Bibliothek 27. 2003. Nr. 1/2 119 Franke, et. al - Die neue Bibliotheks-Zentrale der Universitätsbibliothek Ulm Die neue Bibliotheks-Zentrale der Universitätsbibliothek Ulm Anlass und Bauidee für die im April 2001 neueröffnete BibliotheksZentrale der UB Ulm werden verständlich, wenn man einen Blick auf die an sich kurze Entwicklung der Universität Ulm und ihrer Bibliothek wirft. Die Universität Ulm wurde als eine der jüngsten Universitäten im Land Baden-Württemberg erst im Jahr 1967 gegründet. Die zugehörige Universitätsbibliothek wurde von weisen Gründungsvätern der Bereichsbibliotheken; allein sechs davon auf dem im Laufe der Jahre immer weiter ausgebauten Campus. Nur eine davon wurde jedoch auch wirklich als Bibliothek geplant und gebaut; alle anderen Bereichsbibliotheken waren wiederum nur provisorisch (z. B. in umgebauten Hörsälen, etc.) untergebracht. Die UB-Zentrale mit ihren internen Abteilungen (Direktion, Sekretariat, Erwerbung, Katalogisierung, Zentraler Auskunfts- und Abb. 1: UB Ulm, Neubau, Haupteingang Universität bereits im Jahre 1964 als „Arbeitsstelle für den Aufbau einer wissenschaftlichen Hochschulbibliothek“ eingerichtet, sodass mit Aufnahme des Forschungs- und Lehrbetriebes eine bereits funktionierende Literatur- und Informationsversorgung gewährleistet war und zwar im Sinne eines einschichtigen Bibliothekssystems. Diesen Rahmenbedingungen entsprechend erfolgte die anfängliche Unterbringung der UB zwangsläufig zunächst provisorisch: in den Räumen und auf den Fluren des alten ehrwürdigen Klosters UlmWiblingen, das im Jahre 1993 immerhin 900 Jahre alt wurde. Neu gebaute Universitätsgebäude entstanden in Ulm erst Anfang der 70er Jahre auf dem heutigen Campus: dem Oberen Eselsberg („Universität unter einem Dach“). Daneben existierten und existieren aber über das Stadtgebiet Ulm verteilt einzelne weitere Universitätsstandorte. Die Bibliothek selbst reagierte auf diese Randbedingungen und Entwicklungen mit der Einrichtung von sogenannten Bereichsbibliotheken, die je ihre eigene fachliche Ausrichtung besaßen und benutzernah an den relevanten Universitätsstandorten eingerichtet waren. Bis Mitte der 90er Jahre entstanden neun solcher Signierdienst, Fernleihe, Hochschulschriftenstelle, Einbandstelle, Buchbinderei) und auch umfangreichen Magazinbeständen verblieb jedoch – 12 km abseits vom Campus – im Barock-Kloster. Den Wunsch nach einer Verlegung dieser zentralen Funktionsbereiche auf den eigentlichen Universitäts-Campus sowie nach einer Straffung der Struktur der Bereichsbibliotheken gab es – mit entsprechenden Bauanträgen – schon lange. Jedoch erst Mitte der 90er Jahre wurde dem (inzwischen mehrfach aktualisierten) Bauantrag stattgegeben. Das Gesamtprojekt wurde (aus Nutzersicht: leider) in zwei Bauabschnitte unterteilt: Der jetzt realisierte erste Bauabschnitt umfasst rund 4 000 m² Hauptnutzfläche (HNF); Bauabschnitt 2 liegt angesichts der finanziellen Randbedingungen in weiter Ferne und würde noch einmal rund 5 000 m² HNF zusätzlich beisteuern. Die Baugenehmigung für den ersten Bauabschnitt der neuen Bibliotheks-Zentrale wurde im Frühjahr 1998 erteilt. Die eigentliche Bauzeit betrug bis zur Eröffnung im April 2001 ca. 2 1/2 Jahre. Die Baukosten für diesen ersten Bauabschnitt beliefen sich auf etwas über 20 Millionen DM. Infolge geologischer Gegebenheiten (die Wissenschaftsstadt am Unauthenticated Download Date | 8/18/17 5:40 PM 120 Bibliothek 27. 2003. Nr. 1/2 Franke, et. al - Die neue Bibliotheks-Zentrale der Universitätsbibliothek Ulm Oberen Eselsberg gehört zur Schwäbischen Alb und liegt somit auf durchhöhltem Karstgebirge) wurde nach entsprechenden Gutachten in der laufenden Bauplanung beschlossen, keine Pfahlgründung sondern eine Plattengründung des Gebäudes zu wählen. Hierdurch entstand im Untergeschoss eine ursprünglich für diesen ersten Bauabschnitt nicht geplante zusätzliche Fläche von ca. 900 m², die jetzt in einem Nachtrags-Bauantrag zum ersten Bauabschnitt mit einem Kompakt-Magazin sinnvoll genutzt werden soll. Baubeginn hierfür war im Mai 2003. Das Gebäude wird dann ungefähr doppelt (!) soviel Literaturbestand aufnehmen können wie bisher. Sind jetzt ohne die geplante Fahrregalanlage ca. 200 000 Bände untergebracht, so wird mit dem Magazin im UG die Kapazität auf ca. 400 000 Bände anwachsen (bei einem Gesamtbestand von ca. 880 000 Bänden) (Abb. 1). Insgesamt lässt sich für das geschilderte Bauprojekt resümieren: 1. Die alte „dezentrale UB-Verwaltungszentrale“ wanderte dorthin, wo sie hingehört: in die Mitte des Universitätscampus. 2. Fünf von sechs Campus-Bereichsbibliotheken konnten aufgelöst werden und verschmolzen mit der alten Verwaltungszentrale zur neuen „Bibliotheks-Zentrale“, in der nun kompakt ein wesentlich umfangreicheres und attraktiveres Angebot zur Verfügung steht als früher an den einzelnen provisorischen Standorten. So finden sich nun z. B. Literaturbestände der theoretischen und klinischen Medizin sowie der Naturwissenschaften und Technik unter einem Dach. 3. Durch Zusammenlegung und Auflösung mehrerer Standorte ergeben sich – so auch an der UB Ulm – echte und vermeintliche synergetische Effekte: Personal-Kapazitäten abgefordert. So konnten z. B. Erweiterungen der Öffnungszeiten, da gleichzeitig angeforderte Personaleinsparungen anstanden, leider nur in kleinerem Umfang realisiert werden. Auch eine geplante Ausweitung der Schulungsangebote konnte aus dem gleichen Grund nicht vollzogen werden. • Das oben erwähnte Kompaktmagazin im UG des Neubaus wird eine kleine Entlastung mit sich bringen, da ein weiterer Teil-Standort, ein jetzt noch bestehendes Magazin auf dem Uni-Campus, komplett aufgelöst werden kann. Auch Teilbestände (nur die benutzungsaktiven und ausleihrelevanten) des Magazins am alten Standort Wiblingen werden transferiert werden können. 4. Das Gebäude wird insgesamt positiv angenommen: • Dies zeigen nicht nur schon erhaltene Architektur-Preise oder die Meinungen der im Gebäude arbeitenden rund 70 UB-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter. • Auch eine, ein halbes Jahr nach Neubau-Eröffnung, durchgeführte Benutzungsumfrage erbrachte eine weitgehende Zustimmung: In einer repräsentativ ausgewählten Stichprobe vergaben 488 aktive Bibliotheksbenutzer bei Ästhetik und Zweckmäßigkeit des Gebäudes die (Schul-)Noten 2,2 resp. 2,8. Die Zusammenlegung von alter Zentrale mit fünf (aufgelösten) Bereichsbibliotheken erhält sogar die Note 1,9 (Abb. 2). 5. Festgestellte Mängel gravierenderer Art betreffen in erster Linie zwei Bereiche: Abb. 2: UB Ulm, Neubau, Lesesaal • • Weniger Standorte bedeuten weniger und auch effektiveren Verkehr: Medien gelangen schneller und effektiver von ihrem Aufstellort A zum Bestell- und Abholort B; Personen treffen sich schneller zu einer Arbeitsbesprechung. Andererseits wurden und werden der UB in Erwartung synergetischer Effekte seitens höherer Instanzen auch Akustik im Benutzungsbereich • Lesesaalbereich und Thekenbereich (Information und Ausleihe) sind ungenügend voneinander abgetrennt; die Geräuschkulisse im Lesebereich somit zu groß. • Mehrere Treppen mit Holzstufen (!) im Benutzungsbereich sorgen für eigentlich vermeidbaren Lärm. Unauthenticated Download Date | 8/18/17 5:40 PM Bibliothek 27. 2003. Nr. 1/2 Franke, et. al - Die neue Bibliotheks-Zentrale der Universitätsbibliothek Ulm Blendschutz • Alle sechs Innenhöfe, die das Gebäude über drei Etagen mit Licht und Luft (es gibt keine Klima-Anlage!) versorgen, besitzen eine komplett verglaste Fassade. Die Blendwirkungen bei entsprechendem Sonnenstand erfordern in zahlreichen Räumen weitere Verschattungsmaßnahmen. Im Zuge des Ausbaus des Kellergeschosses ist entsprechende Abhilfe zugesagt. Kerndatenübersicht 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 Name und Adresse Universitätsbibliothek Ulm Albert-Einstein-Allee 37 D-89081 Ulm Tel. (07 31) 50-3 14 01 Fax (07 31) 50-3 14 91 E-Mail: [email protected] 2. Eingeschriebene Benutzer Gesamtzahl Weiterführende Literatur: Bau und Funktion der neuen Bibliotheks-Zentrale der Universität Ulm. Informationen über den Bau, die EDV-Infrastruktur, das Bibliotheksprofil und angebotenen Dienste der UB Ulm. In: B.I.T.online, Ausg. 4/2001. Anschrift der Autoren: Siegfried Franke Rüdiger Grobe Pia Daniela Schmücker Universitätsbibliothek Ulm Albert-Einstein-Allee 37 D-89081 Ulm 121 12 500 3. 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 3.8.1 3.8.2 Kapazitäten (vor dem Bau) Gesamtfläche Benutzung Verwaltung Magazinfläche (inklusiv Freihand) Bände insgesamt Bände Freihand Bände Magazine Leserplätze (einschl. Katalog) vernetzt nicht vernetzt 4. 4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8 4.9 4.10 4.11 4.12 4.13 4.13.1 Das Projekt Typ: Neubau Architekt(en): Otto Steidle / Johann Spengler Architekturbüro Steidle + Partner, München Genter Str. 13, D-80805 München Beginn Bauarbeiten September 1998 Ende Bauarbeiten Frühjahr 2001 Inbetriebnahme April 2001 Gesamtfläche 3 900 m² Benutzung 2 800 m² Verwaltung 1 100 m² Geschlossene Magazine 900 m² Bände insgesamt 400 000 Bände Freihand 190 000 Bände Magazine 210 000 Leserplätze 190 vernetzt 190 5. 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.8.1 5.8.2 Kapazitäten (nach dem Bau) Gesamtfläche Benutzung Verwaltung Magazinfläche (inklusiv Freihand) Bände insgesamt Bände Freihand Bände Magazine Leserplätze (einschl. Katalog) vernetzt nicht vernetzt Unauthenticated Download Date | 8/18/17 5:40 PM 6 700 m² 3 500 m² 1 300 m² 1 900 m² 870 000 ca. 60 % ca. 40 % 450 ca. 10 % ca. 90 % 8 800 m² 4 100 m² 1 100 m² 2 600 m² 880 000 ca. 60 % ca. 40 % 330 ca. 70 % ca. 30 %