Ausgestaltung von Regelenergieauktionen - wiwi.uni

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Effiziente Ausgestaltung von Regelenergieauktionen zur
Verringerung der Netznutzungsentgelte
Dipl. Volkswirt Tim Wawer
Westfälische-Wilhelms-Universität Münster
Lehrstuhl für Volkswirtschaftstheorie
Universitätsstr. 14-16
48143 Münster
Deutschland
[email protected]
-1-
1. Einleitung
Die Handelszone Deutschland ist in vier Regelzonen unterteilt, in denen jeder
Übertragungsnetzbetreiber für die Dienstleistungen zur Bereitstellung von Energie zuständig
ist. Dieses beinhaltet neben Ausbau und Erhalt des Netzes auch den Betrieb, der aus
Frequenzhaltung,
Spannungshaltung
und
dem
Ausgleich
von
kurzfristigen
Fahrplanabweichungen besteht.
Eine Regulierung des natürlichen Monopols, dem Netz, ist erforderlich, um Wettbewerb in
den vor- und nachgelagerten Märkten zu ermöglichen. Auf der vorgelagerten Stufe, der
Erzeugung in Kraftwerken, ist Wettbewerb grundsätzlich möglich. Die Bereitstellung von
Regelenergie für den Netzbetrieb ist somit als Schnittstelle zwischen dem wettbewerblichen
und dem monopolistischen Bereich zu sehen. Insbesondere im Zusammenhang mit der
Ausweitung der Stromerzeugung aus regenerativen Energien ist die Frage nach den Kosten
für Regelenergie in den Blickpunkt geraten, da die dargebotsmäßige Erzeugung zu
stochastischen Abweichungen führt, die Regelenergie erforderlich machen.
Die Struktur eines vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens mit einer
rechtlichen und/oder organisatorischen Entflechtung erfordert nicht nur eine Regulierung der
Durchleitungsgebühren, sondern auch der Systemdienstleistungen, die für die Nutzung des
Netzes in Anspruch genommen werden müssen. Der Eigentümer und Betreiber des Netzes
muss einen diskriminierungsfreien Zugang ermöglichen und die Kosten für den Netzbetrieb
möglichst gering halten.
In der deutschen Variante mit vier vertikal integrierten Übertragungsnetzbetreibern (eon,
EnBW, RWE, Vattenfall Europe), die gleichzeitig einen Großteil der Kraftwerksleistungen
besitzen, besteht das Potenzial durch überhöhte Netznutzungsentgelte und Diskriminierung
von neuen Anbietern den Wettbewerb zu unterminieren. Durch überhöhte Regelenergiepreise
werden Quersubventionierungspotenziale geschaffen, die den vier Verbundunternehmen
erhebliche Wettbewerbsvorteile verschaffen könnten und Newcomern auf den verschiedenen
Stufen den Markteintritt erschweren. Seit dem 1. Februar 2001 kommt RWE den Auflagen
des Bundeskartellamtes nach und beschafft Regelenergie am liberalisierten Markt. Diesem
Beispiel sind alle deutschen ÜNB gefolgt und beschaffen ihre Regelenergie elektronisch mit
automatischer Prozessabwicklung. Die hierfür verwendeten Auktionsmechanismen können
unterschiedlich ausgestaltet werden. Die Folgen unterschiedlicher Mechanismen sollen
anhand strategischer Überlegungen verdeutlicht werden, um abschließend mithilfe der
empirischen Daten Empfehlungen für die Ausgestaltung der Regelenergiemärkte zu geben.
2. Regel- und Ausgleichsenergie
Eine Besonderheit von Elektrizität ist, dass die Erzeugung und der Verbrauch zeitgleich
erfolgen müssen, da es keine ökonomisch sinnvollen Verfahren gibt, um größere
Strommengen zu speichern. Auch wenn die Erzeuger und Händler versuchen, die Nachfrage
möglichst genau zu prognostizieren, kommt es innerhalb einer Regelzone zu Abweichungen
zwischen der eingespeisten und der entnommenen Menge. Sofern der Regelzonensaldo
(Entnahme - Einspeisung) nicht ausgeglichen ist, muss dieser durch den ÜNB wieder in das
Gleichgewicht gebracht werden. Je nach Dauer der Abweichungen setzt er hierfür
unterschiedliche Regelenergiequalitäten ein, wobei die Reaktionsschnelligkeit das wichtigste
Qualitätsmerkmal ist. Reservearten mit hoher Qualität werden im Zeitablauf durch jene mit
geringerer Qualität, also einer langsameren Reaktionszeit, substituiert. Diese Substitution ist
-2-
erforderlich, damit die Kapazitäten der jeweils höheren Qualität wieder zur Verfügung stehen,
um weitere potenzielle Ungleichgewichte zu korrigieren. Des Weiteren ist sie aus
ökonomischer Sicht sinnvoll, da Regelenergie mit geringerer Qualität i.d.R. günstiger zu
beschaffen ist als solche mit hoher Qualität.
Die Reserve mit der höchsten Qualität und einer unmittelbaren Reaktionszeit ist die
Sekundenreserve, die zur Primärregelung eingesetzt wird. Die Frequenz des Netzes wird
durch den Netzbetreiber innerhalb eines Frequenzbereiches (Primärregelband) automatisch
gesteuert. Die hierfür eingesetzte Sekundenreserve wird dezentral im gesamten UCTEVerbund überwiegend von Dampfkraftwerken vorgehalten. Sie wird unmittelbar nach einer
Störung aktiviert und kann innerhalb von 30 Sekunden linear auf eine Leistung von 3000 MW
gesteigert werden, so dass der Ausfall von zwei Grenzleistungsblöcken mit einer Leistung von
je 1500 MW kurzfristig kompensiert werden kann. Die von jeder Regelzone vorzuhaltende
Leistung wird jährlich anhand der Nettostromerzeugung des Vorjahres ermittelt. Aufgrund
des dezentralen Charakters der Primärregelung ist es nicht erforderlich, dass die
Erzeugungseinheiten sich in der entsprechenden Regelzone befinden, jedoch muss die
Zurechnung zu einer Regelzone eindeutig gegeben sein.
Gibt es eine länger anhaltende oder stärkere Abweichung innerhalb der Regelzone, wird die
Primärregelung nach 30 Sekunden durch eine Reserve mit geringerer Qualität, der
Sekundärregelung, automatisch substituiert. Somit steht die Primärregelung wieder im vollen
Umfang für die Stabilisierung der Netzfrequenz zur Verfügung. Die für die Sekundärregelung
vorgehaltene Leistung soll insbesondere sicherstellen, dass der Austausch zwischen den
Regelzonen nicht beeinträchtigt wird. Die zu diesem Zwecke vorgehaltenen hydraulischen
und thermischen Kraftwerke müssen sich im Gegensatz zu den anderen Regelqualitäten bei
der Sekundärregelung zu einem großen Teil innerhalb der Regelzone befinden. Wenn ein
Ungleichgewicht nach 15 Minuten nicht beseitigt wurde, ist Sekundärregelung wiederum
durch die Tertiärregelung zu substituieren.
Die Regelenergie mit der schlechtesten Qualität, sprich langsamsten Reaktionszeit, ist die für
die Tertiärregelung vorgehaltene Minutenreserve. Diese wird manuell zur vollen 1/4-Stunde
eingesetzt und muss daher innerhalb von 15 Minuten vollständig aktivierbar sein. Die
Bereitstellung der Minutenreserve erfolgt aus laufenden thermischen Kraftwerken und durch
die Aktivierung von Speicher-, Pumpspeicher-Kraftwerken und Ölturbinen. Auf der anderen
Seite ist auch eine Abschaltung von Kundenlasten möglich, um auf die ursprünglichen
Sollwerte zurückzukehren. Die Summe aus Sekundärregelung und manuell verfügbarer
Minutenreserve in der Regelzone muss mindestens so groß sein wie die größte
Kraftwerksblockleistung, um Ausfälle ausgleichen zu können.
Die Minutenreserve kann bei einem längerem Leistungsengpass durch die langsame
Stundenreserve (Langzeitreserve) abgelöst werden. Diese Austauschleistungen werden durch
thermische Kraftwerke mit langer Anfahrtsdauer (1/2 bis 8 Stunden) auf die aktuellen
Gegebenheiten angepasst. Die Zuschaltung erfolgt nicht über den ÜNB und wird auch nicht
im Vorfeld von diesem beschafft. Hierbei handelt es sich um eine Form des
Innertageshandels, auf den im weiteren Verlauf noch näher eingegangen wird.
2.1. Abrechnung von Fahrplanabweichungen
Die Abweichungen, die durch den Einsatz von Regelenergie technisch korrigiert werden,
führen auch dazu, dass die aus den Energieflüssen resultierenden Geldströme neu ermittelt
werden müssen. Hierfür wird in der aktuell gültigen Verbändevereinbarung II+ vom
-3-
13.12.2001 (VVII+) das Instrument der Bilanzkreise vereinbart. Jeder Händler und jedes
EVU, das in einer deutschen Regelzone Stromgeschäfte tätigen will, benötigt hierfür einen
Bilanzkreis, dieser kann eine beliebige Anzahl von Ein- und Ausspeisepunkten innerhalb
einer Regelzone beinhalten.1 Einspeisestellen können mehreren Bilanzkreisen zugeordnet
werden, Entnahmestellen jedoch nur einem einzigen. Wird Strom über die Grenzen einer
Regelzone hinweg geliefert oder gehandelt, muss der Marktteilnehmer in allen betroffenen
Regelzonen einen Bilanzkreis besitzen oder sich einem anderen anschließen.
Da ein Bilanzkreis aus einer Vielzahl von Unternehmen bestehen kann, muss ein
Bilanzkreisverantworlicher (BKV) bestimmt werden, der dafür zuständig ist, die
Abrechnungen mit dem ÜNB vorzunehmen. Hierfür muss dieser täglich bis 14:30 Uhr die
prognostizierten Einspeise- und Ausspeiseleistungen je Viertelstunde für den folgenden Tag
in Form eines Fahrplans bei dem ÜNB einreichen. Durch unvorhergesehene Ereignisse auf
Erzeuger- oder Verbraucherseite sowie ungenauen Prognosen kann es allerdings zu
Fahrplanabweichungen kommen. Dabei gibt es innerhalb einer Regelzone aufgrund von
stochastischen Effekten sowohl Bilanzkreise mit positiven als auch mit negativen
Fahrplanabweichungen, die sich teilweise kompensieren. Ein Großteil der
Fahrplanabweichungen wird somit durch Prognosefehler anderer BKV innerhalb der
Regelzone kompensiert, die hierbei unfreiwillig gelieferte Energie wird als Ausgleichsenergie
bezeichnet. Jene Defizite oder Überschüsse, die nicht durch Lieferung von Ausgleichsenergie
durch andere Bilanzkreise gedeckt werden können, bilden den Regelzonensaldo und müssen
durch den ÜNB auf dem Regelenergiemarkt beschafft werden.
Der ÜNB muss in einem 1/4-Stunden-Takt zum einen die gelieferte Ausgleichsenergie
zwischen den Bilanzkreisen und zum anderen die beschaffte Regelenergie in Höhe des
Regelzonensaldos abrechnen. Als Kalkulationsgrundlage für gelieferte oder empfangene
Ausgleichsenergie dient dabei der Preis für eingesetzte Regelenergie. Der mittlere gewichtete
Arbeitspreis (MGP) für eingesetzte Regelenergie wird alle 15 Minuten ermittelt und als
symmetrischer Preis zur Abrechnung von Unter- und Überdeckungen verwendet. So wird
garantiert, dass der ÜNB aus der Systemdienstleistung keinen zusätzlichen Gewinn erzielen
kann, da seine Gewinne über die Netznutzungsentgelte reguliert werden.
Abbildung 1 verdeutlicht den Sachverhalt bei unterschiedlichen Regelzonensalden. Wenn der
Regelzonensaldo positiv ist (Leistungsmangel), dann erhalten die Bilanzkreise, die
Ausgleichsenergie liefern, den MGP+ und jene Bilanzkreise, die Verursacher des
Leistungsmangels sind, müssen diesen Preis an den ÜNB entrichten. Außerdem muss der
ÜNB seine Verpflichtungen gegenüber den Lieferanten von Regelenergie erfüllen. Da der
MGP+ im Normalfall über dem Spotpreis liegt, entstehen für die Bezieher von
Ausgleichsenergie Kosten gegenüber der regulären Beschaffung. Die Lieferanten von
Ausgleichsenergie können hingegen einen höheren Preis als auf dem Spotmarkt erzielen.
1
Vgl. VVII+, Anlage 2.
-4-
ÜNB bezieht positive
Regelenergie zum
Preis von MGP+
ÜNB liefert negative
Regelenergie und
erhält MGP-
Gesamtsaldo
Regelzone >0
(Leistungsmangel)
Gesamtsaldo
Regelzone < 0
(Leistungsüberschuss)
Mehreinspeisung
BKV erhält MGP+,
da seine
Abweichung den
Regelzonensaldo
stützt
Mindereinspeisung
Mehreinspeisung
BKV muss MGP+
zahlen, da er
Mitverursacher
des Leistungsmangels ist
BKV erhält MGP-,
da der Strom
durch den ÜNB
verkauft wird
Mindereinspeisung
BKV muss nur
MGP- zahlen, da
seine Abweichung
den Regelzonensaldo stützt
Abbildung 1: Abrechnung von Fahrplanabweichungen
Bei einem negativen Regelzonensaldo (Leistungsüberschuss) verkauft der ÜNB den in der
Auktion ermittelten Partnern die überschüssige Energie zum MGP- und vergütet den
Bilanzkreisen, die für den Leistungsüberschuss verantwortlich sind, ihre Mehreinspeisungen
zu genau diesem Preis. Jene Bilanzkreise, die unter ihrer nachgefragten Last eingespeist
haben, müssen für bezogene Ausgleichsenergie ebenfalls den MGP- zahlen. Dieser liegt in
der Regel unterhalb des Spotpreises. Der Beschaffungsmechanismus für Regelenergie
bestimmt somit auch die Preise für Ausgleichsenergie, wobei die Abrechnungspreise erst im
Nachhinein bekannt sind. Das Verrechnungssystem für Fahrplanabweichungen muss
gewährleisten, dass die Abweichungen verursachungsgerecht abgerechnet werden und die
Systemsicherheit nicht durch vorsätzlich falsche Fahrpläne gefährdet wird. Dieses Problem
kann aber nicht dauerhaft sein, da mit einem negativen Regelzonensaldo die Abgabe von
Regelenergie verbunden ist, die in der Regel nur zu geringen Preisen verkauft werden kann,
so dass eine ständige Übereinspeisung nicht lohnend ist.
2.2. Auswirkungen auf die Netznutzungsentgelte
Neben den Preisen für Ausgleichsenergie haben die Ergebnisse aus Regelenergieauktionen
Auswirkungen auf die Netznutzungsentgelte. Diese beinhalten die Kosten für Vorhaltung und
Instandsetzung des Netzes sowie die Dienstleistungen, die für den Betrieb des Netzes
eingesetzt werden müssen, wobei die Beschaffung von Regelenergie eine solche ist. Die
Netzdienstleistungen sollten soweit möglich verursachungsgerecht abgerechnet werden und
nicht über die Netznutzungsentgelte sozialisiert werden. Nur so haben Newcomer auf dem
Strommarkt die Chance, durch selber zu beeinflussende Faktoren Kostenvorteile zu erzielen
und den Wettbewerb auf dem Strommarkt zu erhöhen.
Der Preis der Regelenergie kann sich aus zwei Komponenten zusammensetzen. Zum einen
wird die Option, Strom zu beziehen oder abzugeben, mit einem Leistungspreis (LP) vergütet.
Dieser ist unabhängig von der tatsächlich nachgefragten Strommenge, die mit dem
Arbeitspreis (AP) vergütet wird.
Abbildung 2 verdeutlicht die aktuelle Vorgehensweise der ÜNB. Der Ausgleich kurzfristiger
Schwankungen durch die Primärregelung ist eine Systemdienstleistung, die nur mit einem
Leistungspreis vergütet wird. Da der Anbieter von Primärregelleistung innerhalb des
Frequenzbandes sowohl Arbeit abgibt als auch aufnimmt, ist eine Entlohnung der Arbeit nicht
erforderlich. Eine verursachungsgerechte Ermittlung der Kosten ist in diesem Fall nicht
möglich, daher werden die Kosten für die Netznutzung berechtigterweise in voller Höhe den
Netznutzungsentgelten hinzugerechnet.
-5-
Primärreserve
Sekundenreserve
Minutenreserve
LP
Sozialisiert über
die
Netznutzungsentgelte
LP
AP
LP
AP
Individuell, da
bestimmend für
MGP der
Ausgleichsenergie
Abbildung 2: Auswirkung der Kosten auf Netznutzung und Ausgleichsenergie
Bei der Sekundär- und der Minutenreserve erfolgt die Entlohnung durch Arbeits- und
Leistungspreise. Wie bereits beschrieben, sind die Arbeitspreise der eingesetzten
Regelenergie bestimmend für den MGP, der für die Abrechnung der eingesetzten Arbeit mit
und zwischen den einzelnen Bilanzkreisen eingesetzt wird. Die Bereitstellung der Leistung
wird hingegen als Systemdienstleistung über die Netznutzungsgebühren verrechnet.
Der von den ÜNB ermittelte MGP berücksichtigt somit nicht alle Kosten der Beschaffung von
Regelenergie, da die Kosten für die Leistungsbereitstellung über die Systemdienstleistung
sozialisiert werden und nicht in den MGP mit einfließen. Die Beschaffung von Regelenergie
hat somit zum einen durch die Primäregelleistung und zum anderen über die Leistungspreise
der Sekundär- und Minutenreserve Auswirkungen auf die Höhe der Netznutzungsentgelte.
3. Auktionsmechanismen
Die Beschaffung von Regelenergie erfolgt über Ausschreibungen. Diese sind umgekehrte
Auktionen, bei denen Verkäufer sich mit den Preisen für ein Gut unterbieten müssen. Sie
können dort, wo Monopsone auf oligopolistischen Strukturen treffen, zu effizienten
Marktergebnissen führen, da der Monopsonist durch den Auktionsmechanismus glaubhaft
versichert, seine Marktstellung nicht auszunutzen.2 Um allerdings eine optimale Allokation
der Ressourcen zu erreichen, ist eine ausreichend große Anbieterzahl erforderlich. Nur so
kann der Auktionator die gesamtwirtschaftliche Angebotskurve aus den Geboten ermitteln,
um dann die Kraftwerke in aufsteigender Reihenfolge ihrer Grenzkosten bis zur gewünschten
Menge mit der Lieferung zu beauftragen.
Der Auktionsmechanismus bestimmt zunächst die Form der Gebotsabgabe. Diese erfolgt bei
den meisten Auktionen im Energiesektor als verdeckte Gebotsabgabe ohne Nachbesserung.
Die Bieter sind so gezwungen, ohne Informationen über die Kostenverläufe anderer
Teilnehmer ihre Gebotshöhe festzulegen.
Im Folgenden werden die Wirkungen unterschiedlicher Vergütungsmechanismen in
Verbindung mit den Besonderheiten des Regelenergiemarktes betrachtet. Im Gegensatz zu
Auktionen bei Immobilien- oder Kunstobjekten steht nicht nur ein Objekt zur Versteigerung,
2
Vgl. McAfee (1987), S.3.
-6-
sondern eine Vielzahl von Produkten. Hierbei wird auch der Eigenschaft von Regelenergie
Rechnung getragen, dass sich die Preise für Regelenergie sich aus einem Arbeits- und einem
Leistungspreis zusammensetzen und die Versteigerung so zu einer multivariaten Auktion
wird.
Die Auktionen werden sowohl für positive als auch für negative Reserveleistungen
durchgeführt. Die folgenden Überlegungen beziehen sich jedoch lediglich auf die
Beschaffung positiver Reserveleistungen, lassen sich jedoch analog auf die Beschaffung von
negativer Reserveleistung übertragen.
3.1. Höchstpreis- vs. Gebotspreisverfahren
Eine der Grundlagen der modernen Auktionstheorie ist das Erlös-Äquivalenz-Theorem von
Vickrey.3 Er untersucht das Verhalten von Bietern bei unterschiedlicher Ausgestaltung des
Auktionsmechanismus im Einproduktfall. Demnach sind die Einnahmen aus Auktionen im
Durchschnitt gleich hoch unabhängig davon, ob derjenige, der den Zuschlag erhält, sein
eigenes (das höchste) Gebot zahlen muss oder ob er nur den Betrag des zweithöchsten Gebots
zahlen muss. Diese Verfahren lassen sich für eine Mehrproduktauktion mit dem Höchstpreisund dem Gebotspreisverfahren vergleichen.
Bei dem Gebotspreisverfahren gibt jeder Teilnehmer sein Gebot für eine bestimmte Menge
ab. Die Vergütung erfolgt je nach dem abgegebenen Gebot unterschiedlich, daher wird diese
Auktionsform auch als diskriminierende Auktion bezeichnet. Das Höchstpreisverfahren
bestimmt den Wert der versteigerten Ware mithilfe des ersten nicht oder dem letzten
angenommenen Gebot. Wenn alle modellhaften Bedingungen erfüllt sind, gilt das ErlösÄquivalenz-Theorem auch für den Mehrproduktfall, bei dem die Teilnehmer ihre wahren
Kosten bieten.4 Diese Ergebnisse können als ein Benchmark unter modellhaften Bedingungen
angesehen werden, die jedoch in der Realität selten anzutreffen sind. Daher hat das ErlösÄquivalenz-Theorem selten Gültigkeit und unterschiedliche Ausgestaltungen führen zu
unterschiedlichen Ergebnissen. Eine Empfehlung für eines der beiden Vergütungsmodelle
kann somit nur nach der Betrachtung des jeweiligen Marktes getroffen werden. Im Folgenden
werden die wichtigsten Charakteristika des Regelenergiemarktes untersucht und es wird
anhand von strategischen Überlegungen gezeigt, welche Auswirkungen die beiden
Vergütungsformen auf die Kosten der Beschaffung haben.
Kollusion zwischen den Bietern
Eine der größten Gefahren bei Ausschreibungen stellt die Kollusion der Bieter dar. Hierbei
sind nicht nur Absprachen ein Problem, sondern auch die Möglichkeit, über den
Auktionsmechanismus Signale an seine Mitbewerber zu geben, was zu einer koordinierten
Gebotsabgabe führt. Diese Gefahr ist bei täglich wiederkehrenden Auktionen, bei denen im
Wesentlichen die gleichen Spieler antreten, in besonderem Maße gegeben.
Die Teilnehmer bei Höchstpreisauktion können sich darauf einigen, die Menge untereinander
aufzuteilen und zu hohen Preisen anzubieten. Sollte ein Teilnehmer seine Menge mit
sinkenden Preisen zulasten der anderen Bieter ausweiten, führt dieses zu einem geringeren
Erlös für alle Auktionsteilnehmer. Die Absprache ist stabil, da eine abweichende Handlung
nicht profitabel ist.5 Eine Gebotspreisauktion hingegen zwingt die Bieter zu einem
Preiswettbewerb.
3
Vgl. Vickrey (1961).
Vgl. Green (1999).
5
Vgl. Klemperer (2001), S. 17ff.
4
-7-
Private Kosten
Die Kosten, die von individuellen Faktoren des Anbieters abhängig sind, werden als private
Kosten bezeichnet. Ein Beispiel hierfür ist der Kostenvorteil, wenn nicht die gesamte
Kraftwerksleistung am Spotmarkt verkauft werden konnte und die Regelenergie ohne
Mehrkosten vorgehalten werden kann. Weiter können hier langfristige Verträge, eigene
Fahrplanabweichungen oder Ähnliches genannt werden. Auch diese Modellannahme ist bei
Regelenergieauktionen nicht erfüllt, da sich die Kosten zur Bereitstellung von Regelenergie
sowohl aus privaten als auch aus gemeinsamen Faktoren zusammensetzen. Die
Einsatzwahrscheinlichkeit der Reserve ist z.B. ein Faktor, der im Nachhinein für alle Anbieter
identisch ist und durch vorherige Investitionen in Informationsbeschaffung genauer bestimmt
werden kann.
Jedoch können die Kosten für diese Genauigkeit prohibitive Höhen erreichen, wobei dieser
Wert mit zunehmender Auktionsdauer bzw. mit der häufigen Wiederholung der Auktion und
Veröffentlichung der Ergebnisse durch alle Anbieter genau bestimmt werden kann.
Das Erlös-Äquivalenz-Theorem beruht auf der Annahme, dass die Kosten der Teilnehmer nur
aus privaten Kosten bestehen. Wenn die Kosten des zu versteigernden Produktes im
Wesentlichen durch gemeinsame Kosten bestimmt sind und sich im Nachhinein exakt
quantifizieren lassen, dann ist eine Höchstpreisauktion für den ÜNB vorteilhafter. Dieses lässt
sich mit dem „Fluch des Gewinners“ (winners curse) begründen.6 So wird der Sieger einer
Auktion genannt, der nur gewonnen hat, weil er bei der Kalkulation seiner Kosten am meisten
von der gemeinsamen Wertschätzung abgewichen ist. In einer Situation, in der die Kosten für
alle Anbieter identisch sind, führt eine Gebotspreisauktion zu einem zögerlichen
Bieterverhalten und tendenziell zu höheren Beschaffungskosten. Bei der Versteigerung von
Produkten, deren Kosten sich im Wesentlichen aus individuellen Faktoren ergeben, fällt der
Vorteil von Höchstpreisauktionen nicht allzu stark ins Gewicht, da die Gefahr des „Fluchs des
Gewinners“ gering ist.
Atomistische Bieterstruktur
Eine zentrale Annahme des Erlös-Äquivalenz-Theorems ist, dass es eine Vielzahl von Bietern
gibt, die jeweils eine stetige Angebotsfunktion als Gebot abgeben. Diese Annahme ist auf
dem Regelenergiemarkt nicht erfüllt, da es aufgrund der hohen Anlageinvestitionen und der
daraus resultierenden geringen Anzahl von Anbietern einige große Spieler gibt, die durch
strategische Handlungen Marktmacht ausüben können. Wenn die Teilnehmerzahl zu gering ist
oder es einige große Anbieter mit großer Kapazität gibt, besteht bei einer Vergütung nach
Höchstpreisverfahren für den Bieter die Chance, durch eines seiner Gebote den Preis für alle
Einheiten zu beeinflussen. Diese strategischen Anbieter können durch inframarginale
Angebote ihre Absatzmenge sichern und zugleich durch marginale Gebote den Preis für die
gesamte Menge in die Höhe treiben. Ein Beispiel hierfür ist das englische Pool-Modell (19902001), bei dem alle Produzenten ihre Strommengen in einer Höchstpreisauktion versteigern
mussten. Das strategische Verhalten der großen Anbieter war ausschlaggebend für eine
grundlegende Reform, bei der nun Gebotspreisauktionen Anwendung finden.7 Obwohl das
Höchstpreisverfahren zu wesentlich höheren Kosten für den Auktionator führen kann, bietet
es kleinen Anbietern den Vorteil, dass sie als „Freerider“ von dem strategischen Verhalten
profitieren und ohne größere Informationsbeschaffung an der Auktion teilnehmen können.
Somit kann ein Wechsel zu einer Gebotspreisauktion zu einer Verringerung der
6
7
Für eine ausführliche Betrachtung vgl. Thaler(1988).
Vgl. Federico (2003).
-8-
Teilnehmerzahl führen, was bei einer von individuellen Kosten dominierten Auktion einen
negativen Effekt auf die Beschaffungskosten des Auktionators hat.8
Auch wenn in der Theorie die Abgabe von Angebotsfunktionen weit verbreitet ist, muss der
Bieter bei Regelenergieauktionen in Deutschland mehrere einzelne Gebote abgeben, die einer
Mindestgröße unterliegen. Somit sind die ermittelten Angebotsfunktionen nicht stetig,
sondern steigen sprunghaft mit jedem weiteren nachgefragten Block an. Da jeder Bieter zu
einer Mindestmenge pro Gebot verpflichtet ist, ist bei einer Höchstpreisauktion die Abgabe
von marginalen Geboten zur Preisbeeinflussung nicht kostenlos. Der Bieter muss somit
zwischen den Wahrscheinlichkeiten abwägen, entweder für alle Einheiten einen höheren Preis
zu erzielen oder die Menge des Gebotes nicht verkaufen zu können. Die
Mindestgebotsmengen sollten daher bei einer Höchstpreisauktion nicht zu gering ausfallen,
um den Verlust durch ein nicht angenommenes Gebot zu erhöhen. Bei einer
Gebotspreisauktion hingegen sprechen nur Transaktionskosten bei der Gebotsabwicklung
gegen ein sehr geringes Mindestgebot, da so die Teilnehmerzahl erhöht und tendenziell eine
Verringerung der Beschaffungskosten erreicht werden kann. Diese Transaktionskosten
bestehen bei der Ausschreibung der Minutenreserve auch darin, bei einer manuellen
Anforderung eine Vielzahl von Bietern informieren zu müssen, anstatt nur einen Großen.
Preiselastische Nachfrage
Die Ausgestaltung des Vergütungsmechanismus führt nur unter der Bedingung einer
preiselastischen Nachfrage zu den gleichen Ergebnissen. Die Nachfrage des ÜNB nach
Reserveleistung ist allerdings durch die Sicherheitsvorschriften bestimmt und damit
vollkommen preisunelastisch. Die Nachfrage nach Reservearbeit könnte hingegen durch den
Innertageshandel beeinflusst werden.
Letzteres ist jedoch zurzeit nur begrenzt möglich, da der Stromhandel mit der Abgabe der
Fahrpläne am Vortag der Lieferung endet. Der Innertageshandel in Deutschland ist durch sehr
restriktive Regelungen bei der Fahrplanänderung gehemmt. Diese sind laut VVII+
genehmigungspflichtig, wenn sie Änderungen am gleichen Tag betreffen.9 Für
regelzoneninterne Fahrpläne gilt die Regelung, dass 6 Fahrpläne bis 16:00 Uhr am Tag nach
der Lieferung angepasst werden können. Seit dem 1. April 2002 sind Regelzonen
überschreitende Fahrplanänderungen am aktuellen Tag zu festen Zeitpunkten (8:00, 13:00 und
17:00 Uhr) für die verbleibenden Stunden des Tages möglich, wobei die Änderung zu diesem
Zeitpunkt frühestens nach drei Stunden erfolgen darf.10 Die Vorschläge des
Referentenentwurfs zur Strom-Netzzugangs-Verordnung (StromNZV) vom 13.09.2004, die
Fahrpläne sowohl regelzonenübergreifend als auch innerhalb einer Regelzone beliebig oft mit
einem Vorlauf von drei Viertelstunden ändern zu können, würden einen flexiblen
Innertageshandel gewährleisten.11
Bei der aktuellen Ausgestaltung der Innertagesmärkte ist die Nachfrage nach Arbeit aus
Reserve nur in geringem Maße vom Preis abhängig. Der Wegfall der Preiselastizität führt
dazu, dass die Zahl der möglichen Gleichgewichte und die damit verbundene strategische
Unsicherheit verringert wird. Dieses ermöglicht den Teilnehmern der Auktion, unabhängig
von der Ausgestaltung, das Verhalten der Konkurrenten besser einzuschätzen.12 Auch wenn
8
Auktionsergebnisse bei Höchstpreisauktionen können so den Anschein von Kollusion erwecken, obwohl sie
nur auf das gewinnmaximierende Verhalten der Teilnehmer zurückzuführen sind.
9
Vgl. VVII+, Punkt 3.3.
10
Vgl. VVII+, Anlage 2, Punkt 2.9.2.
11
Vgl. StromNZV §5(2).
12
Vgl. Holmberg (2004).
-9-
die strategische Unsicherheit eine Auktion lähmen kann, ist sie auf einem wenig
wettbewerblichen Markt ein Schutz gegen Kollusion. Um die Stabilität des Netzes und die
Sicherheit der Stromversorgung nicht zu gefährden, ist es nicht möglich, dass der ÜNB bei
höheren Preisen weniger Leistung nachfragt. Jedoch sollte den BKV durch einen effizienten
Inntertageshandel die Möglichkeit gegeben werden, die Regelarbeit durch bilaterale Verträge
ohne Einwirkung des ÜNB zu beschaffen.
Des Weiteren könnte eine Verbesserung der innertäglichen Handeslsmöglichkeiten mehr
Anbieter für die Teilnahme an Auktionen auf dem Regelenergiemarkt motivieren, da die
Gefahr von nicht verkaufter Kapazität verringert werden könnte. Inframarginale Anbieter aus
dem Day Ahead Markt, die mit der dortigen Vergütung ihrer Leistungen nicht zufrieden sind,
könnten auf dem Reservemarkt aktiv werden und Angebote, die bei den
Regelenergieauktionen nicht angenommen wurden, auf dem Innertagesmarkt verkaufen. Die
Versteigerung von Regelenergie sollte somit zwischen dem Day Ahead Markt und dem
Innertageshandel angesiedelt werden. Die Gefahr von systematisch zu hohen
Regelenergiepreisen ist bei einer solchen Auktionsumgebung relativ gering, da inframarginale
Anbieter vom Spotmarkt auf den Regelenergiemarkt wechseln können, ohne ein zu großes
Risiko einzugehen.
Der Innertageshandel kann zudem zu einer Verringerung der nachgefragten
Ausgleichsenergie führen, da die BKV Abweichungen von ihren Fahrplanprognosen durch
eigene Verträge korrigieren könnten. Wenn sich dieses als ein langfristiger Effekt erweist,
kann der ÜNB eine geringere Leistung vorhalten und so einen positiven Effekt auf die
Netznutzungsentgelte bewirken. Eine für die Sicherheit des Netzes relevante Folge könnte
jedoch sein, dass die BKV die Genauigkeit ihrer Fahrplanprognosen verringern, da eine
Korrektur nun kostengünstiger zu erreichen wäre.
3.2. Multivariate Auktionen
Nachdem die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Vergütungsmechanismen beleuchtet
worden sind, muss nun der Besonderheit Rechnung getragen werden, dass die Kosten für
Sekundär- und Minutenreserve aus zwei Komponenten bestehen. Die Bieter geben somit auch
zwei Gebote, eines für den Arbeitspreis und eines für den Leistungspreis, ab. Diese Art von
Auktionen, bei denen die Auktionsware durch mehrere Gebote beschrieben ist, werden als
multivariate Auktionen bezeichnet. Die im vorangegangenen Abschnitt dargestellten
Vergütungsmechanismen behalten ihre Gültigkeit, müssen aber mit einem
Bewertungsmechanismus kombiniert werden, der die Gebote der unterschiedlichen Bieter
vergleichbar macht und in aufsteigender Reihenfolge sortiert.
Bei dem Bewertungsmechanismus kann der ÜNB entweder eine der beiden Komponenten
oder eine Kombination aus beiden benutzen, um eine Reihenfolge der Gebote zu bestimmen.
Wenn nur eines der beiden Gebotskomponenten für die Annahme durch den ÜNB
ausschlaggebend ist, dann liefern sich die Teilnehmer der Auktion bei diesem Kriterium einen
Preiswettbewerb. Werden die Gebote beispielsweise nach den Leistungspreisen eingesetzt,
dann muss der geringe Leistungspreis durch hohe Arbeitspreise kompensiert werden. Hier
gibt es die Möglichkeit, ein so hohes Arbeitspreisgebot abzugeben, dass der Einsatz sehr
unwahrscheinlich wird und so abgesehen von den Kosten der Vorhaltung keine Kosten für die
Stromerzeugung entstehen. In diesem Fall ist es den Bietern möglich, sehr geringe
Leistungspreise zu verlangen, wenn die Opportunitätskosten der Kapazität Null sind. Ist
hingegen der Arbeitspreis das ausschlaggebende Kriterium, werden die Kosten für tatsächlich
gelieferte Arbeit wesentlich geringer sein, jedoch die Preise für Leistungsbereitstellung
steigen. Eine Kombination aus beiden bietet den Vorteil, dass der ÜNB anhand der
- 10 -
Vergangenheitswerte die Einsatzwahrscheinlichkeiten ermitteln kann und so sowohl Bieter
mit niedrigen Leistungs- und hohen Arbeitspreisen als auch Bieter mit niedrigen Arbeits- und
hohen Leistungspreisen berücksichtigen kann. Dieses Verfahren birgt jedoch das Risiko, dass
der ÜNB die Erzeugungskapazitäten aus dem eigenen Konzern bevorzugen kann und es zu
einem intransparenten Vergabemechanismus kommt.
Unterschiedliche Bewertungsmechanismen der Gebote durch den ÜNB führen zu
unterschiedlichen Auswirkungen auf die Netznutzungsentgelte. Eine reine Auswahl der
Gebote nach dem Leistungspreis verringert die Netznutzungsentgelte, da sich die Bieter bei
diesem Merkmal einen Preiswettbewerb liefern und so die Netznutzungsentgelte zulasten
höherer Arbeitspreise für Ausgleichsenergie verringert werden können. Da dieses Verfahren
verursachungsgerecht ist und die Kosten an die BKV, die für die Abweichungen
verantwortlich sind, weitergegeben werden, ist dieses Verfahren angebracht. Dieses entspricht
auch den Präferenzen der ÜNB, da höhere Kosten für Ausgleichsenergie mit Verweis auf die
Marktentwicklung leichter durchzusetzen sind als eine Erhöhung der Netznutzungsentgelte.
Bei multivariaten Auktionen ist zudem eine Kombination aus Höchst- und
Gebotspreisauktionen möglich, indem die Leistungspreise nach dem Gebotsverfahren und die
Arbeitspreise nach dem Höchstpreisverfahren entlohnt werden. Dieses Verfahren sorgt für
einen hohen Wettbewerbsdruck auf die Leistungspreise und verhindert, dass diese durch
strategische Gebote in die Höhe getrieben werden. Gleichzeitig ermöglicht es aber den
Bietern, in dem Bereich der Auktion, der zu großen Teilen von gemeinsamen Faktoren (der
Einsatzwahrscheinlichkeit) abhängig ist, aus Sorge vor dem „Fluch des Siegers“, die
Angebote für Arbeitspreise zu erhöhen. Zudem entspricht die Entlohnung bei diesem Vorgang
der Preisbildung auf dem Spotmarkt. Die Kraftwerke werden in aufsteigender Reihenfolge
ihrer Grenzkosten eingesetzt, was zu einer gesamtwirtschaftlich effizienten Lösung führt. Es
lässt sich jedoch nicht verhindern, dass einige Anbieter nur einen Leistungspreis erzielen
wollen, ohne Arbeit bereitzustellen. Außerdem birgt es das Risiko, bei hohem Bedarf evtl.
sehr hohe Arbeitspreise zahlen zu müssen.
4. Empirische Untersuchung
Der Sorge, dass die vier deutschen ÜNB die oligopolistische Struktur bei der
Regelenergiebeschaffung nutzen, um andere Erzeuger durch höhere Netznutzungsentgelte zu
diskriminieren, wurde in den Auflagen des Kartellamtes zur Fusion von REW/VEW vom
Jahre 1999 Rechnung getragen.13 Dort wird die marktbasierte Beschaffung von Regelenergie
vorgeschrieben, die seit dem 1. Februar 2001 betrieben wird. Vorher wurde die Regelenergie
auf obligatorische Weise bereitgestellt, Vorreiter für die Beschaffung durch Ausschreibungen
war somit RWE, gefolgt von den anderen drei ÜNB.
Um bei der Auktion von Regelenergieleistungen teilnehmen zu können, ist es erforderlich, ein
Präqualifikationsverfahren zu bestehen, in dem die technischen Vorraussetzungen für die
Bereitstellung von Reserveleistungen überprüft werden. Wird dieses Verfahren erfolgreich
absolviert, kann der Anbieter seine Leistung bei allen ÜNB in der deutschen Handelszone
anbieten.
Im Folgenden werden die unterschiedlichen Auktionsausgestaltungen der ÜNB beschrieben
und die Ergebnisse, soweit möglich verglichen. Auch wenn diese Betrachtungen nur für die
Hauptzeit durchgeführt werden, können analoge Untersuchungen für die Nebenzeiten
vorgenommen werden. Wie schon bei den Ausführungen der vorangegangenen Kapitel,
13
Vgl. BKartA: AZ B8-40000-U-309/99.
- 11 -
beschränkt sich die empirische Analyse auf positive Regelleistung, ohne jedoch ihre
Gültigkeit für den negativen Bereich zu verlieren. Alle Daten stammen von den Internetseiten
der ÜNB und sind öffentlich zugänglich. Die größten Nachfrager nach positiver
Reserveleistung sind RWE (2565 MW) und eon (2066 MW) gefolgt von den beiden kleineren
ÜNB Vattenfall (1455 MW) und EnBw (1232 MW).
3000
2500
1030
MW
2000
1500
Minutenreserve
Sekundärreserve
Primärreserve
1100
440
1000
500
0
730
1230
800
720
166
eon
72
EnBW
580
305
145
Vattenfall
RWE
Abbildung 3: Durchschnittlich nachgefragte Reserveleistung (1.03.2004 - 30.07.2004).
4.1. Primärregelleistung
Die Auktionen für Primärregelleistung werden bei allen ÜNB in einem halbjährlichen
Rhythmus veranstaltet. Es handelt sich hierbei nicht um eine multivariate Auktion, da nur ein
Gebot, der Leistungspreis abgegeben werden muss. Das Auktionsdesign ist bei allen ÜNB
nahezu identisch und unterscheidet sich lediglich in der Höhe der Mindestgebote und der
nachgefragten Menge. Die Auswirkungen unterschiedlicher Mindestgebotsmengen können
anhand der veröffentlichten Daten nicht untersucht werden. Grundsätzlich spricht
allerdingsbei der Ausschreibung von Primärregelleistung nichts gegen eine sehr geringe
Mindestgebotsmenge, da die Zuschaltung automatisch und ohne weitere Anforderung durch
den ÜNB erfolgt.
- 12 -
mittlerer Leistungspreis €/kW
100
90
80
eon
EnBw
Vattenfall
RWE
70
60
50
Okt 04
Jul 04
Apr 04
Jan 04
Okt 03
Jul 03
Apr 03
Jan 03
Okt 02
Jul 02
Apr 02
Jan 02
Okt 01
Jul 01
Apr 01
Jan 01
40
Abbildung 4: Mittlere Leistungspreise für Primärregelung.
Die Höhe der nachgefragten Primärregelleistung hat jedoch keinen entscheidenden Einfluss
auf den mittleren Leistungspreis, wie die Abbildung 1, in der die Preise seit
Ausschreibungsbeginn abgetragen sind, verdeutlicht. Die Preise der beiden großen Nachfrager
liegen am oberen und unteren Rand des Preisspektrums.
Die erheblichen Preisunterschiede sind weder durch unterschiedliche Auktionsmodelle, noch
durch unterschiedliche Nachfragemengen zu erklären und deuten auf einen nicht
funktionierenden Wettbewerb hin. Da die Bereitstellung von Primärregelleistung nicht an die
geografischen Grenzen der Regelzonen gebunden ist, müsste sich im Zeitablauf ein
einheitlicher Preis herausbilden.
4.2. Sekundärregelleistung
Die Auktionen für Sekundärregelleistung finden ebenfalls in einem halbjährlichen Rhythmus
statt. Da es sich hierbei um eine multivariate Auktion handelt, bei der ein Leistungs- und ein
Arbeitspreisgebot abgegeben werden muss, bestehen hier mehr Ausgestaltungsmöglichkeiten,
als bei der Primärregelung. So unterscheiden sich die ÜNB hinsichtlich der Bewertungsregeln
für Leistungs- und Arbeitspreisgebote. Eon, EnBW und Vattenfall sehen den Leistungspreis
als einzig relevantes Kriterium an, um zu bestimmen welche Angebote angenommen werden.
RWE hingegen nutzt hierfür einen auf gemischt ganzzahlig linearer Programmierung
basierenden Algorithmus. So könnte durch einen höheren Leistungspreis ein geringerer
Arbeitspreis erkauft werden. Bei der Betrachtung der Leistungspreise erscheint sich dieses
zunächst zu bestätigen, wobei der von den ÜNB veröffentlichte mittlere Leistungspreis nur
begrenzt aussagefähig ist. Wie Abbildung 5 zeigt liegt der Preis von RWE während des
gesamten Zeitraums am oberen Rand der Preisspanne. Die beiden kleineren Nachfrager
nähern sich bei einem Preis um die 50 EUR/KW an und eon setzt sich klar nach unten hin ab.
Die Vergütung der Leistung erfolgt bei EnBW, RWE und Vattenfall nach dem
Gebotspreisprinzip. Eon setzt auf das Höchstpreisprinzip, bei dem der letzte akzeptierte
Anbieter den Leistungspreis bestimmt.
- 13 -
mittlerer Leistungspreis €/KW
60,00
50,00
40,00
eon
EnBw
Vattenfall
RWE
30,00
20,00
10,00
Okt 04
Jul 04
Apr 04
Jan 04
Okt 03
Jul 03
Apr 03
Jan 03
Okt 02
Jul 02
Apr 02
Jan 02
Okt 01
Jul 01
Apr 01
Jan 01
0,00
Abbildung 5: Mittlere Leistungspreise für Sekundärregelung.
Bei der Ermittlung der Arbeitspreise greifen EnBW, RWE und Vattenfall auf das
Gebotspreisprinzip zurück Eon hingegen bleibt auch bei der zweiten Auktionsstufe bei dem
Höchstpreisverfahren und folgt somit den Empfehlungen aus den theoretischen
Betrachtungen. Bei eon werden somit alle eingesetzten Anbieter, genauso wie auf dem Day
Ahead Markt der Börse, mit dem gleichen Preis entlohnt. Alle ÜNB wenden sowohl auf der
Stufe der Leistungsentlohnung, als auch auf der Stufe der Arbeitsentlohnung das gleiche
Verfahren an, wobei eon als einziger auf das Höchstpreisverfahren setzt.
Die ÜNB veröffentlichen neben dem oben dargestellten mittleren Leistungspreis einen
minimalen und einen maximalen Arbeitspreis.
€Ct/KWh
Minimaler AP
Maximaler AP
EnBw
5,75
12
eon
6,1
8,9
RWE
5,6
8,75
Vattenfall
8,35
9,5
Tabelle 1: Minimale und maximale Arbeitspreise bei Sekundärregelleistung
Bei der Sekundärregelung gibt es nun die Möglichkeit, den tatsächlichen Einsatz der
Sekundärreserve genauer zu betrachten. Dieses erfolgt über die Analyse des mittleren
gewichteten Arbeitspreises für Ausgleichsenergie. Da alle Preise für Ausgleichsenergie, die
über dem maximalen Arbeitspreis liegen, durch den Einsatz von in der Arbeit teureren
Minutenreserve zu erklären sind, kann dieser gut dazu genutzt werden, die
Ausschreibungsergebnisse zu überprüfen.14
14
Vgl. Abschnitt 4.3.
- 14 -
12,00
11,00
10,00
€ct/KWh
9,00
8,00
eon
enbw
Vattenfall
RWE
7,00
6,00
5,00
4,00
3,00
2,00
0,00
100,00
200,00
300,00
400,00
500,00
600,00
700,00
800,00
Regelzonensaldo
Abbildung 6: Ausgleichsenergiepreise bei unterschiedlichen Regelzonensalden.
Der Analysezeitraum ist auf den Zeitraum vom 1.03.2004 bis zum 30.07.2004 beschränkt. Es
kann nur ein Zeitraum gewählt werden, in dem keine Auktionen für Sekundärregelleistung
veranstaltet wurden, da ansonsten eine Vergleichbarkeit der veröffentlichten MGP für
Ausgleichsenergie nicht gegeben ist. Des Weiteren wird nur der Peakload Bereich (Werktags
8:00-20:00) betrachtet, um Effekte, die auf die Ausschreibung von Haupt- und Nebenzeit
zurückzuführen sind, zu eliminieren. Es ergeben sich hieraus 5088 Werte für 1/4 Stunden
Abrechnungen. In Abbildung 6 sind die Preise für den betrachteten Zeitraum in Abhängigkeit
zur Höhe der Regelzonenabweichung dargestellt, wobei nur jene für einen positiven
Regelzonensaldo (Leistungsmangel) verwendet werden.
Bei der Betrachtung der Ausgleichsenergiepreise wird deutlich, dass nur ein geringer Teil der
Regelzonenabweichungen mit Minutenreserve kompensiert wird und die Arbeitspreise für
Sekundärregelung der ausschlaggebende Faktor für die Preise der Ausgleichsenergie sind.
Die Vermutung, dass RWE durch höhere Leistungspreise einen Vorteil bei den Arbeitspreisen
erzielen kann wird durch die Veröffentlichung der im Vergleich zu den anderen ÜNB
geringsten minimalen und maximalen Arbeitspreise zunächst gestützt. Bei der Betrachtung
der Ausgleichsenergiepreise ist jedoch festzustellen, dass die Kosten in 94 % der
Abweichungen bei dem Preis von 8,6 ct/KWh immer noch im oberen Bereich liegen. Dieses
ist darin begründet, dass die Angaben zu Minimal- und Maximalpreis auch Nebenzeiten mit
einbeziehen. Die eingezeichneten Werte bei 5,6 ct/KWh sind auf den 10.06.04
zurückzuführen, an dem in Teilen des Bundesgebietes Fronleichnam begangen wurde und
somit in der Regelzone RWE der Nebenzeit zuzuordnen sind.
Bei EnBW liegen 90 % der Arbeitspreise ± 0,01 ct bei dem Wert von 7,50 ct/KWh, also nicht
beim Maximum der veröffentlichten Preise. Die leichten Schwankungen könnten auf sehr
kleine Anbieter zurückgeführt werden, die nur einen geringen Einfluss auf den mittleren
gewichteten Arbeitspreis haben. Bei Vattenfall können 96% der Abweichungen durch
Sekundärregelleistungspreise erklärt werden. Dieser liegt durchgängig bei 9,5 ct/KWh. Dieses
- 15 -
entspricht dem veröffentlichtem Maximalpreis. Der einheitliche Preis, unabhängig von der
nachgefragten Menge, ist nur damit zu erklären, dass die drei ÜNB entweder nur einen Bieter
mit der Lieferung beauftragt oder dass sich mehrere Bieter abgesprochen haben und sich nur
einen Wettbewerb um den Leistungspreis liefern. Beides spricht für einen nicht
funktionierenden Wettbewerb.
Auffällig ist hingegen das Ergebnis bei eon, das die für Energiemärkte typischen Preissprünge
aufweist. Der Arbeitspreis für Ausgleichsenergie ist abhängig von der nachgefragten Menge.
Es kann erneut ein großer Anteil von 94% der Abweichungen durch Sekundärregeleinsatz
erklärt werden, wobei jedoch nur 10% der Gesamtmenge auf den Maximalpreis entfallen. Die
Preise steigen in mehreren Schritten, die nicht durch Feiertage oder Haupt- und Nebenzeiten
erklärt werden können, auf den relativ niedrigen Preis von 8,9 ct/KWh an. Damit ist eon der
einzige Anbieter mit einem wettbewerblichen Ergebnis. Da abgesehen von dem
Vergütungssystem keine weiteren Unterschiede existieren, ist die Schlussfolgerung nahe
liegend, dass die Bieter bei einem Höchstpreisverfahren andere Gebote abgeben und so zu
einem wettbewerblichen Ergebnis führen.
4.3. Tertiärregelleistung
Wie oben gesehen, ist der Einsatz von Minutenreserve ein äußerst unwahrscheinlicher Fall.
Da zudem eine relativ lange Reaktionszeit möglich ist, bieten auf diesem Markt hauptsächlich
Kraftwerke mit hohen Arbeitspreisen, die auf eine ausschließliche Entlohnung durch den
Leistungspreis hoffen. Die Ausschreibung der Minutenreserve erfolgt bei allen ÜNB täglich,
wobei die Mechanismen denen bei der Sekundärregeleistung entsprechen. Des Weiteren ist in
diesem Zusammenhang die Reihenfolge der Auktionen von Bedeutung, da der Anbieter, der
bei einer Auktion nicht angenommen wurde, zur nächsten wechseln kann. Bei Vattenfall und
eon müssen die Gebote vor Bekanntwerden des Börsenpreises abgegeben werden, wobei bei
EnBW und RWE diese Preise bereits bekannt sind.
Gebotsabgabe bis
Vattenfall
9:00 Uhr
eon
10:30 Uhr
EnBW
13:30 Uhr
RWE
15:30 Uhr
Tabelle 2: Auktionsausgestaltung bei Minutenreserveauktionen
Die Gebotsblockgröße ist bei der Minutenreserve je nach ÜNB unterschiedlich: EnBw, eon
und RWE trennen nur nach Haupt- und Nebenzeit; bei Vattenfall wird hingegen auf sechs
unterschiedlichen Blöcke geboten.
Vattenfall
eon
EnBW
RWE
Vattenfall eon
EnBW
RWE
0,9594
0,9500
0,8440
0,9563
0,8199
0,9052
Tabelle 3: Korrelation der Leistungspreise für Minutenreserve
Die Korrelation zwischen allen Anbietern ist sehr groß, wobei kein auffälliger
Zusammenhang zwischen den Preisen der beiden ÜNB, die vor bzw. nach, Bekanntwerden
der Spotmarktpreise ihre Auktionen durchfühten, besteht.
- 16 -
500
450
400
350
€/MW
300
LP Vattenfall
LP RWE
LP eon
LP EnBW
250
200
150
100
50
27.09.2004
13.09.2004
30.08.2004
16.08.2004
02.08.2004
19.07.2004
05.07.2004
21.06.2004
07.06.2004
24.05.2004
10.05.2004
26.04.2004
12.04.2004
29.03.2004
15.03.2004
01.03.2004
0
Abbildung 7: Leistungspreise der Minutenreserve.
Grundsätzlich
ist
aber
eine
Abweichung
aufgrund
der
unterschiedlichen
Ausschreibungsezitpunkte möglich. Zudem kann es zu Verzerrungen von Preisen für
Tertiärreserve kommen, wenn die Kapazitäten zwischen den unterschiedlichen Regelzonen
knapp sind.
Bei der aktuellen Einsatzwahrscheinlichkeit der Minutenreserve kann auf ein multivariates
Auktionsverfahren verzichtet werden, der gezahlte Arbeitspreis könnte sich am börslichen
Handel orientieren. Diese Vereinfachung würde es den ÜNB erschweren, konzernfremde
Anbieter zu diskriminieren und würde dem tatsächlich nachgefragten Produkt gerecht werden.
Zudem ist davon auszugehen, dass eine Vereinfachung des Auktionsmechanismus eine höhere
Beteiligung bei den Auktionen bewirkt, was im Allgemeinen zu einer Verringerung der
Beschaffungskosten führt.
5. Schlussbetrachtungen
Die verschiednen Reserveleistungen unterscheiden sich stark in der Einsatzhäufigkeit und der
somit nachgefragten Arbeit, was zu unterschiedlichen Ausgestaltungsempfehlungen führt.
Primär- und Minutenreserve werden, aus vollkommen unterschiedlichen Gründen,
hauptsächlich aufgrund der Leistung vorgehalten und können daher als einfache Auktion
ausgeschrieben werden. Die Besonderheiten des Regelenergiemarktes führen dazu, dass
unterschiedliche Auktionsverfahren zu unterschiedlichen Ergebnissen führen und das ErlösÄquivalenz-Theorem keine Gültigkeit hat. Auch wenn bei einer Höchstpreisauktion
theoretisch jeder Bieter "einfach seine Kosten bieten muss", sind die Besonderheiten auf dem
Regelenergiemarkt, insbesondere die Marktmacht einzelner Anbieter, dafür verantwortlich,
dass bei der Ausschreibung der Regelenergieleistung eine Gebotspreisauktion weniger
Möglichkeiten zur strategischen Gebotsabgabe bietet. Da die Auktionen aber häufig
wiederholt werden und die Teilnehmerzahlen relativ gering sind, kann Kollusion über einen
längeren Zeitraum, unabhängig vom Vergütungsmodell, kaum verhindert werden.
- 17 -
Bei der Primärregelung sollte die Länge der Ausschreibungen wesentlich verkürzt werden,
um auch Anbietern mit kurzfristig frei gewordenen Kapazitäten die Möglichkeit zu bieten, bei
den Reserveauktionen teilzunehmen. Ebenso ist eine Verringerung der Mindestgebotsmengen
zu begrüßen, sofern hierdurch nicht erhebliche Transaktionskosten entstehen. Dieses ist
aufgrund der automatischen Aktivierung der Primärrgelleistung nicht der Fall. Die manuell zu
aktivierende Minutenreserve sollte hingegen in größeren Blöcken ausgeschrieben werden, um
eine schnelle Reaktion durch den ÜNB zu ermöglichen und die Versorungssicherheit nicht zu
gefährden.
Bei der Sekundärregelung, die sowohl aufgrund der Leistungs- als auch der Arbeitsnachfrage
vorgehalten wird, ist eine multivariate Auktion erforderlich. Aus theoretischer Sicht sollte
diese die Gebote nach ihrem Leistungspreisgebot akzeptierenund vergüten. Der Arbeitspreis
sollte sich nach dem Gebot des letzten eingesetzten Teilnehmers richten. Bei dem wichtigen
Kostenblock der Sekundärregelleistung wird dieses Verfahren von keinem ÜNB angewandt.
Als einziger Nachfrager setzt eon auf ein Höchstpreisverfahren, dass im Gegensatz zu den
anderen ÜNB zu geringeren und Nachfragemengen abhängigen Kosten führt. Ein
grundsätzliches Verbot von Höchstpreisauktionen, wie im §8 des Referentenentwurfs der
StromNZV vom 13.09.2004 vorgesehen ist, kann somit nicht befürwortet werden.
Wünschenswert wäre ein bundesweiter Market Maker, der die Auktionen veranstaltet. Mit der
Schaffung einer einheitlichen Internetplattform könnten Preisunterschiede vermieden werden
und die konzerneigenen Kraftwerke der ÜNB müssten in einen Wettbewerb zueinander treten.
Da die Beschaffung von Regelenergie als Systemdienstleistung nicht von dem Betrieb des
Netzes zu trennen ist, fällt sie unter das natürliche Monopol und sollte von der
Regulierungsbehörde überwacht werden.
- 18 -
Literatur
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Oxford, U.K.: Nuffield College, University of Oxford, 2001
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Economic Literature, Vol. XXV, S. 699-739, 1987.
StromNZV Referentenentwurf zur Strom- Netzzugangsverordnung vom 13.09.2004.
Thaler (1988) Thaler, Richard H.: Anomalies: The Winner´s Curse in Journal of Economic
Perspectives, Vol 2/1, S. 191-202, 1988.
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VVII+: Verbändevereinbarung über Kriterien zur Bestimmung von Nutzungsfaktoren für
elektrische Energie und über Prinzipien der Netznutzung, vom 13.12.2001
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