). 70 Werbung darf sich nicht an Minderjährige oder vergleichbar gefährdete Zielgruppen richten Bereits der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag sieht ein Verbot der auf Kinder und Jugend­liche gezielten Aufforderung zum Konsum vor.99 Werbung für unerlaubte Glücksspiele ist verboten Ein Verbot der Werbung für unerlaubte Glücksspiele entspricht dem Wesen nach dem Verbotscharakter des Paragraph 284 des Strafgesetzbuches und statuiert ergänzend ein Werbeverbot außerhalb strafrechtlicher Bestimmungen.100 Die Werbung darf nicht irreführend sein und muss deutliche Hinweise auf das Verbot der Teilnahme Minderjähriger, die von dem jeweiligen Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und Hilfsmöglichkeiten enthalten Auch das Verbot irreführender Werbung ist nicht neu und bereits im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb vorgesehen. Doch die Verpflichtung zu den deutlichen Hinweisen zum Schutz der besonders schutzbedürftigen Gruppen der Verbraucher, dies sind Kinder und Jugendliche sowie gefährdete bzw. pathologische Spieler, gilt in dieser Form nur für Werbung für Glücksspielprodukte. Bei Alkohol gibt es keinen derartige Werbeverpflichtungen. Die Warnhinweise auf den Verpackungen bei Tabakprodukten sind jedoch vergleichbar. In Paragraph 7 wird die Aufklärungspflicht der Veranstalter und Vermittler von Glücksspielen weiter konkretisiert: (1) Die Veranstalter und Vermittler von öffentlichen Glücksspielen haben über die Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust, die Suchtrisiken der von ihnen angebotenen Glücksspiele, das Verbot der Teilnahme Minderjähriger und Möglichkeiten der Beratung und Therapie aufzuklären. (2) Lose, Spielscheine und Spielquittungen müssen Hinweise auf die von dem jeweiligen Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und Hilfsmöglichkeiten enthalten. Dies wird in den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag weiter klargestellt: „Die im Gesetzgebungsverfahren beteiligten Suchtexperten haben es aus suchtpräventiver Sicht durchweg für erforderlich gehalten, auf die bei den unterschiedlichen Spielen vorhandenen statistischen Gewinnwahrscheinlichkeiten deutlich 99 Vgl. ausführlich Kapitel 3.2. 100 Vgl. Hecker und Ruttig (2008), S. 76. 71 hinzuweisen. Durch die Ausarbeitung von eindeutig formulierten Informationen und die Ausbringung deutlich sichtbarer Hinweise wird bereits im Vorfeld problematisches Spielverhalten vermieden. Insoweit greifen die Absätze 1 und 2 die Expertenforderungen umfassend auf.“ Auch in dem Anhang des Glücksspielstaatsvertrags sind eine Reihe von Vorgaben zur Vermeidung und Bekämpfung der Glücksspielsucht zu finden. Für die Werbung ist die Vorgabe Nr. 2 der Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht (Anhang zum Glücksspielstaatsvertrag) von Bedeutung, nach der eine Information über Höchstgewinne mit der Aufklärung über die Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust zu verbinden ist. Hier stellen sich drei Fragen: • • • Wie sollte eine Aufklärung über die Wahrscheinlichkeiten von Gewinn und Verlust erfolgen, um im Sinne der Suchtprävention größtmögliche Wirkung zu entfalten? Wie sollte die Aufklärung über die Suchtrisiken erfolgen, um im Sinne der Suchtprävention größtmögliche Wirkung zu entfalten? Wie sind die Hinweise auf die von dem jeweiligen Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und Hilfsmöglichkeiten aus Sicht der Suchtprävention zu beurteilen? Die Verpflichtung zur Aufklärung über die Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust generell und im Zusammenhang mit der Information über Höchstgewinne, also zum Beispiel dem Jackpot, kann der Suchtprävention dienen. Die gründet sich auf den Erfahrungen, die im Rahmen der therapeutischen Behandlung pathologischer Spieler gewonnen wurden. Es hat sich gezeigt, dass insbesondere pathologische Spieler zu einer Reihe von kognitiven Irrtümern neigen. Es ist sicherlich sinnvoll, zu versuchen, diese Irrtümer, nicht nur im Rahmen einer Therapie, zu korrigieren. Aus diesem Grund ist der Ansatz der Aufklärung der Spieler sicherlich sehr sinnvoll. Allerdings stellt sich hier die Frage, ob nicht eine Angabe der jeweiligen Ausschüttungsquote eine deutlich relevantere Information darstellt. Nicht nur aus Gründen des Spielerschutzes, sondern auch aus Sicht einer Verbraucheraufklärung wäre zu fordern, dass jeder Veranstalter oder Vermittler eines Glücksspiels auch die Ausschüttungsquote anzugeben hätte. Die Ausschüttungsquote gibt an, welcher ökonomische Ertrag bei der Glücksspielteilnahme zu erwarten ist. Je geringer die Gewinnwahrscheinlichkeit, desto größer in der Regel der Gewinn. Doch hieraus die jeweilige Ausschüttungsquote zu berechnen, 72 würde die Verbraucher überfordern. Gerade pathologische Spieler unterliegen oft der „Kontrollillusion“. Dies basiert auf dem in der ökonomischen Literatur so genannten „Irrtum des Spielers“, d. h. auf einer Verwechslung von bedingten und unbedingten Wahrscheinlichkeiten. Die Ausschüttungsquote gibt an, wie viel ein Spieler im Durchschnitt verliert, und macht deutlich, dass ein Glücksspiel keine lohnende wirtschaftliche Investition ist und umso mehr kostet, je mehr eingesetzt wird. Die Verpflichtung zur Aufklärung über die von dem jeweiligen Glücksspiel ausgehenden Suchtgefahren kann ebenfalls für die Verbraucheraufklärung generell und die Suchtprävention im Besonderen sinnvoll sein. Diese Vorschrift hat dazu geführt, dass auf jedem Lottoschein ein Warnhinweis angebracht ist. In dem Glücksspielstaatsvertrag ist vorgeschrieben, dass über die von dem „jeweiligen“ Glücksspiel ausgehenden Suchtgefahren zu informieren ist. Auf den Lottoscheinen ist jedoch nur der generelle Hinweis zu finden, dass Glücksspiel süchtig macht. Dies entspricht nicht den Vorgaben des Glücksspielstaatsvertrags. Die Suchthinweise in der Werbung und auf den Spielscheinen für Lotterien dürfte ganz entschieden dazu beigetragen haben, in der Bevölkerung einen irreführenden Eindruck über das Suchtgefährdungspotential bei der Teilnahme an der Lotterie „6 aus 49“ zu erwecken. Der Verbraucher zieht Schlussfolgerungen aus den staatlich vorgeschriebenen Gesundheits- bzw. Sucht­gefährdungs­hinweisen auf die tatsächliche Gesundheits- und Suchtgefährdung. Wenn ein solcher Hinweis auf einem Lotterielos zu finden ist, so lautet die Schlussfolgerung: die angebotene Lotterie muss sehr gefährlich sein. Ein dementsprechender Gesundheits- oder Suchthinweis ist bei Alkoholprodukten nicht zu finden. Also muss Lotto wohl eher süchtig machen als Alkohol, so die denknotwendige Schlussfolgerung eines Bürgers, der diesen staatlichen Angaben vertraut. Es kommt zu einer Fehleinschätzung des tatsächlichen Suchtgefährdungspotentials von Glücksspielprodukten und insbesondere der staatlich angebotenen Lotterien. Dies wird bestätigt durch das Ergebnis einer Umfrage in der Bevölkerung. Es wurden im Herbst 2008 insgesamt 70 Passanten auf der unteren Königstraße in Stuttgart befragt, um einen ersten sehr groben, nicht-repräsentativen Eindruck zur Bevölkerungswahrnehmung von illegalem Glücksspiel und -sucht zu 73 erhalten.101 Etwa die Hälfte der Befragten nimmt an Glücksspielen teil. 51,4% der Personen, die angaben, an Glücksspielen teilzunehmen, sind der Ansicht, dass das Pokerspiel um Geld im Internet erlaubt sei. Etwa ein Drittel aller Befragten geht davon aus, dass es in Deutschland mehr Glücksspielsüchtige als Alkoholsüchtige gibt. Ein ähnliches Ergebnis hat die Befragung von Mitarbeitern und Leitern von Lottoannahmestellen erbracht. Die Fehleinschätzungen sind auch hier gravierend und liegen in der Regel um den Faktor 50 bis 500 über den tatsächlichen Werten. In der Bevölkerung wird das Suchtgefährdungspotential bei Glücksspiel und insbesondere bei Lotto, nicht zuletzt auf Grund dieser Hinweise, deutlich höher eingeschätzt, als bei Alkohol, obwohl die vorliegenden Zahlen genau das Gegenteil belegen. Die Hinweise auf das Suchtgefährdungspotential bei weitgehend ungefährlichen Lotterieprodukten sind als eine Form der Verbrauchertäuschung anzusehen. Der Verbraucher wird hier über das tatsächliche Suchtgefährdungspotential von Lotterien getäuscht. Dies widerspricht dem generellen Verbot der Irreführung und Täuschung. Besonders kritisch zu sehen ist hier, dass es sich nicht um eine Irreführung und Täuschung des Verbrauchers durch einen privaten Anbieter handelt, sondern durch ein staat­liches Unternehmen. Dies kann dazu führen, dass der Ver­ braucher, wenn er die Irreführung und Täuschung bemerkt, den Glauben an die Richtigkeit der entsprechenden Hinweise und damit auch an den Staat verliert. Ein Verlust der Glaubwürdigkeit des Staates in Sachen Gesundheits- und Suchtprävention ist ganz sicherlich kontraproduktiv für jede staatliche Gesundheitsund Suchtpräventionpolitik. Gerade auch die Interpretation dieser Vorschrift eines Hinweises auf die Suchtgefahr beschäftigt zunehmend die Gerichte. Hierauf wird in dem nächsten Kapitel ausführlich eingegangen werden. Mit dem Glücksspielstaatsvertrag liegt zum ersten Mal ein einheitliches Regelwerk für den Glücksspielsektor vor, mit der (sehr problematischen) Ausnahme der gewerblich angebotenen Geldspielautomaten (Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit).102 Dieses Regelwerk ist in Bezug auf die Unterscheidung 101 Becker, T. und H.-M. Götz: Informationsstand der Bevölkerung zu Illegalität des Glücksspiels und zur Glücksspielsucht. https://gluecksspiel.uni-hohenheim.de/uploads/media/Befragung2008.pdf. 102 Vgl. hierzu Becker (2009): Wie weit geht der Ermessensspielraum des Gesetzgebers bei der Regulierung des Glücksspielmarktes? 74 verschiedener Formen des Glücksspiels noch sehr generell gehalten. Dennoch wird in dem Glücksspielstaatsvertrag in Bezug auf die Erlaubniserteilung zwischen Lotterien mit geringerem Gefährdungspotential und Lotterien mit einem besonderen Gefährdungspotential differenziert. Die Grenzziehung zwischen den beiden Formen von Lotterien findet statt anhand der Häufigkeit der Ausspielungen (weniger oder mehr als zwei Mal pro Woche) und der Planmäßigkeit eines Jackpots. Dies ist nicht sachgerecht, wie die Diskussion der Kriterien für das Suchtgefährdungspotential in Kapitel 2.2 gezeigt hat. In Bezug auf die Werbung wird überhaupt nicht nach dem Suchtgefährdungspotential differenziert, obwohl dies den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags dienen würde. Werberichtlinien Die Glücksspielaufsicht kann Anforderungen an die Werbung der staatlichen Anbieter stellen, so sieht es der Glücksspielstaatsvertrag in Paragraph 9 vor. Eine Abstimmung der Werbemaßnahmen der staatlichen Anbieter mit der jeweiligen Glücksspielaufsicht und eine Kontrolle des Werbeverhaltens werden auch von den Gerichten für „unverzichtbar“ gehalten.103 Die Gemeinsame Geschäftsstelle des Fachbeirats Glücksspielsucht und der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder koordiniert die für die Glücksspielaufsicht zuständigen Behörden der einzelnen Länder. In den „Werberichtlinien der Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder zu Artikel 5 Absatz 1 und 2 des Glücksspielstaatsvertrags“ (Stand 17. September 2009), auf die sich die Glücksspielaufsichten der Länder geeinigt haben, werden Beispiele für zulässige und unzulässige Werbeaktivitäten aufgeführt. Diese Richtlinien geben Hinweise für die staatlichen Anbieter, welche Anforderungen die Glücksspielaufsichtsbehörden an die Werbung stellen. Die staatlichen Anbieter sind gehalten, sich an diese Richtlinien zu halten. In der Praxis legen die staatlichen Anbieter der für die Glücksspielaufsicht zuständigen Behörde ihre Werbung vor und stimmen diese mit der Behörde ab. In Bezug auf die Werbeaussagen ist folgende Werbung erlaubt: • • Werbung, die geförderte Projekte und Destinäre in den Vordergrund rückt (z. B. „Von Lotto haben alle was: 59 Millionen für den Sport“); Werbung, die den gemeinnützigen Charakter der Soziallotterien in den Vordergrund stellt (Darstellung einer Mutter mit Kind in einem über die Reinerträge der Lotterie geförderten Frauenhaus); 103 So das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (Az. 6 B 10323/09.OVG). 75 • Kommunikation über die und zur Realisierung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags (etwa Informationen über Maßnahmen zur Spielsuchtprävention). Eine Werbung mit dem gemeinnützigen Charakter einer Lotterie ist somit erlaubt. Es wird hier nach diesem Kriterium differenziert. Eine Differenzierung nach dem Suchtgefährdungspotential der jeweils beworbenen Glücksspielform und den Auswirkungen auf schutzbedürftige Verbrauchergruppen wäre angesichts der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags sachlich angemessen. Folgende Werbung ist nach den Werberichtlinien verboten: • • • • • • Werbung, die „Freude am Spiel“, „Glücksgefühle“ oder gar den „Kick“ thematisiert; Werbung, die in emotionalisierender Weise Träume mit Gewinnmöglichkeiten verknüpft („Spielen Sie mit und Sie können endlich Ihren Job an den Nagel hängen und dem Alltag entfliehen“, „Greifen Sie nach den Sternen mit Ihrem persönlichen Los“), Gewinner oder mögliche Gewinner darstellt mit den dementsprechenden Slogans („Lassen auch Sie Ihren Traum wahr werden“, „Deine Rente ist da“, „Ich würde weiter spielen. Mit meinen Kindern“); Werbung, die suggeriert, dass Glücksspiel eine vernünftige Strategie sein könnte, um die eigene finanzielle Situation zu verbessern („Investieren Sie doch Ihr Geld lieber in…“) oder Rechnungen begleichen zu können („Spielen Sie mit und begleichen Sie all Ihre Rechnungen“); Werbung, die suggeriert, dass durch Glücksspiel alle persönlichen, physischen oder finanziellen Sorgen gelindert bzw. sogar beseitigt werden können; vergleichende Werbung, die eine der effektiven Spielsuchtbekämpfung zuwider­laufende Wettbewerbssituation unter den Anbietern schafft; auf die Gewinnwahrscheinlichkeit bezogene Test- oder Güteaussagen, die zur Abgrenzung von andern Branchenakteuren dienen soll („TÜV-geprüfte Gewinneffizienz“). Einige dieser Werbeverbote lassen sich prinzipiell rechtfertigen, andere nicht. So wird mit dem Verbot der Werbung, die Glücksspiel als wirtschaftlich sinnvolle Investition oder als sinnvolle Problemlösung bei psychischen und finanziellen Sorgen darstellt, das Verbot der irreführenden Werbung für das Produkt Glücksspiele konkretisiert. Das Verbot der vergleichenden Werbung, die eine Wettbe- 76 werbsituation schafft, die der effektiven Spielsuchtbekämpfung zuwiderläuft, geht hingegen deutlich über die generellen Einschränkungen der vergleichenden Werbung hinaus, ist aber im Sinne einer Suchtprävention. Dieses Verbot kann als eine Konkretisierung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags betrachtet werden. Auch das Verbot der Werbung mit dem „Kick“ kann damit gerechtfertigt werden. Sachlich nicht gerechtfertigt ist das prinzipielle Verbot der Werbung mit der Freude am Spiel und der Werbung, die Träume mit Gewinnmöglichkeiten verknüpft. Hier wäre zwischen weitgehend ungefährlichen und gefährlichen Glücksspielprodukten zu unterscheiden. Wenn Werbung, die an dem Hauptmotiv der unproblematischen Teilnahme an der Lotterie „6 aus 49” ansetzt,104 verboten ist, ist dies nicht sachgerecht. Menschen wollen träumen und die Teilnahme an einer in Deutschland angebotenen Lotterie liefert ihnen hierfür die „Baugenehmigung“.105 Wenn dieses Motiv für die Teilnahme an der Lotterie „6 aus 49“ in der Werbung für dieses vergleichsweise harmlose Produkt nicht mehr aufgenommen werden darf, liegt ein Ausweichen auf Spiele, die den „natürlichen Spieltrieb des Menschen“ ebenfalls ansprechen, aber darüber hinaus noch Eigenschaften haben, die zu einem hohen Sucht­gefährdungs­potential führen, nahe. Insofern könnte gerade das Verbot, mit den Motiven für die Teilnahme an (weitgehend ungefährlichen) Glücksspielen zu werben, im Sinne einer Suchtprävention sogar kontraproduktiv sein und dürfte daher auch nicht mit den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags in Einklang stehen. Es wird sowohl in dem Glücksspielstaatsvertrag als auch in den Werberichtlinien nicht genügend zwischen den Motiven eines nicht pathologischen Spielers für die Spielteilnahme und denjenigen eines pathologischen Spielers unterschieden. Wie später gezeigt werden wird, unterscheiden sich diese beiden Gruppen deutlich. „Cues“, die den normalen Spieler ansprechen, entsprechen nicht den „Triggern“, die in einem pathologischen Spieler den Drang nach Spielen auslösen. Werbung ist in der Regel ein „Cue“, d. h. ein Stichwort, für den normalen Spieler, aber kein „Trigger“, d. h. Auslöser, für den pathologischen Spieler. Hingegen kann die Melodie eines Geldspielautomaten sehr wohl als „Trigger“ von dem pathologischen Spieler wahrgenommen werden. 104 Vgl. Beckert und Lutter (2007), S. 250. 105 Vgl. Beckert und Lutter (2007), S. 250. 77 Die Unterscheidung zwischen einer informierenden und einer zur Teilnahme anreizenden, auffordernden oder ermunternden Werbung, wie sie in dem Glücksspielstaatsvertrag vorgenommen wird, ist nicht zielführend. Das biopsychosoziale Suchtmodell der Glücksspielsuchtforschung kennt diese Unterscheidung nicht. Glücksspielsucht wird hier vor allem unter dem Lernaspekt betrachtet. Es findet eine Konditionierung statt, die im „Suchtgedächtnis“ gespeichert wird. Hierdurch wird die Entstehung von und der Rückfall in die Glücksspielsucht erklärt.106 Dieses Suchtgedächtnis kann von „Triggern“ angesprochen werden. Es wird so gut wie jede Werbung, die Gefühle anspricht, mit der Ausnahme des Gefühls „Gutes zu tun“, untersagt. „Emotionale“ und „suggerierende“ Werbung ist untersagt, für alle Formen des Glücksspiels, ohne Berücksichtigung des jeweiligen Suchtgefährdungs­potentials. Hier drängt sich der Eindruck auf, dass hinter den Werbeverboten für Glücksspiel eine moralische Einstellung steht, die generell jedes Glücksspiel und daher jede Werbung für Glücksspiele als schädlich betrachtet. Jede Werbung, die die Motive für den Kauf eines Produktes betont, geht über die reine Produktinformation hinaus. In Bezug auf das Verbot der gezielten Aufforderung, Anreizung oder Ermunterung zur Teilnahme am Glücksspiel sind nach den Werberichtlinien folgende Werbeaktivitäten zulässig: • Informatorische (Hinweis-)Werbung (z. B. ein Kundenmagazin, welches seit über 30 Jahren den im Imperativ gehaltenen Werktitel „Spiel mit“ hat). Folgende Werbeaktivitäten sind nach den Werberichtlinien verboten: • • • • unangemessene, unsachliche Werbung (z. B. „Bleiben Sie dabei, Ihr Glückslos kommt früher oder später“); die Gewinnerwerbung an Annahmestellen (z. B. „An dieser Annahmestelle wurden EUR XY gewonnen“); Dringlichkeitsappelle (z. B. „nur noch XY Lose verfügbar“); Werbung, die das Teilnahmeentgelt als niedrig herausstellt („Für nur 2,50 € sind Sie dabei“); 106 Vgl. hierzu genauer Böning und Grüsser-Sinopoli (2009). 78 • • • • • Werbung, die durch optische oder akustische Effekte zum Spiel anreizt (z. B. Blinken von Jackpot-Werbung); Auf die Gewinnhöhe bezogene Aussagen, die in Superlativen zur Abgrenzung von anderen Branchenakteuren dienen sollen („Die Lotterie mit dem höchsten Rentengewinn“); Werbung durch verkaufsfördernde Maßnahmen wie Rabatte, Gutscheine, garantierte Mindestgewinne; Ansprache des Kunden, wenn dieser einen kleineren Gewinn entgegennimmt (z. B. „Bedenken Sie, was Sie gewinnen könnten, wenn Sie dieses Geld wieder in die Teilnahme am Glücksspiel reinvestieren“); gezielte Aufforderung des Kunden zur Teilnahme am Glücksspiel (z. B. „Denken Sie bei Ihren Urlaubsvorbereitungen daran, vor dem Urlaub Lotto zu spielen. Der Mehr­wochenschein sorgt bis zu acht Wochen dafür, dass Sie während des Urlaubs Ihre Chance auf das große Glück wahren“). Das Verbot der Werbung durch verkaufsfördernde Maßnahmen wird durch den Glücksspielstaatsvertrag gedeckt. Den anderen Werbeeinschränkungen liegt eine bestimmte Interpretation des Glücksspielstaatsvertrags zu Grunde, die jedoch den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags nicht gerecht wird. Generell ist die Grenzziehung zwischen informativer und nicht-informativer Werbung, die im Glücksspielstaatsvertrag vorgenommen wird, aus mehreren Gründen nicht sinnvoll gewählt. Die Grenzziehung wird je nach Betrachter ganz unterschiedlich ausfallen. Für den einen Verbraucher hat eine Werbung, die nur über das Vorhandensein des Produkts informiert, bereits einen Aufforderungscharakter. Für einen anderen Verbraucher muss die Werbung erst gezielt die eigenen Kaufmotive, Wünsche, Werte und den eigenen Lebensstil ansprechen, bevor sie überhaupt wahrgenommen wird und einen Aufforderungscharakter bekommt. Für einen dritten Verbraucher reicht all dies nicht aus, um ihn zum Kauf des Produktes zu bewegen. Für einen vierten Verbraucher ist die Werbung Teil unserer Kultur, der auch als solcher wahrgenommen wird. Auch aus der Sicht der wissenschaftlichen Werbewirkungsforschung ist eine derartige Grenzziehung zwischen informativer Werbung auf der einen Seite und auffordernder, anreizender oder ermunternder Werbung auf der anderen Seite, nicht zu vertreten. Die strikte Trennung in Denken und Gefühl ist nach neuerer wissenschaftlicher Erkenntnis nicht mehr haltbar.107 Denken ohne Mitwirkung des 107 Vgl. hierzu Damasio (2000). 79 mesolimbischen Systems, des „internen Belohnungssystems“, welches für das Gefühl zuständig ist, und Gefühl ohne eine kognitive Repräsentanz im präfrontalen Kortex, dem „kontrollierenden System“, kennt das Gehirn nicht. Jede Wahrnehmung hat auch eine gefühlsmäßige Dimension.108 Scheier und Held109 fassen dies zusammen: „Die Trennung in Emotion und Ratio ist aus Sicht der Anatomie und Funktionsweise des Gehirns wenig sinnvoll. Es gibt keine rationalen Vorgänge im Gehirn.“ Werbung, die ausschließlich informiert, gibt es nicht. Kognition und Emotion gehören für jeden Lern- oder Gedächtnisprozess zusammen. Es gibt kein Lernen und kein Gedächtnis ohne das Zusammenwirken von Emotion und Ratio.110 Das Verbot der Verwendung von bestimmten Motiven bzw. Images für Glücksspielwerbung kann im Sinn der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags stehen, wenn hierdurch eine Ausweitung des pathologischen Spielens verhindert werden kann. So spricht sicher einiges dafür, dass die Werbung für Glücksspiele mit einem hohen Suchtgefährdungspotential erheblichen Restrik­tionen unterworfen wird. Ein undifferenziertes Verbot jeder Werbung, die über die Infor­mation über das Produkt hinausgeht, für alle Formen des Glücksspiels, ist nicht sinnvoll und widerspricht dem gesetzlichen Auftrag der „Kanalisierung des natürlichen Spieltriebes“. Die Werberichtlinien verbieten weiterhin die spezielle Ausrichtung von Werbeaussagen primär auf Kinder oder Minderjährige oder „schwächere, ggf. ‚verzweifelte‘ Mitglieder der Gesellschaft“. Auch die bewusste Zusendung von Werbematerial an „gesperrte Personen oder Personen, die aufgrund problematischen Spielverhaltens gezeigt haben, kein Werbematerial bekommen zu wollen“, ist untersagt. Dies wird in den Werberichtlinien verdeutlicht mit Beispielen, wie sie bereits aus den Werbeeinschränkungen bei Tabak und Alkohol bekannt sind: • • • Darstellung von offensichtlich Minderjährigen, die an Glücksspielen teilnehmen oder mitwirken; Werbung für Glücksspiele über Medien, die sich primär an Minderjährige richten; Werbung mittels Personen oder fiktiven Figuren, die bei Minderjährigen besonders beliebt sind; 108 Vgl. auch in diesem Sinn z. B. Böning und Grüsser-Sinopoli (2009). 109 Vgl. hierzu Scheier und Held (2008), S. 26. 110 Vgl. zum Suchtgedächtnis Böning und Grüsser-Sinopoli (2009). 80 • • Werbung, die von ihrer Eigenschaft oder Gestaltung her primär Minderjährige anspricht; Werbung im Rahmen von Veranstaltungen für Jugendliche. Es müssen deutliche Hinweise auf das Verbot der Teilnahme Minderjähriger gegeben werden. Auch deutliche Hinweise auf die vom jeweiligen Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und Hilfsmöglichkeiten dürfen nicht fehlen. Während der Glücksspielstaatsvertrag hier noch ausdrücklich Hinweise auf die vom „jeweiligen Glücksspiel“ ausgehende Suchtgefahren fordert, wird in den Werberichtlinien ein genereller Hinweis auf die Suchtgefahren („Spielen kann süchtig machen“) als zulässig betrachtet. Auch die im Glücksspielstaatsvertrag vorgeschriebene Aufklärung über die Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust findet in den Werberichtlinien überraschend wenig Beachtung. So befassen sich die Werberichtlinien nur mit „Verbindung einer Information über Höchstgewinne mit der Aufklärung über die Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust“, aber nicht generell mit der Aufklärung der Spieler über die Gewinnwahrscheinlichkeiten und Ausschüttungsquoten. Doch gerade dies wäre als Maßnahme der Suchtprävention sicherlich sehr sinnvoll. Auch irreführende Werbung ist in den Werberichtlinien noch einmal ausdrücklich als verboten aufgeführt. Hierzu wird auch die Werbung gerechnet: • • • • • • • die häufig oder selten gezogene Lottozahlen mit angeblich höherer Gewinnwahrscheinlichkeit beinhaltet (ohne ausdrückliche Hinweise über die Zufälligkeit einer jeden neuen Ziehung); die bewusst auf einen nicht mehr aktuellen, bereits ausgeschütteten Jackpot hinweist; die über einen längeren Zeitraum auf den vergangenen Gewinn bzw. Gewinner eines größeren Jackpots hinweist; die suggeriert, dass ein Gewinn quasi automatisch erfolgt (z. B. „Spielen und gewinnen Sie“ oder „Gewinnen ist so einfach“); die suggeriert, dass Gewinnchancen bei Losen eines Vermittlers oder einer bestimmten Annahmestelle bzw. eines Lotterieeinnehmers höher seien als anderswo; die nur Bilder von Gewinnern beinhaltet und dadurch suggeriert, dass die Gewinnchancen höher sind als tatsächlich gegeben; die suggeriert, dass der Spieler das Spiel kontrollieren kann (z. B. „Spielen Sie Ihr System und überlisten Sie die Wahrscheinlichkeit“); 81 • mit der Behauptung, Produkte könnten die Gewinnchancen bei Glücksspielen erhöhen. In der Bevölkerung bestehen weit verbreitet kognitive Irrtümern nicht nur über das Glücksspiel. So ist bekannt, dass Menschen dazu neigen, bedingte und unbedingte Wahrscheinlichkeiten zu verwechseln, dem Repräsentationsbias zu unterliegen und anderen Abweichungen von dem rationalen Denken111, wie dem Glauben an unsinnige Gewinnsysteme. Die Werbeeinschränkungen untersagen der Werbung, an diesen „Irrtümern“ anzusetzen, bzw. diese zu fördern. Aus dieser Perspektive machen die Werbeeinschränkungen einen Sinn. Aus der Perspektive der Suchtprävention wäre eine Aufklärungskampagne jedoch sicherlich geeignet, möglichen Irrtümern von Spielern, auch von pathologischen Spielern, zu begegnen. Die vorliegenden Werberichtlinien sind als eine sehr unausgewogene und undifferenzierte Interpretation der Werbeeinschränkungen, wie sie im Glücksspielstaatsvertrag vorgesehen sind, anzusehen. So wird das Verbot der Werbung, die gezielt zur Teilnahme am Glücks­spiel auffordert, anreizt oder ermuntert, in den Werberichtlinien sehr restriktiv, fast so restriktiv wie bei Heermann, interpretiert. Dahingegen wird das Gebot der Aufklärung über die von dem jeweiligen Glücksspiel ausgehenden Suchtgefahren und über die Gewinn- und Verlustwahrscheinlichkeiten erstaunlich flexibel interpretiert. So reicht ein genereller Hinweis auf mögliche Suchtgefahren, ohne dabei auf das „jeweilige Glücksspiel“ abzustellen, obwohl dies nicht dem Wortlaut des Glücksspiels entspricht. Auch die Pflicht zur Information über die Gewinn- und Verlustwahrscheinlichkeiten wird relativ flexibel ausgelegt. Aus der Perspektive der Ziele des Staatsvertrags ist diese Interpretation der Werbeeinschränkungen des Glücksspielstaatsvertrags durch die Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder jedoch sehr kritisch zu sehen. Wichtige Präventionsmaßnahmen, wie die Aufklärung über die Gewinn- und Verlustwahrscheinlichkeiten und, so wäre hier zu ergänzen, über die Ausschüttungsquoten, werden nicht in dem Maße umgesetzt, wie dies auf Grund des Glücksspielstaatsvertrags rechtlich möglich wäre; andererseits werden andere Maßnahmen, wie die Einschränkung der Werbeaussagen für weitgehend ungefährliche Glücksspiele, die im Sinne einer Suchtprävention eher kontraproduktiv sind, mit viel Aufwand und sehr restriktiv umgesetzt. 111 Vgl. zu einem Überblick: DellaVigna (2009). 82 Auch aus einer mehr generellen verbraucherpolitischen Perspektive ist die Information über die Ausschüttungsquote für die Verbraucher sehr wichtig. Aus der Ausschüttungsquote ergibt sich der „Preis“ für die Teilnahme an dem jeweiligen Glücksspiel. Wenn diese gering ist, ist der „Preis“ hoch. Aus dieser Perspektive wäre dringend eine Angabe der Ausschüttungsquote zu fordern. 3.5 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Die internationale und europäische Gesetzgebung stehen einer Regulierung der Werbung bei Glücksspielprodukten nicht entgegen. Hier bleibt den nationalen Gesetzgebern ein erheblicher Entscheidungsspielraum. Bei Eingriffen in die Grundfreiheiten sind diese mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zu begründen. Wenn Werbeeinschränkungen mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses legitimiert werden, wie bei Glücksspielprodukten, müssen diese Eingriffe gerechtfertigt, geeignet und verhältnismäßig sein. In diesem Sinn kann auch eine „aggressive Werbung“ für Glücksspielprodukte mit einem unerheblichen Suchtgefährdungspotential geeignet sein, zur Konsumlenkung von gefährlichen Produkten hin zu ungefährlichen Produkten beizutragen. Eine Werbung für gefährlichere Glücksspielformen ist nur dann mit suchtpolitischen Gründen zu rechtfertigen, wenn hierdurch insgesamt zu einer Verringerung des Suchtgefährdungspotentials durch Glücksspiele beigetragen wird, bspw. wenn eine Konsumlenkung von noch gefährlicheren illegalen Glücksspielprodukten hin zu einem legalen Glücksspielangebot erreicht werden soll. Werbung für Tabak-, Alkohol- und Glücksspielprodukte unterliegt wie jede Werbung einer Reihe von generellen rechtlichen Einschränkungen. Dabei darf die Werbung - wie jede geschäftliche Handlung - insbesondere die Mitglieder der Gruppe der besonders schutzbedürftigen Verbraucher, also Konsumenten mit einem problematischen oder gar pathologischen Konsumverhalten, nicht zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlassen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten. Diese generelle gesetzliche Vorschrift wird für Tabak- und Alkoholprodukte in einer Reihe von Spezialgesetzen ergänzt. Insbesondere der Schutz der Minderjährigen steht bei diesen Produkten im Vordergrund. Ein Konsum oder gar problematischer Konsum darf nicht verherrlicht werden. Bei Tabakprodukten ist die Werbung im Internet, Fernsehen, Hörfunk und der Presse verboten. Nur Kinowerbung (mit weiteren Einschränkungen) und Plakatwerbung sind zulässig. Bei Alkohol ist kein Werbemedium prinzipiell verboten. 83 Bei Glücksspielen gibt es ein Werbeverbot in Internet und, mit gewissen Ausnahmen, auch im Fernsehen. Die Werbeeinschränkungen bei Tabakprodukten können gesundheitspolitisch gerechtfertigt werden, da hier jeder Konsum zu negativen Folgen führen kann. Bei Alkohol hingegen führt nicht jeder Konsum generell, sondern nur ein zumindest nicht unerheblicher oder gar problematischer Konsum zu Gesundheitsschäden. Bei Glücksspielprodukten sind Werbeeinschränkungen suchtpolitisch begründet. Dabei ist als erstes das Suchtgefährdungspotential des jeweilig beworbenen Glücksspielproduktes zu beachten. Als zweites sind die Auswirkungen der Werbung auf die Gruppe der besonders schutzbedürftigen Spieler in Rechnung zu stellen. Der Glücksspielstaatsvertrag untersagt in dem Gesetzestext jede Werbung, die zum Spielen anreizt, auffordert oder ermuntert. Nur informative und aufklärende Werbung ist zulässig. Andererseits ist Werbung rechtlich definiert als jede geschäftliche Handlung mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern. Dies legt es nahe, nur die Information zu erlauben, die zur Spielteilnahme notwendig ist, also praktisch jede Werbung zu verbieten. Aber es ist auch, unter Berücksichtigung der Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag und dessen Ziele, die Auslegung möglich, dass nur unangemessene und unsachliche Werbung verboten ist. In der juristischen Literatur werden beide Standpunkte vertreten. Die Rechtsprechung, auf die in dem nächsten Kapitel eingegangen wird, und damit auch die Werberichtlinien gehen von der ersteren, sehr restriktiven Auslegung aus. Es bleibt zu wünschen, dass sich die Rechtsprechung und die Glücksspielaufsichtsbehörden mehr an den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags orientieren und diese zukünftig in den Vordergrund stellen, anstatt eine Interpretation eines Gesetzestextes ohne jede Berücksichtigung des Tatbestandes und der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags vorzunehmen. Zu einer Tatsachenfeststellung gehört die Beachtung der Suchtgefährdung, die durch das jeweilig beworbene Glücksspiel ausgeht und die Wirkung der Werbeaussagen nicht auf den „verständigen Betrachter“, sondern auf die Gruppe der Personen, die eines besonderen Schutzes bedarf, wie Kinder und Jugendliche und Personen, die ein pathologisches Spielverhalten aufweisen oder dazu neigen. Die Werberichtlinien sollten deutlich unterscheiden, um welches Glücksspiel es sich handelt, das beworben wird. Die Auswirkungen auf die Gruppe der schutzbedürftigen Personen sollten dabei den Beurteilungsrahmen bilden. 84 Gegenwärtig beurteilen sowohl die Rechtsprechung als auch die Werberichtlinien die Werbung aus der Sicht eines „normalen Konsumenten“. Alles was geeignet ist, den Konsumenten zum Kauf aufzufordern, zu ermuntern oder anzureißen, ist untersagt. Dabei wird die Perspektive des unproblematischen Verbrauchers bei der Bewertung eingenommen. Dies ist nicht sachgerecht. Auch das Suchtgefährdungspotential des jeweils beworbenen Glücksspiels wird nicht berücksichtigt. 85 4 Auslegung der Werbeeinschränkungen bei Glücks­spielprodukten durch die Gerichte Da die Regulierung der Werbung durch den Glücksspielstaatsvertrag logisch nicht konsistent geregelt und sehr auslegungsbedürftig ist, ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich mittlerweile eine ganz erhebliche Anzahl von Gerichten mit der Werbung für Glücksspielprodukte befasst hat. Die Gerichte setzten sich vor allem im Rahmen wettbewerbsrechtlicher Streitigkeiten mit den Vorschriften des Paragraph 5 des Glücksspielstaatsvertrags auseinander. Häufig handelt es sich hierbei um Verfahren, in denen die staatlichen Lottogesellschaften als Veranstalter von Glücksspielen von privaten Mitbewerbern auf Unterlassung unzulässiger Werbung in Anspruch genommen wurden. Als Anspruchsgrundlage ist hier Paragraph 8 UWG in Verbindung mit Paragraph 5 des Glücksspielstaatsvertrags heranzuziehen. Dies mag auf den ersten Blick überraschen, obliegt die Aufsicht über die staatlichen Werbestrategien doch den Innenressorts der Länder, die hierzu nicht den Justizweg beschreiten müssen.112 Behördliche Verfügungen und daraufhin ergehende verwaltungs­gerichtliche Entscheidungen scheinen hier keine Bedeutung zu haben. Einige Verfahren betreffen Werbung im Internet. 4.1 Auslegung durch die ordentliche Gerichtsbarkeit Die Gerichte gehen zunächst davon aus, dass die Vorschriften in Paragraph 5 Glücksspielstaatsvertrag Markt­verhaltensregelungen im Sinne des Paragraph 4 Nr. 11 UWG darstellen.113 Sie dienen dem Schutz der Spieler und Spielinteressenten vor Glücksspielsucht und setzen dem Marktverhalten zu diesem Zweck Grenzen.114 Auch zu Unternehmen, die wie die Landeslottogesellschaften als Monopolunternehmen gem. Paragraph 10 Abs. 2 und 5 des Glücksspielstaatsvertrags Glücksspiele veranstalten, kann nach Auffassung der Gerichte ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Sinne des Paragraph 8 UWG bestehen. Denn im Interesse eines wirksamen wettbewerbsrechtlichen Individualschutzes sind an das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses keine hohen Anforderungen zu stellen. Zwar führen die meisten Antragsteller bzw. Kläger, die in den hier 112 Vgl. zu den prozessualen Hintergründen ausführlich in Christina Brugger: Werbeverbote und -beschränkungen des GlüStV für staatliches Glücksspiel im Fokus der Rechtsprechung. In: Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht (ZfWG), 04/09, S. 256-262. 113 Vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 18.09.2008 (1 W 66/08); OLG München, Urteil vom 31.07.2008 (29 U 2786/08), Urteil vom 22.04.2008 (29 W 1211/08). 114 OLG München, Urteil vom 22.04.2008 (29 W 1211/08). 86 darzustellenden Verfahren auftreten, aufgrund des im Glücksspielstaatsvertrag errichteten Glücksspielmonopols nicht selbst Lotteriespiele durch. Es genügt aber, wenn sie ihren Kunden über Beteiligungen an „Fonds“ die Möglichkeit der Teilnahme an Lottoausspielungen mit der Aussicht auf Gewinn verschaffen.115 Überwiegend gehen die Gerichte auch davon aus, dass es für die Aktivlegitimation des Mitbewerbers unerheblich ist, ob die eigene Tätigkeit rechtlich zulässig oder gesetzes- bzw. wettbewerbswidrig ist.116 Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten ist dabei nicht anzunehmen, weil durch die beanstandeten Verstöße zugleich Interessen der Allgemeinheit berührt werden.117 Einzelne Gerichte sprechen jedoch gerade in letzter Zeit Klägern die Aktivlegitimation ab.118 Der „Verband für Gewerbetreibende im Glücksspielwesen e. V. (GIG)“ vertritt die Interessen gewerbetreibender Unternehmen und Personen des deutschen Glücksspielwesens und hat unter anderem die satzungsmäßige Aufgabe, im Vereinsinteressensbereich den unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen. Nach eigenen Angaben hat der Verein im ersten Halbjahr 2009 mehr als 20 gerichtliche Entscheidungen herbeiführen können, die auf die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben durch den Glücksspielstaatsvertrag gerichtet waren.119 Einen Schwerpunkt bildeten Klagen wegen Verstößen gegen die Werbeeinschränkungen des Glücksspielstaatsvertrags. Lediglich in zwei Fällen hätten Gerichte dem Verein die Aktivlegitimation abgesprochen. So geht das Landgericht Saarbrücken davon aus, dass die im GIG organisierten Unternehmen nicht als Kläger auftreten können, da ihnen ein schutzwürdiges rechtliches Interesse an der begehrten Unterlassung fehlt, da es ihnen rechtlich nicht möglich ist, als legale Mitbewerber der staatlichen Gesellschaften aufzutreten: „Im Hinblick auf die von Ihnen betriebenen, gegen geltendes Recht verstoßenden Geschäfte, die es ihnen - jedenfalls 115 Vgl. OLG Oldenburg, Urteil vom 18.09.2008 (1 W 66/08); OLG München, Urteil vom 31.07.2008 (29 U 2786/08). 116 OLG München, Urteil vom 31.07.2008 (29 U 2786/08); OLG Koblenz, Beschluss vom 16.10.2008 (4 W 529/08); LG Stuttgart, Urteil vom 4.09.2008 (17 O 437/08); LG Oldenburg, Urteil vom 01.10.2008 (5 O 1681/08, 12 O 2350/08). Anderer Ansicht ist das LG Saarbrücken, Urteil vom 19.11.2008 (7 KFH O 302/08) für den Fall, dass der Verfügungskläger selbst gegen §§ 4 Abs. 4, 5 Abs. 3 GlüStV verstößt. 117 OLG Oldenburg, Urteil vom 18.09.2008 (1 W 66/08); LG Berlin, Urteil vom 3.03.2009 (102 O 273/08). 118 OLG Saarbrücken, Urteil vom 07.05.2009 (1 U 601/08-77), LG Kiel, Urteil vom 26.05.2009 (16 O 40-09) und LG Saarbrücken, Urteil vom 24.08.2009 (7KFH O 77/09). 119 Vgl. GIG: Halbjahresbilanz 2009 des Glücksspielstaatsvertrages: GIG erwirkt zahlreiche Entscheidungen wegen Werbe- und Vertriebsverstößen im Glücksspielwesen. http://www.isa-casinos.de/articles/26078.html. 87 rechtlich - unmöglich machen, im Inland als Wettbewerber der Verfügungsbeklagten aufzutreten, ist ein schutzwürdiges Interesse an der begehrten Unterlassung nicht ersichtlich“.120 Das Oberlandesgericht Stuttgart kommt in einer mündlichen Verhandlung zu dem Ergebnis, dass das selektive Vorgehen des GIG gegen die Gesellschaften des Deutschen Lotto- und Totoblocks bei gleichzeitiger Schonung der eigenen Verbandsmitglieder als rechtsmissbräuchlich zu erachten ist. Der Rechtsmissbrauch sei bereits in der Satzung angelegt, die ausdrücklich keine Möglichkeit einer Mitgliedschaft der Gesellschafter des Deutschen Lotto- und Totoblocks am GIG zulasse.121 Auf die prozessualen Implikationen einer möglichen Treuwidrigkeit des Handelns des Klägers geht aus prozessualer Sicht Brugger ausführlich ein. 122 In prozessualer Hinsicht sind die gerichtlichen Entscheidungen zumeist im Wege einstweiliger Verfügungen ergangen. Sofern eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, ergeht sie durch Urteil, andernfalls durch Beschluss. Letzteres kann in dringenden Fällen geschehen123 und macht auch eine Begründung entbehrlich124. Daher enthalten die Entscheidungen zuweilen keine Rechtsausführungen, sondern nur den Untersagungstenor. Zahlreiche der gerichtlichen Entscheidungen sind noch nicht rechtskräftig. Ob im konkreten Einzelfall eine nach Paragraph 5 des Glücksspielstaatsvertrags zulässige Werbung vorliegt, müssen die Gerichte jeweils anhand der gesamten vorliegenden Umstände entscheiden. Die wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen zur Werbung drehen sich vor allem um: • • • • die Werbung mit dem Jackpot die Werbung mit bereits erfolgten Gewinnen die Werbung mit Aufforderungscharakter die „Werbung“ der Lottoannahmestellen mit dem Leuchtschild „Lotto“ 120 LG Saarbrücken, Urteil vom 24.08.2009 – 7KFH O 77/09. 121 Manfred Hecker: OLG Stuttgart: Das wettbewerbsrechtliche Vorgehen des „GIG – Verband für Gewerbetreibende im Glücksspielwesen e.V.“ gegen die Staatliche Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg. http://www.isa-guide.de/print/articles/27049.html. 122 Vgl. Per Binde: Selling dreams - causing nightmares? On gambling advertising and problem gambling. In: Journal of Gambling Issues 20 (Juni 2007), S. 167-192 und die dort angegebene Literatur. 123 Vgl. Artikel 937 Abs. 2 der Zivilprozessordnung. 124 Vgl. Artikel 922 Abs. 1 der Zivilprozessordnung. 88 Werbung mit dem Jackpot Wie bereits dargelegt, sind hier unterschiedliche Auslegungen des Gesetzestextes möglich. Mit der Frage, ob überhaupt und in welcher Form eine Werbung mit dem Jackpot zulässig sei, hat sich eine ganze Reihe von Gerichten beschäftigt. Die Gerichte kommen in der Regel zu der Auffassung, dass eine Werbung mit dem Jackpot prinzipiell zulässig ist, wenn sich diese auf die reine Information beschränkt. Nach Auffassung des Landgericht Koblenz125 richtet sich das Verbot des Paragraph 5 Absatz 2 Satz 1 des Glücksspielstaatsvertrags vor allem gegen unangemessene unsachliche Werbung. Die Nennung der Jackpot-Höhe falle nicht darunter, weshalb diese Werbung nicht generell unzulässig sei. Aus Verbrauchersicht sei von allerhöchster Wichtigkeit, die wesentlichen Rahmendaten eines Glücksspiels, insbesondere die Jackpot-Höhe, zu erfahren, um überhaupt eine rationale Entscheidung über die Spielteilnahme treffen zu können. Auch die Aufmachung sei im vorliegenden Fall trotz markanter Präsentation auf einem Aufsteller nicht zu beanstanden. Um von einer unsachlichen, unangemessenen Einflussnahme sprechen zu können, müssten erst weitere Umstände, wie etwa auffordernde Slogans, Leuchtreklame oder Ähnliches, hinzutreten. Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Das Oberlandesgericht Koblenz126 gibt der Klägerin Recht und untersagt die Werbung mit der Höhe des Jackpots wegen des Fehlens der Angaben zu den Gewinn- und Verlustwahrscheinlichkeiten. In einer früheren Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz127 vom 16. Oktober 2008 wurde bereits dieselbe Auffassung vertreten. Auch hier ändert bzw. verschärft das Oberlandesgericht Koblenz eine Entscheidung des Landgericht Koblenz128 und untersagte der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH im Wege der einstweiligen Verfügung eine bestimmte Form der Internetwerbung. Dabei war auf einer Internetseite zur Lotterie „6 aus 49“ in der Kopfleiste ein lachendes älteres Paar abgebildet, während am rechten Rand in einem roten Kasten die Höhe des aktuellen Jackpots mitgeteilt wurde. Das Oberlandesgericht hält diese Ausgestaltung entgegen der zuvor vom Landgericht vertretenen Ansicht für eine nach Paragraph 5 Abs. 3 Glücksspielstaatsvertrag verbotene Werbung. Die Gestaltung gehe über den Bereich informativer und optisch angenehmer Gestaltung eines 125 126 127 128 LG Koblenz, Urteil vom 23. Dezember 2008 (Az. 4 HK.O 133/08). OLG Koblenz, Urteil vom 6. Mai 2009 (Az. 9 U 117/09). OLG Koblenz, Urteil vom 16. Oktober 2008 (Az. 4 W 529/08). LG Koblenz, Urteil vom 30. Juli 2008 (Az. 14 O 51/08). 89 grundsätzlich zulässigen Internetauftrittes hinaus. Nach Auffassung des Oberlandesgericht ergibt sich dies aus dem blickfangmäßig herausgestellten Hinweis auf die Höhe des Jackpots und der übrigen äußeren Gestaltung (Gebrauchen der roten Farbe, Unterlegung bzw. Rahmung, Fettdruck, Größe der Buchstaben im Vergleich zum Fließtext). Dadurch werde ein gesteigerter Anreiz für die Verbraucher bewirkt, an der Ausspielung teilzunehmen. Besonders deutlich werde der Aufforderungscharakter durch die suggestiv neben dem Wort „Jackpot“ angebrachten Kreuze, die das Markieren eines Lottoscheines symbolisieren. Mit der Abbildung des älteren Paares ermuntere die Veranstalterin gezielt zur Teilnahme an ihrem Glücksspiel, indem sie die Hoffnung auf ein aufgrund eines Lottogewinns ähnlich freudig erlebtes Alter stärke. Ganz auf derselben Linie liegt auch das Oberlandesgericht München129 in seiner Entscheidung vom 22. April 2008. Das Oberlandesgericht untersagt dem Freistaat Bayern bestimmte Werbeformen für die von ihm veranstaltete Lotterie „6 aus 49“. Es handelte sich zum einen um eine Zeitungsanzeige, mit der in großen Lettern auf den aktuellen Jackpot („18 Mio.“) hingewiesen wurde. In kleiner Schrift erfolgten Hinweise zur Suchtgefahr und Gewinnwahrscheinlichkeit. Außerdem wurde das Titelblatt des Kundenmagazins „Spiel mit“ mit dem diagonal verlaufenden Text „Lotto: rund 15 Mio. Euro am Mittwoch zu gewinnen“ beanstandet. Das Landgericht hatte zuvor den Antrag eines Mitbewerbers auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen, weil der gemäß Paragraph 5 Abs. 1 Glücksspielstaatsvertrag zulässige Rahmen nicht überschritten sei. Das Oberlandesgericht hingegen sah in den Werbemaßnahmen einen Verstoß gegen Paragraph 5 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 des Glücksspielstaatsvertrags. Bei der Zeitungsanzeige wird dieser Verstoß mit den unterschiedlichen Schriftgrößen der Informationen, einem eklatanten Missverhältnis zwischen der plakativen Hervorhebung der Gewinnangabe und den kaum in Erscheinung tretenden weiteren Hinweisen begründet. Diese Unausgewogenheit der Anzeige bewirke einen gesteigerten Anreiz, an der Lotterie teilzunehmen. Der zulässige informative und aufklärende Gehalt trete deutlich gegenüber der Aufmachung als Reklame zurück. Das Gericht geht aber davon aus, dass eine Werbeaussage, die neben einer Angabe der Jackpothöhe in ausgewogener Weise auch andere Angaben zu dem Glücksspiel enthält, insgesamt nicht unangemessen und unsachlich sein 129 OLG München, Beschluss vom 22. April 2008 (Az. 29 W 1211/08). 90 muss, sondern grundsätzlich eine zulässige Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Glücksspiel darstellen kann. Der Titelblattwerbung komme der verbotene Anreizcharakter in noch höherem Maße zu, da diese nicht einmal untergeordnete Hinweise auf gegen eine Spielteilnahme sprechende Umstände enthalte, sondern die attraktive Gewinnhöhe in Alleinstellung anführe. Sie stehe damit sogar im Widerspruch zu der Vorgabe in Nr. 2 der Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht (Anhang zum Glücksspielstaatsvertrag), nach der eine Information über Höchstgewinne mit der Aufklärung über die Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust zu verbinden ist. In einer Entscheidung vom 31. Juli 2008 entschied das Oberlandesgericht München130 in einem Berufungsverfahren über eine Entscheidung des Landgerichts München131. Es wurde dem staatlichen Glücksspiel-Anbieter Lotto Bayern verboten, im Bereich des Glücksspielwesens im Internet die Höhe von planmäßigen Jackpots zu bewerben. Das vorangehende Urteil wurde teilweise geändert. Auf einer Internetseite wurden Informationen über das Glücksspielangebot bereitgehalten. Im oberen Bereich der Seite befanden sich neben der Mitteilung der aktuell gezogenen Lottozahlen eine deutlich hervorgehobene „Jackpotinformation“ sowie darüber wechselnde Bildmotive, die zumeist sich freuende Personen darstellten. Dieser Internetauftritt stellt nach Auffassung des Gerichts einen Verstoß gegen Paragraph 5 Abs. 3 Glücksspielstaatsvertrag dar. Nach dem Gesamteindruck handele es sich um Werbung. Der Durchschnittsverbraucher verstehe die Bilder dahingehend, dass sich die Personen über einen Jackpotgewinn freuen. Zusätzlich verstoße ein derartiger Internetauftritt gegen das Verbot des Paragraph 5 Abs. 1, Abs. 2 S. 1. Da jeder Art von Werbung ein gewisses Aufforderungs- bzw. Anreizmoment immanent sei, richte sich dieses Verbot vor allem gegen unangemessene, unsachliche Werbung. Eine einseitig die Vorteile des Glücksspiels, insbesondere die Möglichkeit besonders hoher Gewinne herausstellende Werbung sieht das Gericht als unangemessen und unsachlich an. Im vorliegenden Fall würden die möglichen Gewinne blickfangmäßig herausgestellt und keine Hinweise auf Umstände gegeben, die gegen die Spielteilnahme sprechen. Durch die freudig gestikulierenden Personen werde ein gesteigerter Anreiz bewirkt, an dem Glücksspiel teilzunehmen. Der 130 OLG München, Urteil vom 31. Juli 2008 (Az. 29 U 2786/08). 131 LG München, Urteil vom 11. März 2008 (Az. 33 O 1694/08). 91 zulässige informative und aufklärende Gehalt der Werbung trete demgegenüber deutlich zurück. Das Oberlandesgericht geht jedoch davon aus, dass die Nennung der Jackpothöhe an sich noch nicht unangemessen und unsachlich ist. Nicht jede Art der werbenden Erwähnung der Gewinnhöhe sei untersagt. Daher lehnte das Gericht weitergehende Verfügungsanträge ab. Die Höhe des möglichen Gewinns sei ein die Attraktivität des Glücksspiels beeinflussender Faktor. Auch die Nr. 2 der Richtlinien zur Vermeidung und Bekämpfung von Glücksspielsucht im Anhang zum Glücksspielstaatsvertrag setzten die Zulässigkeit der Nennung der Gewinnhöhe voraus. Das Gericht geht daher davon aus, dass im Einzelfall eine Werbeaussage, die neben einer Angabe zur Gewinnhöhe andere Angaben zur beworbenen Lotterie enthält, zulässig sein kann. Nach mündlicher Verhandlung bestätigte das LG München I am 6. Oktober 2009 erneut eine einstweilige Verfügung gegen den Freistaat Bayern. Anfang Mai hatte das Gericht Lotto Bayern verboten, in Bezug auf Höchstgewinne (Jackpot) mit unrichtigen Gewinnhöhen zu werben oder werben zu lassen132. Auf Aufstellern und in Schaufenstern hatte eine Würzburger Annahmestelle im April einen Jackpot in Höhe von 18 statt 10 Millionen Euro beworben. Zehn Tage später hatte eine Münchener Annahmestelle mit einem Höchstgewinn von 3 Millionen statt 1 Million Euro geworben. Diese Angaben verstießen gegen den Glücksspielstaatsvertrag; Werbung darf danach nicht irreführend sein. Die Rechtsprechung vertritt die folgende Auffassung: Werbung mit dem Jackpot ist nicht erlaubt, nur die Information über die Höhe des Jackpots. Die Information hat nur in Textform mit der Angabe der jeweiligen Jackpothöhe zu erfolgen. Information über die Höhe des Jackpots hat sowohl auf Grund des Glücksspielstaatsvertrags als auch nach herrschender Rechtsprechung über die Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust aufzuklären. Auf die von dem Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr ist hinzuweisen. Werbung mit bereits erfolgten Gewinnen Eine Werbung mit bereits erfolgten Gewinnen kann als für die Spielteilnahme wichtige Information oder als unzulässige Werbung angesehen werden. Die Gerichte folgen hier einer sehr restriktiven Auslegung der Werbeeinschränkungen nach dem Glücksspielstaatsvertrag. Selbst die reine Information über vergangene 132 LG München I vom 8. Mai 2009 (Az. 33 O 8501/09). 92 Gewinne wird als unzulässig betrachtet, wenn diese zur Teilnahme am Spiel auffordern soll. In der bereits oben angeführten Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz133 ging es auch um die Werbung mit bereits erfolgten Gewinnen. Das Landgericht Koblenz134 hatte der Lotto Rheinland-Pfalz GmbH untersagt, in Annahmestellen auf Plakaten dort erzielte Gewinne mitzuteilen (z. B. „Hier gewonnen: 36.683,- € mit System – Glückwunsch“). Diese Untersagung wurde vom Oberlandesgericht bestätigt. Nach Ansicht des Landgerichts handele es sich auch bei der Gewinnmitteilung um Werbung in der Form einer „Erfolgsgeschichte“. Hiermit sollen Verbraucher zur Teilnahme an der Lotterie aufgefordert werden. Die Mitteilung enthalte aber keine für die Teilnahme an einem Glücksspiel nützlichen und notwendigen Rahmendaten, vielmehr würden irrelevante Entscheidungs­kriterien untergeschoben. Die Werbung mit Hinweis auf den in der Annahmestelle bereits erzielten Gewinn sei daher unsachlich und unangemessen. Ähnlich argumentiert auch das Landgericht Stuttgart.135 Das Landgericht setzte sich im Rahmen einer einstweiligen Verfügung mit der Zulässigkeit von Mitteilungen über erzielte Gewinne („Gewinninformation“) auseinander. Das Gericht verbot der Staatlichen Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg den in der Lotterie „6 aus 49“ bei einer bestimmten Annahmestelle erzielten Gewinn durch Plakate mitzuteilen (Beispiel: „Die Staatliche Toto-Lotto-GmbH informiert: hier gewonnen: 8.941,80 € Lotto am Samstag“). Nach Ansicht des Gerichts handelt es sich dabei „naturgemäß um Werbung“, da die Mitteilung dazu diene, zur Teilnahme an der Lotterie aufzufordern. Eine solche Werbung sei per se unsachlich und unangemessen. Die Mitteilung über erzielte Gewinne stelle keine für die Teilnahme an einem Glücksspiel nützlich und notwendige Information dar. Nur unterschwellig würden gewisse Erwartungshaltungen bedient. Gerade ein solches Unterschieben irrelevanter Entscheidungskriterien verstoße gegen Paragraph 5 Absatz 1, 2 Satz 1 des Glücks­spiel­staats­vertrags. Das Landgericht Karlsruhe136 liegt ganz auf dieser Linie. Es untersagte mit einstweiliger Verfügung plakatartige Mitteilungen über bereits erzielte Gewinne, die 133 134 135 136 OLG Koblenz, Urteil vom 6. Mai 2009 (Az. 9 U 117/09). LG Koblenz, Entscheidung vom 23.12.2008 (Az. 4 HK.O 133/08). LG Stuttgart, Urteil vom 4. September 2008 (Az. 17 O 437/08). LG Karlsruhe, Beschluss vom 1. August 2008 (Az. 13 O 99/08 KfH I). 93 an der Glasfront einer Annahmestelle angebracht waren: „Die staatliche TotoLotto GmbH informiert: Hier gewonnen: (Betrag in Euro), Lotto am Samstag“. Der Unterlassungsanspruch des Mitbewerbers ergebe sich nach Auffassung des Gerichts „jedenfalls daraus, dass der Antragsgegner die nach § 5 Abs. 2 S. 2 GlüStV zu erteilenden deutlichen Hinweise (…) unterlassen hat“ (gemeint ist wohl Paragraph 5 Absatz 2 Satz 3). Eine generelle Untersagung derartiger Werbung komme jedoch nicht in Frage. Denn eine solche Werbeaussage könne in Zusammenhang mit anderen Angaben zum beworbenen Glücksspiel (z. B. zur Suchtgefahr, Gewinnwahrscheinlichkeit) insgesamt eine zulässige Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Glücksspiel darstellen. Auch das Oberlandesgericht Brandenburg137 ist dieser Ansicht. Werbung unter Herausstellung des erzielten Gewinns ist unzulässig. Das Oberlandesgericht schließt sich hier dem Landgericht Potsdam138 an. Werbung unter Benennung des letzten Gewinnerfolges eines Spielers in der jeweiligen Lottoannahmestelle sei als unsachlich und damit unzulässig zu bezeichnen, Die Meldung habe keinerlei Einfluss auf das Ergebnis der künftigen Spielteilnahme und beinhalte demnach keine relevanten Information für den potentiellen Spieler. Die Gerichte kommen mehrheitlich zu der Auffassung, dass eine Werbung mit der Information über die erzielten Gewinne nicht zulässig sei, da es sich hier „naturgemäß“ um Werbung handelt. Die Gerichte sind hier der Auffassung, dass nur die zur Teilnahme am Spiel relevante Information zulässig sei. Werbung mit Aufforderungscharakter In der bereits angeführten Entscheidung des Oberlandesgerichts München139 geht es auch um die Werbung mit Werbeaufstellern. Das Oberlandesgericht untersagte dem Freistaat Bayern eine vor Annahmestellen aufgestellte Plakattafel, auf der das Spielfeld eines Fußballstadions samt Ball und Spieler abgebildet war und folgende Aufschrift enthielt: „MAL LAHM, MAL DOLL: BUNDESLIGA JEDE WOCHE BEI ODDSET“. Auch andere Gerichte befassen sich mit der Werbung auf den Werbeaufstellern vor Lottoannahmestellen. 137 OLG Brandenburg, Urteil vom 18.August 2009 (Az. 6 U 103/08). 138 LG Potsdam (Az. 51 O 115/08). 139 OLG München, Beschluss vom 22. April 2008 (Az. 29 W 1211/08). 94 Eine auf dem Gehweg aufgestellte Werbetafel zeigte einen Mann in roter Trainingsjacke mit Lottoschein und Kugelschreiber in den Händen. Der dazugehörige Text lautete: „Der LOTTO-Trainer meint: VIEL GLÜCK!“ Das Landgericht Berlin140 untersagt diese Form der Werbung. Die aufgestellte Werbetafel verstößt nach Auffassung des Gerichts gegen Paragraph 5 Absatz 1 und 2 Glücksspielstaatsvertrag. Durch die grafische Gestaltung und den zugehörigen Text werde der zulässige Inhalt der Werbung für Glücksspiele überschritten. Die Abbildung besitze „sehr deutlich einen unzulässigen Aufforderungscharakter“. Die Präsentation des Lottoscheins und des Kugelschreibers durch den lachenden „LottoTrainer“ könne nicht anders verstanden werden als die gezielte Aufforderung, an der Lotterie „6 aus 49“ teilzunehmen. Dies werde durch die Textbotschaft noch verstärkt, da sich das „Glück“ im konkreten Sachzusammenhang nur durch den Erfolg bei einer Spielteilnahme einstellen kann. Dieses Urteil wurde von dem Kammergericht Berlin141 bestätigt. Durch diese Vorschrift solle vor allem eine unmittelbare und „gezielte“, also in erster Linie auf die Spielteilnahme ausgerichtete Appellfunktion ausgeschlossen werden. In Rechung zu stellen dabei ist, dass sich die Werbetafel an Passanten richtet, die erst noch „auf die Idee der Spielteilnahme gebracht werden sollen“. Eine blickfangmäßig auf Aufstellern am Gehweg vorgenommene, sehr auffällige Darstellung des aktuellen Lotto-Jackpots stellt eine unzulässige Werbung für Glücksspiele dar, wenn die gesetzlich vorgeschriebenen Warnhinweise in den Hintergrund treten. Wenn hier eine unverhältnismäßige Proportionalität zwischen der Darstellung der Jackpot-Zahlen und den Hinweisen auf das Verbot der Teilnahme Minderjähriger und die vom Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr und Hilfsmöglichkeiten gegeben ist, so dass diese neben den Jackpot-Zahlen „untergehen“, ist dies nach Ansicht des Brandenburgischen Oberlandes­gerichts142 als rechtswidrig zu bezeichnen. Hinzu komme „die Aufmerksamkeit erregende Positionierung der Werbung auf dem Gehweg, also im öffentlichen Verkehrsraum vor der Annahmestelle“. Davon geht, so die Argumentation des Gerichts, „ein Aufforderungscharakter bzw. ein Anreiz jedenfalls auf Personen aus, die zum Spiel noch nicht fest entschlossen sind. Mit anderen Worten, es wird der Spieltrieb geweckt.“ Das ist nach Ansicht des Gerichts der Unterschied zur schlichten Information über die Höhe des Jackpots, woran die Verbraucher bereits aus der 140 LG Berlin, Urteil vom 24. März 2009 (Az. 102 O 273/08). 141 KG Berlin, Urteil vom 12. August 2009 (Az. 24 U 40/09). 142 OLG Brandenburg, Urteil vom 18. August 2009 (Az. 6 U 103/08). 95 Berichterstattung in den Medien sein langem gewöhnt sei. Der Entscheidung des Landgerichts Potsdam143 wird bestätigt. In der Praxis ist auch fast jede Form der Anzeigenwerbung untersagt, wie das Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg144 zeigt. Im Wege der einstweiligen Verfügung untersagte das Oberlandesgericht der niedersächsischen Landeslottogesellschaft eine bestimmte Werbung für Glücksspielangebote. Es änderte damit die frühere Entscheidung des LG Oldenburg vom 30. Juli 2008 und gab der Beschwerde einer Mitbewerberin statt. Gegenstand des Verfahrens war folgender Anzeigentext: „Sommer in Niedersachsen! Endlich Ferien in Niedersachsen! Die Sonne lacht, das Fernweh ist groß. Denken Sie bei Ihren Reisevorbereitungen daran, vor dem Urlaub LOTTO zu spielen. Der Mehrwochenschein sorgt bis zu acht Wochen dafür, dass Sie während des Urlaubs Ihre Chance auf das große Glück wahren.“ Daneben war ein Bild von Liegestühlen am Rand eines Swimmingpools unter kräftig blauem Himmel platziert. Auf dieselbe Weise war auch eine Homepage gestaltet, mit Link zu einem ausfüllungsfähigen Lottoschein. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts liegt hierin eine unzulässige Werbung mit Aufforderungscharakter im Sinne des Paragraph 5 Abs. 1 Glücksspielstaatsvertrag. Im Bezug auf die Internetanzeige ergebe sich das Verbot unmittelbar aus dem Internetverbot von Paragraph 5 Abs. 3 des Glücksspielstaatsvertrags. Wortlaut und Gestaltung der Anzeige gingen sehr deutlich über eine schlichte Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Glücksspiel hinaus. Aufgrund der gesetzten äußeren Reize und der konkreten Aufforderung im Text würden Teilnahmeanreize gesetzt oder latent vorhandene Anreize geweckt. Paragraph 5 Abs. 3 Glücksspielstaatsvertrag sei auch dann anwendbar, wenn auf der eigenen Homepage geworben wird, und nicht lediglich bei Hinweisen auf Drittseiten (Bannerwerbung). Eine Beschränkung des Werbeverbotes auf bestimmte Formen der Internetwerbung ergebe sich aus dem Glücksspielstaatsvertrag nicht. Dabei geht das Oberlandesgericht davon aus, dass eine Gestaltung eines Internetauftrittes zur Selbstdarstellung durchaus auch ohne eine nach dem Glücksspielstaatsvertrag untersagte Werbung möglich sei. Es liegen auch Entscheidungen vor, aus denen ersichtlich ist, was die Gerichte als erlaubte Werbung ansehen. In der schon erwähnten Entscheidung des 143 LG Potsdam (Az. 51 O 115/08). 144 OLG Oldenburg, Urteil vom 18. September 2008 (Az. 1 W 66/08). 96 Oberlandesgerichts München ging es auch um das Kundenmagazin der bayerischen Lottogesellschaft. Der Titel des Magazins lautet „Spiel mit“ und enthält Informationen zu Gewinnzahlen, Gewinnquoten, Spielsystemen und Spielregeln. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts hält sich ein derartiges Magazin, das lediglich Informationen enthält, im Rahmen des nach Paragraph 5 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Zulässigen, da es nicht gezielt zur Teilnahme auffordert, anreizt oder ermuntert. Auch der im Imperativ gehaltene Titel ändere daran nichts. Im Gegensatz zu den anderen Gerichten berücksichtigt das Landgericht Wiesbaden145 in seiner Entscheidung auch die Ziele des Glücksspielstaatsvertrags. Es geht um die Zulässigkeit einer im „Glüxmagazin“ gestalteten Werbung. Dargestellt wird die Sonderauslosung von Lotto „6 aus 49“, deren Namen „Mit 3 Richtigen 1 Mio. € gewinnen“ lautet, sowie drei Lottokugeln, einen Lottoschein und drei rot umrandete, durch eine Lupe vergrößerte, angekreuzte Zahlenkästchen. Die Werbeeinschränkungen in Paragraph 5 werden in Zusammenhang mit den Zielen in Paragraph 1 gesehen. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass die Fassung des Paragraph 5 Abs. 2 S. 1 des Glücksspielstaatsvertrags „insofern unglücklich (ist), als Werbung grundsätzlich immer einen Aufforderungscharakter als gewichtigstes Element beinhaltet.“ Das Verbot soll nach Ansicht des Gerichts vor allem unangemessene, unsachliche Werbung unterbinden, die „emotional-aufreißerisch den Kunden anspricht“. Unter Berücksichtigung des Ziels des Staatsvertrags, nämlich den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, „müsse dem Beklagten grundsätzlich auch eine ansprechende Werbung seiner Dienstleistungen möglich sein.“ Dass die Glücksfee Franziska Reichenbacher allen Lottofreunden ein „glückliches Händchen“ wünscht, ist „angesichts der ansonsten eher verhaltenen und bieder erscheinenden Aufmachung“ nach Ansicht des Gerichts nicht zu beanstanden. In einem anderen Verfahren ging es um Reklame für Spielbanken. Eine Plakatwerbung für die Bayerischen Spielbanken lautete: „CASINO.RESTAURANT. BAR.BÜHNE“ und „SPIELBANKEN BAYERN STAATLICH - BAYERISCH AUFREGEND ANDERS”. Die Richter des Oberlandesgerichts München146 sahen in den Slogans eine unzulässige Werbung, denn diese enthielten einen verbotenen Aufforderungscharakter und würden nicht nur sachlich informieren. Auf dem betreffenden Plakat werde das Wort „Casino“ in der Aufzählung gleich an erster Stelle genannt. Damit rücke das künstlerische und gastronomische 145 LG Wiesbaden, Urteil vom 10. August 2009 (Az. 11 O 12/09). 146 OLG München, Urteil vom 30. April.2009 (Az. 29 U 5351/08). 97 Programm in den Hintergrund. Im Blickfeld wäre das Casino und damit die Teilnahme am Glücksspiel. Darüber hinaus werde mit dem Slogan über die bayerischen Spielbanken nicht nur untergeordnet mit Emotionen geworben. Durch den emotionalen Charakter trete die sachliche Information zurück. Gerichte haben sich nicht nur mit der Werbung für die Lotterie „6 aus 49“ und der Werbung für Spielbanken, sondern in einem Fall auch mit der Werbung für Rubbellose befasst. Das Oberlandesgericht Koblenz147 hat in einem Urteil vom 4. November 2009 sowohl die Werbung auf der Homepage als auch die Anzeigenwerbung von Lotto Rheinland-Pfalz für die Sofortlotterie „Goldene 7“ untersagt. Mit Anzeigen und auf ihrer Webseite hatte Lotto Rheinland-Pfalz im Frühjahr 2009 das neu eingeführte Rubbellos beworben. Auf dem Los waren die Rubbelfelder durch gelb-golden glänzende Goldbarren dargestellt. Aufmerksamkeitsstark waren die funkelnde Zahl 7 sowie die Aussage „Gewinne bis zu 50.000 €“ und „10 Gewinnchancen“ hervorgehoben. Das Landgericht Koblenz148 hatte in erster Instanz die Internetwerbung verboten, den Verfügungsantrag hinsichtlich der Zeitungswerbung aber mit der Begründung zurückgewiesen, dass sich die Werbung noch im Rahmen des Zulässigen bewege. Das Oberlandesgericht Koblenz149 führt sehr ausführlich und differenziert die Grundsätze an, die seiner Entscheidung zu Grunde liegen. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts ist solche Werbung nach § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Glücksspielstaatsvertrag erlaubt, die die Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise auf das angebotene legale Glücksspiel lenkt. „Geht die Werbung in ihrer konkreten Ausgestaltung und Aufmachung jedoch über das, was zur Information und Aufklärung unerlässlich ist, hinaus, gerät sie zwangsläufig in Konflikt zur Zielsetzung der Vermeidung der Spielleidenschaft und der Eindämmung des Spiels. Nicht mit § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GlüStV ist daher vereinbar, wenn in einer Werbemaßnahme werbetypische Anreize und Effekte gesetzt werden, um so typische Eigenschaften wie Gewinnstreben und Neugierde des Betrachters auszunutzen und diesen auf diese Weise zu beeinflussen und zum Kauf zu animieren. Die Verwendung von sogenannten Eyecatchern ist zwar zur Erregung der für eine erfolgreiche Kanalisierung erforderlichen Aufmerksamkeit zulässig, nicht aber wenn diese die Werbung dominieren und eine Anreizfunktion zum Spieltrieb erfüllen, indem sie beim Betrachter bestimmte Emotionen 147 OLG Koblenz, Urteil vom 4. November 2009 (Az. 9 U 889/09). 148 LG Koblenz, Urteil vom 16. Juni 2009 (4 HK O 78/09). 149 OLG Koblenz, Urteil vom 4. November 2009 (Az. 9 U 889/09). 98 und Assoziationen wecken. Unzulässig ist auch, bestimmte Produkte besonders anzupreisen, indem Gewinnmöglichkeiten unverhältnismäßig in den Vordergrund gestellt werden, insbesondere wenn dies mit einer unangemessen anziehend wirkenden farblichen oder grafischen Gestaltung kombiniert wird. Hingegen kann eine sachliche, nicht die Emotionen des Betrachters ansprechende, auch auffällig farblich gestaltete Werbung zulässig sein, wenn lediglich sie die für die Vermittlung der Attraktivität des Angebotes nötigen Informationen sichtbar macht. Letztlich kann die Zulässigkeit jedoch nur im Einzelfall unter Berücksichtigung des Gesamtbildes der Maßnahme beurteilt werden.“ Nach diesen Grundsätzen ist nach Meinung des Oberlandesgerichts Koblenz die streitgegenständliche Werbeanzeige unzulässig gemäß § 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GlüStV. Diese sei aufgrund ihres Gesamtbildes weniger auf eine Kanalisierung der Spielsucht durch Information und Aufklärung über die Möglichkeiten zum Glücksspiel als vielmehr auf eine Aufforderung bisher nicht am Glücksspiel interessierter Verbraucher zur Teilnahme am Glücksspiel durch gezielt eingesetzte Effekte gerichtet. Das Oberlandesgericht Koblenz150 begründet auch die Untersagung der Internetwerbung sehr grundsätzlich: „Dem Wortlaut nach erlaubt § 5 Abs. 3 GlüStV unabhängig von der Ausgestaltung des Glücksspiels im Internet generell nur solche Darstellungen, die keine Werbung sind, also nicht darauf abzielen, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern. Andererseits ist den Glücksspielanbietern ein Internetauftritt auf einer Homepage nicht generell verboten. Allein die Existenz einer Homepage dient jedoch bereits, unabhängig von konkreten Werbemaßnahmen, der Information der angesprochenen Verkehrskreise über das Unternehmen und die angebotenen Produkte und damit der Förderung des Absatzes, ist nach der strengen Definition also Werbung. Dieser scheinbare Widerspruch ist nach dem Sinn und Zweck des Glücksspielstaatsvertrages dahin zu lösen, dass auf der Homepage zwar eine Darstellung des Unternehmens und eine Auflistung der angebotenen Produkte zulässig sind, um Interessenten über deren Existenz zu informieren. Die Gestaltung der Internetseite darf aber nicht in der Weise erfolgen, dass die Produkte besonders angepriesen werden.“ Entsprechend dem Paragraph 5 Absatz 3 des Glücksspielstaatsvertrags ist nach Ansicht des Oberlandesgerichts Koblenz jede Werbung im Internet verboten und damit auch solche Werbung, die nur informiert. 150 OLG Koblenz, Urteil vom 4. November 2009 (Az. 9 U 889/09). 99 Die Rechtsprechung hat sich mit der Grenze zwischen informierender und aufklärender Information auf der einen Seite und auffordernder, anreizender oder ermunternder Werbung auf der anderen Seite sehr detailliert befasst. In dem Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz151 wird auch der Kanalisierungsauftrag angesprochen. Aber keines der Gerichte würdigt das Suchtgefährdungspotential des jeweils beworbenen Glücksspiels. Die Entscheidungen werden getroffen ohne Ansehung der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags. Es wird nicht die Auswirkung der Werbung auf die Gruppe der schutzbedürftigen Personen (Minderjährige und problematische oder pathologische Spieler) betrachtet. Nein, die Werbung wird aus der Sicht eines normalen Konsumenten bewertet. Damit wird angesichts des Wortlauts des Paragraph 5 des Glücksspielstaatsvertrags jede Werbung, die über die reine zum Kauf notwendige Information hinausgeht, und zum Kauf auffordert, anreizt oder ermuntert, untersagt. Sachgerecht wäre eine Bewertung der Werbung aus der Sicht eines gefährdeten oder pathologischen Spielers. Auf die Auswirkungen der Werbung auf gefährdete und pathologische Spieler wird sehr ausführlich später in Kapitel 5 eingegangen. Die vorliegende wissenschaftliche Literatur wird dafür ausgewertet werden. „Werbung“ mit dem Leuchtschild „Lotto“ und Kleeblatt Es liegt eine Entscheidung vor, in der sich die Rechtsprechung auch mit dem an jeder Lottoannahmestelle zu findenden Leuchtschild mit dem Hinweis auf Lotto befasst. Das Landgericht Berlin152 verurteilte in der bereits oben erwähnten Entscheidung den Betreiber einer Berliner Lottoannahmestelle dazu, diese „Werbemaßnahme“ für die Lotterie „6 aus 49“ zu unterlassen. An der Fassade der Annahmestelle waren die bundesweit im Straßenbild vertretenen Leuchtelemente mit dem Schriftzug „LOTTO“ und einem Kleeblatt angebracht. Die Leuchtkästen wurden den mehr als 25.000 Lotto-Annahme­stellen von den Landeslotteriegesellschaften im Rahmen einer neuen Dachmarkenstrategie zur Verfügung gestellt. Die an der Fassade angebrachten Leuchtelemente sind nach Ansicht des Gerichts unzulässig, da sie nicht die nach Paragraph 5 Abs. 2 S. 3 des Glücksspielstaatsvertrags erforderlichen deutlichen Hinweise zum Spielerschutz (Verbot der 151 OLG Koblenz, Urteil vom 4. November 2009 (Az. 9 U 889/09). 152 LG Berlin vom 3. März 2009 (Az. 102 O 273/08). 100 Teilnahme Minderjähriger, vom jeweiligen Glücksspiel ausgehende Suchtgefahr, Hilfsmöglichkeiten) enthalten. Bei der Beschriftung handele es sich nicht lediglich um die Nennung einer Marke. Die Darstellung werde vielmehr als unübersehbarer Hinweis dafür eingesetzt, dass es sich bei dem Geschäft um eine Annahmestelle handelt, in der einschlägige Produkte vertrieben werden. Sinn und Zweck des Hinweises sei die Absatzsteigerung, der Werbecharakter überwiege deutlich. Dem Spielinteressierten werde durch die Größe und Beleuchtung der Zeichen bereits von weitem signalisiert, dass er zum Lottospielen das Geschäft aufsuchen kann. Die Werbung durch die Abbildung der Marke „Lotto“ mit dem zugehörigem Kleeblatt beschränke sich zwar auf die Information zur Teilnahmemöglichkeit am Glücksspiel und überschreite damit nicht die Grenze des Paragraph 5 Abs.1. Für jede Werbung gelte aber die Anforderung nach Paragraph 5 Abs. 2 S. 3. Die aufklärenden Hinweise müssten sich hier außerhalb der Annahmestelle befinden. Je größer die Bedeutung der einzelnen Werbeträger für den Gesamteindruck sei, um so eher müssten die Hinweise auch auf diesen selbst angebracht werden. Bei einer besonders auffälligen Art der Werbung hätten die Hinweise in gleicher Weise zu erfolgen. Das Kammergericht Berlin153 revidiert diese Entscheidung in Teilen. Hinsichtlich der Frage, ob das Lottokleeblatt Werbung im Sinne des Paragraph 5 Abs. 1 des Glücksspielstaatsvertrags darstellt, folgt der Senat der Rechtsansicht des Landgerichts. Allerdings folgt der Senat der daraus gezogenen rechtlichen Schlussfolgerung, dass sich dementsprechende Schutzhinweise auf dem Werbeträger selbst zu befinden hätten, nicht. Es würde nach Ansicht des Gerichts reichen, wenn der Kunde diese Hinweise in der Lottoannahmenstelle selbst vorfindet und wahrnehmen kann. 4.2 Auslegung durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit Auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit befasst sich mit der Werbung. Doch in diesen Entscheidungen geht es in der Regel um die Zulässigkeit von Sportwetten. Aussagen zur Werbung ergeben sich nur am Rande. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit begründet ihre Entscheidungen mehr mit den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags und weniger mit dem Wortlaut von Paragraph 5 als die ordentliche Gerichtsbarkeit und kommt damit zu einer weniger restriktiven Auslegung als die ordentliche Gerichtsbarkeit. 153 KG Berlin, Urteil vom 12. August 2009 (Az. 24 U 40/09). 101 In einem Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof154 geht es um die Vereinbarkeit des in Bayern geltenden Veranstaltungsmonopols für Sportwetten nach dem Glücksspielstaatsvertrag mit Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht. In Bezug auf die Werbeeinschränkungen ist nach Ansicht des Gerichts kein Regelungsmangel zu erkennen. Es findet eine Auseinandersetzung mit dem „Sachlichkeitsgebot“ von Paragraph 5 Absatz 1 des Glücksspielstaatsvertrags statt. Einer „verabsolutierenden Interpretation“, dass Werbung nur sachlich über die Veranstaltung des Glücksspiels, den Ort und die Zeit der Teilnahme sowie über Einsatz und Teilnahmebedingungen informieren darf, nicht aber konkret über Höchstgewinne, wird entgegengetreten: „Da Wirtschaftswerbung stets drauf abzielt, Kunden für ein Produkt einzunehmen, ist die von dem Gutachter erhobene Forderung einer rein sachlichen Werbung ohne jeden Aufforderungscharakter schon begrifflich kaum vorstellbar.“155 Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs läuft eine solche, das Sachlichkeitsgebot überbetonende und aus dem Regelungszusammenhang lösende Interpretation auf ein vom Gesetzgeber gerade nicht gewolltes umfassendes Glücksspielwerbeverbot hinaus. Das Sachlichkeitsgebot müsse als allgemeiner Grundsatz gesehen werden, der durch die speziellen Grundsätze des Aufforderungsverbots, Jugendschutzgebot, Irreführungsverbot und Belehrungsgebot erläutert und ergänzt wird.156 Auch nicht jede Art der „Sympathiewerbung“ sei verboten. Die Aufklärungspflicht der staatlichen Anbieter gehe nicht so weit, dass ihre Werbung ausschließlich negativ besetzt sein müsste. Ansonsten könne das Ziel, das Spielgeschehen in geordnete Bahnen zu lenken, nicht erfüllt werden.157 Auch die Entwicklung der Werbeausgaben für die staatliche Sportwette wird berücksichtigt. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis: „In glücksspielrechtlicher Sicht kann eine Reduzierung der Werbeausgaben in einer Situation, in der - wie gezeigt - die Umsätze im erlaubten staatlichen Sportwettengeschäft kontinuierlich zurückgehen und im illegalen Internet- Sportwettengeschäft kontinuierlich zunehmen, nicht gefordert werden, denn in einer solchen Situation kann das in Paragraph 1 Nr. 2 Glücksspielstaatsvertrag enthaltene Ziel, den natürlichen Spiel154 VHG Bayern, Urteil des 10. Senats vom 18. Dezember 2008 (Az. 10 BV 07.558). 155 VHG Bayern, Urteil des 10. Senats vom 18. Dezember 2008 (Az. 10 BV 07.558), Abschnitt 83. 156 VHG Bayern, Urteil des 10. Senats vom 18. Dezember 2008 (Az. 10 BV 07.558), Abschnitt 84. 157 VHG Bayern, Urteil des 10. Senats vom 18. Dezember 2008 (Az. 10 BV 07.558), Abschnitt 85. 102 trieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, jedenfalls die Aufrechterhaltung der Haushaltsansätze für Werbeausgaben rechtfertigen.“158 Ähnlich argumentiert ein anderes Oberverwaltungsgericht, das Sächsische Oberverwaltungs­gericht.159 Es geht hier um eine Untersagungsverfügung der Vermittlung von Sportwetten. Auch hier wird argumentiert, dass die Werbe- bzw. Vertriebsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem nicht zu beanstandenden Ziel des Glücksspielstaatsvertrags, das Spiel- und Wettgeschehen in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken, nur erreichen lässt, wenn das staatliche Glücksspielangebot hinreichend bekannt sei. Da dies eine effektive Werbestrategie voraussetze, könne eine nicht gezielt zur Spielteilnahme auffordernde Werbung nicht schon allein wegen des jeder Werbung innewohnenden Aufforderungscharakters als unsachlich angesehen werden. Auch sei nicht jede Art von „Sympathiewerbung“ oder eine Bewerbung neuer Glücksspielprodukte unzulässig, wenn der vom Bundesverfassungsgericht kritisierte gezielte Aufforderungscharakter vermieden werde. Auch wenn es in Einzelfällen zu unzulässiger Werbung durch die staatlichen Lottogesellschaften komme, würde jedoch kein prinzipielles Kontrolldefizit des staatlichen Anbieters vorliegen. In einem Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe160 vom 28. September 2009 geht es auch um die Werbung der Staatlichen Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg für die Sportwette Oddsett. Die im Jahr 2009 durchgeführten Werbemaßnahmen werden nicht beanstandet. Nach Ansicht des Gerichts beschränken diese sich weitestgehend auf eine bloße Information und Aufklärung über die Möglichkeiten zum Glücksspiel, es fehlt an einem gezielten Auffordern, Anreizen oder Ermuntern zur Teilnahme am Glücksspiel. Allerdings verstoße die Unternehmenshomepage gegen das Internetwerbeverbot. Das Gericht ist der Ansicht, dass der Glücksspielstaatsvertrag selbst zwar nicht den Begriff der Werbung definiere und auch aus den Gesetzesmaterialien hierzu nichts ersichtlich sei. Es kommt zu folgenden Schlussfolgerungen: „Der Begriff der Werbung ist aber nicht zuletzt zur effektiven Verfolgung der Ziele des Staatsvertrags weit zu fassen und erfasst u. a. schon die bloße Nennung des Namens eines Glücksspielanbieters (z. B. auf einer Internetseite) im Rahmen eines Sponsoringvertrages“. 158 VHG Bayern, Urteil des 10. Senats vom 18. Dezember 2008 (Az. 10 BV 07.558), Abschnitt 81. 159 Sächsiches OVG, Beschluss vom 10. Juni 2009 (Az. 3 BS 179/07 und 14 K 2082/06, S. 9 ff. 160 VG Karlsruhe, Urteil vom 28. September 2009 (Az. 3 K 1832/08). 103 Ähnlich weit wird der Begriff der Werbung auch von dem Verwaltungsgericht München161 in seinem Beschluss vom 7. September 2009 gefasst. Es ging hierbei um die Zulässigkeit der Werbung eines Fußballvereins mit dem Schriftzug „free-bwin.com“ insbesondere auf den Banden im Fußballstadion, auf Presseund Interviewwänden und auf der Geschäftsstelle. Diese Werbung sei von ihrer tatsächlichen und untendierten Wirkung her nicht Werbung für die auf der Webseite „free-bwin.com“ angebotene kostenlose Pokerschule, sondern wegen des prägenden Firmenlogos „bwin“ im Schriftzug Werbung für das in Bayern unerlaubte Glücksspielangebot der „bwin“-Gruppe und deshalb ihrerseits unerlaubt und gemäß Artikel 5 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertrag verboten. Es wird deutlich, dass der jeweilige Kontext, in dem die Frage nach der Auslegung des Paragraph 5 des Glücksspielstaatsvertrags gestellt wird, auch die jeweilige Auslegung bestimmt. Die ordentliche Gerichtsbarkeit legt akribisch den Text selbst aus und kommt damit zu einer sehr restriktiven Auslegung. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit hingegen berücksichtigt die Ziele des Glücksspielstaatsvertrags und ordnet die Auslegung des Paragraph 5 diesen Zielen unter. 4.3 Rechtsfragen zum Internetwerbeverbot Paragraph 5 Abs. 3 Glücksspielstaatsvertrag verbietet die Werbung für Glücksspiele im Internet. Bei Internetauftritten wird von den Betroffenen aber teilweise vorgebracht, dass nach Sinn und Zweck des Paragraph 5 Abs. 3 nur solche Werbung verboten sein könne, die unmittelbar zu einer Spielteilnahme führt. Bei einer Werbung für „offline“ angebotene Glücksspiele soll das Internetwerbeverbot nicht gelten.162 Der Hintergrund dieser Auffassung ist, dass das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen eine besondere Gefahr des Spielens im Internet angenommen hat.163 Dieser Argumentation treten die Gerichte entgegen164: Das Verbot der Internetwerbung nach Paragraph 5 Abs. 3 gelte ausnahmslos und nicht nur dann, wenn zugleich die Möglichkeit besteht, an einem Glücksspiel im Internet teilzunehmen. Zwar sei der sofortige Übergang zur Teilnahme am Spiel ein vom 161 162 163 164 VG München, Beschluss vom 7. September 2009 (Az. M 22 S 09.3403). Vgl. Hecker und Ruttig (2008), S. 75. BVerfGE 115, 276, 315; BVerfG NVwZ 2008, 1338, 1341 f. OLG München, Urteil vom 31.07.2008 - 29 U 2786/08, S. 25 des amtlichen Umdruckes, und zuvor LG München, Urteil vom 11.03.2008 - 33 O 1694/08, S. 22 des amtlichen Umdruckes. 104 Gesetzgeber aufgegriffenes Gefährdungspotential. Dies trete aber lediglich als zusätzliches Gefahrenelement neben die auch bei den anderen in Paragraph 5 Abs. 3 genannten Medien bestehende Breitenwirkung und Zielgruppenorientierung, welche das umfassende Werbeverbot begründen. Zudem wäre es dem Gesetzgeber ohne weiteres möglich gewesen, Ausnahmetatbestände für solche Fälle zu schaffen. Auch ein weiterer Einwand gegen die Anwendung des Paragraph 5 Abs. 3 wurde zurück­gewiesen. Einige von dem Werbeverbot Betroffene trugen in den Verfahren vor, dass zumindest während der Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2008, während der gemäß Paragraph 25 Abs. 6 des Glücksspielstaatsvertrags sogar das Glücksspiel selbst im Internet erlaubt werden kann, auch eine entsprechende Werbung nicht untersagt werden könne. Nach Auffassung des Landgerichts München ist dies den Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrags aber nicht zu entnehmen.165 Zudem ist davon auszugehen, dass Werbung und Vermittlung bzw. Veranstaltung von Glücksspielen im Internet voneinander unabhängige Verhaltensweisen darstellen und die Verbote eine eigenständige Bedeutung haben.166 Die Gerichte gehen im Übrigen gerade davon aus, dass ein Internetauftritt auch ohne werbenden Charakter denkbar ist.167 Nach Ablauf der Übergangsfrist und Geltung des absoluten Internetverbots gem. Paragraph 4 Abs. 4 des Glücksspielstaatsvertrags hat sich diese Streitfrage erledigt. Das Brandenburgische Oberlandesgericht168 hat sich mit der Frage der Zulässigkeit des Auftritts eines Anbieters im Internet befasst. Es kommt zu der Ansicht, dass diese als Werbung anzusehen ist, auch wenn keine Anreize zum Mitspielen vorhanden sind. Das Internetwerbeverbot wird umfassend interpretiert im Sinne des wettbewerblichen Werbebegriffs als jede Äußerung bei der Ausübung eines Handelns, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern. Als Konsequenz ergibt sich, dass jeder Auftritt eines Anbieters im Internet als Werbung einzuordnen ist und damit unzulässig ist. Interessant ist, dass dennoch der InternetAuftritt nicht untersagt wird, weil dieser Werbung der Verfügungsbeklagten im Verhältnis zur Verfügungsklägerin keinerlei geschäftliche Relevanz zukomme. Allein die Schaltung der Website schaffe nicht die Möglichkeit, dass die Ver165 166 167 168 LG München, Urteil vom 11.03.2008 - 33 O 1694/08, S. 22 des amtlichen Umdruckes. In diese Richtung wohl auch OLG Oldenburg, Urteil vom 18.09.2008 - 1 W 66/08. Siehe dazu die Rechtsprechung der ordentlichen Gerichtsbarkeit. OLG Brandenburg, Urteil vom 18.August 2009 (Az. 6 U 103/08). 105 fügungsbeklagte sich Spielaufträge sichere, die bei Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften möglicherweise der Verfügungsklägerin zugekommen wären. 4.4 Verbot von Fernsehsendungen Paragraph 5 Abs. 3 des Glücksspielstaatsvertrags begründet auch ein Werbeverbot für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen. Lediglich nach Paragraph 12 Abs. 2 S. 1 kann für Veranstaltungen, die traditionell in Verbindung mit dem Fernsehen präsentiert werden und bei denen vorrangig die gemeinnützige Verwendung der Reinerträge dargestellt wird, eine Befreiung von diesem Verbot zugelassen werden. Von dieser Regelung sollen die so genannten Soziallotterien (z. B. Aktion Mensch, ARD-Fernsehlotterie, GlücksSpirale) profitieren,169 die weiterhin mit bestimmten Spots – unter Beachtung der Vorschriften des Paragraphen 5 Abs. 1, 2 des Glücksspielstaatsvertrags – werben dürfen. In der deutschen Fernsehlandschaft existieren darüber hinaus auch Sendeformate, die Glücksspiele zum Gegenstand haben. Dazu zählen in erster Linie die „Ziehung der Lottozahlen“, die „SKL-Show“ sowie die Fernsehsendungen zu den oben genannten Soziallotterien. Dabei ist im Einzelfall zu untersuchen, ob über den unterhaltenden Charakter dieser Sendungen hinaus auch ein Werbecharakter für das betreffende Glücksspiel festzustellen ist. Was die Ziehung der Lottozahlen anbelangt, gingen die Länder bei der Verabschiedung des Glücksspielstaatsvertrags davon aus, dass dieses Sendeformat keine verbotene Werbung im Sinne des Paragraph 5 Abs. 3 Glücksspielstaatsvertrag darstellt: „Vom Verbot nicht umfasst sind andere Programmteile, die von der Werbung gemäß Paragraph 7 Abs. 3 Satz 2 Rundfunkstaatsvertrag optisch zu trennen sind, wie die Ziehung der Lottozahlen und Sendungen, die zugelassene Lotterien zum Gegenstand haben.“170 Sollte ein derartiger Programmteil aber werbenden Charakter für öffentliches Glücksspiel besitzen und zugleich kein Fall einer vom Werbeverbot behördlich befreiten Soziallotterie vorliegen, steht die Aussage in den Erläuterungen in systematischem Widerspruch zu den Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags.171 Wenn schon die Soziallotterien nach Paragraph 12 Abs. 2 S. 1 Glücksspielstaatsvertrag eine Befreiung vom Werbeverbot benötigen, muss dies nach Heermann erst recht für sonstige Sendungen wie die 169 Vgl. die Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag. 170 Vgl. die Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag. 171 Vgl. Heermann (2008). 106 „Ziehung der Lottozahlen“ und die „SKL-Show“ gelten.172 Kann eine solche Befreiung nicht erteilt werden, bleibt das Sendeformat unzulässig. Die herrschende Meinung schließt sich hier Heermann nicht an. Die Ziehung der Lottozahlen wird entsprechend den Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag als zulässige Veranstaltung betrachtet. Die Niedersächsische Landesmedienanstalt hingegen untersagte dem Sender RTL mit Schreiben vom 1. Juli 2008 die Ausstrahlung der „5-Millionen-SKLShow“ mit Günter Jauch. Die Medien­aufsicht verbietet die Show, weil sie ihrer Ansicht nach gegen die Vorschriften des Glücks­spielstaatsvertrags verstößt. Laut Presseberichten sieht die niedersächsische Landesmedienanstalt in der Sendung einen Verstoß gegen das Werbeverbot für öffentliches Glücksspiel im Fernsehen und beruft sich darauf, dass die SKL Sponsor der Show sei. Tatsächlich verweist Paragraph 5 Abs. 3 Glücksspielstaatsvertrag auf entsprechende Regelungen des Rundfunkstaatsvertrages (Paragraph 7 und 8). Die Gegenauffassung vertritt demgegenüber den Standpunkt, dass es sich bei der Show nicht um Werbung, sondern um einen redaktionellen Inhalt des Programms handelt.173 Ob die „5-Millionen-SKL-Show“ in veränderter Form wieder auf Sendung gehen wird – etwa mit einer Befreiung nach Paragraph 12 Abs. 2 S. 1 Glücksspielstaatsvertrag – oder sich RTL gegen die niedersächsische Landesmedienanstalt mit Erfolg rechtlich zur Wehr setzen wird, ist derzeit noch offen. Ein Verbot der SKL-Show in bisheriger Form erscheint doch eindeutig unverhältnismäßig. Zum ersten gibt es bei Klassenlotterien kein signifikantes Suchtgefährdungspotential, es gibt praktisch keine signifikante Anzahl von „Klassenlotteriesüchtigen“. Selbst wenn es diese gäbe, wäre zum zweiten zu fragen, ob die SKL-Show als „Trigger“ wahrgenommen wird, d. h. als Auslöser eines nicht zu kontrollierenden Drangs zum Spielen. Die Antwort dürfte Nein sein. An der Entwicklung eines Suchtgedächtnisses und einer Konditionierung auf Schlüsselreize dürfte die SKL-Show keinen Anteil haben. 172 Vgl. hierzu die unterschiedlichen Auffassungen von Heermann und Engels, auf die bereits eingegangen wurde. 173 Vgl. die Argumentation bei Engels (2008). 107 4.5 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Die Rechtsprechung der Landes- und Oberlandesgerichte zeigt eine weitestgehend einheitliche Linie auf. Werbung mit jeder Information, die über die zum Spielen notwendige Information hinausgeht und nicht mit dem Schutz der Jugendlichen und der Suchtprävention begründet werden kann, ist als unzulässige Werbung anzusehen. Eine Ausnahme bildet die Werbung mit Information über die Verwendung der Einnahmen für soziale Zwecke. Die Abgrenzung von zulässiger zu unzulässiger Werbung findet anhand der (von den Richtern vermuteten) Anreizwirkung statt. Die Richter urteilen hier anhand der eigenen Erfahrung als Verbraucher. Dies ist nicht sachgerecht. Es wäre differenziert zu untersuchen, wie das Suchtgefährdungspotential des jeweiligen Glücksspiels beschaffen ist, welches beworben wird, und es wäre zu fragen, wie die Werbung auf die schutzbedürftigen Spieler wirkt. Es dürfte bei der Lotterie „6 aus 49“ in der deutschen Bevölkerung etwa 500 bis 1.500 gefährdete und damit schutzbedürftige Spieler geben, für die dieses Glücksspiel ein Problem ist. Bei Fernseh- und Klassenlotterien sind dies noch weniger Personen. Es stellt sich hier zunächst die Frage, ob Werbeeinschränkungen für Glücksspielprodukte mit einem derartig geringen möglichen Suchtgefährdungspotential noch verhältnismäßig sind. Selbst wenn dem zugestimmt werden sollte, stellt sich die weitere Frage, wie eine zu beurteilende Werbung auf die Gruppe dieser Spieler wirkt. Nur wenn die Werbung als Auslöser zu einem Rückfall oder zu dem Beginn einer Glücksspielsucht führen könnte, ist überhaupt ein mögliches Interesse der schutzbedürftigen Spieler an Werbeeinschränkungen vorhanden. Die Auswirkungen der Werbung auf die schutzbedürftigen Verbraucher, d. h. auf die gefährdeten und die pathologischen Spieler, sollten den Maßstab für die Unterscheidung zwischen erwünschter und unerwünschter Werbung abgeben. Die Grenzziehung zwischen erwünschter und unerwünschter Werbung sollte in Übereinstimmung mit den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags auch das unterschiedliche Suchtgefährdungspotential verschiedener Formen des Glücksspiels berücksichtigen. Die Werbung sollte nicht zu einem problematischen Spielverhalten bei solchen Glücksspielprodukten auffordern, die ein Suchtgefährdungspotential haben, doch ein fast umfassendes Werbeverbot in dem Sinne der gerichtlichen Auslegung des Glücksspielstaatsvertrags steht nicht im Einklang mit dessen Zielen. 108 Nicht jede Form der Werbung stellt für die Gruppe der schutzbedürftigen Spieler einen „Trigger“, der ein starkes Verlangen zum Spielen auslöst, dar. Nur wenn die Werbung von den schutzbedürftigen Personen auch wirklich als „Trigger“ wahrgenommen werden könnte bzw. wahrgenommen wird, ist die Werbung problematisch. Letztendlich wäre es die Aufgabe des Gesetzgebers bzw. der Gerichte, dies zu klären. Die Gerichte machen keinen Unterschied zwischen „zum Kauf auffordern“ und „für die schutzbedürftigen Verbraucher ein Problem darstellen“. Wenn die Gerichte die Werbung aus der Perspektive der schutzbedürftigen Verbraucher betrachten würden, wären viele richterliche Entscheidungen anders ausgefallen, erst recht bei einer Abwägung der Interessen der nicht-schutzbedürftigen und der schutzbedürftigen Verbraucher. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit finden die Ziele bei der Interpretation der Werbevorschriften des Glücksspielstaatsvertrags keine Berücksichtigung. Es findet keine Berücksichtigung, dass eine Werbung für ungefährliche Formen des Glücksspiels ganz im Sinne der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags wäre. Hingegen werden von der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Ziele des Staatsvertrags eher berücksichtigt. Diese machen deutlich, dass es in dem Glücksspielstaatsvertrag nicht um ein generelles Werbeverbot geht. Der Auftrag der Kanalisierung des Spieltriebes wird von den Verwaltungsgerichten herausgestellt. Da es in diesen Entscheidungen um Sportwetten geht, dient hier die Kanalisierung weg von dem illegalen hin zum legalen Angebot als Begründung für zulässige Werbeaktivitäten. Auf die staatlich angebotenen Lotterien übertragen, müsste der Auftrag lauten, den Spieltrieb weg von gefährlichen hin zu ungefährlichen Glücksspielen zu kanalisieren. Damit würde der Kanalisierungsauftrag aus der Perspektive der Suchtprävention ernst genommen werden. Die Abgrenzung von zulässiger und unzulässiger Werbung sollte sich an dem Ziel der Suchtprävention orientieren. Solche Werbung, die dem Ziel der Suchtprävention entgegenwirkt, ist zu untersagen. Dies kann nicht im Umkehrschluss bedeuten, dass nur Werbung in der Form von Information zu dem jeweiligen Glücksspiel und zur Suchtprävention gestattet ist. Bei einer zukünftigen Überarbeitung des Glücksspielstaatsvertrags wäre dem unter­schied­lichen Suchtgefährdungspotential der verschiedenen Glücksspielformen auch in dem Gesetzes­text durchgängig und insbesondere bei den Werbeeinschränkungen selbst besser Rechnung zu tragen. Werbeeinschränkungen für die bisher angebotenen Lotterien tragen nicht signifikant zum Spielerschutz bei, son- 109 dern sind eher kontraproduktiv. Bei den gefährlichen Formen des Glücksspiels hingegen sollte eine Werbung, in der mögliche „Trigger“ verwendet werden, aus Gründen des Spielerschutzes untersagt werden. Angesichts der gerichtlichen Entscheidungen wird überaus deutlich, dass eine Auseinandersetzung mit dem unterschiedlichen Suchtgefährdungspotential der angebotenen und beworbenen Produkte und mit der Wirkung von Werbung auf die Gruppe der schutzbedürftigen Verbraucher gar nicht oder nur rudimentär stattfindet. 110 5 Erfahrungen mit Werbeeinschränkungen Die Gesamtausgaben für Werbung in Deutschland lagen im Jahr 2007 bei 30,83 Mrd. Euro und sanken für 2008 auf 30,67 Mrd. Euro.174 Die Werbeausgaben für Glücksspielprodukte im Jahr 2005, d. h. vor dem Glücksspielstaatsvertrag, betrugen 125 Mio. Euro, wovon 33 Mio. Euro auf den Onlinebereich entfielen.175 In den USA gibt die Glücksspielindustrie 1,17 Prozent des Umsatzes für Werbung aus. Dies ist vergleichsweise wenig. Casinos am Las Vegas Boulevard geben 2,45% bis 4% des gesamten Casinoumsatzes für Werbung aus, Restaurantbesitzer 3,2%, Getränkehersteller 7,5%, die Kosmetikindustrie 8,8% und Süßwarenhersteller 12,7%.176 Werbung überhaupt und insbesondere für Tabak- und Alkoholprodukte wird sehr kontrovers diskutiert. Oft sind die Gegner der Werbung der Ansicht, dass diese überhaupt verboten werden sollte, aber insbesondere natürlich bei Tabak und Alkohol. Gegner der Werbung für Tabak- und Alkoholprodukte gehen davon aus, dass durch die Werbung die mengenmäßige Nachfrage nach dem Produkt steigt. Als Argument hierfür wird angeführt, dass die hohen Ausgaben der Industrie der beste Beweis für den Erfolg der Werbung seien. Wenn die Nachfrage steigt, also mehr geraucht und getrunken wird, steigen auch die gesundheitsbedingten Folgen dieses Konsums an. Daher sei es im Sinne einer staatlichen Gesundheitspolitik, Werbung für diese Produkte einzuschränken oder sogar ganz zu verbieten. Dieses Argument gilt, wie oben gezeigt, zu Recht für Tabak. Bei Alkohol wäre bereits eine Unterscheidung in gesundheitlich schädlichen und unschädlichen Konsum angebracht. Bei Glücksspielprodukten hat dies gesundheitspolitische Argument keine Relevanz. Da es sich um eine nicht-stoffgebundene Sucht handelt, sind auch keine direkten körperlichen Gesundheitsfolgen mit dem Konsum verbunden. 174 175 176 Vgl. Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft e.V. (2009). Vgl. ACNielsen nach Angaben des Deutschen Lottoverbandes. http://www.deutscherlottoverband.de/urteilen_sie_selbst.html. Vgl. Zhang (2004). 111 Allerdings führen alle drei Produkte zu einem abhängigen bzw. pathologischen Verhalten.177 Daher ist die Beschränkung der Werbung für Glücksspielprodukte nur aus dem Schutz der des besonderen Schutzes bedürftigen Gruppe, der bereits oder potentiell pathologischen Spieler, zu begründen. Es wird in dem Folgendem differenziert untersucht, welche Wirkungen die Werbung für Tabak, Alkohol und Glücksspielprodukte auf die Nachfrage hat. In einem ersten Abschnitt wird auf die Modelle und Methoden der Werbewirkungsforschung eingegangen. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchungen zu den Auswirkungen der Werbung und von Werbeeinschränkungen auf den Tabak- und Alkoholkonsum werden in den beiden dann folgenden Abschnitten vorgestellt und diskutiert. In einem nächsten Abschnitt wird auf die Auswirkungen der Werbung auf den Umsatz bei Glücksspielprodukten eingegangen. Die Ergebnisse der Motivforschung für die Teilnahme der nicht gefährdeten Spieler an Lotterien werden vorgestellt. Doch nicht diese Motive sollten für die Werbeeinschränkungen die Grundlagen darstellen, sondern die Auswirkungen der Werbung auf die Gruppe der problematischen und pathologischen Spieler. Die hierüber vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse werden in einem weiteren Abschnitt vorgestellt. Abschließend werden hieraus Schlussfolgerungen gezogen. 5.1 Modelle und Methoden der Werbewirkungsforschung Es liegt eine ganze Reihe von theoretischen Modellen und empirischen Methoden vor, um die Werbewirkung zu untersuchen und zu messen. Diese reichen von ökonomischen Werbeerfolgsuntersuchungen, häufig in der Form von ökonometrischen Analysen, über psychologische Werbewirkungsmodelle und -untersuchungen bis hin zu Kommunikationsmodellen der Werbung.178 Es werden sekundärstatische und in Befragungen erhobene Daten verwendet. Die Methoden zur Messung der Werbewirkung umfassen Blickbewegungsaufzeichnungen mit der Hilfe von kopfgetragenen Systemen oder mit Hilfe einer Computermaus mit einer so genannten Informations-Display-Matrix, Verbalprotokolle oder die 177 Einen umfassenden Überblick zur Diagnose, Ätiologie, Therapie und Prävention bei Alkohol und Tabak geben die verschiedenen Beiträge in Lesch und Walter (2009). Einen umfassenden Überblick zur Ätiologie und Prävalenz der Glücksspielsucht gibt Becker (2009): Glücksspielsucht in Deutschland. 178 Einen umfassenden Überblick über Werbewirkung und Werbeerfolg gibt Behrens (1996), S. 255-334. 112 Schnellgreifbühne. Neben sensorischen Methoden werden auch physiologische Methoden eingesetzt, wie die Messung von Herzschlag, Reaktionszeit, Hautwiderstand und Pupillenreaktionen.179 Neuerdings werden zunehmend bildgebende Verfahren eingesetzt, um die neurobiologischen Reaktionen auf Werbung zu untersuchen.180 Klassische Modelle der Werbewirkung, wie das AIDA-Modell, gehen von einer stufenweisen Verarbeitung der Werbebotschaft durch Rezipienten aus. Bei dem AIDA-Modell steht an erster Stelle die Aufmerksamkeit (Attention), gefolgt von Interesse (Interest), dem Drang (Desire) und schließlich der Aktion (Action), dem Kauf des Produktes. Lavidge und Steiner gehen von sechs Stufen aus181 und McGuire unterscheidet noch weitere Wirkungsebenen.182 Diese Modelle zeichnen sich durch eine hierarchische Betrachtungsweise aus. Das Involvement-Modell183 stellt die Wechselbeziehungen in den Vordergrund. In diesem Modell wird zwischen geringem und hohem Involvement unterschieden. Bei einem geringen Involvement, einer geringen Ich-Beteiligung, spielt die argumentativ sensitive Einstellung eher eine Rolle, als die vorführungssensitiven Einstellungen. Basierend hierauf unterscheidet das Alternative-Wege-Modell der Wirkung von Werbung von Batra und Ray den Weg von der Wahrnehmung bis zu der Handlung bei geringem und bei hohem Involvement.184 Eine ähnliche Unterscheidung trifft Kroeber-Riel mit der Unterscheidung zwischen stark und schwach involvierten Konsumenten.185 Kroeber-Riel und Weinberg unterscheiden zwischen starker und schwacher Aufmerksamkeit. Eine weitere Unterscheidung machen Kroeber-Riel bzw. Kroeber-Riel und Weinberg zwischen kognitiven und emotionalen Vorgängen bzw. kognitiven und emotiven Prozessen. Hieraus ergeben sich vier Wege der Werbewirkung, die zu unterscheiden sind.186 Auch in dem etwas komplexeren Elaboration-Likelihood-Modell von Petty und Cacioppo unterscheidet das Involvementniveau darüber, wie Werbung wirkt.187 179 Vgl. Felser (2007) oder Kroeber-Riel und Weinberg (1996). 180 Vgl. zu den neurobiologischen Ansätzen in der Werbewirkungsforschung: Scheier und Held (2008). 181 Lavidge und Steiner (1961), zitiert nach Bundesministerium für Gesundheit (2002). 182 McGuire (1985), zitiert nach Bundesministerium für Gesundheit (2002). 183 Vgl. zu dem Involvement Modell ausführlich in: Weyer (2005). 184 Batra und Ray (1985), S. 13-44, zitiert nach Bundesministerium für Gesundheit (2002). 185 Vgl. zu dem Modell von Kroeber-Riel in Behrens (1996), S. 286 ff. 186 Vgl. Kroeber-Riel und Weinberg (1996), S. 595 ff. 187 Vgl. zu dem Modell von Petty und Cacioppo in Behrens (1996), S. 292 ff. 113 In den letzen Jahrzehnten wurde versucht, die häufig gefundene Diskrepanz zwischen Einstellung und Verhalten näher zu beleuchten. Nach der Theorie der begründeten Handlung (reasoned action) bzw. des geplanten Verhaltens (planned behavior) von Fishbein und Aijzen kontrollieren die sozialen Normen (Erwartungen des sozialen Umfelds) und die wahrgenommene Verhaltenskontrolle den Weg von der Einstellung zum Verhalten.188 Andere Modelle basieren auf der sozial-kognitiven Lerntheorie von Bandura. Hier wird der Prozess des Beobachtungslernens hervorgehoben. Durch Alkoholwerbung kann beispielsweise gelernt werden, wann und in welchen Situationen Alkohol getrunken wird, so ein Postulat dieser Theorie.189 Ein weiterer Ansatz zur Untersuchung von Werbewirkung bietet die Kultivierungsperspektive. Unter dieser Perspektive wird das Fernsehen als eigenständige und dominante kulturelle Kraft unserer Zeit verstanden. Zum Beispiel werden Vielseher mit Wenigsehern verglichen hinsichtlich ihrer Einstellungen, Überzeugungen und Werte. 190 Als weitere Ansätze zur Untersuchung der Werbewirkung wären der Nutzen- und Belohnungsansatz, 191 der Means-End-Chain-Ansatz192 und experimentelle Untersuchungen193 zu nennen. Das ökonomische Grundmodell Ökonomen untersuchen die Auswirkung von Werbung auf den Umsatz. Sie gehen in der Regel davon aus, dass die Wirkung von Werbung auf den Umsatz mit steigendem Werbeumfang abnimmt, d. h. der Grenzerfolg der Werbung sinkt. Dies bedeutet, dass der Verlauf dieser Kurve konkav ist. Manchmal wird auch ein S-förmiger Verlauf unterstellt.194 Der Einfluss der Werbung auf die nachgefragte Menge wird mit der Werbeausgabenelastizität gemessen. Die Werbeausgabenelastizität, oder kurz Werbeelastizität, gibt an, um wie viel Prozent sich die nachgefragte Menge verändert, wenn sich die Werbeausgaben um ein Prozent 188 189 190 191 192 193 Vgl. zu diesen beiden Theorien den Überblick in East (1997). Vgl. hierzu den Überblick in Bundesministerium für Gesundheit (2002), S. 17. Vgl. hierzu den Überblick in Bundesministerium für Gesundheit (2002), S. 17. Vgl. hierzu den Überblick in Bundesministerium für Gesundheit (2002), S. 17. Vgl. hierzu Kliebisch (2002). Vgl. hierzu einen Überblick über häufig untersuchte Fragestellungen in ökonomischen Experimenten in Kagel und Roth (1995). 194 Vgl. Rao (1986) oder Little (1979). 114 verändern. Das zu erwartende Vorzeichen der Werbeausgabenelastizität ist positiv. Die Auswirkungen von Werbung, insbesondere auch von Werbeeinschränkungen, sind in einem Gesamtzusammenhang zu sehen. Die Reaktionen der Anbieter und der Nachfrager auf Werbeeinschränkungen sind zu berücksichtigen. Diesem trägt das ökonomische Grundmodell Rechnung. In dem ökonomischen Grundmodell wird unterstellt, dass die Unternehmen ihren Gewinn maximieren wollen und den Preis und die Werbung als Aktionsparameter einsetzen. Die Reaktion der Nachfrager wird durch die Preis- und die Werbeausgabenelastizität beschrieben. Dabei ist Einkommenseffekten Rechnung zu tragen. Die Preiselastizität gibt an, um wie viel Prozent sich die nachgefragte Menge verändert, wenn sich der Preis um ein Prozent verändert. Die Preiselastizität hat ein negatives Vorzeichen, da bei einer Preiserhöhung mit einer sinkenden mengenmäßigen Nachfrage zu rechnen ist. Ökonomen sprechen von einer geringen Preiselastizität der Nachfrage, d. h. einer preisunelastischen Nachfrage, wenn bei einem Preisanstieg von einem Prozent die nachgefragte Menge nur sehr wenig zurückgeht, um weniger als ein Prozent. Wenn die nachgefragte Menge hingegen stark auf Preisänderungen reagiert, wird von einer preiselastischen Nachfrage gesprochen. Das ökonomische Grundmodell195 kommt zu dem Ergebnis, dass ein Unternehmen die Ausgaben für Werbung so wählen sollte, dass der Anteil der Werbeausgaben am Umsatz dem Verhältnis der Werbeausgabenelastizität zu der Preiselastizität entspricht. Bei gegebener Werbeausgabenelastizität wird der Anteil der Werbeausgaben am Umsatz umso geringer ausfallen, je größer (absolut gesehen) die Preiselastizität der Nachfrage ist. Dies ist intuitiv einsichtig. Je elastischer die Preiselastizität bei gegebener Werbeausgabenelastizität, desto mehr gewinnt die Absatz­steigerung über den Preis an relativer Vorzüglichkeit gegenüber den Werbeausgaben, und diese werden folglich geringer (gemessen als Anteil am Umsatz). Umgekehrt gilt auch, dass bei einer geringeren Preiselastizität eine vergleichsweise große Preissenkung nötig ist, um eine bestimmte Absatzmengensteigerung zu erreichen. 195 Dieses Modell wird detailliert im Anhang vorgestellt. 115 Jedes Unternehmen hat mehrere strategische Aktionsparameter zur Verfügung. In dem ökonomischen Grundmodell wird von zwei Parametern ausgegangen, dem Preis und der Werbung. Wie gezeigt, bestehen zwischen diesen Parametern enge Wechselbeziehungen. Nun stellt sich die Frage, wie sich ein Unternehmen verhalten wird, wenn der Aktionsspielraum bei einem dieser beiden Parameter durch gesetzliche Vorgaben eingeschränkt wird. Hierauf gibt das präsentierte Modell eine Antwort. Wenn z. B. die Preise, die die Unternehmen fordern dürfen, gesetzlich fixiert werden, fällt dieser Aktionsparameter für die Unternehmen aus. Dementsprechend gewinnt die Werbung als Aktionsparameter an Bedeutung. Wettbewerb findet nicht mehr über den Preis, sondern über die Werbung statt. Umgekehrt gilt, wenn die Werbung als Aktionsparameter ausfällt, dann findet kein „Werbewettbewerb“ mehr statt, sondern der Wettbewerb wird über den Preis (und andere Aktionsparameter wie Service) stattfinden. Werbeeinschränkungen können den Preiswettbewerb verstärken. Ein Preiswettbewerb führt zu geringeren Preisen als ein Werbe- oder Qualitätswettbewerb, die Nachfrage steigt gerade auf Grund der Werbeeinschränkungen. Es tritt eine Wirkung ein, die mit den Werbeeinschränkungen nicht intendiert und gewollt ist. Das ökonomische Grundmodell macht deutlich, dass nicht nur die Konsumenten, sondern auch die Anbieter auf Werbeeinschränkungen reagieren. Ein Werbewettbewerb führt in der Regel zu höheren Preisen und damit einem geringeren Konsum als ein Preiswettbewerb. Bei einem Preiswettbewerb werden die Preise gedrückt und die Nachfrage steigt. In dem ökonomischen Grundmodell wird deutlich, dass eine Verlagerung des Wettbewerbs weg von der Werbung, z. B. durch Werbeeinschränkungen oder -verbote, hin zu dem Preis, den Wettbewerb unter konkurrierenden Unternehmen „anheizt“. So können Werbeeinschränkungen zu einem gegenteiligen Erfolg führen als intendiert und gedacht. Es sind nicht nur die direkten Wirkungen von Werbeeinschränkungen bzw. -verboten auf den Konsum, sondern auch die indirekten Wirkungen zu berücksichtigen. Für ein Unternehmen mit einem kleinen Marktanteil ist von einer hohen Preis­ elastizität auszugehen. Je größer der Marktanteil eines Unternehmens, umso unelastischer wird die Preiselastizität der Nachfrage, die für dieses Unternehmen gilt. Wenn die Preiselastizität gegen unendlich geht, d. h. der Anteil am Gesamtumsatz gegen Null, so geht der Anteil der Webeausgaben am Umsatz gegen Null. Dies bedeutet gleichzeitig, dass mit der Anzahl der konkurrierenden Anbieter der Anteil der Werbeausgaben am Umsatz eines Anbieters sinkt. Je größer die Anzahl der konkurrierenden Unternehmen, desto geringer wird im symmetrischen Nash-Gleichgewicht der Anteil der Werbeausgaben am Nettoerlös ausfallen. 116 Wenn nur ein Anbieter auf dem Markt zu finden ist, d. h. in der Monopolsituation, so führt Werbung nicht dazu, den eigenen Marktanteil zu erhöhen, da es ja keine Konkurrenten gibt. Werbung kann hier nur den Effekt haben, den Gesamtmarkt auszudehnen. Aus diesem Grund wird in einer Monopolsituation in der Regel eine geringere Werbeaktivität, in Abhängigkeit von der Werbeausgabenelastizität und der Preiselastizität, zu beobachten sein, als bei wenigen Unternehmen, die in einem Konkurrenzverhältnis zueinander stehen. Aber ein Monopolist steht auch nicht im Preiswettbewerb und wird daher versuchen, durch höhere Preise eine Monopolrente zu realisieren. Eine Monopolsituation führt im Vergleich zur Konkurrenzsituation zu geringeren Werbeausgaben und zu höheren Preisen. Aus dem ökonomischen Grundmodell folgt auch, dass, solange der Marktanteil eines Unternehmens weniger sensitiv für Preisunterschiede als für Unterschiede in den Werbeausgaben ist, der Wettbewerb über Werbung härter sein wird als über den Preis. Je größer die Sensitivität der Marktanteile einzelner Unternehmen auf Unterschiede in den Werbeausgaben der Unternehmen, desto größer wird der Anteil der Werbeausgaben am Nettoerlös. Das hier vorgestellte Modell macht den Ansatz für die ökonometrischen Analysen, die in den nächsten Abschnitten vorgestellt werden, deutlich. 5.2 Werbung und Tabakkonsum In Hörfunk und Fernsehen darf nicht für Tabakprodukte geworben werden; auch in Zeitungen, Zeitschriften und Internet gilt seit Anfang 2007 ein Werbeverbot. Dementsprechend sind die Werbeausgaben in Zeitungen, Zeitschriften, Radio und Fernsehen von 89 Mio. € in 1990 über 34 Mio. € im Jahr 2006 auf 1,6 Mio. € im Jahr 2007 gesunken.196 Kino- und Plakatwerbung sind weiterhin möglich. Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft schätzt die Gesamt­ausgaben für Tabakwerbung in Deutschland im Jahr 2006 auf ca. 120 Mio. €.197 Der größte Teil der Tabakwerbung fließt in Außenwerbung und Sponsoring.198 Die Auswirkungen der Werbung auf den Gesamtmarkt werden in einer Reihe von ökonometrischen Studien untersucht. Diese Studien beziehen sich auf die USA und andere Länder. Es wird jeweils auch die Werbeelastizität berechnet. Wer196 Vgl. Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (2009), S. 13. 197 Vgl. Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (2009), S. 13. 198 Vgl. Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. (2009), S. 13. 117 beelastizitäten sind vergleichbar zwischen Ländern, da hier nicht die absoluten Änderungen, sondern die prozentualen Änderungen betrachtet werden. Die vielen vorliegenden Studien, die die Werbeelastizitäten ökonometrisch geschätzt haben, brauchen hier nicht im Detail vorgestellt werden, da diese von Nelson199 in einer Meta-Analyse berücksichtigt wurden. Nelson fasst die vorliegenden Schätzungen für die Werbeelastizitäten getrennt für die USA und für andere Länder mit der Hilfe von ökonometrischen Fixed- und Random-EffektModellen zusammen. Dabei werden drei Zeitperioden unterschieden: die Periode vor 1964, die Periode von 1964 bis 1970 und die Periode nach 1970. Erste Einschränkungen der Werbung erfolgten in den USA im Rahmen von Gerichtsurteilen seit 1953. Im Jahr 1954 wurde generell ein Verbot der Werbung über die Grenzen eines amerikanischen Bundesstaates hinweg ausgesprochen. In den Jahren 1952 bis 1954 wurden neue Untersuchungen über das Gesundheitsrisiko des Rauchens von der American Cancer Society, dem British Medical Journal und Reader’s Digest veröffentlicht. Die Federal Trade Commission (FTC) gab Mitte der 50er Jahre dann die ersten Werberichtlinien für Zigarettenwerbung heraus, in denen jeder Bezug zu körperlichen Auswirkungen des Rauchens (z. B. geringere Reizung der Luftwege) sowie der Bezug auf einen geringen Nikotin- oder Teergehalt untersagt wurde. Im März 1962 berichtete das British Royal College of Physicians, dass Lungenkrebs bei Rauchern gehäuft auftritt. Im Januar 1964 wurde der berühmte Bericht des US Surgeon General’s Advisory Committee mit dem Titel „Smoking and Health“ veröffentlicht, in dem klargestellt wurde, dass Zigaretten die Gesundheit so erheblich gefährden, dass politische Maßnahmen gefordert sind. In den Jahren 1964 bis 1970 erfolgte dann in den USA eine Reihe von Maßnahmen. Die Zigarettenpackungen sind mit einer Gesundheitswarnung zu versehen, es wurde Gegnern des Rauchens gestattet, Anti-Tabak-Werbung zu veröffentlichen und Radiowerbung für Tabak wurde verboten.200 In der Zeit bis Mitte der 60er Jahre ist der Zigarettenkonsum pro Kopf angestiegen. Danach ist er anfänglich etwas und seit den 80er Jahren rapide gesunken. Die Werbeausgaben in den USA für Tabakwerbung sind bis Anfang der 80er Jahre gestiegen und sind seit 1995 stark rückläufig.201 199 Vgl. Nelson (2006), S. 195-226. 200 Vgl. Nelson (2006), S. 198 ff. 201 Vgl. Nelson (2006), Figure 1. 118 Angesichts der Ergebnisse der Meta-Regression kommt Nelson zu der Schlussfolgerung, dass für die USA allerhöchstens in der Zeitperiode vor 1964 ein statistisch signifikanter, wenn auch sehr schwacher, Einfluss der Werbeausgaben auf die Gesamtnachfrage zu beobachten ist. Für die anderen Zeitperioden konnte mit keinem der ökonometrischen Modelle in der Meta-Analyse ein signifikanter Zusammenhang gefunden werden. Eine getrennte Auswertung der Studien, die andere Länder als die USA betreffen, kommt zu denselben Ergebnissen. In die Berechnungen mit eingeflossen sind 28 amerikanische Studien und 13 Studien aus anderen Ländern. Als Ergebnis hält Nelson fest, dass ein möglicher Spillover-Effekt der Werbung auf die Gesamtnachfrage wenn, dann nur vorübergehend und in sehr geringem Umfang zu konstatieren ist. Nelson untersucht auch eingehend die Auswirkungen der vier wichtigsten Ereignisse. Diese sind der Gesundheitsbericht aus dem Jahr 1953, der Bericht der Gesundheitsbehörde von 1964, die Zeitperiode von 1967 bis 1970 mit der Erlaubnis der Anti-Tabak-Werbung und das Werbeverbot im Rundfunk von 1971. Es zeigt sich, dass all diese Ereignisse - bis auf das Werbeverbot - einen statistisch signifikanten Einfluss auf die Nachfrage nach Zigaretten haben. Als Reaktion auf den Gesundheitsbericht sinkt die jährliche Nachfrage um 4,8% pro Jahr, als Reaktion auf den Bericht der Gesundheitsbehörde um 6,4% pro Jahr, und als Reaktion auf die Maßnahmen von 1967 bis 1970 um 3,0% pro Jahr. Auch auf Grund des Werbeverbots von 1971 sinkt die Nachfrage, und zwar um 1,6% pro Jahr. Letzteres Ergebnis ist jedoch statistisch nicht signifikant. Die Analysen von Nelson bestätigen die Ansicht, die unter anderem von Posner202 vertreten wird, dass die FTC und der amerikanische Kongress erst dann gehandelt haben, als die Gesundheitsgefahren des Rauchens sehr gut bekannt waren oder sich ein allgemeiner Konsens gebildet hatte. Nicht die Werbung oder Werbeeinschränkungen haben zu Veränderungen der Nachfrage nach Zigaretten geführt, sondern einzelne Ereignisse, die zu politischen Entscheidungen geführt haben. In diesen politischen Entscheidungen wurde ein genereller gesellschaftlicher Trend aufgenommen und verstärkt. Dies hat auch einen Einfluss auf die Werbung durch die erlassenen Werbeeinschränkungen gehabt. Doch waren die Werbeeinschränkungen nicht die Ursache, sondern eher eine Reaktion. 202 Posner (1979). 119 Die Ergebnisse von Nelson, welche die bisher vorliegenden ökonometrischen Studien zusammenfassen, zeigen, dass die Werbeelastizität für die USA sehr klein ist und sich nicht signifikant von Null unterscheidet. Vor 1964 könnte Werbung noch einen signifikanten Einfluss auf die Nachfrage gehabt haben. Doch dieser ist nicht robust, wenn von dem allgemein gültigeren Mixed-Effekt-Modell an Stelle von einem Fixed-Effekt-Modell ausgegangen wird. Die Meta-Analyse der nicht amerikanischen Länder führt ebenfalls zu sehr geringen Elastizitäten, die in keinem der beiden Modelle signifikant von Null verschieden sind. Es liegen auch einige ökonometrische Analysen von Querschnitts- und Zeitreihendaten in mehreren Ländern mit unterschiedlichen Werbeeinschränkungen vor. Die Analysen von Laugesen und Meads203 für 22 OECD-Länder und den Zeitraum von 1960 bis 1986 kommen zu dem Ergebnis, dass Webeeinschränkungen in der Zeit zwischen 1960 und 1972 einen geringen positiven Einfluss und danach einen geringen negativen Einfluss auf den Tabakkonsum haben. Die Autoren führen dies auf eine bessere Durchsetzung der Gesetze und einen Wechsel im sozialen Klima zurück. Die Ergebnisse von Laugesen und Meads sprechen für einen Strukturbruch. Eine zweite Panel-Daten Analyse mit 22 OECD-Ländern und für die Zeit von 1964 bis 1990 hat Stewart durchgeführt.204 Sechs Länder hatten im Jahr 1990 Werbebeschränkungen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Dummy-Variable für Werbebeschränkungen positiv und statistisch nicht signifikant ist. Eine dritte Panel-Daten Analyse von Saffer und Chaloupka205 für 22 OECDLänder von 1970 bis 1990 kommt zu dem Ergebnis, dass umfassende Werbebeschränkungen die Nachfrage verringern, dass begrenzte Maßnahmen jedoch nur einen kleinen oder gar keinen Effekt haben. Eine Einschränkung dieser Studie und der beiden anderen angeführten Studien liegt darin, dass nicht alle Annahmen des Regressionsmodells eingehalten werden. Die Ergebnisse sind deshalb möglicherweise ein Ergebnis der methodischen Vorgehensweise und nicht der Daten selbst. Wenn Zeitreihen einem gemeinsamen Trend unterliegen, ist die Annahme der Stationarität der Zeitreihen verletzt. 203 Laugesen und Meads (1991). 204 Stewart (1993). 205 Saffer und Chaloupka (2000). 120 Nelson206 untersucht auch die Auswirkungen eines Werbeverbots in den Werbemedien auf die Nachfrage nach Zigaretten. Das Werbeverbot wird gemessen an der Anzahl der nicht erlaubten Werbemedien. Es werden 20 OECD-Länder und der Zeitraum von 1970 bis 1995 betrachtet. Damit handelt es sich hier um PanelDaten. Im Gegensatz zu den drei anderen bereits angeführten Panel-Daten Analysen testet Nelson die Daten auf Stationarität. Die Zeitreihen sind nicht stationär und werden in stationäre Zeitreihen transformiert. Die drei Nelson vorliegenden Untersuchungen gehen von einem exogenen Werbeverbot aus. Doch spricht vieles dafür, dass das Werbeverbot nicht als exogen, sondern möglicherweise endogen zu betrachten ist. Um dies auch ökonometrisch zu berücksichtigen, schätzt Nelson ein Strukturgleichungsmodell, mit der Gesetzgebung, die zu dem Werbeverbot führt, als Instrumentenvariable. Diese Variable wird als Adoptionsmodell, welches einer Poisson-Verteilung folgt, modelliert. Im Gegensatz zu den anderen Studien kommt Nelson zu dem eindeutigen Ergebnis, dass, bei Berücksichtigung der Nicht-Stationarität der Zeitreihen und einer Berücksichtigung der Werbeeinschränkungen als Instrument in der Schätzung des Strukturgleichungsmodells für Panel-Daten, sich kein Einfluss der Werbeeinschränkungen auf den Konsum gezeigt hat. Die anderen vorliegenden Studien dürften den gemeinsamen Trend in dem Tabakkonsum, der Ende der 70er Jahre begann, und dem gleichzeitig erfolgenden, aber nicht direkt kausal verbundenen Trend in den Werbeeinschränkungen zum Irrtum gefallen sein. Dies hat zu einem scheinbaren Zusammenhang geführt. Dies wird durch die Analyse von Nelson deutlich. Die vorliegenden Untersuchungen sprechen dafür, dass Werbeeinschränkungen keinen direkten Effekt auf die Gesamtnachfrage haben, trotz der Zunahme der Werbeeinschränkungen und dem gleichzeitig sinkenden Konsum. Die Ergebnisse legen es nahe, einem Public-Choice-Ansatz zu folgen. In der Public-Choice-Theorie werden die politischen Entscheidungen als Ergebnis des politischen Prozesses betrachtet. Werbeeinschränkungen sind dass Ergebnis politischer Prozesse, die durch einschneidende neue Forschungsergebnisse zum gesundheitlichen Gefährdungspotential induziert wurden. Aus der Public-Choice-Perspektive sind Werbeverbote Ergebnisse des politischen Prozesses und haben ihre Ursachen in den sozialen und gesellschaftlichen 206 Nelson (2003): Cigarette Demand, Structural Change, and Advertising Bans. 121 Veränderungen, denen der politische Prozess Rechnung trägt. Die Gesetzgebung handelt erst dann, wenn es für dies Handeln eine Mehrheit gibt und ein gemeinsamer Konsens gefunden ist. Beschränkungen der Tabakwerbung sind das Ergebnis eines gesellschaftlichen Prozesses, der sich letztendlich auch in diesen Beschränkungen äußert. Daher sind Werbeverbote kaum als Ursache, sondern eher als Folge von Veränderungen in den gesellschaftlichen Einstellungen anzusehen. In den Industrieländern ist oft eine bestimmte Abfolge der Werbeeinschränkungen zu beobachten.207 Diese beginnt oft mit dem Verbot der Radiowerbung und Gesundheits­hinweisen auf der Verpackung. Es folgen das Verbot der Kino- und Plakatwerbung zusammen mit strengeren Hinweisen in der Werbung und wechselnden Gesundheitshinweisen auf den Verpackungen. Die letzte Stufe besteht aus Einschränkungen des Werbeinhalts und der -medien, Einschränkungen der Werbung im Laden, das Verbot des Sponsoring und Einschränkung der indirekten Werbung, wie das Verbot der Nutzung von Markennamen auf T-Shirts. Es liegt mittlerweile eine große Anzahl an in der Regel ökonometrischen Studien über die Auswirkungen von Werbeverboten auf den Zigarettenkonsum vor. Diese Analysen arbeiten mit sehr aggregierten Datensätzen für unterschiedliche Länder und Zeiträume.208 Als generelles Bild ergibt sich, dass in den frühen ökonometrischen Untersuchungen das Ergebnis gemischt ist. Neuere Untersuchungen, wie die von Nelson und die anderen angeführten Analysen von Paneldaten, kommen hingegen zu dem übereinstimmenden Ergebnis, dass dieser Zusammenhang in den 50er und 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts möglicherweise gegeben war, nicht jedoch in den letzten Jahrzehnten. Eindrucksvoll wird diese Sicht auch durch die Gegenüberstellung des Zigarettenkonsums in den Jahren vor und nach dem Inkrafttreten eines generellen Tabak-Werbeverbotes in Finnland, Jugoslawien, Italien, Thailand, Norwegen und Singapur illustriert.209 Die vorliegenden Studien beziehen sich in der Regel auf die USA. Für Deutschland sind dem Verfasser nur zwei etwas ältere Studien bekannt, die den Zusammenhang von Werbeausgaben und Zigarettennachfrage ökonometrisch untersucht haben. Diese kommen zu widersprüchlichen Ergebnissen. 207 Vgl. die Analyse der OECD Länder von Nelson (2003): Cigarette Demand, Structural Change, and Advertising Bans, S. 2. 208 Vgl. die Tabelle zu vorliegenden Studien in Bauer et al. (1998) und die Liste im Appendix von Nelson (2006). 209 Vgl. Bauer et al. (1998). 122 Leeflang und Reuyl untersuchen den deutschen Zigarettenmarkt für die Zeit von 1960 bis 1975. Zur Berücksichtigung dynamischer Effekte wird das Koyck-Modell zu Grunde gelegt. Es werden der reale Zigarettenpreis, die Konsumausgaben der Haushalte und die Nachfrage nach Zigarren und Pfeifentabak als erklärende Variablen berücksichtigt.210 Die Autoren erhalten sowohl für die statische als auch dynamische Modellspezifikation und für Datenreihen auf Monats-, Zweimonats-, und Jahresbasis einen signifikanten, jedoch abnehmenden Effekt der Werbung auf die Nachfrage. Im Gegensatz hierzu konnte in einem anderen Beitrag kein Zusammenhang nachgewiesen werden. Hofmann211 spezifiziert ein multivariates autoregressives Zeitreihenmodell und kommt zu dem Ergebnis, dass die Werbung in dem Beobachtungszeitraum 1960 bis 1979 keinen statistisch signifikanten Einfluss auf die Nachfrage gehabt hat. Es gibt keine Kausalität zwischen Werbung und Nachfragemenge. Dies ist das Ergebnis der Untersuchung auf Granger-Kausalität der beiden Zeitreihen. Beide Untersuchungen für Deutschland beziehen sich auf die 60er und 70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Es liegen dem Autor für Deutschland keine anderen ökonometrischen Studien vor, in denen die Auswirkungen von Werbeeinschränkungen auf die Nachfrage bei Tabak, Alkohol oder Glücksspiel untersucht werden. Während in den ökonometrischen Untersuchungen statistische Daten zu Grund gelegt werden, basieren die folgend dargestellten Untersuchungen in der Regel auf subjektiven Einschätzungen. Zu den Auswirkungen der Werbung insbesondere auch auf die Einstellung von Kindern und Jugendlichen liegen einige Untersuchungen für Deutschland vor. Dieser Aspekt ist relativ ausführlich untersucht. Werbung dürfte bei Kindern und Jugendlichen eher eine Wirkung erzielen als bei Erwachsenen. Dementsprechend sind insbesondere Untersuchungen von Interesse, die sich mit den Auswirkungen der Werbung auf den jugendlichen Rauchkonsum befassen. Hier liegt eine Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit vor,212 die zwar nicht den Einfluss von Werbung untersucht, jedoch den 210 Leeflan und Reuyl (1985). 211 Hofmann (1987). 212 Hanewinkel und Sargent (2007). 123 Einfluss von Rauchszenen in Film und Fernsehen auf Kinder und Jugendliche. In dieser Studie wird auch ein Überblick über die vorliegenden, in der Regel amerikanischen, Untersuchungen zu dieser Thematik gegeben. Diese Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums von Hanewinkel und Sargent geht von der Hypothese aus, dass Kinder und Jugendliche im Rahmen ihrer Identitätsentwicklung das Verhalten ihrer Eltern, Geschwister, Gleichaltriger und anderer Rollenmodelle imitieren. Jugendliche nehmen die Verhaltensweisen an, die konsistent mit dem Image sind, welches sie von sich selbst wünschen und anderen von sich übermitteln wollen. Diese Images erwerben sie aus ihrer sozialen Umwelt und den Medien. Rauchende Vorbilder im Fernsehen und Kino könnten daher Kinder und Jugendliche dazu veranlassen, mit dem Rauchen zu experimentieren. Diese Hypothese wird zuerst in einer experimentalpsychologischen Untersuchung mit über 1.000 Kindern und Jugendlichen sowie knapp 400 jungen Erwachsenen getestet. Es zeigt sich, dass Rauchen in Filmen das Erleben und Verhalten von Kindern und Jugendlichen beeinflussen kann: Jugendliche mit ersten Raucherfahrungen beurteilen dieselbe attraktive weibliche Protagonistin dann deutlich „schöner“, „cooler“, „jünger“ und „sexier“, sofern diese in einer Filmsequenz raucht, im Vergleich zu einem bis auf eine einzige Rauchszene identischen Film, in der die Protagonistin nicht raucht. Raucht hingegen ein unattraktiver Protagonist, löst dies bei den Kindern und Jugendlichen als auch jungen Erwachsenen durchweg negativere Assoziationen aus, als wenn dieselbe Person nicht raucht. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass sich Jugendliche nach der sozialen Lerntheorie wahrscheinlich eher mit der attraktiven, jungen, Zigarette rauchenden Dame als mit dem älteren, Zigarre rauchenden Herrn identifizieren. Der Befund, dass insbesondere Kinder und Jugendliche, die schon selbst Zigaretten probiert haben, die Zigarette rauchende Protagonistin positiv beurteilen, kann nach Ansicht der Autoren mit Hilfe der sozial-psychologischen Theorie der kognitiven Dissonanz erklärt werden. Die Theorie der kognitiven Dissonanz besagt, dass miteinander unvereinbare Kognitionen einen inneren Konflikt erzeugen. Das Vorhandensein von Dissonanz übt einen Druck aus, diese zu beseitigen oder zu reduzieren. Die Autoren gehen weiterhin davon aus, dass das erste Experimentieren mit Zigaretten bei Kindern und Jugendlichen eine kognitive Dissonanz auslöst, da diese über die negativen Gesundheitsfolgen des Rauchens aufgeklärt sind. Attraktive rauchende Rollenmodelle werden nun selektiv positiver wahr- 124 genommen, da durch diese positive Umstrukturierung die kognitive Dissonanz gelöscht werden kann, so die Interpretation der empirischen Befunde durch die Autoren selbst. Es wird von Hanewinkel und Sargent213 auch der Frage nachgegangen, ob das Rauchen in Filmen die Initiierung des Rauchens im Jugendalter prognostizieren kann. Hierfür werden zwei epidemiologische Untersuchungen mit über 5.500 Kindern und Jugendlichen durchgeführt. Es wurde zunächst untersucht, in welchem Ausmaß Schülerinnen und Schüler Tabakrauchereignisse in Kinofilmen, definiert als einzelne Szenen, in denen geraucht wurde, ausgesetzt waren. Die Ergebnisse dieser Eingangsuntersuchung deuten darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit, schon einmal Zigaretten probiert zu haben, mit dem Ausmaß der Exposition von Tabakrauchereignissen in Filmen steigt, und zwar von 10% bei geringer Exposition mit Tabakrauchereignissen auf über 70% bei hoher Exposition. Ein Jahr nach der Eingangsuntersuchung wurden die Kinder und Jugendlichen in einer Kohortenstudie erneut untersucht. 19% der Jugendlichen, die bis zum Zeitpunkt der Eingangsuntersuchung noch nie geraucht hatten, hatten in der Zwischenzeit das Rauchen begonnen. Es zeigt sich eine „starke positive Assoziation“ zwischen der Exposition mit Tabakrauchereignissen in Filmen und der Initiierung des Rauchens. Während lediglich 10% der Jugendlichen mit der geringsten Exposition mit Tabakrauchereignissen in Filmen in dem Untersuchungszeitraum zu rauchen begonnen hatten, waren dies in der Gruppe der Jugendlichen mit der höchsten Exposition 28%. Weiterhin untersuchen Hanewinkel und Sargent, ob das Rauchen in einer Filmsequenz zu einem Rauchverlangen führt. Die Ergebnisse deuten nach den Autoren darauf hin, dass schon eine sehr kurze Sequenz des Rauchens bei Kindern und Jugendlichen mit Raucherfahrung ausreicht, um ein Rauchverlangen auszulösen. Bei jungen Erwachsenen konnte ein solcher Effekt nicht festgestellt werden, was, so die Autoren, unter Umständen auf methodische Mängel der Untersuchung zurückzuführen ist. Jedoch ziehen die Autoren die folgenden Schlussfolgerungen: „Während andere Untersuchungen die positiven Assoziationen, die das Rauchen in Filmen provozieren kann, ebenfalls belegen, zeigt sich in dieser Studie ein differentieller Effekt: Bedeutsam scheint zu sein, welche Charakteristika der Protagonist aufweist und ob es sich bei den Rezipienten um Kinder und Jugendliche oder junge Erwachsene handelt.“ 213 Hanewinkel und Sargent (2007). 125 Die Daten, die im Rahmen des Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) vom Robert Koch-Institut in der Zeit von Mai 2003 bis Mai 2006 von insgesamt 17.641 Jungen und Mädchen erhoben wurden,214 deuten auf die Hauptursachen eines kindlichen oder jugend­lichen Rauchverhaltens hin. In Deutschland rauchen 20,5% der 11- bis 17-jährigen Jungen und 20,3% der gleichaltrigen Mädchen. Von den Jugendlichen, die selbst nicht rauchen, sind mehr als ein Viertel mehrmals in der Woche Tabakrauch ausgesetzt, etwa ein Fünftel sogar fast jeden Tag. Alkohol haben 64,8% der Jungen und 63,8% der Mädchen schon einmal getrunken. Als die Hauptursachen für den Tabakkonsum unter Jugendlichen wird der soziale Status identifiziert. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass Jugendliche aus Familien mit niedrigem Sozialstatus häufiger rauchen. Bei Alkohol und Drogen sind hingegen keine bedeutsamen statusspezifischen Unterschiede auszumachen. Erhöhte Rauchprävalenzen finden sich auch bei Jungen und Mädchen, die eine Hauptschule besuchen und in den neuen Bundesländern leben. Einen umfassenden Überblick über die vorliegenden Untersuchungen zum Einfluss der Werbung für Alkohol und Tabak auf Kinder und Jugendliche geben Di­ Franza et al.215 Es werden 29 Studien auf fünf Kontinenten mit einer Gesamtzahl von 331.306 untersuchten Kindern und Jugendlichen begutachtet. Hanewinkel und Morgenstern216 geben eine Zusammenfassung: „Diese Untersuchungen zeigen eine deutliche Verbindung von der Involviertheit in eine Werbekampagne (in der Regel gemessen anhand der Bekanntheit von Werbung und Marke, Zugehörigkeits- und Akzeptanzratings, Mediennutzungsfrequenz oder dem Besitz von Werbeartikeln) und der Anfälligkeit, mit dem Rauchen zu experimentieren und / oder regelmäßiges Rauchen zu beginnen.“ Dies deutet darauf hin, dass bei Kindern und Jugendlichen, die sich für Werbung für Zigaretten interessieren, dies auch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einhergeht, das Rauchen anzufangen. Die hier vorgestellten Studien führen zu unterschiedlichen Befunden. Wenn der Zusammenhang zwischen Werbeausgaben und dem Tabakkonsum über einen langen Betrachtungszeitraum ökonometrisch untersucht wird, ist kein signifikanter Zusammenhang zwischen den Werbeausgaben und dem Tabakkonsum zu finden. Dieses Ergebnis ist eindeutig und stabil, wenn die nicht-stationären Zeitreihen 214 Lampert und Thamm (2007). 215 DiFranza et al. (2006). 216 Hanewinkel und Morgenstern (2009). 126 durch Bildung der ersten Differenzen in stationäre Zeitreihen transformiert werden und damit den methodischen Annahmen des Regressionsmodells, nämlich dass stationären Zeitreihen vorliegen, Rechnung getragen wird. Auf der anderen Seite zeigen Studien an Kindern und Jugendlichen, dass es einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Involviertheit in Zigarettenwerbung und dem Rauchen gibt. Dies scheint jedoch vor allem Kinder und Jugendliche zu betreffen. Erwachsene haben in der Regel eine gefestigtere Einstellung gegenüber dem Rauchen als Kinder und Jugendliche. Die vorgestellten Studien konzentrieren sich auf die Nachfrageseite und vernachlässigen die Angebotsseite in der Betrachtung. Hierauf weisen Bauer et al.217 bereits hin: „Neben der direkten Wirkung auf den Verbraucher sind weiterhin die Reaktionen der Anbieter auf ein Tabak-Werbeverbot zu berücksichtigen. Ist eine Produktpositionierung über kommunikative Maßnahmen nur noch schwer möglich, so rücken andere Marketing-Instrumente in den Vordergrund.“ Die Preis­ elastizität war in allen ökonometrischen Studien deutlich höher als die Werbeelastizität. Ein sinkender Preis dürfte gerade bei Jugendlichen, deren finanzielle Möglichkeiten zumeist stärker begrenzt sind, einen Mehrkonsum bewirken. Eine Erhöhung der Steuer auf Zigaretten und damit eine Preissteigerung dürfte mit zu den effizientesten Regulierungsinstrumenten gehören, um den Zigarrenkonsum in der Gesellschaft und insbesondere bei Kinder und Jugendlichen zu reduzieren. 5.3 Werbung und Alkoholkonsum Die Werbeausgaben der Brauwirtschaft im Jahr 2007 betrugen insgesamt für alle Werbeträger 393,46 Mio. €, die der Spirituosenhersteller 104,08 Mio. €. Während die Werbeausgaben der Brauwirtschaft im gesamten Zeitraum von 1995 bis 2005 zwischen 330 Mio. € und 430 Mio. € schwanken, zeigen die Ausgaben der Spirituosen-Industrie bis zum Jahr 2005 einen negativen Trend und sind von 140 Mio. € im Jahr 1995 auf 87 Mio. € im Jahr 2005 gesunken. 217 Bauer et al. (1998). 127 Tabelle 7: Ausgaben für Alkoholwerbung (ohne Sekt und Wein) in Deutschland im Jahr 2007 in Mio. € nach Werbeträgern Brauwirtschaft Spirituosen-Industrie Gesamt Fernsehen Publikumszeitschriften Plakate Radio Fachzeitschriften Zeitungen Gesamtausgaben 253,89 49,74 41,56 23,67 21,91 2,69 393,46 67,07 19,68 11,81 2,16 2,54 0,82 104,08 320,96 69,42 53,37 25,83 24,45 3,51 497,54 Quelle: Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (2008), S. 177 und 180. Die Werbeausgaben für Sekt und Wein sind weitgehend konstant und lagen im Jahr 2005 bei 47 Mio. € für Sekt bzw. 21 Mio. € für Wein. Insgesamt dürften die Werbausgaben für alkoholische Getränke im Jahr 2007 in Deutschland bei 566 Mio. € liegen, nachdem sie im Jahr 2006 noch knapp 420 Mio. € betrugen.218 Der überwiegende Teil der Werbeausgaben wurde für Fernsehwerbung verwendet. Es folgen Publikumszeitschriften und Plakate. Radio und Fachzeitschriften werden als Werbeträger eher von der Brauwirtschaft genutzt und weniger von den Spirituosen-Industrie. Es liegt eine große Anzahl von Untersuchungen vor, die die Auswirkungen der Alkoholwerbung auf die Nachfrage nach Alkohol untersucht haben. Auch hier ist wieder zwischen ökonometrischen Untersuchungen und Befragungen zu unterscheiden. Bei den ökonometrischen Untersuchungen werden vor allem zwei Ansätze verwendet. In Zeitreihenanalysen wird die Beziehung zwischen Veränderungen in der Werbung, in der Regel gemessen an den Werbeausgaben, und dem Alkoholkonsum untersucht. In Querschnittsanalysen wird der unterschiedliche Konsum in unterschiedlichen Staaten in Beziehung gesetzt zu den jeweiligen Werbeausgaben. 218 Vgl. Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (2008), S. 177 und 180. 128 In den vorliegenden ökonometrischen Studien wird überwiegend kein Einfluss der Werbeausgaben auf den Alkoholkonsum insgesamt festgestellt.219 Einen Überblick über einige vorliegende ökonometrische Untersuchungen gibt auch die Studie des Bundesministeriums für Gesundheit zu Alkohol und Werbung. Es werden achtzehn Studien ausgewertet. Diese Studien stammen fast ausschließlich aus englischsprachigen Ländern und verwenden Daten von unterschiedlichen Zeiträumen, diese erstrecken sich von Anfang der 50er Jahre bis 1991. Es zeigt sich „weitgehend übereinstimmend kein Effekt der Werbung auf den Gesamtalkoholkonsum oder nur ein sehr geringer.“ In einer Studie von Calfee und Scheraga wurde auch Deutschland untersucht.220 Für den Zeitraum 1972 bis 1989 zeigt sich kein Effekt der Werbung auf den Pro-Kopf-Konsum bei Alkohol. In mehreren Studien zeigt sich jedoch ein signifikanter Zusammenhang zwischen Werbung und dem Pro-Kopf-Konsum einer bestimmten Produktkategorie. Am häufigsten findet sich ein (positiver) Einfluss der Bierwerbung auf den Bierkonsum und der Weinwerbung auf den Weinkonsum. In einer Meta-Regression wertet Craig Gallet 132 Studien zu der Preis-, Einkommens- und Werbeelastizität des Alkoholkonsums aus.221 Der Einfluss des Preises auf den Alkohol­konsum ist signifikant. Die geringere Anzahl von Studien mit einer Schätzung der Werbeelastizität ergibt keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen der Werbeelastizität des Alkoholkonsums und der Werbeelastizität für bestimmte Produktkategorien wie Wein, Bier und Spirituosen. Die Preiselastizität des Alkoholkonsums liegt bei -0,83 bis -1,11. Eine etwa einprozentige Preisänderung (z. B. Preisanstieg) führt bei Alkohol zu einer etwa einprozentigen Konsumänderung (z. B. Sinken des Konsums). Preiserhöhungen sind ein wirksameres Mittel, den Konsum zu reduzieren, als Werbeinschränkungen. Dies gilt auch und insbesondere für junge Menschen. Andere Studien stellen nicht nur fest, dass Erhöhungen des Alkoholpreises den Alkoholkonsum junger Menschen reduziert, sondern dass Preiserhöhungen größere Auswirkungen auf Konsumenten haben, die häufiger und mehr trinken, als auf solche, die seltener 219 Vgl. die Übersicht in Saffer und Dave (2006), S. 620. 220 Vgl.Calfee und Scheraga (1994). 221 Gallet (2007). 129 und weniger trinken.222 Eine große in den USA durchgeführte Studie223 ergab, dass eine Preiserhöhung um 10% die Häufigkeit des Alkoholkonsums bis zur Trunkenheit (definiert als Konsum von mehr als fünf alkoholischen Getränken zu einem Anlass) pro Monat um 8% verringern würde. Dies entspricht einer Preis­ elastizität von -0,8. Die Auswirkungen der Besteuerung von Alkohol unterscheiden sich je nach Alter; dabei nimmt mit zunehmendem Alter der Jugendlichen möglicherweise die Wirkung des Preises auf den Konsum ab. Während der Einfluss der Werbung auf den Alkoholkonsum für Erwachsene nicht vorhanden ist oder gering ausfällt, machen die neueren Kohortenstudien von Jugendlichen deutlich, dass Alkoholwerbung einen Einfluss auf deren Konsum haben könnte. In diesen Kohortenstudien wird, aufbauend auf den Ergebnissen von Befragungen untersucht, wie sich das Verhalten ändert. In einer Studie von Ellickson et al. werden 1.206 Jugendlichen in der 7. Klasse und darauf folgend in der 9. Klasse untersucht.224 Der Einfluss der Werbung wurde erstens gemessen mit dem Umfang der (relevanten) Fernsehwerbung, der der betreffende Jugendliche ausgesetzt war. Zum zweiten wurde die Häufigkeit, mit der Zeitschriften gelesen wurden, die Alkoholwerbung beinhalten, als Maß zu Grunde gelegt und als drittes und viertes Maß die erinnerte Häufigkeit, mit der Bierstände bzw. Bierwerbung im Geschäft wahrgenommen wurde. Nur die Fernsehwerbung hatte keinen Einfluss auf das spätere Trinkverhalten. Bei dem Trinkverhalten wurde unterschieden, ob später Alkohol (innerhalb des letzten Jahres) und wie häufig getrunken wurde. Die Autoren Smith und Foxcroft werten umfassend die vorliegenden Kohortenstudien aus.225 Es werden die Studie von Ellickson und acht andere Beiträge über sieben Kohortenstudien zu dem Einfluss von Werbung auf das Trinkverhalten Jugendlicher in der Auswertung berücksichtigt. Sowohl der Umfang der Alkoholwerbung, der ein Jugendlicher ausgesetzt war, als auch das Konsumverhalten bei Alkohol wurden in den unterschiedlichen Studien mit unterschiedlichen Variablen gemessen. So wird das Ausmaß erfahrener Werbung teilweise dadurch 222 Vgl. hierzu: Die Auswirkungen von Alkoholwerbung. Bericht über das ELSA-Projekt und die Argumente für eine Verschärfung der Bestimmungen zum Schutz von Jugendlichen, S. 31 und die dort angegebene Literatur (http://www.stap.nl). 223 Vgl. Sloan et al. (1995); zitiert nach Die Auswirkungen von Alkoholwerbung. Bericht über das ELSA-Projekt und die Argumente für eine Verschärfung der Bestimmungen zum Schutz von Jugendlichen, S. 31. 224 Vgl. Ellickson et al. (2005). 225 Vgl. Smith und Foxcraft (2009). 130 berechnet, wie Werbung erinnert oder wieder erkannt wurde, aber auch teilweise durch Hochrechnungen aus dem jeweiligen Fernsehkonsum bestimmt. Als Ergebnis der Auswertung halten die Autoren fest, dass die Studien dafür sprechen, dass bei Jugendlichen eine Beziehung besteht zwischen dem Ausgesetztsein von Werbung in der Eingangsuntersuchung und der Menge an Alkohol, die später in der Nachfolgeuntersuchung getrunken wird. Auch die Scientific Group of the European Alcohol and Health Forum226 kommt nach einer Auswertung der vorliegenden Längsschnittstudien zu einem ähnlichen Ergebnis. Es wird auf Grund der vorliegenden Studien geschlossen, dass Werbung die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Jugendliche anfangen, Alkohol zu konsumieren, und auch die Wahrscheinlichkeit, mehr zu trinken, wenn bereits konsumiert wurde. Die Auswirkungen der Alkoholwerbung auf den Alkoholkonsum von Jugendlichen scheint deutlich zu sein, im Gegensatz zu den Auswirkungen auf die Gesamtheit der Konsumenten. Hierfür sprechen auch die Ergebnisse einer sehr umfassenden amerikanischen Studie, in der ein, allerdings sehr schwacher, Einfluss der Werbung auf den Alkoholkonsum Jugendlicher gefunden wurde. In einer Querschnittsanalyse wird der Zusammenhang zwischen Werbung und Alkoholkonsum für verschiedene Bundesstaaten oder Länder untersucht. Es wird für die USA generell ein positiver Zusammenhang gefunden.227 Der Alkoholkonsum wird daran gemessen, ob in dem letzten Monat von dem Jugendlichen Alkohol getrunken wurde. Eine Verringerung der Alkoholwerbung von 28% führt zu einer Verringerung des Anteils der Jugendlichen, die im letzten Monat Alkohol getrunken haben, von 25% auf 24% bis 21%. Etwas deutlicher fällt der Einfluss der Werbung auf das Binge-Trinken aus, welches bei einer Verringerung der Alkoholwerbung von 28% bis 12% auf 11% bis 8% sinken würde. In sechs in den USA durchgeführten Längsschnittsstudien zeigt sich, dass die Exposition für Alkoholwerbung möglicherweise einen Einfluss auf das Trinkverhalten hat.228 Die meisten Studien kommen jedoch zu dem Ergebnis, dass für den 226 Vgl. Does marketing communication impact on the volume and patterns of consumption of alcoholic beverages, especially by young people? A review of longitudinal studies. Scientific Opinion of the Science Group of the European Alcohol and Health Forum. 227 Vgl. Saffer (1997), zitiert nach Saffer und Dave (2006), S. 620. 228 Vgl. Die Auswirkungen von Alkoholwerbung. Bericht über das ELSA-Projekt und die Argumente für eine Verschärfung der Bestimmungen zum Schutz von Jugendlichen, S. 50 und die dort angegebene Literatur (http://www.stap.nl). 131 Alkoholkonsumstatus der Peereinfluss sehr viel wichtiger ist als die Werbung für Alkohol. Auch ist die Richtung der Beziehung, die Kausalität, zwischen Alkoholwerbung und Trinkeinstellung und -verhalten nicht eindeutig geklärt. Die kann mit dem Involvement erklärt werden. Ein höheres Involvement führt dazu, dass etwas besser erinnert wird. Eine Person, die sich mehr für Autos als für z. B. kosmetische Artikel interessiert, wird sich besser an Autowerbung erinnern als an die Werbung für kosmetische Produkte, und kennt auch die Autowerbung besser als die Werbung für kosmetische Produkte. Bei einer Person, die sich für kosmetische Produkte interessiert bzw. diese tagtäglich benutzt, gilt dies umgekehrt. In einer in Deutschland durchgeführten Studie des Institut für Therapie und Gesundheitsforschung229 wurde bei Schülerinnen und Schülern im Durchschnittsalter von 12,5 Jahren der Zusammenhang zwischen Alkoholwerbung und Einstellungen gegenüber Alkohol und Alkoholkonsum untersucht. Das Ausmaß des Werbekontaktes wurde einmal darüber gemessen, wie häufig ein Befragter nach eigener Einschätzung die gezeigte Werbung schon gesehen hatte, und über die Abrufbarkeit des Markennamens, d. h. ob für den gezeigten Werbeausschnitt auch die Marke, für die Werbung gemacht wurde, erraten werden konnte. Über die Hälfte der Schülerinnen und Schüler hatte mindestens sechs der neun vorgegebenen Alkoholwerbungen schon gesehen. Der Alkoholkonsum wurde ebenfalls von den Schülern und Schülerinnen abgefragt. Es wurde ein Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und -werbung gefunden. Dieser Zusammenhang wird von den Autoren einseitig kausal interpretiert: Schüler/-innen mit der „höchsten Dosis an Alkoholwerbung“ hätten im Vergleich zu Schüler/-innen mit der „niedrigsten Dosis“ ein etwa doppelt so hohes Risiko, zur Gruppe der Alkoholkonsumenten zu gehören. Die Kausalität wird nicht weiter untersucht, obwohl vieles dafür spricht, dass jemand, der Alkohol konsumiert, auch die Alkoholwerbung besser kennt und mehr darauf achtet, als jemand, der kein Interesse an Alkohol hat. Ein Involvement bei Alkohol geht einher mit einer besseren Erinnerung von Alkoholwerbung als auch einem höheren Alkoholkonsum. Die Kausalität zwischen Alkoholwerbung und -konsum wird von den Autoren nicht weiter hinterfragt und einseitig interpretiert. Die vorliegenden Längs- und Querschnittsbefragungen230 kommen zu dem Ergebnis, dass ein möglicherweise schwacher positiver Zusammenhang zwischen 229 Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung (2009). 230 Vgl. Bundesministerium für Gesundheit (2002). 132 der Werbung und dem Alkoholkonsum Jugendlicher besteht.231 Dieser Zusammenhang ist für den Alkoholkonsum Jugendlicher zu finden, nicht jedoch für den Alkoholkonsum generell. Hier sind sich die empirischen Untersuchungen weitgehend einig. Die empirischen Untersuchungen zu den Auswirkungen von Werbebeschränkungen, die auch wieder entweder in ökonometrischen Zeitreihen- oder auch Querschnittsanalysen untersucht werden, führen zu einem uneinheit­lichen Ergebnis.232 Saffer untersucht 17 Länder und den Zeitraum von 1970 bis 1983 und kommt zu dem Ergebnis, dass Länder mit Werbeverboten auch einen deutlich geringeren Alkoholkonsum aufweisen.233 Saffer und Dave kommen auf Grund der Analyse von 20 Ländern von 1997 bis 1995 zu dem Ergebnis, dass durch ein zusätzliches Werbeverbot der Alkoholkonsum um 5% bis 8% sinkt.234 Auf der anderen Seite wird in derselben Studie ein Einfluss des Alkoholkonsums auf die gesetzliche Einführung von Werbeverboten gefunden. Sinkender Konsum verringert die Wahrscheinlichkeit für die Einführung gesetzlicher Werbeverbote. Die Kausalität geht in beide Richtungen. Andere Studien kommen zu dem Ergebnis, dass es keinen Effekt von Werbeverboten auf den Alkoholkonsum insgesamt gibt. In einer Untersuchung von Nelson für 45 amerikanische Bundesstaaten und den Zeitraum 1982 bis 1997 haben Werbeverbote keinen Einfluss auf den Alkoholkonsum insgesamt.235 Es treten jedoch Substitutionseffekte auf. Ein staatliches Monopol für Spirituosen reduziert den Spirituosenkonsum, nicht jedoch den Konsum von Bier oder Wein. Der Konsum von Wein steigt statistisch signifikant, wenn ein Monopol besteht. Der Konsum von Bier steigt auch, aber statistisch nicht signifikant. Insgesamt kommt es jedoch zu einer Verringerung des Konsums. Auch das Alter, ab dem Alkohol legal erlaubt ist, hat einen signifikanten negativen Einfluss auf den Alkoholkonsum. Werbeverbote verringern nach dieser Studie nicht den Alkoholkonsum. Es zeigen sich jedoch bedeutende Substitutionseffekte zwischen den Produktkategorien. 231 232 233 234 235 Vgl. hierzu Hasting et al. (2005). Vgl. die Übersicht in Saffer und Dave (2006). Vgl. Saffer (1991). Vgl. Saffer und Dave (2002). Vgl. Nelson (2003): Advertising Bands, Monopoly, and Alcohol Demand. 133 Auf Grund eines Überblicks über die Literatur zu Werbeeinschränkungen bzw. -verboten und Alkoholkonsum kommt Nelson zu dem Ergebnis, dass Werbeeinschränkungen nicht den Alkoholkonsum oder -missbrauch verringern, dass Werbeausgaben nicht zu einer Erweiterung des Gesamtmarktes führen und dass die Ergebnisse der Befragungen von Jugendlichen als Basis für eine staatliche Politik unvollständig seien.236 Die vorliegenden experimentellen Untersuchungen kommen auch nicht zu einem einheitlichen Ergebnis. In den meisten experimentellen Studien wird der Einfluss der Betrachtung eines Videofilms, in einem natürlichen Setting, wobei die Anzahl der darin vorkommenden Alkoholwerbespots manipuliert wird, auf den sich anschließenden Alkoholkonsum oder auch die Assoziationen und Einstellung gegenüber Alkohol untersucht. Eine Studie für Kinder und Jugendliche (Fünft- und Achtklässler)237 findet keinen Einfluss der Werbung auf die erwarteten Alkoholwirkungen. In einer anderen Studie (Viert- und Fünftklässler) wird für Kinder ein positiver Einfluss der Werbung auf die erwartete Trinkwirkung gefunden. Auch hier ist das Ergebnis nicht eindeutig. Die vorliegenden Studien lassen folgende Schlussfolgerungen zu: Das Ausmaß der Werbung hat keinen oder einen nicht messbaren Einfluss auf den Alkoholkonsum insgesamt, dies zeigen die ökonometrischen Studien. Der Zusammenhang zwischen Preis und Konsummenge hingegen ist deutlich messbar. Jedoch kann Werbung den Konsum innerhalb bestimmter Produktkategorien ausdehnen. Werbung kann den Konsum lenken, beispielsweise hin zu einem Bierkonsum (und weg von einem Wein- und Spirituosenkonsum). ohne dass es zu einer Ausdehnung des Gesamtkonsums kommt. Die Befragungen und Kohortenstudien fanden einen Zusammenhang zwischen dem der Werbung Ausgesetztsein und der Einstellung und dem Trinkverhalten von Jugendlichen. Die Einstellung von Kindern und Jugendlichen wird jedoch insbesondere von der Peergruppe beeinflusst. Die experimentellen Untersuchungen machen deutlich, dass dieser Zusammenhang nur sehr schwach ausgeprägt sein kann und möglicherweise andere Variablen, insbesondere das Involvement, als Ursache für den gefundenen Zusammenhang anzusehen sind. Es wird zwischen Werbung und Konsum ein Zusammenhang gefunden, der aber nicht 236 Vgl. Nelson (2001). 237 Lipsitz et al. (1993); zitiert nach Bundesministerium für Gesundheit (2002), S. 44 ff. 134 nur einseitig kausal interpretiert werden darf. Werbung dürfte nicht nur den Konsum von Jugendlichen beeinflussen, sondern das Konsumverhalten dürfte auch die Wahrnehmung und Erinnerung von Werbung beeinflussen. Jugendliche sind besonders durch Alkohol gefährdet und besonders empfänglich für auf sie abzielende Alkoholwerbung. Als wichtige Einflussfaktoren auf das Trinkverhalten von Kindern und Jugendlichen werden in einer Studie des Bundesministeriums für Gesundheit238 folgende Variablen benannt: • • • • 238 239 240 241 242 Genetische und psychische Disposition: Adoptions- und Zwillingsstudien sprechen für eine genetische Mitverursachung.239 Die Untersuchungen von True et al. zeigen, dass die Erblichkeit der Abhängigkeit von Nikotin und von Alkohol mit 60% bzw. 55% der Erblichkeit des pathologischen Glücksspielverhaltens entspricht.240 Die in verschiedenen Studien häufiggefundenen prämorbiden Persönlichkeitsmerkmale sind Impulsivität, Aufmerksamkeitsstörungen und Hyperaktivität sowie ein hohes Stimulationsbedürfnis und eine niedrige Angstvermeidung. Soziale Umgebung: Als wichtigster Einflussfaktor des Alkoholkonsums wird die soziale Umgebung des Kindes oder Jugendlichen angesehen. Hierzu gehören Eltern und Geschwister, die Bezugsgruppe (Peergroup) sowie die schulische Umgebung. Der Konsum in der sozialen Gruppe hat einen bedeutenden Einfluss auf den Konsum des Individuums, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Wirtschaftliche Bedingungen: Als wirtschaftliche Risikofaktoren werden die Verfügbarkeit und der Preis betrachtet. Dabei zeigen ökonometrische Studien, dass eine Preiserhöhung zu einem geringeren Alkoholkonsum führt. Das Alkoholkonsumverhalten bei Kindern und Jugendlichen zeigt sich in verschiedenen Studien als unabhängig vom sozioökonomischen Status der Familie.241 Kulturelle Normen: Die Art und Höhe des Alkoholkonsums werden stark von dem Kulturkreis bestimmt. Eine Alkoholabstinenz ist unter türkischen Jugendlichen deutlich mehr verbreitet als unter den deutschen Jugendlichen.242 Bundesministerium für Gesundheit (2002). Cook und (2001); zitiert nach Bundesministerium für Gesundheit (2002). True et al. (1999). Vgl. hierzu die zitierte Literatur in Bundesministerium für Gesundheit (2002), S. 12. Semmert et al. (1991), zitiert nach: Bundesministerium für Gesundheit (2002), S. 12. 135 • Einstellung und Wissen zu Alkohol: Hier wird in der Studie des Bundesgesundheitsministeriums festgehalten, dass die häufige persönliche Erfahrung und Erwartung von (erwünschten) Trinkwirkungen sowie eine positive Einstellung gegenüber Alkohol mit einem hohen Alkoholkonsums assoziiert sind, während das Wissen um die (negative) Wirkung im Sinne präventiver Kenntnisse und eine hohe Alkoholdistanz mit geringerem Konsum verbunden sind. Die erwarteten psychosozialen Folgen (Förderung von guter Stimmung, Ablenkung von Problemen, „sich erwachsener fühlen“) und der soziale Druck scheinen signifikante Prädiktoren des zukünftigen Alkoholkonsums zu sein.243 Wie die obigen Untersuchungen gezeigt haben, dürfte Alkoholwerbung einen gewissen Einfluss auf das Trinkverhalten von Jugendlichen haben. Dieser Einfluss ist aber im Vergleich zu den anderen Einflussfaktoren auf das Trinkverhalten Jugendlicher sehr gering. Eine weitere Gruppe möglicherweise schutzbedürftiger Personen sind die Alkoholiker oder zum Alkoholismus neigenden Personen. Hier stellt sich die entscheidende Frage, ob und in welchem Umfang die Werbung als „Trigger“, als Auslöser für ein fast unwiderstehliches Verlangen zu konsumieren, wahrgenommen wird. Hierzu gibt es eine Untersuchung von Treise, Taylor und Wells.244 In dieser Untersuchung wurden 20 Alkoholiker in Behandlung zur Wahrnehmung von Alkoholwerbung befragt. Als erstes Ergebnis wird von den Autoren festgehalten, dass für Alkoholiker in Behandlung der Impuls zu trinken von einer ganzen Reihe von Faktoren, einer davon Werbung, „getriggert“ werden kann. Es wurde getrunken, weil „die Dinge schlecht liefen, weil die die Dinge gut liefen, weil es regnete, weil es nicht regnete…, nicht Besonderes… triggerte die Begierde, sie war immer da.“ Andere „Trigger“ waren der Partner bzw. die Partnerin, soziale Gelegenheiten und der tagtägliche Stress. Einige Bilder und Techniken der Werbung, insbesondere Musik- und Partyszenen, machen den Befragten Probleme. Diejenigen von den Befragten, die bemerken, dass sie von Werbung beeinflusst werden, neigen dazu, diese zu vermeiden oder die Werbebotschaft anders zu interpretieren. Der subjektiv empfundene Einfluss der Werbung verringert sich mit der Dauer der Behandlung. 243 Vgl. hierzu die zitierte Literatur in Bundesministerium für Gesundheit (2002), S. 13. 244 Treise et al. (1994). 136 5.4 Auswirkungen der Werbung auf den Umsatz bei Glücksspielprodukten Es liegen einige Untersuchungen vor, die sich mit den Auswirkungen von Werbung oder Werbeeinschränkungen auf die Nachfrage für Glücksspielprodukte befassen. Diese wenigen Untersuchungen werden in diesem Abschnitt vorgestellt. In der Literatur zu Tabak wird bei der Analyse der Auswirkungen der Werbung nicht zwischen den verschiedenen Tabakerzeugnissen unterschieden. Bei der Analyse der Auswirkungen der Werbung auf die Alkoholnachfrage ist in gewissem Umfang eine Unterscheidung zwischen Spirituosen-, Wein- und Biernachfrage zu finden. Sowohl bei Tabak als auch bei Alkohol lässt sich diese fehlende Differenzierung in gewissem Umfang rechtfertigen, da die Substanz, nämlich Nikotin oder Alkohol, um die es geht, jedes Mal identisch ist. Die Analyse des Suchtgefährdungspotentials der Glücksspielprodukte hingegen hat gezeigt, dass eine Unterscheidung der verschiedenen Glücksspielprodukte von entscheidender Bedeutung ist. Diese Unterscheidung ist auch bei der Analyse der Werbung angebracht. Es liegen dem Verfasser für Deutschland keine Analysen der Wirkung von Werbung auf die Nachfrage vor. Es gibt jedoch eine ausführliche Analyse der Motive der Teilnahme normaler Spieler, d. h. ohne ein pathologisches Spielverhalten, und zwar bei der Lotterie „6 aus 49“. Aus dieser Untersuchung wird deutlich, dass sich die Werbeeinschränkungen des Glücksspielstaatsvertrags, wie diese von der Rechtsprechung ausgelegt werden, und insbesondere die Werberichtlinien nicht an den Auswirkungen der Werbung auf gefährdete Spieler orientiert, sondern an den Motiven eines unproblematischen Konsumverhaltens. Jede Werbung, die an diesen Motiven ansetzt, wird als unzulässig betrachtet. In einer Studie von Beckert und Lutter245 werden, auf Grund von a priori Annahmen, die fünf wichtigsten Motive identifiziert und die jeweilige Bedeutung dieser Motive empirisch untersucht. Beckert und Lutter haben die folgenden fünf Motive untersucht: • • • Lotteriespieler verhalten sich irrational Lotteriespiel als rationale Investition Lotteriespiel als Spannungselement 245 Vgl. Beckert und Lutter (2007) und vgl. hierzu auch die Presseinformation der MaxPlanck-Gesellschaft vom 5. Dezember 2007. 137 • • Lotteriespiel als soziales Netzwerk Tagträume motivieren zum Kauf von Konsumprodukten. Es wurden im Frühjahr 2006 hierfür 1.002 Spieler und 506 Nichtspieler telefonisch befragt. Aus wirtschaftlicher Sicht ist die Teilnahme an einer Lotterie keine sinnvolle Aktivität. Die Ausschüttungsquote liegt in Deutschland bei etwa 50%. Der erwartete monetäre Nutzen eines eingesetzten Euros liegt bei 50 Cent. Aus der Kognitionspsychologie ist eine Reihe von kognitiven Irrtümern bekannt. Menschen neigen dazu, die Wahrscheinlichkeit von unwahrscheinlichen Ereignissen zu überschätzen und von wahrscheinlichen Ereignissen subjektiv zu unterschätzen. Dies wird durch die Berichterstattung von Lottogewinnern in den Medien unterstützt. Diese Betonung erhöht die subjektiv wahrgenommene Wahrscheinlichkeit dafür, selbst zu den glücklichen Gewinnern zu gehören. Dieser kognitive Irrtum basiert auf der nicht angemessenen Anwendung einer „Verfügbarkeitsheuristik“ auf zufällige Ereignisse. Die Ergebnisse der Analyse Beckert und Lutter bestätigen diese Theorie. Lotteriespieler, die übermäßig positive Einschätzungen der Gewinnwahrscheinlichkeiten haben, spielen häufiger und regelmäßiger Lotto. Für die Höhe der Spielausgaben konnte kein solcher Zusammenhang gefunden werden. Die Einschätzung von Gewinnen als „wahrscheinlich“ geht einher mit einem stärkeren Interesse für Geschichten über Lotteriegewinner und mit verstärkten abergläubischen Überzeugungen, nicht jedoch mit dem Tippen von festen Zahlenkombinationen. Es lassen sich bei acht Prozent der Lotteriespieler unrealistische Gewinnerwartungen feststellen. Die überwiegende Mehrheit ist sich der extremen Unwahrscheinlichkeit eines Lottogewinns bewusst. In der Theorie rationaler wirtschaftlicher Entscheidungen sind vergangene wirtschaftliche Verluste versunken und werden abgeschrieben. Mit jedem Spiel beginnt der Zufall wieder aufs Neue. Aus der Kognitionstheorie ist bekannt, dass alle Menschen zu einer mentalen Buchführung neigen, wobei gegenwärtige Gewinne auf einem mentalen Konto mit vergangenen Verlusten auf diesem Konto verrechnet werden. Bei den Befragten von Beckert und Lutter nimmt die Bereitschaft der mentalen Abschreibung versunkener Kosten mit der Dauer der Spielbeteiligung und der Höhe der Einsätze ab. Die Autoren erklären dies mit der höheren Involviertheit der Spieler. Insgesamt wird nach Ansicht der Autoren die 138 Theorie der Erklärung der Lotterienachfrage durch irrationale Handlungsdispositionen nicht bestätigt. Die zweite untersuchte Hypothese ist die des Lotteriespiels als rationale Investition. Diese kann so246 beschreiben werden: „Da die eingesetzten Mittel für Lotterielose nur marginale Teile des Haushaltsbudgets betreffen, deren Verausgabung für gewöhnliche Konsumgüter keinen weiteren Nutzen bringt, sind Akteure bereit, für die Wahrnehmung der minimalen Chance auf einen großen Gewinn, die unfairen Bedingungen des Spiels in Kauf zu nehmen.“ Zwar geben 60% der Spieler nur einen unbedeutenden Anteil ihres Einkommens, der unter einem Prozent liegt, für Lotterielose aus, doch betrachten nur 29% der Spieler dieses Geld als „triviales Spielgeld“ und nur 9% als „gut angelegtes Geld“. Die Autoren schließen hieraus, dass für die Mehrzahl der Spieler offenbar andere Beweggründe als der reine Investivcharakter des Spiels ausschlaggebend sind. Der sozialpsychologische Ansatz erklärt das Lotteriespiel als Spannungs­ management aus dem subjektiv erlebten Missverhältnis von erstrebtem und tatsächlichem sozialen Status. Indem das Glücksspiel die Hoffnung liefert, den auferlegten materiellen und sozialen Statusschranken zu entkommen, dient es der Kompensation des Gefühls, vom Erfolg abgehängt und vom materiellen Wohlstand entkoppelt zu sein. Die Autoren Beckert und Lutter kommen zu dem Ergebnis, dass die Theorie des Lottospiels als Spannungsmanagement zwar nicht die Spielhäufigkeit, wohl aber die Höhe der Spieleinsätze vorhersagt. So steigt die Wahrscheinlichkeit hoher monatlicher Ausgaben für Lotterielose als Anteil am Einkommen einerseits mit sinkendem Einkommen, geringer formaler Bildung und niedrigem Berufsprestige, und andererseits mit dem Grad der subjektiv erlebten Eintönigkeit der materiellen Lebenssituation. Die Autoren merken weiterhin an, dass Spieler ihre Spannungszustände nicht in bedachter, regelmäßiger Spieleilnahme, sondern impulsiv in Form hoher Spieleinsätze kanalisieren. Der soziologische Erklärungsansatz des Lotteriespiels als soziales Netzwerk führt die Spielmotivation auf den Einfluss sozialer Netzwerkstrukturen zurück. Nach Angaben der Autoren teilen sich etwa ein Viertel der Lotteriespieler in Deutschland den Tippschein mit Verwandten, Freunden, Nachbarn oder Arbeitskollegen. Das Gemeinschaftsspiel ist eine Gruppenaktivität und stabilisiert soziale Kontakte. In anderen Ländern, wie in Spanien, steht auf Grund des Spieldesigns dieser soziale Charakter noch mehr im Vordergrund. Hier wird die Weihnachtslotterie 246 Vgl. Beckert und Lutter (2007), S. 250. 139 zu einem sozialen Ereignis. Ganze Dörfer gewinnen hier gemeinsam.247 Diese Theorie findet nach Ansicht der Autoren in zweierlei Hinsicht Bekräftigung. Zum einen erhöht sich die Wahrscheinlichkeit regelmäßiger Spielteilnahme signifikant durch die Anzahl der engen Beziehungen, die eine Person zu anderen Lotteriespielern unterhält. Zum anderen spielen Personen in Tippgemeinschaften etwa um das Dreieinhalbfache häufiger regelmäßig Lotto als Spieler, die alleine spielen. Gleichzeitig verringert das Gemeinschaftsspiel das Risiko des relativ hohen Spieleinsatzes. Dies scheint nach Ansicht der Autoren das überstürzte Spiel, etwa aus virulent werdenden Spannungszuständen, abzufedern und damit erweist sich, nach Ansicht der Autoren, die sozialstrukturelle Umgebung der Spieler als nicht unerheblicher Einflussfaktor zur Erklärung der Nachfrage. Der empirisch relevanteste Erklärungsansatz für die Teilnahme an Lotterien liegt jedoch nach Beckert und Lutter in der „Baugenehmigung für Luftschlösser“. Dies ist, nach Ansicht der Autoren, die zentrale Attraktion, weil sie den Spielteilnehmern das Eintauchen in Phantasiewelten ermöglicht. Das Eintauchen in Traumwelten ist einerseits eine soziale Praxis, mit der die Spieler eine Orientierung an jene materiellen Werte, die mit dem Lotteriegewinn verbunden sind, erzeugen, erfahren und bestätigen. Andererseits verkörpert das Lotterielos das Versprechen, dass großer Wohlstand letztendlich für alle erreichbar sei. Das Lotteriespiel hat somit eine sozialintegrative Bedeutung. Als deutlicher Hinweis auf diesen Zusammenhang wird auch gesehen, dass 62,5% der befragten Lotteriespieler zustimmend auf das Item antworteten: „Ich male mir in meiner Phantasie häufig aus, was ich mit dem Geld eines großen Lottogewinns alles machen könnte“. Diese Analyse der Nachfrage legt es nahe, für Lotterien mit dem Versprechen eines Traumes, den der Lottogewinn ermöglicht, zu werben. Jede erfolgreiche Markenwerbung baut ein Image auf oder verstärkt ein Image. Ein Produkt mit einem guten Image verkauft sich besser. Imagewerbung für Lotterieprodukte verspricht oft einen Traum. Ein mündiger Verbraucher, der nach gängiger Rechtsprechung sogar fähig ist, falsche Gewinnversprechen per Email als solche zu erkennen, dürfte auch den Unterschied zwischen einem Traum und der Wirklichkeit erkennen. 247 Vgl. hierzu Garvia (2007). 140 Es bleibt festzuhalten, dass die „Baugenehmigung für Luftschlösser“, wie Beckert und Lutter es ausdrücken, oder genauer gesagt, die „Baugenehmigung für Träume“, das Hauptmotiv für die Teilnahme an der Lotterie „6 aus 49“ darstellt. Ohne diesen „Zusatznutzen“ kann eine Teilnahme an einer Lotterie nicht erklärt werden. Es liegt daher nahe, in der Werbung für Lotterien an diesem Motiv anzusetzen und es in der Werbung zu nutzen. Wie oben dargestellt, wird in der Werbung für alle Glücksspiele, entsprechend den Werberichtlinien der Glücksspielaufsicht, gerade dies untersagt. Zwar liegen für Deutschland keine Untersuchungen vor, in denen die Auswirkungen der Werbung bzw. von Werbeeinschränkungen auf den Konsum von Lotterieprodukten untersucht werden, doch es gibt hier eine amerikanische Studie. Zhang248 vergleicht die Veränderungen der Umsätze in drei amerikanischen Staaten bei einer gesetzlich bedingten Reduktion der Werbeausgaben im Vergleich zu den Veränderungen der Umsätze in den anderen Staaten, in denen keine Werbeausgabeneinschränkungen eingeführt wurden. Bei einer zweistufigen KleinstQuadrate-Schätzung ergeben sich Werbeausgaben­elastizität für Lotterien in Illinois, Washington, und Massachusetts für die Zeit von 1992 bis 2002 in der Höhe von 0,07 bis 0,016. Bezogen auf die absoluten Werte bedeutet dies, dass eine Verringerung der monatlichen Ausgaben für Werbung um einem Cent zu einer Verringerung der Umsätze um 31 bis 37 Cent führt. Clotfelter und Cook249 haben bei der Analyse des Inhalts von Lotteriewerbung in den USA im Jahr 1987 acht primäre Botschaften unterschieden, von denen vier weitgehend informativ sind und vier ein bestimmtes Thema betreffen. Informative Werbung bestand aus direkten Kaufaufforderungen, Spielerklärungen, Bezug auf vorherige Gewinner und Verwendung der Einnahmen für soziale Zwecke. Bei der thematischen Werbung wurden Spaß und Aufregung, die Möglichkeit für jeden, zu gewinnen und das Leben zu ändern, sowie Wohlstand und das Geld selbst thematisiert. Weiterhin unterschieden Clotfelter und Cook noch die Werbung, die über die Gewinnwahrscheinlichkeiten und über Preise informiert. Es ist bekannt, dass für Lotterien ein hoher Jackpot die beste Werbung darstellt. Die Umsätze steigen mit der Höhe des Jackpots deutlich an. Dieser Effekt ist darauf zurückzuführen, dass ein hoher Jackpot das Interesse der Medien findet. 248 Zhang (2004). 249 Vgl. Clotfelter und Cook (1989), S. 199 ff. 141 Die Medien machen durch ihre Berichterstattung praktisch eine für den Anbieter kostenlose Werbung. Ohne diesen Werbeeffekt würden die Umsatzsteigerungen deutlich moderater ausfallen. Diese Hypothese wird gestützt durch die Beobachtung, dass nur dann ein hoher Jackpot zu Umsatzsteigerungen führt, wenn er aus dem Rahmen fällt. Ein Jackpot von bisher selten vorgekommener Höhe findet das Interesse der Medien. Wenn ein Jackpot in derselben Höhe ein zweites Mal anfällt, ist das Medieninteresse deutlich geringer und damit auch die Werbewirkung und der Umsatz bei diesem Jackpot. Die Wirkung von Werbung auf die Nachfrage bei Glücksspielprodukten dürfte unterschiedlich ausfallen. Bei Produkten kann Werbung zu einer Ausdehnung des Marktes für das jeweilige Produkt führen. Dies kann zu einer Steigerung der Gesamtnachfrage führen und/oder zu Verschiebungen in der Nachfrage zu diesem Produkt hin, weg von anderen Produkten. Es kann zu einem Gesamtmarkteffekt und einem Substitutionseffekt kommen. Wenn das Produkt neu und attraktiv ist, werden beide Effekte der Werbung vergleichsweise hoch ausfallen. Es besteht daher ein großer Unterschied, ob für ein etabliertes Produkt oder ein neues Produkt geworben wird. Mehr als die Hälfte der Bundesbürger hat bereits Lotto „6 aus 49“ gespielt, etwa ein Drittel in der letzten Zeit. Auch bei den Fernseh- und Klassenlotterien handelt es sich um etablierte Produkte. Im Vergleich dazu handelt es sich bei Poker als Glücksspiel um ein relativ neues Produkt auf dem Markt. Dementsprechend werden der Werbeansatz und auch die Werbewirkung ganz unterschiedlich ausfallen. Es deutet einiges darauf hin, dass Werbung für ein Produkt in einem späten Stadium des Produktlebenszyklus, d. h. für ein „reifes“ Produkt, vergleichsweise geringe oder sogar keine Auswirkungen auf den Gesamtmarkt hat, während Werbung für ein Produkt in einem frühen Stadium des Produktlebenszyklus, wie Poker, zu einer ganz erheblichen Ausdehnung des Gesamtmarktes führen kann. Je attraktiver ein neues Glücksspielangebot im Vergleich zum bestehenden Angebot ist, umso eher wird es zu einer Gesamtmarktausdehnung kommen. Dieser Zusammenhang ist für die Auswirkungen der Werbung auf die Nachfrage für Glücksspielprodukte ganz entscheidend. Eine Werbung für die Lotterie „6 aus 49“ oder die Fernseh- und Klassenlotterie wird vergleichsweise wenige Personen veranlassen, zum ersten Mal dieses Glücksspiel zu spielen. Auf Grund einer Werbung für Poker hingegen werden vergleichsweise viele neue Kunden für das Produkt gewonnen. Damit sind die Auswirkungen der Werbung auf die Nachfrage differenziert zu beurteilen. 142 Um die Auswirkungen der Werbung auf die Nachfrager zu untersuchen, bieten sich auch Befragungen an. Auf die Problematik der Ergebnisse von Befragungen ist bereits an anderer Stelle ausführlich eingegangen worden. Doch hier sei noch einmal betont, dass in Befragungen Einstellungen abgefragt werden, dass aber das tatsächliche Verhalten in der Regel deutlich von der geäußerten Einstellung abweicht. Die Bekanntheit der beworbenen Marke, die Werbeerinnerung, das Wissen der Nachfrager über die Marke, der Einstellung zur Marke und die Kaufbereitschaft können abgefragt werden. Hieraus ergeben sich nur zwar gewisse Anhaltspunkte über den tatsächlichen Erfolg einer Werbung. Aber selbst eine Werbung, die häufig erinnert wird, für ein Produkt, zu dem eine positive Einstellung besteht, ist nur ein möglicher Hinweis auf die Wirkung dieser Werbung auf den Umsatz. Es liegen auch für Glücksspielprodukte derartige Untersuchungen vor, in denen (auch) die Auswirkungen der Werbung untersucht wurden. In der Regel wird hier die Werbeerinnerung untersucht. In einer Face-to-Face Befragung wurden im Jahr 2000 in Neuseeland 1.500 zufällig ausgewählten Personen, die älter als 15 Jahre waren, von dem Innenministerium (Department of Internal Affairs) befragt.250 Zielsetzung der Befragung war es, Informationen über die Teilnahme an und die Einstellung gegenüber den verschiedenen Formen von Glücksspielen zu erhalten. Die Befragten wurden gebeten, die Glücksspielformen anzugeben, die zumindest einmal in den letzten zwölf Monaten gespielt wurden. 87% der Befragten haben zumindest eine Glücksspielform in den letzten zwölf Monaten gespielt, wobei 10% nur eine Glücksspielform, 20% zwei Glücksspielformen, 19% drei Glücksspielformen und 12% vier Glücksspielformen gespielt haben. 26% der Befragten haben mehr als vier Glücksspielformen gespielt. Die Befragten, die vier oder mehr Glücksspielformen gespielt haben, konnten sich generell eher an Werbung für Glücksspiel erinnern. Es gab hier eine Ausnahme, nämlich bei Tele-Bingo. Hier konnten diejenigen, die keine einzige Glücksspielform gespielt hatten, sich eher an Werbung erinnern, als diejenigen, die eine oder mehr Glücksspielformen gespielt hatten (69% im Vergleich zu 60%). Ben Amey, der die Untersuchung durchgeführt hat, zieht die Schlussfolgerung, dass die bessere Erinnerung von Werbung derjenigen, die mehrere verschiedene Glücksspiele spielen, auf deren größeres Interesse und die häufigere Teilnahme 250 Vgl. Amey (2001), S. 176 ff. 143 an Glücksspielen zurückzuführen ist. Diese Schlussfolgerung wäre dahingehend zu ergänzen, dass das Beispiel Tele-Bingo deutlich macht, dass eine bessere Erinnerung an die Werbung für ein Produkt nicht unbedingt gleichbedeutend mit einer größeren Nachfrage für dieses Produkt ist. Werbung erzählt Geschichten. Werbung wird daher oft erinnert, weil die erzählte Geschichte interessant war und angesprochen hat. Dies hat nicht immer Auswirkungen auf das Nachfrageverhalten selbst. Bei einer unterstellten Kausalität zwischen einer besseren Erinnerung der Werbung und dem Konsum des beworbenen Produkts kann diese Kausalität in die eine oder andere Richtung gehen: Die Werbung wird umso eher erinnert, je mehr sie zu dem Konsum des Produktes geführt hat, oder der Konsum des Produktes und das sich damit ausgedrückte und verbundene Interesse an dem Produkt führt zu einer besseren Erinnerung der Werbung für dies Produkt. Auch kann es hier zu einem scheinbaren Zusammenhang kommen. Wenn jüngere Personen z. B. eher Poker spielen als ältere Personen und gleichzeitig auch häufiger fernsehen, so könnte Werbung für Poker im Fernsehen von jüngeren Personen besser erinnert werden, nicht weil diese häufiger Poker spielen, sondern weil sie häufiger fernsehen. Damit würde es sich um einen scheinbaren Zusammenhang handeln.251 In einer Befragung von 1.072 Jugendlichen zwischen 10 und 18 Jahren (6. bis 12. Klasse) in Kanada wurde die Teilnahme an Lotteriespielen untersucht.252 Es wurde auch danach gefragt, ob Lotteriewerbung gesehen wurde. 90% der Befragten hatten Lotteriewerbung im Fernsehen gesehen, 69% auf Plakaten, 68% in Zeitungen und 55% in Zeitschriften. Von denen, die Lotteriewerbung gesehen hatten, gaben 39% an, dass sie wahrscheinlich eher ein Lotterieticket kaufen würden, wenn sie die Werbung gesehen haben. Dies bedeutet, dass 39% der Jugendlichen davon ausgehen, dass die Lotteriewerbung möglicherweise einen Einfluss auf ihre Nachfrage hat. Auch hier stellt sich wieder verstärkt die Frage nach der Zuverlässigkeit dieser subjektiven Einschätzung des Werbeerfolges. Es dürfte einem Nachfrager eines Lotterieloses schwer fallen, den Einfluss der Werbung auf 251 Ein Lehrbuchbeispiel für einen scheinbaren Zusammenhang ist der Zusammenhang zwischen Störchen und Geburten. Sowohl die Anzahl der Störche ist in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen, als auch die Anzahl der geborenen Kinder. Wenn nun von der Hypothese ausgegangen wird, dass die Störche die Kinder bringen und diese Hypothese empirisch überprüft wird, würde diese Hypothese durch die vorliegenden Daten gestützt werden. 252 Vgl. Felsher et al. (2004). 144 die eigene Kaufentscheidung zu isolieren und zu messen. Eine Kaufentscheidung ist in der Regel ein komplexer Entscheidungsprozess, wobei die genauen Gründe für die Kaufentscheidung dem Käufer selbst oft weitgehend verborgen sind. Das eigene Verhalten wird oft erst im Nachhinein rationalisiert, eine kognitive Dissonanz abgebaut. Die Ergebnisse einer Befragung von Personen, ob Werbung sie zum Glücksspiel angeregt hat, ist sehr unzuverlässig. Diese Fragestellung führt zu einem Antwortverhalten entsprechend der wahrgenommenen sozialen Norm und ermöglicht nur sehr unzuverlässige Angaben über den Zusammenhang zwischen Werbung und Nachfrageverhalten. Weiterhin dürfte es für einen Befragten kaum möglich sein, den Einfluss von Werbung auf das eigene Nachfrageverhalten realistisch einzuschätzen. Um den Zusammenhang zwischen Werbung, Werbewirkung, Einstellung und Verhalten zu untersuchen, wäre von einem theoretischen Werbewirkungsmodell auszugehen. Solche Untersuchungen fehlen leider bisher. Die Auswirkungen der Werbung für einzelne Formen des Glücksspiels sind differenziert zu betrachten. Werbung für ein etabliertes und bekanntes Produkt wie für die Lotterien ist anders zu beurteilen, als Werbung für ein neues Glücksspielprodukt, wie Poker. In dem Glücksspielstaatsvertrag wird jedoch weder nach dem jeweiligen Suchtgefährdungspotential noch nach bekannten und neuen Produkten unterschieden. Doch gerade eine solche Differenzierung wäre für eine Werbekontrolle bei Glücksspielprodukten anzumahnen. 5.5 Auswirkungen von Werbung auf gefährdete Spieler Der Konsum von Glücksspielprodukten verursacht keine Schäden an der körperlichen Gesundheit, wie es bei dem Alkohol- und insbesondere dem Tabakkonsum der Fall ist. Daher können Werbeeinschränkungen nicht gesundheitspolitisch begründet werden. Nur die suchtpolitische Perspektive ist hier relevant. Nicht die Auswirkungen auf den normalen Konsumenten, sondern die Auswirkungen auf die Gruppe der besonders schutzbedürftigen Konsumenten, der potentiell oder aktuell pathologischen Spieler, ist von Interesse für die suchtpolitisch motivierten Werbeeinschränkungen bei Glücksspielprodukten. Werbung kann als „Cue”, d. h. als Stichwort, in unterschiedlicher Intensität und mit unterschiedlicher Bedeutungszuschreibung wahrgenommen werden. Wenn das Stichwort für pathologische Spieler die Bedeutung eines konditionierten Sti- 145 mulus gewonnen hat,253 so soll von einem „Trigger“ gesprochen werden. Dieser „Trigger“ löst das kaum zu beherrschende Verlangen nach Glücksspiel aus. Nicht die Wirkung der Werbung auf Konsumenten mit einem unproblematischen Glücksspielverhalten sollte einen Anlass für Werbeeinschränkungen geben, sondern die Wirkung auf pathologische Spieler. Wenn durch die Werbung ein kaum zu widerstehender Reiz zum Spielen ausgelöst wird, der möglicherweise zu dem Beginn eines pathologischen Spielverhaltens oder auch zu einem Rückfall führt, sind Werbeeinschränkungen aus der Sicht einer Suchtprävention angebracht. Der mögliche Einfluss von Werbung auf die Entwicklung oder Beibehaltung eines pathologischen Spielverhaltens relativiert sich, wenn alle Einflussfaktoren für die Entwicklung eines pathologischen Spielverhaltens berücksichtigt werden. Es lassen sich fünf grundlegende Ansätze bzw. Ansichten zur Erklärung der Glücksspielsucht unterscheiden: • • • • • Die Glücksspielsucht ist genetisch bedingt. Die Glücksspielsucht ist erziehungsbedingt. Die Glücksspielsucht ist umweltbedingt. Die Glücksspielsucht ist bedingt durch eine biologische Fehlfunktion. Die Glücksspielsucht ist eine erlernte Reaktion. Diese verschiedenen Ansätze machen deutlich, dass es sich bei der Glücksspielsucht um ein sehr komplexes Phänomen handelt. Genetische Veranlagung, die Erziehung und Familiengeschichte, die soziale, gesellschaftliche und kulturelle Umwelt, der erlernte Umgang mit einem Verhalten und die kognitive Verarbeitung haben einen Einfluss auf die Entstehung und Aufrechterhaltung eines pathologischen Spielverhaltens. Doch unterscheiden sich pathologische Spieler nicht nur in dem Verhalten von nicht pathologischen Spielern, sondern nachweislich auch in den neurobiologischen Prozessen, die im Gehirn stattfinden.254 Die vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchungen lassen nur begrenzt Aussagen über die jeweilige Bedeutung dieser Erklärungsansätze zu. Es gibt eine Reihe von Untersuchungen,255 die zeigen, dass pathologisches Glücksspielverhalten bei Verwandten ersten Grades häufiger zu finden ist als in der Kontrollgruppe, d. h. in der Gesellschaft generell. Doch lassen diese Untersuchungen kei253 Vgl. zur Theorie der Konditionierung in Felser (2007), S. 147 ff. 254 Vgl. Reuter et al. (2005). 255 Vgl. Jacobs (1989). 146 nen Rückschluss auf die Erblichkeit zu, da dieser Befund auch ein Ergebnis von Erziehung und Umwelt sein kann. Ein Vergleich von eineiigen (monozygoten) und zweieiigen (dizygoten) Zwillingen hingegen macht es möglich, den Einfluss der genetischen Veranlagung zu untersuchen. Bei beiden Gruppen hat die Erziehung und Umwelt einen vergleichbaren Einfluss. Zwillingsstudien mit dem Vergleich mono- und dizygoter Zwillinge stellen daher die klassische Methode zur Untersuchung genetischer Einflüsse dar. Unterschiede zwischen diesen Gruppen können durch die genetische Veranlagung erklärt werden, da monozygote Zwillinge eine genetische Übereinstimmung von 100% haben, wohingegen dizygote Zwillinge nur zu 50% genetisch übereinstimmen. Gegenüber Geschwisterpaar-Analysen bieten die dizygoten Zwillinge Vorteile durch die Übereinstimmung von Alter, pränataler Umwelt, Position in der Geschwisterfolge und Ähnlichkeit der Umwelt. Eisen et al. befragten 3.359 Zwillingspaare des Vietnamkrieg Zwillings-Registers (Vietnam Era Twin Registry).256 Dieses Register besteht aus männlich-männlich monozygoten und dizygoten Zwillingspaaren, die während des Vietnamkrieges beim Militär gedient haben. In den Interviews wurde pathologisches Glücksspiel nach dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, Version II Revised (DSM-II-R) definiert. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass pathologisches Glücksspielverhalten zu etwa 50% auf die genetische Veranlagung zurückgeführt werden kann. Zu fast denselben Ergebnissen kommen Potenza et al.257 und Xian et al.258 Die Untersuchungen von True et al. zeigen, dass die Erblichkeit der Abhängigkeit von Nikotin und von Alkohol mit 60% bzw. 55% der Erblichkeit des pathologischen Glücksspielverhaltens entspricht. 259 In der Literatur sind Hinweise zu finden, dass pathologische Glücksspieler Abnormalitäten bei den Neurotransmittern Dopamin, Noradrenalin und Serotonin aufweisen. Einen Überblick über die Literatur geben Williams und Potenza.260 Hier sind die Ursache-Wirkungszusammenhänge jedoch noch nicht eindeutig geklärt. 256 257 258 259 260 Vgl. Eisen, et al. (1998). Vgl. Potenza et al. (2005). Vgl. Xian et al. (2007). Vgl. True (1999). Vgl. Williams und Potenza (2008). 147 Die Entstehung und Aufrechterhaltung von pathologischem Spielverhalten dürfte in der Regel auf eine komplexe Interaktion von genetischer Veranlagung, neurobiologischen und biochemischen Prozessen, Erziehung und Biographie, sozialer Umwelt und aktuelle Lebenssituation sowie auf erlerntes und eingeübtes Verhalten zurückzuführen sein. Weitgehend ungeklärt ist das Zusammenwirken dieser Faktoren. Für die Aufrechterhaltung eines pathologischen Spielverhaltens dürften insbesondere neurobiologische Lernprozesse, das einmal erworbene biographische und biochemische Suchtgedächtnis sowie insbesondere das in und mit dem pathologischen Spielverhalten gefundene biochemische, neurobiologische und psychische Gleichgewicht verantwortlich sein. Aus verhaltensökonomischer Sicht kann die zu beobachtende Impulskontrollstörung bei pathologischen Spielern durch hyperbolische Abdiskontierung zukünftigen Nutzens verbunden mit einem hohen Diskontsatz dargestellt werden. Diese Annahmen erklären zum einen, dass immer wieder der erfolglose Vorsatz gefasst wird, zukünftig mit dem Spielen aufzuhören, und zum anderen, dass der gegenwärtige Nutzen im Vergleich zu zukünftigen Kosten in der Entscheidung sehr hoch gewichtet wird. Aus dem verhaltensökonomischen Modell ergeben sich auch Strategien der Selbstkontrolle, wie das Eingehen von externen Verpflichtungen, die Verstärkung der Kontrolle der Aufmerksamkeit und der Gefühle durch persönliche Regeln und durch die Bündelung von Ereignissen.261 Es ist deutlich, dass es nicht eine einzige Erklärung für pathologisches Spielverhalten gibt, sondern dass pathologisches Glücksspiel auf eine Reihe von Ursachen zurückzuführen ist. Diese Ursachen können unterschiedlich sein. Es lassen sich dementsprechend auch mehrere Typen von Glücksspielern unterscheiden. Klinische Untersuchungen legen es nahe, zumindest zwei Typen von pathologischen Glücksspielern zu unterscheiden: die Vermeidungsspieler und die Aktionsspieler.262 Während die Vermeidungsspieler sich in das Glücksspiel flüchten, um sich abzulenken, suchen die Aktionsspieler die Aufregung des Glücksspiels. 261 Einen detaillierten Einblick in hyperbolische Abdiskontierung und generell in die Theorie impulsiven Konsumverhaltens ist in Ross (2008) zu finden. 262 Committee on the Social and Economic Impact of Pathological Gambling, Committee on Law and Justice, Com­mission on Behavioral and Social Sciences and Education, National Research Council (1999), S. 18 ff. Dies ist auch in klinischen Studien des Universitätsklinikum Eppendorf belegt: C. Werner: Warum Spielen krank macht. In: Hamburger Abendblatt vom 14. Januar 2005. http://www.abendblatt.de/daten/2005/01/14/386605.html?prx=1, eingesehen am 29. September 2005. 148 Diese Unterscheidung zwischen mehreren Typen ist auch von den Spitzenverbänden der Krankenkassen und Rentenversicherungsträger in ihren Empfehlungen für die medizinische Rehabilitation bei pathologischem Glücksspiel übernommen worden.263 Dort werden vier Gruppen unterschieden. Diese Unterscheidung ist auch für die Rehabilitation von Bedeutung: • • • • • • • • Pathologische Glücksspieler mit zusätzlicher stoffgebundener Abhängigkeit, Rehabilitation: in einer Einrichtung für Abhängigkeitserkrankungen mit glücksspielerspezifischem Behandlungsangebot; Pathologische Glücksspieler, die Merkmale einer Persönlichkeitsstörung, insbesondere vom narzisstischen Typ, aufweisen, Rehabilitation: eher in einer Einrichtung für Abhängigkeitserkrankungen mit glücksspielerspezifischem Behandlungsangebot; Pathologische Glücksspieler, die Merkmale einer depressiv-neurotischen Störung oder einer Persönlichkeitsstörung vom selbstunsicher/vermeidenden Typ aufweisen, Rehabilitation: eher in einer psychosomatischen Rehabilitationseinrichtung mit glücksspielerspezifischem Behandlungsangebot; Pathologische Glücksspieler mit zusätzlicher psychischer Störung, die für sich genommen eine psychosomatische Rehabilitation erfordert, Rehabilitation: in einer psychosomatischen Rehabilitationseinrichtung mit glücksspielerspezifischem Behandlungsangebot. Für einige pathologische Spieler mag insbesondere der eine Therapieansatz für eine erfolgreiche Rehabilitation hilfreich sein, für andere Spieler wiederum ein anderer.264 Zu den Auswirkungen der Werbung auf problematische oder pathologische Spieler gibt es nur ganz wenige Untersuchungen. Binde berichtet über eine schwedi263 Vgl. Empfehlungen der Spitzenverbände der Krankenkassen und Rentenversicherungsträger für die medizinische Rehabilitation bei Pathologischen Glücksspielen. http://www.dhs.de/web/daten/Empfehlungsvereinbarung_Pathologisches_Gluecksspiel. pdf 264 So werden in den USA und Kanada Aktionsspieler hautsächlich nach Symptomen behandelt, d. h. Aufklärung über das Glücksspiel, d. h. z. B. über statistische Wahrscheinlichkeiten, während bei Vermeidungsspielern eine Verhaltenstherapie angewendet wird, in der es darum geht, belastende Lebensereignisse herauszufinden und zu lernen, damit umzugehen. 149 sche Studie.265 In dieser Studie wurden 151 Personen ohne Glücksspielprobleme mit 151 Problemspielern verglichen. Dabei wurde ein „Zwillingsdesign“ gewählt: Problemspieler wurden mit Spielern ohne Problemen, aber mit ähnlichen soziodemographischen Merkmalen (Alter, Geschlecht, soziale Stellung) verglichen. Problemspieler erfüllten drei oder mehr der Kriterien für eine Glücksspielsucht nach dem South Oaks Gambling Screen (SOGS). Bei fünf oder mehr Kriterien kann von einem pathologischen Spielverhalten gesprochen werden. Unter anderem wurden die Befragten auch danach gefragt, in welchem Ausmaß sie durch Glücksspielwerbung angereizt wurden, öfter zu spielen oder mehr Geld zu verspielen. 71% der Problemspieler und 78% der Nicht-Problemspieler antworteten, dass sie „gar nicht“ oder „kaum“ durch Glücksspielwerbung beeinflusst wurden. Nur 5% der Problemspieler und 3% der Nicht-Problemspieler antworteten, dass Glücksspielwerbung sie „etwas“ oder „sehr“ beeinflusst hat. Es wurde eine statistisch signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen gefunden: Problemspieler berichteten über einen größeren Einfluss der Werbung als die NichtProblemspieler. Bei einer genaueren Analyse der 5-Punkt-Likert-Skala zeigt sich, dass der Unterschied vor allem auf diejenigen Problemspieler zurückzuführen ist, die „kaum“ oder „etwas“ anstelle von „gar nicht“ angegeben hatten. Eine Schwäche dieser Studie ist darin zu sehen, dass es sich hier um Problemspieler handelt, von denen nur einer von den 151 Problemspielern sich jemals um therapeutische Hilfe wegen des problematischen Glücksspielverhaltens bemüht hat. So lässt die Studie nur den Schluss zu, dass Werbung für Glücksspiele für problematische Spieler in Schweden kein Problem darzustellen scheint. Eine Differenzierung zwischen verschiedenen Formen des Glücksspiels findet in der Studie nicht statt. Es lassen sich nur Rückschlüsse auf die subjektive Einschätzung schwedischer Problemspieler ziehen, aber nicht auf pathologische Spieler, die im SOGS fünf oder mehr Kriterien erfüllen. In einer kanadischen Studie266 wurden 365 weibliche Spieler befragt, die zwar nicht in therapeutischer Behandlung waren, jedoch das eigene Glücksspielverhalten bedenklich fanden. Auch hier handelt es sich wieder nicht um pathologische Spieler. Diese bedenklichen Spieler wurden unter anderem auch nach den Auslösern für den Spieldrang gefragt. An erster Stelle lag mit 67% das Gefühl, 265 Binde (2007). 266 Vgl. Roberta Boughton und Joan Brewster: Voices of Woman who gamble in Ontario. S. 48. http://www.gamblingresearch.org/download.sz/voicesofwoman%20Boughton(1).pdf? docid=1524. 150 dass das Glück sich wenden wird. Mit 66% der Nennungen folgt das Gefühl zu gewinnen und mit 65% der Gedanke, dass man selbst reif für einen Gewinn ist. Auf den ersten fünf Plätzen liegen Gedanken, die sich um das Gewinnen drehen. Auch die anderen Gründe drehen sich vornehmlich um das Geld. Erst an zwanzigster Stelle der Nennungen erfolgt die Werbung mit 20% der Nennungen. Die Ergebnisse der schwedischen und der kanadischen Studie legen nahe, dass Werbung für problematische Spieler nicht bedenklich ist. Werbung hat, wenn überhaupt, nur eine sehr untergeordnete Bedeutung als direkter Anreiz zu spielen, zumindest für problematische Spieler. Zu einem anderen Ergebnis kommt eine amerikanische Studie. Von den Autoren Grant und Kim267 wurden 131 pathologische Spieler befragt. Im Durchschnitt spielten die Spieler 16 Stunden in der Woche. An Glücksspielautomaten (slot machines) in Casinos spielten 65% der Befragten, Kartenspiele wurden von 33% gespielt und Black Jack von 26%. Von geringerer Bedeutung für das Spielverhalten sind Lotterien (14,5%) und andere Glücksspielformen. Die durchschnittliche Anzahl der Kriterien nach DSM-IV lag bei 7,8 mit einer Standardabweichung von 1,5. Es handelt sich hier also nicht nur um problematische Spieler, sondern um ausgeprägte pathologische Spieler mit komorbiden depressiven Erkrankungen (29%), Alkoholabhängigkeit (16%) und -missbrauch (10,7%) und Kaufsucht (16,8%). Der Anteil der komorbiden Erkrankungen in dieser Stichprobe ist im Vergleich zu anderen Studien eher unterdurchschnittlich. Im Vergleich zu anderen Studien waren Frauen jedoch deutlich überrepräsentiert. Die Zeitdauer zwischen dem Beginn des Glücksspielverhaltens und dem Beginn eines pathologischen Glücksspielverhaltens betrug im Durchschnitt 6,3 Jahre. Die Mehrzahl der Befragten (58%) hat zumindest einen Verwandten ersten Grades, der ein problematisches Glücksspielverhalten gezeigt hat. Die Autoren der amerikanischen Studie Grant und Kim gehen von zwei Hypothesen aus. Die erste Hypothese besagt, dass die meisten der pathologischen Spieler als Reaktion auf besondere Auslöser („Trigger“) spielen. Hiermit wird auf das Modell der (klassischen oder operanten) Konditionierung zurückgegriffen. Als zweite Hypothese wird davon ausgegangen, dass der vorherrschende Auslöser auch sehr wahrscheinlich mit einer schnelleren Entwicklung eines pathologischen Spielverhaltens assoziiert ist. 267 Grant und Won Kim (2001). 151 Nach Auskunft der amerikanischen Befragten war die Werbung für Glücksspiel der wichtigste Auslöser zum Spielen. Es bleibt hier offen, um welche Werbung für welche Glücksspiel­produkte es sich handelt. Es ist jedoch angesichts der von den Befragten gespielten Glücksspielformen davon auszugehen, dass vor allem die Werbung für Glücksspielautomaten (slot-machines) und Kartenspiele gemeint ist. Unter den amerikanischen Verhältnissen, bei denen es üblich ist, zu den wenigen „Glücksspielhochburgen“ zu reisen, hat Werbung für diese Glücksspiele eine andere Bedeutung als in Deutschland. 45,8% der Befragten gaben Werbung als Auslöser an. Es folgen Langeweile/freie Zeit mit 23,7%, Gewinngedanken mit 19,1%, Geld-/Lohnauszahlungen mit 18,3%, Einsamkeits­gefühle/De­pressionen mit 17,6%, Stress/Angst mit 14,5%, Gespräche anderer Personen übers Spielen mit 7,6%, keine bekannten Auslöser mit 7,6% und Sicht/Geräusche von Casinos mit 3,1%. Die amerikanische Untersuchung zeigt, dass Werbung für Glücksspielprodukte mit einem hohen Suchtgefährdungspotential als „Trigger“ von pathologischen Spielern empfunden werden kann. Für die deutschen Verhältnisse ist bekannt, dass die Melodie von Geld- und Glücksspielautomaten als ein solcher „Trigger“ wahrgenommen wird. Auch die zweite Hypothese der Autoren wird durch die Ergebnisse bestätigt. Bei denjenigen Personen, bei denen Werbung einen Drang zum Spielen auslöst, war auch die Zeitdauer bis zur Entwicklung eines pathologischen Spielverhaltens im Durchschnitt kürzer. Die Autoren erklären dies mit der Verstärkung von Verhalten durch einen konstanten Reiz. Es bleibt unklar, welche besonderen (zum Beispiel genetische) Veranlagungen zum pathologischen Spielverhalten diejenigen pathologischen Spieler haben, die sehr sensitiv auf Werbung reagieren. Die Untersuchung zeigt nur den Zusammenhang von Werbung als Auslöser eines Drangs zu spielen mit der schnellen Entwicklung eines pathologischen Spielverhaltens, nicht jedoch die Kausalität. Diese Studie zeigt deutlich den wichtigsten Wirkungszusammenhang zwischen Werbung für Glücksspiel und dem pathologischen Spielverhalten. Werbung für Glücksspiel kann bei pathologischen Spielern den Drang zum Spielen auslösen. Werbung ist hier einer von mehreren möglichen Auslösern. Die jeweiligen Auslöser hängen von der Umgebung des pathologischen Spielers ab. Wenn Casinos nur vereinzelt und in einiger Entfernung zu finden sind, so wird die Bedeutung des Anblicks von Casinos als Auslöser gering ausfallen. Hier kann Werbung für Casinos zu einem wichtigen Auslöser werden. Wenn es jedoch keine Werbung für 152 Spielcasinos im Fernsehen gibt, aber an jeder Ecke eine Spielhalle ist, so dürfte der Anblick der Spielhalle zu einem ganz wichtigen Auslöser werden. Es liegt auch eine veröffentlichte qualitative Studie vor. Binde268 berichtet über eine Befragung von 25 pathologischen Spielern in Schweden. Von den befragten Personen waren sechs Personen der Meinung, dass Werbung überhaupt keinen Einfluss auf das eigene Verhalten hat, 14 gehen von einem marginalen Einfluss auf das eigene Verhalten und fünf von einem fühlbaren Einfluss der Werbung aus, wobei jedoch auch von diesen betont wird, dass vor allem persönliche Faktoren und die Verfügbarkeit von Glücksspielen eine Rolle spielen. In einem Fall jedoch wurde ein Rückfall der Werbung zugeschrieben. Eine eigene Befragung von Spielergruppen deutet ebenfalls darauf hin, dass Werbung eigentlich kein Thema für pathologische Spieler ist, wohingegen die Verfügbarkeit als Verführung zum Spielen immer wieder betont wird. Von den 17 befragten pathologischen Spielern hielt nur einer der befragten Klienten, der gerade erst die Therapie begonnen hatte, Werbeeinschränkungen für eine möglicherweise sinnvolle Strategie der Suchtprävention. Je länger die Periode pathologischen Spielverhaltens in der Vergangenheit lag, desto unbedeutender war der subjektiv wahrgenommene Einfluss von Werbung auf das Glücksspielverhalten. Alle Befragten waren sich jedoch einig, dass Werbung (unter den deutschen Verhältnissen) kein Auslöser für ein pathologisches Spielverhalten darstellt und schon gar nicht für einen Rückfall. Es ergibt sich aus der Theorie der Konditionierung, dass Reize, die an das pathologische Spielen erinnern, den Drang zum Spielen auslösen können. Die beiden Autoren Grant und Kim zeigen dies mit den Ergebnissen ihrer Untersuchungen. Hiervon deutlich zu unterscheiden sind die Auslöser, die zu einem Rückfall in die Spielsucht führen. Auch hierüber liegen einige Untersuchungen vor. Die Autoren Hodgins und el-Guebaly269 untersuchten 101 kanadische pathologische Spieler, die kürzlich mit dem Spielen aufgehört hatten. Die Spieler wurden mit Hilfe des SOGS (fünf oder mehr Kriterien) klassifiziert, jedoch sind 89% auch nach den DSM-IV-Kriterien als pathologische Spieler zu klassifizieren. Im Mittelpunkt des Interesses der Autoren stehen die Ursachen für Rückfälle. Auch 268 Binde (2007) und Folien zum Vortrag: „Gambling advertising and problem gambling“ auf der Tagung der EASG 2008. 269 Hodgins und Nady El-Guebaly (2004). 153 die Autoren dieser kanadischen Studie basieren ihre Herangehensweise auf der Hypothese bzw. dem Modell der klassischen bzw. operanten Konditionierung.270 Die Rückfallquoten unter den Befragten, die per Zeitungsanzeige gefunden wurden, waren in der Untersuchung von Hodgins und el-Guebaly sehr hoch. In einer Folgeuntersuchung nach einem Jahr gaben nur 8% der pathologischen Spieler an, im letzten Jahr kein Glücksspiel gespielt zu haben. Die Rückfallquote betrug somit 92%. Es wurde zwischen kleineren Rückfällen und größeren Rückfällen (Zeitdauer, verlorenes Geld, Grad der verursachten Probleme) unterschieden. Die Spieler wurden gefragt, was zu den Rückfällen geführt hat. Dabei wurde zwischen dem Gemütszustand vor dem Rückfall, der Emotion, und den Gedanken, der Kognition, unterschieden. In Bezug auf die Gefühlslage gaben 70% der Befragten an, dass sie vor dem aktuellen Rückfall an Finanzen gedacht haben. Erst dann folgen Gefühlszustände, wie frustriert (53%), glücklich (49%), aktiv (45%), gelangweilt (44%), müde (44%), traurig (37%), ruhig (37%), entspannt (35%), einsam (34%), verwirrt (32%), nervös (30%), ärgerlich (28%) und energiegeladen (19%). Mit der Hilfe einer Faktorenanalyse konnten aus den 13 Gefühlszuständen drei (orthogonale) Faktoren extrahiert werden. Diese sind eine aktiv negative Stimmung (verwirrt, frustriert, nervös, ärgerlich, traurig und das Gegenteil von glücklich und entspannt), eine passiv negative Stimmung (einsam, gelangweilt, ruhig) und eine energische Stimmung (aktiv, energiegeladen und das Gegenteil von müde). Als Gründe für den Rückfall wurden vor allem Gedanken an das Gewinnen und das Bedürfnis, Geld zu machen, genannt. Von den Befragten nannten 23% als Ursache für den Rückfall den Optimismus zu gewinnen, gefolgt von 17%, die die Notwendigkeit, „Geld zu machen“ als eine Ursache benannten. 13% der Befragten gaben unstrukturierte Zeit oder Langeweile an. Es folgten mit jeweils 11% das Nachgeben gegenüber einem Drang, einer Gewohnheit oder Gelegenheit und der Umgang mit negativen Situationen oder Gefühlen. 8% der Befragten nannten als Ursache die Gesellschaft oder das Mitmachen. Nur 7% der Befragten suchten Spannung oder Spaß. Andere Gründe hatten kaum eine Bedeutung. Werbung wurde nicht genannt. 270 Eine Darstellung der klassischen Konditionierung, wie bei dem berühmten Pawlow‘schen Hund, und der operanten Konditionierung, wie bei den berühmten Ratten in der „Skinner Box“, und der Gemeinsamkeiten und Unterschiede ist bei Felser (2007), S. 147-164 zu finden. 154 Eine Reihe von Studien beschäftigt sich mit dem Rückfall bei stoffgebundenen Süchten.271 Der Rückfall bei stoffgebundenen Süchten wird in der Regel mit negativen Stimmungen verbunden. Negative Stimmungen, so deuten die Ergebnisse von Hodgins und el-Guebaly an, haben bei einem Rückfall in die Glücksspielsucht weniger Bedeutung als bei stoffgebundenen Süchten. Bei pathologischem Spielverhalten stehen hier Gedanken an Gewinne und die Notwendigkeit, „Geld zu machen“ im Vordergrund. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch eine kanadische Studie von Hodgins und Peden,272 allerdings liegt in dieser Studie der Wunsch zu gewinnen als Ursache für den Rückfall erst an zweiter Stelle hinter dem Wunsch, unangenehmen Gefühlen zu entgehen. Die vorliegenden Studien zu den Auslösern für einen Rückfall sehen in der Werbung keine Bedeutung. Werbung als der direkte Auslöser für einen Rückfall spielt bei pathologischen Spielern anscheinend keine Rolle. Allerdings erinnert die Werbung für das Glücksspiel, welches zu Problemen geführt hat, einen pathologischen Spieler hieran und kann den Wunsch auslösen, wieder zu spielen. Die Ergebnisse der jeweiligen Studien sind vor dem Hintergrund der schwedischen, kanadischen oder amerikanischen Verhältnisse zu sehen und nur sehr bedingt auf die deutschen Verhältnisse übertragbar. Binde führt mehrere Gründe an, warum die Ergebnisse von Befragungen nach den Auslösern des Wunsches oder Drangs zu spielen enge Begrenzungen haben. Erstens ist nicht geklärt, wie der Zusammenhang zwischen der Selbsteinschätzung und dem aktuellen Verhalten ist. Zweitens ist es psychologisch sehr schwierig, den Einfluss von Werbung auf die eigenen emotionalen und kognitiven Prozesse abzuschätzen. Werbung versucht das Image eines Produktes zu beeinflussen und kann daher auch unterschwellig und zeitverzögert Wirkung zeigen. Und drittens spricht einiges dafür, dass Werbung von normalen Spielern und problematischen Spielern anders wahrgenommen wird als von pathologischen Spielern. Werbung, das ist ja der Sinn von Werbung, soll die Nachfrage anregen. Werbung informiert über das Produkt und erzählt gegebenenfalls auch eine Geschichte mit dem Produkt oder baut mit anderen Mitteln ein Image auf. Werbung setzt an den Motiven der Konsumenten an. Diese werden mit der Werbung angesprochen, um sie für das Produkt einzunehmen. Werbung soll auf das Produkt aufmerksam 271 Vgl. hierzu Hodgins und El-Guebaly (2004) und die dort angegebene Literatur. 272 Hodgins und Peden (2005). 155 machen. Auf Märkten mit austauschbaren Produkten wird die Werbung zum Unterscheidungsmerkmal zwischen den Produkten. Für pathologische Spieler hingegen könnte Werbung als „Trigger“ fungieren und zum Spielen verleiten oder gar für einen Rückfall in die Spielsucht sorgen. Solche Werbung, die Trigger für ein pathologisches Spielverhalten für ein Glücksspiel mit einem Suchtgefährdungspotential benutzt, sollten streng untersagt werden. 5.6 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen Werbung für Tabak und für Alkohol hat keinen wesentlichen Einfluss auf die Gesamtnachfrage nach diesen Produkten insgesamt (Gesamtmarkteffekt). Dieses ist das überwiegende Ergebnis der vorliegenden ökonometrischen Untersuchungen. Zumindest bei Alkoholprodukten - nur hier liegen Untersuchungen vor - scheint Werbung jedoch geeignet, den Konsum bestimmter Alkoholprodukte (Substitutionseffekt) zu erhöhen, zu Lasten anderer Alkoholprodukte. Werbeeinschränkungen an sich scheinen ebenfalls keinen Einfluss auf die Tabakoder Alkoholnachfrage zu haben, so die meisten Untersuchungen. Hier liegen jedoch auch gegenteilige Ergebnisse vor. Es wird zwar oft ein solcher Zusammenhang gefunden, aber hier handelt es sich um einen scheinbaren Zusammenhang. Wenn berücksichtigt wird, dass sowohl die Werbeeinschränkungen als auch die Veränderungen in der Nachfrage die Reaktion auf bestimmte Ereignisse sind, wird dies auch in den Ergebnissen der ökonometrischen Analysen deutlich. Es wird von ökonomischer Seite darauf verwiesen, dass Werbeeinschränkungen sogar kontraproduktiv sein können. Wenn die Werbemöglichkeiten eingeschränkt werden, kann sich der Wettbewerb vermehrt auf den Preis als einzelbetrieblichen Aktionsparameter verlagern. Es setzt ein Preiswettbewerb ein, der zu geringeren Preisen und damit zu einem höheren Konsum führt. Über diesen Wirkungszusammenhang können Werbeeinschränkungen sogar zu einem erhöhten Konsum führen. Für Glücksspielprodukte liegen deutlich weniger Untersuchungen vor als für Tabak und Alkohol. Bei Lotterien führt Werbung zu einem Anstieg des Umsatzes. Dies ist in einer Untersuchung für amerikanische Verhältnisse nachgewiesen. Auch für Deutschland spricht viel dafür, dass Werbung für eine Lotterie zu einer Steigerung des Umsatzes und damit des Konsums führen dürfte. 156 Es besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied zwischen Tabak und Alkohol auf der einen Seite und Glücksspielprodukten auf der anderen Seite. Jeder Konsum von Tabak und in vermindertem Maße auch von Alkohol kann zu gesundheitlichen Schäden führen. Dies gilt nicht für Glücksspielprodukte. Wenn Werbung für Glücksspielprodukte nicht nur zu einer Nachfragesteigerung bei dem beworbenen Produkt selbst (auf Grund von Substitutionsbeziehungen zu anderen Produkten), sondern insgesamt zu einer Nachfragesteigerung führt, so sind damit per se noch keine negativen gesundheitspolitischen Folgen verbunden. Bei Glücksspielprodukten dürfen für eine Rechtfertigung von Werbeeinschränkungen nicht die Auswirkungen auf die Nachfrage insgesamt eine Rolle spielen, sondern die Auswirkungen auf die Gruppen schutzbedürftiger Konsumenten. Eine Gruppe schutzbedürftiger Konsumenten besteht aus Kindern und Jugendlichen. Die Untersuchungen für Tabak und Alkohol zeigen, dass Jugendliche besonders empfänglich für Werbebotschaften sind. Das Konsumverhalten und die -einstellungen sind noch nicht so festgelegt wie bei Erwachsenen. Jugendliche lassen sich eher von Werbung beeinflussen. Hiermit wird auch eine Reihe von Werbeeinschränkungen, insbesondere auch bei Tabak und Alkohol, begründet. Die vorliegenden Studien machen jedoch deutlich, dass der Einfluss der Peergruppe höher sein dürfte, als der von Werbung. Ganz deutlich ist auch, dass Preiserhöhungen ein sehr viel wirksameres Mittel zur Einschränkung des Konsums darstellen als Werbeeinschränkungen. Andere Einflussfaktoren auf das Konsumverhalten, wie die genetische und psychische Disposition, die soziale Umgebung, die wirtschaftlichen Bedingungen, kulturelle Normen und die Einstellung und das Wissen zu Alkohol haben einen wichtigeren Einfluss auf das Konsumverhalten als die Werbung. Die Verfügbarkeit für Jugendliche ist insbesondere bei Spielautomaten in Gaststätten hoch. So machen einige der von uns befragten pathologischen Spieler gerade diese Spielautomaten in Gaststätten für den Einstieg in eine Spielerkarriere verantwortlich. Hier wäre ein Verbot der Aufstellung in Gaststätten zu überlegen. Eine weitere Gruppe schutzbedürftiger Konsumenten sind gefährdete oder pathologische Spieler. Die Hypothese, dass Werbung als Trigger wirken könnte, basiert auf dem Modell der klassischen bzw. operanten Konditionierung. In dem Modell der Konditionierung wird davon ausgegangen, dass im Verlauf des Spielens verschiedene Stimuli mit dem Spielverhalten assoziiert werden. Diese Stimuli wirken dann als Reize, die zum Spielen auffordern. Diese Reize können externe 157 Reize, also Cues, wie die Werbung, oder interne Reize, wie Gedanken oder Gefühle sein. Wenn ein Auslöser, ein Trigger, beobachtet wird, kommt es zu einer automatisch verstärkten autonomen Erregung, dem Arousal, die begleitet wird von mit dem Glücksspiel verbundenen Gedanken, und zum Spielen anregt. Ob der betreffende Spieler dann diesem Anreiz nachgibt, hängt von den Fähigkeiten zur Bewältigung dieses Dranges, den Coping-Fähigkeiten, ab. Es ist ein primäres Ziel jeder Verhaltenstherapie, dem Klienten Coping-Strategien zu vermitteln. Es liegt eine Reihe von Untersuchungen vor, in denen individuelle und soziale Faktoren identifiziert wurden, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass eine Person ein pathologisches Spielverhalten entwickelt. Viele dieser Faktoren haben kaum etwas mit Werbung zu tun, wie die genetische Veranlagung, die zur Hälfte für die Entwicklung eines pathologischen Spielverhaltens verantwortlich ist. Andere Indikatoren sind: 273 • • • • • • • • • Soziale und demographische Faktoren wie geringes Einkommen, geringe Ausbildung, junges Alter, männliche Geschlechterzugehörigkeit oder auch die Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe Freunde, die spielen Spielen in jungen Jahren Problematisches Spielen in der Familie Traumatische Kindheitserlebnisse Ein starker Wunsch nach Trennungserlebnissen Zwanghafte Verhaltensstörungen Antisoziale Persönlichkeitsstörungen Alkoholismus. Da es keinen direkten Zusammenhang zwischen der Werbung und einem pathologischem Spielverhalten gibt, ist ein indirekter Zusammenhang zwischen Werbung und einem pathologischen Spielverhalten am ehesten noch über die Verfügbarkeit denkbar. 274 Die Werbung signalisiert Verfügbarkeit. Es besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Verfügbarkeit von gefährlichen Formen des Glücksspiels und der Prävalenz des jeweiligen pathologischen Spielverhaltens. 273 Vgl. Binde (2007) und die dort angegebene Literatur. 274 Vgl. Binde (2007) und die dort angegebene Literatur. 158 Geldspielautomaten sind in etwa 12.300 Spielhallen zu finden.275 Außerdem sind Geldspiel­automaten in etwa 60.000 Gaststätten aufgestellt. Es wird von 220.000 Geldspielautomaten276 ausgegangen. Glücksspielautomaten sind nur in den etwa 100 Spielcasinos, einschließlich der Dependancen mit Spielgelegenheiten für das so genannte kleine Spiel,277 zu finden. Es kann von 8.500 Glücksspielautomaten in Deutschland ausgegangen werden. Es gibt in Deutschland zwischen 60.000 und 205.000 pathologische Geldspielautomatenspieler und zwischen 10.000 und 34.000 pathologische Glücksspielautomatenspieler.278 Obwohl das Suchtgefährdungs­potential der Glücksspiel­automaten auf Grund des Spieldesigns noch höher ist als das der Geldspielautomaten, gibt es hier weniger pathologische Spieler. Dies ist auf die geringere Verfügbarkeit zurück zu führen. Entscheidend für die Anzahl pathologischer Spieler ist jedoch vor allem das Suchtgefährdungspotential der jeweiligen Glücksspielform. Die Lotterie „6 aus 49“, Spiel 77, Super 6 und Glücksspirale sind flächendeckend in etwa 24.000 Annahmestellen verfügbar.279 Trotz dieser hohen Verfügbarkeit gibt es nur zwischen 500 und 1.500 pathologische Lottospieler in der Bevölkerung.280 Eine Reduzierung der tatsächlichen Verfügbarkeit, wie auch die Werbung, sollte für verschiedene Formen des Glücksspiels differenziert betrachtet werden. Eine Einschränkung der Verfügbarkeit von und der Werbung für Glücksspielformen mit einem hohen Suchtgefährdungspotential, wie bei Geld- und Glücksspielautomaten, ist ohne Zweifel aus der Sicht der Suchtprävention sehr sinnvoll. Hingegen dürfte eine Einschränkung der Verfügbarkeit und der Werbung für die staatlich angebotenen Lotterien, wenn überhaupt, nur ganz unwesentlich zur Suchtprävention beitragen. Im Gegenteil lässt sich aus der Sicht der Suchtprävention sogar dafür argumentieren, dass gerade die Verfügbarkeit von 275 Nach Hochrechnungen des Arbeitskreises gegen Spielsucht, Stand 01.01.2008. Vgl. hierzu Gerhard Meyer (2009), S. 131. 276 Vgl. hierzu Trümper und Heimann (2008). 277 Vgl. hierzu und die Quellenangabe in: https://gluecksspiel.uni-hohenheim.de/fileadmin/einrichtungen/gluecksspiel/Markt/ Gluecksspielmarkt07.pdf. 278 Vgl. Becker (2009): Glücksspielsucht in Deutschland. 279 Vgl. hierzu und die Quellenangabe in: https://gluecksspiel.uni-hohenheim.de/fileadmin/einrichtungen/gluecksspiel/Markt/ Gluecksspielmarkt07.pdf. 280 Vgl. hierzu Becker (2009): Glücksspielsucht in Deutschland. 159 weitgehend ungefährlichen Glücksspielformen erhöht werden sollte, bei gleichzeitiger Einschränkung der Verfügbarkeit der gefährlichen Glücksspielformen. Möglicherweise gefährdete Spieler fangen dann nicht so leicht mit gefährlichen Glücksspielformen an und der „natürliche Spieltrieb des Menschen“ wird kanalisiert. Dies ist ja die erklärte Aufgabe des Staates. Werbeeinschränkungen für die staatlich angebotenen Lotterien sind weder aus gesundheitspolitischer noch aus suchtpolitischer Perspektive zu rechtfertigen. Es gibt jedoch möglicherweise weltanschauliche Gründe für die Einschränkung der Werbung für Glücksspielprodukte. Bei einer generellen Ablehnung jeder Form des Glücksspiels oder jeder Form der Werbung ist natürlich auch jede Form der Werbung für jegliche Form des Glücksspiels abzulehnen. Auf solche moralischen Argumente und deren Substanz geht Peter Collins281 ausführlich ein. Der interessierte Leser sei hierauf verwiesen. 281 Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den moralischen Argumenten, die immer wieder vorgebracht werden, ist bei Collin (2003) zu finden. 160 6 Werbung im Rahmen der Kanalisierung des Spieltriebes Der internationale Gesetzesrahmen lässt Deutschland einen erheblichen Spielraum in der Gestaltung der Werbeeinschränkungen für Glücksspielprodukte. Der Glücksspielstaatsvertrag sieht ein repressives Verbot für Glücksspiele mit Erlaubnisvorbehalt bei „Lotterien mit einem geringerem Gefährdungspotential“ vor. Ein solches staatliches Glücksspielmonopol ist zulässig, wenn es mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses begründet werden kann. In Deutschland besteht ein staatliches Monopol für Glücksspielprodukte, mit der Ausnahme von Geldspielgeräten und Pferdewetten. Das staatliche Monopol wird vor allem mit dem Spielerschutz begründet. Das staatliche Monopol soll das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht verhindern und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung schaffen, indem das Glücksspielangebot begrenzt und der natürliche Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen gelenkt wird. Die Bedingungen, die von europarechtlicher Seite an ein staatliches Monopol gestellt werden, gelten auch für die Werbeeinschränkungen. Die getroffenen Maßnahmen müssen in nicht-diskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirk­lichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Die Regulierung hat kohärent und systematisch zur Begrenzung der (pathologischen) Spiel- und Wettleidenschaft beitragen. Eine gesetzliche Normierung der Werbung, die eine zum Spielen anreizende staatliche Werbung für ein gefährliches Glücksspielprodukt bei einem gleichzeitigen Werbeverbot für ungefährliche Glücksspielprodukte vorsieht, wäre zu begründen. Eine solche Regulierung dürfte in der Regel nicht kohärent und systematisch zu einer Begrenzung der Spiel- und Wetteleidenschaft beitragen. Es sind die ordnungsrechtlichen Ziele der Regulierung zu berücksichtigen. Doch der umgekehrte Fall mit einer zum Spielen anreizenden Werbung für ungefährliche Glücksspielprodukte und Werbeeinschränkungen für gefährliche Produkte wäre mit den europarechtlichen Vorgaben vereinbar. Der Glücksspielstaatsvertrag beschränkt die Werbung für Glücksspielprodukte. Die Werbung darf nicht im Gegensatz zu den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags stehen. Es ist insbesondere das Entstehen von Glücksspielsucht und Wett- 161 sucht zu verhindern und der natürliche Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass es einen natürlichen Spieltrieb des Menschen gibt und dass es die Aufgabe des Staates ist, diesen natürlichen Spieltrieb zu kanalisieren. Eine „Kanalisierung der natürlichen Spieltriebes“, wie es der deutsche Gesetzgeber vorsieht, hat vor allem zwei Ziele. Zum ersten ist ein ausreichendes Spielangebot sicherzustellen und somit ein Abweichen der Spieler und des Angebots in die Illegalität mit all den sich hieraus ergebenden negativen gesellschaft­lichen Folgen zu verhindern. Zum zweiten wären geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um ein Abweichen der Spieler und des Angebots auf sehr gefährliche Spielformen zu begrenzen oder zu reduzieren. Der Glücksspielstaatsvertrag basiert auf dem Sportwetten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts und überträgt die dort zu Recht von Suchtexperten vorgetragenen Argumente unbesehen auch auf die staatlich angebotenen Lotterien. Dies kann als ein „Geburtsfehler“ des Glücksspielstaatsvertrags angesehen werden. Das sehr unterschiedliche Suchtgefährdungspotential der verschiedenen Formen des Glücksspiels findet keine Berücksichtigung bei den Werbeeinschränkungen. Die Auslegung der Gerichte und damit verbunden auch die Werberichtlinien der Glücksspielaufsicht orientieren sich nicht an dem tatsächlichen Gefährdungspotential der Glücksspielprodukte, sondern es erfolgt eine Auslegung der Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags. Die juristische Auslegung des Verbots „zur Teilnahme an einem Glücksspiel auffordernder, anreizender oder ermunternder Werbung“ im Glücksspielstaatsvertrag, vor dem Hintergrund der juristischen Definition von Werbung als jeder Form der Absatzförderung, führt konklusiv zwangsläufig zu einem faktischen Werbeverbot. Doch dieses faktische Werbeverbot ist nicht im Einklang mit den Präventionsziel und dem Kanalisierungsauftrag des Gesetzgebers. Ein weit reichendes Werbeverbot für Glücksspiele ohne ein signifikantes Suchtgefährdungspotential ist nicht nur nicht verhältnismäßig, sondern auch nicht im Sinne des Auftrags des Glücksspielstaatsvertrags, den natürlichen Spieltrieb des Menschen zu kanalisieren, d. h. zu lenken. Wenn dieser ordnungspolitische Auftrag der Konsumlenkung ernst genommen werden würde, würde dies sogar eine anreizende Werbung für nicht gefährliche Glücksspielprodukte bei gleichzeitigen Werbeeinschränkungen oder einem Werbeverbot für gefährliche Glücksspielprodukte implizieren. Leider lassen die bisher vorliegenden Gerichtsentscheidungen eine solche Tatsachenfeststellung ver- 162 missen. Auch die Werberichtlinien der Aufsichtsbehörden setzen sich nicht mehr mit den ursprünglichen Zielen der Werbeeinschränkungen auseinander, sondern orientieren sich ausschließlich an einer engen Auslegung des Gesetzestextes bzw. an der Rechtsprechung. Der Konsum von Glücksspielprodukten an sich ist nicht mit direkten negativen Folgen für die körperliche Gesundheit verbunden, im Gegensatz zum Tabakkonsum und zum übermäßigen Alkoholkonsum. Jedoch besteht bei Glücksspiel, wie auch bei Alkohol und Tabak, eine Suchtgefahr. Werbeeinschränkungen bei Glücksspiel sollten damit nicht dazu dienen, den Konsum von Glücksspielen generell zu reduzieren oder zu begrenzen, sondern dazu führen, das Ausmaß des pathologischen Glücksspiels in der Bevölkerung zu reduzieren. Das Suchtgefährdungspotential und damit die Gefahr für die Allgemeinheit sind bei den unterschiedlichen Glücksspielprodukten sehr unterschiedlich. Bei den in Deutschland angebotenen staatlichen Lotterien kann von einem nicht signifikanten Suchtgefährdungspotential ausgegangen werden. Dementsprechend sind Werbeeinschränkungen hier aus Gründen der Suchtprävention nicht gerechtfertigt. Hingegen ist insbesondere bei Geldspielgeräten, aber auch bei Casinospielen und Sportwetten ein erhebliches Suchtgefährdungspotential vorhanden. Ein Zusammenhang zwischen Werbung und dem Nachfrageverhalten, insbesondere dem der Gruppe der pathologischen Spieler, besteht vor allem darin, dass Werbung die Verfügbarkeit signalisiert. Bei solchen gefährlichen Glücksspielformen, die zu nennenswerten Problemen in der Bevölkerung führen, und deren Verfügbarkeit von gesetzlicher Seite eingeschränkt wird, wären auch erhebliche Werbeeinschränkungen vorzusehen. Werbung, die die Verfügbarkeit solcher Spiele herausstellt, würde den staatlichen Regulierungsmaßnahmen widersprechen. Die Gefährdung für die Allgemeinheit durch Werbung für Glücksspielprodukte hat sich an der Gefährdung der relevanten schutzbedürftigen Gruppe der Konsumenten zu orientieren. Im Gegensatz zum Konsum von Tabak- und Alkoholprodukten ist der Konsum von Glücksspielprodukten nicht mit negativen Konsequenzen für die körperliche Gesundheit verbunden ist. Daher haben sich Werbeeinschränkungen hier an der Wirkung der Werbung nicht auf den Umsatz, sondern auf die Gruppe der schutzbedürftigen Personen zu orientieren. Werbung für Glücksspielprodukte wirkt, wie die Werbung für Tabak- und Alkoholprodukte, auf Kinder und Jugendliche anders und in höherem Maß als auf Erwachsene. Kinder und Jugendliche entwickeln erst ein bestimmtes Konsum- 163 verhalten, während dieses bei Erwachsenen bereits weitgehend gefestigt ist. Aus Gründen des Jugendschutzes wären für die Werbung für alle Glücksspielprodukte Einschränkungen vorzusehen. Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag und das Jugendschutzgesetz sehen bereits für Tabak- und Alkoholprodukte eine Reihe von Werbeeinschränkungen aus Gründen des Kinder- und Jugendschutzes vor. Nach dem JugendmedienschutzStaatsvertrag sind keine direkten Kaufappelle an Kinder und Jugendliche zulässig, die Werbung darf nicht den Interessen dieser Gruppe schaden, sie darf sich nicht an diese Gruppe richten oder diese besonders ansprechen. Kinder und Jugendliche dürfen nicht beim Konsum dieser Produkte gezeigt werden. Gleiches sollte auch für Glücksspielprodukte gelten. Hier sollten Glücksspielprodukte den Tabak- und Alkoholprodukten entsprechend behandelt werden. Die andere Gruppe der schutzbedürftigen Konsumenten, diejenigen, die zu einem pathologischen Spielverhalten neigen oder dieses bereits aufweisen, wäre darüber hinaus durch geeignete Werbeeinschränkungen zu schützen. Jede Werbung, die von dieser Gruppe als Problem betrachtet wird, die als „Trigger“ empfunden wird, wäre zu untersagen. Eine Werbung die sich gezielt an pathologische Spieler richtet, wäre ebenso zu untersagen, wie die Werbung, die sich gezielt an Kinder und Jugendliche richtet. Die tatsächlichen Werbeeinschränkungen, die für Glücksspielprodukte gelten, stimmen mit dem hier vorgeschlagenen Konzept, welches sich an den Tatsachen orientiert, nicht überein. Der Glücksspielstaatsvertrag basiert auf dem in der Rechtssprechung allgemein üblichen Begriff von Werbung als jede Form der Absatzförderung. In dem Glücksspielstaatsvertrag selbst ist vorgesehen, dass jede Form der Werbung, die zur Teilnahme am Glücksspiel gezielt auffordert, anreizt oder ermuntert, verboten ist. Angesichts der juristischen Definition von Werbung und dem Wortlaut der Werbeeinschränkungen für Glücksspielprodukte im Glücksspielstaatsvertrag ist es nicht verwunderlich, dass dies in der Rechtsprechung faktisch zu einem Werbeverbot für Glücksspielprodukte führt. Leider werden die Ziele des Glücksspielstaatsvertrags in der Rechtsprechung zu Werbeeinschränkungen nicht weiter berücksichtigt. Es wird nicht gefragt, ob die zu beurteilende Werbung mit den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags vereinbar ist, sondern es erfolgt in der Regel nur eine juristische Auslegung des Gesetzestextes selbst. Der gegenwärtige Gesetzestext legt eine sehr restriktive Auslegung nahe, die nicht mit den Zielen des Staatsvertrags in Übereinstimmung ist. 164 Unter Juristen gibt es zwei verschiedene Meinungen zur Auslegung der Werbeeinschränkungen des Glücksspielstaatsvertrags. Die Mehrzahl der Experten des Glücksspielrechts ist der Auffassung, dass die Ziele des Glücksspielstaatsvertrags primär zu beachten sind, d. h. dass eine Tatsachenfeststellung in Bezug auf die Werbewirkung und das beworbene Produkt zu erfolgen hat. Diese Gruppe von Experten geht davon aus, dass unterschiedliche Formen des Glücksspiels auch ein unterschiedliches Suchtgefährdungs­potential haben und hält eine anreizende Werbung für ungefährliche Glücksspielprodukte mit den Zielen des Glücksspielstaatsvertrags für vereinbar, wenn hierdurch eine Konsumlenkung von gefährlichen Formen des Glücksspiels hin zu ungefährlichen Formen des Glücksspiels verbunden ist. Eine andere Gruppe von Juristen geht von dem Wortlaut des Glücksspielstaatsvertrags aus und kommt dann zu dem Ergebnis, dass praktisch jede Form der Werbung, die über die für den Kauf des Produktes relevante Information hinausgeht, nach dem Glücksspielstaatsvertrag untersagt ist. Dieser Ansicht haben sich bisher auch die Gerichte angeschlossen. Die derzeitig gültigen Werberichtlinien der Glücksspielaufsicht und die gerichtlichen Entscheidungen verbieten praktisch jede Form der Werbung, die über eine relevante Produktinformation hinausgeht. Es wird hier nicht unterschieden zwischen den unterschiedlichen Formen des Glücksspiels. Die Werbeeinschränkungen gelten insbesondere und gerade auch für Lotterien, bei denen kein signifikantes Suchtgefährdungspotential vorhanden ist. Aus der Sicht der Ziele des Glücksspielstaatsvertrags spricht nichts dagegen, bei ungefährlichen Formen des Glücksspiels auf Werbeeinschränkungen weitestgehend zu verzichten. Wenn der gesetzliche Auftrags der Kanalisierung des natürlichen Spieltriebes ernst genommen wird, spricht sogar vieles dafür, zum Kauf auffordernde, anreizende oder ermunternde Werbung für diese Formen des Glücksspiels zuzulassen, um den Konsum weg von den gefährlichen Spielen zu lenken. Folgende Fragen wären von Gerichten im Sinne einer Tatbestandfeststellung zu stellen: 1. Welche Gefahr geht von dem beworbenen Produkt aus? Wie viele pathologische Spieler gibt es bei diesem Produkt? 2. Wenn es eine nennenswerte Anzahl pathologischen Spieler gibt, d. h. es sich um ein Glücksspiel mit einem gewissen oder gar hohen Suchtgefährdungspotential handelt, wie wirkt die zu beurteilende Werbung auf diese Personen? Ist die Gefahr gegeben, dass auf Grund der Werbung gefährdete Personen zu einem pathologischen Spielverhalten verleitet werden? Ist die Gefahr 165 gegeben, dass die Werbung pathologische Spieler zu einem Rückfall verleiten? Nur wenn es eine nennenswerte Anzahl gefährdeter Spieler bei dem beworbenen Produkt gibt und wenn zu vermuten ist, dass hiervon ein gewisser Anteil auf Grund der Werbung zu einem pathologischen Spielverhalten verführt wird, sollten Werbeeinschränkungen vorgesehen werden. Um das Suchtgefährdungspotential von verschiedenen Formen von Glücksspielprodukten zu messen und zu vergleichen, liegt bereits ein von wissenschaftlicher Seite entwickeltes Mess- und Beurteilungsinstrument für das Suchtgefährdungspotential von Glücksspielprodukten vor. Dieses könnte die Grundlage für eine an der Sache orientierte und damit kohärente, systematische, verhältnismäßige und effiziente gesetzliche Normierung der Werbung für Glücksspielprodukte darstellen. Wenn mit dem Gesetzgeber davon ausgegangen wird, dass es einen natürlichen Spieltrieb des Menschen gibt, so gilt es, diesen von gefährlichen Spielen hin zu ungefährlichen Spielen zu kanalisieren. Im Konzert der Versuchungen durch die auf dem Markt angebotenen Glücksspielformen, denen sich ein potentiell pathologischer Spieler gegenüber sieht, sollten daher die Glücksspielformen mit einem geringen Suchtgefährdungspotential ganz laut ihre Stimme erheben, um den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung zu befriedigen und ein Ausweichen auf gefährliche Spielformen zu verhindern. Wenn nun andererseits der Gesetzgeber für alle Glücksspielformen dieselben Werbeeinschränkungen vorsieht, werden in diesem Konzert die gefährlichen Formen des Glücksspiels auf Grund der „attraktiven“ Spieleigenschaften ganz besonders deutlich zu hören sein. Eine Werbeeinschränkung für die von staatlicher Seite angebotenen Lotterien und andere ungefährliche Formen des Glücksspiels fördert somit das Ausmaß pathologischen Spielverhaltens und ist nicht im Sinne der Suchtprävention, sondern fördert ganz im Gegenteil die Spielsucht in der Bevölkerung. 166 Anhang Das hier vorgestellte Grundmodell geht auf Becker und Burchardi zurück.282 Das einzelbetriebliche Ziel der Werbung ist die Steigerung des Absatzes eines Produktes. Als weiterer Aktionsparameter neben dem Preis steht einem Unternehmen die Werbung zur Verfügung. Wenn vereinfacht davon ausgegangen wird, dass einem Unternehmen nur der Preis und die Werbung als Aktionsparameter zur Verfügung stehen und die abgesetzte Menge pro Zeiteinheit q eine Funktion f (.) des Preises p und der Werbeausgaben s ist, so bedeutet dies q = f ( p, s) Der Gewinn eines Unternehmens Π ergibt sich aus dem Erlös p ⋅ q abzüglich der als konstant angenommenen variablen Kosten für die Produktion c multipliziert mit der Produktionsmenge q, abzüglich der Fixkosten F und der Ausgaben für Werbung s: Π = p⋅q − c⋅q − F −s ∂s ∂p Wenn q = f ( p, s) und davon ausgegangen wird, dass ∂p = ∂s = 0 , d. h. Preis und Werbeausgaben unabhängig voneinander sind, so muss im Gewinnmaximum gelten, dass die ersten Ableitungen der Gewinnfunktion nach dem Preis und den Werbeausgaben gleich Null sind: ∂Π ∂q ∂q =q+ ⋅p−c⋅ =0 ∂p ∂p ∂p hieraus folgt: ∂q ∂p ∂q p mit ε = ⋅ ∂p q q ⋅ (1Einleitung. + ε ) = c ⋅ 282 Becker und Burchardi (1996). 167 bzw. umgeformt nach den variablen Kosten der Produktion: c= q ⋅ (1Einleitung. + ε ) ∂q ∂p (1) Aus der ersten Ableitung nach den Werbeausgaben: ∂Π ∂q ∂q = ⋅p−c⋅ − 1Einleitung. = 0 folgt ∂s ∂s ∂s s ∂q s mit µ ⋅ p − c ⋅ µ = µ= ⋅ q ∂s q bzw. umgeformt nach den variablen Kosten der Produktion: c= p− s 1Einleitung. ⋅ q µ oder umgeformt s =µ (p − c )⋅ q ∂Π ∂Π =0 (2) =0 Im Gewinnmaximum muss sowohl ∂p als auch ∂s gelten. Wenn die nach c umgeformten Ausdrücke (1) und (2) gleichgesetzt werden, ergibt sich: q ⋅ (1Einleitung. + ε ) = p ⋅ ∂q s 1Einleitung. ∂q − ⋅ ⋅ ∂p q µ ∂p bzw. 1Einleitung. + ε = ε − s 1Einleitung. ⋅ ⋅ε p⋅q µ oder s µ = p⋅q − ε Diese Bedingung für das Gewinnmaximum s µ = p⋅q ε mit µ = ∂q s ⋅ >0 ∂s q und ε= ∂q p ⋅ ≤ −1Einleitung. ∂p q (3) bedeutet, dass ein Unternehmen die Ausgaben für Werbung so wählen sollte, dass der Anteil der Werbeausgaben am Umsatz dem Verhältnis der Werbeausgabenelastizität der mengenmäßigen Nachfrage µ zu der Preiselastizität der mengenmäßigen Nachfrage ε entspricht. Die Preiselastizität der mengenmäßigen Nachfrage ε ist für einen Monopolisten absolut gesehen größer als -1, da nur hier der Grenzerlös positiv ist. 168 Aus Gleichung (3) folgt auch, dass, solange der Marktanteil eines Unternehmens weniger sensitiv für Preisunterschiede als für Unterschiede in den Werbeausgaben ist, der Wettbewerb über Werbung härter sein wird als über den Preis.283 Bei gegebener Preiselastizität wird der Anteil der Webeausgaben am Umsatz umso größer ausfallen, je größer die Werbeausgabenelastizität ist. Dies ist offensichtlich, wenn davon ausgegangen wird, dass die Preiselastizität und die Werbeausgabenelastizität als unabhängig voneinander betrachtet werden. Bei gegebener Werbeausgabenelastizität wird der Anteil der Werbeausgaben am Umsatz umso geringer ausfallen, je (absolut) größer die Preiselastizität der Nachfrage ist. Auch dies ist intuitiv einsichtig. Bei einer geringeren Preiselastizität ist eine vergleichsweise große Preissenkung und damit Erlössenkung nötig, um eine bestimmte Absatzmengensteigerung zu erreichen. Je elastischer die Preiselastizität bei gegebener Werbeausgabenelastizität, desto mehr gewinnt die Absatzsteigerung über den Preis an relativer Vorzüglichkeit gegenüber den Werbeausgaben, und diese werden folglich geringer (gemessen als Anteil am Umsatz). Wenn die Preiselastizität gegen unendlich geht, geht der Anteil der Webeausgaben am Umsatz gegen Null. Dies bedeutet gleichzeitig, dass mit der Anzahl der konkurrierenden Anbieter der Anteil der Werbeausgaben am Umsatz eines Anbieters sinkt. Ein Sonderfall ist hier der Monopolist, für den die Werbung nur zur Ausdehnung der Gesamtnachfrage führt und der daher vergleichsweise wenig in Werbung investiert. Die Gleichung (3) kann auch zu der Bedingung umgeformt werden, die Dorfmann und Steiner als Beweis für das folgende Theorem herleiten: „A firm which can influence the demand for its product by advertising will, in order to maximize its profits, choose the advertising budget and price such that the increase in gross revenue resulting from a one dollar increase in advertising expenditure is equal to the ordinary elasticity of demand for the firm’s product.“ Im Unterschied zu dem hier vorgestellten Ansatz, der sich auf den Anteil der Werbeausgaben am Umsatz konzentriert, beschäftigen sich Dorfmann und Steiner mit dem Wertgrenzprodukt der Werbung (WGPW): 283 Vgl. Schmalensee (1986). WGPW = p ⋅ ∂q ∂s (3.4) 169 Da definitionsgemäß gilt µ= ∂q s ⋅ = WGPW ⋅ s ∂s q p⋅q kann die Gleichung (3.3) umgeformt werden zu der Dorfmann-Steiner-Bedingung: WGPW = ε (3.5) Das Wertgrenzprodukt der Werbeausgaben, d. h. der Anstieg des Erlöses bei einem marginalen Anstieg der Werbeausgaben, entspricht im Gewinnmaximum der Preiselastizität der Nachfrage. Wenn WGPW> ε , so lohnt es sich, bei gegebenem Preis die Werbeausgaben anzuheben. Wenn WGPW< ε , so sollten die Werbeausgaben gesenkt werden.284 Wenn ε gegen unendlich geht, die Nachfrage vollständig preiselastisch wird, geht das Wertgrenzprodukt ebenfalls gegen unendlich. Für die gewinnmaximale Ausbringungsmenge des Monopolisten (Grenzkosten GK = Grenzerlös GE) gilt die Amoroso-Robinson-Beziehung, die einen Zusammenhang zwischen dem Grenzerlös und dem Preis p sowie der Nachfrageelastizität ε herstellt: 1Einleitung. GK = GE = p ⋅ 1Einleitung. + eε Umgeformt folgt hieraus: p − GK G K 1Einleitung. 1Einleitung. = − = p ε ε (3.6) 284 Für eine ausführliche Diskussion einschließlich der Bedingungen zweiter Ordnung für ein Maximum sei auf Dorfmann und Steiner (1954) verwiesen. 170 Wenn konstante Grenzkosten von c angenommen werden, GK = c, so folgt aus der Gleichung (3.6) eingesetzt in Gleichung (3.3)285: s p−c ∂q s = ⋅ µ mit µ = ⋅ > 0 p⋅q p ∂s q (3.7) Das Verhältnis der Werbeausgaben zu dem gesamten Umsatz entspricht im Gewinnmaximum dem Produkt aus zwei Ausdrücken. Der erste Ausdruck ist die schon bekannte Werbeausgabenelastizität. Bei gegebener Werbeausgabenelastizität wird der Anteil der Werbeausgaben am Umsatz umso höher ausfallen, je größer der Monopolgewinn, definiert als Unterschied zwischen Preis und Grenzkosten in Relation zu dem Preis. Wenn Gleichung (3.7) umgeformt wird, ergibt sich hieraus: s = µ (p − c )⋅ q (3.8) Diese neoklassische Betrachtungsweise der Werbung als zusätzlicher Konkurrenzparameter neben dem Preis ist statisch. Es mag eingewendet werden, dass Werbung gerade dynamisch ihre Wirkung entfaltet. Eine dynamische Generalisierung dieser neoklassischen Betrachtungsweise führt zu der Bedingung, dass im Gewinnmaximum der Grenzkosten der Werbung bei einer Steigerung der Werbeausgaben im Gewinnmaximum dem auf den Gegenwartswert abdiskontierten zukünftigen Grenzerlös entsprechen sollten.286 Bei der einzelbetrieblichen Sichtweise wird davon ausgegangen, dass sich jedes werbetreibende Unternehmen einer negativ geneigten Absatzfunktion gegenüber sieht, also zumindest als Teilmonopolist agieren kann. Diese Sichtweise abstrahiert von der oligopolistischen Struktur vieler Märkte. Die Preiselastizität der Nachfrage hängt nicht nur von den (als gegeben) betrachteten Präferenzen der Nachfrager ab, sondern maßgeblich von der Reaktion der Mitanbieter. Werbung kann als Verschiebung der Nachfragekurve nach außen begriffen werden. Diese Verschiebung hängt jedoch nicht von der Höhe der eigenen Werbeausgaben, sondern auch von der Relation der eigenen Werbeausgaben zu den 285 Diese Bedingung wird ebenfalls manchmal als Dorfmann-Steiner-Bedingung bezeichnet, taucht jedoch in dieser Form erst in den 70er Jahren in der Literatur auf. Vgl. hierzu Martin (1994), S. 243. 286 Martin, S. (1993), S. 137 ff. 171 gesamten Werbeausgaben auf dem Markt ab. Schmalensee287 geht davon aus, dass die folgende Nachfragefunktion (bei fixiertem und identischem Preis) für Unternehmen i gilt: qi = K , j=1,....,N Hierbei bezeichnet si die Webeausgaben des Unternehmens i, und µ und β sind Konstanten mit einem Wert zwischen 0 und 1, wobei größere Werte von β eine größere Substitution zwischen der Werbung der einzelnen Firmen in der Beeinflussung der Nachfrage angeben. Die Konstante µ ist die Werbeausgabenelastizität der mengenmäßigen Nachfrage des (gesamten) Marktes in Bezug auf Werbung. Der positive Parameter e misst die Sensitivität von Marktanteilen der Unternehmen auf Unterschiede in deren Werbeausgaben. Wenn die Unternehmen alle zu demselben fixierten Preis p verkaufen und dieselben konstanten Grenzkosten der Produktion von c haben, so ergibt sich der Gewinn aus: Π i=(p-c) qi-si Schmalensee288 zeigt, dass im symmetrischen Nash-Gleichgewicht der Werbeausgaben gelten muss: si = e + (µ − e )/ N (p − c )qi (3.9) Dies bedeutet, je größer e, also je größer die Sensitivität der Marktanteile auf Unterschiede in den Werbeausgaben, desto größer ist der Anteil der Werbeausgaben am Nettoerlös. Dieser Anteil sinkt mit steigender Anzahl von Unternehmen N. Wenn N → ∞ , dann nähert sich der Anteil der Werbeausgaben = 0. Wenn e = 0 und N=1, so reduziert sich Gleichung (3.9) zu Gleichung (3.8). 287 Schmalensee (1986). 288 Schmalensee (1986). 172 Hier soll darauf hingewiesen werden, dass Schmalensee identische Unternehmen unterstellt, und deshalb auch von einem symmetrischen Nash-Gleichgewicht ausgehen kann. Anders könnte dies bei nicht identischen Unternehmen aussehen. Hier wären dann separierende und poolende Gleichgewichte zu erwarten, in Abhängigkeit von der Wahl der Parameter.289 Für die empirische Untersuchung der Werbeausgaben sind vor allem die folgenden Ergebnisse der Analyse der einzelbetrieblichen Gewinnmaximierung von Bedeutung: „Bei gegebener Preiselastizität wird der Anteil der Werbeausgaben am Umsatz umso größer ausfallen, je (absolut) größer die Werbeausgabenelastizität.“ „Bei gegebener Werbeausgabenelastizität wird der Anteil der Werbeausgaben am Umsatz umso höher ausfallen, je (absolut) geringer die Preiselastizität der Nachfrage (je größer die Marktmacht).“ „Je größer die Sensitivität der Marktanteile einzelner Unternehmen auf Unterschiede in den Werbeausgaben der Unternehmen, desto größer wird der Anteil der Werbeausgaben am Nettoerlös.“ „Je größer die Anzahl der konkurrierenden Unternehmen, desto geringer wird im symmetrischen Nash-Gleichgewicht der Anteil der Werbeausgaben am Nettoerlös ausfallen.“ 289 Vgl. hierzu Rasmussen (1991), S. 159 ff. 173 Literaturverzeichnis Albrecht, M., S. 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