Netzwerk Geschichte 5. Politische Bildung online / Fit für die Wahlen mit 16 Die Grundprinzipien der österreichischen Verfassung 3 Basisinformation 1. Das demokratische Prinzip ziehung (Verwaltung und Gerichtsbarkeit) nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden darf. Dadurch soll das Handeln Dem demokratischen Prinzip (Art. 1 B-VG: „Österreich der staatlichen Organe für die Bürgerin oder den Bürger ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk vorhersehbar und berechenbar sein und „Rechtssicheraus.”) liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Freiheit heit” schaffen. des Einzelnen bestmöglich gesichert ist, wenn er an der Rechtserzeugung mitwirken kann. Demokratie heißt dem- 4. Das republikanische Prinzip nach „Rechtserzeugung durch das Volk”, „Herrschaft des Das republikanische Prinzip (Art. 1 B-VG: „Österreich ist Volkswillens”. Freilich ist es unmöglich, dass jeder Einzelne eine demokratische Republik.”) besagt, dass an der Spitselbst an der gesamten Rechtserzeugung mitwirken kann ze des Staates ein gewähltes, politisch und rechtlich ver(unmittelbare oder direkte Demokratie), vielmehr ge- antwortliches Organ mit begrenzter Amtsdauer steht: der schieht dies durch vom Volk gewählte Vertreter (mittel- Bundespräsident. (Der Gegenpol wäre die Monarchie, z. B. bare oder indirekte Demokratie). Die Verfassung sieht Königin oder König als Staatsoberhaupt.) in Bund, Bundesländern, Gemeinden – Volksvertretungen vor: Nationalrat, Landtage, Gemeinderäte. Deren Mitglie- 5. Das bundesstaatliche Prinzip der werden vom Volk gewählt und sind somit unmittelbar Art. 2 B-VG lautet: „Österreich ist ein Bundesstaat. Der demokratisch legitimiert. Bundesstaat wird gebildet aus den selbstständigen Län ine indirekte (repräsentative) Demokratie wie die ösE terreichische, kann in der Praxis nur funktionieren, wenn die BürgerInnen die Möglichkeit haben, sich zu Parteien zusammenzuschließen („Parteiendemokratie”). dern ...“. Ein Bundesstaat ist ein dezentraler Staat, die Staatsgewalten (Gesetzgebung und Vollziehung) sind auf verschiedene Organisationen (Bund, Länder) aufgeteilt. Dies sieht die österreichische Verfassung nur teilweise vor Unsere Verfassung sieht jedoch auch direkt-demokrati- (bundesstaatliches Prinzip), denn die Gerichtsbarkeit ist ausschließlich Bundessache. Geht man allerdings von der sche (plebiszitäre) Elemente vor: Kompetenzverteilung aus, so ist Österreich ein zentralisti☞ Volksabstimmung, Volksbegehren, Volksbefragung, ☞ die Volkswahl des Bundespräsidenten sowie von Bür- scher Bundesstaat. germeisterInnen (außer NÖ, Stmk., Wien) 6. Das liberale Prinzip ☞ die Laienbeteiligung an der Gerichtsbarkeit (z. B. Schöf- fen, Geschworene in Strafverfahren, Laienrichter in ar- Ausdruck des liberalen Prinzips sind die Grund- und Freiheitsrechte. Sie schützen z. B. das Recht auf persönliche beits- und sozialgerichtlichen Verfahren). Freiheit, das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums, 2. Das gewaltentrennende Prinzip die Freiheit der Berufsausbildung und Berufsausübung, die Die drei klassischen Staatsfunktionen Gesetzgebung (Le- Meinungs- und Informationsfreiheit, Glaubens- und Gewisgislative), Verwaltung (Exekutive) und Gerichtsbarkeit sensfreiheit, die Vereins- und Versammlungsfreiheit, die (Justiz) werden von verschiedenen, voneinander unab- Freizügigkeit der Person und des Vermögens vor staatlichen hängigen Staatsorganen ausgeübt, die sich gegenseitig Eingriffen. Große Bedeutung haben auch die Gleichheitskontrollieren. In der politischen Realität einer parlamenta- rechte. rischen Demokratie werden Gesetzgebung und Verwaltung Rechtsgrundlage der österreichischen Grund- und Frei(Regierung) von denselben politischen Kräften getragen. Die heitsrechte ist in erster Linie das Staatsgrundgesetz von Mehrheit im Nationalrat und die Regierung „verschmelzen” 1867 über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, das zum „Regierungsblock”. Ihm steht die parlamentarische 1920 in die Verfassung übernommen wurde. Ergänzend gilt seit 1958 (im Verfassungsrang seit 1964) die Europäische Minderheit als Opposition gegenüber. Konvention zum Schutz der Menschenrechte und 3. Das rechtsstaatliche Prinzip Grundfreiheiten (EMRK) mit allen Zusatzprotokollen, die Ein Rechtsstaat setzt eine inhaltlich bestimmte Rechtsord- man auch als Grundrechtskatalog der EU bezeichnen nung voraus. Dies heißt, Rechte und Pflichten des Einzelnen kann. müssen relativ präzise festgelegt sein („Der Rechtsstaat Es gibt auch verfassungsrechtlich gewährleistete politische ist berechenbar” im Gegensatz zum „Polizeistaat”). Der Rechte, die allerdings nur österreichischen StaatsbürgeRechtsstaat muss ein Verfassungsstaat sein, also Normen rInnen vorbehalten sind: aktives und passives Wahlrecht, aufweisen, welche die Gesetzgebung regeln. Das Legalitäts- Teilnahme an Volksbegehren, Volksabstimmung, Volksbeprinzip besagt schließlich, dass die gesamte staatliche Voll- fragung (Ausnahmen für EU-BürgerInnen auf kommunaler Ebene). ©Renate Pokorny, Dr. Wolfgang Lammel http://netzwerk-geschichte5.veritas.at Netzwerk Geschichte 5. Politische Bildung online / Fit für die Wahlen mit 16 3 Arbeitsblatt Die Grundprinzipien der österreichischen Verfassung Setzen Sie folgende Punkte in die passenden Kästchen ein und ergänzen Sie diese anschließend mit weiteren, die Ihnen besonders wichtig erscheinen. Der Rechtsstaat ist berechenbar, Parteiendemokratie, Rechtssicherheit, zentralistischer Bundesstaat, Staatsgrundgesetz von 1867, indirekte (repräsentative) Demokratie, Regierungsblock, direkt-demokratische (plebiszitäre) Elemente, Grundund Freiheitsrechte, dezentraler Staat, EMRK, Österreich ist eine demokratische Republik liberales Prinzip demokratisches Prinzip 6 1 ). Grundprinzipien der österreichischen Verfassung bundesstaatliches Prinzip 5 gewaltentrennendes Prinzip 2 republikanisches Prinzip 4 rechtsstaatliches Prinzip 3 ©Renate Pokorny, Dr. Wolfgang Lammel http://netzwerk-geschichte5.veritas.at