SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Musikstunde Jazz across the border Teil 13 Von Günther Huesmann Sendung: Samstag, 01.02.2014 Redaktion: Martin Roth 9.05 – 10.00 Uhr Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte auf CD von allen Sendungen der Redaktion SWR2 Musik sind beim SWR Mitschnittdienst in Baden-Baden für € 12,50 erhältlich. Bestellungen über Telefon: 07221/929-26030 Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de 2 SWR2 Musikstunde: Jazz across the border SWR2, 1. Februar 2014 9.05-10.00 Uhr Manuskript: Günther Huesmann Redaktion: Martin Roth Jingle SWR2 Musikstunde Mit Günther Huesmann, guten Morgen! Willkommen zu „Jazz across the border“, unserer kleinen Beobachtungsplattform für lebendige Entwicklungen in der globalen improvisierten Musik. Miles Davis hat einmal gesagt: wenn es denn so etwas gäbe wie eine Wiedergeburt, dann möchte er als Hermeto Pascoal wiedergeboren werden: als Albino, als außergewöhnliche Erscheinung mit schlohweißem Haar und langem Bart. Miles hat diesen brasilianischen Komponisten, Flötisten, Akkordeonisten und Bandleader in der Tat ganz außerordentlich geschätzt: Hermeto Pascoal. 1) Voz e Vento Komponist: Hermeto Pascoal Interpet: Hermeto Pascoal Label: Warner Brothers 092741434-2 CD: Cerebro Magnetico Track 1, 3:21 1979 entstand diese Aufnahme, sie klingt heute noch so frisch und unverbraucht wie damals. „Voz e Vento“ von dem Multiinstrumentaliten, Komponisten und Bandleader Hermeto Pascoal. Der heute 77jährige ist eine brasilianische Jazzlegende. Gemeinsam mit dem Perkussionisten Airto Moreira leitete er in den 1960er Jahren das 3 einflussreiche „Quarteto Novo“. Einem breiteren Publikum bekannt wurde Pascoal Anfang der 1970er Jahre, als er im Electric Jazz für den Trompeter Miles Davis einige seiner rätselhaftesten und schönsten Stücke schrieb. Danach sorgte er mit seinen eigenen Ensembles dafür, dass die vielfältigen Sounds Brasiliens auf die Landkarte des Gegenwarts-Jazz kamen – in Stücken, die weit über Bossa und Samba weisen. 2) Musica das Novens e do Chao Komponist: Hermeto Pascoal Interpret: Hermeto Pascoal Wie Titel 1 Track 2, 3:21 Hermeto Pascoal mit „Musica das Novens e do Chao“. Kaum verwunderlich, dass sich immer mehr Musiker aus Jazzeuropa vor dieser brasilianischen Jazzlegende verneigen. So auch – wie im nächsten Stück - der 30jährige österreichische Pianist David Helbock auf seinem aktuellen Album „Think of Two“. Was ihn und andere Musiker so sehr an Pascoal fasziniert? Das ist dessen Experimentiergeist, der auch vor scheinbaren Verrücktheiten nicht halt macht. Seine melodische und rhythmische Prägnanz und sein unbändiger Improvisationswille. In Brasilien nennt man Hermeto Pascoal auch „El Bruxo“, „Zauberer, Hexenmeister“. 4 3) Voa, Ilza Komponist: Hermeto Pascoal Interpret: David Helbock’s Random/Control Label: Traumton 4599, LC 05597 CD: Think of Two Track 1, 5:19 Der österreichische Pianist David Helbock interpretierte die Hermeto Pascoal-Komposition „Voa, Ilza“. Von solchen musikalischen Grußadressen blieb Pascoal nicht unbeeindruckt. Helbock hatte den Brasilianer am Rande eines Festivals kennengelernt und ihm einige seiner Stücke in die Hand gedrückt. Irgendwann kam dann aus Brasilien die Nachricht, das Pascoal für Helbock ein Stück komponiert habe, „einfach so, für umsonst“. Auch dieses Stück kann man auf Helbocks wunderbarer CD „Think of Two“ hören, die er nicht nur der Musik von Pascoal, sondern auch dem Jazzpianisten Thelonious Monk gewidmet hat. Wir bleiben bei einem Pianisten, gehen aber nach Finnland. Power und Parodie – damit glänzte er zu Beginn seiner Karriere in einer besonderen Formation. Im „Trio Toikeyet“ entwickelte er einen Witz, der beispiellos war in seiner rasanten, koboldhaften Energie. Später hat Iiro Rantala nach und nach den Reiz der Ernsthaftigkeit entdeckt – und damit: seinen Hang zur großen, prallen, satten Melodie. Dazu passt, dass Rantala für seine aktuelle Band runde Unterstützung aus dem Streichersektor holt. Seine CD „Anyone with a heart“ glänzt mit großem östlichen Schmelz auf Strings. Mit dabei aus Serbien die Cellistin Asja Valcic und der polnische Geiger Adam Baldych. „Anyone with a Heart“ wird am 28. Februar erscheinen. Wir aber hören in der 5 SWR 2 Musikstunde: „Jazz across the border“ schon jetzt eine Kostprobe daraus. 4) Freedom Komponist: Iiro Rantala Interpret: Iiro Rantala String Trio Label: ACT 9566-2, LC 07644 CD: Anyone With a Heart Track 2, 7:34 Das Iiro Rantala String Trio mit dem Track „Freedom“. Den Jazz hat die gebürtige Taiwanesin Jo-Yu Chen in New York kennengelernt, 2005 als sie an der Juilliard School of Music Oboe studierte. Das Interesse an der improvisierten Musik brachte sie zurück zu dem Instrument, das sie schon in ihrer Kindheit gespielt hatte: zum Klavier. Sie und ihr Piano-Trio zeigen: eine Jazzband ist keine Versorgungsanstalt, in der es darum geht, die Früchte der Virtuosität zu konsumieren. Eine Jazzband ist eine Entwicklungsgemeinschaft. Und das schließt viele andere Möglichkeiten mit ein: auch die der Poesie. 5) Mon Cher Komponist: Jo-Yu Chen Interpret: Jo-Yu Chen Label: Okeh 88883793892 CD: Stranger Track 1, 4:48 6 Nichts ist im Jazz schwerer als eine Ballade zu spielen. Die in New York lebende taiwanesische Pianistin Jo-Yu Chen aber kann es. Wir hörten „Mon Cher“ , einen Ausschnitt aus ihrer CD „Stranger“, die am kommenden Freitag als Download oder in ihrem Lieblingsplattengeschäft zu haben ist. Auch das ist ein Zeichen, wie sich in der Welt der improvisierten Musik die Gewichte verschieben: ein kubanischer Perkussionist ruft, und einige der größten Jazzmusiker kommen ins Studio. Pedrito Martinez legt sein zweites Album unter eigenem Namen vor, und mit dabei sind – mal so ganz locker, der Gitarrist John Scofield, der Trompeter Wynton Marsalis, genauso wie der Schlagzeuger Steve Gadd. Wenn Ihnen der Name Pedrito Martinez jetzt nichts sagt, dann ist das kein Faux-Pas. Der Congaspieler ist bei uns relativ unbekannt. Dabei ist die Laufbahn des heute 40jährigen staunenswert. Erster professioneller Auftritt mit 11 Jahren in Kuba. Mit dem legendären Congaspieler Tata Guienes hat er gespielt, er zog dann mit der Jazzsaxophonistin Jane Bunnett nach Kanada. Im Jahr 2000 gewann er den Thelonious Monk Wettbewerb, den wohl renommiertesten Preis, den es im Jazz zu gewinnen gibt. Seitdem lebt Pedrito Martinez in New York, wo er in die Salsa-Jazzband „Yuerba Buena“ genauso viel Feuer hinein getrommelt hat wie in seine eigenen Bands. Wie begehrt er als Studiomusiker ist, davon künden mehr als einhundert Alben. Auf seiner aktuellen CD mit dem schlichten Titel „The Pedrito Martinez Group“ reicht er nun so manchem prominenten Jazzmusiker die musikalische Hand. Eine Geste, die der so oft als “Jazz-Antiquar” gescholtenen Wynton Marsalis gerne erwidert. Dessen Trompetenspiel in der Pedrito Martinez Group macht spürbar: New Orleans liegt von der Musikinsel Kuba nur wenige Bootsstunden entfernt. 7 6) Lengua de Obbara Komponist: J. Alfonso Interpret: The Pedrito Martinez Group feat. Wynton Marsalis Label: Motema Records 885150337851 CD: The Pedrito Martinez Group Track 2, 6:28 “Der heißeste Perkussionist nördlich von Havanna” titelte das amerikanische Szene-Magazin „Down Beat“. Pedrito Martinez glänzt damit, dass er Afro-Kubanisches mit einem starken New-York-Feeling mischt. In der SWR2 Musikstunde mit “Jazz across the border” hörten wir die Pedrito Martinez Group und Wynton Marsalis mit “Lengua de Obbara”. Autofahrer mögen es bezweifeln, aber auch mit einem Dreirad kommt man ans Ziel! Gemessen an einem Vierradantrieb, der im Jazz im Format eine Quartetts allgegenwärtig ist, ist das Trio des Schlagzeugers Jeff Ballard schon wirklich seltsam besetzt – gleichsam ein recht ungewöhnliches Fortbewegungsmittel. Auf so eine Dreier-Kombi wie Altsaxophon, elektrische Gitarre und Schlagzeug muss man erst mal kommen. Aber der fest im Trio des Pianisten Brad Mehldau verankerte Jeff Ballard beweist, dass er auch in eben diesen anderen, in skurrilen Besetzungen, sein Ziel erreicht. Auf seiner CD „Time’s Tales“ macht er einen tiefen Sprung in das warme, belebende Wasser der karibischen Musik. Mit an seiner Seite, der Gitarrist Lionel Loueke, der aus dem westafrikanischen Land Benin stammt, und der puertorikanische Altsaxophonist Miguel Zenon. Sie interpretieren im nächsten Track einen Song des kubanischen Liedermachers Silvio Rodriguez:“El Reparador De Suenos“. 8 7) El Reparador De Suenos Komponist: Silvio Rodriguez/arr. Miguel Zenon Interpret: Jeff Ballard CD: Time’s Tales Track 8, 7:35 Das Jeff Ballard-Trio interpretierte den Song des kubanischen Sängers und Gitarristen Silvio Rodriguez: “El Reparador De Suenos“. Mitten im Klassikstudium lernte die nächste Pianistin an der Texas University von Austin die Sounds des Jazz kennen. Fortan sattelte sie um, zog nach Boston und von dort aus nach New York, wo sie mit Clark Terry spielte und den Mary Lou Williams Klavierwettbewerb gewann. Helen Sung, die chinesische Vorfahren hat, hält in ihren Improvisationen das Erbe des klassischen modernen Jazz wunderbar frisch. JazzStandards ganz ohne Mottenkugeln, gespielt mit viel Schwung und aktuellem Pfiff. 8) Love For Sale Komponist: Cole Porter Interpret: Helen Sung Label: Sunnyside 1263 CD: Going Express Track 3, 6:02 Die amerikanisch-chinesische Pianistin Helen Sung interpretierte den Cole-Porter-Klassiker „Love For Sale“. Und Seamus Blake heißt der Tenorsaxophonist. 9 Polyglott, groovend. Geboren wurde der nächste Musiker in Argentinien, 1965 in Buenos Aires. Das Schlagzeugspiel brachte er sich autodidaktisch bei – mithilfe eines Buches von Gene Krupa – und indem er zu verschiedenen Schallplatten trommelte. Seit 1991 lebt er in Deutschland, heimisch ist er jetzt in Stuttgart. Daniele Messina hat an der Seite der Organistin Barbara Dennerlein viele Jahre lang die größeren und kleineren Jazzbühnen der Welt bereist. Aber auch im Ländle, überall dort, wo ein wirklich guter Perkussionist gebraucht wird, ist er als Studiomusiker gefragt. Mit seiner eigenen Band hält er auch höchst frische und muntere Weise die Flagge des Latin-Jazz hoch. „El Futuro es hoy“, die „Zukunft ist heute“ heißt das neue Album von Danuiel Messina, daraus hören wir den Track „Nueva Era“. Und damit endet die aktuelle Ausgabe von „Jazz across the border“ in der SWR2 Musikstunde. Nach den Nachrichten folgt SWR2 Campus mit viel Informativem aus Forschung und Wissenschaftspolitik. Viel Vergnügen damit wünscht Ihnen Günther Huesmann. 9) Nueva Era Komponist: Daniel Messina Interpret: Daniel Messina Label: Mulatina Records MR 3712¸ LC 12491 CD: El Futuro es hoy Track 1, 6:02