Urteile für den Online

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Urteile für den Online-Dienst für den 01.09.2009
Wirtschaftsrecht
„Cross Ticketing“ bzw. „Cross Border Selling“ bleiben unzulässig
Die Deutsche Lufthansa AG darf ihren Kunden weiterhin durch AGB vorschreiben,
bei ihr gebuchte Flüge hinsichtlich der gesamten Beförderungsstrecke und in der im
Flugschein vorgesehenen Reihenfolge in Anspruch zu nehmen. Der Bundesverband
der Verbraucherzentralen scheiterte im Wesentlichen mit seiner Klage, mit der er der
Beklagten die Verwendung der entsprechenden Klauseln in deren
Beförderungsbedingungen verbieten lassen wollte. Nur in einem Nebenpunkt wurde
das Klauselwerk für unzulässig erklärt.
Cross-Ticketing bedeutet Verkauf von Flugscheinen mit sich überkreuzenden Daten,
durch den der Kunde Mindestaufenthaltsfristen umgeht und mit dem Verfall je eines
Rück- und Hinfluges im Einzelfall erhebliche Kosten spart. Anstelle eines
Normalfluges werden zwei günstige „Return-Tickets“ gekauft, wobei der Flugkunde
von vornherein plant, von dem einen Flug nur den Hinflug und von dem anderen nur
den Rückflug in Anspruch zu nehmen. Beim Cross Border Selling geht es darum,
dass der Kunde beispielsweise einen Flug von Kairo nach Sao Paulo via Frankfurt a.
M. bucht, aber nur den Flug ab Frankfurt nutzen möchte, weil das Ticket ab Kairo
billiger verkauft wird als der Flug ab Frankfurt. Diese Praxis wollte die Lufthansa
durch Ticketverfall unterbinden, so dass die einzelnen Coupons für Teilflüge ihre
Gültigkeit verlieren, wenn sie nicht komplett in der gebuchten Reihenfolge angetreten
werden. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen sah in den entsprechenden
Klauseln eine unangemessene Benachteiligung der Kunden. Die Fluggesellschaft
argumentierte demgegenüber, die Klauseln seien zur Stützung ihres Tarifsystems
notwendig, damit dies von den Kunden nicht unterlaufen werde.
Das OLG hielt es nicht für eine unangemessene Benachteiligung der Flugkunden,
wenn diese daran gehindert werden, nur Teile einer gebuchten Flugreise in Anspruch
zu nehmen. Die Lufthansa biete Flugreisen zu Preisen an, deren Höhe sich nicht
allein an der Länge der Flugstrecke, sondern auch an anderen Kriterien, wie dem
Datum der Reise und den Marktverhältnissen am Abflugort orientiere. Das
Tarifsystem biete findigen Fluggästen indes Möglichkeiten, es mit Cross Ticketing
oder Cross Border Selling zu umgehen und die Fluggesellschaft so „auszutricksen“.
Die Gesellschaft offeriere ihre Flüge zu einem bestimmten von ihr festgelegten Preis.
Sie bringe damit zum Ausdruck, zu welchen Konditionen sie bereit ist, den Fluggast
an dem von diesem bestimmten Tag in der von ihm gewählten Klasse an den
ausgesuchten Zielflughafen zu befördern, und mache deutlich, dass sie nicht willens
ist, den Fluggast zu für diesen günstigeren Konditionen, also insbesondere zu einem
niedrigeren Flugpreis, auf der gleichen Strecke reisen zu lassen. Daher stelle es eine
berechtigte Wahrnehmung ihrer Interessen dar, wenn die Gesellschaft versuche, das
Unterlaufen ihrer Tarifstruktur zu verhindern. Der Kunde, der von Anfang an das
Ticket nur teilweise nutzen wolle, verdiene auch keinen Schutz. Das Tarifsystem der
Lufthansa und seine Absicherung durch „das Kleingedruckte“ stellen sich daher nicht
als unangemessene Benachteiligung der Kunden dar. Der Senat hat die Revision
gegen sein Urteil wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache und wegen
abweichender Entscheidungen anderer Gerichte zugelassen. Der Bundesverband
der Verbraucherzentralen kann daher binnen eines Monats nach Zustellung des
schriftlichen Urteils Revision zum Bundesgerichtshof einlegen. OLG Köln, Urt. v.
31.07.2009 - 6 U 224/08, nicht rechtskräftig).
Steuerrecht
Keine Jahreswagenbesteuerung allein auf Grundlage der unverbindlichen
Preisempfehlung des Automobilherstellers
Im Streitfall hatte der Kläger als Arbeitnehmer eines Automobilherstellers im Jahr
2003 von seinem Arbeitgeber ein Neufahrzeug mit einem ausgewiesenen Listenpreis
(unverbindliche Preisempfehlung) von 17.917 € zu einem Kaufpreis von 15.032 €
erworben. Das Finanzamt und auch das vorinstanzlich befasste FG setzten den zu
versteuernden Arbeitgeberrabatt auf Grundlage dieser unverbindlichen
Preisempfehlung an.
Zum Arbeitslohn gehören auch Vorteile, die Arbeitnehmern daraus entstehen, dass
ihnen ihre Arbeitgeber Waren z.B. „Jahreswagen“ aufgrund des Dienstverhältnisses
verbilligt überlassen. Ob ein solcher Vorteil vorliegt, bestimmt sich nach dem
Endpreis, zu dem das Fahrzeug fremden Letztverbrauchern im allgemeinen
Geschäftsverkehr angeboten wird (§ 8 Abs. 3 Satz 1 EStG), dem „Angebotspreis“.
Das ist der grundsätzlich unabhängig von Rabattgewährungen nach der
Preisangabenverordnung ausgewiesene Preis, sofern nicht nach den
Gepflogenheiten im allgemeinen Geschäftsverkehr tatsächlich ein niedrigerer Preis
gefordert wird. Nachdem das FG aber bereits festgestellt hatte, dass ein Autohaus
schon ohne Preis- und Vertragsverhandlungen auf die unverbindliche
Preisempfehlung einen Rabatt von 8% gewährte, entschied der BFH, dass die
unverbindliche Preisempfehlung des Kraftfahrzeugherstellers den Angebotspreis
nicht zutreffend wiedergibt. Angebotener Endpreis i.S. des § 8 Abs. 3 EStG könne im
Streitfall höchstens der um 8% ermäßigte Preis sein, weil zu diesem Preis das
Fahrzeug im allgemeinen Geschäftsverkehr angeboten worden sei. Damit ergab sich
nach Berücksichtigung der weiteren gesetzlichen Abschläge und Freibeträge für
Jahreswagen kein lohnsteuerrechtlich erheblicher Vorteil mehr. Ergänzend verwies
der BFH noch darauf, dass dem Einwand, der tatsächliche Angebotspreis für die
Ware, auf die der Arbeitgeber einen Rabatt gewährte, sei niedriger als der
Listenpreis, nachzugehen und nicht ohne weiteres der Listenpreis als Endpreis
anzusetzen sei. (BFH, Urteil vom 17.06.09 VI R 18/07)
Arbeitsrecht
Altersdiskriminierende Stellenausschreibung
Die Begrenzung einer innerbetrieblichen Stellenausschreibung auf Arbeitnehmer im
ersten Berufsjahr kann eine nach § 3 Abs. 2 des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) unzulässige mittelbare Benachteiligung wegen
des Alters sein. Arbeitnehmer mit mehreren Berufsjahren weisen typischerweise
gegenüber Arbeitnehmern im ersten Berufsjahr ein höheres Lebensalter auf. Eine
solche Beschränkung kann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber mit ihr ein
rechtmäßiges Ziel verfolgt und sie zur Erreichung dieses Ziels angemessen und
erforderlich ist. Sind die hierfür vom Arbeitgeber angeführten Gründe offensichtlich
ungeeignet, verstößt er grob gegen seine Pflicht zur diskriminierungsfreien
Stellenausschreibung nach § 11 AGG. Dagegen kann der Betriebsrat nach § 17 Abs.
2 AGG vorgehen.
Das BAG hat daher dem Antrag eines Betriebsrats stattgegeben, der von dem
Arbeitgeber verlangt hatte, in internen Stellenausschreibungen auf die Angabe des
ersten Berufsjahres zu verzichten. Der Arbeitgeber hatte sich hierfür auf das von ihm
vorgegebene Personalbudget berufen. Diese Begründung war offensichtlich
ungeeignet, den Bewerberkreis von vornherein auf jüngere Beschäftigte zu
begrenzen. (BAG, Beschl. v. 18.08.2009 - 1 ABR 47/08)
Gesellschaftsrecht
Ohne Geschäftsführer keine Möglichkeit zur Einlegung einer sofortigen Beschwerde
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes
von 2.500,00 EURO wegen Nichteinreichung der Jahresabschlussunterlagen 2006
bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers. Das Bundesamt für Justiz
hat der Beschwerdeführerin die Verhängung des Ordnungsgeldes mit Verfügung
vom 07.04.2008 angedroht. Das Bundesamt für Justiz hat durch die angefochtene
Entscheidung vom 15.10.2008 das bezeichnete Ordnungsgeld festgesetzt. Gegen
die ihr ausweislich der Zustellungsurkunde am 06.11.2008 zugestellte Entscheidung
hat die Beschwerdeführerin am 20.11.2008 sofortige Beschwerde eingelegt. Zur
Begründung führt sie an, sie habe die Jahresabschlussunterlagen 2006 nicht
einreichen können, weil sie keinen Geschäftsführer mehr habe, ihre frühere
Mitgesellschafterin und Geschäftsführerin „Aktienanteile“ zurückbehalten habe und
das Finanzamt für Steuerstrafsachen Eingriff in den Betrieb und die
Buchhaltungsunterlagen genommen habe. Die Beschwerdeführerin hat ausweislich
des Handelsregisters seit 10.11.2006 keinen Geschäftsführer mehr. Nachdem das
Gericht dem Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin aufgegeben hat,
die von ihm zuvor anwaltlich versicherte Bevollmächtigung durch Vorlage einer
wirksamen schriftlichen Verfahrensvollmacht zu belegen, legte dieser eine Urkunde
vor, nach der die Gesellschafter der Beschwerdeführerin am 19.11.2008 eine
außerordentliche Gesellschafterversammlung abgehalten haben, in der sie
einstimmig beschlossen, gegen die vorgenannte Ordnungsgeldentscheidung
Rechtsmittel einzulegen und damit ihren jetzigen Verfahrensbevollmächtigten zu
beauftragen.
Die statthafte sofortige Beschwerde ist mangels Verfahrensfähigkeit der
Beschwerdeführerin unzulässig. Eine GmbH ist ohne Geschäftsführer nicht in der
Lage, wirksam sofortige Beschwerde gegen eine Ordnungsgeldentscheidung
einzulegen. Die Verfahrensfähigkeit im Beschwerdeverfahren bestimmt sich nach
den allgemeinen Regeln der Geschäftsfähigkeit des bürgerlichen Rechts, hier
betreffend die beschwerdeführende GmbH nach § 35 GmbHG. Der Wegfall aller
Geschäftsführer nach Entstehen der GmbH berührt zwar nicht deren Bestand, jedoch
ist die GmbH ohne Geschäftsführer nicht geschäftsfähig. Auch können die
Gesellschafter der GmbH nicht selbst für diese sofortige Beschwerde einlegen, auch
nicht aufgrund eines einstimmigen Gesellschafterbeschlusses, durch den ein
Rechtsanwalt mit der Beschwerdeeinlegung im Namen der GmbH beauftragt wird.
Die Gesellschafter einer GmbH sind nicht selbst aktiv vertretungsberechtigt. Sie
können zwar selbst den oder die Geschäftsführer bestellen, haben aber nicht dessen
Vertretungsbefugnis nach § 35 GmbHG. Dies ergibt sich auch aus einem
Umkehrschluss von § 35 Abs. 1 Satz 2 GmbHG in der seit 01.11.2008 geltenden
Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung
von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008. Danach sind die Gesellschafter
im Falle der Führungslosigkeit der GmbH ausdrücklich zur Passivvertretung berufen.
Eine entsprechende Befugnis zur Aktivvertretung der Gesellschafter an der Stelle
eines fehlenden Geschäftsführers ist nicht vorgesehen. Der Schutzzweck der
gesetzlich angeordneten Passivvertretung ist auch nicht auf die Aktivvertretung durch
die Gesellschafter übertragbar. Diese haben es aufgrund ihrer Kenntnisse der
Verhältnisse der GmbH in der Hand, selbst einen neuen Geschäftsführer zu bestellen
und dadurch die aktive Geschäfts- und Verfahrensfähigkeit der GmbH herzustellen.
Im Übrigen muss die Verfahrensfähigkeit der Beschwerdeführerin nicht deshalb zu
ihren Gunsten angenommen werden, weil die angefochtene
Ordnungsgeldentscheidung gegen sie ergangen ist, ohne dass sie durch einen
Geschäftsführer gesetzlich vertreten war. Denn insoweit sieht § 35 Abs. 1 Satz 2
GmbHG eine Erleichterung des Rechtsverkehrs nur zu Gunsten außen stehender
Dritter einschließlich des Bundesamtes für Justiz vor, nicht aber zu Gunsten der
GmbH und ihrer Gesellschafter. Schließlich muss die Entscheidung über die sofortige
Beschwerde nicht ausgesetzt werden, bis die GmbH wieder gesetzlich durch einen
Geschäftsführer vertreten wird. Denn die Gesellschafter hatten es seit der
Beendigung der letzten Geschäftsführung am 10.11.2006 in der Hand, einen neuen
Geschäftsführer zu bestellen. Eine weitere Beschwerde gegen diesen Beschluss ist
nicht zulässig. (LG Bonn, Beschl. v. 26.05.2009 – 30 T 426/09)
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