Institut für Theoretische Physik Prof. Dr. M. Vojta Dr. R. Schumann Elektrodynamik Wintersemester 2014/15 3. Übung Woche vom 03.11.2014 bis 09.11.2014 Aufgabe 6 Rechenregeln für die δ-Funktion Die „δ–Funktion” ordnet jeder beliebigen (mit gewissen Einschränkungen) Funktion f (x) eines reellen Arguments x den Funktionswert f (0) an der Stelle x = 0 zu (’Distribution’ in mathematischer Terminologie). Nützlich ist die Schreibweise Z ∞ dxf (x)δ(x) = f (0) , −∞ wobei man sich δ(x) zunächst näherungsweise als eine bei x = 0 konzentrierte Verteilungsfunktion, z.B. x2 1 ε sin2 xε δε (x) = √ e− ε2 , δε (x) = , πε π x2 ( 1 ε (|x| < ε) und δε (x) = 2 0 (|x| > ε) δε (x) = ε 1 , 2 π ε + x2 δε (x) = 1 sin xε π x 1 vorstellen kann. Alle diese Funktionen R ∞nehmen im Limes ε → 0 bei x = 0 Werte ∝ ε ≫1 1 an, und verschwinden für |x| = 6 0, wobei −∞ δε (x)dx = 1 gilt (unabhängig von ε). Für ε = 10 sind die ersten vier dieser Funktionen nachfolgend dargestellt. -2 6 6 6 6 4 4 4 4 2 2 2 2 1 -1 -2 2 -2 1 -1 -2 2 -2 1 -1 2 -2 -2 1 -1 2 -2 R∞ Das ’Ausschneiden’ des Funktionswerts f (x) −→ f (0) erfolgt im Limes limε→0 −∞ f (x)δε (x)dx = f (0). Der Limes kann nicht ohne weiteres mit der Integration vertauscht werden, weil eben limε→0 δε (x) =: δ(x) keine wohldefinierte Funktion ist. Trotzdem schreibt man z.B. oft Z ℓ Z ∞ 1 sin xε 1 sin ℓx 1 1 ikx δ(x) = lim = lim = lim dk e = dk eikx , ε→0 π x ℓ→∞ π ℓ→∞ 2π −ℓ x 2π −∞ woraus man entnimmt, daß die Fouriertransformierte der δ–Funktion die Konstante √12π ist. Natürlich ist das Integral auf der rechten Seite wieder als Distribution, nicht R ∞als Funktion von x zu verstehen, d.h. der Limes ℓ → ∞ ist wieder erst nach der Integration −∞ dxδ(x)f (x) auszuführen. Der Vorfaktor der Fouriertransformation ist so gewählt, daß er bei Hin– und Rücktransformation derselbe ist: Z ∞ Z ∞ 1 1 ikx ˜ ˜ dk e f (k) ⇔ f (k) := √ dx e−ikx f (x) . f (x) = √ 2π −∞ 2π −∞ Beide hintereinander ausgeführt, Z ∞ Z ∞ Z ∞ Z ∞ 1 ′ ′ 1 ′ −ikx′ ikx 1 √ dx = dk eik(x−x ) f (x′ ) = f (x) , dk e √ dx e 2π −∞ 2π −∞ 2π −∞ −∞ {z } {z } | | =f˜(k) =δ(x−x′ ) ergeben wieder die Ausgangsfunktion f (x). Dies kann jedoch nicht als Beweis für die Möglichkeit der Fouriertransformation betrachtet werden, da die Vertauschung der Integrationsreihenfolge, die zur δ–Distribution führt, einer mathematischen Begründung bedarf. Man erkennt R ∞ auch, daß die Testfunktion f (x) nicht selbst eine δ–Fuktion sein darf, denn die Integrale −∞ δε2 (x)dx divergieren ∝ ε−1 . δ2 (x) ist demnach undefiniert, ebenso irgendwelche (nichttrivialen) Funktionen F (δ(x)) mit der δ–Funktion als Argument. Für wohldefinierte Testfunktionen f (x) können nützliche Rechenregeln durch Integration über x hergeleitet werden, als sei δ(x) eine gewöhnliche Funktion, die Variablensubstitution, partielle Integration usw. zuläßt. Gewinnen Sie so durch Integration über x: a) f (x)δ(x − x0 ) = f (x0 )δ(x − x0 ), speziell (x − x0 )δ(x − x0 ) = 0 b) δ(x) = δ(−x) c) δ(ax) = 1 |a| δ(x) für a 6= 0 d) δ(x2 − x20 ) = 2|x1 0 | [δ(x − x0 ) + δ(x + x0 )] für x0 6= 0 P 1 δ(x − xn ) falls f (x) nur endlich viele, einfache Nullstellen xn hat. e) δ(f (x)) = n |f ′ (x n )| f ) −xδ′ (x) = δ(x) 1 Rx ′ ′ g) −∞ dx δ(x ) = Θ(x) = 1/2 0 für x > 0 für x = 0 . für x < 0 Aufgabe 7 Greenfunktion des gedämpften harmonischen Oszillators Aus der Mechanik kennen Sie vielleicht die Greenfunktion G(t) als die ’Antwort’ des für t < 0 ruhenden Oszillators auf einen Kraftstoß bei t = 0, also formal als Lösung der inhomogenen DGL 2 d d 2 + 2γ + ω0 G(t) = δ(t). dt2 dt Die Kraft δ(t) wirkt nur während eines infinitesimalen Zeitintervalls − 2ǫ < t < +R 2ǫ um t = 0 und hat währenddessen die Größe 1ǫ , dies im Limes ǫ → 0. Der Kraftstoß ist δ(t)dt = 1 und bewirkt einen Sprung der Geschwindigkeit, dessen Größe sich durch Integration der DGL R + − + über ein kleines Zeitintervall um t = 0 ergibt: Ġ(0 ) − Ġ(0 ) = Ġ(0 ) = δ(t)dt = 1 (im Unterschied zur zeitlichen Ableitung Ġ wird sich G selbst bei t = 0 als stetig erweisen). a) Für t > 0 ist G(t) offenbar Lösung der homogenen Schwingungsgleichung 2 d d 2 + 2γ + ω0 G(t) = 0 mit G(0) = 0, Ġ(0) = 1 dt2 dt als Anfangsbedingung. Finden Sie diese Lösung mit Hilfe des Ansatzes G(t) ∝ eλt . Wie unterscheiden sich die Fälle γ 2 > ω02 und ω02 > γ 2 , sowie der Grenzfall ω02 = γ 2 ? b) Unter Verwendung der Greenfunktion läßt sich die Lösung der Schwingungsgleichung für eine beliebige Inhomogenität f (t) angeben, es ist (Begründung?) 2 Z ∞ d d 2 G(t − t′ )f (t′ )dt′ Lösung von x(t) = + ω + 2γ 0 x(t) = f (t). dt2 dt −∞ Die Antwort x(t) des Oszillators zur Zeit t hängt demnach von der Kraft f (t′ ) zu allen 2 früheren Zeiten t′ < t ab; das Verschwinden der Greenfunktion für negatives Argument ist Ausdruck des Kausalitätsprinzips. c) Berechnen Sie als Beispiel die Auslenkung x(t) des für t ≤ 0 ruhenden Oszillators im Fall ω02 < γ 2 aufgrund einer zeitlich linear anwachsenden Kraft f (t) = ct, c =const. d) Der für t ≤ 0 ruhende Oszillator sei für t > 0 der periodischen Kraft f = f0 sin ωt ausgesetzt. Berechnen Sie die Auslenkung im ungedämpften Fall γ = 0 für t > 0 sowohl mit Hilfe der Greenfunktion, als auch per Ansatz x(t) ∝ sin ωt+ Lösung der homogenen Schwingungsgleichung. Aufgabe 8 Greensche Funktion für die parabolische DGL Analog zur vorstehenden Aufgabe kann man auch für partielle lineare Differentialgleichungen Greensche Funktionen definieren. Als Beispiel betrachten wir die eindimensionale Wärmeleitungsgleichung ∂ ∂2 − λ 2 T (t, x) = 0 . ∂t ∂x Hierbei ist T (t, x) die Temperatur zur Zeit t am Ort x und λ die Temperaturleitfähigkeit. Eine zugehörige Greensche Funktion muß die Gleichung ∂2 ∂ − λ 2 G(t − t′ , x − x′ ) = δ(t − t′ ) δ(x − x′ ) ∂t ∂x erfüllen. Zeigen Sie, daß x2 G(t, x) := √ θ(t) exp − 4λt 4πλt 1 diese Gleichung löst. Beschreiben Sie, wie sich die Temperatur durch Wärmeleitung ändert, wenn zur Zeit t = 0 am Ort x = 0 punktuell eine Erhitzung vorliegt. Aufgabe 9 Linienladung Die Gesamtladung Q sei homogen über eine gerade Linie der Länge 2L verteilt. a) Geben Sie die Ladungsdichte ρ(~x) an und berechnen Sie das elektrostatische Potential dieser Ladungsverteilung. b) Betrachten Sie den Grenzübergang L → 0 bei konstanter Gesamtladung. c) Betrachten Sie den Grenzübergang L → ∞ bei konstanter Ladung pro Längeneinheit. Verschieben Sie hierzu den Potentialnullpunkt so, daß das Potential für große L endlich bleibt. 3