SWR2 OPER

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SWR2 OPER
Moderationsmanuskript von Ulla Zierau
Franz Liszt:
„Christus“, Oratorium
Sonntag, 29.11.2015, 20.03 Uhr
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede
weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des
Urhebers bzw. des SWR.
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Heute, am ersten Adventsabend senden wir keine Oper, sondern ein Oratorium: „Christus“
von Franz Liszt. Das drei-teilige Werk für Soli, Chor, Orgel und Orchester ist jedoch kein
Oratorium im herkömmlichen Sinne mit einer zusammenhängenden Erzählung, sondern es
sind vielmehr meditative Betrachtungen und Durchdringungen einzelner Bilder und Stationen
aus dem Leben Jesu und seiner Lehre, von der Geburt bis zum Tod und der Auferstehung.
Das Heils- und Passionsgeschehen wird klingend, in weiten Teilen sinfonisch reflektiert.
Die Idee zu diesem Oratorium kam sicher von der zunehmenden Verbreitung des
Händel‘schen Messias und einiger Folgekompositionen, in deren Mittelpunkt Christus steht.
Viele Jahre hat Liszt an diesem Werk gearbeitet, zum Teil in völliger Abgeschiedenheit in
zwei kleinen Räumen im Kloster Madonna del Rosario auf dem Monte Mario unweit von
Rom. Dort besuchte ihn sogar im Juli 1863 Papst Pius IX und ließ sich Ausschnitte aus dem
Oratorium vorspielen.
Die Texte hat Liszt selbst aus der Bibel und der katholischen Liturgie zusammengestellt,
nachdem er lange nach einem Librettisten gesucht hatte. Mit Georg Herwegh war er im
Gespräch, Peter Cornelius sollte einen Text der Fürstin Sayn-Wittgenstein bearbeiten. Doch
diese Überlegungen blieben ergebnislos, so setzte sich Liszt selbst an den Schreibtisch.
Auch mit der Form des Oratoriums haderte er, mischte verschiedene Stile und
Kompositionsweisen, ebenso Instrumental- und Vocalabschnitte. Liszt hatte sich zuvor
intensiv mit der Kirchenmusik auseinandergesetzt und nach neuen Wegen gesucht.
Zukünftige Kirchenmusik sei zugleich dramatisch und heilig, prachtentfaltend und einfach,
schrieb er und das trifft auf den Christus wahrlich zu: Immer wieder greift Liszt die Idee
seiner „musique religieuse“ auf, die Verwendungen gregorianischer Motive sowohl in den
Vocal- als auch in den gewichtigen Instrumentalteilen.
Schließlich bezeichnete Liszt die Auseinandersetzung mit der Kirchenmusik und das
Entwickeln seines neuen Kompositionsideals als seinen einzigen Kunst-Zweck, dem er alles
andere zu opfern habe. Ursprünglich wollte er das Opus gar nicht der Öffentlichkeit
preisgeben. Dann kam es aber doch zur Uraufführung, am 29. Mai 1873 in der Stadtkirche in
Weimar. Liszt leitete ein dreihundert-köpfiges Ensemble. Der Komponist und Dirigent hatte
zu kämpfen mit Intonationsschwächen des Chores und verpassten Einsätzen. Es folgten
noch weitere Aufführungen. Einzelne Teile waren zuvor schon in Rom gespielt worden.
Nach Liszts Tod geriet das opulente, fast drei-stündige Werk weitgehend in Vergessenheit,
erst in den vergangenen Jahrzehnten wurde es wiederentdeckt, auf CD gebannt und vor
allem im Liszt Jahr 2011 mehrfach aufgeführt.
Der erste Teil ist überschrieben mit: „Weihnachtsoratorium“. Er besteht aus fünf Sätzen und
beginnt mit einem Instrumentalteil, dem die gregorianische Melodie des Rorate-Introitus
zugrunde liegt.
Das „Rorate coeli“ ist dem Buch Jesaja entnommen. Die deutsche Übersetzung lautet:
Tauet, ihr Himmel, von oben, ihr Wolken, lasst Gerechtigkeit regnen! Die Erde tue sich auf
und bringe das Heil hervor, sie lasse Gerechtigkeit sprießen. Ich, der Herr, will es
vollbringen.“
Danach folgt eine von weichen Holzbläsern bestimmte Pastorale mit der Verkündigung des
Engels. Ein Solo-Sopran stimmt die gregorianische Weise „Angelus Domini ad pastores ait“
an, der Chor setzt zur Lobpreisung des Herrn ein.
Der dritte Satz, das Stabat mater speciosa ist ein homophoner Chorsatz, der ganz schlicht
und verhalten von der Orgel begleitet wird.
Das darauffolgende rein instrumentale Hirtenspiel an der Krippe wird hingegen von Oboen
und Klarinetten geführt.
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Im abschließenden Marsch der heiligen drei Könige sorgen Streicher und Harfenklänge für
majestätischen Glanz, der Stern von Bethlehem steigt mit einer Hornkantilene auf.
Wir senden in SWR2 eine Eigenproduktion, die im Februar 1997 mit dem RadioSinfonieorchester Stuttgart, der Gächinger Kantorei unter der Leitung von Helmuth Rilling
entstand. Die CD Version dieser Aufnahme erhielt den "Cannes Classical Award" in der
Kategorie "Choral 19/20th Century".
Die Solisten im ersten Teil sind: Henriette Bonde-Hansen (Sopran) und Michael Schade
(Tenor).
„Christus“, 1. Teil = 60‘10“
In SWR2 feiern wir den ersten Advent mit dem Oratorium „Christus“ von Franz Liszt. Das war
der erste Teil „Weihnachtsoratorium“ mit der Geburt Jesu und dem Besuch der Heiligen drei
Könige an der Krippe in einer Aufnahme mit der Gächinger Kantorei Stuttgart und dem
Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR unter der Leitung von Helmuth Rilling.
Während seiner Zeit als Dirigent hat sich Franz Liszt mit vielen geistlichen Werken befasst,
u.a. mit „L’Enfance du Christ“ von Hector Berlioz. Sicher haben ihn diese Erfahrungen in der
Entstehungsphase seines Christus beeinflusst und geleitet. Er hat aber auch auf eigene
Werke zurückgegriffen. Die „Seligpreisung“ und das „Gebet des Herrn“ aus dem zweiten Teil
hatte er schon vor einigen Jahren geschrieben und der Abschnitt „die Gründung der Kirche“
für Chor und Orchester basiert auf einem ehemaligen Orgelstück.
Die Mischung aus alt und neu, die Kontrastierung unterschiedlicher Stile machen den
Charakter des Oratoriums aus. Auf der einen Seite stehen klangvoll angelegte
Instrumentalsätze, auf der anderen Seite schlichte einstimmige Chorsätze, orientiert an „acappella Gesängen“ der Gregorianik. Daneben gibt es aber auch komplexe Kombinationen
von Chor, Soli und Orchester. All das verbindet Liszt mit motivischen und symmetrischen
Verknüpfungen innerhalb der dreiteiligen Form, so dass am Ende eine Einheit entsteht.
Der zweite Teil „Nach Epiphania“, also nach dem 6. Januar, der Offenbarung der Göttlichkeit
des Herrn beginnt mit der „Seligpreisung“. Der Bariton singt, begleitet vom Chor, eine Litanei.
Liszt greift darin den Choral vom Anfang wieder auf, „Rorate Coeli“. Darauf folgt ein Pater
Noster. In diesem vorn der Orgel begleiteten „Vater unser“ verlässt Liszt die vorherrschende
Homophonie und entschwindet gelegentlich in die Mehrstimmigkeit. In der darauffolgenden
„Gründung der Kirche“ setzt er dann wieder das ganze Orchester ein, symbolisch für die
Gemeinschaft der Gläubigen. Das anschließende Wunder beginnt mit einem
Orchestervorspiel, darin braust ein Sturm auf dem See Genezareth auf, Liszt schildert das
Toben in drastischer Dramatik. Durch die Kraft des Glaubens wird die Natur wieder beruhigt.
Die verängstigten Jünger bitten um Gottes Hilfe. Jesus entgegnet ihnen: „Was seid ihr so
furchtsam, ihr Kleingläubigen“, eine der wenigen Stellen, in denen Jesus selbst auftritt.
Mit einem triumphalen Marsch erfolgt der Einzug in Jerusalem „Hosanna, benedictus, qui
venit in nomine Domini“. Der Chor und der Sopran stimmen in diesen farbenreichen
Orchestersatz mit ein.
Helmuth Rilling leitet das Radio-Sinfonieorchester Stuttgart und die Gächinger Kantorei.
Solist in diesem zweiten Teil aus Franz Liszts Christus-Oratorium ist der Bass Andreas
Schmidt sowie Henriette Bonde-Hansen (Sopran), Iris Vermillion (Mezzosopran) und Michael
Schade (Tenor).
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„Christus“, 2.Teil = 47‘28“
Christus-Oratorium von Franz Liszt am ersten Advent in SWR 2. Das war der zweite Teil
„Nach Epiphania“ - zuletzt der feierliche Einzug in Jerusalem mit allen vier Solisten Henriette
Bonde-Hansen (Sopran), Iris Vermillion (Mezzosopran), Michael Schade (Tenor) und
Andreas Schmidt (Bass). Helmuth Rilling leitete das RSO Stuttgart und die Gächinger
Kantorei.
1873 wurde Liszts Christus-Oratorium in Weimar zum ersten Mal aufgeführt, das war in der
Stadtkirche St. Peter und Paul, der sogenannten Herderkirche in Weimar. Das kolossale
Werk hinterließ einen mächtigen Eindruck und sorgte zugleich für Verwirrung. Liszts Tochter
Cosima berichtete von der Reaktion Richard Wagners, damals schon ihr Ehemann und
damit Liszts Schwiegersohn.
„Richard machte alle Phasen der Entzückung bis zur äußersten Empörung durch, um zur
tiefsten und liebevollsten Gerechtigkeit zu gelangen.“
Der dritte Teil des Christus heißt: Passion und Auferstehung.
Zu Beginn platziert Liszt eindrucksvoll die einzige Solonummer seines Oratoriums „Tristis est
anima mea“, „Meine Seele ist betrübt“. In einer emotionalen Arie gesteht Christus
schmerzvoll seine Angst und legt sein Schicksal in Gottes Hand. Im sich ausbreitenden
Stabat mater dolorosa werden die innigen Gedanken Jesu reflektiert. Liszt schlägt eine
Brücke zum Stabat Mater speciosa aus dem ersten Teil. War es zur Geburt Jesu die schöne
Mutter, ist es hier, in der Passion die schmerzensreiche. Über eine halbe Stunde nimmt sich
Liszt für die Klage Marias Zeit. Die Mezzosopranistin beginnt, der Chor folgt und schließlich
verbinden sich das Solistenquartett, der Chor und die dunklen Farben des Orchesters.
Kontrastreich schließt sich der Osterhymnus „O filii et filliae“, ein kurzer Frauenchor an.
Mit einem fulminanten Resurrexit endet das Werk. Liszt integriert eine Fuge, Kernthema ist
das Motiv aus dem gregorianischen Gesang „Rorate Coeli“
Passion und Auferstehung aus dem Christus Oratorium von Franz Liszt mit:
Henriette Bonde-Hansen (Sopran)
Iris Vermillion (Mezzosopran, Alt)
Michael Schade (Tenor)
Andreas Schmidt (Bass)
Gächinger Kantorei Stuttgart
Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR
Leitung: Helmuth Rilling
„Christus“, 3. Teil = 54‘08
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