8 Verteilungsfunktionen und Dichten 8.1 Satz und Definition (Dichten) Eine Funktion f : R → R heißt Dichtefunktion, kurz Dichte, wenn sie (Riemann-) integrierbar ist mit f (t) ≥ 0 für alle t ∈ R und Z ∞ f (t) dt = 1. −∞ Setzt man P(B) := Z f (t) dt, B ⊂ R, B so ist P ein Wahrscheinlichkeitsmaß auf R, welches als die zur Dichte f gehörende Verteilung bezeichnet wird. Die Dichten dürfen nicht mit den Zähldichten verwechselt werden! Ist B ein Intervall, etwa B = (a, b], so kann (erweiterte) Riemann-Integral ersetzen werden: R B f (t) dt durch das gewöhnliche P([a, b]) = P((a, b]) = P([a, b)) = P((a, b)) Z b = f (t) dt, −∞ ≤ a < b ≤ ∞ a Anschaulich: P([a, b]) ist die Fläche unter der Dichtefunktion f zwischen den Grenzen a und b. Dichte und Wahrscheinlichkeit Achtung: Die Dichte f ist nicht eindeutig bestimmt. f darf in endlich vielen Punkten beliebig geändert werden, ohne dass sich die Integrale ändern. Voraussetzung: Im Folgenden setzten wir voraus, dass die Dichten f bis auf endlich viele Stellen stetig sind. 8.2 Beispiel Gleichverteilung auf dem Intervall (a, b) Die zur Dichte (−∞ < a < b < ∞) 1 , a<t<b b−a f (t) = 0 , sonst gehörende Verteilung heißt (stetige) Gleichverteilung U(a, b) (auf dem Intervall (a, b)). Hierbei steht U für uniform“. ” f (t) 1.0 0.8 0.6 0.4 0.2 0 1 2 t 8.3 Satz und Definition Stetige Zufallsvariablen Eine Zufallsvariable X heißt stetig (verteilt), wenn es eine Dichte fX gibt mit P(a ≤ X ≤ b) = Z b fX (t) dt a für alle a, b mit −∞ ≤ a < b ≤ ∞. In diesem Fall heißt die Funktion fX (eine) (Riemann-) Dichte von X, und PX ist dann die zu fX gehörende Verteilung. 8.4 (Bemerkungen:) a) Ist die Zufallsvariable X stetig, so gilt P(X = t) = 0 für jedes t ∈ R, insbesondere P(a < X ≤ b) = P(a ≤ X < b) = P(a < X < b) = Z b fX (t) dt a für alle a, b mit −∞ ≤ a < b ≤ ∞. b) Ist X stetig und a eine Stetigkeitsstelle von fX , so gilt für genügend kleines ǫ>0 P(a < X < a + ǫ) ≈ fX (a) · ǫ, P(a − ǫ < X < a + ǫ) ≈ fX (a) · 2ǫ. Dabei kann jedes der Kleiner-Zeichen durch ≤“ ersetzt werden. ” Zur Interpretation von f (a) 8.5 Definition (Verteilungsfunktion) Ist P ein (beliebiges) Wahrscheinlichkeitsmaß auf R, so heißt die Funktion F (t) : R −→ [0, 1] t 7−→ F (t) := P((−∞, t]) die Verteilungsfunktion von P. Ist speziell X eine Zufallsvariable mit Verteilung PX , so heißt die Verteilungsfunktion von PX auch Verteilungsfunktion von X. Diese wird mit FX bezeichnet, und es gilt FX (t) = P(X ∈ (−∞, t]) = P(X ≤ t), t ∈ R. 8.6 Beispiel Die Gleichverteilung U(a, b) auf dem Intervall (a, b) besitzt die Verteilungsfunktion F (t) = 0 t−a b−a 1 1.0 0.8 0.6 0.4 0.2 0 , t ≤ a, , a < t ≤ b, , t > b. F (t) 1 2 Verteilungsfunktion von U(1, 2) t 8.7 Satz Jede Verteilungsfunktion F besitzt die folgenden Eigenschaften: a) F ist monoton wachsend, d.h. aus s ≤ t folgt F (s) ≤ F (t). b) F ist rechtsseitig stetig, d.h. es gilt lims>t,s→t F (s) = F (t) für alle t ∈ R. c) F (−∞) := limt→−∞ F (t) = 0 und F (∞) := limt→∞ F (t) = 1. 8.8 Satz Aus P({X ≤ b}) = P({X ≤ a} + {a < X ≤ b}) = P(X ≤ a) + P(a < X ≤ b) folgt für beliebige Zufallsvariablen X P(a < X ≤ b) = FX (b) − FX (a) für −∞ ≤ a < b ≤ ∞, insbesondere P(X > t) = 1 − FX (t), t ∈ R. Für stetige Zufallsvariablen X gilt darüber hinaus P(a ≤ X ≤ b) = P(a < X < b) = P(a ≤ X < b) = FX (b) − FX (a) für alle −∞ < a < b < ∞. Ist X diskret mit Werten in 0, 1, 2, . . . und der Zähldichte fX , so gilt X FX (t) = fX (k), t ∈ R. k≤t FX ist in diesem Fall eine Treppenfunktion. Besitzt dagegen X die Dichte fX , so gilt FX (t) = Z t fX (x) dx, t ∈ R. −∞ In diesem Fall ist FX stetig. Dichte und Verteilungsfunktion bei diskreter und stetiger Verteilung 8.9 Satz Ist die Verteilungsfunktion FX von X stetig und bis auf endlich viele Stellen stetig differenzierbar, so ist die Funtion fX (x) mit fX (x) := FX′ (x) falls FX in x stetig differenzierbar ist und mit fX (x) = 0 sonst, eine Dichte von X. 8.10 Definition (Mehrdimensionale Dichten) Eine Funktion f : Rn → R ist eine Dichte, wenn sie (erweitert Riemann-) integrierbar ist mit f (t) ≥ 0 für alle t ∈ Rn und Z Z ∞ Z ∞ f (t) dt = ... f (t1 , . . . , tn ) dtn . . . dt1 = 1. Rn −∞ −∞ Durch P(B) = Z f (t) dt, B ∈ Bn , B ist ein Wahrscheinlichkeitsmaß P auf Bn definiert, die zu f gehörende Verteilung. Sonderfälle Ist B = {(s, t) ∈ R2 : a ≤ s ≤ b , g(s) ≤ t ≤ h(s)} mit stetigen Funktionen g und h, wobei g ≤ h, so gilt Z f (s, t) d(s, t) = B a insbesondere im Fall Z B Z b "Z h(s) # f (s, t)dt ds, g(s) B = {(s, t) ∈ R2 : a ≤ s ≤ b , c ≤ t ≤ d} f (s, t) d(s, t) = Z b Z a c d Z f (s, t)dt ds = d c Z a b f (s, t)ds dt. 5 0 4 -5 2 3 -10 -4 1 -3 0 -2 -2 1 t 0 2 -3 s -1 -1 3 4 -4 f (s ,t ) 10 Wahrscheinlichkeit als Volumen 8.11 Beispiel Die (stetige) Gleichverteilung UC auf einer Menge C ⊂ R2 mit positivem, endlichen Flächeninhalt c (0 < c < ∞) ist das Wahrscheinlichkeitsmaß mit der Dichte f (s, t) = ( 1/c , falls (s, t) ∈ C, 0 , sonst. Es gilt dann UC (B) = Fläche von B ∩ C , B ⊂ R2 . Fläche von C 8.12 Definition Sind X und Y stetige Zufallsvariablen mit P(a ≤ X ≤ b, c ≤ Y ≤ d) = Z b Z a c d fX,Y (s, t) dt ds für −∞ ≤ a < b ≤ ∞, −∞ ≤ c < d ≤ ∞ für eine Riemann-integrierbare Funktion fX,Y : R2 → R≥0 , so heißt fX,Y (eine) gemeinsame Dichte von X und Y . Die zu fX,Y gehörende Verteilung ist dann die gemeinsame Verteilung PX,Y von X und Y . 8.13 Satz (Marginalverteilungen) Sind X und Y stetige Zufallsvariablen mit gemeinsamer Dichte fX,Y , so ist s → fX (s) := Z ∞ fX,Y (s, t) dt −∞ eine Dichte von X und t → fY (t) := eine Dichte von Y . Z ∞ fX,Y (s, t) ds −∞