Wahn und Wirkung Perspektiven auf Richard Wagner Herausgegeben von Joseph Imorde und Andreas Zeising Reihe Bild- und Kunstwissenschaften Band 7 Wahn und Wirkung. Perspektiven auf Richard Wagner Herausgegeben von Joseph Imorde und Andreas Zeising © universi Siegen, 2014 Reihe Bild- und Kunstwissenschaften Band 7 www.universi.uni-siegen.de Gestaltung Christof Becker, Wuppertal Herstellung UniPrint Universität Siegen Titelvignette nach einer Schattenfigur von Félicien Trewey, aus: John Grand-Carteret, »Richard Wagner en caricatures«, Paris 1892 Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks oder der fotomechanischen oder digitalen Wiedergabe, vorbehalten. ISBN 978-3-936533-51-4 Andreas Zeising Haus und Herd Wagner, Semper und die »Urhütte« Folgt man Sigmund Freud, so treibt den Menschen eine Sehnsucht nach Rückkehr »in primitive Verhältnisse«, je höher er die Stufenleiter der Kultur ersteigt.1 Ein solches »Unbehagen in der Kultur« plagte König Ludwig II. von Bayern, der im August 1876, wenige Tage nach dem Besuch der Generalproben zu den ersten Bayreuther Festspielen, Weisung gab, in den Wäldern des Ammergebirges, unweit seines Lieblingsschlosses Linderhof, den geeigneten Standort zum Bau einer altgermanischen Wohnbehausung ausfindig zu machen: »Seine Majestät beabsichtigen im Walde nächst dem Linderhof ein Gemach, aus ganz roh gezimmertem Holz, gleich der Dekoration des I Aktes in Walküre ausführen zu lassen, der Baum wird bereits ausgesucht.«2 Dass es sich bei dem schließlich erwählten Exemplar um eine stattliche Buche, nicht wie vom König gewünscht um eine Esche handelte, ließ sich kosmetisch leicht beheben. Hofbaurat Dollmann fertigte kurzerhand eine »Eschen-Ummantelung«, um den gewünschten Eindruck zu bewerkstelligen. Die sich von außen als schlichte Blockhütte darbietende Unterkunft wurde im Innern zu einem wahrhaft rustikal anmutenden Ambiente ausstaffiert.3 Während den Wänden roh belassene Baumstämme vorgeblendet wurden, sorgte sich Ludwig perönlich um die stilgerechte Ausstattung mit germanischen Trinkhörnern und Bärenfellen. Auch ein ausgestopfter Büffelkopf, ehedem Geschenk eines amerikanischen Diplomaten, fand an passender Stelle Verwendung. Dagegen wurde ein falsches Waldhorn aus Pappmaché, vermutlich von wohlmeinender Hand aus dem Requisitenfundus 155 Elektrisch beleuchteter Gala-Schlitten Ludwigs II. vor der Hundinghütte bei Linderhof, Druckgrafik nach einer Aquarellzeichnung von Heinrich Breling, 1887 Innenansicht der Hundinghütte bei Linderhof, Aquarellzeichnung von Heinrich Breling, 1882 156 des Hoftheaters hierher verschafft, vom König umgehend moniert: »Es soll dieses durch ein anderes ersetzt werden, aus welchem Töne herauszubringen sind.«4 Zeitzeugen berichten, dass der menschen- und zivilisationsscheue Monarch die Germanenhütte häufig als sein Refugium aufsuchte. Hier gab er sich auf dem Bärenfell lagernd der Lektüre hin, wenn diese auch »im schärften Gegensatz zu dem urwüchsigen Bärenhäuterthum stand, das ihn umgab.« Bei anderen Gelegenheiten »ergötzte [er] sich an den lebenden Bildern, die ein auf sein Geheiß inszeniertes Metgelage im altgermanischen Stile darbot.«5 Eine Generation, bevor mit der Lebensreform Aussteigertum und alternative Lebensentwürfe regelrecht in Mode kamen, war für den von Realitätsverlust geplagten Monarchen der Rückzug in die germanische Phantasiekulisse nur ein weiteres Kapitel einer bizarren Weltflucht, für die Richard Wagner, so mag es scheinen, die Regieanweisungen verfasst hatte.6 Die Wohnung als Kulisse In der Tat war die eigenwillige Behausung, die Ludwig sich bei Linderhof errichten ließ, bis in Details den Bühnenbildern der ›Hundinghütte‹ nachempfunden, mit denen Wagners Walküre zunächst 1870 am Münchner Hoftheater und sodann 1876 in Bayreuth aufgeführt worden war.7 Dass indes der Gebrauch, den Ludwig II. von seiner Nibelungenhütte machte, geradezu konträr zu Wagners künstlerischen Absichten stand, ist nachdrücklich zu betonen. Mag sich auch aus heutiger Sicht der Inszenierungsstil des 19. Jahrhunderts bestens in den »Traum vom Glück«8 fügen, als den man die Kultur des Historismus charakterisiert hat, so deutet doch manches darauf hin, dass sich Wagners Idee von ›Haus und Herd‹ gänzlich anderen Vorstellungen verdankte. Obwohl hinreichend bekannt, mag es sinnvoll sein, die dramatische Handlung des Eröffnungsaufzugs der Walküre 157 Therese und Heinrich Vogel als Sieglinde und Siegmund in der Münchner Uraufführung der Walküre, 1870 kurz in Erinnerung zu rufen. Geschildert wird, wie Siegmund der ›Wälsung‹, unwissend seiner schicksalhaften Bestimmung, nach rastloser Hatz an die düstere Behausung des Sippenführers Hunding gelangt.9 Erschöpft am Herd niedergesunken findet ihn Sieglinde, Hundings unglückliche Gemahlin. Sie gibt dem Erschöpften zu trinken, und es dauert nicht lange, bis zarte Bande der Zuneigung die Fremden verbinden. Bald jedoch tritt der unleidliche Hausherr hinzu, der in dem Fremden schnell den lang gejagten Todfeind erkennt. Hunding fordert Siegmund zum Kampf, welcher jedoch des Gastrechts halber auf den kommenden Morgen vertagt wird. Die ausweglos erscheinende Situation wandelt sich im Fortgang der Handlung durch Einsicht und Wunderkraft, als Siegmund und Sieglinde gewahr werden, dass sie Zwillings- 158 geschwister sind und Siegmund sich das zuvor von Wotan im Stamm der Esche hinterlassene sagenhafte Schwert gewinnt. Durch Liebesmacht und die Kraft des ›Wonnemonds‹ öffnet sich schließlich die Tür der dunklen Behausung. Zu den berühmten Worten »So blühe denn, Wäsungen-Blut!« fällt der Vorhang. Nicht als bukolisches Idyll, sondern als karg und düster anmutendes Gefängnis, zudem als Schauplatz eines über weite Strecken hoffnungslosen Geschehens hat Wagner die Szene konzipiert. Als derjenige Ort, an dem die inzestuöse Beziehung ihren schicksalhaften Lauf nimmt, ist sie zudem hochgradig symbolisch besetzt. Mit seiner Szenenanweisung hatte Wagner dem Rechnung getragen, indem er das »Innere eines Wohnraumes«, so die wortgemäße Bestimmung, in aller Ausführlichkeit beschrieb: In der Mitte steht der Stamm einer mächtigen Esche, dessen stark erhabene Wurzeln sich weithin in den Erdboden verlieren; von seinem Wipfel ist der Baum durch ein gezimmertes Dach geschieden, welches so durchschnitten ist, daß der Stamm und die nach allen Seiten hin sich ausstreckenden Äste durch genau entsprechende Öffnungen hindurch gehen; von dem belaubten Wipfel wird angenommen, daß er sich über dieses Dach ausbreite. Um den Eschenstamm, als Mittelpunkt, ist nun ein Saal gezimmert; die Wände sind aus roh behauenem Holzwerk, hie und da mit geflochtenen und gewebten Decken behangen. Rechts im Vordergrunde steht der Herd, dessen Rauchfang seitwärts zum Dache hinausführt; hinter dem Herde befindet sich ein innerer Raum, gleich einem Vorrathsspeicher, zu dem man auf einigen hölzernen Stufen hinaufsteigt: davor hängt, halb zurückgeschlagen, eine geflochtene Decke. Im Hintergrunde eine Eingangsthüre mit schlichtem Holzriegel. Links die Thüre zu einem inneren Gemache, zu dem gleichfalls Stufen hinaufführen; weiter vornen auf derselben Seite ein Tisch mit einer breiten, an der Wand angezimmerten Bank dahinter, und hölzernen Schemeln davor.10 159 Christian Jank, Modell zum Bühnenbild des 1. Aufzugs der Münchner Erstaufführung der Walküre, 1869/70 Die detaillierte Beschreibung lässt keinen Zweifel daran, dass es Wagners Absicht war, bei der Ausgestaltung der Szene nichts dem Zufall zu überlassen. Wohl deshalb stellte die Gestaltung die Bühnenbildner der ersten Stunde vor Herausforderungen, zumal Ludwig II. als maßgeblicher Förderer Wagners mit Nachdruck auf ›historischer Korrektheit‹ bestand.11 Die Münchner Uraufführung, für die der Hoftheatermaler Christian Jank das Bühnenbild zur ›Hundinghütte‹ gestaltete, war nach heutigem Ermessen nicht frei von dem zeittypischen, später vielfach belächelten Theaterrealismus. Jank hielt sich indes, wie ein erhaltenes Modell zeigt, eng an Wagners Szenenanweisung. So wirkten die Wände in der Tat wie »aus roh behauenem Holzwerk« gezimmert, »hie und da« waren sie zudem, wie von Wagner gefordert, »mit geflochtenen und gewebten Decken behangen«. Geradezu 160 Nach Christian Jank, Detailstudie der Bühnendekoration, 1870 kunstvoll waren in der dreidimensional konstruierten Kulisse die Verästelungen der knorrigen Esche mit dem Dachgebälk verbunden.12 Symbolische Räume Der krude Naturalismus der Wagner-Bühne stand, wie oft bemängelt worden ist, in denkbarstem Gegensatz zu dem radikal-reformerischen, ja revolutionären Anspruch, dem Wagners Konzeption des Bühnendramas verpflichtet war.13 Vor allem in den Zürcher Kunstschriften der Jahre 1849–51 hatte Wagner ja eindringlich dargelegt, dass seine Idee des Musikdramas den völligen Bruch mit den Konventionen des traditionellen Operbetriebs vollziehen solle. Denn mit dem »Kunstwerk der Zukunft« intendierte Wagner nicht weniger als eine Umwertung der gesellschaftlichen Rolle der Kunst, 161 deren vornehmliches Anliegen er in der ›Vergegenwärtigung‹ des Mythos im Zeichen des ›Reinmenschlichen‹ sah. Prüfstein dieser musikdramatischen Konzeption war der Ring des Nibelungen, dessen erste Ideen noch in das Revolutionsjahr 1848 fielen. Pointiert gesagt, beschreibt Wagners Drama die Emanzipation der Menschheit aus den deterministischen Fesseln einer mythischen Weltordnung. Die menschlichen Akteure sind Fremde in einer Welt, deren ewige Ordnung durch Alberichs Tat und Wotans Vertragsbruch im Verfall begriffen ist und unweigerlich ihrem Untergang entgegenstrebt. Am Ende wird der freie Mensch übrig bleiben, der als staunender Zuschauer der Götterdämmerung beiwohnt. Vor der Folie dieser zentralen Ideen-Konstellation kommt dem ersten Aufzug der Walküre eine Schlüsselstellung zu. Denn in der Gestalt des von Wotan mit einer Wölfin gezeugten Menschenpaares, deren inzestuöser Beziehung Siegfried, der ›freieste Held‹, entspringt, gewinnt der Übergang von mythisch-vorweltlicher zu geschichtlich-menschlicher Zeit innerhalb des dramatischen Geschehens konkrete Gestalt. Dass Wagner nach der Mythenwelt des Rheingold erstmals im Ambiente der ›Hundinghütte‹ menschliche Akteure auftreten lässt, unterstreicht diese Scharnierfunktion zusätzlich. Dies vorausgesetzt, scheint es naheliegend, Wagner habe mit dem ausführlich beschriebenen Setting der Szene mehr als nur eine phantasievolle Ausschmückung intendiert. Einem Hinweis Oswald Georg Bauers folgend,14 spiegelt sich der zentrale Handlungsrahmen des Rings, der Gegensatz von vorgeschichtlich-mythischer und geschichtlicher Zeit, nicht zuletzt in der Konfrontation archetypischer Natur- und Architekturräume: Der Grund des Rheins, Walkürenfelsen und tiefer Wald bilden Schauplätze des mythisch-vorweltlichen Geschehens, während die Halle der Gibichungen in der Götterdämmerung den geschichtlich-menschlichen Kulturraum markiert. Dazwischen aber, so wäre zu folgern, steht die 162 ›Wohnung‹ Hundings als symbolischer Ort, der weder Naturschauplatz noch architektonisch überformte Kulisse ist. In ihrer Einfachheit verkörpert die Hütte nicht mehr als das bloße ›Behaustsein‹ des Menschen im archaischen Zustand seiner Emanzipation aus den als feindlich erfahrenen Bedingungen der naturhaften Existenz. Wagner wirkte daher auch nachdrücklich auf eine schlichte Umsetzung des Bühnenbildes hin. Es ging nicht um Germanenromantik mit Bärenfell und Mondscheineffekten,15 sondern um die Schaffung eines symbolischen Ur-Ortes von »prähistorischer Kahlheit«, wie Camille Saint-Saëns 1876 das Bayreuther Bühnenbild beschrieb.16 Urzustände und Elemente Wohl im Herbst 1851 hatte Wagner den Entschluss gefasst, den Stoff der Siegfriedsage zu einer Tetralogie auszuweiten. Bis 1853, lange vor Beendigung der musikalischen Teile, entstand die Dichtung zum Ring, die Wagner zunächst als Privatdruck veröffentlichte, bevor sie 1863 in Buchform erschien.17 Um dieselbe Zeit, als die Ringdichtung und Wagners wichtigste kunsttheoretische Schriften entstanden, befasste sich auch der Architekt Gottfried Semper eingehend mit kunst- und kulturtheoretischen Fragen.18 Wagner und Semper standen seit der gemeinsamen Zeit in Dresden und der Beteiligung an den revolutionären Aufständen des Jahres 1849 in engem Austausch. Mitte der 1850er Jahre lebten beide in Zürich und verkehrten gemeinsam in Künstler- und Intellektuellenzirkeln, zu denen auch Friedrich Theodor Vischer und Gottfried Keller gehörten. Semper und Wagner verband nicht nur ihr Interesse an politischen Fragen und an der Idee des ›Gesamtkunstwerks‹, beiden gemeinsam war auch, dass sie ihre jeweilige künstlerische Arbeit umfassend theoretisierten. Wiederkehrend spielten dabei Fragen nach dem ›Ursprung‹ der Kultur und 163 dem Zusammenhang zwischen der Geschichte der Kunst und allgemeinen Kulturzuständen eine Rolle – mithin ein zivilisationsgeschichtliches Interesse, das es legitim erscheinen lässt, in ihren ästhetischen Konzepten parallele Denkansätze zu erkennen.19 Richtete sich Wagners Ansinnen auf eine grundlegende Reform der bestehenden Kunstgattung Oper, so beruhte Sempers Interesse an kulturtheoretischen Fragestellungen auf dem Versuch einer Neubegründung der Stilarchitektur, deren Zustand er – analog zu Wagners Kritik am Opernbetrieb – als den einer fundamentalen Krisis beschrieb. Die Misere äußerte sich nach Sempers Einschätzung einerseits in einem drohenden Stilchaos, anderseits in der nicht hinreichend reflektierten Herausforderung durch neuartige (industrielle) Technologien: »Alles können wir, alles kennen wir, außer uns selbst.«20 Der Krise war nur beikommen, wenn es gelänge, den verlorenen inneren Zusammenhang zwischen der technisch-konstruktiven und der künstlerischen Seite der Baukunst zu erneuern. Dazu bedurfte es, wie Semper meinte, zunächst einer zivilisationsgeschichtlichen Herleitung allgemein-elementarer Grundprinzipien des Bauens, aus denen sich in einem zweiten Schritt eine praktische »Kunstformenlehre« ableiten lassen sollte. Die vieldiskutierte Frage nach dem richtigen ›Stil‹ erfuhr bei Semper mithin eine Erweiterung: es ging um Fragen der Identität, der Einsicht in den eigenen geschichtlichen Standort durch das Aufzeigen einer Kontinuität zwischen Geschichte und Gegenwart – ein Ansinnen, das demjenigen Wagners klar an die Seite gestellt werden kann. Nicht zuletzt unter dem Eindruck der Londoner Weltausstellung weitete sich Sempers Blick dabei ethnologisch: weniger von ›Baukunst‹ war nun die Rede, als vielmehr von ursprünglichen kulturellen Notwendigkeiten, die zuerst durch die ›technischen Künste‹, das Kunsthandwerk also, gehandhabt wurden. Hier, 164 Titel zu Gottfried Semper, Die vier Elemente der Baukunst, Braunschweig 1851 so Sempers Grundgedanke, müssten sich die Ursprünge der Baukunst aufzeigen lassen. 1851 erschien Sempers Abhandlung Die vier Elemente der Baukunst, in denen er diese Überlegungen erstmals darlegte.21 Noch in seinem unvollendet gebliebenen Hauptwerk Der Stil (1860/63), an dem er seit 1855 arbeitete, griff Semper auf Grundgedanken dieses Textes und seine Perspektive einer »Naturgeschichte der Menschheit«22 zurück. Semper ging davon aus, dass ursprüngliche praktische Zwecke der Entstehung der Baukunst vorangingen und ihr die ›Motive‹ lieferten. Zu diesen zählte er einerseits eine Trias konstruktiver Bestandteile, nämlich Dach, Wand und Substruktion, die er als Resultate konkreter materieller Bedürfnisse nach Schutz und Obdach deutete. Ergänzt wurde diese Trias durch 165 ein viertes Element, nämlich den ›Herd‹. Diesem maß Semper indes keine konstruktive, sondern eine ›sittliche‹ Bedeutung bei. Die zunächst eigenwillig anmutende Idee erklärt sich daraus, dass nach Sempers Auffassung die Anfänge der Baukunst nur im Kontext der »Urzustände der menschlichen Gesellschaft«23 zu deuten waren. Der »erste Embryo der socialen Niederlassung«24 aber war für Semper der Herd in seiner Doppelfunktion als wärme- und nahrungspendende Feuerstätte und Mittelpunkt religiöser Kulte: Das erste Zeichen menschlicher Niederlassung und Ruhe nach Jagt, Kampf und Wanderung in der Wüste (...) ist die Einrichtung der Feuerstätte und die Erweckung der belebenden und erwärmenden speisebereitenden Flamme. Um den Herd versammelten sich die ersten Gruppen, an ihm knüpften sich die ersten Bedürfnisse, an ihm wurden die ersten rohen Religionsbegriffe zu Culturbräuchen formuliert. Durch alle Entwickelungsphasen der Gesellschaft bildet er den heiligen Brennpunkt, um den sich das Ganze ordnet und gestaltet. Er ist das erste und wichtigste, das moralische Element der Baukunst.25 Semper hat in seinen nachfolgenden Schriften die exponierte Bedeutung des Herdes als Symbol der Sesshaftwerdung und damit als Ursprung jeder dauerhaften Baukunst immer wieder thematisiert. Dass Wagner mit diesen Schriften vertraut war, steht außer Zweifel.26 War es also Zufall, dass dem ›Herd‹ in der Eröffnungsszene der Walküre eine kaum zu übersehende Bedeutung zufiel? Nicht nur fand das Utensil in der zitierten Szenenanweisung als ›elementarer‹ Bestandteil des ansonsten kargen Wohnraums ausdrückliche Erwähnung. Überdies ist er immer wieder dialogisch umspielter Bezugspunkt des dramatischen Geschehens. Bereits die ersten gesungenen Worte, Siegmunds »Wess‘ Herd dieß auch sei, hier muß ich rasten«, verweisen auf seine Symbolhaftigkeit als Indikator menschlichen Behaustseins, als die Hundings 166 Hütte innerhalb der Ringdichtung fungiert. Im weiteren Verlauf ist es der Hausherr selbst, der unmissverständlich auf die Ineinssetzung von Haus und Herd verweist: die an Siegmund gerichtete Mahnung, »Heilig ist mein Herd – heilig sei dir mein Haus«, verknüpft die sittliche Idee des Hausfriedens mit einer religiösen Bedeutung – illustriert mit Semper zu sprechen die ›moralische‹ Dimension der Baukunst. 27 Für Semper waren alle weiteren technisch-konstruktiven Aspekte baulicher Tätigkeit auf die Feuerstelle funktional bezogen. Der Herd, so Semper, (...) kann (...) das erste und wichtigste Element, die Seele jedes architektonischen Werks genannt werden. Um ihn vereinigen sich als schützende Negationen der der Flamme feindlichen Naturkräfte die drei übrigen Elemente der Baukunst, das Dach, die Mauer und die Terrasse.28 Diese Überlegungen en detail auf Wagners Szenenanweisung zu beziehen, wäre sicherlich verfehlt. Doch besitzt Sempers Entgegensetzung von naturhaft-nomadischem Leben und der familienbildenden Funktion der ersten »Hütten« fraglos eine assoziative Parallele in der Dramaturgie der Walküre: »Die Häuslichkeit bildete sich in diesen Hütten aus, ein Gegensatz zu dem freien Naturleben, das von Mühen und Kämpfen erfüllt ist.« 29 Bemerkenswert erscheint darüber hinaus die ausdrückliche Erwähnung textiler Elemente, mit denen, so Wagners Anweisung, die Wände der Hunding-Behausung »hie und da« behangen seien – insbesondere die Münchner Uraufführung legte auf dieses Detail gesteigerten Wert, wie eine Skizze nach Janks Bühnenbild belegt. Da Semper die Existenz von Steinbaukunst auf frühen Kulturstufen bestritt, vermutete er den Ursprung der Wand nicht im festgefügten Mauerverband, sondern vielmehr in raumbildenden textilen Elementen. In klimatisch gemäßigten Zonen waren demnach 167 zuerst »Matten und später die Teppiche und Draperien (...) die frühesten Materialien der Raumtrennung und jener Zimmereinteilungen, welche die Menschen für ihren Schutz und ihre Bequemlichkeit für nötig befanden.«30 Der Gedanke einer ursprünglichen »Teppichwand«31 entsprach dabei dem Zeitgeist des Historismus: architektonische Schmuckformen wollte Semper als »Bekleidung« eines konstruktiven Gebäudekerns verstanden wissen. Ihren Ursprung lokalisierte er jedoch in handwerklich-textilen Artefakten, die erst auf höheren Kulturstufen in einem Prozess des »Stoffwechsels« durch Mauerverbände ersetzt worden seien, wobei ursprüngliche textile Dekore in tektonische Flächenornamente übersetzt wurden. Ob die merkwürdige Szenenanweisung, wonach die Wände der Hunding-Wohnung »mit geflochtenen und gewebten Decken behangen« seien, als Hinweis auf Sempers Theorie einer textilen Urkunst und die Idee eines »Stoffwechsels« verstanden werden darf, sei dahingestellt. Immerhin meinte Semper festgestellt zu haben, dass auf frühen Kulturstufen auch dort, wo schließlich feste Wände errichtet wurden, weiterhin gewirkte Teppiche diese schmückten und verdeckten: »[S]elbst, wo die Ausführung fester Mauern erforderlich wurde, bildeten sie nur das innere, nicht sichtbare Gerüste, versteckt hinter den wahren und legitimen Repräsentanten der Wand, den buntgewirkten Teppichen.« 32 Hütte und Palast Unerwähnt blieb bislang der wohl spektakulärste ›Regieeinfall‹ Wagners, die Konstruktion der ›Hundinghütte‹ um den Stamm einer Esche, womit selbstredend auf die Symbolik der Weltesche angespielt war.33 Darüber hinaus darf man annehmen, dass es Wagners Absicht war, im Bild der um den Baum gebauten Behausung die Idee einer ursprünglichen, aus den Bedingungen des naturhaften Daseins sich emanzi- 168 Urhütten, aus Cesare Cesariano, De Lucio Vitruvio Pollione de Architectura, Como 1521 pierenden menschlichen Existenz in einer Weise bildhaft anschaulich zu machen, die jeder Erwartung ›archäologischer‹ Korrektheit gezielt entgegenlief.34 Gerade in seiner Phantastik indes verweist das ›Baumhaus‹ auch auf Debatten um die vermeintliche Gestalt der ›Urhütte‹, wie sie in der Architekturtheorie seit dem Vitruvianismus topisch waren. Bekanntlich hatte auch der römische Architekt Vitruv der Entfachung des Feuers die Bedeutung eines Initiums menschlichen Zusammenlebens und der Schaffung erster Behausungen beigemessen. Die spärlichen Angaben, die sich dazu in seinen Zehn Büchern der Architektur fanden, blieben jahrhundertelang Bezugspunkt für Spekulationen um die Anfänge der Baukunst. Vitruvs Doktrin, dass diese, wie Poesie und Malerei, auf dem Prinzip der imitatio naturae beruhe, verleitete dabei seit der Renaissance zu der Annahme, die vermeintlichen ›Urhütten‹ seien aus Baumstämmen als Stützen gebildet, welche somit ›natürliche‹ Vorläufer der Säulen seien: »Die Alten haben ursprünglich in Holz gebaut, 169 links: Langhaussäulen der Leipziger Nikolaikirche, umgebaut 1784–97 durch Johann Carl Friedrich Dauthe rechts: Philibert de l’Orme, Baumsäule, aus: Le premier tome de l’architecture, 1567 deshalb haben die Säulen ihre Form erst von den tragenden Bäumen der Urbehausungen erhalten.«35 Auf diese Weise war der Klassizismus gleich doppelt, als ›natürlicher‹ und überdies ›erster‹ Stil normativ legitimiert. Theoretiker des 18. Jahrhunderts stellten dem klassizistischen Initium-Topos zudem eine Ursprungstheorie nordisch-gotischer Architektur an die Seite, welcher in analoger Weise ›Waldähnlichkeit‹ und baumkronengleiche Naturhaftigkeit bescheinigt wurde.36 1792/93 ging der schottische Geologe John Hall so weit, diese Ursprungstheorie zu beweisen, indem er in seinem eigenen Garten eine Miniatur-Kathedrale errichtete, bei der Baustämme und zusammengebogene Weidenruten die archaische Urform gotischer Pfeiler und Kreuzrippengewölbe 170 links: Blick in das Querschiff des Londoner Kristallpalastes mit einer Ulme des Hyde Park, 1851 rechts: Karibische Bambushütte, ausgestellt auf der Londoner Weltausstellung 1851, Illustration aus: Gottfried Semper, Der Stil, Band 2, München 1863 bildeten. Seinem Essay on the Origin, History and Principles of Gothic Architecture von 1798 gab Hall Kupferstiche bei, die dieses naturmimetische Prinzip gleich an einer ganzen Reihe von Beispielen veranschaulichten. Eine ähnliche Denkweise veranlasste zur selben Zeit den Umbau der Nikolaikirche in Wagners Heimatstadt Leipzig, wo Johann Carl Friedrich Dauthe die gotischen Pfeiler zu kannelierten Säulen umgestaltete, aus denen Palmenkapitelle mit grünen Blättern sprießen. Mitte des 19. Jahrhunderts waren solche spekulativen Herleitungen freilich längst Betrachtungsweisen gewichen, die sich an empirischen Tatsachen orientierten. Beispielhaft zeigt sich das auch bei Semper, der – spätestens mit der Konzeption des Stil – die Baukunst nicht als ursprüngliche künst- 171 lerische Gattung, sondern als aus kunsthandwerklichen Elementartechniken abgeleitete Praxis betrachtete. Immerhin jedoch zog auch Semper gelegentlich noch in Erwähnung, dass die steinerne Säule in einem Prozess des »Stoffwechsels« einer ursprünglich hölzernen Stütze nachgebildet worden sei. Überhaupt war Semper der Ansicht – man denke an die ›Hundinghütte‹ –, dass der Holzbau, das »Gezimmer«, der steinernen Monumentalarchitektur vorangegangen sei.37 Dass sich Semper überdies mit seinen Überlegungen zu ›Elementen‹ der Baukunst ungewollt in die Tradition der Diskussion um die vermeintliche Gestalt der ›Urhütte‹ stellte, ist von der Forschung seit langem konstatiert worden.38 Zwar wies Semper die Vorstellung eines archaischen Idealtypus, wie ihn die Theoretiker des Vitruvianismus proklamierten, weit von sich. Doch spielte der Gedanke der ›Urhütte‹ für ihn immerhin die Rolle eines ›struktiven Typus‹, anhand dessen der ethnologische Nachweis einer ursprünglichen, ganz aus den elementaren Bedingungen von Zweck, Material und Technik resultierenden Baukunst möglich sein müsste. Es gehört zu den Pointen der Kunstgeschichte, dass Semper 1851 unvermutet tatsächlich auf ein Exemplar einer vermeintlichen ›Urhütte‹ stieß – und zwar ausgerechnet beim Besuch der Londoner Weltausstellung. In Paxtons sinnigerweise als ›Palast‹ apostrophiertem technologischem Wunderwerk – der doch selbst eine Art kolossaler »Urhütte« der funktionalistischen Moderne war – stieß Semper auf eine Bambushütte aus Trinidad, die alle seine Vorstellung von ›Elementen‹ menschlicher Behausung in mustergültiger Weise zu bestätigen schien: Einfachste Grundformen von Dach, Wand und Substruktion waren hier um eine Feuerstelle gruppiert und erfüllten so elementarste Bedürfnisse nach Schutz und Odach. Vor allem jedoch schien die »karaibische Hütte« in mustergültiger Weise Sempers Theorie der geflochtenen Wand als raumabgrenzender Umhegung zu bestätigen. 172 Von seiner ›Entdeckung‹ machte Semper aus Angst vor Missverständnissen kein allzu großes Aufhebens. Schließlich war die Karibikhütte angesichts vielfältiger klimatischer und gesellschaftlicher Bedingungen nur als ein möglicher ›Urtypus‹ unter vielen zu betrachten. Erst im zweiten Band des Stil (1863) stellte Semper – in polemischer Diktion und an die Verfechter der »hausbackenen vitruvianischen Theorie« gerichtet – die unscheinbare Hütte als »ein höchst realistisches Exemplar einer Holzkonstruktion« vor Augen, das »der vitruvianischen Urhütte in allen ihren Elementen« entspreche.39 Selbst die »Säulen« seien »nichts anderes als Baumstämme«. 40 Ohne Zweifel liegen zwischen Sempers Zufallsfund und Wagners Regieeinfall gleich in mehrerer Hinsicht ›Welten‹. Für Semper spielte die karibische Hütte die Rolle eines Beweisstücks, dem innerhalb einer kulturgeschichtlichen Entwicklungsreihe die Bedeutung eines lebenden Fossils zukam, wie Charles Darwin es ausgedrückt hätte. Auf eine »Naturgeschichte der Menschheit«, freilich in den völlig anderen Dimensionen eines »Weltendramas«, rekurrierte auch Wagner mit seinem »Ring des Nibelungen«. In seinem Fall indes war die »Hundinghütte« gerade nicht als archäologisch korrekte Rekonstruktion altgermanischer Häuslichkeit intendiert. Vielmehr sollte sie als »Schöpfung der Poesie«,41 mit Semper zu sprechen, ein ursprüngliches „Behaustsein“ archetypisch ins Bild setzen. Die Tatsache freilich, dass beide Künstler die alte Idee der ›Urhütte‹ reaktivierten, muss bei allen Unterschieden verblüffen. Dass es dabei abgesehen von der zeitlichen Koinzidenz auch einen gedanklichen Austausch gab, liegt nahe – beweisen lässt es sich nicht. Mythos und Moderne »[I]n der Walküre (...) hat der Realismus den Meister mitgerissen«, konstatierte Adolphe Appia 1899 mit kritischer 173 Die Walküre, 1. Aufzug, Bayreuther Festspiele 1960–64, Regie und Bühnenbild: Wolfgang Wagner Die Walküre, 1. Aufzug, Bayreuther Festspiele 1980, Regie: Patrice Chéreau, Bühnenbild: Richard Peduzzi 174 Absicht über die Ästhetik der frühen Wagner-Bühne: »[D]as realistische Princip des scenischen Schauspiels vergewaltigt das Drama, und man fühlt in der Walküre von Anfang bis zu Ende den verzweifelten Kampf des Dichters und Musikers gegen ein Element, das seinem mächtigen Willen widerstrebt.«42 Dass Wagner selbst mit der naturalistischen Umsetzung seiner Werke nicht immer glücklich war, lässt seine Reaktion auf die Kulisse des ersten Aktes der Münchner Erstaufführung der Walküre vermuten, die er in einem Brief vom Juli 1874 spöttisch als »Onkel Tom’s Hütte« titulierte.43 Nichtsdestotrotz wich auch das Bühnenbild der Bayreuther Festspiele des Jahres 1876 doch nur marginal von diesem Muster ab – noch stand die naturalistische Aufführungspraxis nicht zur Disposition.44 Nachfolgenden Generationen allerdings erschien die ›Hundinghütte‹ angesichts derart buchstabengetreuer Umsetzungen mehr und mehr als ein nachgerade grotesker Einfall. Der Zeit nach 1945 blieb es vorbehalten, die Bayreuther Wagner-Bühne radikal zu reformieren. Lässt man diese Entwicklungen Revue passieren, wird deutlich, dass mit der Austreibung des fatalen Germanenkults vom Grünen Hügel auch die Bretterbuden und lodernden Herde des ersten Aufzugs der Walküre einer asketischen Kargheit weichen mussten. Bei aller Faszination, die etwa die ›Weltenscheibe‹ in Wolfgang Wagners Inszenierungen der 1970er Jahre besitzt, wurde doch mit dem gänzlichen Verzicht auf Haus und Herd eine der wesentlichen Intentionen Wagners, nämlich die Andeutung von Urzuständen des Behaustseins im Bild einer ›ursprünglichen‹ Architektur, über Bord geworfen. Nach allen ›Entrümpelungen‹ war es schließlich Patrice Chéreau, der es mit seiner umstrittenen Jahrhundert-Inszenierung von 1976 wagte, die naturalistische Bildhaftigkeit der Wagner-Bühne zu erneuern. Die von Richard Peduzzi 175 gestaltete Szene zeigte weder Hütte noch Herd, stattdessen Versatzstücke von Fabrikarchitektur der Zeit der Frühindustrialisierung sowie das stilisierte Monument einer Dampfmaschine der Ära Boulton Watt & Co. Chéreaus Ring war nicht länger in mythischer Vorzeit angesiedelt, die ›Traumbilder‹, die er auf die Bühne brachte, waren vielmehr der Welt um 1800, mithin Wagners Moderne entlehnt. Die Emanzipation vom Göttergesetz fand – durchaus im Sinne der Intention des Komponisten – ihren Platz im geschichtlichen Raum des Klassenkampfs um Standesprivilegien, Vertragslehren und das Freiheitsstreben des Proletariats. Nicht in werkgetreuer Buchstäblichkeit, sondern als ›postmodernes‹ Zitat gelang es hier, die ›Ursprungsarchetypen‹ der Wagner’schen Szenenanweisungen wieder bildhaft zu verdichten. Interpretierten Chéreau und Peduzzi die Götterburg Walhall im Rheingold als klassizistischen Palast einer dem Untergang geweihten dekadenten Aristokratie, so folgte in der Walküre der Auftritt Hundings als bourgoiser Industriebaron vor düsterer Fabrikkulisse. Dorische Säule und Architrav der Dampfmaschine verwiesen dabei in hintersinniger Weise auf die ›bürgerliche‹ Aneignung des Klassizismus, der im Zuge der Ästhetik der Aufklärung als ›rationale‹ Architektur inthronisiert worden war. Dass dabei im Bühnenbild der Bayreuther Aufführung von 1976 die gusseiserne Säule dem nunmehr arg gefledderten Stamm der Esche zeichenhaft korrespondierte, darf als besondere Pointe gelten. Zitierte die Korrespondenz doch noch einmal von ferne den Nachahmungstopos des Vitruvianismus und seine Herleitung der Säulenarchitektur aus der Baumhütte – und stand damit, trotz aller äußerlichen Entgegensetzung zum Bild der ›Hundinghütte‹, in der Traditionslinie jener Vorstellungen von den Ursprüngen der Baukunst, die auch für Wagner und Semper eine Rolle gespielt hatten. Zum anderen freilich illustrierte das Bild der abgestorbenen Esche in an- 176 schaulicher Weise das, was Chéreau die »Dualität von Natur und Architektur«45 nannte: die Dialektik, mit der die zivilisatorische Bezwingung der ›Natur‹ immer auch ihre unwiderrufliche Zerstörung impliziert. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 177 Sigmund Freud: Das Unbehagen in der Kultur [1930], in ders.: Fragen der Gesellschaft. Ursprünge der Religion, Studienausgabe Bd. IX, Frankfurt am Main 2000, S. 191–270; hier S. 217. Zit. n. Detta und Michael Petzet: Die Hundinghütte König Ludwigs II. Das Bühnenbild zu Richard Wagners „Walküre“ und die Rekonstruktion der Hundinghütte im Schlosspark von Linderhof, München 1990. (=Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Arbeitsheft 51), S. 78. Die originale Hütte brannte 1884 ab. Bei dem heute zu besichtigenden Exemplar handelt es sich um eine Rekonstruktion aus dem Jahr 1990, die sich in der Nähe des ursprünglichen Standorts befindet. Zit.n. Detta und Michael Petzet: Die Richard Wagner-Bühne König Ludwigs II., München 1970, S. 80. Louise von Kobell, zit. n. Michael Petzet: Gebaute Träume. Die Schlösser Ludwigs II. von Bayern, München 1995, S. 35. Dazu sehr anschaulich Petzet: Gebaute Träume (wie Anm. 5) sowie ders.: Architektur und Theaterdekoration – die Bauten König Ludwigs II. als Bühne seines Lebens, in: König Ludwig II.-Museum Herrenchiemsee, Ausst.-Kat. Bayerische Verwaltung der Staatlichen Schlösser, Gärten und Seen, München, hrsg. von Gerhard Hojer, München 1986, S. 31–61. Zur Geschichte der frühen Wagner-Bühne siehe Philippe Olivier: Der Ring des Nibelungen in Bayreuth von den Anfängen bis heute, Mainz 2007; Die Szene als Modell. Die Bühnenbildmodelle des Richard-Wagner-Museums und der »Ring des Nibelungen« in Bayreuth 1876–2000, München/Berlin 2006; Nora Eckert: Der Ring des Nibelungen und seine Inszenierungen von 1876 bis 2001, Hamburg 2001; Dietrich Mack: Der Bayreuther Inszenierungsstil, München 1976; Petzet/ Petzet: Die Richard Wagner-Bühne (wie Anm. 4); zur Technik ferner Carl-Friedrich Baumann: Bühnentechnik im Festspielhaus Bayreuth, München 1980. Der Traum vom Glück. Die Kunst des Historismus in Europa, Ausst.-Kat. Künstlerhaus und Akademie bildenden Künste Wien, hrsg. von Hermann Fillitz, 2 Bde., Wien 1996. Die Sekundärliteratur zu Wagners Ring ist bekanntlich unüberschaubar. Vgl. exemplarisch Carl Dahlhaus: Richard Wagners Musikdramen, Stuttgart 1996 sowie Laurenz Lütteken (Hrsg.): Wagner-Handbuch, Kassel 2012; Daniel Brandenburg, Rainer Franke u. Anno Mungen (Hrsg.): Das Wagner-Lexikon, Laaber 2012, mit allen relevanten Verweisen. Richard Wagner: Der Ring des Nibelungen. Ein Bühnenfestspiel für drei Tage und einen Vorabend, Leipzig 1863, S. 99. Vgl. Götterdämmerung. König Ludwig II. und seine Zeit, Ausst.-Kat. Bayerische Landesausstellung 2011, Schloss Herrenchiemsee, 2 Bde., München 2011, Katalogband, S. 157f. 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 178 Dieses sowie ein alternatives Modell sind dokumentiert in: Die Szene als Modell 2006 (wie Anm. 7). »Während die Musik sicher und kraftvoll in die Zukunft blickt, schaut das Theater hartnäckig in die Vergangenheit«, Pierre Boulez: Divergenzen: Vom Wesen zum Werk, in: Herbert Barth u.a.: Wagner. Sein Leben, sein Werk und seine Welt in zeitgenössischen Bildern und Texten, Wien 1975, S. 7–10; hier S. 9. Oswald Georg Bauer: Josef Hoffmann. Der Bühnenbildner der ersten Bayreuther Festspiele, München/Berlin 2008, S. 170. Vgl. Petzet/Petzet: Die Richard Wagner-Bühne (wie Anm. 4), S. 232. Zit. n. Bauer: Josef Hoffmann (wie Anm. 14), S. 174. Vgl. die Zusammenfassung der Entstehungsgeschichte bei Egon Voss: Der Ring des Nibelungen, in: Wagner-Handbuch (wie Anm. 7), S. 332–340. Zu Sempers Kunsttheorie siehe Jürgen Paul: Gottfried Semper als Theoretiker, in: Der Architekt und die Stadt. Gottfried Semper zum 200. Geburtstag (=Dresdner Hefte, Jg. 21, H. 75, 2003), S. 27–35; Heidrun Laudel: Gottfried Semper. Architektur und Stil, Dresden 1991; Heinz Quitzsch: Gottfried Semper. Praktische Ästhetik und politischer Kampf, Braunschweig 1981. Zu Sempers Gesamtwerk siehe Henrik Karge (Hrsg.): Gottfried Semper – Dresden und Europa. Die moderne Renaissance der Künste, München/Berlin 2007; Gottfried Semper 1803–1879. Architektur und Wissenschaft, Ausst.-Kat. Architekturmuseum der TU München u.a.O., hrsg. von Winfried Nerdinger und Werner Oechslin, Zürich 2003; Harry Francis Mallgrave: Gottfried Semper. Ein Architekt des 19. Jahrhunderts, Zürich 2001; Gottfried Semper 1803–1879. Baumeister zwischen Revolution und Historismus, Ausst.-Kat. Albertinum Dresden, München 1979. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch Fritz Neumeyer: Der Klang der Steine. Nietzsches Architekturen, Berlin 22004. Neumeyer zeigt in sehr erhellender Weise den metaphorischen Parallelismus von Sprach-, Ton- und Baukunst bei Nietzsche, Wagner und Semper auf. Dass indes Architektur in Wagners Musikdramen selbst nur als »malerische Requisite« und »Kulisse des Bösen« fungiere (S. 112), halte ich für zu kurz gegriffen. Konfus stellt sich demgegenüber der Versuch von Hermann Sturm dar, werkbiografische Verbindungslinien nachzuzeichnen: Hermann Sturm: Alltag & Kult. Gottfried Semper, Richard Wagner, Friedrich Theodor Vischer, Gottfried Keller, Basel 2003. Gottfried Semper: Manuskript zur »Vergleichenden Baulehre« (1849), zit. n. Laudel 1991 (wie Anm. 18), S. 36. Gottfried Semper: Die vier Elemente der Baukunst. Ein Beitrag zur vergleichenden Baukunde, Braunschweig 1851. Gottfried Semper: Über architektonische Symbole [1854], in ders.: Kleine Schriften, Berlin/Stuttgart 1884, S. 292–303; hier S. 293 Semper: Die vier Elemente (wie Anm. 21), S. 54 Semper: Über architektonische Symbole (wie Anm. 22), S. 297. Semper: Die vier Elemente (wie Anm. 21), S. 54f. Vgl. dazu vor allem auch Neumeyer: Der Klang der Steine (wie Anm. 19). Auf völlig andere Parallelen zwischen Sempers und Wagner verweist Neumeyer: Der Klang der Steine (wie Anm. 19), S. 96f. u. 100ff., der zum einen Wagners Theorie des Volksliedes als Ursprung der Musik anführt, zum anderen seine Apostrophierung des Orchesters als technischen »Herd« der Musik. Gottfried Semper: Über den Ursprung einiger Architekturstile [1854], in ders.: Kleine Schriften, Berlin/Stuttgart 1884, S. 369–382; hier S. 369. Semper: Die vier Elemente der Baukunst (wie Anm. 21), S. 69. Ähnlich auch in ders: Über den Ursprung einiger Architekturstile (wie Anm. 28), S. 370: »Diese Hütten wurden kleine Welten für sich, indem sie alles ausschlossen was nicht zur Familie gehörte (...).« 30 Gottfried Semper: Über das Verhältnis der dekorativen Künste zur Architektur [1854], in: ders.: Kleine Schriften, Berlin/Stuttgart 1884, S. 344–350; hier S. 348. 31 Dazu vor allem später Gottfried Semper: Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder Praktische Ästhetik. Ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde, 2 Bde., München 1860–63, Bd. 1, S. 227ff. (§ 60); Semper hat den Gedanken bekanntlich wesentlich aus seiner Beschäftigung mit der Polychromie der antiken Architektur hergeleitet. 32 Semper: Die vier Elemente der Baukunst (wie Anm. 21), S. 58. 33 Ortrud Gutjahr: Ringsstruktur und Raumsymbolik in Wagners »Walküre«. Erde und Esche: Zwischen Hundings Hütte und dem Fels der Walküren, in: Ulrich Müller/Jürgen Kühnel/Siegrid Schmidt (Hrsg.): Rhein und Ring, Orte und Dinge. Interpretationen zu Wagners »Ring des Nibelungen«, Salzburg 2011, S. 81–96. 34 Vgl. Oswald Georg Bauer: Ferne und Nähe. Inszenierungsprobleme des Mythos, in: Udo Bermbach/Dieter Borchmeyer (Hrsg.): Richard Wagner – »Der Ring des Nibelungen«. Ansichten des Mythos, Stuttgart 1995, S. 87–97. 35 Philibert Delorme: Le premier tome de l’architecture (1567), zit. n. Joachim Gaus: Die Urhütte. Über ein Modell in der Baukunst und ein Motiv in der bildenden Kunst, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch, XXXIII, 1971, S. 7–70; hier S. 18; vgl. dazu auch Georg German: Höhle und Hütte, in: Jagen und sammeln. Festschrift für Hans-Georg Bandi zum 65. Geburtstag, Bern 1985, S. 121–130; Jurgis Baltrušaitis: Imaginäre Realitäten. Fiktion und Illusion als produktive Kraft, Köln 1984, S. 90ff. 36 Reiner Dieckhoff: Vom Geist geistloser Zustände. Aspekte eines deutschen Jahrhunderts, in: Der Kölner Dom im Jahrhundert seiner Vollendung, Ausst.-Kat. Josef-Haubrich-Kunsthalle Köln, hrsg. von Hugo Borger, Band 2, Köln 1980, S. 63–105, bes. S. 86–89. 37 Vgl. Laudel: Gottfried Semper (wie Anm. 18), S. 81f. 38 Vgl. Laudel: Gottfried Semper (wie Anm. 18), S. 77ff. 39 Semper: Der Stil (wie Anm. 31), Band 2, S. 275. 40 Semper: Über architektonische Symbole (wie Anm. 22), S. 294. 41 Semper: Der Stil (wie Anm. 31), Band 2, S. 275. 42 Adolphe Appia: Die Musik und die Inscenierung, München 1899, S. 270. 43 Vgl. Petzet/Petzet: Die Richard Wagner-Bühne (wie Anm. 4), S. 232. 44 Dazu Bauer: Josef Hoffmann (wie Anm. 14) sowie Fabian Kern: »Soeben gesehen. Bravo, Bravissimo«. Die Coburger Theatermalerfamilie Brückner und ihre Beziehungen zu den Bayreuther Feststpielen, Berlin 2010. 45 Patrice Chéreau: Fünf Jahre sind vergangen, in: Der »Ring« Bayreuth 1976– 1980, Berlin/Hamburg 1980, S. 47–93; hier S. 59. 179