BUSINESS Grüne Herausforderungen Nachhaltigkeit ist in der Modebranche zunehmend ein Thema. Dass sich Fairness und Ökonomie nicht ausschließen müssen, zeigte der erste TW-Fair Fashion Summit in Frankfurt. Magdalena Schaffrin, Gründerin Greenshowroom, Koordinatorin der Ethical Fashion Show, Berlin Diane Gerth, Head of Communications Remei Stefan Hausfeld, Division Head Corporate Responsibility & Product Safety Brax Marc Sommer, Vorsitzender der Geschäftsführung Hess Natur Jürg Brändli, geschäftsführender Gesellschafter Ragtex Thomas Fedra Claudia Kersten, Marketing Direktorin GOTS N achhaltigkeit geht nicht mehr weg. Davon ist nicht nur Thorsten Rolfes, Unternehmenssprecher von C&A, überzeugt. „NGOs, das Textilbündnis und die kritische Medienberichterstattung pushen das Thema, der Druck auf die Branche wird steigen“, sagt er. Welche Folgen es haben kann, Tendenzen zu ignorieren, mussten einige in der Modebranche schon bei Thema E-Commerce schmerzhaft erfahren. Auch dabei haben Industrie und Handel zum Teil zu lange gezögert, die Herausforderung anzunehmen. Mit dem Ergebnis, dass es einigen nun droht, den 26 TextilWirtschaft 13 _ 2015 Thorsten Rolfes, Head of Corporate Communications C&A Anschluss zu verpassen. Wie relevant auch das Thema Nachhaltigkeit bereits heute ist, hat nicht zuletzt der Einsturz des Rana PlazaGebäudes in Bangladesch gezeigt. Knapp zwei Jahre nach der Katastrophe ist der erlittene Image-Schaden der Modebranche immer noch spürbar. Das zeigte sich auch in den Vorträgen und Diskussionen während des Fair Fashion Summit, den die TextilWirtschaft vergangene Woche in Frankfurt zum ersten Mal veranstaltet hat. Doch was in anderen Branchen wie der Pharma- und Automobilindustrie Helmut Fischer, Leiter des Referats für Nachhaltigkeitsstandards im Bundesentwicklungsministerium längst zum festen Bestandteil der Unternehmensphilosophie gehört, wird von vielen Modeunternehmen immer noch äußerst skeptisch beäugt. Steht der kostspielige grüne Weg doch für viele im Widerspruch zum Angebot von attraktiver Mode und höheren Renditen. Fragen wie „was kostet mich Nachhaltigkeit?“, „was bringt sie mir als Unternehmen?“ und vor allem „will das der Verbraucher überhaupt?“ können aus finanzieller Sicht bislang nur spärlich bis unbefriedigend beantwortet werden (Seite 12). Obwohl die Einführung einer seriösen Nach- Wie sehr das Thema Nachhaltigkeit die Branche bewegt, bewiesen die Diskussionen der Teilnehmer, die sowohl nach den Vorträgen als auch in den Pausen stattfanden. haltigkeitsstrategie um ein Vielfaches komplizierter erscheint als die Entscheidung für oder gegen eine Mutlichannel-Strategie, gibt es Innovatoren, die das Drei-Säulen-Prinzip aus Ökologie, Sozialem und Ökonomie bereits erfolgreich implementiert haben. Die gesamte Wertschöpfungskette lückenlos und transparent abzubilden, gilt dabei als größte Herausforderung, zumal nicht jeder Produktionsprozess unter dem direkten Einfluss des Unternehmens steht, das am Ende das fertige Produkt verantwortet. „Es fängt bereits beim Designer und dessen Auswahl der Materialien an und erstreckt sich über die Supply Chain bis hin zum Gebrauchshinweis im Produkt, der dem Kunden sagt, wie er seine Kleidung zu tragen und zu pflegen hat“, erklärt Magdalena Schaffrin, Gründerin des Greenshowroom und Koordinatorin der Ethical Fashion Show in Berlin. Der Einsatz von Pestiziden beim Baumwollanbau sowie der Wasserverbrauch oder die staatlich verordnete Kinderarbeit zur Baumwollernte in Usbekistan sind neben fairen Löhnen, sicheren Arbeitsbedingungen in den Fabriken und der Verwendung von einwandfreien Chemikalien nur einige weitere Beispiele dafür, wie zeit- und kostenaufwendig ganzheitliche Nachhaltigkeitsbestrebungen sind. Zu den Pionieren zählt die die Schweizer Remei AG. Als führender Produzent von aus Bio-Baumwolle gefertigter Bekleidung geht das Unternehmen so weit, dass es sogar die Herstellung des Saatgutes übernimmt. Doch für den Großteil der Branche ist die Politik der kleinen Schritte der weitaus realistischere Weg. So hat sich etwa C & A das Ziel gesetzt, ab dem Jahr 2020 ausschließlich auf Bio-Baumwollprodukte zurückzugreifen. Bereits jetzt besteht das Sortiment des Unternehmens zu 40% aus Baumwollartikeln auf Bio-Basis. „Um wirklich nachhaltig agieren zu können, sind wir aber auf die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen angewiesen“, sagt Rolfes. Dabei sind sogar Kooperationen mit der Konkurrenz nicht ausgeschlossen. So habe man gemeinsam mit H & M 14 Chemikalien definiert, die ebenfalls bis 2020 nach und nach aus der Produktion verbannt werden sollen. Ebenso wichtig bewertet er die Zusammenarbeit mit den Regierungen in den Produktionsländern sowie internationalen Arbeitergewerkschaften. „Den Mindestlohn in den jeweiligen Ländern legen die Regierungen fest, nicht die Unternehmen“, sagt Rolfes. Auch auf Seiten der Politik scheint man im Hinblick auf das angestrebte Textilbündnis von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller eingesehen zu haben, dass die Verant- sein, aber es sollte auch nicht wirken wie ein Sozialbericht“, erklärt Marc Sommer, Vorsitzender der Geschäftsführung bei Hess Natur. Im Gegensatz zu Unternehmen, die über den Wholesale verkaufen, hat er allerdings den Vorteil, das notwendige Storytelling in eigenen Läden zu inszenieren. „Große Mutlilabel-Häuser sind in der Nische nicht zuhause, den Konsumenten kann man aber nicht über Hang Tags und Zertifikate emotional abholen“, sagt Jürg Brändli, der als Ragtex Geschäftsführer gemeinsam mit- „Der Kunde unterscheidet beim Modekauf am POS nicht zwischen guter und schlechter Mode.“ Jürg Brändli, Ragtex wortung nicht allein auf der Bekleidungsbranche lasten kann. „Wir haben in der Vergangenheit nicht deutlich gemacht, dass es sich um ein gemeinsames Projekt aller Stakeholder handelt, dazu zählt auch die Politik“, sagt Helmut Fischer, Leiter des Referats für Nachhaltigkeitsstandards im Bundesentwicklungsministerium. Es gehe nun, zwei Jahre nach der Rana Plaza-Katastrophe, darum, ein Zeichen zu setzen, und den Menschen zu zeigen: „Wir haben verstanden.“ Allerdings sind es bislang fast ausschließlich vertikale Konzepte, die diesbezüglich einen Vorstoß wagen. Darunter auch jene preisgünstigen Anbieter wie H & M und Primark, die im Hinblick auf Produktionsbedingungen und die Verwendung von Chemikalien in der Öffentlichkeit meist als der Kern allen Übels ausgemacht werden. Beide erhielten jedoch erst kürzlich ein Lob von Greenpeace, indem sie als Vorreiter der Detox-Kampagne bezeichnet wurden. Der kommerzielle Schlüssel für nachhaltige Mode ist ebenso so simpel wie kompliziert: „Nachhaltigkeit ist kein primäres Verkaufsargument, sondern ein Mehrwert“, lautet das gemeinsame Credo. Doch sowohl die Kommunikation zum Handel als auch die zum Konsumenten gestalten sich derzeit noch schwierig. „Es darf nicht zu oberflächlich Remei die nachhaltige Linie OC entwickelt hat. Den Bedenken vieler Händler, nachhaltige Mode würde am POS das normale Sortiment aus Sicht des Kunden abwerten, tritt er entschieden entgegen: „Der Kunde denkt beim Modekauf nicht in den Kategorien gut und schlecht.“ Selbst der Kostendruck, der durch Nachhaltigkeitsstrategien entsteht, existiert nur bedingt, sagt Rolfes. „Wir können die Kosten zwar nicht über den Preis an den Kunden weitergeben, aber wir haben festgestellt, dass der Anteil an abgeschriebenen Waren bei Bio-Baumwollprodukten deutlich geringer ausfällt.“ Zudem kommt Nachhaltigkeit den Unternehmen auch in punkto Employer Branding zu Gute. „Wir erleben es immer häufiger, dass sich unsere Bewerber nach den sozialen Aktivitäten von Brax erkundigen“, sagt Stefan Hausfeld, Division Head CR & Product Safety, bei den Herfordern. Grundvoraussetzung für die Produktion von nachhaltiger Mode ist jedoch eine nachhaltige wirtschaftliche Ausrichtung des Unternehmens. „Die ökologische und soziale Säule müssen letztendlich in die ökonomische einzahlen“, weiß Claudia Kersten, Marketing Direktorin des GOTS-Verbands. : SEBASTIAN WOLF TextilWirtschaft 13 _ 2015 27 SZENE Fair in Frankfurt Branchentreffen. Die TextilWirtschaft lud zum Fair Fashion Summit, um über soziale und ökologische Nachhaltigkeit zu diskutieren. PhotoCredit hier Hendrik Heuermann (H&M) mit Alex Vogt (Kern Kommunikation) Jutta Knels (Stiftung Öko-Tex) mit Dominique Pra- Jürgen Gaiser (Blocher Blocher Partners) und lon-Wissinger (GOTS) und Michaela Wenk (Takko) Christian Heinrici (TW) Dietrich Weigel (Goodsociety) Marc Sommer (Hess Natur) und Susanne Straus (Wöhrl) Denim goes Hamburg Denim & Supply Ralph Lauren feiert das Opening des Hamburger Franchise-Stores. Das britische Schwestern-Trio The Staves sorgte für musikalische Unterhaltung 74 TextilWirtschaft 13 _ 2015 Thimo Schwenzfeier (Messe Frankfurt) Mehr Partys, People und Prominenz finden Sie auf unserer Homepage unter: www.TextilWirtschaft.de/szene Kopenhagen am Main Tord Dyrssen und Alexander Wirth (beide Ralph Lauren) Franchise-Nehmer Heiko Ronge (Private Textiles) und Store-Manager Falk Schuler Eröffnung in der Frankfurter Altstadt: Ganni feiert mit rund 100 Gästen den neuen Store am Kornmarkt. Stine Weinkouff Hansen und Laura Kutger Sebastian Reichelt (Ganni) (beide Ganni) im Gespräch mit Silke Emig (TW)