(➞ Museum der Kulturen. Basel.) urban islam. zwischen handy und koran istanbul – marrakesch – paramaribo – dakar – schweiz museum der kulturen 25.1. – 2.7.2006 Ursprünge Schweiz Istanbul Marrakesch Dakar Paramaribo «ich bin eine moderne muslimin» Hanane «ich bin westlich und muslim» Ferhat «ich bin erstaunt über die zahlreichen hindutraditionen, die wir muslime übernommen haben» Farina «ich bin stolz darauf, ein muride zu sein» Alioune 6,5 1,3 1 1,3 6,5 milliarden milliarden islam milliarden milliarden menschen muslime arten, den islam zu leben meinungen über den islam wo stehst du? Die Ausstellung «Urban Islam. Zwischen Handy und Koran» weist auf die Vielfalt islamischer Lebensstile hin. Dazu kommen Muslime aus fünf Ländern zu Wort, die berichten, welche Rolle der Islam in ihrem Leben spielt. In den Städten Istanbul, Marrakesch, Paramaribo und Dakar wird anhand der persönlichen Geschichten von Jugendlichen veranschaulicht, wie der Islam in der jeweiligen Stadt gelebt werden kann. Der Teil «Schweiz» beschäftigt sich mit dem Islam in der Schweiz und insbesondere mit Meinungen zum Islam, die von Muslimen und Nicht-Muslimen in unserem Land vertreten und diskutiert werden. Im Teil «Ursprünge» werden einige Grundbegriffe des Islams erklärt, die diesem vielfältigen Spektrum zugrunde liegen. Die Ausstellung und das Konzept dieser Broschüre wurden am Tropenmuseum Amsterdam (KIT) entwickelt und vom Museum der Kulturen für die Basler Version adaptiert und mit dem Schweizer Teil ergänzt. > 10 Millionen Einwohner / 99 % Muslime türkei – istanbul «Ich bin westlich und Muslim» Ferhat (geb. 1973) Fetzen türkischer Popmusik dringen aus den zahlreichen offenen Fenstern und vermischen sich mit dem melodischen Gebetsruf aus verschiedenen Moscheen. In den Schulhöfen wird die Nationalhymne gesungen. Spitze Minarette bestimmen das Strassenbild, in dem attraktive Models von riesigen Plakatwänden herab die Jugendlichen zu verführen suchen. Und dann sind da die Augen von Atatürk, die dir überallhin folgen. atatürk Die Türkei gehörte zum Osmanischen Reich, welches nach dem Ersten Weltkrieg aufgelöst wurde. In der Türkei entstand eine Unabhängigkeitsbewegung, und der Wunsch nach einem nationalistischen Anführer wurde laut: Mustafa Kemal Pascha, genannt Atatürk, war der Anführer im türkischen Unabhängigkeitskampf. Er sollte die Zukunft des Landes durch tiefgreifende Reformen bestimmen – allem voran 1923 durch die Abschaffung des Sultanats und die Errichtung der türkischen Republik, deren Präsident er wurde. säkularisierung Das Hauptziel der kemalistischen Regierung war die Trennung von Staat und Religion. Religion war keine politische Frage mehr, sondern Privatsache. Das islamische Gesetz wurde abgeschafft und ein neues Zivilgesetzbuch eingeführt. Die arabische Schrift ersetzte man durch die lateinische, und bestimmte Kleidungsstücke wie Fez und Turban wurden verboten. Die Frauen wurden ermutigt, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, und man versuchte, das Tragen des Schleiers zu verhindern. Heute ist es in öffentlichen Gebäuden verboten, religiöse Symbole wie zum Beispiel das Kopftuch zu tragen. «Äusserlich betrachtet scheint die Türkei ein ganz westliches Land zu sein. Das war es auch, was Atatürk wollte: Anschluss an den Westen. Und das ist auch gut so. Für die sozialen, wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen. Aber wir dürfen unsere Grundsätze nicht verleugnen. Wir müssen uns davor hüten, den Westen kritiklos nachzuahmen. Teure Markenkleider und - schuhe: das ist alles o.k., aber ich finde, dass auch das Tragen eines Kopftuchs erlaubt sein muss – sofern man daraus kein politisches Statement macht.» turkish delight Wenn ein nahestehender Mensch gestorben ist, versammeln sich Freunde und Familie, um zu beten und Mevlid-i Serif zu hören. Das sind von Suleyman Celebi verfasste Lieder aus dem 14. Jahrhundert, in denen der Prophet Mohammed verehrt wird. Es werden viele Süssigkeiten verteilt und gegessen, wie Akide Sekiri, kleine harte Bonbons, und türkisches Fruchtgelee, das in der Türkei Lokum heisst. «Der Tod meiner Oma war für mich sehr schwer. Zusammen mit meinem Onkel habe ich ihre Leiche ins Grab gelegt. Weil wir in Trauer waren, haben an jenem Tag die Nachbarn für uns gekocht. Es kam ein Hodscha, das ist ein Geistlicher, um die Mevlid zu lesen. Diese Rituale helfen uns, unseren Kummer zu verarbeiten. Ich weiss nicht, ob ich meine Oma einst wiedersehen werde. Aber ich glaube, dass sie im Himmel ist.» zwischen orient und okzident In der Frage der Ausrichtung auf den Westen hin spielt der Islam eine umstrittene Rolle. Ein wachsender Teil der Bevölkerung, darunter viele Studenten, wünscht sich für den Islam eine prominentere und sichtbarere Rolle im politischen Gefüge. Andere möchten die Religion weiterhin als Privatangelegenheit wahren und befürchten, dass es einer Ausrichtung zum Westen im Weg stehen würde, wenn der Islam in der Politik sichtbarer wäre. 1 Million Einwohner / 98 % Muslime marokko – marrakesch «Ich bin eine moderne Muslimin» Hanane (geb. 1983) Tagsüber ist es still in Marrakesch, einer Märchenstadt mit wogenden Palmen und rosa Gebäuden, die in der Hitze brüten. Kaum jemand wagt sich auf die Strasse ausser den Busladungen von Touristen auf der Suche nach den Geschichten aus Tausendundeiner Nacht. Erst in der Abenddämmerung erwacht das Leben in der Stadt. Auf den matt erleuchteten Strassen und Plätzen spazieren Paare Hand in Hand, man flirtet, redet, lacht, isst und trinkt. Marrakesch liegt im Kreuzpunkt von Kulturen. Einflüsse aus Afrika, der arabischen Welt, Europa und den Vereinigten Staaten treffen hier aufeinander. Der Islam ist hier selbstverständlich. Fast alle Marokkaner sind Muslime, jeder wählt jedoch seinen eigenen islamischen Lebensstil. «Hier in Marokko hat jeder seine eigene Art, Muslim zu sein. Früher hatten alle dieselbe traditionelle Lebensweise und alle sahen gleich aus: Sie trugen so eine altmodische Djellaba und die Frauen dazu noch ein traditionelles Kopftuch. Aber heutzutage gibt es verschiedene Lebensweisen. Neben diesen traditionellen Muslimen gibt es die Islamisten, welche die Religion sehr streng befolgen, zu streng, meine ich. Sie sind stur, beinahe alles ist verboten. Die Frauen tragen einen Niqab und dürfen das Haus nicht verlassen. Dann gibt es Menschen, die modern sind und ihre Religion gut begreifen: Sie tragen moderne Kleidung, mit Kopftuch oder nicht, aber sie übertreiben auch nicht. Schliesslich gibt es Menschen, die keine Beziehung zu ihrem Glauben haben, sich aber trotzdem als Muslime bezeichnen.» marokkanische hochglanzzeitschriften vertreten den feministischen Islam, der sich für die Besserstellung der marokkanischen Frau einsetzt. In diesen Zeitschriften wird offen über Beziehungen und Sexualität geschrieben. Die Soziologin Soumaya Naamane - Guessous, die Lieblingsautorin von Hanane, veröffentlicht darin regelmässig Beiträge. Ihr tabubrechendes Buch «Au-delà de toute pudeur: La sexualité féminine au Maroc» aus dem Jahr 1988 war die erste grosse Forschungsarbeit über die weibliche Sexualität in Marokko. «hallo! liebes, liebes tagebuch, wie Du siehst, bin ich in guter Stimmung. Ja, ich kann Dir sogar sagen, dass ich super-megaglücklich bin! Rate mal, warum? Die Antwort ist, dass ich eine gute Nachricht habe. Ich habe beschlossen, «das Kopftuch» zu tragen. Und das alles dank meinem lieben Lehrer X. Er hat mir gesagt, dass das sehr wichtig sei. Ehrlich gesagt habe ich meine Zweifel dabei, aber ich bereue meinen Entschluss nicht. Ich glaube, es wird sich nichts ändern ausser den Kleidern, die ich trage.» Aus Hananes Tagebuch cyber - imam Amr Khaled ist ein Fernsehprediger, der in Marokko vor allem bei Jugendlichen sehr beliebt ist. In einer von einem arabischen Sender wöchentlich ausgestrahlten Sendung spricht er über Fragen, mit denen sie sich beschäftigen: Ausgang, feste Beziehungen, Musik oder Geld. Also über alle Aspekte unserer modernen Welt. Mittels Satellit kann der Sender weltweit empfangen werden. 220 310 Einwohner / 20 % Muslime surinam – paramaribo «Ich bin erstaunt über die zahlreichen Hindu-Traditionen, die wir Muslime übernommen haben» Farina (geb. 1982) Träge liegt die Stadt an der Mündung des Flusses Suriname. Die Holzhäuser im Kolonialstil bilden eine idyllische Kulisse für die vielen Essbuden am Ufer. Noch ist es ruhig, aber sobald die ärgste Hitze vorbei ist, erscheinen die ersten Kunden. Für Roti, Bami oder Pom – Gerichte, die den multikulturellen Charakter der Gesellschaft von Surinam widerspiegeln. arbeitskräfte Im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts ging der Sklavenhandel zurück; 1863 wurde die Sklaverei abgeschafft. Die niederländische Kolonialverwaltung suchte neue Arbeiterinnen und Arbeiter, um den drohenden Arbeitskräftemangel abzuwenden. Chinesen, Inder aus Britisch-Indien und Javaner aus Niederländisch-Ostindien wurden nach Surinam geholt. Sie alle kamen mit ihrer eigenen Religion und ihren Bräuchen. Einer unbekannten Zukunft im fernen Land entgegen. «Surinam ist eine multikulturelle Gesellschaft, und oberflächlich betrachtet sieht es so aus, als ob wir integriert wären. Aber ich habe dieses Thema untersucht: Meiner Meinung nach kann von echter Integration keine Rede sein. Wir respektieren gegenseitig unsere Kulturen, aber wenn man die tieferliegenden Werte der Kultur betrachtet, die Werte, Normen und Bedeutungen, die den Traditionen zugrunde liegen, dann stellt man fest, dass wir sehr wenig voneinander wissen.» multireligiös In Surinam sind verschiedene Religionen zusammengekommen: indianische und afrikanische Religionen, das Judentum, der Hinduismus, der Buddhismus, das Christentum und der Islam. Die Synagoge steht direkt neben der Moschee. Und alle feiern Weihnachten, das hinduistische Holi - Fest und Id al- Fitr, den Abschluss des Ramadans. ost- und westbeter Muslime wenden sich bei der Verrichtung ihres Gebets mit dem Gesicht nach Mekka, dem heiligsten Ort des Islams. Nach der Ankunft der Javaner auf Surinam blieb der Westen während langer Zeit die Gebetsrichtung, da er ja in Indonesien die korrekte Himmelsrichtung ist. Ob diese Gewohnheit fortgesetzt werden sollte, war in Surinam ein Diskussionsthema, das mit dem Bau der javanischen Moschee 1933 zu Auseinandersetzungen führte: Die Gebetsnische war nach Osten gerichtet. Gegenseitige Vorwürfe spalten die javanischen Surinamer bis auf den heutigen Tag in Ostbeter und Westbeter. «Ich studiere Entwicklungssoziologie an der Anton de Kom-Universität in Paramaribo. Auch in der Entwicklungsarbeit sind islamische Normen und Werte wichtig. Der Koran schreibt zum Beispiel eine religiöse Steuer vor, den Zakat. Sein Ertrag ist für religiöse Zwecke bestimmt wie für die Betreuung von Armen und Kranken, für Unterricht oder Missionstätigkeit. Wenn man also den Zakat bezahlen muss, um den Armen zu helfen, trägt man dadurch bereits zur Bekämpfung der Armut bei.» bollywood «Bollywood» wird die indische Filmindustrie genannt – eine Kombination von Bombay und Hollywood. Bollywood-Filme, in denen viele Schauspieler mit islamischem Hintergrund auftreten, sind in Surinam sehr beliebt. Sie sind meist in Hindi gesprochen, und ihr Thema ist oft die Liebe. Zuckersüss und sehr romantisch. Neuerdings wird eingewendet, dass die Filme zu sehr vom Westen beeinflusst seien und dass die asiatische Kultur nicht verloren gehen dürfe, weil sonst bald kein Unterschied mehr bestehe zwischen Bollywood und Hollywood. 2,5 Millionen Einwohner / 94 % Muslime Senegal – dakar «Ich bin stolz, ein Muride zu sein» Alioune (geb. 1979) Dakar am Nachmittag. Alle sind geschäftig. Autos bahnen sich einen Weg durch die Stadt, Taxis und Busse sind übervoll. An jeder Strassenecke wird gehandelt: Mit Essen, Erfrischungsgetränken in Plastikbeuteln, mit Tonbandkassetten. Überall erklingt Musik, der schnelle Beat senegalesischer Drums, Hip-Hop oder amerikanischer R&B. Heute Abend wird getanzt werden, an Festen oder in einem der Nachtklubs. Dakar pulsiert – Tag und Nacht. «Ich stehe auf dem Markt und verkaufe Musikkassetten. Ich bin ganz verrückt nach Musik, ich liebe alle Musik. Wenn du mich besuchst, findest du bei mir zuhause über 500 Kassetten. Meine Lieblingsmusik ist Zouk und die Musik der Antillen. Ich höre mir alle Sänger an, aber am besten gefällt mir Youssou Ndour. Seine Musik höre ich mir schon seit sehr langer Zeit an. Meine Mutter sagt, dass ich schon als Fünfjähriger Lieder von Youssou Ndour singen konnte, ich kannte sie Wort für Wort auswendig. Ich mag auch Rap, vor allem Daara-J und Rap’adio. Ich mag nicht alle RapGruppen, aber das ist normal.» Im Senegal ist der Islam mit der jahrhundertealten afrikanischen Kultur verschmolzen. In Dakar bedeutet Muslim zu sein in erster Linie, dass man einer der islamischen Bruderschaften angehört, wobei die wichtigsten die Muriden, die Tidschanîa und die Layennen sind. Beinahe jeder senegalesische Muslim ist Mitglied einer Bruderschaft. Darin spielen religiöse Anführer, die Marabouts, eine wichtige Rolle. Durch ihre Vermittlung ist es möglich, Baraka, den Segen Gottes, zu erlangen. Der Gründer des Muridismus, Cheikh Amadou Bamba, ist in Senegal auch heute, gut 79 Jahre nach seinem Tod im Jahre 1927, noch stark präsent. Sein Bild aufgrund der einzigen bekannten Aufnahme von ihm ziert das Heck von Autobussen und Taxis und ist auf Graffitis zu sehen; seine Anhänger tragen sein Porträt an einem Lederriemen um den Hals. Amadou Bamba fiel schon als Kind durch sein grosses Interesse und Verständnis für religiöse Fragen auf. Grosse Teile des Korans konnte er auswendig rezitieren. Später äusserte sich sein religiöses Sendungsbewusstsein unter anderem in der Gründung der heiligen Stadt Touba. Dies war für die französische Kolonialmacht der Anlass, ihn zu verhaften, da sie einen Aufstand seiner wachsenden Anhängerschaft befürchtete. Nach siebenjähriger Verbannung in Gabun genoss Amadou Bamba jedoch mehr Ansehen denn je. Bei seiner Rückkehr wurde er im Hafen von Dakar als Held willkommen geheissen. Jedes Jahr wird diese Begebenheit mit dem Fest Magal gefeiert, dem grössten religiösen Ereignis in Senegal. «Cheikh Amadou Bamba ist für mich ein Mann Gottes. Er ist ein Genie, eine magische Person. Jedes Mal, wenn du eine Frage an ihn richtest, erscheint er dir. Jedes Mal, wenn du ihn sehen willst oder die Wahrheit wissen willst, zeigt er dir die Wahrheit... Für mich ist niemand ihm gleich. Ich würde ihn mit niemandem zu vergleichen wagen.» Matlabou Shifaayi, ein Lied verfasst von Cheikh Amadou Bamba Im Namen Gottes des Barmherzigen, des Erbarmers, mögen das Heil und der Segen Gottes des Erhabenen sein mit unserem Herrn Mohammed, seinen Familienmitgliedern und seinen Gefährten. Dies ist die Bitte um Genesung durch Fürbitte vor Gott dem Erhabenen Durch den Auserwählten, mögen Gottes Heil und Segen mit ihm sein. O Du, der Du danach strebst, jegliche Krankheit zu bannen, lasse nicht ab, um Genesung zu bitten und bleibe darin standfest am Abend und am Morgen, so wirst Du am Ende Heil und Genesung empfangen. Durch den Willen unseres Herrn und den Ruhm des Auserwählten, möge unser Herr ihn segnen, wie Er ihn auserwählt hat. Preise Deinen Herrn, den Herrn, dem alles Erhabene zugeschrieben wird; Friede sei mit seinen Gesandten und Lob sei Gott, dem Herrn der Bewohner der Erde. «Dieses Lied tröstet dich und heilt dich von Krankheiten. Wenn du etwas brauchst, dann bekommst du es, wenn du das Lied singst.» 7,4 Millionen Einwohner / 4,3% Muslime schweiz Barfüsserplatz, Basel, zur Mittagszeit. Passanten strömen aus den Trams. Zwei Frauen mit Kopftuch schieben ihren Kinderwagen, vorbei an einer Gruppe Jugendlicher, die sich im Take Away Falafel und Kebab besorgen. Der Islam hat seinen Platz im alltäglichen Leben – in Basel, aber auch in anderen grösseren Städten der Schweiz. Muslim in der Schweiz zu sein bedeutet, seine Identität aus vielen Einflüssen herauszubilden. Sie reichen von alten Traditionen bis Hip-Hop, von Koran bis Internet, von Baklava bis Schokolade. Muslim in der Schweiz zu sein bedeutet auch, mit Meinungen über den Islam umzugehen, die zum Teil vor Jahrhunderten, zum Teil erst kürzlich entstanden sind. Meinungen von Medien, von Freunden, von Familienmitgliedern, von Arbeitskollegen und von Mitschülern. Über den Islam als aggressiv und fremdartig. Oder über den Islam als einzig wahre Lebensweise. nachgefragt: schülerinnen und schüler äussern ihre meinungen frage 1: was denkst du, wie ist es für muslime, in der schweiz zu leben? «Ich denke, das kommt stark auf das Verhältnis zum Islam an. Ist er gemässigt, können sich die meisten Muslime einen Mittelweg bahnen zwischen der westlichen Kultur und ihrer Religion. Andere können sich schwer davon lösen und verteufeln die Schweiz auch, weil sie von ihr abhängig sind und dies lieber nicht wären. Sie werden schnell einsam.» Schüler, 18 «Nun, ich denke, für Muslime ist es nicht anders als für Juden oder andere Minderheiten, auch nicht-religiöse. Sie müssen sich einfach anpassen, anders geht es nicht. Die Schweizer haben am liebsten alles gleich und mögen keine Abweichungen.» Schülerin, 17 «Ich denke, sie sind mit vielen Vorurteilen konfrontiert. Ich hoffe, sie müssen sich gar nicht speziell oder anders fühlen.» Schüler, 16 «Ich glaube, wenn sich Muslime in der Schweiz ein bisschen anpassen, dann kommt ihnen auch die Schweiz entgegen.» Schülerin, 18 «Ich denke, dass sich Muslime in der Schweiz wohl fühlen. Ich glaube auch, dass sowohl die Schweizer als auch die Muslime gefragt sind, wenn es um Integration geht. Trotzdem kann ich mir vorstellen, dass es einige Muslime gibt, die sich nicht wohl oder benachteiligt fühlen – zum Beispiel bei der Arbeit oder finanziell. Und dies wahrscheinlich aus guten Gründen.» Schülerin, 20 c –a – f – f – e – e trink nicht so viel caffee nicht für kinder ist der türkentrank schwächt die nerven, macht dich blass und krank sei doch kein muselmann, der ihn nicht lassen kann. (Karl Gottlieb Hering (1766 – 1853). In: «S Liederköfferli», 2. Auflage 1992, herausgegeben von der Singbuchkomission Primarschulen Basel -Stadt.) Schon seit dem Mittelalter kennt die schweizerische Bevölkerung Muslime und den Islam über Reiseberichte, Kunst und Handel. Die jeweils in Europa vorherrschenden Meinungen über Muslime teilten auch die Schweizerinnen und Schweizer. Im Mittelalter wurden Muslime als Heiden und Barbaren betrachtet. Dass es neben der Bibel ein weiteres heiliges Buch geben sollte, erschien dem christlichen Europa ketzerisch. Während der Kreuzzüge wurde der Krieg gegen den Islam als heldenhafter Kampf dargestellt: Christliche Ritter verteidigten ihren Glauben und befreiten das heilige Land von den tyrannischen, die Christen gewaltsam verfolgenden Muslimen. Bei allen drei Kreuzzügen gegen Muslime und mit Jerusalem als Ziel waren Personen aus dem Gebiet der heutigen Schweiz dabei. Im 17. /18. Jahrhundert reisten Händler, Missionare und Künstler in den Orient. Ihre Eindrücke hielten sie in Tagebüchern, Dissertationen, Reiseberichten und als Zeichnungen fest. Diese Orientalisten schufen ein Bild des geheimnisvollen Orients, welcher sinnlich und exotisch aber auch tyrannisch und gefährlich war. In Europa wurde dieses Orientbild in Kunst, Literatur, Musik und Mode aufgenommen. Es gelangte auch in die Schweiz. Während des Kolonialismus wurden Muslime als rückständig, unterlegen und korrupt empfunden. Den Europäern kam die Aufgabe zu, als Kolonialbeamte und Missionare nicht nur den christlichen Glauben, sondern auch europäische Denkweisen und Lebensstile zu vermitteln. Auch Schweizer waren als Händler, Missionare und Landbesitzer in den Kolonien aktiv und teilten diese Meinungen. Alle diese Bilder über Muslime sind auch heute noch gegenwärtig. frage 2: was denkst du, ist es schwierig für muslime, ihre religion in der schweiz auszuüben? «Ein Muslim, der sich und die Weise, wie er seine Religion ausübt, angepasst hat, sollte es nicht allzu schwer haben. Ein Muslim aus einer sehr traditionellen Familie oder einem traditionellen Land stösst wahrscheinlich an Grenzen bei seiner Vorstellung von Religionsausübung.» Schülerin, 16 «Ich denke, dass der Islam, so wie er heute ausgelebt wird, eine Religion ist, die sehr eng mit dem Alltag verknüpft ist. «Vorschriften», die den Alltag prägen, kommen in der Scharia oft vor. Deshalb denke ich, ist es für Muslime nicht immer ganz einfach, ihre Religion in den Schweizer Alltag zu integrieren, weil es keine klare Abgrenzung zwischen Religion und Alltag gibt.» Schüler, 18 «In der Schweiz herrscht Religionsfreiheit. Deshalb ist es hier sicher einfacher, einer anderen Religion anzugehören, als in Staaten, in welchen Politik und Religion nicht getrennt sind. Doch ich denke, dass es für viele Frauen schwer ist, ihr Kopftuch zu tragen, da viele Schweizer dies nicht verstehen können. Ich denke, Frauen mit Kopftuch werden häufig auch als unterwürfige Frauen angesehen, was so wohl nicht stimmt.» Schülerin, 17 «Vielleicht mit den Feiertagen oder gewissen «Essregeln». Ansonsten denke ich nicht, dass es schwierig für sie ist. Obwohl, es gab schon viele provokante bis fiese Schlagzeilen in den Medien.» Schülerin, 18 «Ich glaube nicht. Es gibt hier Moscheen, türkische Läden und Imbisse, und die Muslime sind keine extreme Minderheit. Es gibt ziemlich viele – in Anbetracht der kleinen Fläche der Schweiz. Und das Christentum toleriert in der heutigen Zeit andere Religionen.» Schülerin, 19 wusstest du schon… > Dass erst seit Ende der 1960er Jahre vermehrt Muslime in die Schweiz kamen? In einer ersten Einwanderungswelle zogen damals vor allem ledige Männer aus der Türkei und aus Jugoslawien als Gastarbeiter in die Schweiz. In den 1970er Jahren wurde der Familiennachzug bewilligt und fortan kamen auch Frauen und Kinder. In einer dritten Einwanderungswelle wanderten Musliminnen und Muslime vor allem aus politischen Gründen wie Krieg, Hungersnot oder Verfolgung durch autoritäre Regime ein. > Dass fast 90% der in der Schweiz lebenden Muslime aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei stammen? Die meisten Muslime in der Schweiz haben also einen europäischen Hintergrund. > Dass 11,8% der in der Schweiz lebenden Muslime einen Schweizer Pass haben? Dabei handelt es sich sowohl um Eingebürgerte wie auch um Schweizerinnen und Schweizer, die zum Islam konvertiert sind. > Dass nur 10 bis 15% der Muslime in der Schweiz tatsächlich praktizierend sind? Die übrigen Muslime üben entweder ihre Religion nicht aus oder bezeichnen sich als nicht gläubig. > Dass fast die Hälfte der in der Schweiz lebenden Muslime jünger als fünfundzwanzig Jahre ist? Das heisst, dass sie hier die Schule besuchen, ihre Ausbildung machen und arbeiten. Und meist hier auch ihre Zukunft sehen. Quelle für diese Angaben: Eidgenössische Ausländerkomission E KA (Hg.). Muslime in der Schweiz. Identitätsprofile, Erwartungen und Einstellungen. Eine Studie der Forschungsgruppe «Islam in der Schweiz» (GR I S), Genf: 2005. frage 3: was denkst du, ist der islam eine gefahr für die schweiz? «Ich glaube, es gibt schlimmere Gefahren für die Schweiz als den Islam, zum Beispiel Umweltprobleme. Warum sollte eine Religion eine Gefahr darstellen? Wir haben schon immer mit Leuten verschiedener Religionen zusammengelebt und es war nie ein Problem – bis zum 11.9. Dank der Medien scheint der Islam für gewisse Leute eine Gefahr geworden zu sein – völlig daneben, meiner Meinung nach.» Schülerin, 19 «Mit den USA verglichen ist der Islam bei uns keine Gefahr. Aber man hört und sieht, dass es meistens Muslime sind, die Schlägereien provozieren oder – was auch vorkommen kann – Frauen vergewaltigen.» Schüler, 18 «Der Islam wird von politischen Parteien benutzt, um der Bevölkerung Angst einzujagen und sie bei Abstimmungen zu beeinflussen. Ich glaube auf keinen Fall, dass er eine Gefahr darstellt.» Schülerin, 18 «Jede Kultur oder Religion sollte eine Bereicherung sein. Die einzige Gefahr, die ich sehe, liegt darin, dass der Staat den Migranten keinen Sprachunterricht erteilen lässt.» Schülerin, 19 «Wenn der Islam extrem ausgeübt wird und gegenüber allem anderen – Religion und Politik – die Oberhand gewinnt: Ja. Als friedlich ausgeübte Religion: Nein.» Schülerin, 18 «Ich sehe nicht ein, wieso der Islam eine Gefahr darstellen sollte. Jede und jeder sollte die Chance haben zu denken, was sie oder er will.» Schüler, 16 muslime aus der schweiz äussern sich Bekim (geb. 1974) Herkunftsland: Mazedonien Nationalität: Albanien «Wir Muslime in der Schweiz müssen uns unsere Chancen schaffen. Wir müssen noch weiter daran arbeiten, beide Seiten müssen etwas bewegen. Die Muslime vor allem – sie müssen Deutsch lernen, und sie sollten die reale Welt der Muslime zeigen: Das ist die Gastfreundschaft, das sind die guten Beziehungen, das ist das immer lächelnde Gesicht eines Muslims gegenüber seinen Mitmenschen – das ist eine Pflicht im Islam. Wenn unsere Nachbarn das von uns so erleben, dann werden sie uns auch vieles anbieten.» Awa (geb. 1984) Herkunftsland: Senegal Nationalität: Senegal «Um ein guter Muslim zu sein, muss man aus einer anständigen Familie kommen. Du folgst ganz dem Rhythmus deiner Familie. Den Weg deiner Familie verfolgst du auch in der Schweiz weiter. Ich komme aus einer hundertprozentig muslimischen Familie – ich folge der Religion meiner Familie, egal ob ich in der Schweiz oder in Afrika bin. Wenn ich nach Afrika gehe, stärke ich meinen Weg. Meine Familie will wissen, ob ich bete, ob ich noch dieselbe bin – auf diese Weise werde ich gestärkt.» Nemya (geb. 1959) Herkunftsland: Irak Nationalität: Irak, Schweiz «Wenn eine erwachsene Frau ein Kopftuch trägt, ist das ihre Entscheidung. Ich bin jedoch dagegen, wenn Kinder oder erwachsene Frauen es tragen müssen. Ein Kopftuch oder ein Hut, das ist für mich eine Bekleidung. Aber ich bin dagegen, wenn das Kopftuch durch Gewalt oder per Gesetz zur Pflicht gemacht oder verboten wird. Es steht nirgends im Islam geschrieben, dass eine Frau ins Paradies kommt, nur weil sie ein Kopftuch trägt. Ich bin ohne Schleier nicht weniger religiös als mit Schleier.» frage 4: Was denkst du, sind frauen im islam benachteiligt? «Als Nicht-Muslimin bin ich überzeugt, dass die Frauen benachteiligt sind. Der Mann steht über der Frau, von Gleichstellung der Geschlechter ist keine Rede. Die Frau hat sich dem Mann unterzuordnen und sie muss sich bedecken, was für mich eine eindeutige Einschränkung der eigenen Freiheit und des eigenen Willens ist.» Schülerin, 19 «Auf jeden Fall. Wenn es sogar Länder gibt, in denen die Frau von der Regierung aus als minderwertig angesehen wird.» Schüler, 16 «Den Vorurteilen nach zu urteilen: Je nachdem schon. Aber wenn ich Musliminnen in der Schule sehe, wie sie all das machen, was der Rest auch tut, dann fällt es mir schwer, das zu glauben.» Schülerin, 16 «Das altbekannte Thema. Hier muss man sich fragen, was Benachteiligung ist. Fühlen sich die Frauen in einem islamischen Land benachteiligt? Ist das nicht einfach unser westliches Denken? Ich denke, etwas ist erst eine Benachteiligung, wenn man sich unfrei fühlt und damit nicht zufrieden ist.» Schülerin, 17 «Ich finde ja. Ich könnte mir nicht vorstellen, als Frau in einer Gesellschaft zu leben, in der die Art, mein Leben zu leben, so stark vorgegeben und damit drastisch eingeschränkt wäre. Ich habe auch Mühe, muslimischen Frauen zu glauben, dass sie zufrieden sind.» Schülerin, 18 muslime aus der schweiz äussern sich Merve (geb. 1988) Herkunftsland: Türkei Nationalität: Schweiz, Türkei «Islam ist der Weg, den ich mir ausgesucht habe. Ich finde im Islam Frieden, und ich will den Islam leben können. Ich bin Muslimin. Das bin ich nur, wenn ich sage «Ich will den Islam leben, ich glaube daran.» Nicht einfach, weil mein Vater Muslim ist oder ich aus einem islamischen Land stamme. Das heisst, der Koran ist von A bis Z richtig für mich, ich kann mir nicht aussuchen, was mir gefällt und was nicht. Islam ist Hingabe an Gott. Bei allem, was man tut, muss man denken «Was denkt Gott darüber?» » Aladin (geb. 1976) Herkunftsland: Bosnien- Herzegowina Nationalität: Schweiz «Ich glaube, extreme Muslime sind sich nicht bewusst, dass sich ein Muslim so an die gesellschaftlichen und örtlichen Verhältnisse anpassen soll, dass er keine Zwietracht sät, dass er nicht auffällt. Leider gibt es viele Muslime, die sich die Zeiten des Propheten Mohammed, aleyhi selam, zurückwünschen, obwohl er klar festgehalten hat, dass es nie mehr genauso sein wird, wie zu seinen Lebzeiten. Ich denke, es ist konstruktiver für Muslime, statt sich das «Damals» zu wünschen, sich vorzustellen, wie unser Prophet Mohammed, aleyhi selam, wohl heute, hier in Zürich gelebt hätte.» Saïd (geb. 1966) Herkunftsland: Marokko Nationalität: Marokko, Schweiz «Ich komme nicht aus einer wirklich praktizierenden Familie. Mein Vater hat mich nie gezwungen zu beten oder in die Moschee zu gehen. Ich selbst bin nicht wirklich praktizierend. Ich gehe aus, trinke Bier. Aber während des Ramadans bemühe ich mich, meinen Islam zu praktizieren. Es ist trotzdem noch schwierig. Ich kann nicht zum Fastenbrechen essen, weil ich dann arbeite. Während des Ramadans fühle ich den Unterschied zwischen Marokko und der Schweiz. Für eine praktizierende Person ist es das ganze Jahr über so.» frage 5: was denkst du, wie ist das verhältnis zwischen muslimen und nicht-muslimen in der schweiz? «Ich glaube, Nicht - Muslime sind Muslimen gegenüber sehr skeptisch. Man hört ja auch kaum was Positives, sondern immer nur von Terroranschlägen. Ich denke, wir haben sehr viele Vorurteile, welche zu einem schlechten Verhältnis führen. Diese Vorurteile entstehen vor allem wegen der Unwissenheit. Denn wenn uns diese Religion nicht so fremd wäre, würden wir uns auch nicht so davor fürchten.» Schülerin, 18 «Es ist oft so, dass die Muslime diejenigen sind, die eine gewalttätige Auseinandersetzung provozieren. Es gibt weniger Freundschaften zwischen Muslimen und Nicht - Muslimen als Freundschaften zwischen Muslimen.» Schüler, 18 «Weitgehend gut. Das einzige Problem momentan sehe ich darin, dass sich Muslime oft in Gruppen zusammenschliessen; aber ich glaube, das liegt an ihrer Unsicherheit. Sie fühlen sich hier noch nicht wirklich akzeptiert und haben darum Angst, sich zu öffnen.» Schülerin, 18 «Angespannt, da die Schweizer die Muslime als Gefahr betrachten und die Muslime deshalb die Schweizer anfangen zu hassen.» Schülerin, 18 «Ich empfinde es als sehr gut. Allerdings sind Schweizer und Muslime oft getrennt unterwegs. Doch wenn sie aufeinander stossen, gibt es selten Probleme. Ich denke, dass die verschiedenen Religionen mehrheitlich respektiert werden.» Schülerin, 18 «Ich bin ja eigentlich auch «Christin», aber überhaupt nicht gläubig. Und genau solche Menschen gibt es auch im Islam. Wenn der Glaube von Muslimen wie Christen den Alltag nicht zu sehr bestimmt, ist das Zusammenleben sicher kein Problem.» Schülerin, 17 der islam von a bis z a allah Allah ist das arabische Wort für Gott. Nicht nur Muslime, sondern auch arabisch sprechende Christen bezeichnen ihren Gott mit Allah. Von zentraler Bedeutung für den Islam ist die Überzeugung, dass es einen einzigen Gott gibt. Dies bedeutet, dass neben Gott nichts und niemand anderes verehrt wird. Im Koran wird Gott mit 99 Eigenschaften umschrieben, die auch die «99 Schönen Namen Gottes» genannt werden. Beispiele dieser Eigenschaften sind «der Barmherzige» und «Quell des Friedens». b baraka Baraka ist der Segen Gottes. Er verleiht Kraft und heilt. Menschen können auf verschiedene Weise Baraka erlangen; durch besondere Frömmigkeit oder religiöses Studium. In bestimmten lokalen Varianten des Glaubens können Heilige durch Berührung oder über Amulette Baraka vermitteln. Die segenspendende Kraft der Heiligen soll dabei zur Heilung von Krankheiten oder zur Behebung von Unfruchtbarkeit führen. c cordoba Im 8. Jahrhundert errichteten die Mauren auf der iberischen Halbinsel das Reich «al-Andalus», das dem südspanischen Andalusien seinen Namen gab. Während der ersten maurischen kulturellen Blütezeit war Córdoba das Zentrum des Reiches und die Hauptstadt vom Emirat und später dem Kalifat Córdoba. Am Hof von Córdoba waren die bedeutendsten Gelehrten der damaligen Zeit versammelt – was unter anderem dazu führte, dass der Islam im christlichen Europa nicht nur als religiöse, sondern auch philosophische Konkurrenz betrachtet wurde. Der kulturelle Einfluss der Mauren ist heute noch in Andalusien sichtbar – insbesondere an den prachtvollen Bauwerken. Zu den berühmtesten gehört die «Mezquita» von Córdoba, die frühere Moschee, welche heute als Kathedrale benutzt wird. d dschihad Dschihad bezeichnet die Bemühung um den Glauben und meint sowohl die persönliche Anstrengung eines Muslims, ein rechtschaffenes Leben zu führen – zum Beispiel in Form von Besinnung oder durch das Vollführen guter Taten – als auch den bewaffneten Kampf zur Verteidigung des Islams. Für Muslime ist die erste Bedeutung von Dschihad am wichtigsten, während in der Öffentlichkeit vor allem die zweite Bedeutung diskutiert wird. e engel Engel nehmen in der islamischen Glaubenslehre einen wichtigen Platz ein. Sie sind gemäss dem Koran aus Licht geschaffen und vermitteln zwischen Gott und den Menschen auf Erden. Der Engel Gabriel offenbarte das Wort Gottes dem Propheten Mohammed. Diese Worte, der Koran, wurden nach dem Tod Mohammeds mündlich überliefert und erst nach einiger Zeit niedergeschrieben. f fundamentalismus Ein fundamentalistischer Mensch hält starr an Grundsätzen und Überzeugungen fest, die keiner Kritik zugänglich sind. In Bezug auf den Islam ist es korrekter, von Islamismus zu sprechen, was nicht das gleiche wie Fundamentalismus bedeutet: Islamismus ist der Oberbegriff für mehrere islamische Gruppierungen, die für den Islam in der islamischen Welt eine wichtigere Rolle wünschen. Die meisten dieser Gruppen sind politisch orientiert und streben einen islamischen Staat mit islamischem Recht an. Sie sind sich jedoch nicht einig über die Art und Weise, wie dieses Ziel erreicht werden soll – ob auf demokratischem Weg oder mit Gewalt. g grabfelder Stirbt eine muslimische Person, sollte sie nach muslimischem Ritus begraben werden. Dazu gehört zum Beispiel, dass sie auf der rechten Seite liegend und mit dem Gesicht nach Mekka gewandt beigesetzt wird. Die Grabruhe darf nicht gestört werden. Das heisst, dass ein Grab nur einmal benutzt werden kann. In der Schweiz verstorbene Muslime wurden bisher meist in ihrem Herkunftsland bestattet. Zunehmend wurden aber muslimische Grabfelder gewünscht und in einigen Gemeinden bereits eingeführt. Neben Moscheen gehören muslimische Grabfelder zu den grössten Anliegen der Muslime in der Schweiz. h halal Muslime sollten Lebensmittel und Getränke zu sich nehmen, die «halal», das heisst vom islamischen Gesetz her erlaubt sind. Dies im Gegensatz zu verbotenen Speisen und Getränken, welche «haram» genannt werden. Diese Speisevorschriften sind vergleichbar mit dem jüdischen «koscher». Zum Beispiel darf kein Fleisch von «unreinen» Tieren wie Schweinen gegessen werden, und das Tier muss auf rituelle Weise geschlachtet worden sein. Auch Alkohol ist haram; es gibt allerdings Muslime, die Alkohol trinken. i imam Im sunnitischen Islam gibt es – im Gegensatz zu den Schiiten – keine offizielle Hierarchie geistlicher Anführer. Die Hauptaufgaben der sunnitischen Imame sind das Vorbeten während des Gebets in der Moschee und die Funktionen als geistlicher Berater und Religionslehrer. Imame haben meist keine Befugnisse, die religiösen Quellen auszulegen – dies im Gegensatz zu den «Ulama», den islamischen Theologen. Bei den Schiiten steht der Ausdruck «Imam» für den höchsten geistlichen Führer. j jerusalem Nach Mekka und Medina gilt Jerusalem als der wichtigste heilige Ort des Islams. Es wird überliefert, dass Mohammed auf dem Rücken von Burak, einem mythischen Wesen mit Pferdekörper und Flügeln, von Jerusalem aus gegen Himmel getragen wurde. Während der Kreuzzüge kämpften christliche Ritter gegen Muslime um Jerusalem mit dem Ziel, den christlichen Glauben zu verteidigen und das Heilige Land zu befreien. Heute befinden sich zwei wichtige islamische Heiligtümer in Jerusalem, der Felsendom und die al - Aqsa Moschee. k kaaba Die Kaaba ist das zentrale Heiligtum des Islams und das Ziel der Pilgerfahrt. Sie ist ein würfelförmiges Gebäude im Innenhof der grossen Moschee von Mekka. In eine Ecke der Kaaba ist der heilige Schwarze Stein eingemauert. Auf ihrem Rundgang berühren die Pilger den Stein. Es wird behauptet, der Stein sei ursprünglich weiss gewesen und erst durch die Berührung «sündiger» Hände schwarz geworden. Nur wenige Muslime messen dieser Theorie Bedeutung bei. Wahrscheinlich besteht der Stein aus Lava, Basalt oder ist das Stück eines Meteoriten. l laizismus Die Begriffe Laizismus und Säkularisierung bedeuten die Trennung von Religion und Staat. Staatliche Entscheide können ohne Erlaubnis von religiösen Instanzen getroffen werden, und staatliche Institutionen stehen allen Religionen neutral gegenüber. Die Schweiz zum Beispiel ist ein laizistisches oder säkularisiertes Land, in dem Religionsfreiheit herrscht. Das heisst, jeder Mensch darf sich seine Religion selbst wählen. Das am meisten säkularisierte muslimische Land ist die Türkei, wo Kemal Atatürk, der türkische Staatspräsident von 1923 bis 1938 eine strikte Trennung von Religion und Staat durchzusetzen versuchte. Seine Ideen erreichten nicht die gesamte Bevölkerung, und die Rolle des Islams in der Gesellschaft wird bis heute heftig diskutiert. m moschee Moscheen gibt es nicht in allen islamischen Gruppierungen, und sie haben verschiedene Funktionen. Vor allem dient die Moschee als Gebetsraum. Das gemeinsame Beten in der Moschee ist zwar nicht Vorschrift, wird aber empfohlen. Viele Moscheen dienen zudem als Begegnungsraum und als Ort der religiösen Erziehung, weshalb manchmal zur Moschee auch eine Schule, eine Bibliothek oder ein Laden gehört. Die Architektur von Moscheen ist sehr unterschiedlich und passt sich oft dem örtlichen Baustil an. Zu den grundsätzlichen Merkmalen einer Moschee gehört der «Mihrab», die Gebetsnische, welche die Richtung nach Mekka anzeigt. Viele Moscheen besitzen einen Brunnen oder eine Einrichtung zur rituellen Waschung sowie ein Minarett, von dem aus zum Gebet gerufen wird. n niqab Der «Niqab», das Kopftuch mit Gesichtsschleier; der «Tschador», der lange schwarze Umhang, der ausser dem Gesicht den ganzen Körper bedeckt; die «Burka», die Körper und Gesicht verdeckt, oder ein einfaches Kopftuch: Es gibt verschiedene Abstufungen der Verschleierung. Die Wahl des Schleiers kann religiös, aber auch politisch oder kulturell motiviert sein. Nach westlichen Vorstellungen stehen der Schleier und das Kopftuch oft für die Unterdrückung der Frau. Viele muslimische Frauen sagen aber, dass sie den Schleier gerade deshalb wählen, weil er ihnen mehr Bewegungsfreiheit gibt. o osten Muslime beten in Richtung Mekka, dem allerheiligsten Ort des Islams. Für Muslime ist es deshalb wichtig, die Gebetsrichtung, die «Qibla» zu kennen. Von der Schweiz aus gesehen liegt Mekka im Osten, weshalb die Gebetsrichtung nach Osten zeigt. In einer Moschee wird die Gebetsrichtung durch die Gebetsnische «Mihrab» gekennzeichnet. In Hotelzimmern in islamischen Ländern zeigt häufig ein Pfeil an der Zimmerdecke die richtige Richtung an. p prophet Nach muslimischem Glauben hat Gott verschiedene Propheten ausgesandt, um der Menschheit den rechten Weg zu weisen. Der letzte in dieser Reihe war Mohammed. Diese Überzeugung ist im islamischen Glaubensbekenntnis festgehalten: «Es gibt keinen Gott ausser Gott und Mohammed ist Gottes Prophet». Diese Formel wird im täglichen Gebet gesprochen und ist auch Bestandteil des Rufs zum Gebet durch den Muezzin. q qira’a Qira’a bezeichnet die Kunst des Rezitierens. Der Koran ist in Arabisch verfasst, und seine Sprache gilt in ihrer Reinheit und literarischen Schönheit als unvergleichlich. Da in der Übersetzung diese Eigenschaften zum grossen Teil verloren gehen, wird der Koran stets auf Arabisch rezitiert. Das auswendige Rezitieren von Passagen aus dem Koran gilt als hohe Kunst. Im Koran werden die Menschen immer wieder dazu aufgerufen, den rechten Weg zu gehen. Lebensregeln, mystische Verse sowie Geschichten von Propheten und Völkern stehen darin geschrieben. r ramadan Ramadan ist der Name des neunten Monats im islamischen Kalender und bezeichnet den Fastenmonat, in dem Muslime während dreissig Tagen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang auf Essen, Trinken und Geschlechtsverkehr verzichten. Das Fasten gehört zu den fünf Säulen des Islams und wird als Ausdruck der Solidarität mit den Armen betrachtet. Der Ramadan ist jedoch auch ein Festmonat, während dem jeden Tag nach Sonnenuntergang das Fasten durch eine ausführliche Mahlzeit und geselliges Beisammensein gebrochen wird. Das Ende des Ramadans wird mit einem dreitägigen Fest gefeiert, das auf arabisch «Id al-Fitr», Ramadanfest, und auf türkisch «Sheker Bayram», Zuckerfest heisst. s sprüche Sprüche von Mohammed sowie Berichte über sein Leben sind in den «Hadithen» aufgezeichnet. Diese sind Sammlungen von Texten, die neben dem Koran die wichtigste Quelle der Glaubenslehre und der «Scharia» darstellen. Die Scharia ist die islamische Gesetzgebung. Da sie nicht kodifiziert ist, also nicht auf festen Regeln und Gesetzen, sondern auf zu interpretierenden Vorschriften beruht, wird sie je nach Ort und Epoche unterschiedlich angewendet. Heute ist sie in den meisten islamischen Ländern noch für das Ehe- und Erbrecht massgebend. t tariqa Tariqa bezeichnet mystische islamische Orden wie zum Beispiel Sufi- Bruderschaften. In diesen Orden spielen spirituelle Lehrmeister eine zentrale Rolle, denn durch sie wird die segensbringende Kraft «Baraka» vermittelt. Unter der Leitung der Lehrmeister durchschreitet der Schüler verschiedene Stufen mystischer Übung, um letztlich zu Gott zu gelangen. Tariqas gibt es überall in der islamischen Welt; auch die senegalesischen Muriden gehören dazu. In der Türkei sind Tariqas jedoch verboten. u ursprung Der Ursprung des Islams liegt in Mekka. Hier wurde Mohammed um das Jahr 570 nach Christus geboren. Der Engel Gabriel verkündete Mohammed Gottes Worte, welche später im Koran aufgeschrieben wurden. Als Abgesandter Gottes bekehrte Mohammed schon früh Menschen zu seinem Glauben. Er schuf eine muslimische Gemeinschaft, deren politischer und militärischer Anführer er wurde. Nach seinem Tod im Jahr 632 verbreiteten seine Anhänger die Botschaft des Islams weiter, wobei sie sowohl Handelsabkommen als auch Eroberungen nutzten. v vier kalife Die Nachfolger Mohammeds als Anführer der muslimischen Gemeinschaft wurden Kalife genannt. Als Ali, der Schwiegersohn und Neffe von Mohammed der vierte rechtgeleitete Kalif war, brach ein Konflikt auf, der zur Spaltung des Islams in seine wichtigsten Strömungen, den Sunnismus und den Schiismus, führte: Die Anhänger von Ali, die späteren Schiiten, vertraten die Meinung, dass nur nahe Familienmitglieder des Propheten für die Nachfolge infrage kämen. Die andere Gruppe, die künftigen Sunniten, unterstützte einen reichen Würdeträger. Ein Bürgerkrieg brach aus, in welchem die Sunniten das Kalifat für sich gewinnen konnten. Im Jahr 680 versuchte Alis Sohn Hussein das Kalifat zurück zu erobern, wurde aber in einer Schlacht bei Kerbela getötet. Bis heute gedenken die Schiiten alljährlich während des Aschura-Festes dieses Ereignisses. In den meisten islamischen Ländern herrscht der sunnitische Islam vor. Auch in der Schweiz gehört die Mehrheit der Muslime zu den Sunniten. w waschung Reinheit ist ein wichtiger Grundsatz im Islam. Dem Gebet muss daher eine rituelle Waschung der Hände, Unterarme, Füsse und des Kopfes vorausgehen. Bei Moscheen findet sich deshalb oft ein Brunnen oder eine Waschgelegenheit. Zum Beten wird meist auch ein Gebetsteppich verwendet, um die Berührung mit dem unreinen Boden zu vermeiden. Neben den täglichen fünf Gebeten können zusätzliche Gebetsformeln aufgesagt werden, welche häufig mit einer Gebetsschnur gezählt werden. x xenophobie Xenophobie bezeichnet die Furcht vor dem Fremden und ist oft mit Fremdenfeindlichkeit verbunden: Fremdenfeindlichkeit kann ein Ausdruck der Angst vor dem Unbekannten sein. Mit der Einwanderung von Muslimen in die Schweiz seit den 1960er Jahren kam viel Fremdes in die Schweiz. Während man anfangs der Religion der vorwiegend türkischen und jugoslawischen Gastarbeiter keine Beachtung schenkte, wurde sie später mit verschiedenen Problemen in Zusammenhang gebracht. Seit dem 11. September 2001 und der darauffolgenden Angst vor dem Terrorismus werden Probleme wie Gewalt und Kriminalität von muslimischen Einwanderern vermehrt mit dem Islam begründet. y yussuf Ein Kapitel des Korans ist dem Propheten Yussuf, dem biblischen Joseph gewidmet. Es beschreibt unter anderem Yussufs Aufenthalt beim ägyptischen Pharao. Der Islam steht in der jüdischchristlichen Tradition. Der Koran berichtet von zahlreichen Propheten wie zum Beispiel Moses und Jesus, die auch in der Thora oder der Bibel vorkommen. Auch die Geschichte von Noah, der mit einigen Getreuen und einer Schar von Tieren in der Arche einer Sintflut entkam, ist im Koran aufgezeichnet. z zakat Zakat bezeichnet das Geben von Almosen und gehört zu den fünf Pflichten oder Säulen des Islams, die – ähnlich wie Säulen für ein Dach – das Fundament des Islams bilden. Neben der Pflicht, Almosen zu geben, gehören das Glaubensbekenntnis, das tägliche Gebet, das Fasten während des Ramadanmonats und die Pilgerfahrt nach Mekka zu den fünf Säulen. Nicht alle muslimischen Gruppen anerkennen diese fünf Säulen. Andere Gruppen hingegen sprechen nicht von fünf, sondern von sechs Säulen, wobei die sechste Säule der Dschihad ist, das Bemühen um den Glauben. In Nordafrika wird die Hand der Fatima als Symbol für die fünf Säulen verwendet, wobei die fünf Finger der Hand für die fünf Säulen des Islams stehen. Diese Broschüre erscheint zur Ausstellung «Urban Islam. Zwischen Handy und Koran» im Museum der Kulturen Basel, 25.1. – 2.7.2006. Anlässlich der Ausstellung entstand ebenfalls die website www.urbanislam.ch mit weiteren Informationen zur Thematik. Unser Dank geht an Ferhat Duçe, Istanbul Hanane Anouar, Marrakesch Farina Ilahibaks, Paramaribo Alioune Niang, Dakar Bekim Alimi, Awa Ba-Guéye, Nemya Bösch - Al -Jadooa, Aladin Hasic, Saïd Tabich, Merve Tasoglu, alle Schweiz Klassen 4e und 5a des Gymnasium Leonhard in Basel, Schweiz Konzept: Mirjam Shatanawi, Deniz Ünsal / Tropenmuseum Amsterdam KIT Beiträge Tropenmuseum Amsterdam KIT: Mirjam Shatanawi, Deniz Ünsal Beiträge Museum der Kulturen Basel und Redaktion: Miriam Cohn Gestaltung: Marianne Eppelheimer Graphic Design, Basel Photomaterial Holland und Collagen: KIT und Traast en Gruson, Rotterdam Videostills Schweiz: Alain Godet Photos Schweiz: Miriam Cohn Druck: Schwabe AG, Basel/Muttenz © Museum der Kulturen Basel, Augustinergasse 2, 4001 Basel, 2006 www.mkb.ch Die Ausstellung und das Konzept dieser Broschüre wurden 2003 am Tropenmuseum Amsterdam KIT von Mirjam Shatanawi & Deniz Ünsal entwickelt und vom Museum der Kulturen für die Basler Version adaptiert und mit dem Schweizer Teil ergänzt.