SWR2 Musikstunde

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SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Musikstunde
Jazz across the border
Teil 13
Von Günther Huesmann
Sendung: Samstag, 01.02.2014
Redaktion: Martin Roth
9.05 – 10.00 Uhr
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
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SWR2 Musikstunde: Jazz across the border
SWR2, 1. Februar 2014
9.05-10.00 Uhr
Manuskript: Günther Huesmann
Redaktion: Martin Roth
Jingle SWR2 Musikstunde
Mit Günther Huesmann, guten Morgen! Willkommen zu „Jazz across the
border“, unserer kleinen Beobachtungsplattform für lebendige
Entwicklungen in der globalen improvisierten Musik.
Miles Davis hat einmal gesagt: wenn es denn so etwas gäbe wie eine
Wiedergeburt, dann möchte er als Hermeto Pascoal wiedergeboren
werden: als Albino, als außergewöhnliche Erscheinung mit
schlohweißem Haar und langem Bart. Miles hat diesen brasilianischen
Komponisten, Flötisten, Akkordeonisten und Bandleader in der Tat ganz
außerordentlich geschätzt: Hermeto Pascoal.
1) Voz e Vento
Komponist: Hermeto Pascoal
Interpet: Hermeto Pascoal
Label: Warner Brothers 092741434-2
CD: Cerebro Magnetico
Track 1, 3:21
1979 entstand diese Aufnahme, sie klingt heute noch so frisch und
unverbraucht wie damals. „Voz e Vento“ von dem Multiinstrumentaliten,
Komponisten und Bandleader Hermeto Pascoal.
Der heute 77jährige ist eine brasilianische Jazzlegende. Gemeinsam mit
dem Perkussionisten Airto Moreira leitete er in den 1960er Jahren das
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einflussreiche „Quarteto Novo“. Einem breiteren Publikum bekannt
wurde Pascoal Anfang der 1970er Jahre, als er im Electric Jazz für den
Trompeter Miles Davis einige seiner rätselhaftesten und schönsten
Stücke schrieb. Danach sorgte er mit seinen eigenen Ensembles dafür,
dass die vielfältigen Sounds Brasiliens auf die Landkarte des
Gegenwarts-Jazz kamen – in Stücken, die weit über Bossa und Samba
weisen.
2) Musica das Novens e do Chao
Komponist: Hermeto Pascoal
Interpret: Hermeto Pascoal
Wie Titel 1
Track 2, 3:21
Hermeto Pascoal mit „Musica das Novens e do Chao“.
Kaum verwunderlich, dass sich immer mehr Musiker aus Jazzeuropa vor
dieser brasilianischen Jazzlegende verneigen. So auch – wie im
nächsten Stück - der 30jährige österreichische Pianist David Helbock auf
seinem aktuellen Album „Think of Two“.
Was ihn und andere Musiker so sehr an Pascoal fasziniert? Das ist
dessen Experimentiergeist, der auch vor scheinbaren Verrücktheiten
nicht halt macht. Seine melodische und rhythmische Prägnanz und sein
unbändiger Improvisationswille. In Brasilien nennt man Hermeto Pascoal
auch „El Bruxo“, „Zauberer, Hexenmeister“.
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3) Voa, Ilza
Komponist: Hermeto Pascoal
Interpret: David Helbock’s Random/Control
Label: Traumton 4599, LC 05597
CD: Think of Two
Track 1, 5:19
Der österreichische Pianist David Helbock interpretierte die Hermeto
Pascoal-Komposition „Voa, Ilza“. Von solchen musikalischen
Grußadressen blieb Pascoal nicht unbeeindruckt. Helbock hatte den
Brasilianer am Rande eines Festivals kennengelernt und ihm einige
seiner Stücke in die Hand gedrückt. Irgendwann kam dann aus Brasilien
die Nachricht, das Pascoal für Helbock ein Stück komponiert habe,
„einfach so, für umsonst“. Auch dieses Stück kann man auf Helbocks
wunderbarer CD „Think of Two“ hören, die er nicht nur der Musik von
Pascoal, sondern auch dem Jazzpianisten Thelonious Monk gewidmet
hat.
Wir bleiben bei einem Pianisten, gehen aber nach Finnland. Power und
Parodie – damit glänzte er zu Beginn seiner Karriere in einer besonderen
Formation. Im „Trio Toikeyet“ entwickelte er einen Witz, der beispiellos
war in seiner rasanten, koboldhaften Energie. Später hat Iiro Rantala
nach und nach den Reiz der Ernsthaftigkeit entdeckt – und damit: seinen
Hang zur großen, prallen, satten Melodie.
Dazu passt, dass Rantala für seine aktuelle Band runde Unterstützung
aus dem Streichersektor holt. Seine CD „Anyone with a heart“ glänzt mit
großem östlichen Schmelz auf Strings. Mit dabei aus Serbien die
Cellistin Asja Valcic und der polnische Geiger Adam Baldych. „Anyone
with a Heart“ wird am 28. Februar erscheinen. Wir aber hören in der
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SWR 2 Musikstunde: „Jazz across the border“ schon jetzt eine
Kostprobe daraus.
4) Freedom
Komponist: Iiro Rantala
Interpret: Iiro Rantala String Trio
Label: ACT 9566-2, LC 07644
CD: Anyone With a Heart
Track 2, 7:34
Das Iiro Rantala String Trio mit dem Track „Freedom“.
Den Jazz hat die gebürtige Taiwanesin Jo-Yu Chen in New York
kennengelernt, 2005 als sie an der Juilliard School of Music Oboe
studierte. Das Interesse an der improvisierten Musik brachte sie zurück
zu dem Instrument, das sie schon in ihrer Kindheit gespielt hatte: zum
Klavier. Sie und ihr Piano-Trio zeigen: eine Jazzband ist keine
Versorgungsanstalt, in der es darum geht, die Früchte der Virtuosität zu
konsumieren. Eine Jazzband ist eine Entwicklungsgemeinschaft. Und
das schließt viele andere Möglichkeiten mit ein: auch die der Poesie.
5) Mon Cher
Komponist: Jo-Yu Chen
Interpret: Jo-Yu Chen
Label: Okeh 88883793892
CD: Stranger
Track 1, 4:48
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Nichts ist im Jazz schwerer als eine Ballade zu spielen. Die in New York
lebende taiwanesische Pianistin Jo-Yu Chen aber kann es. Wir hörten
„Mon Cher“ , einen Ausschnitt aus ihrer CD „Stranger“, die am
kommenden Freitag als Download oder in ihrem Lieblingsplattengeschäft
zu haben ist.
Auch das ist ein Zeichen, wie sich in der Welt der improvisierten Musik
die Gewichte verschieben: ein kubanischer Perkussionist ruft, und einige
der größten Jazzmusiker kommen ins Studio. Pedrito Martinez legt sein
zweites Album unter eigenem Namen vor, und mit dabei sind – mal so
ganz locker, der Gitarrist John Scofield, der Trompeter Wynton Marsalis,
genauso wie der Schlagzeuger Steve Gadd.
Wenn Ihnen der Name Pedrito Martinez jetzt nichts sagt, dann ist das
kein Faux-Pas. Der Congaspieler ist bei uns relativ unbekannt. Dabei ist
die Laufbahn des heute 40jährigen staunenswert. Erster professioneller
Auftritt mit 11 Jahren in Kuba. Mit dem legendären Congaspieler Tata
Guienes hat er gespielt, er zog dann mit der Jazzsaxophonistin Jane
Bunnett nach Kanada. Im Jahr 2000 gewann er den Thelonious Monk
Wettbewerb, den wohl renommiertesten Preis, den es im Jazz zu
gewinnen gibt. Seitdem lebt Pedrito Martinez in New York, wo er in die
Salsa-Jazzband „Yuerba Buena“ genauso viel Feuer hinein getrommelt
hat wie in seine eigenen Bands. Wie begehrt er als Studiomusiker ist,
davon künden mehr als einhundert Alben.
Auf seiner aktuellen CD mit dem schlichten Titel „The Pedrito Martinez
Group“ reicht er nun so manchem prominenten Jazzmusiker die
musikalische Hand. Eine Geste, die der so oft als “Jazz-Antiquar”
gescholtenen Wynton Marsalis gerne erwidert. Dessen Trompetenspiel
in der Pedrito Martinez Group macht spürbar: New Orleans liegt von der
Musikinsel Kuba nur wenige Bootsstunden entfernt.
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6) Lengua de Obbara
Komponist: J. Alfonso
Interpret: The Pedrito Martinez Group feat. Wynton Marsalis
Label: Motema Records 885150337851
CD: The Pedrito Martinez Group
Track 2, 6:28
“Der heißeste Perkussionist nördlich von Havanna” titelte das
amerikanische Szene-Magazin „Down Beat“. Pedrito Martinez glänzt
damit, dass er Afro-Kubanisches mit einem starken New-York-Feeling
mischt. In der SWR2 Musikstunde mit “Jazz across the border” hörten wir
die Pedrito Martinez Group und Wynton Marsalis mit “Lengua de
Obbara”.
Autofahrer mögen es bezweifeln, aber auch mit einem Dreirad kommt
man ans Ziel! Gemessen an einem Vierradantrieb, der im Jazz im
Format eine Quartetts allgegenwärtig ist, ist das Trio des Schlagzeugers
Jeff Ballard schon wirklich seltsam besetzt – gleichsam ein recht
ungewöhnliches Fortbewegungsmittel. Auf so eine Dreier-Kombi wie
Altsaxophon, elektrische Gitarre und Schlagzeug muss man erst mal
kommen.
Aber der fest im Trio des Pianisten Brad Mehldau verankerte Jeff Ballard
beweist, dass er auch in eben diesen anderen, in skurrilen
Besetzungen, sein Ziel erreicht. Auf seiner CD „Time’s Tales“ macht er
einen tiefen Sprung in das warme, belebende Wasser der karibischen
Musik. Mit an seiner Seite, der Gitarrist Lionel Loueke, der aus dem
westafrikanischen Land Benin stammt, und der puertorikanische
Altsaxophonist Miguel Zenon. Sie interpretieren im nächsten Track einen
Song des kubanischen Liedermachers Silvio Rodriguez:“El Reparador
De Suenos“.
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7) El Reparador De Suenos
Komponist: Silvio Rodriguez/arr. Miguel Zenon
Interpret: Jeff Ballard
CD: Time’s Tales
Track 8, 7:35
Das Jeff Ballard-Trio interpretierte den Song des kubanischen Sängers
und Gitarristen Silvio Rodriguez: “El Reparador De Suenos“.
Mitten im Klassikstudium lernte die nächste Pianistin an der Texas
University von Austin die Sounds des Jazz kennen. Fortan sattelte sie
um, zog nach Boston und von dort aus nach New York, wo sie mit Clark
Terry spielte und den Mary Lou Williams Klavierwettbewerb gewann.
Helen Sung, die chinesische Vorfahren hat, hält in ihren Improvisationen
das Erbe des klassischen modernen Jazz wunderbar frisch. JazzStandards ganz ohne Mottenkugeln, gespielt mit viel Schwung und
aktuellem Pfiff.
8) Love For Sale
Komponist: Cole Porter
Interpret: Helen Sung
Label: Sunnyside 1263
CD: Going Express
Track 3, 6:02
Die amerikanisch-chinesische Pianistin Helen Sung interpretierte den
Cole-Porter-Klassiker „Love For Sale“. Und Seamus Blake heißt der
Tenorsaxophonist.
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Polyglott, groovend. Geboren wurde der nächste Musiker in Argentinien,
1965 in Buenos Aires. Das Schlagzeugspiel brachte er sich
autodidaktisch bei – mithilfe eines Buches von Gene Krupa – und indem
er zu verschiedenen Schallplatten trommelte. Seit 1991 lebt er in
Deutschland, heimisch ist er jetzt in Stuttgart. Daniele Messina hat an
der Seite der Organistin Barbara Dennerlein viele Jahre lang die
größeren und kleineren Jazzbühnen der Welt bereist. Aber auch im
Ländle, überall dort, wo ein wirklich guter Perkussionist gebraucht wird,
ist er als Studiomusiker gefragt.
Mit seiner eigenen Band hält er auch höchst frische und muntere Weise
die Flagge des Latin-Jazz hoch. „El Futuro es hoy“, die „Zukunft ist
heute“ heißt das neue Album von Danuiel Messina, daraus hören wir den
Track „Nueva Era“.
Und damit endet die aktuelle Ausgabe von „Jazz across the border“ in
der SWR2 Musikstunde. Nach den Nachrichten folgt SWR2 Campus mit
viel Informativem aus Forschung und Wissenschaftspolitik. Viel
Vergnügen damit wünscht Ihnen Günther Huesmann.
9) Nueva Era
Komponist: Daniel Messina
Interpret: Daniel Messina
Label: Mulatina Records MR 3712¸ LC 12491
CD: El Futuro es hoy
Track 1, 6:02
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