Die Idee des Vehicle to Grid - ensys.tu

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Aus der Vortragsreihe Neue Entwicklungen auf den Energiemärkten
Die Idee des Vehicle to Grid
Abstract
Michael Puppe
11.02.2009
Vehicle to Grid ist der Name eines technischen Konzepts welches vorsieht, die Batterien einer
Flotte von Elektrofahrzeugen als Speicher für das Stromnetz zu benutzen. Den Netzbetreibern
steht damit eine zuverlässige und hochwertige Quelle für Regelenergie zur Verfügung, für die sie
nicht selbst investieren müssen, da die PKW-Batterien sowieso vorhanden sind. Die PKW-Besitzer
erhalten dafür Vergütungen, die gegen die Kosten des PKW angerechnet werden können. Diese
Idee bezieht ihre Relevanz vor allem aus zwei aktuellen Entwicklungen.
Einerseits sorgen politischer Wille (Klimaschutz, Energiesicherheit) und technischer Fortschritt in
vielen Industriestaaten für einen steigenden Anteil regenerativer Stromerzeugung. Diese
regenerativen Energiequellen weisen im Allgemeinen eine stark schwankende Verfügbarkeit auf,
wodurch mit einem steigenden Anteil an Regelenergie und installierter -Leistung zu rechnen ist.
Andererseits haben es bedeutende technische Fortschritte im Batteriesektor ermöglicht, dass
Hybrid- oder rein elektrische Fahrzeugkonzepte nahe an die Marktreife angelangt sind. Da diese
Fahrzeugkonzepte als umwelt- und klimafreundlich angesehen werden, werden sie durch die
Politik unterstützt. Es ist also mittelfristig mit einem starken Anstieg elektrisch betriebener
Fahrzeuge zu rechnen.
Durch Vehicle to Grid könnten also die vorhandenen Energiespeicher der PKW, solange sie
abgestellt sind, zur Netzstabilisierung benutzt werden. Bestenfalls profitieren davon beide Seiten
und es entstehen volkswirtschaftliche Synergien.
Es stellen sich nun im Rahmen dieser Arbeit folgende Fragen:
1. Für welche Elektrizitätsmärkte besteht das größte Potential?
2. Wie hoch sind die Gewinne für die Fahrzeugbesitzer?
3. Welche sind die bedeutendsten Einflüsse?
1. Für welche Elektrizitätsmärkte besteht das größte Potenital?
Es werden die Ergebnisse einer Grundlagenstudie des Forscherteams um W. Kempton und J.
Tomic aus dem Jahre 2001 zum Thema Vehicle to Grid präsentiert. Es wird untersucht für welche
Kombination aus Fahrzeugtyp (Hybrid-PKW, Elektro-PKW, Brennstoffzelle) und Elektrizitätsmarkt
(Grundlast, Spitzenlast, Primär- und Sekundärreserve) der größte Gewinn erzielt werden kann.
Die Kombination aus batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen und dem Primärreservemarkt stellt
sich als am profitabelsten heraus. Der Preis für die Primärreserve ist zusammengesetzt aus einem
Anteil für die Verfügbarkeit einer gewissen Kapazität und einem Anteil für die letztendlich
übertragene Energiemenge. Der Anteil für die Kapazitätsbereitstellung ist dabei dominierend.
Somit können in diesem Markt auch Einnahmen erzielt werden, ohne dass Energie übertragen
wird. Von Vorteil erweist sich ebenfalls, dass die PKW-Batterien äußerst schnell reagieren und
Energie genau in der gewünschten Menge bereitstellen können.
Als Nachteil für den Spitzenlastmarkt erweist sich, dass die Batterien aufgrund ihrer geringen
Kapazität nur etwa 2 Stunden pro Tag Strom abgeben können. Die Gewinne bleiben dadurch
limitiert.
2. Wie hoch sind die Gewinne für die Fahrzeugbesitzer?
Um diese Frage zu beantworten werden die Ergebnisse einer Studie aus dem Jahr 2007 der
selben Forschergruppe ausgewertet. Darin wurde für zwei real existierende Fahrzeugflotten ein
Kosten- und Einnahmemodell erstellt und mit den realen Marktpreisen für Primärreserven der
Jahre 2000 bis 2003 der jeweilige Gewinn errechnet.
Die Kosten teilen sich auf in Fixkosten für die benötigte Austattung und laufende Kosten. Erstere
fallen an für Kontrollelemente im Fahrzeug, Ausrüstung für die bidirektionale Spannungswandlung
und eine Kommunikationsschnittstelle zum Netzbetreiber. Für die laufenden Kosten wird ein Modell
aufgestellt, welches die Art der Anforderung, also Einspeisung von Strom ins Netz bei zu niedriger
Netzfrequenz oder andernfalls Entnahme von Strom, den jeweiligen Strompreis sowie die Kosten
durch die Batterieabnutzung berücksichtigt.
Für die Einnahmen wird ein ähnliches Modell erarbeitet. Im Fall der Einspeisung von Strom ins
Netz wird für die zur Verfügung gestellte Kapazität und die übertragene Arbeit bezahlt, im Fall das
Aufladens bei „Stromüberschuss“ (also zu hoher Netzfrequenz) nur für die Kapazität.
Die erste Fahrzeugflotte besteht aus 100 Ford Think City A266 (Baujahr 1999-2003), die von
Pendlern in New York für den Arbeitsweg benutzt werden. Bei dem Fahrzeug handelt es sich um
ein relativ überholtes Modell deren Nickel-Cadmium Akku mit einer Gesamtkapazität von 11,5 kWh
nur kurze Reichweiten und wenige Ladezyklen erlaubt. Mit Ladestationen zu Hause und am
Arbeitsplatz wird eine durchschnittliche Zeit an der Steckdose von 23 Stunden pro Tag
angenommen. Die Ladestationen erlauben eine Anschlussleistung von 6,2 kW, die Elektronik der
Autos begrenzt die Anschlussleistung auf 2,9 kW.
In folgender Tabelle sind die Ergebnisse der Berechnungen für die erste Flotte zusammengefasst:
Aufladen und Einspeisen
Leistung
2,9
6,2
Kosten
Jährlicher Profit / Fahrzeug [US $]
2003
2000
2001
2002
555
73
­170
43
232
995
353
­168
287
694
2000
2001
2002
2003
25
386
189
361
515
25
385
188
360
513
Ø
44,50
291,50
Nur Aufladen
Leistung
2,9
6,2
Kosten
Ø
362,75
361,50
Mit der vorhandenen Anschlussleistung von 2,9 kW lassen sich demnach nur im einfachen Modus,
d.h. ohne Einspeisung von Strom aus der Batterie ins Netz nennenswerte Gewinne erzielen
(362,75 $/a). Bei dieser Betriebsweise sind die Kosten niedriger, da keine bidirektionale Wandlung
im Fahrzeug nötig ist und kein Strom eingekauft werden muss. Mit einer höheren
Anschlussleistung wird auch der bidirektionale Weg im Durchschnitt knapp profitabel.
Die zweite Fahrzeugflotte besteht aus 252 Toyota RAV4 EV (Baujahr 1997 – 2003). Die Fahrzeuge
sind tagsüber im Einsatz und ca. 17 Stunden pro Tag geparkt. Nach heutigen Gesichtspunkten ist
die Fahrzeugtechnik ebenfalls überholt, übertrifft aber in den wichtigen Punkten Speicherkapazität
(27,4 kWh), Reichweite und Lebensdauer des Akkus das Modell der ersten Flotte. In diesem Fall
würden die Ladestationen eine Anschlussleistung von 15 kW erlauben, die Fahrzeuge limitieren
diese auf 6,6 kW.
In der folgenden Tabelle sind die Ergebnisse der Berechnungen für die zweite Flotte dargestellt:
Aufladen und Einspeisen Jährlicher Profit / Fahrzeug [US $]
2003
Leistung
2000
2001
2002
Kosten
1.101
6,6
2.320
3.620
575
714
2.618
15
5.389
8.341
1.420
1.508
Nur Aufladen
2003
Leistung
2000
2001
2002
Kosten
797
6,6
598
1.578
538
25
910
15
683
1.797
615
25
Ø
1.904
4.442
Ø
878
1.001
Bei diesem Beispiel erweist sich das Konzept des Vehicle to Grid (Aufladen und Einspeisen) bei
der vorhandenen Anschlussleistung mit einem Gewinn von 1900 $/a als beachtenswert profitabel.
Mit einer höheren Leistung ließen sich die Gewinne deutlich steigern. Die einfache Betriebsweise
(Nur Aufladen) ergibt ebenfalls höhere Gewinne als im vorherigen Beispiel, deren Niveau relativ
unabhängig von der Anschlussleistung ist.
3. Welche sind die bedeutendsten Einflüsse?
Die verfügbare Anschlussleistung erweist sich als besonders wichtige Größe. Sie bestimmt wie viel
Kapazität zur Regelung zugesichert werden kann. Die Anschlussleistung wird einerseits limitiert
durch die physischen Anschlüsse an der Ladestation sowie die Fahrzeugelektronik. Andererseits
bestimmt die in einer geparkten Batterie vorhandene Energiemenge (die pro Zeiteinheit
abgegeben werden kann) die maximal angebotene Kapazität zur Regulierung.
Eine Batterie mit großer Kapazität sowie ein intelligentes Bedienungskonzept im Fahrzeug sind
also ebenfalls von hoher Bedeutung, damit dem Fahrer immer genug Energie für den Rückweg
bleibt, gleichzeitig aber möglichst viel Kapazität und Energie fürs Netz angeboten werden kann.
An den vorherigen Beispielen lässt sich dieser Einfluss ablesen – die zweite Fahrzeugflotte mit der
höheren Anschlussleistung und der höheren Batterieladekapazität weist deutlich günstigere
Ergebnisse auf, obwohl die Parkzeit erheblich kürzer ist.
Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor ist der Marktpreis für die Regelenergie, der jeweils stark
schwanken kann. Dieser stellt eine Unsicherheit da, die unvermeidbar erscheint und beachtet
werden muss.
Zusammenfassend ergibt sich folgendes. Es wurde gezeigt, dass der vielversprechendste Markt
für Vehicle to Grid der Regelenergiemarkt, insbesondere die Primärreserve ist. Regelenergie sehr
hoher Qulität kann durch die Fahrzeugbatterien bereitgestellt werden. Aufgrund der geringen
Ansprechzeiten sind sie sehr schnell verfügbar. Durch die vielen einzelnen Teilnehmer ist die
Menge der übertragenen Elektrizität genau quantifizierbar und tritt vor allem dort auf, wo der
Bedarf an Regelenergie am größten ist – in den Ballungszentren.
Unter den gemachten Annahmen konnte die Rentabilität eines solchen Konzepts für die
Fahrzeugbesitzer aufgezeigt werden, wobei den weiter oben genannten Einflussfaktoren
besondere Bedeutung zuzuschreiben ist.
Es wird jedoch auch ein weites Spektrum an Problemen deutlich. Zunächst muss natürlich eine
genügend große Menge an Elektrofahrzeugen benutzt werden, um das Konzept zu realisieren.
Diese bringen noch immer viele ungeklärte Fragen und Probleme, wie die oft sehr begrenzte
Reichweite, Komfortverluste und einen hohen Preis mit sich. Billigere und mit größerer
Lebensdauer ausgestattete Batterien sind ebenfalls evident.
Ein sehr großes Problem stellt die Ladeinfrastruktur dar – einerseits wurde sie in die
Kostenrechnungen nicht aufgenommen; wer dafür aufkommen soll (Staat, Stromkonzerne,
Automobilindustrie?) ist offen. Andererseits ist noch nicht klar, wie genau sie konzipiert und
technisch realisiert werden sollen. Ein Teil davon ist auch die Informationstechnologie die zur
Koordination der vielen angeschlossenen Fahrzeuge und zur sicheren Abrechnung aller Kunden
benötigt wird.
Schlussendlich muss dieses komplizierte Zusammenspiel verschiedener Akteure wie
Mobilitätskunden, Energiekonzerne, Besitzer der Ladestationen und Fahrzeughersteller und
öffentliche Hand in einem Geschäftsmodell gewinnbringend vereint werden.
Abschließend wurden einige aktuelle Entwicklungen im Bereich elektrischer Mobilität vorgestellt. In
Deutschland etwa laufen seit 2008 Kooperationsprojekte von RWE/Daimler und Vattenfall/BMW
zum Thema elektrische Mobilität mit Versuchsflotten in Berlin. Es sollen dort wichtige Erkenntnisse,
beispielsweise zur Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge, dem Kundenverhalten,
Abrechnungssystemen und den Fahrzeugen allgemein gesammelt werden.
Das wohl ambitionierteste Vorhaben ist „Project Better Place“, welches große Kooperationen mit
Israel, Dänemark und Australien abgeschlossen hat. Ziel ist es dort ab 2009 ein engmaschiges
Netz aus Ladestationen und vollautomatischen Batteriewechselstationen anzulegen und
elektrische Mobilität durch ein neuartiges Geschäftsmodell voranzutreiben. Analog zum Mobilfunk
soll der Kunde für den Zugang zu den Ladestationen (Grundgebühr) und zurückgelegte Strecken
(Minutenabrechung) zahlen, wobei die Fahrzeuge (Mobiltelefone) sehr billig oder teilweise
kostenlos zur Verfügung gestellt werden sollen. Ein Konzept für Vehicle to Grid ist Teil des
Geschäftsmodells, jedoch der Öffentlichkeit gegenüber nicht genau umrissen.
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