Gesundheitsgespräch Warum muss ich zur Reha? Nachsorge fürs Herz Sendedatum: 03.06.2016 Expertin: Dr. med. Christa Bongarth, Ärztliche Direktorin der Klinik Höhenried, Fachärztin für Innere Medizin, Kardiologie, Internistische Intensivmedizin, Sportmedizin, Ernährungsmedizin, Kardiovaskuläre Präventivmedizinerin DGPR Autorin: Beate Beheim-Schwarzbach Herzinfarkt An einem Herzinfarkt sterben zwar nicht mehr so viele Menschen wie vor rund 20 Jahren, denn die medizinische Notfallversorgung hat sich flächendeckend verbessert. Doch während früher die Patienten 60 Jahre und älter waren, ist inzwischen eine große Gruppe zwischen 30 und 50 Jahren alt, weil gerade sie sich den Risikofaktoren aussetzen. Was geschieht? Generell gilt: Beim Herzinfarkt reißt nicht das Herzkranzgefäß als Ganzes ein, sondern eine Ablagerung im Inneren. Diese Ablagerung oder der Plaque hat sich dort im Zuge einer Arterienverkalkung gebildet. Einriss einer Ablagerung Solch eine Ablagerung oder ein Plaque engt das Gefäß ein, das oft nur ein paar Millimeter Durchmesser hat. Dadurch beschleunigt sich der Blutfluss und der Druck auf die Gefäßinnenwand wächst. Alles zusammen kann zu einer so starken Belastung führen, dass die Ablagerung einreißt. Reparaturmechanismus des Körpers Auf diesen Riss im Inneren eines Herzkranzgefäßes setzt der Körper ein Blutgerinnsel - quasi um die Stelle zu reparieren. Doch was bei einer Schnittverletzung der Haut aussen gut funktioniert, führt hier dazu, dass das Gefäß schnell komplett dicht ist. Die Folge: Das Blut kann nicht mehr durch Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 1 das Gefäß fließen und daraufhin werden Teile des Herzens nicht mehr versorgt. Gefahr: Herzmuskelgewebe wird unterversorgt Wird das Herzmuskelgewebe nicht mehr mit Blut versorgt, dann ist das vergleichbar mit einer verstopften Benzinleitung, durch die kein Benzin zum Motor gelangt, bis der streikt. Ähnlich liefert im menschlichen Körper das Blut dem Herzmuskelgewebe den Sauerstoff, den es zum Überlegen braucht. Fehlt der Nachschub, dann ist das Herzmuskelgewebe anfangs nur „beleidigt“, wird der Blutzufluss aber nicht wieder hergestellt, stirbt das Gewebe ab. Risikofaktoren: Auslöser des Herzinfarktes Grundlage für einen Herzinfarkt ist eine Ablagerung oder ein Plaque im Herzkranzgefäß, es besteht aus Cholesterin, Muskelzellen und Entzündungszellen. Für die Entstehung gibt es verschiedene Auslöser. Wichtige Faktoren Zu den wichtigsten Risikofaktoren zählen Bluthochdruck, erhöhtes Cholesterin und Diabetes (Zuckerkrankheit). Riskant ist auch, wenn Patienten familiär vorbelastet sind, das heißt, in der Familie sind bereits vor dem 60. Lebensjahr Gefäßerkrankungen aufgetreten. Eine große Rolle spielt auch das Übergewicht: Dabei kommt es auf die Fettverteilung an, denn riskant ist vor allem das tiefe Bauchfett. Rauchen macht Gefäße unelastisch Rauchen ist deswegen so gefährlich, weil es auf die innere Schicht der Herzkranzgefäße wirkt. Diese innere Schicht sorgt für die Elastizität des Gefäßes (Endothel) und bildet dafür Stickstoffmonoxyd. Rauchen wirkt dem entgegen und macht die Gefäße unelastisch. Körperliche Inaktivität Wer zwar ein paar Kilo Übergewicht hat, aber körperlich aktiv ist, hat größere Chancen, einem Herzinfarkt zu entgehen. So gilt die Regel: Man kann viele Risikofaktoren dadurch wettmachen, dass man körperlich aktiv ist. Dr. med. Christa Bongarth, Ärztliche Direktorin der Klinik Höhenried: „Der Tipp lautet also, Hintern hoch, inneren Schweinehund an die Leine nehmen und regelmäßig vor die Tür gehen.“ Alter und Geschlecht Generell gilt: Je älter man wird, desto höher ist das Risiko für einen Herzinfarkt. Die Ursache dafür ist der normale Alterungsprozess der Gefäße. Allerdings sind Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 2 Männer häufiger betroffen als Frauen, weil sie früher Arteriosklerose bekommen. Dafür gibt es zwei Ursachen: - Einmal haben Männer generell mehr der Risikofaktoren und - zweitens sind Frauen bis zum Eintritt in die Wechseljahre durch Hormone (Östrogene) in gewisser Weise geschützt. Psychosoziale Belastungsfaktoren Depression und Depressivität haben mittlerweile den gleichen Stellenwert wie die anderen Risikofaktoren erreicht. Stress als Auslöser eines Herzinfarktes ist ein sogenannter mittelbarer Faktor: Ausschlaggebend ist, wie man mit ihm umgeht und ob man ihn sehr negativ bewertet oder nicht. Wer dazu neigt, sich oft und über Vieles zu ärgern, ist eher gefährdet als andere. Beschwerden beim Herzinfarkt: Schmerzen und andere Warnzeichen Um einen Herzinfarkt zu diagnostizieren, fragen Mediziner zuerst nach den Beschwerden, machen Blutuntersuchungen und ein EGK. Nach einem Herzinfarkt ist auf dem Ultraschallbild eine Bewegungsstörung zu erkennen, da sich das nicht durchblutete Herzareal nicht mehr bewegt. Charakteristische Beschwerden: Bezeichnend für einen Herzinfarkt ist ein extremer und mit nichts zu vergleichender Vernichtungsschmerz hinter dem Brustbein, der alarmierend ist. Oft lässt er nicht wieder nach, manchmal aber kommt und geht er auch. Gelegentlich strahlt dieser Schmerz in den linken oder auch rechten Arm aus, in Rücken, Hals, Kiefer oder Oberbauch. Wichtig: Keine Zeit verlieren! Wer extreme Schmerzen hat, die sich nicht zuordnen lassen, sollte sofort den Notarzt rufen! Schmerzen im Brustkorb Viele Patienten beschreiben den Schmerz so, - als würde ein Gürtel um ihren Brustkorb immer enger zusammen gezogen werden, oder, - als würde ein Elefant auf dem Brustkorb stehen. Also entweder ein großes Engegefühl oder ein enormes Gewicht, wie ein Vernichtungsschmerz. Ziehende oder stechende Schmerzen sind dagegen beim Herzinfarkt eher selten. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 3 Untypische Beschwerden Untypische Beschwerden können - z.B. im Falle eines Hinterwandinfarktes im Oberbauch oder zwischen den Schulterblättern auftreten. Das betrifft sowohl Männer als Frauen, letztere allerdings häufiger. Manche Patienten haben extreme Kieferschmerzen, andere Luftnot. Vor allem ältere Patienten berichten aber häufig gar nicht über Schmerzen, sie sind jedoch verwirrt. Frauen und Männer reagieren verschieden Frauen informieren häufig deutlich später den Arzt bei einem Herzinfarkt als Männer, oft deswegen, weil sie niemandem zur Last fallen wollen, oder weil sie denken, das Problem löse sich von allein. Das trifft auch auf ältere Menschen zu, die nicht wahrhaben wollen, dass sie ernsthaft krank sind und Hilfe brauchen. Manchmal treten Warnzeichen auf Manche Patienten berichten den Medizinern im Nachhinein, sie hätten zwar extreme Schmerzen gehabt, die aber nicht dem Herzen zugeordnet. Dr. med. Christa Bongarth, Ärztliche Direktorin der Klinik Höhenried: „Extrem häufig ist es so, dass sich aber der Herzinfarkt nicht ankündigt, sondern einfach kommt, wie mit dem Lichtschalter angeknipst. Denn der Einriss ist plötzlich da und in dem Moment reagiert der Körper.“ Dr. med. Christa Bongarth, Ärztliche Direktorin der Klinik Höhenried Angina Pectoris Ernst nehmen sollte man auch Beschwerden bei körperlicher Belastung, wie z.B. Luftnot oder plötzlich nachlassende Leistungsfähigkeit. Das sind zwar nicht zwangsläufig Anzeichen eines drohenden Herzinfarktes, aber sie können darauf deuten, dass mit dem Herzen etwas nicht in Ordnung ist. Ein Hinweis kann z.B. auch sein, dass man beim Wandern plötzlich keine Luft mehr bekommt, was davor nie der Fall war, oder einen leichten Druck auf der Brust verspürt, der wieder nachlässt, wenn man sich ausruht. Akutbehandlung beim Herzinfarkt: Warum man keine Zeit verlieren soll Bei einem Herzinfarkt ist der Patient weniger dadurch gefährdet, dass das Herzkranzgefäß zugegangen ist. Primär stirbt man, weil in der Folge bestimmte Teile des Herzens nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden und das zu Herzrhythmusstörungen führen kann. Herzrhythmusstörungen Auf fehlenden Sauerstoff reagiert das Herzgewebe zuerst quasi beleidigt, das heißt, es bildet saure Abfallprodukte. Hält der Zustand an, dann sind im Laufe der Zeit der ganze Säure-Basen-Haushalt und das Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 4 Mineralstoffgleichgewicht gestört. Daraufhin entstehen Herzrhythmusstörungen, die machen den Herzinfarkt so gefährlich. Wird ein Patient bewusstlos, muss man ihn sofort wiederbeleben. Gefährliches Kammerflimmern Ist bei einem Patienten ein großes Herzkranzgefäß wie der Hauptstamm zugegangen, dann hat er nur sehr geringe Überlebenschancen, denn der fehlende Sauerstoff führt dazu, dass die elektrische Erregung des Herzens komplett durcheinander gerät. Er bekommt häufig sofort Herzrhythmusstörungen und stirbt möglicherweise. Rund ein Drittel aller Patienten mit einem Herzinfarkt sind davon betroffen, sie erreichen das Krankenhaus nicht mehr lebend. Zuerst Herzkatheter legen Erreicht ein Patient das Krankenhaus mit der Diagnose Herzinfarkt, dann wird er als Erstes sofort auf den Kathetertisch gebracht, wo Mediziner das verschlossene Herzkranzgefäß wieder öffnen. Früher hat man zuerst Medikamente gespritzt, die das Blutgerinnsel aufgelöst haben, heute öffnet man den Verschluss mit Hilfe eines Drahtes, eines Ballons und meist mit der Einpflanzung einer Gefäßstütze. Die Wiederherstellung des Blutflusses ist die effektivste Prophylaxe gegen Herzrhythmusstörungen. Schnell Gefäß öffnen Bei Patienten mit Herzinfarkt wird unter Durchleuchtungskontrolle ein Katheter gelegt, entweder geht man durch die Leiste zum Herzen oder durch den Arm, an der Stelle, an der man den Puls misst. Von dort aus schieben Mediziner einen Draht zum Herzen. Mit Hilfe eines Ballons, den man aufpumpen kann, kann der Blutfluss dann wieder hergestellt werden. Zusätzlich kann das Gefäß möglicherweise entweder durch eine Gefäßstütze (Steht) geöffnet werden oder es ist eine Bypass-Operation nötig. „Zeit ist Muskel“ Ist das verstopfte Gefäß eher kleiner und wird außerdem bereits in den ersten dreißig Minuten wieder geöffnet, kann sich das Herz in der Regel regenerieren. Die Chancen dafür sind bei kleineren Gefäßen und Seitenästen höher als bei größeren. Häufig kann sich das Herz auch noch erholen, wenn es innerhalb der ersten Stunden behandelt wird, dauert es länger, bleibt aber oft ein Schaden zurück. Behandlung: Therapie bei Herzinfarkt Alle Herzinfarktpatienten werden nach dem Öffnen des Herzgefäßes auf der Intensivstation mit Hilfe eines Monitors überwacht, um eine Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 5 Herzrhythmusstörung auszuschließen, auch wenn sie keine Schmerzen mehr haben. Denn vor allem in den ersten 48 Stunden ist die Gefahr für Rhythmusstörungen sehr hoch. Je länger der Infarkt zurück liegt, desto geringer ist die Gefahr einer Herzrhythmusstörung. Regeneration Nach einem Herzinfarkt brauchen alle Patienten Medikamente, die das Herz dabei unterstützen, sich wieder komplett zu regenerieren. Auch wenn der Blutdruck normal ist, müssen sie diese Medikamente nehmen. Die Vorstellung dahinter ist, dass sich das Herz wieder erholen kann, man spricht von „re-modelling“. Eingeschränkte Herzleistung Ist bei einem Herzinfarkt ein großes Gefäß betroffen, dann kann anschließend die Pumpkraft des Herzens eventuell so eingeschränkt sein, dass dauerhaft eine Leistungsminderung verbleibt. Dies macht die lebenslange und engmaschige Therapie der Herzschwäche nötig. Folgen des Herzinfarktes Viele Patienten denken nach ihrem Krankenhausaufenthalt, jetzt sei alles wieder in Ordnung, sie seien gesund. Die chronische Erkrankung des Herzens bleibt jedoch bestehen, die Patienten sind ihr Leben lang auf Medikamente angewiesen, die Blutgerinnsel verhindern. Und um einem erneuten Herzinfarkt vorzubeugen, müssen sie die Risikofaktoren meiden. Anschlussheilbehandlung In der Reha haben Patienten drei Wochen lang die Möglichkeit, sehr viele Informationen über die Krankheit zu bekommen. Auch werden sie angeleitet, ihren Lebensstil (z.B. Rauchen aufhören) zu ändern, das ist alleine häufig schwierig. Das Programm in der Reha für Herzinfarktpatienten umfasst unter anderem Sport und Bewegung, Ernährungsberatung und psychologische Beratung. Ein ganzes Team unterstützt den Patienten, wieder in seinen Alltag und Beruf zurückkehren zu können. Lebenslange Nachsorge Nach der Reha sollten Patienten sich eine Herzsportgruppe in ihrer Nähe suchen, der Hausarzt gibt Auskunft über die Herzgruppe in der Nähe des Wohnortes und Krankenkassen übernehmen in der Regel die Teilnahmekosten. Das Besondere solcher Gruppen ist, dass das Training unter ärztlicher Aufsicht erfolgt, ein- bis zweimal in der Woche rund 60 bis 90 Minuten lang. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 6 Sport auf Rezept Wer vorbeugend etwas für sich und gegen einen möglichen Herzinfarkt tun möchte, kann die Risikofaktoren meiden und sich einer Präventionsgruppe für Herzinfarkt-Gefährdete anschließen. Besucht man die regelmäßig, ersetzen manche Krankenkassen die Teilnahmegebühren. Herzsportgruppen Mit Herz aktiv - Bewegung und Sport für Herzpatienten Fast allen Herzkreislauf-Patienten wird vom Arzt Bewegung und Ausdauersport empfohlen, um wieder gesund zu werden und einem Rückfall vorzubeugen. Besonders gut eignen sich dafür sogenannte Herzgruppen, in denen die Patienten entsprechend der eigenen Belastbarkeit und unter ärztlicher Aufsicht gezielt ein besonderes Training absolvieren. In diesen Gruppen findet Bewegung und Sport ein- bis zweimal pro Woche statt, jeweils rund 90 Minuten lang. Ergänzt wird das Bewegungsangebot einer Herzgruppe oft durch Gespräche oder Vorträge zu einem herzgesunden Lebensstil. Inhalte der Herzgruppe Es geht um Koordination und Kräftigung und zu einem großen Teil um Ausdauer, die die Teilnehmer zum Beispiel an speziellen Rädern oder in der Turnhalle trainieren. Außerdem umfasst das Angebot, je nach Belastbarkeit der Teilnehmer auch gymnastische Übungen sowie Elemente zur Körperwahrnehmung und Entspannung. Wichtig: Keiner soll irgendwelche Höchstleistungen erbringen, sondern lernen, sich selbst einzuschätzen und die eigenen Grenzen zu erkennen. Für welche Patienten geeignet? Die meisten Teilnehmer einer Herzgruppe sind Patienten mit Herzkranzgefäßerkrankungen: Sie hatten zum Beispiel einen Herzinfarkt und einen Stent (Gefäßstütze), mit dessen Hilfe ein Herzkranzgefäß aufgedehnt wurde oder sie haben eine Bypassoperation (Überbrückung eines krankhaft veränderten Abschnittes der Blutgefäße) hinter sich. Herzgruppen eignen sich auch für Patienten mit Herzmuskelproblemen (zum Beispiel Herzinsuffizienz) und für Patienten mit Herzklappenerkrankungen und -fehlern. Außerdem sind die Gruppen offen für Menschen, die einen Herzschrittmacher oder eine Herztransplantation bekommen haben. Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 7 Vor dem Training - Ärztliche Untersuchung Damit sowohl die Patienten der ambulanten Herzgruppe als auch deren Übungsleiter wissen, wie viel sich jeder zumuten kann und soll, müssen alle Teilnehmer vor Beginn ein Belastungs-EKG machen. Dabei legt der Kardiologe fest, wie stark ein Patient belastet werden darf. Folgende Symptome müssen vermieden werden: • Beschwerden im Rahmen von Angina pectoris (Enge-Gefühl in der Brust), • Atemnot, • objektive Zeichen einer Sauerstoffnot des Herzens, die am EKG erkennbar sind. Treten solche Symptome auf, muss der Patient ärztlich behandelt werden und darf bis zur definitiven Abklärung nicht trainieren. Trainingsbelastung ermitteln Mit den Daten, die der Kardiologe beim Belastungs-EKG erhält, errechnet er die individuelle Trainings-Herzfrequenz, also die optimale Pulsfrequenz, mit der ein Teilnehmer trainiert. Wer weniger belastbar ist, kommt in eine Übungsgruppe (Belastbarkeit 0,5-1 Watt/kg Körpergewicht). Patienten mit größerer Belastbarkeit werden Teilnehmer einer Trainingsgruppe (Belastbarkeit >1 Watt/kg Körpergewicht). Wichtig: Um die eigene Belastung beim Sport zu überprüfen, ist es vor allem am Anfang sinnvoll, eine Pulsuhr zu tragen. Darüber hinaus misst der Übungsleiter auch immer wieder zusammen mit den Teilnehmern den Puls. Gründe, warum Herzsport sinnvoll ist Viele Patienten mit einer Herzkreislauf-Erkrankung erhalten nach der Behandlung im Akut-Krankenhaus eine Anschlussheilbehandlung in einer kardiologischen Reha-Klinik für etwa drei Wochen. Dort lernen sie, Ihre körperliche Belastungsfähigkeit einzuschätzen, üben sportliche Belastungen ein, erfahren Grundsätzliches über ihre Risikofaktoren und die Erkrankung und werden medikamentös eingestellt, d.h. bekommen die richtigen Medikamente in der für sie passenden Dosierung. Doch im Alltag schwächt sich der günstige Effekt der Rehabilitation oft schnell ab - genau da setzt die Herzgruppe an. Sekundärprävention tut Not Weil viele Patienten mit einer Herz-Kreislauf-Erkrankung nach dem Aufenthalt in der Reha-Klinik bald ihren gewohnten Lebensstil wieder aufnehmen, der zur Herzerkrankung geführt hat (z.B. rauchen, ungesunde Ernährung), sind sie denselben Risikofaktoren ausgesetzt wie zuvor. Wenn sie sich aber nach der Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 8 Reha-Klinik gleich einer Herzgruppe anschließen, sind sie körperlich aktiv und kommen mindestens einmal pro Woche zusammen, um zu üben, über ihre Probleme zu sprechen und gesundheitsbildende Informationen zu erhalten. Dadurch fällt es ihnen leichter, das beizubehalten, was sie in der Reha-Klinik gelernt haben. Kompetenz verbessern • Teilnehmer einer Herzgruppe wissen besser über ihre Risikofaktoren Bescheid. • Herzgruppenteilnehmer verbessern ihre körperliche Leistungsfähigkeit und entwickeln ein Gespür dafür, wo ihre körperlichen Möglichkeiten und Grenzen liegen. • Die Herzgruppe schafft Möglichkeiten, sich Wissen um herzgesunde Verhaltensweisen anzueignen und wie diese zur persönlichen Gewohnheit werden können. • Insgesamt erreichen Teilnehmer einer Herzgruppe eine höhere Lebensqualität, denn sie lernen Schritt für Schritt ihre persönlichen Möglichkeiten kennen, auch mit Herzerkrankung ihr Leben aktiv und genussvoll zu gestalten. Und: Auch schon die Teilnahme an der Herzgruppe selbst macht Freude! Fazit: Herzgruppe – eine große Chance für Herzpatienten! Die Psyche - Angst vor erneuter Belastung Viele Patienten haben nach einer Herzerkrankung Angst vor Belastung, denn die dramatische Erfahrung einer lebensbedrohlichen Krankheit führt zu einer existenziellen Verunsicherung. Deswegen nehmen auch eine ganze Reihe von Patienten in der Reha-Klinik die Hilfe eines Psychologen in Anspruch, der ihnen helfen soll, wieder optimistischer in die Zukunft zu schauen. Wieder optimistischer werden Viele Teilnehmer von Herzgruppen berichten, dass ihnen geholfen hat, zu erleben, dass sie nicht allein mit ihren Problemen sind. Nach der Rehabilitation gaben viele an, sie fühlten sich wohl, seien relativ gut belastbar und hätten ihre Angst in den Griff bekommen. Übungsbeispiel 1: Die Tanzreise Bei der sogenannten Tanzreise gehen die Teilnehmer einer Übungsgruppe als Erstes zu Musik durch die Halle, jeder in seinem eigenen Tempo. Dann stoppt die Musik und die Übungsleiterin nennt das erreichte Reiseziel ... zum Beispiel Schuhplattln in Bayern. Zur entsprechenden Musik deutet die Übungsleiterin die dazu gehörenden Bewegungen an: Sie hebt abwechselnd das rechte und linke Knie, die Fersen und die Arme. Jeder kann wählen, ob er sich schneller oder langsamer bewegt und wie sein eigener Schuhplattler aussehen soll. Die Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 9 Übung dauert eine Minute, dann stoppt die Musik und es geht weiter in das nächste Land. Insgesamt durchquert die Gruppe sieben bis acht Länder und "tanzt" zum Beispiel zu Samba, Cancan und Bauchtanz. Die ganze Tanzreise dauert etwa zwanzig Minuten. Ziel der Übung Die Teilnehmer sollen sich ausdauerorientiert belasten und gleichzeitig auch spüren lernen, wann sie Pause machen müssen. Ganzheitliches Training Bewegungsübungen wie die Tanzreise sind für Herzpatienten sinnvoll, weil dabei die Koordination von Armen und Beinen geübt wird. Die Patienten lernen, sich gemäß ihrer individuellen Möglichkeiten auf einen Rhythmus einzulassen und gleichzeitig die Ausdauer zu trainieren. Insgesamt werden dadurch positive Effekte auf das Herz-Kreislaufsystem erzielt und damit auch das körperliche Wohlbefinden gesteigert. In anderen Übungen lernen die Teilnehmer einer Herzgruppe aber auch, mit Stress besser umzugehen. Außerdem werden in kleineren Gesprächskreisen regelmäßig herzrelevante Themen behandelt, wie zum Beispiel die Problematik von Genussmitteln wie Nikotin. Übungsbeispiel 2: Nordic Walking Beim Nordic Walking müssen die Patienten als Erstes die Stöcke einstellen: Die Arme sollen leicht angewinkelt sein, die Faust also etwas unterhalb des Bauchnabels. Die Übungsleiterin achtet dann unter anderem darauf, dass die Patienten sich bei jedem Schritt auch mit Hilfe der Arme aktiv ein Stück weit nach vorne schieben. Dann geht jeder in seinem Tempo los. Die Übungsleiterin begleitet die Gruppe und korrigiert, wo es nötig ist. Die Übung dauert 15 bis 20 Minuten. Ziel der Übung Während der Walking-Einheit sollte jeder Patient nach und nach seine persönliche Trainings-Herzfrequenz halten können. Fakten - Wie man eine Herzsportgruppe findet Herzgruppen gibt es oft in Sportvereinen, aber auch z.B. in Volkshochschulen oder in manchen Betrieben. Es gibt sie nicht nur in Städten, sondern auch in vielen kleineren Orten. Nähere Infos: Hier finden Sie Ihre Herzgruppe am Wohnort und weitere Informationen rund um Herzgruppen: www.herz-lag-bayern.de Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. 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Dr. Christa Bongarth beschäftigt sich seit Jahren mit den Unterschieden zwischen Männern und Frauen bei Herzinfarkt. Vor mehr als zehn Jahren starteten an der Klinik Höhenried Studien zu diesem Thema. "Frauen sind kränker, multimorbider als die Männer, haben noch andere Erkrankungen. Dann leiden sie auch noch häufiger unter Ängsten und depressiven Verstimmungen. Was man auch sieht ist, dass sie deutlich unsicherer und weniger selbstbewusst sind. Sie haben viel mehr Unterstützungsbedarf." Dr. med. Christa Bongarth, Kardiologin, Klinik Höhenried Herzinfarkt: spezielle Rehabilitation bei Frauen Das Ergebnis der jahrelangen Forschung ist inzwischen in der Regelversorgung angekommen: ein spezielles Rehaprogramm für Frauen nach einem Herzinfarkt. Eine wichtige Säule ist auf Frauen abgestimmter Herzsport. Denn der kann helfen, weitere Infarkte zu verhindern. Tina Schick ist Sporttherapeutin und betreut die Patientinnen während ihres drei- bis vierwöchigen Aufenthaltes. "Wir können frauenspezifische Themen aufgreifen, zum Beispiel Beckenbodengymnastik. Sie sind auch vielleicht gehemmter, wenn sie in einer gemischten Gruppe wären. Sie haben auch Themen, die Frauen mehr betreffen und wir machen in der Bewegungstherapie mehr Gymnastik." Tina Schick, Sporttherapeutin, Klinik Höhenried Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 11 Herzinfarkt-Reha für Frauen: Ängste ansprechen Die zweite wichtige Säule ist die Psychotherapie. Studien haben gezeigt, dass Frauen häufiger unter Angst und Depressionssymptomen nach einem Herzinfarkt leiden als Männer. Hier können sie sich öffnen. Es gibt viel Raum für Gruppen- und bei Bedarf auch für Einzelsitzungen. "Frauen sind häufiger weniger selbstbewusst und trauen sich auch manchmal gar nicht, ihre seelischen Nöte anzusprechen. Sie meinen immer, sie müssten funktionieren, an jeder Stelle und sie haben da doch eine bessere Möglichkeit, sich zu öffnen und sich auszutauschen." Dr. med. Christa Bongarth, Kardiologin, Klinik Höhenried Herzinfarkt-Reha für Frauen: Ernährungsberatung Die dritte Säule ist die Ernährungsberatung. Frauen nehmen in den Wechseljahren nicht selten zu. Und gerade Übergewicht birgt auch für Frauen ein nicht unerhebliches Risiko einen Infarkt zu erleiden. Die richtige Ernährung ist ein Muss. "Die Frauen achten häufig besser auf ihre Ernährung, als die Männer das tun. Nichtsdestotrotz haben sie die ernährungsspezifischen Probleme, zum Beispiel in der Menopause, dass dann das Gewicht aus dem Ruder läuft. Dazu kommen Situationen wie Stressessen, Frustessen. Dadurch dass Frauen kochen, wird auch häufiger in der Küche probiert. Das sind Dinge, die man erlernen kann, wie man mit Ernährungsfragen umgeht." Dr. med. Christa Bongarth, Kardiologin, Klinik Höhenried Herzinfarktprävention: Neues Outdoor-Programm Walk 5 Walken oder Joggen, das machen die Teilnehmer der Herzsportgruppen in Bayern schon regelmäßig in der Halle. Organisiert werden diese Herzsportgruppen von der Herz-LAG-Bayern, der Landes-Arbeitsgemeinschaft für kardiologische Prävention und Rehabilitation in Bayern e.V.. Bald gibt es ein zusätzliches Angebot: In diesen Wochen startet das neue Outdoor-Programm namens Walk 5, erdacht von Übungsleiter Christian Koch der Herz-LAG Bayern. "Walk 5 soll die Teilnehmer dazu führen, dass sie innerhalb von fünf Wochen fünf Kilometer gehen oder walken können, mit oder ohne Stöcke. Das Angebot ist für Menschen, die schon an einer Herzerkrankung leiden und Herzgruppenteilnehmer sind. Das Angebot gilt aber auch für Patienten, die wieder in Bewegung kommen möchten im Sinne eines Präventionsprogrammes und diese fünf Kilometer bislang nicht bewältigen konnten." Dr. med. Christa Bongarth, Kardiologin, Klinik Höhenried Dieses Manuskript wird ohne Endkorrektur versandt und darf nur zum privaten Gebrauch verwendet werden. Jede andere Verwendung oder Veröffentlichung ist nur in Absprache mit dem Bayerischen Rundfunk möglich! © Bayerischer Rundfunk 2017 Bayern 2-Hörerservice Bayerischer Rundfunk, 80300 München; Service-Nr.: 0800 / 5900 222 Fax: 089/5900-46258 [email protected]; www.bayern2.de Seite 12