Adrenerge Rezeptoren – kristallklar! Faszinierende Figuren

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WISSENSCHAFT · AKTUELL
ÿ Adrenerge Rezeptoren – kristallklar!
ÿ Faszinierende Figuren: Bewegungsmuster von Listeria monocytogenes
ÿ Lernen: Ohne Orb2 hält’s nicht länger als neun Stunden – was uns Fliegenmutanten über das
Langzeitgedächtnis sagen
Zielmolekül in den Schlagzeilen
Adrenerge Rezeptoren – kristallklar!
ó Zur Abwechslung soll an dieser Stelle einmal nicht über einen Arzneistoff, sondern über
ein besonderes Zielmolekül von Pharmaka
berichtet werden. Zwei Jahrzehnte nach der
Klonierung des ersten G-Protein-gekoppelten
Rezeptors ist es nun internationalen Forschungsteams unter der Federführung von
Brian Kobilka (Stanford University, USA) gelungen, die Kristallstruktur von β2-adrenergen
Rezeptoren aufzuklären. Warum ist das so
bemerkenswert? Wegen der vier fast zeitgleichen Publikationen in Nature, Nature Methods
und Science (S. G. Rasmussen et al., Nature
450 (2007) 383–387, P. W. Day et al., Nat.
Methods 4 (2007) 927–929, V. Cherezov et al.,
Science 318 (2007) 1258–1265 und D. M.
Rosenbaum et al., Science 318 (2007) 1266–
1273)? Sicher – aber im Vordergrund stehen
die technische Meisterleistung und die Bedeutung für die Pharmakologie! Immerhin vermittelt etwa ein Viertel aller Arzneistoffe ihre
Wirkungen durch die Interaktion mit G-Proteingekoppelten Rezeptoren (GPCRs), von denen
es im menschlichen Genom annähernd tausend Varianten gibt. Das Spektrum der Liganden, die über GPCR Signale in das Zellinnere
übertragen, reicht vom kleinen Photon (Rho-
dopsin), über Neurotransmitter und Hormone
(z. B. Adrenalin–β2-Rezeptor) bis hin zu großen
Proteinen (z. B. Thrombin–Protease-aktivierte
Rezeptoren). Bislang war nur die Struktur des
Rhodopsin bekannt und die Frage, wie andere
Rezeptoren aussehen, war im Wesentlichen
Spekulation. Die technischen Details der vier
Publikationen lassen erahnen, weshalb es 20
Jahre von der Klonierung bis zum Kristall dauerte. Ein wesentlicher Grund ist die strukturelle Flexibilität dieser Rezeptoren. So gelang
die Kristallisierung nur in Gegenwart des inversen Agonisten Carazolol, der das Protein stabilisiert. Ein zweiter Grund liegt in den hydrophoben Oberflächen des Rezeptorproteins, das
normalerweise zu einem großen Teil in der Zellmembran eingebettet ist. Um eine Kristallisierung zu erreichen, wurden die Proteinenden
verkürzt und die flexible dritte intrazelluläre
Schleife wurde entweder durch Insertion des
T4-Lysozym-Proteins oder durch Bindung an
ein Antikörperfragment stabilisiert. Erstaunlich ist die Ähnlichkeit zwischen dem β2-Rezeptor und dem Rhodopsin: Sieben Transmembranhelices formen im Gegenuhrzeigersinn
eine extrazelluläre Bindungstasche für die
Liganden. Die Unterschiede liegen im Detail. Es
Abbildung modifiziert nach D. M. Rosenbaum
et al., Science 318 (2007)1266–1273.
mehren sich die strukturellen Hinweise, dass
diese Rezeptoren nicht nur bloße An-AusSchalter sind, sondern in mehreren Konformationen vorkommen. Wie funktioniert die
Rezeptoraktivierung? Dies wird eine der größten Herausforderungen für die Zukunft sein,
denn der Agonist destabilisiert das Rezeptorprotein, was die Kristallisierung (bisher) verhindert hat. So bleibt bis zum rationalen Arzneistoffdesign – basierend auf der Kristallstruktur – noch viel zu tun.
Lutz Hein, Freiburg ó
Mikroorganismus in den Schlagzeilen
Faszinierende Figuren: Bewegungsmuster von Listeria monocytogenes
ó Der fakultativ intrazelluläre Krankheitserreger Listeria monocytogenes besitzt die Fähigkeit, in Wirtszellen einzudringen, sich in diesen
zu vermehren, intrazellulär zu bewegen und
durch die Bildung von Protrusionen benachbarte Zellen zu infizieren. Die intrazelluläre Fort-
Listerien bewegen sich mit einem Aktinschweif.
Aufnahme M. Rohde, HZI, Braunschweig
bewegung erfolgt durch Polymerisation von
Wirtszell-Aktin, wodurch der charakteristische
Aktinschweif an einem Pol des Bakteriums entsteht. Für die Initiierung der Polymerisation des
intrazellulären Aktins ist das Oberflächenprotein ActA verantwortlich, welches an einem Pol
des Bakteriums lokalisiert ist. Durch Anfärben
des Aktinschweifs mit fluoreszenzgefärbtem
Phalloidin können viele geometrische Bewegungsfiguren in einem zellfreien System in Projektion beobachtet werden; so ließen sich
gewundene Kurven, Kreise mit unterschiedlichen Durchmessern, Spiralen oder Bewegungen, die der Zahl Acht ähneln, nachweisen. Ein
neues dynamisches mathematischen Modell,
welches erstmalig die vorwärtstreibende Kraft
des polymerisierenden Aktins mit Bezug auf
die Drehung des Bakteriums um seine Längsachse während der Bewegung berücksichtigt,
beschreibt die zuvor beobachteten Bewegungsmuster mathematisch (V. Shenoy et al.,
PNAS 104 (2007), 8229–8234).
Y Das neu entwickelte dynamische Modell der
Aktinbewegung wird es ermöglichen, die Frage
zu klären, ob die 2-D- und 3-D-Aktinschweifbewegung von Gram-positiven (Listerien) und
Gram-negativen (Shigellen, Rickettsien) intrazellulären Bakterien identisch oder unterschiedlich erfolgt.
Manfred Rohde, Braunschweig ó
BIOspektrum | 01.08 | 14. Jahrgang
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Gen in den Schlagzeilen
Lernen: Ohne Orb2 hält’s nicht länger als neun Stunden –
was uns Fliegenmutanten über das Langzeitgedächtnis sagen
ó Das Langzeitgedächtnis ist eine zentrale
Eigenschaft des Menschen. Aber auch „niedere“ Tiere müssen sich über längere Zeiten
an bestimmte Vorgänge erinnern können, um
besser überleben zu können.
Das Langzeitgedächtnis reflektiert also erfahrungsabhängige
morphologische und biochemische Veränderungen
in bestimmten Gehirnabschnitten. Bei Drosophila
– über Jahrzehnte einer
der wichtigsten Modellorganismen der Genetik – ist ein Teil des Lernens in
den Pilzkörpern (mushroom bodies) lokalisiert. Ein bekanntes Verhaltensmuster von
Schematic diagram of the Drosophila olfactory system.
Image by courtesy of Ron Davis Laboratory
(siehe auch: R. L. Davis, Neuron 30 (2001) 653–656).
BIOspektrum | 01.08 | 14. Jahrgang
Drosophila-Männchen ist ihr Balztanz; er wird
genetisch durch das Gen fruitless (Gensymbol: fru) programmiert. In den Lernexperimenten wird der Balztanz durch die Erfahrung mit unfruchtbaren Fliegen unterdrückt. Krystyna Keleman und ihre
Mitarbeiter in Wien (K.
Keleman et al., Nat. Neurosci. 10 (2007) 1587–1593) konnten
nun zeigen, dass Orb2-Mutanten in
Drosophila sich die vergeblichen
Paarungsbemühungen bis zu 6 h
gut merken konnten und den Kontakt mit
sterilen Weibchen vermeiden. Nach spätestens 9 h ist diese Erinnerung aber in den
Orb2-Mutanten verblasst; daran ändern auch
verlängerte Trainingseinheiten nichts – wohl
aber eine rechtzeitige Re-Aktivierung des
Orb2-Gens. Wildtyp-Fliegen können sich dage-
gen diese Erfahrung einen ganzen Tag lang
merken.
Y Orb2 kodiert für ein RNA-bindendes Protein
(oo18 RNA-binding) und gehört zur Familie der
CPEB-Proteine (cytoplasmic polyadenylation
element-binding proteins), die die mRNATranslation stimulieren. Orb2 wird in Drosophila u. a. in Neuronen der Pilzkörper exprimiert; den Orb2-Mutanten fehlte die N-terminale Glu-reiche Region. Aufgrund der essenziellen Beteiligung der N-terminalen Glu-reichen Region diskutieren die Autoren eine
Umschaltung in eine aktive, Prion-ähnliche
Konformation oder eine Wechselwirkung mit
Faktoren, die die Orb2-Aktivität als Antwort
auf synaptische Aktivitäten regulieren. Bei Säugern gibt es vier CPEB-Gene – wir dürfen
gespannt sein, wie die Story weitergeht.
Jochen Graw, Neuherberg ó
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