Politik Stephan Fischer Der deutsche Bundesrat zwischen Konkordanz und Konkurrenz - Vertretung der Länder oder Instrument der Parteien? Magisterarbeit Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de/ abrufbar. Dieses Werk sowie alle darin enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsschutz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen, Auswertungen durch Datenbanken und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme. 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Besuchen Sie uns im Internet: http://www.grin.com/ http://www.facebook.com/grincom http://www.twitter.com/grin_com Technische Universität Dresden Philosophische Fakultät Institut für Politikwissenschaft Magisterarbeit im Hauptfach Politikwissenschaft Der deutsche Bundesrat zwischen Konkordanz und Konkurrenz – Vertretung der Länder oder Instrument der Parteien? Verfasser: Stephan Fischer Abgabetermin: 24. Juli 2006 Inhaltsverzeichnis I 1. II 3. 4. 5. 5. 1. 5. 2. 5. 3. 5. 4. 5. 5. 5. 6. 5. 7. 5. 8. 5. 8. 1. 5. 8. 2. 5. 8. 3. 5. 8. 4. 6. 7. 7. 1. 7. 2. 8. 9. III 10. 10. 1. 10. 2. 10. 2. 1. 10. 2. 2. 10. 2. 3. 10. 2. 4. 10. 2. 5. 10. 2. 6. 10. 2. 7. 10. 2. 8. 10. 3. 10. 4. 10. 5. 10. 5. IV IV V Einleitung, Problemstellung und Gang der Argumentation Forschungsstand und theoretische Grundlagen Der Bundesrat im politischen System der Bundesrepublik Deutschland Historische Vorläufer des Bundesrates Die Legitimationsgrundlage des Bundesrates Der Bundesrat im Verfassungsgefüge der Bundesrepublik Deutschland Die Zusammensetzung des Bundesrates Die Stimmenverteilung im Bundesrat Präsident, Präsidium und Ständiger Beirat des Bundesrates Das Ausschusswesen Sonstige Einrichtungen Der Vermittlungsausschuss als gemeinsames Organ von Bundestag und Bundesrat Die Kompetenzverteilung im Bundesstaat als Ursache der Politikverflechtung Die Kompetenzen des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren Gesetzgebung im Zweikammerverfahren Zustimmungspflichtige Gesetze Einspruchsgesetze Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften Der Bundesrat als Vetospieler Die Bundesrepublik Deutschland zwischen Konkurrenz und Konkordanz Die konkurrenzdemokratischen Strukturelemente und das Parteiensystem in der Bundesrepublik Deutschland Die konkordanzdemokratischen Strukturelemente im politischen System der Bundesrepublik Deutschland Der Bundesrat zwischen Konkurrenz und Konkordanz – ein Strukturbruch? Die Auswirkungen divergierender Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat Der Bundesrat zwischen Parteipolitik und Vertretung von Länderinteressen Inhaltsanalyse der Beschlussgründe des Bundesrates bei Anrufung des Vermittlungsausschusses Datenmaterial Kategorisierung der Begründungen des Bundesrates bei Anrufung des Vermittlungsausschusses Gesetzestechnische Gründe Rechtliche Gründe Finanzpolitische Gründe Verwaltungsverfahrensbezogene Gründe Inhaltsbezogene Gründe Allgemeinpolitische Gründe Wahrnehmung gesteigerter Länderinteressen Kombinationen Interpretation der Anrufungsbegründungen der 4. Wahlperiode Interpretation der Anrufungsbegründungen in der 14. Wahlperiode Interpretation der Anrufungsbegründungen der 15. Wahlperiode Parteipolitik im Bundesrat Fazit Quellennachweis Literaturnachweis 2 4 15 15 18 20 21 22 24 25 26 27 27 29 31 33 35 36 37 43 44 47 53 57 62 62 64 65 65 66 66 67 67 68 68 69 70 74 78 82 87 88 88 2 I Einleitung, Problemstellung und Gang der Argumentation „Als wir im Parlamentarischen Rat das Grundgesetz schufen (...), haben wir nicht geglaubt, dass die Länder im Bundesrat Parteipolitik treiben. Damals waren wir noch in der Illusion gefangen, die Länderregierungen würden sich loslösen von dem Kampf der Parteien, und wir nahmen an, dass nicht dieselben Parteivorstände oder Fraktionsvorstände, die im Bundestag ihren Einfluss ausüben, dies nun auch im Bundesrat tun würden.“1 Die Parteipolitisierung des Bundesrates ist ein in Öffentlichkeit und Wissenschaft seit langem diskutiertes Thema. Häufig werden die Zustimmungsverweigerungen des Bundesrates, wenn sie nach parteipolitischen Gesichtspunkten getroffen werden, als Ursache für den oft konstatierten Reformstau in der Bundesrepublik Deutschland angesehen. Dabei war der Bundesrat nicht als Arena einer parteipolitischen Auseinandersetzung erschaffen worden. Vielmehr sollten die Länder durch ihn an der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes mitwirken (Art. 50 GG), und nicht die Parteien. Bei unterschiedlichen Mehrheitsverhältnissen in Bundestag und Bundesrat bietet sich aber den Parteien, die sich im Bundestag in der Opposition befinden, die Chance einer gestaltenden Mitwirkung durch den Bundesrat, wenn sie denn in der Lage sind, eine mehrheitsfähige Blockadefront zu errichten. Diese Mitgestaltungsmöglichkeit ist problematisch, da sie als Oppositionsparteien im Bundestag ja nicht in Regierungsverantwortung stehen. Vor allem bei zustimmungspflichtigen Gesetzen kann eine beeindruckende Vetoposition aufgebaut werden. Dadurch entsteht ein Zwang zur Konsensbildung im Vermittlungsausschuss, wenn die Bundesregierung die Gefahr eines Scheiterns der von ihr eingebrachten Gesetzesvorlage minimieren will. Dieser Konsens kann häufig nicht nur durch die Berücksichtigung landesspezifischer Interessen erzielt werden, es sind ebenso die Politikvorstellungen der Oppositionsparteien zu berücksichtigen. Die politische Entscheidungsfindung im parlamentarischen Bundesstaat ist somit einerseits durch Aushandlungserfordernisse zwischen Bund und Ländern und andererseits durch den Parteienwettbewerb gekennzeichnet. Diese beiden Entscheidungssysteme beruhen auf unterschiedlichen Handlungsmustern: föderative Aushandlungsprozesse einerseits, parteipolitische Konkurrenz andererseits. Zutreffend gebraucht Manfred G. Schmidt daher den Begriff der „föderalistischen Konsensusdemokratie“2. 1 Dr. Konrad Adenauer auf dem 6. Bundesparteitag der CDU in Stuttgart, zitiert nach: Süsterhenn, Adolf: Senats- oder Bundesratssystem. Zum Problem der Gewaltenteilung innerhalb der Legislative, in: Wilke, Dieter/ Schulte, Bernd (Hrsg.): Der Bundesrat. Die staatsrechtliche Entwicklung des föderalen Verfassungsorgans, Darmstadt, 1990, S. 172. 2 Schmidt, Manfred G.: Demokratietheorien. Eine Einführung, Opladen, 2000, S. 345. 3 Diese Problematik verweist auf ein Grundproblem des institutionellen Systems der Bundesrepublik Deutschland. Die Parteienkonkurrenz sichert den Regierungsparteien im Bundestag die Möglichkeit der Umsetzung des mit Wählerauftrag ausgestatteten Regierungsprogramms durch Mehrheitsentscheid zu. Eine Konsensfindung ist „nur“ zwischen den Koalitionsparteien im Bundestag erforderlich und bei zustimmungspflichtigen Gesetzen erfolgt ein Bund-Länder-Ausgleich. Besteht dieser Konsens, so kann die parlamentarische Mehrheit im Bundestag ihr Regierungsprogramm durchsetzen und muss dafür auch die politische Verantwortung unterschiedlichen übernehmen. parteipolitischen Werden Mehrheiten Bundestag beherrscht, und dann Bundesrat kann neben von die Verhandlungserfordernisse von Bundes- und Landesebene zusätzlich die parteipolitische Dimension treten. Die bundesstaatliche Verhandlungsdemokratie erzeugt durch die ideologische Konkurrenz der Parteien einen Konsenszwang nicht nur zwischen Bundes- und Landesebene, sondern nun auch zwischen den Parteien, die sich im Bundestag als Regierung und Opposition gegenüberstehen. Wenn die Abstimmung im Bundesrat nicht ausschließlich nach landesspezifischen Interessen, sondern ebenfalls auf der Grundlage von Parteipolitik erfolgt, dann wird die konkordanzdemokratische Prägung der Mitwirkung der Landesregierungen an der Bundesgesetzgebung durch eine parteipolitische und somit konkurrenzdemokratische Prägung überlagert. Bei parteipolitisch geprägter Zustimmungsverweigerung und anschließendem Vermittlungsverfahren können Blockadetendenzen im politischen System der Bundesrepublik Deutschland entstehen, die zu einer geringeren Problemlösungsfähigkeit, einer Politik auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner und einer demokratietheoretisch fragwürdigen Mitwirkung der Oppositionsparteien durch den Bundesrat führen. Der Bundesrat wird zum Blockadeinstrument der Opposition. In der vorliegenden Arbeit soll untersucht werden, inwieweit Parteipolitik im Bundesrat eine Rolle spielt. Um diese Frage klären zu können, werden die Anrufungsbegründungen des Bundesrates zum Vermittlungsausschuss auf ihre inhaltliche Begründung hin analysiert. Die spezifische Anrufungsbegründung dient als Indikator für die Art der Einflussnahme des Bundesrates auf den Gesetzgebungsprozess und erlaubt Rückschlüsse auf die Frage, ob eher Landesinteressen oder Parteipolitik die Arbeit des Bundesrates dominieren. Analysiert werden die Anrufungsbegründungen zum Vermittlungsausschuss in der 4., 14. und 15. Wahlperiode des Deutschen Bundestages. In der 4. Wahlperiode besaß die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP eine parteipolitisch gleichgesinnte Mehrheit im Bundesrat. In der 14. Wahlperiode verfügte die Koalition aus SPD und Grünen nur bis April 1999 über eine