S. Biland: Deutsch-Konservative Partei - H-Net

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Stefan Biland. Die Deutsch-Konservative Partei und der Bunde der Landwirte im Württemberg
vor 1914: Ein Beitrag zur Geschichte der politischen Parteien im Königreich Württemberg. Stuttgart: Jan Thorbecke Verlag, 2002. 224 S. ISBN 978-3-7995-5552-4.
Reviewed by Frank Bösch
Published on H-Soz-u-Kult (September, 2002)
S. Biland: Deutsch-Konservative Partei
Regional- und lokalgeschichtliche Ansätze haben
sich seit längerem in der Parteienforschung bewährt.
Vorreiter waren dabei vor allem amerikanische Studien,
die auf diese Weise Politik- und Sozialgeschichte fruchtbar verbanden. Klassisch etwa zu Württemberg: David
Blackbourn, Class, Religion and Local Politics in Wilhelmine Germany. The Centre Party in Württemberg before
1914, New Haven 1980. Die deutsche Parteienforschung
tat sich dagegen etwas schwerer, über das Arkanum der
Regierungen und Ausschüsse hinaus die regionalen Gesellschaftsbindungen der Parteien zu betrachten. Das gilt
insbesondere für die liberalen und konservativen Parteien, die bisher kaum sozialgeschichtlich untersucht wurden.
Reichs- oder Landtag einbringen, da mit der Deutschen
”
Partei“ eine nationalliberale Sammlungspartei das konservative Spektrum integrierte. Ein interessantes Untersuchungsgebiet ist Württemberg nicht zuletzt durch seine konfessionelle Zweiteilung, seine pietistischen Traditionen und die vergleichsweise späte Ausdifferenzierung
des Parteienspektrums.
Gerade an letzteres knüpft Bilands Fragestellung an:
Er will sowohl die verzögerte Formierung der Konservativen als auch den schnellen Erfolg des BdL erklären. Da er auf keine Partei- und Vereinsakten zurückgreifen kann, ruht sein Quellenfundament dabei auf
Zeitungsberichten und Protokollen der Württembergischen Kammern. Den verzögerten Aufstieg der DeutschKonservativen Partei deutet Biland erstens als organisatorische und publizistische Dominanz der Liberalen. Die
Konservativen hätten sich nach 1848 der liberalen Vereinswelt angeschlossen und mit der Deutschen Reichs”
post“ nur ein süddeutsches Verlustunternehmen besessen, das keine 3000 Leser erreichte. Zweitens verweist
Biland darauf, dass die Nationalliberalen sich kirchenpolitisch zurückgehalten haben und auf einen Ausgleich
mit katholischen Kirche bedacht waren. Im Unterschied
zum benachbarten Baden, wo insbesondere um die Schulfrage ein Konfessionskampf tobte, konnten die liberale
Partei deshalb die konservativen Protestanten lange integrieren. Drittens führt Biland soziokulturelle Gründe
für die Schwäche der Konservativen Partei an. Die Adligen und Pietisten hätten sich zunächst von jedem Parteiengagement fern gehalten und seien dann aus ihrer
Insofern ist es zu begrüßen, dass mit Stefan Bilands
Stuttgarter Dissertation nun eine Arbeit erscheint, die
die Deutsch-Konservative Partei und den mit ihr verbundenen Bund der Landwirte in Württemberg untersucht.
Da die älteren Arbeiten zu diesem Themenbereich vor allem auf Berlin und Preußen blickten, verspricht dieser regionale Zugriff eine neue Perspektive. Hans-Jürgen Puhle, Agrarische Interessenpolitik und preußischer Konservatismus im wilhelminischen Reich 1893-1914. Ein Beitrag zur Analyse des Nationalismus in Deutschland am
Beispiel des Bundes der Landwirte und der DeutschKonservativen Partei, Hannover 1966. Die progressive
Haltung der Württembergischen Konservativen und ihre gleichzeitige Schwäche bilden signifikante Auffälligkeiten. Immerhin konnte die Deutsch-Konservative Partei dort bis 1895 keinen einzigen Abgeordneten in den
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deutsch-nationalen Gesinnung heraus für die nationalliberale Deutsche Partei eingetreten, um einen Block gegen den Partikularismus“ zu bilden.
”
Impulse zur 1876 erfolgten Gründung des Württem”
bergischer Verein der Deutschen Conservativen“ kamen
deshalb von außen, besonders aus Baden. Vor allem die
Angst, dass ähnlich wie in Baden die Konfessionsschule
gefährdet sein könnte, führte zu der politischen Formierung. Die just eingeführte obligatorische Zivilehe bildete
einen weiteren Anstoß. Die Konservative Partei vertrat
zunächst jedoch fast nur auf das protestantische Stadtbürgertum Stuttgarts, insbesondere Kaufleute und Handwerker. Bis 1895 blieb sie ein Annex der Deutschen Partei
und trat nur in wenigen Wahlkreisen an. Für ihre Unterstützung verlangte sie programmatische Zugeständnisse, wobei sie insbesondere den Schutz der evangelischen Kirche und des alten Mittelstandes forderte. Auffallend war zudem der Antisemitismus des ihr nahestehenden Pietistenblattes Christen-Bote“, das sich zuneh”
mend für Adolf Stoeckers Ansätze begeisterte. Seiner sozialpolitischen Integration der Arbeiterschaft standen die
württembergischen Konservativen freilich skeptisch gegenüber. Ihre Organisation blieb schwach. Wie anderenorts waren der Landesverband mit der Berliner Zentrale kaum verbunden, machte nur sehr sporadisch Landesversammlungen und umfasste bis 1914 lediglich 20003000 Mitglieder, wie der Autor schätzt. Ein Pressearchiv
und Wahlkreisregistraturen, die der Partei überhaupt erst
eine gewisse Selbstbeobachtung ermöglichten, baute sie
erst 1913 auf.
sionen heraus, dass die Württembergischen Konservativen deutlich progressiver waren als die Preußischen. So
trat ihre Programmatik nicht für eine Einschränkung des
Wahlrechtes ein. 1906 stimmten sie einer Verfassungsänderung zu, die die zweite Kammer zu einer reinen Volkskammer machte und die kommunale Selbstverwaltung
stärkte. Bei der Schulreform von 1909 suchten sie ebenfalls einen Kompromiss mit Liberalen und Sozialdemokraten und stimmten gegen die Zentrumspartei für kleinere Reformen. Zudem betont Biland, dass der Antisemitismus eine deutlich geringere Rolle gespielt habe als bei
den preußischen Verbänden.
Insgesamt bleiben die Ergebnisse der schmalen Studie
jedoch etwas unbefriedigend. Das liegt nicht nur an der
schlechten Quellenlage, die fast kein genaueres Bild über
das Innenleben von Partei und Verband zulässt. Vielmehr
leidet die Arbeit darunter, dass der Autor alle übergeordneten Forschungsdiskussionen zur deutschen Gesellschaftsgeschichte konsequent umgeht. Bisherige Ergebnisse zur Geschichte der Massenorganisationen, des Bürgertums, der Konfessionalisierung, der Parteien oder der
Milieus werden nirgendwo aufgegriffen. Wichtige Arbeiten zur konservativen Massenmobilisierung, wie etwa
von James Retallack, Jonathan Sperber oder Rudy Koshar, finden sich nicht einmal im Literaturverzeichnis, geschweige denn in der Argumentation. In Bilands Studie
vermisst man selbst bloße Hinweise auf die neuen vaterländischen Vereine oder die Heimatbewegung, obwohl
letztere gerade für Württemberg mit einer einschlägigen
Studie untersucht wurde. A. Confino, The Nation as a Local Methaphor. Württemberg, Imperial Germany and NaDen seit der Jahrhundertwende einsetzenden Auftional Memory 1871-1918, Chapel Hill 1997.
schwung der Deutsch-Konservativen Partei ermöglichte
erst ihre Symbiose mit dem 1893 gegründeten Bund der
Die Antworten, die Biland auf seine UntersuchungsLandwirte, der sich in Württemberg Bauernbund nann- frage gibt, bleiben deshalb oft deskriptiv, zirkulär und
te. Wie überall im Reich war der Kampf für Schutzzölle schwach belegt. Dass die Konservativen erfolglos wasein entscheidendes Mobilisierungspotential. Trotz for- ren, weil die Liberalen reüssierten, ist kaum ein übermell getrennter Organisationen waren Partei und Bau- raschendes Ergebnis. Die Gründe für die hohe Komproernbund aufgrund ihrer personellen, publizistischen und missbereitschaft der Württembergischen Liberalen bleiagitatorischen Überschneidungen von außen nur schwer ben ebenso im Dunkeln wie die Gründe für das zurückzu unterscheiden. Bei den Wahlen sollten gemeinsame haltende Engagement der Pietisten. Zugleich fehlt der
Kandidaten, die vornehmlich vom Bauernbund kamen, Studie der vergleichenden Blick in andere Regionen. Am
ihre Ergebnisse bis 1912 auf 16 Prozent steigern. Mit stärksten ist Bilands Dissertation immer dann, wenn sie
21.000 Mitgliedern gewährte der Bauernbund die nötige die Entwicklung im benachbarten Baden oder die Reichsbreitere Mitgliederbasis, die vor allem aus evangelischen verbände einbezieht. Dies geschieht allerdings so selten,
Landwirten, Kaufleuten und Handwerkern bestand.
dass der Wert des Buches insgesamt vor allem ein heimatgeschichtlicher bleibt.
Schließlich stellt Biland an einigen GesetzesdiskusIf there is additional discussion of this review, you may access it through the network, at:
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Citation: Frank Bösch. Review of Biland, Stefan, Die Deutsch-Konservative Partei und der Bunde der Landwirte im
Württemberg vor 1914: Ein Beitrag zur Geschichte der politischen Parteien im Königreich Württemberg. H-Soz-u-Kult,
H-Net Reviews. September, 2002.
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