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Jahrbuch 2013/2014 | Papke, Björn | Die Ras-Abhängigkeit von Tumoren im Visier der W issenschaft
Die Ras-Abhängigkeit von Tumoren im Visier der Wissenschaft
Targeting oncogenic Ras action
Papke, Björn
Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie, Dortmund
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Krebs entsteht durch Mutationen in den Genen. Ein Gen, das in jedem dritten Tumor verändert ist, ist das RasGen. Das zugehörige veränderte Protein sorgt für ein ständiges, onkogenes Signal für Zellw achstum. In einem
interdisziplinären Forschungsprojekt w urde ein neues Molekül gegen Ras-abhängige Tumore entw ickelt. Das
Molekül zielt nicht direkt auf Ras ab, sondern auf einen für die innerzelluläre Lokalisation von Ras
verantw ortlichen Interaktionspartner. Die Blockade dieses Partners verändert den Aufenthaltsort von Ras und
inaktiviert damit das dauerhaft krebsauslösende W achstumssignal.
Summary
Gene mutations in our genetic makeup are the major cause of cancer. A gene mutated in one out of three
tumors is the Ras gene. Last year scientists at the Max Planck Institute of Molecular Physiology developed a
new molecule w hich targets oncogenic Ras dependent tumors. Instead of focusing on Ras directly, the new
molecule targets an interaction partner of Ras that is responsible for its localization w ithin the cell. Inhibition of
this interaction partner changes the localization of Ras, and hereby inactivates oncogenic grow th signaling.
Einleitung
Eine der häufigsten Krankheiten mit Todesfolge in Deutschland ist Krebs. Zu Beginn dieser Krankheit erlangen
einzelne Zellen durch Mutationen in ihrem Erbgut, der DNS, einen Wachstumsvorteil gegenüber den Zellen in
ihrer Umgebung. Dies führt umgehend zu einer Ansammlung von schneller w achsenden Zellen und damit zu
einem Tumor. Weitere Mutationen der DNS und die daraus hervorgehenden Veränderungen in der Zelle selbst
ermöglichen die Versorgung des Tumors mit Nährstoffen und das Eindringen von Tumorzellen in umliegende
Zellschichten. Damit geht die folgenschw ere Bildung von neuen Kolonien im gesamten Körper, sog.
Metastasen, einher.
Mutationen, die einen solchen Wachstumsvorteil zur Folge haben, liegen meist in Abschnitten auf der DNS, die
zur Herstellung von Proteinen benötigt w erden. Eine besondere Rolle für die Tumorentw icklung spielen dabei
die Protoonkogene und Tumorsuppressorgene. Proteine, die aus Protoonkogenen entstehen, w irken für die
Zellteilung w ie das Gaspedal im Auto: sie können die Zellw achstumsgeschw indigkeit beschleunigen. Proteine
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aus Tumorsuppressorgenen hingegen w irken w ie die Bremse und können die Wachstumsgeschw indigkeit
reduzieren. So w ie die Fahrtgeschw indigkeit des Autos durch Beschleunigen oder Bremsen reguliert w ird, so
w ird die Wachstumsgeschw indigkeit der Zelle durch beide Prozesse entscheidend beeinflusst. Eine Mutation in
einem Protoonkogen – dieses w ird dadurch zum Onkogen – ist mit einem eingeklemmten Gaspedal
vergleichbar, w ährend eine Mutation in einem Tumorsuppressorgen einer defekten Bremse gleichkommt ( Abb.
1).
A bb. 1: Die Rolle von Mutationen in Onkogenen und
Tumorsuppressorgenen
Muta tione n in O nk oge ne n a rbe ite n wie da s Ga spe da l e ine s
Autos, sie e rhöhe n die Ge schwindigk e it de r Ze llte ilung.
Muta tione n in Tum orsuppre ssorge ne n hinge ge n wirk e n wie
e ine de fe k te Bre m se , be stim m te Ha lte punk te we rde n e infa ch
ignorie rt und die Ze lle k a nn sich ohne Kontrolle we ite r te ile n.
© Ma x -P la nck -Institut für m ole k ula re P hysiologie /P a pk e
Im normalen, nicht mutierten Zustand bew irken die von diesen Genen kodierten Proteine, dass die Zelle sich
zum richtigen Zeitpunkt teilt und in einem Gleichgew icht mit ihrer Umgebung ist. Die Bindung eines
W achstumsfaktors aus dem Blut an Zelloberflächen führt als Auslöser für die Zellteilung zu einer Signalkaskade
und schließlich zur Teilung der Zelle. Die Mutation in einem an einer solchen Signalkaskade beteiligten
Protoonkogen
sorgt
für
eine
dauerhafte
Signalgebung
zur
Zellteilung,
auch
in
Abw esenheit
von
Wachstumsfaktoren. Oft bildet eine solche dauerhafte Aktivierung aber auch eine Art Achillesferse, da die
Tumorzellen von dem onkogenen Signal abhängig w erden. W ährend gesunde Zellen einen Ausfall eines
Wachstumssignalw eges kompensieren können, sterben die onkogenabhängigen Zellen, sobald das onkogene
Signal gehemmt w ird.
Signalweiterleitung durch Ras
Eines dieser Protoonkogene der Signalw eiterleitung ist Ras. Ras-Mutationen w erden in jedem dritten Tumor
gefunden. In den besonders aggressiven Krebsarten, w ie zum Beispiel dem Bauchspeicheldrüsenkrebs, tragen
sogar neun von zehn Tumoren eine Ras-Mutation. Die meisten als Medikament benutzten Moleküle blockieren
durch Adsorption an Oberflächenvertiefungen direkt die Aktivität der Zielproteine. Leider besitzt Ras eine sehr
glatte Oberfläche, sodass keine Moleküle an ihm haften bleiben. Daher ist es in mehr als 30 Jahren Forschung
bis heute nicht geglückt, ein klinisch relevantes Medikament gegen onkogenes Ras zu entw ickeln. Für die
Signalw eiterleitung von Ras ist es bedeutsam, von w elchem Aufenthaltsort in der Zelle dieses Signal gegeben
w ird. Um Signale effizient w eiterleiten zu können, muss Ras an Plasmamembranen gebunden sein, da an der
Plasmamembran sow ohl seine Aktivierung als auch die Signalw eiterleitung zur Zellteilung stattfindet. Die
Bindung von Ras an die Plasmamembran w ird durch nachträglich an das Protein angefügte Modifikationen
ermöglicht. Bei Ras ist es der "Fettanker" Farnesyl, ein Fettmolekül, das für die Interaktion mit sämtlichen
zellinneren Membranen und der Plasmamembran verantw ortlich ist. Onkogenes Ras muss nicht durch externe
Signale an der Plasmamembran aktiviert w erden, sondern leitet von der Plasmamembran kontinuierlich Signale
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zur Zellteilung w eiter.
Als logische Konsequenz versucht man die Signalw eiterleitung durch dauerhaft aktives Ras so zu unterbinden,
dass der Prozess der nachträglichen Fettanker-Modifikation und die damit einhergehende PlasmamembranLokalisierung blockiert w erden. Obw ohl die Versuche im Reagenzglas sich als vielversprechend erw iesen
hatten, konnte
die
große
Hoffnung, auf diese
Weise
onkogenes
Ras
zu
inaktivieren, nicht lange
aufrechterhalten w erden. Die Krebszellen w aren in der Lage, die Abw esenheit des Fettankers zu erkennen
und dessen Verlust mit einer ähnlichen Modifikation auszugleichen und damit die
Plasmamembran-
Lokalisierung w ieder herzustellen [1].
Räumliche Organisation des Krebsproteins Ras
In verschiedenen Studien erkannte man, dass Ras nach dem Erreichen der Plasmamembran nicht statisch dort
verw eilt, sondern einem dynamischen Zyklus zw ischen Plasmamembran und Zellinnerem unterliegt [2].
W ährend seiner Reise benötigt es einige Hilfsproteine, die für einen reibungslosen Ablauf des Zyklus sorgen.
Eines dieser Hilfsproteine ist der Löslichkeitsfaktor PDEδ. PDEδ sorgt durch die Bindung der FettankerModifikation dafür, dass Ras in einen löslichen Zustand gebracht w ird und nicht mit der Vielzahl von zellulären
Membranen interagieren kann [3]. Weitere Proteine sorgen für eine Freisetzung des Ras-Proteins von PDEδ in
der Nähe einer Ras-Sammelstelle und für den Rücktransport von Ras zur Plasmamembran [4]. In Experimenten
mit einer Art molekularbiologischem Baukasten gelingt es, die Menge an Proteinen herunterzuregulieren. Erste
Studien zeigten, dass die Absenkung des PDEδ-Proteinlevels zu einer Änderung der Ras-Lokalisation von der
Plasmamembran
hin
zu
zellinneren
Membranen
führte.
Diese
neue
Ras-Verteilung
sorgt
für
ein
abgeschw ächtes Zellw achstum (Abb. 2).
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A bb. 2: Räumliche Organisation von Ras
Linke Seite: R a s ve rla ge rt übe r die Ze it se ine n Aufe ntha ltsort
von de r Ze llm e m bra n (P la sm a m e m bra n) zu ze llinne re n
Me m bra ne n. P DEδ sorgt da für, da ss e s zu e ine r ze ntra le n
R a s-Sa m m e lste lle k om m t, von de r e s wie de r zur
Ze llm e m bra n ge la ngt. Da s link s unte n e inge fügte Bild ze igt
e ine Mik rosk opie a ufna hm e von le uchte nde m R a s in le be nde n
Ze lle n m it funk tionie re nde m R a s-Zyk lus. Da s grün m a rk ie rte
R a s be finde t sich a n de r Ze llm e m bra n.
Rechte Seite: Hie r fe hlt de r R a s-Inte ra k tionspa rtne r P DEδ.
Da m it ist we de r de r Tra nsport zur R a s-Sa m m e lste lle noch de r
R ück tra nsport m öglich. R a s ve rwe ilt som it a uf de n inne re n
Ze llm e m bra ne n. Hie r ze igt da s re chts unte n e inge fügte Bild
zwe i Ze lle n ohne P DEδ. Da s grün m a rk ie rte R a s be finde t sich
a uf de n inne re n Me m bra ne n de r Ze lle . De r we iße Ba lk e n
e ntspricht e ine r Lä nge von 10 µm .
© Ze llbilde r a us [3], m it Ge ne hm igung de r Na ture P ublishing
Group
Ein kleines Molekül gegen die Interaktion von Ras mit PDEδ beeinflusst Krebszellwachstum
Die molekularbiologische Herunterregulierung von Proteinen, w ie sie im Versuch zuvor genutzt w urde, bietet
zurzeit noch keine gezielte Anw endung in der Tumorbehandlung. Um aufzuzeigen, dass PDEδ dennoch ein
interessanter Ansatz für die Krebstherapie sein kann, w urde in einem interdisziplinären Forschungsprojekt am
Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie an einem Inhibitor gearbeitet. Chemiker der Abteilung für
Chemische Biologie testeten 150.000 kleine Moleküle im Reagenzglas auf eine Blockade der PDEδ-RasInteraktion.
Kleine
Moleküle,
die
die
Interaktion
aufhoben,
w urden
von
Strukturbiologen
mittels
Röntgenkristallographie im Protein PDEδ sichtbar gemacht und anhand dieser Kristallstrukturdaten in ihrer
Affinität modifiziert. Nach einigen Optimierungsprozessen w urde das beste Molekül auf den Namen Deltarasin
getauft und seine W irkung auf Prozesse in der Zelle genauer von der Abteilung für Systemische Zellbiologie
untersucht [5].
Mit neuartigen Mikroskopietechniken konnten die Molekularbiologen in lebenden Zellen zeigen, dass die
Interaktion zw ischen PDEδ und Ras verloren geht, sobald Deltarasin zu den Zellen gegeben w ird (Abb. 3a). Im
Vergleich zu der vorher erw ähnten Methode, bei der die Proteinmenge verändert w ird, w ird hier der
Löslichkeitsfaktor mit dem kleinen Molekül Deltarasin beladen, sodass Ras keinen Platz mehr für die Bindung
hat. Der Verlust der PDEδ-Ras-Interaktion führt zum Transport von Ras w eg von der Plasmamembran und hin
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zu den inneren Membranen der Zelle (Abb. 3b). Wachstumsanalysen zeigten, dass die Behandlung mit
Deltarasin bei Krebszellen, die eine Ras-Abhängigkeit aufw eisen, zum Absterben dieser Zellen führte, w ährend
Zellen ohne Ras-Mutation normal w eiterw uchsen.
A bb. 3: Einfluss von Deltarasin auf die Ras-PDEδ-Interaktion
3a. Die a bge bilde te Ze lle ze igt vor De lta ra sinzuga be e ine
Inte ra k tion de r be ide n P rote ine . Na ch Zuga be von De lta ra sin
ge ht die se ve rlore n.
3b. Lok a lisa tionsä nde rung fa rbig m a rk ie rte r R a s-Mole k üle von
de r P la sm a m e m bra n (vor De lta ra sinzuga be ) a uf die inne re n
Me m bra ne n de r Ze lle (na ch De lta ra sinzuga be ).
3c. Tum orwa chstum im Ve rgle ich zum Anfa ngsvolum e n de s
Tum ors übe r die Ze it. Die grüne Kurve ze igt die
Tum orvolum e nzuna hm e von m it De lta ra sin be ha nde lte n
Mä use n, die schwa rze Kurve die von m it P la ce bo be ha nde lte n
Mä use n.
© a us [5] m it Ge ne hm igung de r Na ture P ublishing Group
Um einen w eiteren Schritt in Richtung klinischer Anw endung zu machen, w urde in einer Kollaboration mit
Tumorbiologen der Ruhruniversität Bochum die W irkung von Deltarasin auf von Ras abhängige
Bauchspeicheldrüsenkrebszellen im Mausmodell getestet. Hier konnte beobachtet w erden, dass die künstlich
unter der Haut erzeugten Bauchspeicheldrüsenkrebstumore von mit Deltarasin behandelten Mäusen
w esentlich langsamer w uchsen als die Tumore von Mäusen, die mit einem Placebo behandelt w urden (Abb.
3c) [5].
Schlussbemerkung
Durch
abteilungsübergreifende
interdisziplinäre
Zusammenarbeit
im Max-Planck-Institut
für molekulare
Physiologie konnten die W issenschaftler eine niedrigmolekulare Verbindung finden, das Deltarasin, deren
W irkungsmechanismus einen neuen Ansatzpunkt in der Krebstherapie darstellen kann. Das reduzierte
Wachstum der untersuchten Bauchspeicheldrüsenkrebszellen legt den Schluss nahe, dass Deltarasin auch
einen Einfluss auf andere Tumorarten mit hoher Ras-Mutationsrate, w ie Darmkrebs oder Lungenkrebs, haben
könnte.
Literaturhinweise
[1] Whyte, D. B.; Kirschmeier, P.; Hockenberry, T. N.; Nunez-Oliva, I.; James, L.; Catino, J. J.; Bishop W.
R.; Pai, J.-K.
K- and N-Ras are geranylgeranylated in cells treated with farnesyl protein transferase inhibitors
Journal of Biological Chemistry 272, 14459–14464 (1997)
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[2] Rocks, O.; Peyker, A.; Kahms, M.; Verveer, P. J.; Koerner, C.; Lumbierres, M.; Kuhlmann, J.;
Waldmann, H.; Wittinghofer, A.; Bastiaens, P. I. H.;
An acylation cycle regulates localization and activity of palmitoylated Ras isoforms
Science 307, 1746–1752 (2005)
[3] Chandra, A.; Grecco, H. E.; Pisupati, V.; Perera, D.; Cassidy, L.; Skoulidis, F.; Ismail, S. A.; Hedberg, C.;
Hanzal-Bayer, M.; Venkitaraman, A. R.; Wittinghofer, A.; Bastiaens, P. I. H.
The GDI-like solubilizing factor PDEδ sustains the spatial organization and signalling of Ras family
proteins
Nature Cell Biology 14, 1–13 (2011)
[4] Schmick, M.; Vartak, S.; Papke, B.; Kovacevic, M.; Truxius D. C.; Rossmannek, L.; Bastiaens, P. I. H.
KRas Localizes to the Plasma Membrane by Spatial Cycles of Solubilization, Trapping and Vesicular
Transport
Cell 157(2),459-471 (2014) DOI: http://dx.doi.org/10.1016/j.cell.2014.02.051
[5] Zimmermann, G.; Papke, B.; Ismail, S.; Vartak, N.; Chandra, A.; Hoffmann, M.; Hahn, S. A.; Triola, G.;
Wittinghofer, A.; Bastiaens, P. I. H.; Waldmann, H.
Small molecule inhibition of the KRAS-PDEδ interaction impairs oncogenic KRAS signalling
Nature 497, 638–642 (2013)
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