F1 — Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope

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Klinische Psychiatrie nach ICD-10
F1 – Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
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F1 — Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
Inhaltsverzeichnis
Thema
Seite
F1 – Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen .................................................... 1 F1 – Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen .................................................... 3 Einführung ....................................................................................................................................................... 3 Definition/ Allgemeines ................................................................................................................................... 3 Sucht bzw. Abhängigkeit ....................................................................................................................... 3 Symptome, Faktoren und Wirkungen von Suchterkrankungen ............................................................ 4 Beispiele für Abhängigkeiten psychotroper Substanzen ....................................................................... 6 Symptome ........................................................................................................................................................ 7 Unterteilungen des Kapitels F1 ............................................................................................................. 7 Anamnese/ Diagnostik ................................................................................................................................... 11 Differentialdiagnostik .................................................................................................................................... 12 Ursachen ........................................................................................................................................................ 12 Verlauf/ Prognose .......................................................................................................................................... 12 Therapie ......................................................................................................................................................... 13 Sonstiges ........................................................................................................................................................ 14 F10 – Störungen durch Alkohol .................................................................................................................. 15 Einführung ..................................................................................................................................................... 15 Definition/ Allgemeines ................................................................................................................................. 15 Symptome ...................................................................................................................................................... 16 Folgen der Alkoholabhängigkeit .......................................................................................................... 17 Neuropsychiatrische Symptome ......................................................................................................... 17 Körperliche Symptome ........................................................................................................................ 19 Anamnese/ Diagnostik ................................................................................................................................... 19 Differentialdiagnostik .................................................................................................................................... 19 Ursachen ........................................................................................................................................................ 20 Verlauf/ Prognose .......................................................................................................................................... 20 Stadien des Alkoholkonsums ............................................................................................................... 21 Alkoholabhängigkeits‐Typen nach Jellinek .......................................................................................... 21 Therapie ......................................................................................................................................................... 22 entwickelt: Sep 13 –
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Sonstiges ........................................................................................................................................................ 23 F11 – Störungen durch Opioide ................................................................................................................. 24 Einführung/ Allgemeines ............................................................................................................................... 24 Opiatrausch ......................................................................................................................................... 25 Opiatintoxikation ................................................................................................................................. 25 Opiatentzugssyndrom ......................................................................................................................... 25 Symptomübersicht: Opiatabhängigkeit <‐> Opiatentzug .................................................................... 26 Symptome ...................................................................................................................................................... 27 Anamnese/ Diagnostik ................................................................................................................................... 28 Drogensceening im Urin ...................................................................................................................... 28 Differentialdiagnostik .................................................................................................................................... 28 Ursachen ........................................................................................................................................................ 28 Verlauf/ Prognose .......................................................................................................................................... 28 Therapie ......................................................................................................................................................... 29 Sonstiges ........................................................................................................................................................ 29 entwickelt: Sep 13 –
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F1 — Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen
Einführung
Die Gemeinsamkeiten dieses Kapitels bestehen im Gebrauch von einer oder auch mehrerer psychotroper Substanzen sowie ihrer Wirkungen auf die Psyche und das Verhalten.
Unterteilt wird dieses Kapitel in die Untergruppen akute Intoxikation, schädlicher Gebrauch, Abhängigkeit, Entzugssyndrom, Delir, psychotische und amnestische Zustände.
Psychotrop bedeutet „auf die Psyche wirkend“. Bei psychotropen Substanzen handelt es sich also um Stoffe,
die die Wahrnehmung, das Denken, das Fühlen und das Handeln beeinflussen. Sie werden auch Psychotropika,
Suchtstoffe oder Rauschmittel genannt. Wird die Einnahme einer oder mehrerer Psychotropika überdosiert, können diese Stoffe auch toxisch bzw. tödlich wirken.
Das ICD-10 unterscheidet nach Stoffgruppen, wie Alkohol, Opioiden, Cannabinoiden, Halluzinogenen, flüchtigen
Lösungsmitteln, Stimulanzien etc.
Definition/ Allgemeines
Sucht bzw. Abhängigkeit
Die Bezeichnung Sucht wird aus dem Altgermanischen hergeleitet und heißt ursprünglich suht bzw. siech. Der
Begriff siechen ist uns noch bekannt. Er bedeutet leiden an einer körperlichen Krankheit. Der Ausdruck Sucht
findet sich noch im allgemeinen Sprachgebrauch für die Erkrankungen Schwindsucht (TBC), Gelbsucht (Hepatitis)
oder Magersucht (Anorexia nervosa).
Im Laufe der Zeit wurde dann zwischen Sucht (psychische Abhängigkeit) und Gewöhnung (körperliche Abhängigkeit) unterschieden. 1964 entschied dann die WHO, diese Unterscheidung aufzuheben, da die beiden Formen
der Abhängigkeit schwer abgrenzbar sind und ineinander fließen. Seit dem steht die Bezeichnung Abhängigkeit
für beide Formen.
Die körperliche Abhängigkeit ist erkennbar an dem Auftreten des substanzspezifischen Entzugssyndrom, das
beim Absetzen der Substanzzufuhr oder auch bei der Entwicklung einer Toleranz eintritt.
Die psychische Abhängigkeit ist erkennbar durch das übermäßige Verlangen (Craving) nach dem Konsum der
Substanz. Sie beschreibt den übermächtigen Wunsch nach Konsum, den Kontrollverlust, die Aufgabe angemessener Verhaltensweisen für die Beschaffung bzw. den Konsum der Substanz.
Die Toleranzentwicklung beschreibt die Gewöhnung des Körpers an die zugeführte Substanz, was ein vermindertes Ansprechen auf die Wirkung zur Folge hat. Um die gewünschte Wirkung zu erzielen, ist eine Steigerung
der Einnahme bzw. Dosierung erforderlich.
Hintergründe dieser Entwicklung sind ein beschleunigter Abbau der Substanz im Körper, eine herabgesetzte
Ansprechbarkeit der Organe oder eine entstandene Resistenz. Erfreulicherweise ist die Toleranzentwicklung reversibel, so dass die ursprüngliche Empfindlichkeit nach Absetzen der Substanz und längeren einnahmefreien
Intervallen wieder hergestellt werden kann.
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Das Suchtpotential einer Substanz beschreibt das Ausmaß, mit welcher diese eine Abhängigkeit erzeugen kann.
Je mehr Menschen von einer Substanz abhängig werden und je schneller die Abhängigkeit erfolgt, desto höher
ist das Suchtpotential der entsprechenden Substanz.
Beispiele:
Alkohol hat ein niedriges Suchtpotential, da sich bei lediglich 5 % der Menschen, die Alkohol trinken, eine Abhängigkeit entwickelt.
Das Suchtpotential von Heroin ist sehr hoch, da die Konsumenten innerhalb sehr kurzer Zeit eine
Abhängigkeit entwickeln.
Symptome, Faktoren und Wirkungen von Suchterkrankungen
Gründe/ Ursachen
Psychische Symptome
Körperliche Symptome
Psychosoziale Folgen
Genetische Faktoren
Mangelndes Selbstbewusstsein
Schlafstörungen
Stimmungsschwankungen
Gewichtsverlust
Soziale Verluste (Freunde, Familie,
Arbeitsplatz)
Gleichgültigkeit gegenüber der
Umwelt/ Interessenverlust
Vegetative Symptome
Soziale/ familiäre/
dingte Faktoren
umweltbe-
Lerntheoretische Faktoren
Rückentwicklung kognitiver
Fertigkeiten
Persönlichkeitsfaktoren
Einnahme von Substanzen, die
eine starke Abhängigkeit erzeugen
Hirnschädigungen (reversibel
und irreversibel)
Veränderungen der Persönlichk.
Schädigung der Organe (Leber, Magen etc.)
Entwicklung von Psychosen
Schädigung des Immunsyst.
Finanzielle Verluste (Schulden)
Dissoziales, kriminelles Verhalten
Suizidgefahr
Die Wernicke-Enzephalopathie, benannt nach einem Berliner Psychiater, beschreibt die Folgen der Schädigung
von Hirnarealen aufgrund eines Vitamin B1-Mangels (Thiaminmangel). Dieser Mangel kann durch verminderte
Zufuhr oder Malabsorption (bei Alkoholabhängigkeit, bei Magenkrebs, nach Magenresektion) dieses Vitamins entstehen. Das führt zu einer Schädigung bestimmter Hirnareale mit punktförmigen Blutungen und Wucherungen der Gefäßwandzellen ohne entzündliche Infiltrationen. Die Symptome sind:
-
Gastrointestinale Störungen
erhöhte Temperatur
vegetative Störungen
zentrale Augenbewegungsstörungen
Sprechstörungen
Koordinationsstörungen
Desorientiertheit
Bewusstseinsstörungen
organisch bedingte Psychosen
Als Therapie wird Vitamin B1 und Folsäure substituiert. Wichtig ist eine strikte Alkoholabstinenz einzuhalten. Die
Langzeitprognose ist allerdings schlecht.
Das Korsakow-Syndrom (Korsakow-Psychose, amnestisches Psychosyndrom, psychoorganisches Syndrom), benannt nach russischem Psychiater, beschreibt einen Zustand, der überwiegend durch alkoholtoxische Hirnschäden, aber auch durch Hirnverletzungen, CO-Vergiftungen, Infektionen oder andere Ursachen auftreten kann
Kennzeichen:
-
Desorientiertheit
Gedächtnisstörungen (anterograde Amnesie)
Konfabulationen
Begleiterscheinungen:
-
Vitaminmangelzustände
Zerebrale Hypoxie
Polyneuropathie
Intoxikationen
(Infektionen)
Dieses Syndrom kann reversibel, aber auch irreversibel sein !
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Daten und Fakten
Vorkommen/ Auftreten/ Häufigkeit
Störungsbilder
-
F10
Riskanter Alkoholkonsum
Alkoholmissbrauch
Alkoholabhängigkeit
-
F11
-
Häufigkeit
Menschen in Deutschland
ca. 16 %
ca. 4 %
ca. 3 %
ca.
ca.
ca.
7.800.000
2.400.000
2.000.000
Heroinabhängigkeit
ca.
150.000
F12
Cannabiskonsum
ca.
2.000.000
-
F13
Medikamentenabhängigkeit
Davon Benzodiazepine
ca.
ca.
1.500.000
1.200.000
-
F14
Konsum von Amphetaminen (Beispielsweise: Ecstasy)
ca.
1.000.000
-
Suchterkrankte gesamt
ca.
5–7%
ca.
50 - 80 %
Komorbiditäten
-
Persönlichkeitsstörungen
Affektive Störungen
Neurotische -/ Belastungs-/ somatoforme Störungen (Ängste/ Phobien)
Schlafstörungen
Verlauf/ Prognose/ Prävalenz
-
Rückfallrate bei Alkoholabhängigen
Abhängigkeit schafft zunehmende soziale Einschränkungen (Arbeitsplatzverlust, Verschuldung etc.)
Starke körperliche Folgeschäden
Quellen:
Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie, K. Lieb, S. Frauenknecht, S. Brunnhuber, Urban & Fischer, 6. Auflage 2008, 1. Nachdruck 2009
Lehrbuch Heilpraktiker für Psychotherapie, Christopher Ofenstein, Urban & Fischer, 1. Auflage 2010
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Beispiele für Abhängigkeiten psychotroper Substanzen
Abhängigkeit
Substanz
Körperlich
Psychisch
Toleranz
Beispiele für Substanzen
Alkohol
++
++
++
Opioide
+++
+++
+++
Cannabinoide (THC)
+
++
(+)
Haschisch, Marihuana
Sedativa/ Hypnotika
++
++
++
Barbiturate, Benzodiazepine, Tranquilizer
Kokain
+
+++
(+)
Koks, Crack
Amphetamine
+
++
++
Speed, Ice, Crystal, Ecstasy
Stimulanzien
+
++
(+)
Kaffee, Tee
Halluzinogene
0
++
++
LSD, Meskalin, PCP, Psilocybin
Tabak
+
++
0
Flüchtige Lösungsmittel
+
++
++
Codein, Morphium, Opium, Heroin, Methadon
Benzin, Leim, Lacke, Lösungs-/ Reinigungsmittel
Legende: +++ = sehr stark/ ++ = stark/ + = gering/ 0 = nicht vorhanden
Der Gebrauch von Substanzen wird in verschiedenen Stufen oder Schweregraden beschrieben.
Riskanter Substanzgebrauch
Konsummuster psychotroper Substanzen, das
Schädlicher Substanzgebrauch
Missbrauch
Abhängigkeitssyndrom
Konsummuster psychotroper Substanzen, das
Konsummuster psychotroper Substanzen, das
-
aktuell keine gesundheitlichen
Schädigungen verursacht hat
-
die Kriterien des schädlichen Gebrauchs nicht erfüllt
- bereits zu psychischen und körperlichen Schäden führt
-
psychische und körperliche Schäden verursacht (hat)
-
die Kriterien des Abhängigkeitssyndroms nicht erfüllt
- die Kriterien des Abhängigkeitssyndroms nicht erfüllt
-
als Sucht oder Abhängigkeit zu
bezeichnen ist
-
bei Fortsetzung zukünftig zu körperlichen und psychischen Schädigungen führen wird
- bei Fortsetzung zum Abhängigkeitssyndrom führen wird
-
Verlangen (Craving) nach der Substanz
-
Kontrollverlust über den Konsum
-
Entwicklung einer Toleranz
-
Bedeutungsverlust beim Verhalten
-
Absetzen führt zu (psychischer)
körperlicher Entzugssymptomatik
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Symptome
Hauptkapitel
Substanzen
Klinischer Zustand
Komplikationen/
Diff.erenzierung
1. Stelle
2. Stelle
3.+ 4. Stelle
5. Stelle
Unterteilungen des Kapitels F1
F1
Störungen durch psychotrope Substanzen
0
Alkohol
1
Opioide
2
Cannabinoide
3
Sedativa oder Hypnotika
4
Kokain
5
Andere Stimulanzien (inkl. Koffein)
6
Halluzinogene
7
Tabak
8
Flüchtige Lösungsmittel
9
Multiplen Substanzgebrauch (wahllose/ chaotische Aufnahme von Substanzen)
.0
0-7
Akute Intoxikation bei multiplem Substanzgebrauch/ Konsum psychotroper Substanzen
Körperliche Schäden, Delir, Koma etc.
Schädlicher Gebrauch
.1
.2
0-6
.3
Abhängigkeitssyndrom
Gegenwärtig abstinent, … Remission, Teiln. an Ersatzdrogenprogramm, körperl. Sympt. etc.
Entzugssyndrom
.4
0-1
Entzugssyndrom mit Delir
Ohne/ mit Krampfanfällen
0-6
Psychotische Störung
Schizophreniform, wahnhaft, halluzinatorisch, polymorph, depressiv, manisch, gemischt
.5
.6
Amnestisches Syndrom
.7
0-5
Restzustand/ verzögert auftretende psychotische Störung
Flashbacks, Persönlichkeits-/ Verhaltensstörungen, Demenz, kogn. Beeinträchtigungen etc.
.8
Sonstige durch Alkohol/ psychotrope Substanzen bedingte psychische/ Verhaltensstörungen
.9
Nicht näher bezeichnete alkohol-/ substanzbedingte psychische/ Verhaltensstörungen
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Diagnostische Kriterien lt. ICD-10, Kapitel V (F)
F1x.0
Akute Intoxikation
(akuter Rausch)
F1x.3
Entzugssyndrom
G1.
Deutlicher Nachweis des kürzlich erfolgten Konsums
einer/ mehrerer psychotroper Substanzen in einer für die
vorliegende Intoxikation ausreichend hohen Dosis.
Nachweis des Absetzens/ Reduzierens einer Substanz, nach
wiederholtem Konsum dieser Substanz, der meist langanhaltend und/ oder in hoher Menge erfolgte.
G2.
Symptome/ Anzeichen für Intoxikation, vereinbar mit
unten ausgeführten bekannten Wirkungen der Substanz(en) und von ausreichendem Schweregrad, um
Störungen klinischer Relevanz des Bewusstseins, der
Kognition, Wahrnehmung, Affekte oder des Verhaltens
zu verursachen.
Symptome/ Anzeichen, die den bekannten Merkmalen
eines Entzugssyndroms der betr. Substanz(en) entsprechen.
G3.
Symptome/ Anzeichen sind nicht erklärbar durch von
Substanzgebrauch unabhängige Krankheit, und nicht
erklärbar durch psychische oder Verhaltensstörung.
Symptome/ Anzeichen sind nicht durch vom Substanzgebrauch unabhängige körperliche Krankheit zu erklären und
nicht auf psych. oder Verhaltensstörung zurückzuführen.
F1x. 00
01
02
03
04
05
06
07
F1x. 30
31
ohne Komplikationen
mit Verletzungen/ körperlichen Schäden
mit anderen med. Komplikationen
mit Delir
mit Wahrnehmungsstörungen
mit Koma
mit Krampfanfällen
pathologischer Rausch (nur bei Alkohol !)
ohne Komplikationen
mit Krampfanfällen
Dazugehörige Begriffe
Horrortrip
Trunkenheit
pathologischer Rausch
Trance
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F1x.1
Schädlicher Gebrauch
F1x.2
Abhängigkeitssyndrom
F1x.4
Entzugssyndrom mit Delir
Deutlicher Nachweis, dass Substanzgebrauch verantwortlich ist
für körperliche/ psychische Schäden,
einschl. der eingeschränkten Urteilsfähigkeit/ des gestörten Verhaltens, das
zu Behinderung/ neg. Konsequenzen
der zwischenmenschlichen Beziehung
führen kann.
3 oder > der folgenden Kriterien sollten min. 1 Monat bestanden haben
oder innerhalb von 12 Monaten wiederholt bestanden haben.
Die allgemeinen Kriterien für ein
Entzugssyndrom (F1x.3) sind erfüllt.
1. Starkes
Verlangen/
Zwang
(Craving), für Substanzkonsum.
2. Verminderte Kontrolle über Substanzgebrauch (Beginn, Menge,
Beendigung, Zeitraum).
3. Körperl. Entzugssyndrom (F1x.3/
F1x.4), wenn Substanz reduziert/
abgesetzt wird, mit für Substanz
typischen Entzugssymptomen.
4. Toleranzentwicklung.
Konsum
größerer Mengen erforderlich, um
gewünschte Wirkung zu erzielen.
5. Einengung auf Substanzgebr.,
Vernachlässigung von Aufgaben,
Pflichten, Vergnügen, Interessen.
6. Anhaltender Substanzgebrauch
trotz schädlicher Folgen (F1x.1).
B.
Die Art der Schädigung sollte klar
festgestellt/ bezeichnet werden.
C.
Das Gebrauchsmuster besteht min.
seit 1 Monat/ trat wiederholt in letzten 12 Monaten auf.
D.
Auf Störung treffen Kriterien anderer
psych./ Verhaltensstörung bedingt
durch dieselbe Substanz zum gleichen
Zeitpunkt nicht zu (außer F1x.0).
Die allgemeinen Kriterien für ein
Delir (F05) sind erfüllt.
F1x. 20
200
201
202
21
gegenwärtig abstinent
frühe Remission
Teilremission
Vollremission
gegenw. abstinent, aber in
geschützter Umgebung
22 gegenw. abstinent in überwacht. Ersatzdrogenprogr.
23 gegenw. abstinent, in med.
Behandlung (Naltrexon…)
24 gegenw. Substanzgebrauch
240 ohne körperl. Symptome
241 mit körperl. Symptomen
25 ständiger Substanzgebr.
26 episodischer Substanzgebr.
F1x. 40
41
Dazugehörige Begriffe
Dazugehörige Begriffe
Dazugehörige Begriffe
Missbrauch psychotroper
Substanzen
Chronischer Alkoholismus
Dipsomanie (Quartalstrinken)
Nicht näher bez. Drogensucht
Delirium tremens
(alkoholbedingt)
entwickelt: Sep 13 –
geprüft/ aktualisiert: 16. Mai 2014
ohne Krampfanfälle
mit Krampfanfällen
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A.
F1x.5
Psychotische Störung
F1x.6
Amnestisches Syndrom
F1x.7
Restzustand/
verzögert auftretende
Psychotische Störung
Beginn von psychotischen Symptomen während des Substanzgebrauches oder innerhalb von 2
Wochen nach Substanzgebrauch.
Gedächtnisstörungen in den beiden
Bereichen:
Beschwerden/ Störungen, die die Kriterien für die u. a. Syndrome erfüllen,
sollten in deutlichem Zusammenhang
mit Substanzgebrauch stehen.
1. Störung des Kurzzeitgedächtnisses
(vermindertes Lernen) in Ausmaß,
der tägl. Leben beeinträchtigt; und
2. verminderte Fähigkeit, sich an vergangene Ereignisse zu erinnern.
B.
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Dauer der psychotischen Symptome
länger als 48 Stunden.
Folgt der Beginn der Beschwerden/
Störungen dem Alkohol-/ Substanzkonsum muss ein deutlicher Nachweis
für einen Zusammenhang vorliegen.
Fehlen folgender Merkmale:
1. Störung des Immediatgedächtniss.
(beispielsweise beim Nachsprechen
von Zahlenreihen);
2. Bewusstseinstrübung und Aufmerksamkeitsstörung, wie unter F05,
Kriterium A;
3. allgem. intellekt. Verfall (Demenz).
C.
Dauer der Störung nicht länger als 6
Monate.
F1x. 50
51
52
53
54
55
56
Kein objektiver Nachweis und/ oder
Anamnese einer Störung/ Erkrankung
des Gehirns außer einer substanzbed.
Störung, die für die klein. Symptome,
wie unter A. beschrieben, verantwortlich gemacht werden kann.
schizophreniform
vorwiegend wahnhaft
vorwiegend halluzinat.
vorwiegend polymorph
vorwiegend depressiv
vorwiegend manisch
gemischt
F1x. 70
71
72
73
74
75
Dazugehörige Begriffe
Dazugehörige Begriffe
Alkoholhalluzinose
Alkoholischer Eifersuchtswahn
Alkoholische Paranoia
Alkoholpsychose (nicht näher bez.)
-
Ausschluss
Ausschluss
Alkoholbedingter
Restzustand
oder Restzustand nach Gebrauch
psychoaktiver Substanzen bzw.
verzögert auftretende Störung
(F1x.7)
Nicht alkoholbdingtes
Syndrom/ -Psychose
entwickelt: Sep 13 –
-
Nachhallzustände (Flashbacks)
Pers.-/ Verhaltensstörung
Residualaffektiver Zustand
Demenz
Anhaltende kognitive Beeinträchtigung
Verzögert auftretende
psychotische Störung
Alkohol-/ substanzbedingte
amnestische Störung
Durch Alkohol/ psychotrope Sub.
Bedingte Korsakowpsychose
Nicht näher bez. substanzbedingtes Korsakow-Syndrom
Ausschluss
Korsakow-
-
geprüft/ aktualisiert: 16. Mai 2014
Alkohol-/ substanzbedingtes
Korsakow-Syndrom (F1x.6)
Alkohol-/ substanzbedingter
psychotischer Zustand (F1x.5)
Revision: 1.0
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Anamnese/ Diagnostik
Methode
Fachbereich
Inhalt
Anamnese(gespräch)
Ärzte (fachübergreifend)
Untersuchung Körperlicher und psychischer Symptome
(Körperliche und Labordiagnostik, Psychopathologie,
Drogenscreening, Computertomographie, Liquorpunktion)
Allgemeinmedizin, Neurologie, Psychiatrie, Inneres (Endokrinologie,
Kardiologie, Gastroenterologie, Immunologie u.a.)
Anamnesegespräch
Psychotherapeut (Dipl./ HPP)
Untersuchung psychischer Symptome, Fremdanamnese
(Psychopathologie/ Familiengeschichte/ Krankheitsgeschichte)
Auswertung
Ärzte (fachübergreifend)
Vergleich Laborwerte/ Normwerte, Zusammenfassung somatischer und psychischer Symptome sowie Komorbiditäten
Psychotherapeut (Dipl./ HPP)
Feststellung und Zusammenfassung psychischer Symptome,
Auffälligkeiten, Komorbiditäten
Differentialdiagnostik
entwickelt: Sep 13 –
Feststellung und Abgrenzung gegenüber anderen somatischen
und psychischen Erkrankungen auf Basis der Anamnese, Daten
und Auswertungen der somatischen und psychischen Faktoren
geprüft/ aktualisiert: 16. Mai 2014
Revision: 1.0
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Differentialdiagnostik
Abzugrenzen sind alle psychischen Störungen sowie Verhaltensstörungen, deren Ursache nicht auf dem Gebrauch von psychotropen Substanzen zurückzuführen ist.
Ursachen
Die beschriebenen psychischen Störungen und Verhaltensstörungen in diesem Kapitel haben ihren Ursprung im
Gebrauch bzw. Missbrauch von psychotropen Substanzen.
Unterschieden werden weiterhin die Art sowie der Umfang des Gebrauchs der Substanzen sowie deren Wirkungen auf den Körper und die Psyche.
Die Gründe für die Entstehung von Abhängigkeiten gelten als multifaktoriell. So spielen familiäre Situationen,
Vorbilder, Verstärker, die genetische Disposition sowie das Heranführen bzw. Ausprobieren von psychotropen
Substanzen in jungen Lebensjahren eine große Rolle bei der Entwicklung einer Sucht. Ebenfalls von Bedeutung
ist das Suchtpotential der konsumierten Substanz. Werden Substanzen zugeführt, die eine schnelle Abhängigkeit
zur Folge haben, ist die Wahrscheinlichkeit einer Suchterkrankung um ein vielfaches Höher, als bei dem Konsum
von weniger gefährdenden Substanzen.
Des weiteren spielt die Persönlichkeit eine große Rolle. Ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein bzw. eine stabile
Persönlichkeitsstruktur sind hilfreiche Verhinderer eines ausgeprägten Suchtverhaltens.
Verlauf/ Prognose
Die Verläufe und Prognosen der Störungsbilder sind sehr unterschiedlich.
Sie werden bei den entsprechenden Erkrankungen beschrieben.
Grundsätzlich haben Suchterkrankungen eine schlechte Prognose, auch wenn entsprechende Therapien durchgeführt wurden.
Rezidivquote
entwickelt: Sep 13 –
Nach 5 Jahren
50 – 80 %
80 – 90 %
für Alkoholiker
für Heroinabhängige
geprüft/ aktualisiert: 16. Mai 2014
Revision: 1.0
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Seite 13
Therapie
Die Therapie von Abhängigkeitserkrankungen wird in die folgenden 4 Phasen oder Stufen unterteilt.
Phasen/ Stufen
Kontakt- oder
Motivationsphase
Dauer
Tage –> Monate
Inhalte
Ambulant
Stationär
Kontaktaufbau/ Gespräche
Arzt/ Therapeut
Klärung aktueller Probleme,
die zur Sucht geführt haben
Beratungsstelle/ Amt
Psychiatrischer
Konsilliardienst (nach
Unfällen, Einlieferung,
Erkrankungen a. ä.)
Entwurf eines Therapieplans
Familie
Selbsthilfegruppe
Klärung organisatorischer
Fragen/ Voraussetzungen
Entgiftungs(Entzugs-)phase
Wochen
Entzugstherapie (medikamentös) zur Entgiftung der
chonischen Intoxiaktion und
Überwindung der Entzugssymptome
Psychiatrischer oder
internistischer Fachbereiche eines Krankenhauses/ einer Klinik
Ziel: Abstinenz
Entwöhnungsphase
Nachsorgephase
Monate
Psychotherapie
Psychiatrische Fachkrankenhäuser/
-kliniken
Ziel: Drogenfreies Leben
Jahre
Ziel: Reduzierung der Rückfallgefahr
Stabilisierung der erreichten Situation
Wiedereingliederung
Arzt/ Therapeut
Beratungsstelle/ Amt
Familie
Selbsthilfegruppe
Für den Verlauf und Erfolg der Therapie dieser Störungsbilder sind folgende Faktoren besonders wichtig:
1.
Das aktuelle Stadium, in dem der Patient auf den Therapeuten trifft. Findet der Erstkontakt in der Frühphase, also am Anfang der Erkrankung, oder später statt, wenn bereits mögliche körperliche ((hirn)organische)
bzw. psychosoziale Schäden (Verlust des sozialen Umfeldes, Arbeitsplatzverlust o. ä.) eingetreten sind.
Eine Begleitung in der Frühphase, in der das soziale Umfeld noch stabilisierend wirken kann, macht Therapieerfolge wahrscheinlicher, verhindert oder vermindert das Absacken in die Sucht oder führt schneller zu
einem Ausstieg aus dem suchtgesteuerten Konsum.
2.
Die Bereitschaft des Erkrankten zur Einsicht und Mitarbeit an einem Weg aus der Sucht.
3.
Psychoedukation, also Erläuterungen der Gefahren und Wirkungen des schädlichen Konsums, der Möglichkeiten und Wege eines Ausstiegs, der Erarbeitung von Zielen und Strategien zu Bewältigung u. v. m.
4.
Das gemeinsame Erarbeiten von Klarheit für die Mechanismen, Hintergründe und Auslöser der Sucht.
entwickelt: Sep 13 –
geprüft/ aktualisiert: 16. Mai 2014
Revision: 1.0
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Sonstiges
entwickelt: Sep 13 –
geprüft/ aktualisiert: 16. Mai 2014
Revision: 1.0
Klinische Psychiatrie nach ICD-10
F10 – Störungen durch Alkohol
Seite 15
F10 — Störungen durch Alkohol
Einführung
Fallbeispiel
Ein Mann saß auf der Leitplanke der Bundesautobahn neben seinem PKW. Er zeigte immer mit dem Arm und seiner Hand auf
die Wipfel der Bäume. Seine Sprechbemühungen klangen wie ein Lallen. Die vor Ort eingetroffene Polizei konnte schließlich
nur verstehen, dass der Mann in den Baumwipfeln Frauen sehe. Er wirkt unruhig, zittert und schwitzt.
Die Polizei lässt den Mann mit einem Krankenwagen in das nächste Krankenhaus fahren.
In der Klinik werden sofort diverse Untersuchungen durchgeführt, das Verdacht auf Störungen im Gehirn vorliegen. Nach
intensiven Bemühungen und langatmigen Befragungen des Patienten. Der Mann wird unter anderem gefragt, ob er etwas
getrunken habe, was dieser verneint.
Die aufwendigen Anamnese(gespräche) führen schließlich zu dem entscheidenden Hinweis. Der Fahrer hatte tatsächlich
nichts Alkoholisches getrunken, er war seit Stunden unterwegs und hoffte, bald sein Ziel zu erreichen. Da der Fahrer aber
Alkoholiker war, hatte er durch seine Abstinenz diese Entzugsreaktion ausgelöst.
Die Diagnose lautet: Alkoholentzugssyndrom (Prädelir) F10.3
Definition/ Allgemeines
Der Genuss von alkoholischen Getränken gilt in unserer Gesellschaft als „normal“, „in“, „Alltagsdroge“ oder ähnliches. Mitmenschen, die zu geselligen Anlässen den Konsum von Alkohol ablehnen, gelten als „Spielverderber“,
„Spaßbremse“, „langweilig“, „dröge“ etc.
Ein großer Teil der Bevölkerung konsumiert relativ regelmäßig alkoholische Getränke, bleibt sozial unauffällig
und entwickelt keine Suchtproblematik.
Dieses Störungsbild beschreibt die Menschen, bei denen sich der Genuss erst zum regelmäßigen Konsum und
anschließend zur täglichen Versorgung entwickelte.
Alkohol wirkt toxisch auf die Nerven. In regelmäßigen großen Mengen konsumiert erzeugt Alkohol reversible
und irreversible organische Schäden. Selbst nach dem erfolgreichen Entzug und bleibender Abstinenz entwickeln
sich einige Schäden (beispielsweise Nervenschäden => Polyneuropathie) fort.
entwickelt: Sep 13 –
geprüft/ aktualisiert: 16. Mai 2014
Revision: 1.0
Klinische Psychiatrie nach ICD-10
F10 – Störungen durch Alkohol
Seite 16
Symptome
Diagnostische Kriterien lt. ICD-10, Kapitel V (F)
F10.0
Akute Alkoholintoxikation
(akuter Alkoholrausch)
F10.07
Akute Alkoholintoxikation
(pathologischer Alkoholrausch)
F10.3
Alkoholentzugssyndrom
A.
Die Allgemeinen Kriterien für eine
akute Intoxikation (F1x.0, G.1-G.3)
sind erfüllt.
Die Allgemeinen Kriterien für eine
akute Intoxikation (F1x.0, G.1-G.3)
sind erfüllt, mit Ausnahme, dass die
pathologische
Alkoholintoxikation
bereits nach einer Trinkmenge auftritt,
die bei den meisten Menschen keine
Intoxikation hervorruft.
Die Allgemeinen Kriterien für ein
Entzugssyndrom (F1x.3, G.1-G.3)
sind erfüllt.
B.
Funktionsgest. Verhalten, deutlich
min. an 1 der folgenden Merkmale:
Verbale Aggressivität oder körperliche
Gewalttätigkeit, die für die betreffende Person in nüchternem Zustand
untypisch ist.
3 der folgenden Symptome:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
C.
Enthemmung,
Streitlust,
Aggressivität,
Affektlabilität,
Aufmerksamkeitsstörung,
Einschränkung d. Urteilsfähigkeit,
Leistungsbeeinträchtigung.
Min. 1 der folgenden Anzeichen:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Gangunsicherheit,
Standunsicherheit,
verwaschene Sprache,
Nystagmus,
Bewusstseinsminderung
(Somnolenz, Koma),
Gesichtsröte (Erröten),
konjunktivale Injektion.
D.
entwickelt: Sep 13 –
1. Tremor der vorgehaltenen Hände, der Zunge oder Augenlider,
2. Schwitzen,
3. Übelkeit, Würgen, Erbrechen,
4. Tachykardie,
5. psychomotorische Unruhe,
6. Kopfschmerzen,
7. Insomnie,
8. Krankheitsgefühl, Schwäche,
9. vorübergeh. opt., taktile, akust.
Halluzinationen oder Illusionen,
10. Krampfanfälle (Grand mal).
Auftreten sehr bald (meist innerhalb
weniger Minuten) nach Alkoholkonsum.
Kein Hinweis auf eine organische zerebrale oder eine andere psychische
Störung.
Anmerkung
Anmerkung
Der Blutalkoholspiegel liegt unter dem
Spiegel, der ansonsten eine Intoxikation anzeigt (< 40 mg/ 100 ml)
Besteht ein Delir, sollte die Diagnose
Alkoholentzugssyndrom mit Delir
(Delirium tremens – F10.4) gestellt
werden
geprüft/ aktualisiert: 16. Mai 2014
Revision: 1.0
Klinische Psychiatrie nach ICD-10
F10 – Störungen durch Alkohol
Seite 17
Folgen der Alkoholabhängigkeit
Neuropsychiatrische Symptome
Akuter/ einfacher Rausch/
Akute Alkoholintoxikation
0,5 - 1,5 Promille
Leichter Alkoholrausch
- Enthemmung
- Antriebssteigerung
- Rededrang/ Tätigkeitsdrang
- Gestörte Psychomotorik
1,5 – 2,5 Promille
Mittelschwerer Alkoholrausch
- Euphorie/ Dysphorie/ Aggressivität
- Herabgesetzte Kritikfähigkeit/ Urteilskraft
2,5 – 3,5 Promille
Schwerer Alkoholrausch
- Schwere Erregung
- Desorientiertheit
- Bewusstseinsstörung
- Ataxie/ Dysarthrie
- Schwindel
> 3,5 Promille
Lebensgefahr
Komplizierter Rausch !
Pathologischer Rausch
Wie akuter/ einfacher Rausch, aber die Erregungszustände/ Bewusstseinsstörungen sind aufgrund
einer zerebralen Vorschädigung intensiver ausgeprägt.
Forensisch spielen diese Rauschzustände eine
erheblich größere Rolle als der folgende pathologischen Rausch.
< 2,0 Promille mgl.
Aufgrund von Gehirnschäden, einer Alkoholintoleranz, Epilepsien, Leberschäden oder ähnlichem löst der Konsum bereits kleiner Mengen
Alkohol einen Rausch aus.
- Dieser Rausch ist häufig nur sehr kurz
- Der Erkrankten zeigt ein für ihn untypisches
persönlichkeitsfremdes Verhalten
- Eingeschränkte Steuerungsfähigkeit
Alkoholentzugssyndrom (Prädelir)
Bei Absetzen von Alkohol bei Menschen mit Alkoholabhängigkeit entwickeln sich folgende Symptome:
-
Gastrointestinale Symptome
Brechreiz, Durchfall
-
Kardiologische Symptome
Bluthochdruck, schnellere(r) Herzfrequenz/ Puls/ Atmung
-
Vegetative Symptome
Schwitzen, Zittern (Tremor), Muskelbeben
-
Symptome des ZNS
Schlafstörungen, innere Unruhe, Konzentrationsstörungen, leichte
Ablenkbarkeit, Antriebssteigerung, erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Licht und Geräuschen, Schreckhaftigkeit, Ängstlichkeit, Bipolare-Stimmungen, Krampfanfälle
Achtung ! Bei ca. 1/3 der Erkrankten ist eine medikamentöse Behandlung notwendig !
entwickelt: Sep 13 –
geprüft/ aktualisiert: 16. Mai 2014
Revision: 1.0
Klinische Psychiatrie nach ICD-10
F10 – Störungen durch Alkohol
Seite 18
Alkoholdelir und Alkoholhalluzinose
Alkoholdelir (Delirium tremens)
Alkoholhalluzinose
Auftreten
Ca. 5 – 15 % der Alkoholabhängigen
Seltener als Alkoholdelir
Formen
Kontinuitätsdelir
Akustische Halluzinose
Alkoholentzugsdelir
Selten. Entsteht beim
kontinuierlichen Trinken
Entwicklung ca. 1-3 Tage
nach Entzug
Ursachen
Gründe für den Entzug sind häufig Unfälle, Infekte, Ereignisse, die die Möglichkeit des Konsums
verhindern.
Im Rahmen einer chronischen Abhängigkeit
Letalität
Ca. 25 % ohne Behandlung
-
Dauer
3 – 5 Tage
Tage - Monate
Charakter
Ausgeprägtere Symptomatik als Prädelir
Entwicklung
Weitere Symptome, wie
- Orientierungsstörungen
- Quantitative Bewusstseinsstörungen
- Situations-/ Personenverkennung
Optische Halluzinationen
- Erhöhte Suggestibilität
- Hypermotorik (Nesteln, Herumsuchen)
- Paranoides Erleben
Symptome
- Orientierungsstörung
- Bewusstsein, dass Halluzinationen vorliegen
- Ängstliche Grundstimmung
Nach Fortsetzung des Alkoholkonsums können
wiederholte Delirien auftreten. Es kann sich
ebenso Korsakow-Syndrom oder eine WernickeEnzephalopathie entwickeln.
Symptome verschwinden mit Abstinenz bzw. Therapie
mit Neuroleptika.
Die Hälfte der Delirien beginnen mit einem epileptischen Anfall.
- Fehlende vegetative Symptome !
Bei Fortsetzen des Alkoholkonsums entwickelt sich
eine chronische Form.
Alkoholischer Eifersuchtswahn (isolierter Wahn)
Am häufigsten entwickeln Alkoholabhängige eine so ausgeprägte Eifersucht auf den Partner, von dessen Untreue sie absolut überzeugt sind. Es werden Beobachtungen, wie zerdrückte Kissen auf dem Sofa oder andere
Anzeichen, als sichere Beweise des Hintergehens durch den Partner aufgeführt. Dieser, überwiegend von Männern empfundene Wahn, hat seinen Ursprung in der alkoholbedingten Impotenz oder hirnorganischen (Funktions)Störungen.
Selbst unter Einnahme von Neuroleptika sowie einer Abstinenz bildet sich diese psychotische Wahrnehmung nur
langsam zurück.
entwickelt: Sep 13 –
geprüft/ aktualisiert: 16. Mai 2014
Revision: 1.0
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F10 – Störungen durch Alkohol
Seite 19
Körperliche Symptome
Der Missbrauch von Alkohol führt zu schwerwiegenden körperlichen Schäden. Ein großer Teil der Schäden ist
irreversibel und führt selbst nach Jahren der Abstinenz zu Problemen und Störungen, die eine medikamentöse
Therapie nach sich ziehen.
Folgende körperliche Symptome weisen in Kombination auf eine Alkoholabhängigkeit hin:
-
Gastrointestinale Symptome
Erbrechen, Durchfälle
Gastritis, Magen- Zwölffingerdarmgeschwüre
Hepatitis, Fettleber, Leberzirrhose, Pankreatitis
-
Vegetative Symptome
Vermehrte Schweißneigung
-
Dermatologische Symptome
Gerötete Gesichtshaut mit Teleangiektasien, Spider-Nävi
-
Endokrinologische Symptome
Impotenz, Inappetenz (=> Gewichtsabnahme)
-
Neurologische Symptome
Muskelatrophien (Waden), Polyneuropathien
-
Psychische Symptome
Schlafstörungen
Anamnese/ Diagnostik
Wie unter „Anamnese/ Diagnostik“ im Teil „F1 Störungen durch psychotrope Substanzen“ erläutert.
Differentialdiagnostik
Andere Störungen oder Intoxikationen, wie
-
durch Substanzen F10 – F19
-
Infektionserkrankungen
-
Unfälle
-
Körperlich bedingte Störungen (Nierenversagen, Leberversagen, endokrinologische Störungen)
Sollten die Charakteristika bzw. Kriterien einer dieser Differentialdiagnosen aber im Vordergrund stehen und die
Störung eine Begleitsymptomatik sein, wäre die Erkrankung unter dem entsprechenden Störungsbild zuzuordnen.
entwickelt: Sep 13 –
geprüft/ aktualisiert: 16. Mai 2014
Revision: 1.0
Klinische Psychiatrie nach ICD-10
F10 – Störungen durch Alkohol
Seite 20
Ursachen
Wie unter „Ursachen“ im Teil „F1 Störungen durch psychotrope Substanzen“ erläutert.
Verlauf/ Prognose
Untersuchungen zufolge, sind ca. 3 – 5% der deutschen Bevölkerung sind alkoholabhängig. Die Alkoholabhängigkeit gilt mit der Nikotinabhängigkeit als am meisten vertretene Abhängigkeit in Deutschland.
Von den 2 Mio alkoholkranken Menschen sind ca. 500.000 im Alter von 12 – 21 Jahren bzw. mehr Männer als
Frauen.
Beim Konsum von Alkohol werden Stadien unterschieden, die den gelegentlichen Genuss vom toxischen Konsum
abgrenzen. Als Grenze für den Missbrauch-Konsum gelten:
Für Frauen
Für Männer
20 g (reiner Alkohol => ca. 0,5 l Bier/ ca. 0,25 l Wein oder Sekt/ ca. 5 cl Whisky
40 g (reiner Alkohol => doppelte Menge, s. Frauen)
Die Alkoholabhängigkeit tritt in der Regel mit mindestens einer weiteren komorbiden psychischen Störung auf.
Bei 40 – 50 % der Patienten werden durch die Langzeitentwöhnungstherapie Besserungen erreicht.
entwickelt: Sep 13 –
geprüft/ aktualisiert: 16. Mai 2014
Revision: 1.0
Klinische Psychiatrie nach ICD-10
F10 – Störungen durch Alkohol
Seite 21
Stadien des Alkoholkonsums
Stufe
Kennzeichen
Toleranzentwicklung
Präalkoholische Phase
(Vorstufe)
Gelegenheitstrinken mäßiger Mengen
Steigend
Konflikttrinken größerer Mengen, um Spannungen
zu beseitigen
Für die berauschende Wirkung wird
mehr Alkohol benötigt
Erleichterungstrinken größerer Mengen, regelmäßig
Prodomalphase
Gedankliche Beschäftigung mit der Vorratshaltung
von alkoholischen Getränken
Steigend
Vermehrte „Filmrisse“ (Gedächtnislücken für die Zeit
während des Alkoholkonsums)
Für die berauschende Wirkung wird
mehr Alkohol benötigt
Schuldgefühle betr. den Alkoholkonsum (vermeidendes Verhalten/ Verheimlichung)
Steigerung der Alkoholmengen (selten Vollrausch)
Kritische Phase
Psychische Abhängigkeit
Stagnierend
Abhängigkeit erkennbar im sozialen Umfeld
Zunehmende Überforderung der
Leber
Kontrollverlust und Verlangen nach Alkohol
Abstinenzversuche misslingen
Psychosoziale Probleme (Arbeitsplatzverlust)
Zunehmend aggressives Verhalten
Verleugnen des Alkoholkonsums
Chronische Phase
Zwanghaftes Trinken
Regelmäßiger Konsum (sonst Entzugssymptomatik)
Entwicklung einer Alkoholintoleranz
durch Überforderung der Leber
=> Leberschädigung !
Anhaltende (pathologische) Rauschzustände
Konzentration und Merkfähigkeit sind gestört
Körperliche Schäden (Delirium tremens, Krampfanfälle, Wernicke-Enzephalopathie, vegetative Symptom.)
Sozialer Abstieg
Aggressivität/ Passivität
Alkoholabhängigkeits-Typen nach Jellinek
Typ
Beschreibung
Häufigkeit
Kontrollverlust
Abstinenz möglich
Alkoholabhängigkeit
Alpha
Konflikttrinker/
Problemtrinker
5%
Nein
Ja
Nein
Beta
Wochenendtrinker/
Gelegenheitstrinker
5%
Nein
Ja
Nein
Gamma
Süchtiger Trinker/
Kontrollverlusttrinker
65 %
Ja
(Gelegentlich)
Ja
Delta
Gewohnheitstrinker/
Spiegeltrinker
20 %
Nein
Nein
Ja
Epsilon
Quartalstrinker/
Episodischer Trinker
5%
Ja
Ja
Nein
entwickelt: Sep 13 –
geprüft/ aktualisiert: 16. Mai 2014
Revision: 1.0
Klinische Psychiatrie nach ICD-10
F10 – Störungen durch Alkohol
Seite 22
Therapie
Bei der Therapie alkoholabhängiger Patienten wird vorerst unterschieden, in welchem Stadium bzw. in welchem
Grad der Erkrankte ansprechbar ist oder auch an der Therapie mitwirken kann.
Neben begleitenden Einzel- und Gruppenpsychotherapien (auch Selbsthilfegruppen), die den Entzug unterstützen sollen und die Stabilisierung der Abstinenz erhalten sollen, werden in der Behandlung der Alkoholabhängigkeit auch Medikamente eingesetzt.
Frühintervention
Während der frühen Phase der Alkoholabhängigkeit finden besonders aufklärende Gespräche (Psychoedukation) statt.
Untersuchungen zeigen, dass diese Interventionen durchaus Erfolge erzielen, allerdings
häufiger bei Frauen als bei Männern.
Interventionen bei
aktuer Intoxikation
Eine akute Alkoholintoxikation erfordert eine sofortige medikamentöse Behandlung.
Je nach Schweregrad der Vergiftung bzw. hinzugekommener Verletzungen durch Stürze o. ä. werden entsprechende Maßnahmen ergriffen.
Bei Erregungszuständen und Unruhe wird beispielsweise Haloperidol verabreicht.
Achtung:
- Sedierende Mittel, wie Benzodiazepine oder Clomethiazol dürfen keinesfalls gegeben werden!
- Es ist immer zu überprüfen, ob neben der Einnahme von Alkohol noch weitere Substanzen konsumiert wurden. Hinter einer Intoxikation mit Alkohol kann sich auch ein
Suizidversuch verbergen!
Entzugsbehandlung
Entgiftung
Diese Behandlungen werden in psychiatrischen oder internistischen Facheinrichtungen stationär durchgeführt. Der Alkohol wird abrupt abgesetzt. Die Phase des Entzugs
wird medikamentös überbrückt.
Bei dem gesteuerten Entzug werden überwiegend sedierende Medikamente verwendet,
wie Clomethiazol (Distraneurin) oder Benzodiazepine (Diazepam, Chlordiazepoxid). Treten noch zusätzlich Halluzinationen auf, werden Neuroleptika, wie Haloperidol (Haldol)
eingesetzt. Für die Vermeidung von Krampfanfällen hat sich die Gabe von
Carbamazepin (Timonil, Tegretal) als sinnvoll erwiesen.
Pharmazeutikum
Anwendung
Wirkung
Entgiftung
(Clomethiazol)
Alkoholentzugssyndrom
Alkoholentzugsdelir
Sedierend, hypnotisch,
antikonvulsiv
Entgiftung/ Neuroleptika
(Haloperidol)
Psychotische Symptomatik
Sedierend, antipsychotisch
Entgiftung/ Hypnotika
(Benzodiazepine)
Erregungszustände, Schlafstörungen
Sedierend
Entwöhnung
(Naltrexon, Acamprosat,
Disulfiram)
Rückfallprophylaxe
Reduzierung des Verlangens
(Naltrexon, Acamprosat)
Übelkeit bei Substanzkonsum
(Disulfiram)
Zur Vorbeugung einer Wernicke-Emzophalopathie wird zusätzlich Vitamin B1 (Thiamin)
verabreicht.
entwickelt: Sep 13 –
geprüft/ aktualisiert: 16. Mai 2014
Revision: 1.0
Klinische Psychiatrie nach ICD-10
F10 – Störungen durch Alkohol
Seite 23
Rezidivprophylaxe
Die sog. Anticraving-Substanzen (Naltrexon, Acamprosat) reduzieren das Verlangen
nach Alkohol. Der Einsatz mit Disulfiram erzeugt eine Aversivreaktion bei Konsum von
Alkohol, die sich durch Erbrechen, Schwindel und Angstzustände äußert.
Psychotherapien
Die Begleitung der Psyche aus der Sucht ist ein langer Weg (Langzeitentwöhnungsbehandlung). Ziel der Behandlung ist die Erhaltung der Abstinenz und Stabilisierung der
sozialen Reintegration.
Die ambulante Nachbetreuung beinhaltet Elemente, wie die Teilnahme an Selbsthilfegruppen, regemäßige Kontakte zu den betreuenden Ärzten, Einzeltherapien bei den
begleitenden Psychiatern und Psychologen.
Interessant ist,
dass Alkoholiker nach ihrem Entzug und langer Abstinenz durchaus wieder Alkohol trinken dürften.
Eine körperliche Abhängigkeit wäre nicht sofort wieder gegeben.
Die größte Gefahr besteht darin, dass der Alkohol wieder als Mittel der Wahl für den Ausweg aus
Konfliktsituationen oder anderen eingefahrenen Mustern genutzt wird !
Sonstiges
entwickelt: Sep 13 –
geprüft/ aktualisiert: 16. Mai 2014
Revision: 1.0
Klinische Psychiatrie nach ICD-10
F11 – Störungen durch Opioide
Seite 24
F11 — Störungen durch Opioide
Einführung/ Allgemeines
Unter der Bezeichnung Opiate werden Substanzen, wie Heroin, Morphin, Morphinderivate ((halb)synthetisch)
und Codein zusammengefasst. Die meisten dieser Stoffe unterliegen dem Betäubungsmittelgesetzt und werden
als starke Schmerzmittel verwendet.
Opiate entfalten Ihre Wirkung durch Bindung an Opiat-Rezeptoren im Gehirn, die zu einer Hemmung der Neuronen des sympathischen Systems führen. Für die medizinische Therapie werden Opiate und ihre Derivate nach wie
vor eingesetzt.
Substanz
Produkte
Therapie
Wirkungen
Opium
(aus Schlafmohn)
Opiumtinktur
Schmerztherapie
Unterstützt die Aktivität des Parasympathikus:
- Schmerzstillend
- Gefäßentspannend
- Verlangsamung des Pulses
- Blutdruckabfall
- Verlangsamung der Atmung (Atemdepression)
- Entspannung innerer Organe
- Miosis
- Übelkeit/ Erbrechen
- Euphorie
- Obstipation
- Toleranzenwicklung
Bei Missbrauch:
- Abhängigkeit
- Apathie, Dysphorie
- Albträume
- Atemstillstand
- Bewusstseinsstörungen (Somnolenz, Koma)
- Halluzinationen
Morphium
(Alkaloid des Opiums)
Diacetalmorphin
Hydromorphon
Methadon
Tramadol
Tilidin
Fentaynl
Schmerztherapie
- Schmerzstillend
Codein
(Alkaloid des Opiums)
Methylmorphin
Dihydrocodein
(Hustensäfte)
Hustenstiller
+ wie oben beschrieben
- Hustenstillend
+ wie oben beschrieben
Bei Schmerzpatienten, die diese Mittel regelmäßig, sachgerecht und lediglich im maßvollen therapeutischen Umfang nutzen entwickeln sich keine Atemdepression, Euphorie, Übelkeit, Bewusstseinsstörungen oder körperliche
Abhängigkeit.
entwickelt: Sep 13 –
geprüft/ aktualisiert: 16. Mai 2014
Revision: 1.0
Klinische Psychiatrie nach ICD-10
F11 – Störungen durch Opioide
Seite 25
Fallbeispiel
In der Notaufnahme wird eine 25-Jährige Patientin eingeliefert.
Eine Spaziergängerin hatte sie auf einer Parkbank liegend gefunden und die Feuerwehr gerufen. Die Patientin war bewusstlos. Sie wirkte abgemagert, ungepflegt, zerstochen am Arm und schnappte beim Atmen nach Luft. Ein Blick in die Pupillen,
lies eine Miose erkennen.
Es wurden umgehend Beatmungsmaßnahmen durchgeführt und der Opiatantagonist Naloxon injiziert. Nach kurzer Zeit kehrten die Atmung und das Bewusstsein wieder zurück. Im Laufe des Abends beschreibt die Patientin dann Symptome, wie
Ängste, Leibschmerzen, Schweißausbrüche, Tränenfluss, weite Pupillen, Hypertonie und Übelkeit. Sie wirkt unruhig. Diese
Symptome verschwinden nach ca. 1 Woche.
Die Gespräche ergaben, dass die Patientin seit längerer Zeit Heroin konsumiert und seit kurzer Zeit obdachlos ist.
Die Diagnose lautet:
(Heroin) Opiatabhängigkeit (F11.2), Opiatintoxikation (F11.0) mit anschließendem Opiatentzugssyndrom (F11.3)
Opiatrausch
Opiatintoxikation
Opiatentzugssyndrom
Dauer: ca. 15 Minuten
->
Starke Euphorie, starkes Selbstwertgefühl
Anschließend
->
Sedierende Wirkung
Dysphorie
Psychomotorische Verlangsamung
Kognitive Störungen
Bei Fortsetzung
->
Opiatintoxikation
Parasympathikus > Sympathikus
Rötung des Gesichts
Hautjucken
Miosis
Benommenheit
Hypotonie
Bradykardie
Hypothermie
Atemdepression
Bewusstlosigkeit
Letalität
Antidot
Naloxon (Opiatantagonist)
Beginn 8 h nach Substitution
Psychisch
Dauer: Wochen – Monate
Physisch
Dauer: 1 – 2 Wochen
entwickelt: Sep 13 –
Craving
Depressionen
Schlafstörungen
Angst/ Unruhe
Übelkeit/ Erbrechen
Diarrhö
Schwitzen/ Zittern
Gänsehaut
Muskelschmerzen/ -krämpfe
Pupillenerweiterung
Tränenfluss/ Rhinorrhö
Hypertonie/ Tachykardie
Fieber
geprüft/ aktualisiert: 16. Mai 2014
Revision: 1.0
Klinische Psychiatrie nach ICD-10
F11 – Störungen durch Opioide
Seite 26
Symptomübersicht: Opiatabhängigkeit <-> Opiatentzug
Opiatintoxikation/ -abhängigkeit/ -rausch
Opiatentzug
Atmung
Verlangsamt, Atemdepression !
Beschleunigt
Blutdruck
Niedrig
Erhöht
Puls
Niedrig
Erhöht
Körpertemperatur
Niedrig
Erhöht
Pupillen
Verengt (Miosis)
Erweitert (Mydriasis)
Schleimhäute
Hals, Mund, Nase
Trocken
Sehr feucht
Skelettmuskeln
Entspannt
Schmerzhaft, verspannt, verkrampft
Magen
Appetitlos
Übelkeit, Erbrechen
Darm
Obstipation
Diarrhö
Blase
Blasenentleerungsstörung
Erhöhter Harndrang
entwickelt: Sep 13 –
geprüft/ aktualisiert: 16. Mai 2014
Revision: 1.0
Klinische Psychiatrie nach ICD-10
F11 – Störungen durch Opioide
Seite 27
Symptome
Diagnostische Kriterien lt. ICD-10, Kapitel V (F)
A.
F11.0
Akute Opioidintoxikation
F11.3
Opioidentzugssyndrom
Die allgemeinen Kriterien für eine Intoxikation (F1x.0)
sind erfüllt
Die allgemeinen Kriterien für ein Entzugssyndrom (F1x.3)
sind erfüllt.
(Ein Opioidsyndrom kann auch nach Gabe eines Opiatantagonisten nach einer nur kurzen Opioideinnahme auftreten)
B.
C.
Funktionsgestörtes Verhalten, deutlich an mind. 1 der
folgenden Merkmale:
1.
Apathie und Sedierung,
2.
Enthemmung,
3.
Psychomotorische Verlangsamung,
4.
Aufmerksamkeitsstörung,
5.
Einschränkung der Urteilsfähigkeit,
6.
Beeinträchtigung der pers. Leistungsfähigkeit
3 der folgenden Symptome:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
Verlangen (Craving) nach einem Opiat,
Rhinorrhoe oder Niesen,
Tränenfluss,
Muskelschmerzen oder –krämpfe,
Abdominelle Spasmen,
Übelkeit oder Erbrechen,
Diarrhoe,
Pupillenerweiterung,
Piloarreaktion oder wiederholte Schauer,
Tachykardie oder Hypertonie,
Gähnen,
Unruhiger Schlaf.
Mind. 1 der folgenden Anzeichen:
1.
Schläfrigkeit,
2.
Verwaschene Sprache,
3.
Miosis (Pupillenverengung, jedoch: Pupillenerweiterung bei Anoxie nach schwerer Überdosierung!),
4.
Bewusstseinsminderung (z. B. Sopor, Koma).
Komorbiditäten (Begleitsymptome/-störungen) können sein
-
Atemdepression
Hypoxie (Sauerstoffunterversorgung)
Hypotonie (niedriger Blutdruck)
Hypothermie (niedrige Körpertemperatur)
-
Affektive Störungen
Angststörungen
Schizophrenien
Psychotische Störungen
Persönlichkeitsstörungen
Verhaltensstörungen
Die komorbiden Störungen, die die Psyche betreffen, bestanden bereits vor Auftreten der Suchterkrankung.
entwickelt: Sep 13 –
geprüft/ aktualisiert: 16. Mai 2014
Revision: 1.0
Klinische Psychiatrie nach ICD-10
F11 – Störungen durch Opioide
Seite 28
Anamnese/ Diagnostik
Wie unter „Anamnese/ Diagnostik“ im Teil „F 1 Störungen durch psychotrope Substanzen“ erläutert.
Drogensceening im Urin
Substanz
Nachweisdauer
Amphetamine
2 Tage
Barbiturate (kurz – langwirksame)
1 – 7 Tage
Benzodiazepine
3 Tage – mehrere Wochen
Cannabinoide
5 Tage – 3 Wochen
Codein/ Morphin
2 Tage
Kokain
3 – 7 Tage
Methadon
3 Tage
Phencyclidin (PCP)
3 – 8 Tage
Differentialdiagnostik
Wie unter „Differentialdiagnostik“ im Teil „F 1 Störungen durch psychotrope Substanzen“ erläutert.
Eine Abgrenzung zu schizophrenen oder manischen Störungen ist häufig schwierig, daher spielen die Laboruntersuchungen hier eine große und entscheidende Rolle.
Ursachen
Wie unter „Ursachen“ im Teil „F 1 Störungen durch psychotrope Substanzen“ erläutert.
Verlauf/ Prognose
entwickelt: Sep 13 –
geprüft/ aktualisiert: 16. Mai 2014
Revision: 1.0
Klinische Psychiatrie nach ICD-10
F11 – Störungen durch Opioide
Seite 29
Therapie
Bei der Behandlung von Menschen mit Opioidsuchterkrankungen werden folgende Therapiestufen angewendet:
Kontaktaufnahme/
Schadensminderung
Angebot niederschwelliger Hilfe (Straßensozialarbeit „Street working“)
Körperlicher Entzug/
Entgiftung/
Stationäre Behandlung
Einrichtung von
- Fixerräumen
- Notschlafstellen
- medizinischer Hilfe
- Impfungen
- Selbsthilfegruppen
- Spritzenautomaten/ Kondomautomaten
- Drogennottelefon
- Schulungen
Kalter Entzug
Abruptes Absetzen der Drogen ohne unterstützende
Gabe von Medikamenten, lediglich Einsatz von Physiotherapien, Entspannungsverfahren
Hohe Abbruchrate !
Warmer Entzug
Drogenersatz mit Methadon oder Buprenorphin durch
schrittweises Ausschleichen.
Geringere Abbruchrate
Forcierter Entzug
Durchführung nur in Fachkliniken
Beschleunigte Entgiftung durch Einsatz von Narkotika
und Hypnotika (Naloxon, Clonidin (Anästhetikum), Benzodiazepin, Odansetron (gegen Erbrechen) und
Octratide (gegen Diarrhö)
Schwerwiegende Komplikationen möglich !
Entwöhnung
Stationäre Behandlung über eine Dauer von ca. 6 – 12 Monaten
Substitutionsbehandlung
mit Agonisten/ Antagonisten
Bei fehlender Möglichkeit zur Abstinenz wird eine Substitutionsbehandlung
mit Opiatagonisten, wie Methadon oder Buprenorphin durchgeführt.
Voraussetzungen: Alter > 18 Jahre
Abhängigkeit > 2 Jahre
Fester Wohnsitz
regelmäßiges Erscheinen
drogenfreie Therapie nicht durchführbar
erfolgreiche Therapie eines komorb. Verhaltensmusters
Psychosoziale Unterstützung und Stabilisierung
Nachsorge
Weiterführende Begleitung/ Therapie
Festigung der sozialen Strukturen
Sonstiges
entwickelt: Sep 13 –
geprüft/ aktualisiert: 16. Mai 2014
Revision: 1.0
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