Martin Friesen Sommersemester 2010 Analysis I Prof. PhD. Hemion

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Tutor: Martin Friesen
Sommersemester 2010 Analysis I Prof. PhD. Hemion
Über die Umkehrung der Exponentialfunktion sowie die komplexen Potenzen
Vorbemerkung: Diese Zusammenfassung soll lediglich einen Überblick über die
Theorie der Komplexen Potenzen und dem Zusammenhang mit der Exponentialfunktion geben. Dabei werden einige Tatsachen herrausgestellt ohne dabei zu sehr
ins Detail zu gehen. Insbesondere fehlen an einigen Stellen noch die mathematisch
notwendigen Begründungen für einige Konstruktionen und Behauptungen.
Im Reelen ist das Leben ja noch relativ schön. Da können wir die meisten Gleichungen sehr elementar lösen; z.B.: x3 = 8. Wir ziehen hier die 3te Wurzel und
1
erhalten als Lösung für x ∈ R: x = 8 3 = 2. Hier fangen schon die ersten Fragen an. Was bedeuten solche Potenzen und wie kann man sie definieren. Intuitiv
setzen wir folgendes:
a ∈ R, b ∈ Z, definiere: ab := aa...a für b > 0, dabei wird a genau b-mal
multipliziert
1
b
a := a−b
, für b < 0
b
und a := 1, für b = 0
Wie jedoch oben bereits benutzt, bleiben uns rationale Exponenten noch undefiniert. Hat man eine Gleichung der Form: xb = a mit a, x ∈ R a ≥ 0 und b ∈ N,
1
so bezeichnen wir die eindeutige reelle Lösung x mit a b := x. Dieses sind die reelen Wurzeln. Man betrachte dazu einfach den Fall b = 2. Wie man bereits aus
der Schule kennt gibt es die so genanten Potenzgesetze. Ferner würde man gerne
das Potenzieren auch auf reellwertige Exponenten verallgemeinern, insbesondere
solche, welche nicht unbedingt rational sein müssen. Eine solche Verallgemeinerung
sollte insbesondere die bisherigen Rechenregeln respektieren. Ein Problem dabei
1
ist, dass wir Ausdrücke dieser Form (−1) 2 weiterhin vermeiden sollten. Man
müsste ja eine ”Wurzel aus einer negativen Zahl ziehen”. Für a ≥ 0 ist dieses
jedoch sehr einfach mithilfe der Exponentialfunktion sowie der Umkehrung dieser,
dem Logarithmus, möglich. Für a ≥ 0, b ∈ R definieren wir solche Ausdrücke wie
folgt:
Fall 1: a = 0, setze ab = 0b := 1
Fall 2: a > 0, setze ab := exp(bln(a))
1
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Anhand dieser Definition erkennt man wieso positive a betrachtet werden. Natürlich
muss man sich jetzt noch überlegen, dass genau eine solche Festlegung allen unseren bisher gewohnten Rechenregeln entspricht. Alternativ kann man natürlich
auch von einer solchen Festlegung ausgehen und anschliessend die Potenzgesetze
etc. beweisen. Man beachte, dass der Fall 1 so gesetzt wird, eben weil folgende
Identität gilt: lima→+0,a>0 ab = 1, d.h. solche Potenzen Interpretiert als Funktionen der Form fb (x) = xb und ga (x) = ax sind stetig, insbesondere stetig in der 0,
wo dieses nicht offensichtlich ist.
Wollen wir nun diese Problematik auf die Komplexen Zahlen verallgemeinern, wäre
es wohl das naheliegendste eine ähnliche Definition vorzunehmen: Für a, b ∈ C
definiere ab := exp(aln(b)). Die Frage was die komplexe Exponentialfunktion und
insbesondere der Komplexe Logarithmus ist bleibt jedoch bestehen. Hier werden
wir etwas weiter ausholen und kommen zu sehr erstaunlichen Ergebnissen. Ich
möchte darauf hinweisen, dass dieses nur eine grobe Zusammenfassung ist, welche
viele Details überspringt und manche Sachverhalte vereinfacht. Für eine mathematisch exaktere Darstellung empfehle ich Literatur über die Funktionentheorie
bzw. die der Riemannschen Flächen. Es findet in regelmäßigen Abständen eine
Vorlesung der Funktionentheorie statt, die ich jedem empfehlen würde.
Die Funktion
exp : C → C∗ , exp(z) :=
P∞
zk
k=0 k!
ist eine holomorphe1 Fortsetzung der reellen Exponentialfunktion. Alle Eigenschaften ”vererben” sich hierbei weiter. Jedoch ist leider diese Funktion nicht
mehr injektiv. Das heißt es gibt keine globale Umkehrfunktion so wie im reellen.
Dieses erkennt man an folgender bekannter Identität: exp(z) = exp(x + iy) =
exp(x)exp(iy) = exp(x)(cos(y) + isin(y)) dh.also exp(z) = exp(z + 2πi). Möchte
man trotzdem eine lokale Umkehrung finden, so muss man den Definitionsbereich
geeignet einschränken.
1
Eine Funktion mit komplexem Definitionsbereich heißt holomorph, wenn diese komplex differenzierbar ist, also bezüglich des normalen Differenzqoutienten. Man beachte, dass eine holomorphe Funktion schon beliebig oft komplex differenzierbar ist.
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Dabei gelten die Logarithmusgesetze nicht mehr uneingeschränkt. Dazu betrap
√
√ √
chten wir folgendes ”Gegenbeispiel”: 1 = 1 = (−1)(−1) = −1 −1 = −1
Wo ist hier der Fehler? Wir werden im Folgenden den Logarithmus wie folgt
definieren und alle wesentlichen Nachweise auslassen:
Log : G → C, Log(z) := Log(|z|) + iarg(z)
mit G := {z ∈ C∗ : arg(z) ∈ (−π, π)}. Dabei bezeichnet arg : C∗ → R die
Funktion welche einer Zahl in der Komplexen Ebene den mit der reellen Achse
eingeschlossenen Winkel zuordnet und Log(|z|) den reellen Logarithmus vom Betrag der komplexen Zahl z.
Man beachte, dass diese Funktion nicht injektiv und das Argument arg nur bis
auf ganzzahlige Vielfache von 2π bestimmt ist. Wir nennen G den Hauptzweig
des Logarithmus. Wie der Name schon sagt gibt es auch weitere ”Logarithmen” also Funktionen welche ebenso lokal eine Umkehrfunktion der Exponentialfunktion darstellen. Diese Unterscheiden sich alle um einen Summanden der
Form: 2πki, k ∈ Z. Damit sind auf dem Gebiet G2 alle Logarithmen durch:
Logk (z) := Log(z) + 2πki gegeben. Natürlich könnte man anstatt G ein anderes
Gebiet nehmen. Allgemeiner kann man auf jedem einfach zusammenhängenden3
Gebiet, welches die 0 nicht enthält, einen Logarithmus definieren. Dieser muss
jedoch nicht mit dem reellen auf der reellen Achse übereinstimmen. Allgemeiner:
Für jeden Winkel φ ∈ [0, 2π] betrachte man Gφ := {w ∈ C∗ : arg(w) 6= φ} =
C − {keiφ : k ≥ 0} und definiere dort einen Logarithmus. Gφ stellt dabei eine
”aufgeschlitzte” komplexe Ebene dar.
2
Ein Gebiet ist eine Art Verallgemeinerung des offenen Intervalls im Reellen für die komplexe
Ebene
3
dieses ist Verallgemeinerung von Teilmengen, welche keine Löcher aufweisen. z.B ist ein Ball
im R3 ein solches, ein Kreis(S 1 ) jedoch nicht.
3
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Abschließend wollen wir eine Formel für die allgemeinen komplexen Potenzen
angeben:
Für w ∈ C und z ∈ G definiere: z w := exp(wLogk (z))
Spezialfall 1: Das normale Potenzieren einer komplexen Zahl
Betrachte w ∈ Z, z ∈ G so haben wir:
z w = exp(wLogk (z)) = exp(w(Log(z) + 2πki))
= exp(w(Log(|z|) + iarg(z) + 2πki)) = exp(Log(|z|w ) + iarg(z)w + 2πkwi)
= exp(Log(|z|w ))exp(iwarg(z))exp(2πkwi) = |z|w exp(iwarg(z))
Der letzte Ausdruck ist nun genau die Multiplikation von Komplexen Zahlen in
Poolarkoordinaten. Also den Betrag w mal mit sich selbst multipliziert und die
Winkel w mal aufsummiert. Somit ist unsere Definition trotz der Mehrdeutigkeit
des Logarithmus einigermaßen konform mit dem Bekannten.
Spezialfall 2: Die komplexen Einheitswurzeln
Betrachte w = n1 ∈ Q, z = 1 so haben wir:
1
1 n = exp( n1 Logk (1)) = exp( n1 (Log(1) + 2πki)) = exp( n1 (Log|1| + iarg(1) + 2πki))
= exp( n1 (2πki)) = exp( 2πki
) =: ζk für k ∈ Z,
n
da jedoch exp periodisch ist reicht es nur k ∈ {0, 1, ..., n − 1} zu fordern. Diese
Zahlen sind auch die Lösungen der folgenden Gleichung: z n = 1, dh: ζkn = 1,
∀k ∈ {0, 1, ..., n − 1} und da ein Polynom (hier: z n − 1 =: f (z)) n-ten Grades
maximal n Nullstellen haben kann, ist dieses gleich die 2te Begründung wieso man
k so einschränken darf.
Speziallfall 3: Die allgemeinen komplexen Wurzeln
Betrachte w = n1 ∈ Q, z ∈ G so haben wir:
)exp( 2πki
)
z w = exp(wLogk (z)) = exp( n1 (Log(z)+iarg(z)+2πki)) = exp( n1 Log(|z|))exp(i arg(z)
n
n
1
arg(z)
= |z| n ζk exp(i n ), für k ∈ Z
Aus gleichem Argument wie oben können wir erneut k ∈ {0, 1, ..., n − 1} einschränken. Man vergleiche dieses Ergebnis mit dem aus den Präsenzübungen Blatt
8, es sind die gleichen Formeln. Hiermit lassen sich also Wurzeln aus komplexen
Zahlen effektiv berechnen.
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Zum Schluss möchte ich mich gerne wieder dem allgemeinen Fall widmen. Wir
betrachten dazu folgendes berühmtes Beispiel: Was ist die Zahl ii ? Vorab halten wir fest, dass wir die Begründung, dass wir k einschränken dürfen, hier nicht
machen können, damit wird es also abzählbar unendlich viele ”Lösungen” geben.
ii = exp(iLogk (i)) = exp(i(Log(i) + 2πki)) = exp(i(Log(|i|) + iarg(i) + 2πki)) =
1
exp(i(i π2 +2πki)) = exp(− π2 −2πk) = exp(− π2 )exp(−2πk) = π(2k+
1 ) Für k = 0, auf
e
2
dem Hauptzweig erhalten wir somit ii = 1π2 . Ich persönlich finde es ausgesprochen
e
interessant, dass die Folge der Lösungen für wachsendes k gegen 0 konvergiert und
für ein fallendes k divergiert, insbesondere jedoch, dass alle Lösungen stets reell
sind!
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