19.11.2015 Gericht BVwG Entscheidungsdatum 19.11.2015 Geschäftszahl W135 2003800-1 Spruch W135 2003800-1/6E IM NAMEN DER REPUBLIK! Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gerd GRUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 02.01.2014, betreffend die Abweisung des Antrages auf Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG), zu Recht erkannt: A) Die Beschwerde wird gemäß § 1 Abs. 1 VOG idgF als unbegründet abgewiesen. B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Text ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE: I. Verfahrensgang: Die Beschwerdeführerin brachte am 09.08.2012 einen Antrag auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form des Verdienstentganges, der Heilfürsorge (psychotherapeutische Krankenbehandlung) sowie der Orthopädischen Versorgung beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien (im Folgenden: belangte Behörde), ein. Im formularmäßigen Antrag gab die Beschwerdeführerin an, das Verbrechen habe sich von 1982 bis 1990 ereignet. Die Täter seien das Ehepaar M. S. und G. S. Die Beschwerdeführerin habe Anzeige erstattet, das Verfahren sei aber eingestellt worden. Als Gesundheitsschädigungen, die die Beschwerdeführerin auf Grund der Tat erlitten habe, gab sie an "1. Seitenbänder links und rechts nach Operation nicht richtig verheilt, Schmerzen; 2. Rechtes Knie nicht richtig verarztet, Scheitelknien, Schmerzen, Schiefes Becken, rechter Vorderfuß gebrochen, Krampfschmerzen; 3. Scheuermann, Wirbelsäule schief; 4. Borderline-Syndrom, instabile emotionale Persönlichkeit, Aggressionen, Angst, Todeswunsch seit dem zehnten Lebensjahr; 5. Fett- und Nikotinsucht." Im Rahmen der Antragstellung legte die Beschwerdeführerin folgende Unterlagen vor: ? Ärztliches Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt vom 06.07.2009 zum Antrag vom 29.04.2009 auf Weitergewährung einer bis 31.07.2009 befristeten Berufsunfähigkeitspension und Pflegegeldneubemessung, in welchem als Hauptursache der Minderung der Erwerbsfähigkeit eine Bipolare affektive Störung (ICD-10: F31.3) und eine kombinierte Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F61) angeführt werden. Weiters werden Adipositas, Zustand nach Magenbypass-Operation und Lumbalgie ohne radikuläre Symptomatik angeführt. www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 19 Bundesverwaltungsgericht 19.11.2015 ? E-Mail an einen Rechtsanwalt, in welcher die Beschwerdeführerin ihre Kindheitserlebnisse ab 1982 schildert ? Anzeige vom 23.05.2011 an die Staatsanwaltschaft St. Pölten gegen das Ehepaar M. S. und G. S., bei welchen die Beschwerdeführerin von 1982 bis 1990 in Pflege war ? Polizeiliche Zeugenvernehmung der Beschwerdeführerin als Opfer vom 14.07.2011 ? Begründung der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 194 Abs. 2 StPO der Staatsanwaltschaft St. Pölten vom 23.12.2011, in welcher Folgendes festhalten wird (Anonymisierungen vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommen): "Tatsächlich konnte ein AV der BH Amstetten vom 20. März 1984 belegen, dass Sie von ihren Eltern mit einem Teppichklopfer derart geschlagen wurden, dass sie blaue Flecken am Gesäß und an den Füßen hatten. Im September 1990 wendeten Sie sich an die Jugendwohlfahrt Amstetten, da sie es bei den Pflegeeltern nicht weiter aushalte. Anschließend wurden Sie im Schülerinternat Schloss Judenau untergebracht. Im September 1991 schrieben Sie jedoch der BH Amstetten, dass sie es im Heim auch nicht mehr aushalte und dass ihre Kindheit ab dem achten Lebensjahr schöner war und dass sie von der Pflegemutter sehr viel gelernt hätten. Bezüglich D. S., der jüngeren Schwester, welche ebenfalls bei den Pflegeeltern wohnhaft war, finden sich keine Problemberichte in den Akten. D. S. gibt an, dass sie von den Pflegeeltern nicht geschlagen oder verletzt worden sei. Es stimme, dass die Pflegekinder als Strafe scheiteiknien hätten müssen, jedoch hätte sich dies im "normalen" Rahmen der Erziehung gehalten. Sie hätte weder gesehen, dass dem Bruder die Zungenspitze abgeschnitten worden sei, noch könne sie bestätigen, dass diesem die Zungenspitze fehlt. Es sei richtig, dass sie im Stall und bei der Feldarbeit mit- arbeiten mussten, im Gegensatz zu Ihnen hätte sie jedoch gerne geholfen. Sie hätte eine glückliche Kindheit bei den Pflegeeltern verbracht und sei sich nicht benachteiligt vorgekommen. G. J. H., der Bruder, verweigerte die Angaben. I. S., das Jüngste der Kinder, wobei es sich bei I. ST. um das leibliche Kind handelt, gibt an, dass es ihr nicht bekannt sei, dass ihre Pflegegeschwister körperlich arbeiten mussten und seien ihr auch keine körperlichen Übergriffe durch die Eltern bekannt. Sie nimmt an, dass es Ihnen lediglich ums Geld gehe. Die restlichen einvernommen Zeugen, H. S. (Direktor der von XXXX besuchten Volksschule), G. W. (Klassenvorstand der Sie in der dritten und vierten Klasse Volks-schule), U. K. (Lehrerin der Hauptschule in Neustadtl), A. S. (Nachbarin der S.s), R. S., A. R., M. R., F. L., R. L. (alle Nachbarn) und Dr. F. (Sies praktischer Arzt in Neustadt!) konnten keine zweckdienlichen Angaben zum Sachverhalt machen, zumal sie sich entweder nicht erinnern konnten oder weder Misshandlungen noch harte Arbeit bestätigen können. Die Beschuldigten leugnen die Übergriffe und geben an, dass die Pflegekinder freiwillig in der Landwirtschaft mitgearbeitet hätten. M. S. räumt ein, XXXX mit Scheitelknien bestraft zu haben, jedoch niemals in der von XXXX angegebenen Dauer. Es stimme auch nicht, dass sie G. mit der Schere in die Zunge geschnitten hätte oder habe es Misshandlungen mit einem Teppichklopfer oder einem Maßband gegeben. Aus einem AV vom 22. März 1984 ist ersichtlich, dass anlässlich der anonymen Anzeige betreffend des Teppichklopfens Elterngespräche und Gespräche mit den Kindern und Lehrern erfolgten. Aus dem Bericht der KJB vom Juni 1984 ist ersichtlich, dass aus Sicht des KJB eine Abnahme der Minderjährigen nicht dringlich ist, da sich diese gut eingelebt hätten. Im April 1984 wurden die Pflegekinder im Rahmen eines Hausbesuches dem kinder- und jugendpsychologischen Beratungsdienst vorgestellt. Es wurde diskutiert, dass eine Abnahme der Kinder im Wiederholungsfalle von Misshandlungen in Erwägung gezogen werden müsste. Weiters finden sich im Akt weitere AVs von 1985, wobei von Diebstählen der Sie die Rede ist und diskutiert wird, ob Sie in ein Heim zurückkehren soll. Die Pflegemutter sprach sich dazumal jedoch für einen Weiterverbleib von Ihnen in der Familie aus und wollten auch Sie in der Pflegefamilie bleiben. Im Sozialbericht vom März 1987 wird festgestellt, dass hinsichtlich des zehnjährigen G. H. massive Erziehungsschwierigkeiten bestehen und wird dieser in weiterer Folge im Schülerinternat Judenau untergebracht. Im September 1990 wendeten Sie sich an die Jugendwohlfahrt Amstetten, da sie die Pflegemutter hinausschmeißen wollte, da sie einen angeblich 22-jährigen, verschuldeten, geschiedenen Freund gehabt hätten. Somit wurden auch Sie im September 1990 im Schülerinternat Schloss Judenau untergebracht. Zusammenfassend ist auszuführen, dass das Verhältnis zwischen Pflegemutter und lhnen stets problembehaftet war. Wie auch von Ihnen glaubhaft angeführt wurde, entsteht der Eindruck einer "Hassliebe". Teilweise wurde das Jugendamt eingeschaltet, jedoch ergab sich zumeist kein Bedarf zu weiteren Handlungen. Zahlreiche AVs beschreiben Probleme, jedoch werden konkrete Misshandlungen (von einer Ausnahme) in keinster Weise dokumentiert. www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 19 Bundesverwaltungsgericht 19.11.2015 Als Tatzeitraum ergeben sich die Jahre 1982 bis 1990. Eine Strafbarkeit nach § 92 Abs 3 erster Fall StGB hätte eine Verjährungsfrist von fünf Jahren zur Folge. Es ist daher bereits Verjährung eingetreten. Dasselbe gilt für die Strafbarkeit von einzelnen Körperverletzungsdelikten. Lediglich eine Strafbarkeit des § 104 StGB (Sklaverei) wäre noch nicht verjährt. Das wesentliche Merkmal der Sklaverei ist jedoch die Behandlung eines Menschen wie eine im Eigentum befindliche Sache, über die man nach Belieben und Willkür verfügen kann. Eine solche kann jedoch in keinster Weise nachgewiesen werden, nicht zuletzt, weil sämtliche Zeugen keine Zwangsarbeit bestätigen können und D. S. als unmittelbare Tatzeugin beschreibt, dass sie sich in der Familie sehr wohl gefühlt hätte. Das Verfahren war demnach einzustellen." ? Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom 16.11.2011, mit welchem der Antrag der Beschwerdeführerin, ihr Verfahrenshilfe im vollem Umfang zur Einbringung einer Klage gegen M. S. und G. S. sowie die Jugendwohlfahrt Amstetten wegen Schmerzengeld und Schadenersatz zu gewähren, abgewiesen wurde. ? Antrag der Beschwerdeführerin auf Fortführung des Verfahrens gemäß § 195 StPO vom 12.01.2012 ? Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom 05.03.2012, mit welchem der Antrag auf Fortführung des Verfahrens gegen M. S. und G. S. wegen §§ 92 Abs. 1 und Abs. 3, 104 Abs. 1 StGB aus formalen Gründen als unzulässig zurückgewiesen wurde. ? Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom 27.06.2012, mit welchem die Rechtssache gemäß § 44 JN an das BG Amstetten überwiesen wurde, da aus dem Verfahrenshilfeantrag kein € 10.000,-- übersteigender Wert und keine sonstige Zuständigkeit des LG begründenden Umstände hervorgehen. ? Rekurs der Beschwerdeführerin vom 24.07.2012 an das OLG Wien gegen den Beschluss des LG St. Pölten vom 27.06.2012, in welchem die Beschwerdeführerin vorbringt, das LG hätte ein Verbesserungsverfahren durchführen müssen, diesfalls die Beschwerdeführerin gegenüber dem LG bekanntgegeben hätte, dass sie Schadenersatz in Höhe von € 600.000,-- von der Jugendwohlfahrt Amstetten und den Pflegeeltern verlange. Die belangte Behörde ersuchte die Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Niederösterreich, mit Schreiben vom 27.11.2012 um Übermittlung des dortigen Aktes. Die Pensionsversicherungsanstalt übermittelte neben dem bereits im Rahmen der Antragstellung vorgelegten Ärztlichen Gutachten vom 06.09.2009 einen psychologischen Befund vom 17.12.2008 des Landesklinikum Mostviertel XXXX , in welchem zusammenfassend festgehalten wird, dass sich im klinischen Bild der Beschwerdeführerin eine erhöhte Impulsivität, eine gewisse Nachlässigkeit gegenüber sozialen Normen und Regeln sowie eine eher misstrauische Haltung zeige. Es seien sowohl depressive wie auch hypomane Züge erkennbar, wobei die depressive Komponente überwiege. Es würden deutliche Hinweise auf einer BorderlinePersönlichkeitsstruktur, die sich vor allem in Entfremdungserlebnissen und Identitäts-Diffusion zeige, bestehen. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 06.02.2013 wurde der Beschwerdeführerin zu den Ermittlungsergebnissen gemäß § 45 Abs. 3 AVG Parteiengehör gewährt und ihr nach Wiedergabe der wesentlichen Bestimmungen des Verbrechensopfergesetzes mitgeteilt, dass Anhaltspunkte, inwieweit sich der fiktive Berufsverlauf der Beschwerdeführerin ohne die während des Aufenthaltes bei den Pflegeeltern erlittenen physischen und psychischen Misshandlungen anders gestaltet hätte, den vorgelegten Unterlagen nicht zu entnehmen seien. Aus dem Versicherungsdatenauszug vom 25.10.2012 gehe hervor, dass die Beschwerdeführerin ab 01.08.2003 eine Berufsunfähigkeitspension beziehe und sie davor als Arbeiterin bzw. Angestellte beschäftigt gewesen sei. Das Ansuchen der Beschwerdeführerin auf Ersatz des Verdienstentganges gemäß § 3 VOG werde nicht bewilligt werden können, weil das Vorliegen eines verbrechenskausalen Verdienstentganges zum Zeitpunkt der Antragstellung (bzw. Antragsfolgemonat September 2012) in fiktivem schadenfreien Verlauf nicht mit der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden könne. Nach den Bestimmungen des VOG müsse mit Wahrscheinlichkeit feststehen, dass die durch die Misshandlungen erlittenen physischen und psychischen Schädigungen den beruflichen Werdegang der Beschwerdeführerin dermaßen beeinträchtigt hätten, dass sie heute nicht den Beruf ausüben könne, den sie bei Nichterleben der Misshandlungen ausüben könnte und deshalb heute noch immer einen Verdienstentgang erleide. Die Annahme eines - von den tatsächlichen Umständen abweichenden - fiktiven schadensfreien Verlaufes könnte nämlich nur auf der Grundlage einer Wahrscheinlichkeit in dem Sinn erfolgen, dass erheblich mehr als gegen das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 VOG spreche. Für eine derartige Annahme würden jedoch ausreichende Anhaltspunkte fehlen. Das Ansuchen um Gewährung von Heilfürsorge in Form der Übernahme der Kosten für psychotherapeutische Krankenbehandlung werde ebenfalls nicht bewilligt werden können, da nicht mit der nach dem Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne, dass die psychischen Gesundheitsschäden auf die Misshandlungen bei den Pflegeeltern in Amstetten/Niederösterreich zurückzuführen seien. Betreffend die beantragte orthopädische Versorgung werde der Beschwerdeführerin zur www.ris.bka.gv.at Seite 3 von 19 Bundesverwaltungsgericht 19.11.2015 Kenntnis gebracht, dass auch diese nicht bewilligt werden könne, da nicht mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne, dass ihre physischen Gesundheitsschädigungen auf die Misshandlungserlebnisse bei den Pflegeeltern zurückzuführen seien. Eine zusätzliche eingehende Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 1 Abs. 1 VOG im Hinblick auf die strafrechtliche Qualifikation und die anzuwendenden strafrechtlichen Bestimmungen sei auf Grund der fehlenden Kausalitätsnachweise für einen Verdienstentgang, die beantragte Heilfürsorge und orthopädische Versorgung entbehrlich. Von weiteren Erhebungen sei daher abzusehen gewesen. Die Beschwerdeführerin werde eingeladen hierzu binnen zwei Wochen nach Zustellung eine Stellungnahme abzugeben bzw. Unterlagen vorzulegen, die die Beeinträchtigung ihrer beruflichen Laufbahn durch die auf Grund der Misshandlungen erlittenen physischen und psychischen Schädigungen belegen könnten. Mit Schreiben vom 25.02.2013 gab der rechtsfreundliche Vertreter der Beschwerdeführerin eine Stellungnahme zum Parteiengehör ab. Vorgebracht wird, dass die Beschwerdeführerin seit 01.08.2003 eine Berufsunfähigkeitspension beziehe. Diese Berufsunfähigkeit beruhe auf den wiederholten physischen und psychischen Misshandlungen, welche die Beschwerdeführerin in den Jahren 1982 bis 1990 im Rahmen ihrer Unterbringung bei Pflegeeltern ausgesetzt gewesen sei. Verantwortlich für die Auswahl der völlig ungeeignet gewesenen Pflegeeltern seien dieselben, namentlich genannten Mitarbeiter des Jugendamtes Amstetten gewesen, die schon im "Fall Josef Fritzl" Entscheidungsträger gewesen seien und welche nach der Aufklärung des Falles in "Frühpension geschickt wurden". Der Antrag nach § 3 VOG werde in eventu erweitert auf die §§ 2ff VOG, somit auf alle denkbaren Hilfeleistungen. Hilfe sei nach § 1 Abs. 2 VOG auch dann zu leisten, wenn die strafgerichtliche Verfolgung des Täters wegen Verjährung oder aus einem anderen Grund unzulässig sei. Dies sei auch hier der Fall. Durch die Einstellung des Strafverfahrens gegen die Pflegeeltern wegen Verjährung sei gerade der vorliegende Fall unter leg. cit. zu subsumieren. Vorgelegt werde ein Konvolut an medizinischen Befunden und es werde die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Unter den vorgelegten Befunden findet sich unter anderem ein Bericht zur psychologischen Untersuchung der Beschwerdeführerin vom 17.10.2012 einer Klinischen- und Gesundheitspsychologin, in welchem als Vorstellungsgrund F 60.31 (Emotional instabile Persönlichkeitsstörung, Borderline-Typ) angeführt wird. Zur Lebensgeschichte der Beschwerdeführerin wird darin festgehalten, dass der Vater der Beschwerdeführerin "Quartalstrinker" gewesen und bei der Mutter der Beschwerdeführerin eine schizoaffektive Psychose diagnostiziert worden sei. Die ersten beiden Lebensjahre habe die Beschwerdeführerin relativ geordnet im bäuerlichen Anwesen der Großeltern in einer Großfamilie verbracht. Als die Beschwerdeführerin zwei Jahre alt gewesen sei, sei die Übersiedlung der Eltern und der Kinder nach Amstetten erfolgt. Im Alter von fünf Jahren sei die Beschwerdeführerin für zwei Wochen einer Pflegefamilie übergeben worden. Anschließend habe die Beschwerdeführerin bis zum achten Lebensjahr in einem Heim gelebt. Als die Beschwerdeführerin sieben Jahre alt gewesen sei, sei der Vater verünglückt. Die Beschwerdeführerin sei mit acht Jahren einer Pflegefamilie zugewiesen worden. Von ihrer Pflegemutter sei die Beschwerdeführerin schwer misshandelt und als gefühlskalt bezeichnet worden. Das Jugendamt habe nicht eingegriffen. Mit 16 Jahren habe die Beschwerdeführerin endlich den Mut gehabt sich ans Jugendamt zu wenden und habe danach bis zum 18. Lebensjahr wieder im Heim gelebt. In der Volksschule habe die Beschwerdeführerin Lese-Rechenschwierigkeiten gehabt. Die erste Klasse Hauptschule habe sie wiederholen müssen. Nach der Hauptschule habe sie mehrere Versuche einer Lehre gestartet. Mit 17 Jahren habe sie eine Zahntechnikerlehre begonnen und dann als Zahnarztassistentin gearbeitet. Ihr damaliger Chef sei mit ihr zufrieden gewesen. Mit 19 Jahren habe die Beschwerdeführerin das erste Mal geheiratet, die kinderlose Ehe habe fünf Jahre gedauert. Vom 22. bis 25. Lebensjahr habe die Beschwerdeführerin bei BIPA gearbeitet und sei Filialleiterin geworden. Mit 25 Jahren habe die Beschwerdeführerin das zweite Mal geheiratet, aus dieser Ehe stamme ihr Sohn. Wegen der Überforderung durch das hyperaktive Kind sei die Beschwerdeführerin stationär in XXXX aufgenommen worden. Ihr Sohn sei in diesen fünf Wochen bei einer Tagesmutter untergebracht gewesen. Mit 30 Jahren habe sich die Beschwerdeführerin scheiden lassen und sei danach in einer fünfjährigen Beziehung gewesen. Mit 35 habe sie erneut geheiratet, aus dieser Ehe stamme ihre Tochter. Als Diagnose wird F 60.31, zum damaligen Zeitpunkt in milder Ausprägung, gestellt. Weiters wurde ein Befund eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 03.09.2012 vorgelegt, in welchem ausgeführt wird, dass die Beschwerdeführerin berichtet habe, bisher bei zwei anderen Ärzten in nervenärztlicher Behandlung gewesen zu sein. Die Beschwerdeführerin lege - so im fachärztlichen Befund weiter - unter anderem einen Befund des XXXX , wo sich die Beschwerdeführerin im Jahr 2002 wegen Borderline-Störung in stationärer Behandlung befunden habe, vor. Bereits dort werde an lebensgeschichtlicher Entwicklung eine schwierige familiäre Konstellation mit Vernachlässigung in der Ursprungsfamilie, anschließenden Heimaufenthalten und schließlich die Unterbringung bei Pflegeltern, welche von der Beschwerdeführerin als ablehnend und aggressiv geschildert würden, beschrieben. Er sei von der Beschwerdeführerin nunmehr aufgesucht worden, weil sie für das Bundessozialamt eine Bestätigung brauche, wonach ihre gesamten weiteren psychischen Probleme auf den Aufenthalt bei den Pflegeeltern zurückzuführen seien. Als Diagnose wird eine anamnestisch bekannte Borderline-Störung gestellt. Eine medikamentöse Therapie sei bei der Beschwerdeführerin nicht erforderlich. Die anamnestisch bekannte Borderline-Störung sei als www.ris.bka.gv.at Seite 4 von 19 Bundesverwaltungsgericht 19.11.2015 multifaktorell anzusehen, wobei es durchaus vorstellbar sei, dass auch der Aufenthalt bei den Pflegeeltern für die Beschwerdeführerin einen traumatisierenden Einfluss gehabt habe. Dies lasse sich jedoch nicht mit einer für ein Gutachten erforderlichen Sicherheit feststellen und müsste gegebenenfalls durch gerichtliche Erhebungen weiter erhärtet werden. Die belangte Behörde gab beim dortigen Ärztlichen Dienst ein nervenfachärztliches und ein psychologisches Sachverständigengutachten in Auftrag und ersuchte um Beantwortung folgender Fragen: "1. Welche Gesundheitsschädigungen liegen bei der AW vor? [Im Schreiben von Dr. XXXX (Abl. 128) ist u.a. Folgendes festgehalten: "... schwierige familiäre Konstellation mit Vernachlässigung in der Ursprungsfamilie ... Diagnose: anamnestisch bekannte Borderline-Störung ... Die bekannte Borderline - Störung ist als multifaktorell anzusehen, wobei es durchaus vorstellbar ist, dass auch der Aufenthalt bei den Pflegeeltern für die Patientin einen traumatisierenden Einfluss hatte. Abl. 4] 2. Welche der bestehenden Gesundheitsschädigungen sind akausal [Im psycholo-gischen Befund vom 17.12.2008 (Abl. 86) wird festgehalten, dass die AW berichtet, dass ihre derzeit größten psychischen Belastungen familiäre Konflikte und daraus resultierend eine depressive Stimmung, Durchschlafstörungen und ein morgendliches Pessimum seien. In der Anamnese des Schreibens von Dr. XXXX (Abl. 125 - 127) steht u.a.: "Frau C. berichtet, dass sie insgesamt viermal verheiratet gewesen sei. Ihr dreizehnjähriger Sohn sei hyperaktiv und müsse Medikamente einnehmen. ... Sie habe eine 5 Monate alte Tochter und Schwierigkeiten mit ihrem jetzigen Ehemann, der vermutlich ebenfalls an Borderline erkrankt sei. ... (Ihr) Vater sei Quartalstrinker gewesen und bei ihrer Mutter sei jetzt endlich eine schizoaffektive Psychose diagnostiziert worden. Wegen der Überforderung durch das hyperaktive Kind sei sie schließlich stationär in XXXX aufgenommen worden ... 5 Wochen ... Ihr Ehemann leide an Gewaltausbrüchen und sie lebten derzeit quasi getrennt.]? Falls die Gesundheitsschädigung (bzw. die Gesundheitsschädigungen) konstitutionell bedingt oder durch umweit- und sozialisationsbedingte Faktoren entstanden ist (sind) und nicht als Folge einer späteren Traumatisierung aufgrund der der Unterbringung bei den Pflegeeltern hervorgeru-fen wurde(n), wird um Stellungnahme ersucht, in welchem Ausmaß diese Schädigungen) durch die Misshandlungserlebnisse verstärkt oder chronifiziert wurde(n). 3. Welche der festgestellten Gesundheitsschädigungen sind aus medizinischer Sicht mit Wahrscheinlichkeit (mehr oder weniger als 50 %) auf die behaupteten Missbrauchs- und Misshandlungserlebnisse während der Heimaufenthalte von 1972 bis 1978 zurückzuführen? 4. Falls das/die Verbrechen nicht alleinige Ursache ist/sind, wird um Beurteilung er-sucht, ob das/die Verbrechen als wesentliche Ursache zum derzeitigen Leidenszustand beigetragen hat/haben. Bei Bejahung der vorhergehenden Frage wird um Stellungnahme ersucht, in welchem Ausmaß die Misshandlungen und der Missbrauch während der Heimunterbringung als wesentliche Ursache zum derzeitigen Leidenszustand beitragen haben (weniger oder mehr als 50 % bzw. zu einem geringeren oder höheren Anteil als die akausalen Belastungsfaktoren?) und ausführlich darzulegen, was für den wesentlichen Einfluss des Verbrechens spricht und was dagegen. 5. Falls die Kausalität verneint wird, wird um Stellungnahme ersucht, worauf der festgestellte Leidenszustand zurückzuführen ist? 6. Falls die Kausalität bejaht wird, wird um Stellungnahme ersucht, ob das festgestellte verbrechenskausale Leiden a.) eine adäquate/angemessene Folge des Verbrechens ist? b.) einer psychotherapeutischen Behandlung bedarf? c.) den beruflichen Werdegang beeinflusst hat? www.ris.bka.gv.at Seite 5 von 19 Bundesverwaltungsgericht 19.11.2015 Für eine Dauerleistung nach dem VOG (im Sinne eines lebenslangen Verdienstentganges) muss objektiviert werden, inwieweit sich das gesamte Berufsleben der AW anders gestaltet hätte, wenn die schädigenden Ereignisse während des Aufenthalts bei den Pflegeeltern nicht stattgefunden hätten. Es ist also aus medizinischer Sicht zu beurteilen, inwieweit sich der Missbrauch und die Misshandlungen auf den Berufsverlauf ausgewirkt haben und inwieweit noch heute ein verbrechenskausaler Verdienstentgang objektiviert werden kann. (Die AW bezieht seit 1.8.2003 eine Berufsunfähigkeitspension.) Kann aus medizinischer Sicht gesagt werden, dass sich ohne die Traumatisierungen während des Aufenthalts bei den Pflegeeltern ein Berufsverlauf der AW ergeben hätte, der vom derzeitigen Zustand in der Weise abweicht, dass eine kontinuierliche Beschäftigung, und somit auch ein aktueller Verdienstentgang, abgeleitet werden könnte? Wenn eine diesbezügliche medizinische Beurteilung nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit erfolgen kann, wird um entsprechende Angabe gebeten." Mit Begleitschreiben vom 08.04.2013 legte der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin ein Konvolut an medizinischen Befunden vor. Unter den vorgelegten Unterlagen befindet sich ein Bericht vom 14.05.2002 der NÖ XXXX , wo die Beschwerdeführerin vom 28.03.2002 bis 02.05.2002 stationär behandelt wurde. In diesem wird zur Anamnese festgehalten, dass aus der lebensgeschichtlichen Entwicklung der Beschwerdeführerin eine sehr schwierige familiäre Konstellation mit instabilen Objektbeziehungen hervorgehe. Die Beschwerdeführerin sei von den leiblichen Eltern wegen Vernachlässigung weggekommen, sei zunächst in einem Heim und schließlich bei Pflegeeltern, welche sie als sehr ablehnend und aggressiv erlebt habe, aufgewachsen. Als Entlassungsdiagnosen werden eine schwere depressive Episode und eine Borderline-Störung gestellt. Weiters ist ein klinisch-psychologischer Kurzbericht vom 14.07.2013 darunter, in welchem zur Anamnese ausgeführt wird, dass die Beschwerdeführerin berichtet habe, dass ihr Vater ebenfalls ein Heimkind und schwer traumatisiert gewesen sei. Es habe keine sexuellen Übergriffe oder Gewalt gegen die Kinder gegeben, jedoch erinnere sich die Beschwerdeführerin, dass ihr Vater sehr grob und aggressiv gegen die Mutter gewesen sei. Es habe viel Streit gegeben und der Vater sei oft alkoholisiert gewesen. Die Mutter sei sehr zurückgezogen gewesen, einschränkend und überfordert. Laut späteren Befunden habe die Mutter an einer Schizoaffektiven Psychose gelitten. Die Abnahme der Beschwerdeführerin, ihrem Bruder und ihrer 14 Monate jüngeren Schwester von den leiblichen Eltern sei nach einer Delogierung wegen Verwahrlosung und Unterernährung erfolgt. In der Konklusion wird festgehalten, dass die Beschwerdeführerin durch die sexuellen Übergriffe im Heim, die Gewalt, Willkür und Ablehnung durch die Pflegemutter und die harte Arbeit als Kind sowohl körperliche als auch psychische Beeinträchtigungen erlitten habe, die sich auf das weitere Leben stark ausgewirkt hätten. Besonders die frühe Invalidität, die Beziehungsunfähigkeit, die Probleme mit den eigenen Kindern, Kontaktprobleme mit der Umgebung würden den Alltag schwer machen. Die Selbstverletzungstendenz, in diesem Zusammenhang müsse auch die Fresssucht genannt werden, sei ebenfalls als Traumafolgestörung zu werten. Im von der belangten Behörde veranlassten nervenfachärztlichen Sachverständigengutachten vom 14.06.2013 wird nach persönlicher Begutachtung der Beschwerdeführerin Folgendes ausgeführt: "Frau C., 38 Jahre alte Frau, kommt am Freitag, dem 14.6.2013 um 10.10 alleine zur Untersuchung und weist sich mit Reisepass aus. Aus der Anamnese: Sie sei in Amstetten geboren. Vater sei Hilfsarbeiter, Mutter Hausfrau gewesen. Sie habe 2 Geschwister, sie sei die älteste. 1 Schwester, 1 K Jahre jünger, 1 Bruder, 3 Jahre jünger. Sie sei 2 Jahre in Purgstall und 2 Jahre in Neustadtl in die Volksschule gegangen. Dann 5 Jahre Hauptschule. Die erste Klasse habe sie wiederholt. Danach habe sie 1 Jahr Koch/Kellner gelernt. Dann sei sie schon im Jugendheim Judenau gewesen. Nach 2 Monaten Probezeit als Koch/Kellner habe sie 1 Jahr Konditor in Wien gelernt. Sei dann als Anlernling in einem zahntechnischen Labor in Wien 1 Jahr tätig gewesen. Wegen Schmerzen habe sie aber dann in Krankenstand gehen müssen. Sie habe dann in einer Notschlafstelle wohnen müssen. Es sei ihr noch gelungen 3 Jahre bei BIPA zu arbeiten, zuerst in Teilzeit, danach habe sie es bis zur Filialleitung gebracht, aber seit vielen Jahren sei es ihr nicht mehr gelungen, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Seit 1998 sei sie in Krankenstand gewesen, unterbrochen durch Karenzzeit und Mutterschutz. Sie habe es immer wieder versucht, Arbeit zu finden und sei gescheitert. Seit ca. 10 Jahren sei sie in Berufsunfähigkeitspension. Diese sei wegen ihrer psychischen Beschwerden erfolgt. Mittlerweile sei aus der befristeten Pension eine unbefristete zugestanden worden. Nach nicht unproblematischen Kleinkindjahren sei sie ab dem 8. Lebensjahr gemeinsam mit ihren Geschwistern einer Pflegefamilie zugewiesen worden. Sie beschreibt (genaue Schilderung bitte dem umfangreichen Akt zu www.ris.bka.gv.at Seite 6 von 19 Bundesverwaltungsgericht 19.11.2015 entnehmen) grobe Misshandlungen, Demütigungen, Schläge, Ausgenütztwerden, Vernachlässigung und Lieblosigkeit seitens der Pflegeeltern. Mit 16 sei sie von der Pflegefamilie weggegangen und habe in einem Lehrlingsheim in Judenau gelebt. Ihre erste Beziehung habe sie mit 16 Jahren für ca. 1 Jahr gehabt. Mit 19 habe sie einen Tunesier geheiratet, mit dem sie zuvor schon einige Jahre zusammengelebt habe. Scheidung erfolgte 1998. Kein Kind aus dieser Ehe. Dann sei [sie] 5 Jahre mit einem Österreicher verheiratet gewesen. Aus dieser Ehe stammt der Sohn, heute 14 Jahre alt, welcher schwierig, aggressiv und schwer zu Hause haltbar wäre. Seit 4 Wochen befinde sich dieser im Heim Hinterbrühl. Eine dritte Ehe sei sie mit einem Türken eingegangen. 4 Jahre lang. Kein Kind. Ihr jetziger Ehemann sei ihr 4., sie sei zwar noch mit ihm verheiratet, aber sie leben getrennt sei[t] ca. 1 Jahr. Der Ehemann sei gewalttätig und leide mögliche[r]weise auch an einer borderline Persönlichkeitsstörung. Aus dieser Ehe stammt eine Tochter, 1 Jahr alt, welche bei ihr zu Hause sei und die sie versorge. Das Jugendamt sei eingeschaltet. Wegen ihrer psychischen Symptome mehrere stationäre Aufenthalte im Krankenhaus XXXX . Sie habe ihre Pflegeeltern zu klagen versucht. Ihre Schwester und ihr Bruder würden aber ihre Angaben nicht bestätigen und die Aussagen verweigern. Aus Angst, wie sie glaubt. Daher sei es auch nicht zu einer Weiterverfolgung der Anschuldigungen gekommen. Frühere Erkrankungen: Sprunggelenksverletzungen beidseits ca. 1988. Beidseits Operation. 1998 nochmalige Operation rechtes Fußgelenk. Osteosynthese. AE mit 21 Jahren. Magenring 2003 wegen Adipositas. 2008 Cholecystektomie wegen Steinen. 2009 Magenbypass-Operation. 2011 Bauchstraffungsoperation 2012 Sectio Vegetativ: Größe: 165 cm. Gewicht: von ursprünglich 170 und 150 kg jetzt 80 kg. Nikotin: 60 pro Tag. Alkohol: eher null, selten. Drogen: selten Cannabis. Medikation: Derzeit keine Psychopharmaca. Früher eine Unzahl. Soweit erinnerlich: Seroquel, Truxal, Lithium, verschiedene Antidepressia. Früher Psychotherapie, ca. 34 Jahr. Jetzt nicht mehr. Finanziell nicht mehr leistbar. Neurologischer Status: Regelrecht. Keine Halbseitenzeichen. Keine Pathologien. Sämtliche Steh- und Gehversuche regelrecht. Psychischer Status: Cognitiv keine Einbußen. Keine Denkstörungen. Keine produktive Symptomatik. Befindlichkeit schlecht, antriebsgestört, affektlabil. Immer wieder Stimmungsschwankungen. Todeswünsche, ohne konkrete Suizidideen. Vermindert affizierbar. Anamnestisch Hoch und Tiefs. Beantwortung der gestellten Fragen: 1. Frau C. leidet an einer Persönlichkeitsstörung vom Borderline Typus. www.ris.bka.gv.at Seite 7 von 19 Bundesverwaltungsgericht 19.11.2015 2. Diese wird nicht zum überwiegenden Teil als kausal angesehen, sondern als zum Teil konstitutionell, zum Teil durch die Probleme in der Ursprungsfamilie verursacht. (Der leibliche Vater sei "Quartalstrinker" gewesen, bei der leiblichen Mutter sei jetzt eine schizoaffe[k]tive Psychose diagnostiziert worden. Die ersten 2 Lebensjahre habe sie in der bäuerlichen Großfamilie verbracht. Aber mit ihrem 2. Lebensjahr sei die Familie nach Amstetten übersiedelt. In diese Zeit fällt auch ein erster Aufenthalt in einer Pflegefamilie für 2 Wochen. Danach habe sie bis zum 8. Lebensjahr in einem Heim gelebt und sei danach bis zum 16. Lebensjahr bei einer Pflegefamilie untergebracht gewesen. Der leibliche Vater sei tödlich verunglückt, als sie 7 Jahre alt gewesen sei.) Zu einem nicht überwiegenden Teil wurde die borderline Persönlichkeitsstörung schon vor der Verbringung in die Pflegefamilie angelegt und gefördert. Die Traumatisierungen durch den Aufenthalt in der Pflegefamilie haben die Persönlichkeitsstörung sicher nicht gebessert, sondern verstärkt, aber nicht zu einem überwiegenden Teil. 3. Die Persönlichkeitsstörung vom borderline Typus ist aus medizinischer Sicht nicht überwiegend auf den Heimaufenthalt oder auf die Traumatisierungen in der Pflegefamilie zurückzuführen. Bis zum 5. [bis] 6. Lebensjahr entwickelt sich die sogenannte "Kernpersönlichkeit", die gekoppelt ist an angeborene, genetische Faktoren. Bis dahin war Frau C. noch in ihrem ursprungsfamiliären Umfeld und erst ab dem 8. Lebensjahr bei den Pflegeeltern untergebracht. 4. Die Traumata, die durch den Aufenthalt bei der Pflegefamilie vom 8. [b]is zum 16. Lebensjahr zugefügt wurden, werden nicht als wesentliche Ursache zum derzeitigen Leidenszustand angesehen. Weniger als 50 % jedenfalls. Dagegen sprechen die Erkenntnisse aus der Entwicklungspsychologie, die die Persönlichkeitsentwicklung als ein multifaktorielles Geschehen ansieht. Einerseits wird die Persönlichkeit als Summe aus Charakter, Verhalten und Temperament angesehen und dies entsteht aus einer pränatalen, genetischen Disposition, aus der körperlichen Entwicklung und aus der Beziehungserfahrung. Bis zum 8. Lebensjahr ist die PersönlichkeitsGrundstruktur schon weitgehend abgeschlossen und entwickelt sich dann nur noch weiter. Die Grundzüge sind aber da schon angelegt. 5. Der festgestellte derzeitige Leidenszustand wird durch viele Faktoren hervorgerufen. Siehe auch unter Punkt 4. Zusätzlich bestehen bei Frau C. ja zahlreiche aktuelle Probleme, wie Schwierigkeiten mit ihrem pubertierenden Sohn, mit dem gewalttätigen Noch-Ehemann, mit der Überforderung durch das kleine Baby und auch finanzielle Engpässe. 6. Die alleinige Kausalität wird nicht bejaht." Im psychologischen Sachverständigengutachten vom 23.07.2013 wird wie folgt festgehalten: "AW erscheint mit Exmann und Tochter zur Untersuchung, die im Wartebereich warten. AW ist verheiratet, jedoch getrennt lebend (da Mann Borderlinestörung). Von diesem eine 1- jährige Tochter. Das 2. Kind (Sohn, 14 Jahre) lebt in einer WG in Hinterbrühl (freiwillig von Mutter). AW lebt mit Vater des Sohnes in "WG". AW seit ca. 2003 in BU-Pens. (psychische Gründe). Vater der AW verstorben als die 7. Jahre alt war, Vater war ebenfalls Heimkind, war aber ein guter Vater (keine Gewalt, geduldig), 2 jüngere Geschwister, Mutter hat die Kinder vernachlässigt (jetzt bei ihr schizoaffektive Störung festgestellt). AW und ihre Geschwister mit 5 Jahren für 2 Wochen zu Pflegeeltern gekommen, danach ins Heim für 3 Jahre. Dort sex. Missbrauch durch andere Jugendliche, Erbrochenes essen müssen Schikanen an der Tagesordnung (gutes Essen wurde portioniert, schlechtes musste sie das Doppelte essen ....). Nach den ca. 3 Jahren Heim zu Pflegeeltern gekommen. Von Heimleiterin wurde zu den Pflegeeltern gesagt, daß sie jeden Tag ihre "Pflichtwatschn" brauchen würde. Bei diesen Pflegeeltern 8 Jahre gelebt. AW "Diese 8 Jahre waren die Hölle"-gequält (auf Holz Knien müssen, mit Kochlöffel geschlagen worden ...). Pflegemutter wollte ihr ab ca. dem 15. LJ einen Nachbarn "einreden", zwang sie mit diesem wegzugehen. AW wurde nicht geschützt als sie von Schulkollegen gequält und sexuell belästigt wurde (u.a. in Brust zwicken etc.) www.ris.bka.gv.at Seite 8 von 19 Bundesverwaltungsgericht 19.11.2015 VS, HS, Lehre (Koch/Kellner, Konditor) nicht durchgehalten (wollte eigentlich weiter in die Schule gehen), Pflegemutter wollte nicht, das die AW eine Lehre macht. Ab dem 16. LJ im Schülerinternat Judenau gewohnt, für ca. 2 Jahre, danach Notschlafstelle in Wien, danach im Lehrlingsheim gewohnt. Hat als Koch/Kellner, Konditor, zahnärztl. Assistentin, im Zahnlabor, als Verkäuferin (zur Filialleiterin hochgearbeitet) etc. gearbeitet. 1. Ehe 19.-24. LJ, 1999 1. Kind (von 2. Ehemann), 3. Kind 2012 (von 4. Ehemann). Der 1. Ehemann (Tunesier) war eigentlich o.K., der 2. Ehemann war ebenfalls ein Pflegekind (ängstlicher Typ), war aber ein guter Kerl, 3. Ehemann (Türke) wahrscheinlich nur auf Papiere aus gewesen, 4. Ehemann (Kurde, Borderline). Mehrere SMV, 1. bereits im 11/12. LJ. Seit ca. 2001 medik. Therapie. Bereits mehrere stat. Aufenthalte in Psychiatrien, 1. war 2002, wollte ihren Sohn umbringen und wollte dann nicht mehr mit ihm zusammen sein - Diagnose: Borderlinesyndrom; Nachdem der Sohn nach Hinterbrühl gekommen ist, erlitt die AW eine Psychose. Ca. 2007/08 wieder Psychiatrie. Immer wieder wird betont, daß sie ein Problem damit habe über die 8 Jahre bei den Pflegeltern nicht reden zu dürfen. Derzeitige Beschwerden: Hab' alles probiert (Alkohol, Hasch etc.) um mich "rüberzuretten", schaffe mein Leben alleine nicht. Verwendetes Testverfahren: SKID Beantwortung der Fragestellungen: 1 .Die AW leidet an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. 2. Der weit überwiegende Anteil der Störung ist als akausal (konstitutionell-Mutter ebenfalls psychisch erkrankt bzw. bereits durch die Probleme in der Ursprungsfamilie- Vater alkoholkrank, Tod des trotz allen geliebten Vaters, vernachlässigende Mutter ....verursacht) anzusehen. Sicherlich haben die Misshandlungserlebnisse die bereits vorhandene psychische Störung noch verstärkt, jedoch nicht zum überwiegenden Teil. 3. Die festgestellte psychische Störung ist nicht mit der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit weit überwiegend auf die Erlebnisse während der Heimaufenthalte bzw. der Pflegefamilie zurückzuführen. 4. Nein, das Verbrechen hat nicht als wesentliche Ursache zum derzeitigen Leidenszustand beigetragen, vgl. oben. 5. Wie bereits oben ausgeführt ist der überwiegende Anteil der Störung akausaler Genese. 6. entfällt, da Störung zwar durch Erlebnisse im Heim verstärkt, jedoch nicht überwiegend, d.h. Kausalität nicht weit über 50% anzunehmen." Mit Schreiben der belangten Behörde vom 26.08.2013 wurde der Beschwerdeführerin zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens Parteiengehör gewährt und ihr die Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung des Schreibens gegeben. www.ris.bka.gv.at Seite 9 von 19 Bundesverwaltungsgericht 19.11.2015 Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin nahm dazu mit Schreiben vom 03.09.2013 Stellung. Mit der Stellungnahme wurde ein Schreiben des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung vom 31.07.2013 vorgelegt, in welchem der Beschwerdeführerin mitgeteilt wird, dass ihr die Inanspruchnahme einer Psychotherapie vorerst im Ausmaß von 40 Stunden bewilligt werde. Weiters wurde ein orthopädischfachärztliches Gutachten vom 05.11.2013 vorgelegt. Mit angefochtenem Bescheid vom 02.01.2014 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 09.08.2012 auf Ersatz des Verdienstentganges, Heilfürsorge in Form der Kostenübernahme für psychotherapeutische Krankenbehandlung und orthopädische Versorgung gemäß §§ Abs. 1 und Abs. 3, 3, 4 Abs. 5, 5 und 10 Abs. 1 VOG abgewiesen. Nach Zitierung der maßgeblichen Rechtsvorschriften, wird in der Begründung des Bescheides im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: "Gemäß ihren Angaben waren Sie von 1982 bis 1990 bei Pflegeeltern in Amstetten/Niederösterreich untergebracht und erfuhren bis zum Jahr 1989 sowohl psychische als auch physische Gewalt. Zu den Misshandlungen gehörten nach Ihren Angaben u.a., dass Sie 1984 von Ihren Pflegeeltern mit einem Teppichklopfer derart geschlagen wurden, dass Sie blaue Flecken am Gesäß und auf den Beinen hatten. Weiters mussten Sie scheitelknien, erhielten Ohrfeigen und wurden mit einem Kochlöffel auf die Finger geschlagen. Außerdem mussten Sie laut Ihren Angaben in derzeit zwischen 17:00 Uhr und 19:00 Uhr und vermehrt in den Ferien nicht kindgerechte Arbeiten, auf dem Bauernhof Ihrer Pflegeeltern, verrichten. Sie gaben in Ihrer Stellungnahme vom 3.9.2013 ergänzend an, dass Sie die Stallarbeiten auch im Krankheitsfall oder wenn Sie verletzt waren, durchführen mussten. Sie haben angegeben, dass Sie aufgrund der Vorfälle bei Ihren Pflegeeltern psychische und körperliche Schäden erlitten haben. Unter anderem gaben Sie an, dass Sie seit Ihrer Kindheit in der Kirche nicht mehr knien können, Rückenschmerzen und Depressionen haben und dass Sie aufgrund einer Abnutzung mehrmals an den Sprunggelenken operiert werden mussten. Ein Bruch des rechten Mittelfußknochens sei nicht behandelt worden. Anhaltspunkte, inwieweit sich ihr fiktiver Berufsverlauf ohne die während des Aufenthalts bei Ihren Pflegeeltern erlittenen physischen und psychischen Misshandlungen anders gestaltet hätte, sind den vorgelegten Unterlagen nicht zu entnehmen. Aus dem Versicherungsdatenauszug vom 25.10.2012 geht hervor, dass Sie ab 1.8.2003 eine Berufsunfähigkeitspension beziehen und Sie vorher als Arbeiterin bzw. Angestellte beschäftigt waren, davon laut Ihren Angaben in den Jahren 1997 und 1998 als Filiaileiterin. Im PVA-Gutachten aus 2009 sind als Ursachen der Erwerbs Unfähigkeit manisch- depressives Kranksein mit leichter bzw. mittelgradiger Episode, kombinierte Persönlichkeitsstörung, Adipositas, Zustand nach Magenbypass-Operation und Lumbalgie ohne radikuläre Symptomatik angeführt. Laut nervenfachärztlichen und psychologischen Sachverständigengutachten, basierend auf den Untersuchungen im Juni 2013, wurde bei Ihnen eine Borderline- Persönlichkeitsstörung festgestellt. Der weitaus überwiegende Anteil der Störung ist sowohl aus psychologischer als auch aus medizinischer Sicht als akausal anzusehen und nicht auf die Traumatisierungen während der Unterbringung bei der Pflegefamilie zurückzuführen, sondern zum Teil konstitutionell bedingt, zum Teil durch die Probleme der Ursprungsfamilie verursacht. Die BorderlinePersönlichkeitsstörung wurde schon vor Verbringung in die Pflegefamilie angelegt und gefördert. Die Traumatisierungen durch den Aufenthalt in der Pflegefamilie haben die Persönlichkeitsstörung zwar verstärkt, jedoch nicht zu einem überwiegenden Teil. Auch hat das Verbrechen nicht als wesentliche Ursache zum derzeitigen Leidenszustand beigetragen, was sich aus entwicklungspsychologischen Erkenntnissen ableiten lässt, wonach sich die Persönlichkeitsentwicklung als multifaktorielles Geschehen darstellt und die Grundstruktur der Persönlichkeit bis zum 8. Lebensjahr schon weitgehend abgeschlossen ist, die Unterbringung in der Pflegefamilie aber erst danach erfolgte. Der von Ihnen vorgelegte klinisch-psychologische Kurzbericht der klinischen Psychologin XXXX ist nicht geeignet, die Schlüssigkeit der eingeholten nervenfachärztlichen und psychologischen Gutachten in Zweifel zu ziehen. Es geht aus diesem Gutachten nicht hervor, dass mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass Ihr momentaner Lebenszustand eine Folge der in Ihrer Kindheit und Jugend erlebten Geschehnisse ist. www.ris.bka.gv.at Seite 10 von 19 Bundesverwaltungsgericht 19.11.2015 Ihr Ansuchen um Ersatz des Verdienstentganges gemäß § 3 VOG wird nicht bewilligt werden können, weil das Vorliegen eines verbrechenskausalen Verdienstentganges im fiktiven schadensfreien Verlauf zum Zeitpunkt der Antragstellung (bzw. Antragsfolgemonat September 2012) somit nicht mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann. Nach den gesetzlichen Bestimmungen des VOG muss mit Wahrscheinlichkeit feststehen, dass die durch diese Misshandlungen und den Missbrauch erlittenen Schädigungen Ihren beruflichen Werdegang dermaßen beeinträchtigten, dass Sie heute nicht den Beruf ausüben, dem Sie bei Nicht-Erleben dieser Ereignisse nachgehen könnten und deshalb heute (d.h. ab September 2012) noch immer einen Verdienstentgang erleiden. Die bloße Möglichkeit der Verursachung reicht für eine Leistung nach den Bestimmungen des VOG jedoch nicht aus. Die Annahme eines - von den tatsächlichen Umständen abweichenden - fiktiven schadensfreien Verlaufes könnte nur auf der Grundlage einer Wahrscheinlichkeit in dem Sinne erfolgen, dass erheblich mehr für als gegen das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 und § 3 VOG spricht. Für eine derartige Annahme fehlen jedoch ausreichende Anhaltspunkte. Die Annahme der Wahrscheinlichkeit bezieht sich dabei sowohl auf die Voraussetzung der tatbildmäßigen Handlung als auch auf den ursächlichen Zusammenhang der Gesundheitsschädigung bzw. Körperverletzung mit dieser Handlung (Ernst-Prakesch; Die Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen, $.13, FN 8 zu § 1 VOG). Dass die Misshandlungen während der Unterbringung bei der Pflegefamilie ihren beruflichen Werdegang maßgeblich beeinflusst haben, kann aus den Sachverständigengutachten nicht abgeleitet werden, vielmehr ist ihre Berufs Unfähigkeit überwiegend auf akausale Faktoren zurückzuführen. Es kann nicht festgestellt werden, dass ohne die traumatisierenden Erfahrungen in der Kindheit ihr beruflicher Werdegang wesentlich anders verlaufen wäre. Ihre im Rahmen des Parteiengehörs abgegebene Stellungnahme war nicht geeignet, eine abweichende Beurteilung der Ermittlungsergebnisse zu ermöglichen. Die dem Bescheid zugrunde liegenden Schlussfolgerungen erfolgten anhand der durchgeführten nervenfachärztlichen und psychologischen Untersuchungen und der vorliegenden schlüssigen Gutachten. Ihre Argumentation, dass sich aus der Tatsache, dass Sie mit 16 Jahren noch keine abgeschlossene Berufsausbildung hatten, ein verbrechenskausaler Verdienstentgang ergäbe, ist nicht nachvollziehbar. Sie gaben selbst an, dass Ihnen bei Eignungstest zwischen dem 16. und 26. Lebensjahr attestiert worden sein, mit Ausnahme eines Sozialberufes jeden Beruf erlernen und auch eine schulische Ausbildung durchführen zu können. Zu den Ermittlungsergebnissen wird angemerkt, dass nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung die Folgen der objektiven Beweislosigkeit oder die Unmöglichkeit, entscheidungsrelevante Tatsachen festzustellen, - auch bei amtswegiger Ermittlungspflicht - von dem zu tragen sind, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will. Zusätzlich wird auf die neueste Judikatur des OGH zu den "Grenzen des Verdienstentganges" hingewiesen, wonach selbst bei Bejahung der Kausalität und Adäquanz eines zugefügten Schadens (bzw. einer dadurch herbeigeführten Gesundheitsschädigung) nicht zwangsläufig jede Änderung im Berufsverlauf zu einem anzuerkennenden verbrechenskausalen Verdienstentgang führt, insbesondere wenn diese nicht zwangsläufig durch das schädigende Ereignis oder die Schadensentwicklung ausgelöst bzw. bedingt wird. Da das Verbrechen nach den Gutachten nicht als wesentliche Ursache zum derzeitigen Leidenszustand beigetragen hat und nur eine Teilkausalität angenommen werden kann, kann der Antrag auf Übernahme der Kosten für die psychotherapeutische Krankenbehandlung nicht bewilligt werden. Die beantragte orthopädische Versorgung kann nicht bewilligt werden, da nicht mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, dass ihre physischen Gesundheitsschädigungen auf die Misshandlungserlebnisse bei ihren Pflegeeltern im Zuge einer Vorsatztat im Sinne des § 1 Abs.1 VOG zurückzuführen sind. Eine zusätzliche eingehende Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen gern. § 1 Abs.1 VOG im Hinblick auf die strafrechtliche Qualifikation und die anzuwendenden strafrechtlichen Bestimmungen war - aufgrund der fehlenden Kausalitätsnachweise für einen Verdienstentgang, die beantragte Heilfürsorge und die orthopädische Versorgung - entbehrlich. Von weiteren Erhebungen war daher abzusehen." Gegen den Bescheid vom 02.01.2014 erhob die rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 17.0.2014 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Vorgebracht wird darin, dass sich der angefochtene Bescheid im Wesentlichen darauf beziehe, dass die Kausalität nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit hergestellt werden könne. Es würden auch andere Kausalursachen als möglich angegeben, ohne dass diese jedoch mit entsprechendem Aufwand geprüft worden wären. Wenn die Kausalität durch die evidente www.ris.bka.gv.at Seite 11 von 19 Bundesverwaltungsgericht 19.11.2015 Unterbringung bei der Pflegefamilie, die ja sogar zu einer Entschädigung durch die Opferschutzkommission geführt, was die belangte Behörde zu Unrecht völlig außer Acht gelassen habe, abgelehnt werde, so müsse die Kausalität durch die genannten anderen Faktoren genau geprüft werden, um eine höhere Wahrscheinlichkeit darzustellen. Dies sei jedoch im Zuge eines wesentlichen Verfahrensmangels nicht erfolgt. Es gebe keine Nachweise, weshalb die Störung "konstitutionell bedingt sein könnte", solche Nachweise müssten objektiv nachprüfbar vorliegen, damit sie stärker wiegten als die Verletzungen in der Pflegefamilie, eine Wahrscheinlichkeitsannahme zu Lasten der Beschwerdeführerin reiche nicht aus. Ebenso würden keine nachvollziehbaren Nachweise vorliegen, wonach "Probleme in der Herkunftsfamilie" kausal gewesen sein könnten. Auch hier müsse die Nachweisführung derart eindeutig sein, dass sie die Traumatisierungen in der Pflegefamilie überwiegen würden. Wahrscheinlichkeitsannahmen reichen auch diesbezüglich nicht aus, nachgewiesene Misshandlungen aufzuwiegen. So gebe es auch keine nachgewiesenen Indizien, wonach Borderline-Störungen schon vor der Kindesabnahme zugrunde gelegt worden sein sollten. So eine ex-post Diagnose sei in der psychiatrischen Wissenschaft gar nicht möglich, denn es gebe keine wissenschaftliche Methodik, aus irgendwelchem kindlichen Verhalten die Wahrscheinlichkeit des späteren Auftretens irgendwelcher Störungen oder Krankheiten vorauszusagen. Die psychologische Wissenschaft sei nur in der Lage, im Nachhinein eventuell mögliche Ursachen festzustellen, eine Wahrscheinlichkeitsprognose, wonach bei einem fünfjährigen Kind einmal eine Borderline-Störung auftreten könnte, sei wissenschaftlich absolut ausgeschlossen. Auch entbehre die Ansicht, dass die Persönlichkeitsentwicklung mit dem achten Lebensjahr abgeschlossen sei, völlig jeglicher wissenschaftlichen Grundlage. Wäre dem so, müssten Kinder nach dem achten Lebensjahr therapeutisch wegen zu erwartender Zwecklosigkeit völlig aufgegeben werden. Da also in den bisherigen Befunden und Gutachten keine Beweise für die Sicherheit anderer Ursachen in der Kausalitätskette hätten erbracht werden können, müsse eigentlich zwingend darauf hingewiesen sein, dass die evidenten Misshandlungen, die mit der erwiesenen Wahrscheinlichkeit zu den Gesundheitsstörungen und Erwerbsbeeinträchtigungen geführt hätten, allein kausal gewesen seien. Denn bei den möglicherweise sonst noch vermuteten Ursachen gebe es absolut keine Beweise und Unterlagen, dass sie mit größerer Wahrscheinlichkeit kausal sein sollten. Die belangte Behörde habe es auch unterlassen ausreichend nachzuprüfen, inwiefern sich ein fiktiver Berufsverlauf ohne die von den Pflegeeltern erlittenen psychischen und physischen Misshandlungen dargestellt hätte. Zusammengefasst sei die belangten Behörde schon allein auf Grund des Antragsvorbringens und den vorgelegten Urkunden im Zuge der sie treffenden Manuduktionspflicht verhalten, ein umfassendes, sämtliche anzudenkenden Aspekte berücksichtigendes psychiatrisches Gutachten einzuholen. Es werde jedenfalls beantragt, ein solches einzuholen. Aus diesem werde sich ergeben, dass dem Antrag stattzugeben sei, zumal sehr wohl wegen der gegenständlichen Misshandlungen die Beschwerdeführerin nicht in der Lage sei, den erheblich einkommensträchtigeren Beruf auszuüben, den sie ohne dieselben ausüben hätte können. Immerhin gelte die Beschwerdeführerin seit 01.08.2003 als berufsunfähig. Es werde beantragt zu dem ergänzend einzuholenden Gutachten, "aber auch zum Zuspruch des Betrages von € 25.000,-- durch die Opferschutzkommission", die Beschwerdeführerin ergänzend einzuvernehmen. Aus all diesen Gründen habe es die belangte Behörde auch zu Unrecht unterlassen, die Voraussetzungen gemäß § 1 Abs. 1 VOG, nämlich die strafrechtliche Qualifikation des Verhaltens der Pflegeeltern zu überprüfen. Am 09.07.2014 langten weitere Unterlagen beim Bundesverwaltungsgericht ein, darunter ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten vom 16.07.2013, welches vom Bundessozialamt Niederösterreich in Auftrag gegeben wurde und in welchem der Gesamtgrad der Behinderung mit 80 v.H. auf Grund des führenden Leidens "Emotional-instabile Persönlichkeitsstörung" eingeschätzt wurde, ein Schreiben der Österreichischen Landesregierung vom 11.12.2013, wonach der Beschwerdeführerin für ihre Erlebnisse bei einer Einrichtung des Landes und einer Pflegefamilie in der der Vergangenheit auf Grund der glaubwürdig geschilderten Vorkommnisse vor der Opferschutzkommission eine finanzielle Hilfestellung in Höhe von € 25.000,-- gewährt werde sowie ein Konvolut an medizinischen Unterlagen des Landesklinikums Mostviertel Amstetten zu den dortigen Behandlungen der Beschwerdeführerin im Jahr 1988. II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 1. Feststellungen: Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin. Sie brachte am 10.09.2013 den gegenständlichen Antrag auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form des Verdienstentganges, der Heilfürsorge und der Orthopädischen Versorgung beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, ein. Die 1974 geborene Beschwerdeführerin verbrachte die ersten zwei Lebensjahre in relativ geordneten Verhältnissen im bäuerlichen Anwesen der Großeltern in einer Großfamilie. Als die Beschwerdeführerin zwei Jahre alt war, zog sie mit ihren Eltern und ihren zwei leiblichen Geschwistern nach Amstetten. Im Alter von fünf Jahren wurde die Beschwerdeführerin erstmals für zwei Wochen einer Pflegefamilie übergeben. Die Abnahme der Beschwerdeführerin und ihrer Geschwister von den leiblichen Eltern erfolgte wegen Verwahrlosung und www.ris.bka.gv.at Seite 12 von 19 Bundesverwaltungsgericht 19.11.2015 Unterernährung. Anschließend lebte die Beschwerdeführerin bis zum achten Lebensjahr, ebenso wie ihre beiden jüngeren Geschwister, im Landesjugendheim Schauboden. Die Beschwerdeführerin und ihre Geschwister kamen 1982 über Vermittlung des Jugendamtes zur Pflegefamilie M. und G. S., wo die Beschwerdeführerin bis 1990, also bis zu ihrem 16. Lebensjahr lebte. Danach war die Beschwerdeführerin bis zu ihrem 18. Lebensjahr im Schülerinternat in Schloss Judenau untergebracht. Als die Beschwerdeführerin sieben Jahre alt war, ist ihr Vater, der den Angaben der Beschwerdeführerin zu Folge "Quartalstrinker" war, bei einem Motorradunfall gestorben. Bei der Mutter der Beschwerdeführerin wurde eine schizoaffektive Psychose attestiert. Im Kinderheim erfuhr die Beschwerdeführerin sexuellen Missbrauch durch andere Heimkinder, musste Erbrochenes essen und bekam Ohrfeigen wegen der Hausübungen und des Essens. Während ihres Aufenthaltes bei den Pflegeltern im Zeitraum 1982 bis 1990 musste die Beschwerdeführerin auf dem Bauernhof nicht kindergerechte Arbeiten verrichten. 1984 wurde die Beschwerdeführerin von ihren Pflegeeltern mit einem Teppichklopfer geschlagen, so dass sie blaue Flecken am Gesäß und auf den Beinen hatte. Die Beschwerdeführerin musste im Rahmen der Erziehung durch ihre Pflegeeltern "scheitelknien", erhielt Ohrfeigen und wurde mit einem Kochlöffel auf die Finger geschlagen. 1988 zog sich die Beschwerdeführerin zwei Mal einen Bänderriss zu. Im Februar 1988 am linken Fuß, als sie beim Laufen "umknöchelte" und im September 1988 am rechten Fuß, weil sie "in der Bäckerei über eine Stufe gehüpft" ist. Nach beiden Vorfällen wurde die Beschwerdeführerin im Krankenhaus Amstetten medizinisch behandelt und an den Sprunggelenken operiert. 1998 wurde die Beschwerdeführerin nochmals am rechten Fußgelenk operiert. Die Beschwerdeführerin leidet derzeit an einer chronischen lateralen Seitenbandinstabilität am rechten Sprunggelenk. Die Beschwerdeführerin erstattete gegen die Pflegeltern M. und G. S. Anzeige wegen § 92 Abs. 1 und 3 StGB und § 104 Abs. 1 StGB. Das diesbezügliche Ermittlungsverfahren wurde von der Staatsanwaltschaft St. Pölten eingestellt. Mit Schreiben der Österreichischen Landesregierung vom 11.12.2013 wurde der Beschwerdeführerin für ihre Erlebnisse bei einer Einrichtung des Landes und einer Pflegefamilie in der Vergangenheit auf Grund der glaubwürdig geschilderten Vorkommnisse vor der NÖ Opferschutzkommission eine finanzielle Hilfestellung in Höhe von € 25.000,-- und eine Therapie im Ausmaß von 80 Stunden gewährt. Die Beschwerdeführerin bezieht seit 01.08.2003 eine Berufsunfähigkeitspension. Die Beschwerdeführerin leidet an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, deren überwiegender Teil als akausal anzusehen, teilweise konstitutionell bedingt und zum Teil durch die Probleme in der Ursprungsfamilie verursacht ist. Die Erlebnisse im Rahmen des Aufenthaltes bei der Pflegefamilie im Zeitraum 1982 bis 1990 haben die bereits vor Unterbringung bei der Pflegefamilie vorgelegene Persönlichkeitsstörung zwar verstärkt, aber nicht zu einem überwiegenden Teil. Was die übrigen, von der Beschwerdeführerin im Rahmen der gegenständlichen Antragstellung angegebenen Gesundheitsschädigungen betrifft, so kann nicht festgestellt werden, dass diese auf eine Vorsatztat der Pflegeltern im Sinne des § 1 Abs. 1 VOG zurückzuführen sind. 2. Beweiswürdigung: Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz basiert auf dem Akteninhalt. Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin basiert auf den Angaben der Beschwerdeführerin und dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Melderegisterauszug. Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen basieren auf dem Akteninhalt, insbesondere auf den von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Unterlagen, den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin im Rahmen der auf Grund der Anzeige gegen die Pflegeeltern erfolgten Zeugenvernehmung als Opfer am 14.07.2011 und der Begründung der Einstellung des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft St. Pölten vom 23.11.2011. www.ris.bka.gv.at Seite 13 von 19 Bundesverwaltungsgericht 19.11.2015 Die Feststellung zum Bezug der Berufsunfähigkeitspension basiert auf dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten ärztlichen Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstellte Niederösterreich, vom 06.07.2009 zum Antrag der Beschwerdeführerin zur Weitergewährung einer bis 31.07.2009 befristeten Berufsunfähigkeitspension und Pflegegeldneubemessung. Die Feststellungen zu der bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Borderline-Persönlichkeitsstörung basieren auf den von der Beschwerdeführerin selbst vorgelegten medizinischen Befunden, insbesondere dem Befundbericht der NÖ XXXX vom 14.05.2002, und den im Auftrag der belangten Behörde erstellten nervenfachärztlichen Sachverständigengutachten vom 14.06.2013 und dem psychologischen Sachverständigengutachten vom 14.06.2013. Die Feststellung, dass die Borderline-Persönlichkeitsstörung nicht überwiegend auf die Erlebnisse der Beschwerdeführerin im Rahmen der Unterbringung bei der Pflegefamilie bzw. auf die zuvor erfolgte Heimunterbringung zurückzuführen ist, basiert auf den nervenfachärztlichen und psychologischen Amtssachverständigengutachten der belangten Behörde, in welchen die Sachverständigen übereinstimmend und für das Bundesverwaltungsgericht vor dem Hintergrund des vorliegenden Akteninhaltes nachvollziehbar zum Ergebnis gelangen, dass der weit überwiegende Anteil der Persönlichkeitsstörung als akausal anzusehen ist. Die festgestellten Erlebnisse im Rahmen der Unterbringung bei der Pflegefamilie bzw. während der Heimunterbringung haben den Sachverständigen zu Folge die psychische Störung der Beschwerdeführerin zwar verstärkt, aber nicht überwiegend verursacht. Es ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht als unschlüssig anzusehen, wenn die Sachverständigen die Grundlage für die Borderline-Persönlichkeitsstörung zum Teil als anlagebedingt und zum Teil durch die Probleme in der Ursprungsfamilie verursacht ansehen, zumal bereits im Befundbericht der NÖ XXXX aus Mai 2002 festgehalten wird, dass aus der lebensgeschichtlichen Entwicklung der Beschwerdeführerin eine sehr schwierige familiäre Konstellation mit instabilen Objektbeziehungen hervorgeht. Weiters gab die Beschwerdeführerin selbst an, ihr Vater sei alkoholkrank und aggressiv der Mutter gegenüber gewesen und die Mutter der Beschwerdeführerin leide an einer schizoaffektiven Psychose. Im von der Beschwerdeführerin vorgelegten klinisch-psychologischen Kurzbericht vom 14.07.2013 wird ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin berichtet habe, dass ihr Vater ebenfalls ein Heimkind und schwer traumatisiert gewesen sei und erinnere sich die Beschwerdeführerin, dass ihr Vater sehr grob und aggressiv gegen die Mutter gewesen sei. Es habe viel Streit gegeben und der Vater sei oft alkoholisiert gewesen. Die Mutter sei sehr zurückgezogen gewesen, einschränkend und überfordert. Die Abnahme der Beschwerdeführerin, ihrem Bruder und ihrer 14 Monate jüngeren Schwester von den leiblichen Eltern sei nach einer Delogierung wegen Verwahrlosung und Unterernährung erfolgt. Die Amtssachverständigengutachten werden auch vom Befundbericht des Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 04.09.2012, welcher von der Beschwerdeführerin vorgelegt wurde, gestützt, in welchem festgehalten wird, dass die bei der Beschwerdeführerin anamestisch bekannte Borderline-Störung als multifaktorell anzusehen ist und sich nicht mit einer für ein Gutachten erforderlichen Sicherheit feststellen lasse, dass der Aufenthalt bei den Pflegeltern für alle weiteren psychischen Probleme der Beschwerdeführerin verantwortlich ist. Die Ausführungen des Rechtsvertreters in der Beschwerde vermochten die Ausführungen und Schlussfolgerungen in den von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten nicht zu entkräften; sofern in der Beschwerde auf wissenschaftliche Methoden und wissenschaftliche Erkenntnisse Bezug genommen wird, so ist nicht erkennbar, auf welchen Quellen diese fußen, zumal im Rahmen der Beschwerde den vorliegenden Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten wurde und im gesamten Verfahren keine medizinischen Unterlagen vorgelegt wurden, die im Widerspruch zu den vorliegenden Sachverständigengutachten stehen. Der im Rahmen der Beschwerde gestellte Antrag auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens konnte vor dem Hintergrund des bereits von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachtens einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 14.06.2013, welchen wie bereits erwähnt nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten wurde, und welches als schlüssig, vollständig und widerspruchsfrei angesehen wird, unterbleiben. 3. Rechtliche Beurteilung: Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. www.ris.bka.gv.at Seite 14 von 19 Bundesverwaltungsgericht 19.11.2015 Gemäß § 9d Abs.1 Verbrechensopfergesetz (VOG) entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide nach diesem Bundesgesetz das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört. Es liegt somit Senatszuständigkeit vor. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte. Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Zu A) Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Verbrechensopfergesetzes, BGBl. 288/1972 idF BGBl. 57/2015 (VOG), lauten (auszugsweise): "Kreis der Anspruchsberechtigten § 1 (1) Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie 1. durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben oder 2. durch eine an einer anderen Person begangene Handlung im Sinne der Z 1 nach Maßgabe der bürgerlichrechtlichen Kriterien einen Schock mit psychischer Beeinträchtigung von Krankheitswert erlitten haben oder 3. als Unbeteiligte im Zusammenhang mit einer Handlung im Sinne der Z 1 eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten haben, soweit nicht hieraus Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz, BGBl. Nr. 20/1949, bestehen, und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist. ... (3) Wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit ist Hilfe nur zu leisten, wenn 1. dieser Zustand voraussichtlich mindestens sechs Monate dauern wird oder 2. durch die Handlung nach Abs. 1 eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB, BGBl. Nr. 60/1974) bewirkt wird. ... Hilfeleistungen § 2. Als Hilfeleistungen sind vorgesehen: www.ris.bka.gv.at Seite 15 von 19 Bundesverwaltungsgericht 1. 19.11.2015 Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges; 2. Heilfürsorge a) ärztliche Hilfe, b) Heilmittel, c) Heilbehelfe, d) Anstaltspflege, e) Zahnbehandlung, f) Maßnahmen zur Festigung der Gesundheit (§ 155 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955); ... 3. orthopädische Versorgung a) Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, deren Wiederherstellung und Erneuerung, b) Kostenersatz für Änderungen an Gebrauchsgegenständen sowie für die Installation behinderungsgerechter Sanitärausstattung, c) Zuschüsse zu den Kosten für die behinderungsgerechte Ausstattung von mehrspurigen Kraftfahrzeugen, d) Beihilfen zur Anschaffung von mehrspurigen Kraftfahrzeugen, e) notwendige Reise- und Transportkosten; Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges § 3. (1) Hilfe nach § 2 Z 1 ist monatlich jeweils in Höhe des Betrages zu erbringen, der dem Opfer durch die erlittene Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 3) als Verdienst oder den Hinterbliebenen durch den Tod des Unterhaltspflichtigen als Unterhalt entgangen ist oder künftighin entgeht. Sie darf jedoch zusammen mit dem Einkommen nach Abs. 2 den Betrag von monatlich 2 068,78 Euro nicht überschreiten. Diese Grenze erhöht sich auf 2 963,23 Euro, sofern der Anspruchsberechtigte seinen Ehegatten überwiegend erhält. Die Grenze erhöht sich weiters um 217,07 Euro für jedes Kind (§ 1 Abs. 5). Für Witwen (Witwer) bildet der Betrag von 2 068,78 Euro die Einkommensgrenze. Die Grenze beträgt für Waisen bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres 772,37 Euro, falls beide Elternteile verstorben sind 1 160,51 Euro und nach Vollendung des 24. Lebensjahres 1 372,14 Euro, falls beide Elternteile verstorben sind 2 068,78 Euro. Diese Beträge sind ab 1. Jänner 2002 und in der Folge mit Wirkung vom 1. Jänner eines jeden Jahres mit dem für den Bereich des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes festgesetzten Anpassungsfaktor zu vervielfachen. Die vervielfachten Beträge sind auf Beträge von vollen 10 Cent zu runden; hiebei sind Beträge unter 5 Cent zu vernachlässigen und Beträge von 5 Cent an auf 10 Cent zu ergänzen. Übersteigt die Hilfe nach § 2 Z 1 zusammen mit dem Einkommen nach Abs. 2 die Einkommensgrenze, so ist der Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges um den die Einkommensgrenze übersteigenden Betrag zu kürzen. ... Heilfürsorge § 4. (1) Hilfe nach § 2 Z 2 ist nur für Körperverletzungen und Gesundheitsschädigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 zu leisten. Opfer, die infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 eine zumutbare Beschäftigung, die den www.ris.bka.gv.at Seite 16 von 19 Bundesverwaltungsgericht 19.11.2015 krankenversicherungsrechtlichen Schutz gewährleistet, nicht mehr ausüben können, sowie Hinterbliebene (§ 1 Abs. 4) erhalten Heilfürsorge bei jeder Gesundheitsstörung. ... Orthopädische Versorgung § 5. (1) Hilfe nach § 2 Z 3 ist nur für Körperverletzungen und Gesundheitsschädigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 zu leisten. Opfer, die infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 eine zumutbare Beschäftigung, die den krankenversicherungsrechtlichen Schutz gewährleistet, nicht mehr ausüben können, sowie Hinterbliebene (§ 1 Abs. 4) erhalten orthopädische Versorgung bei jedem Körperschaden. ..." Im gegenständlichen Fall begehrte die Beschwerdeführerin, die österreichische Staatsbürgerin ist, Hilfeleistungen nach dem VOG in Form des Verdienstentganges, der Heilfürsorge und der Orthopädischen Versorgung. Bei der Beschwerdeführerin liegen als Gesundheitsschädigungen aktuell eine BorderlinePersönlichkeitsstörung, Lumbalgie und eine chronische Sprunggelenksinstabilität vor. Im Fall der Beschwerdeführerin ist zu prüfen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Z 1 VOG, wonach Anspruch auf Hilfe österreichische Staatsbürger haben, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist, erfüllt sind. Die Materialien zur Stammfassung des § 1 VOG, BGBl. 288/1972, GP XIII RV 40. S. 8, lauten (auszugsweise): " ... Ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfeleistungen im Einzelfall gegeben sind, soll möglichst ohne ein aufwendiges Beweisverfahren festgestellt werden. Der Entwurf bestimmt daher, daß sich das zur Gewährung von Hilfeleistungen berufene Organ mit der Feststellung der Wahrscheinlichkeit der tatsächlichen Voraussetzungen begnügen darf. Eine ähnliche Regelung befindet sich im § 4 das Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, das ebenfalls die Versorgung von der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges zwischen der Gesundheitsschädigung und dem schädigenden Ereignis abhängig macht. ..." Für die Auslegung des Begriffes "wahrscheinlich" ist der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlichen-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (VwGH 01.12.1988, 88/09/0135). Was zunächst die Frage betrifft, ob die Gesundheitsschädigung Borderline-Persönlichkeitsstörung mit Wahrscheinlichkeit auf eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung zurückzuführen ist, ist festzuhalten, dass den im Auftrag der belangten Behörde erstellten Sachverständigengutachten, die vom Bundesverwaltungsgericht als schlüssig und widerspruchsfrei angesehen werden, zu Folge, die Persönlichkeitsstörung der Beschwerdeführerin zum überwiegenden Teil als akausal anzusehen ist. Es kann sohin nicht mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die Borderline-Persönlichkeitsstörung auf die Erlebnisse bei der Pflegefamilie bzw. im Kinderheim zurückgeführt werden kann, weshalb die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Z 1 VOG bereits mangels dieser Tatbestandsvoraussetzung nicht erfüllt sind. Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist vielmehr zum Teil anlagebedingt und teilweise auf die Situation in der Ursprungsfamilie zurückzuführen, wobei festzuhalten ist, dass im Zusammenhang mit der Situation in der Ursprungsfamilie keine Vorfälle hervorgekommen sind, die im Sinne des § 1 Abs. 1 VOG maßgeblich wären. Vor diesem Hintergrund ist es der belangten Behörde - entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde - auch nicht vorzuwerfen, wenn sie im angefochtenen Bescheid die Frage der strafrechtlichen Qualifikation der Vorfälle im Rahmen der Unterbringung bei der Pflegefamilie im Zeitraum 1982 bis 1990 bzw. im Rahmen des davor www.ris.bka.gv.at Seite 17 von 19 Bundesverwaltungsgericht 19.11.2015 erfolgten Heimaufenthaltes im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 VOG nicht behandelt und keine entsprechende Subsumtion unter die im Fall der Beschwerdeführerin in Frage kommenden Straftatbestände vornimmt. Was die übrigen Gesundheitsschädigungen Lumbalgie und chronische Sprunggelenksinstabilität betrifft, gab die Beschwerdeführerin an, diese Gesundheitsschädigungen würden nicht vorliegen, wenn die Pflegeltern der Beschwerdeführerin für eine entsprechende medizinische Versorgung gesorgt hätten. Eine Vorsatztat im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 VOG seitens der Pflegeltern der Beschwerdeführerin kann jedoch auch vom Bundesverwaltungsgericht nicht mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Die Beschwerdeführerin legte selbst medizinische Unterlagen vor, welchen entnommen werden kann, dass die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit den angegebenen Fußverletzungen im Jahr 1988 - also während ihrer Unterbringung bei ihren Pflegeltern - zwei Mal im Krankenhaus Amstetten behandelt und jeweils am rechten und am linken Sprunggelenk operiert wurde. Was das Vorbringen der Beschwerdeführerin betrifft, sie habe mit etwa 13 Jahren nach starker körperlicher Arbeit Rückenschmerzen verspürt, die ein Ausmaß erreicht hätten, dass sie sich beinahe selbst nicht mehr Hose und Schuhe habe anziehen können und erst im Nachhinein bei späteren Untersuchungen sich ergeben, dass sie einen "Morbus Scheuermann" durchgemacht habe, dessen jedenfalls unterlassene Behandlung nunmehr zu Spätfolgen führe, so kann vor dem Hintergrund des Vorhergesagten und mangels konkreter Anhaltspunkte, auch in diesem Zusammenhang nicht mit Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Pflegeltern es vorsätzlich unterlassen hätten, für eine ausreichende medizinische Behandlung der Beschwerdeführerin zu sorgen. Da im Fall der Beschwerdeführerin somit insgesamt die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 VOG, an welchen die von der Beschwerdeführerin jeweils beantragten Hilfeleistungen knüpfen, nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung: Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn 1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder 2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Unter dem Gesichtspunkt von Art. 6 EMRK (Art. 47 GRC) führte der Verwaltungsgerichtshof zur Frage der Durchführung einer beantragten mündlichen Verhandlung im Erkenntnis vom 16.12.2013, 2011/11/0180 (mit Hinweis auf EGMR 13.10.2011, Fexler gg. Schweden, Beschw. Nr 36801/06), aus, dass eine solche unterbleiben kann, wenn der Ausgang des Verfahrens vor allem vom Ergebnis der Gutachten medizinischer Sachverständiger abhängt und der Beschwerdeführer auch nicht behauptet, dass er den von der Behörde eingeholten Gutachten entgegentritt. Das Bundesverwaltungsgericht verweist in diesem Zusammenhang allgemein auf die Rechtsprechung des EGMR, die im Bereich von Entscheidungen, die eher technischer Natur ("rather technical in nature") sind und deren Ausgang von schriftlichen medizinischen Sachverständigengutachten abhängt ("the outcome depended on the written medical opinions") unter Rücksichtnahme u.a. auf die genannten Umstände von der Zulässigkeit des Absehens einer mündlichen Verhandlung ausgeht, dies nicht nur im Verfahren vor dem jeweils zuständigen Höchstgericht, sondern auch in Verfahren vor dem als erste gerichtliche Tatsacheninstanz www.ris.bka.gv.at Seite 18 von 19 Bundesverwaltungsgericht 19.11.2015 zuständigen (Verwaltungs)Gericht, dem die nachprüfende Kontrolle verwaltungsbehördlicher Entscheidungen zukommt (vgl. zB EGMR [Unzulässigkeitsentscheidung] 22.05.2012, Osorio gg. Schweden, Beschw. Nr. 21660/09). Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der von der Beschwerdeführerin selbst im Verfahren vorgelegten Unterlagen und ihrer eigenen Angaben geklärt. Die im Auftrag der belangten Behörde erstellten Gutachten vermochten mit den Beschwerdeausführungen nicht entkräftet werden bzw. ist diesen im Rahmen der Beschwerde nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten worden. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird. Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision: Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. European Case Law Identifier ECLI:AT:BVWG:2015:W135.2003800.1.00 www.ris.bka.gv.at Seite 19 von 19