"MIT-BÜRGER- BETEILIGUNG AM GÜLIZAR BAHNHOF Br (oCrtp STUDIE ÜBER NOTWENDIGKEIT UND FUNKTION EINES TÜRKISCHEN KULTURZENTRUMS MIT GEBETSRAUM IN BERLIN - KREUZBERG SO 36 . Bearbeiter Ulrike Harnisch üzcan Ayanoglu Betreuer Yalgin Cetin Im Auftrag der Internationalen Bauausstellung Berlin Diese Studie ist in Zusammenarbeit mit der " Arbeitsgruppe Ausländer im Verein SO 36, Berlin-Kreuzberg, enstanden. Das Titelfoto ist von Kemal Kurt I - 1 - Inhalt: 1. Vorgeschichte 1„1 Ein türkisches Kulturzentrum mit Gebetsstätte wird gefordert 1.1.1 Die Fatih-Gemeinde 1.1.2 Bürgerversanrnlung in der Tabor-Gemeinde 1.1.3 Die "AG Ausländer^ entwirft ein Konzept für ein Kulturzentrum mit Gebetsstätte 1.1.4 Gespräch der "AG Ausländer''mit dem Religions¬ beauftragten 1.1.5 Gespräch mit dem Sprecher der Fatih-Gemeinde 1.1.6 . Gespräch der "AG Ausländer" mit Sprechern demo¬ kratischer Gruppen aus der Türkei 1.2 Wie die deutsche Öffentlichkeit nach einem türkischen Kulturzentrum reagierte 1.2.1 Die Bürgerversarrmlung "Görlitzer Park" im März 84 1.2.2 Die Sondersitzung des Stadtteilausschusses im Juli 1984 1.2.3 Pressereaktionen 2. Ist ein Kulturzentrum mit Gebetsraum für die Be¬ völkerung aus der Türkei im SO 36 notwendig? 2.1 Soziologische Begründung 2.1.1 Der Entstehungsprozeß der Einwandererkolonie in Kreuzberg 2.1.2 Sozialpsychologische.Überlegungen 2.1.3 Religionssoziologische Überlegungen - 2.2 2 - Begründung auf der Basis 2.2.1 Halkc* Devrimci Birligi (HDB) 2.2.1.1 Zusaimienf as sung des Interviews 2.2.2 Türk Merkezi (Türkenzentrum) 2.2.3 KQME<AR (Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der BRD e.V.) 2.2.4 Islam Federasyonu (Islamische Föderation) und Fatih Camii (FatihHtoschee) 2.2.5 Familie D. 2.2.6, Familie K. 3. Zusammenfassung der Gesprächsergebnisse 3.1 Zusammenfassende Thesen 3.2 Protokolle der Diskussion in der "AG Ausländer" 4. Zur Realisierung des Kulturzentrums 4.1 Überlegungen zum Nutzungs-, Träger- und Finanzierungsmodell 4.2 Der Entwurf von Berker 4.3 Andere Ansätze - Andere Standorte -Moschee in Wien / Islamisches Kulturzentrum Oslo “Projektgruppe Moritzplatz -Entwurf Kremser 1977 5. Das Fest auf dem Görlitzer Bahnhof: Abschließende Wertung der Initiative für ein türkisches Kulturzentrum mit Gebetsraum 3 1. Vorgeschichte Seit spätestens dem Herbst 1983 ist im Stadtteil SO 36 bekannt, daß ein Wettbewerb zur Gestaltung des Geländes Görlitzer Bahnhof stattfinden soll. Es gibt ein umfangreiches Symposion -veranstaltet vom Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz. Die Arbeitsgruppe Görlitzer Bahnhof trägt ihre Forderungen vor. Es geht darum, für das Bahnhofs¬ gelände einen Park zu fordern und alle anderen Nutzungen, die im Stadtteil gefordert werden, wie: Sportplätze, Kinderbauernhof und Verkehrskinder¬ garten zurückzuweisen. Eine Gruppe von sehr akti¬ ven deutschen Bürgern hat sich hier zusammengetan; sie empfinden sich als Sprecher der Stadtteilbe¬ wohner . Der Senator für Stadtentwicklung und Umweltschutz BERLIN Daß 40 % der Anwohner des Görlitzer Bahnhofs, nämlich die Bewohner aus der Türkei bei diesem Forderungskatalog der Bürger nicht mitsprechen, weil sie weder an der Arbeitsgruppe teilgenommen haben noch auch bei diesem Symposion sich zu Worte melden, wird mit etwas Unbehagen registriert. Ein deutsch-türkisch-kurdischer Nachbarschafts¬ verein meldet sich zu Wort und fordert Garten¬ land für Familien aus der Türkei, weist darauf hin, daß diese Form der Aneignung von öffent¬ lichem Land vielleicht ein für Familien aus agra¬ rischen Gebieten geeignetes Angebot wäre. Als Kohlkopfdenken und Schrebergarten-Ideologie wird dieses Ansinnen scharf zurückgewiesen. Dennoch bleibt ein schlechtes Gewissen bei der Arbeits¬ gruppe zurück; es ist nicht angenehm, daß die 40 % stumm bleiben. "Aber eigentlich haben sie ja selbst schuld, wenn sie sich nicht beteiligen. Sie könnten ja einfach kommen und sagen: Wir wollen auch einen Park, genau wie ihr, für unse¬ re Picknicks, wir wollen nichts anderes." Aus dem Protokoll des Symposions "Görlitzer Park" vom 22.10.83: — Ich spreche für den Nachbarschaftsverein Forsterstraße. Wir sind ein Verein von türkischen und deutschen Familien, die sich um die Verbesserung der Wohn- und Lebensbedingun¬ gen in ihrer Straße kümmern. Wir haben in unserem Verein auch über den Görlitzer Bahnhof diskutiert und haben folgenden Vorschlag, der ganz speziell von türkischen Familien kämmt. Sie haben ihr Interesse angemeldet, eine Gartennutzfläche zu haben auf diesem Gelände. Die Vor¬ stellung ist so, daß dieses Gartennutzgelände selbstän¬ dig verwaltet wird im Wechsel von etwa 20 Familien. 5 — Zum einen freue ich mich, daß überhaupt eine Dis¬ kussion stattgefunden hat und daß sich die türki¬ sche Bevölkerungsgruppe auch einmal zu Wort meldet, sie werden ja meistens doch vernachlässigt, zum anderen muß ich stark kritisieren, daß man den Görlitzer Bahnhof zu einem großen Schrebergarten umfunkionieren will. — Die leeren Höfe, die es hier rundherum gibt, sind noch lange nicht alle grün und da kann sich auch die Kürbismentalität ausbreiten. Es gibt da auch ein Programm, das recht mickerig ausgestattet ist, und es gibt auch noch Auseinandersetzungen, wie weit das wirksam werden kann. Dann eben wie gesagt, die Arbeitsgruppe ist da offen. Wir hatten auch irttner gedacht, eine Arbeitsgruppe, die nicht nur aus SPDoder AL- oder Vereinsleuten besteht, kann diese An¬ sprüche im Vorfeld schon sammeln. 1.1. Ein Kulturzentrum mit Gebetsraum wird ge¬ fordert Es zeigt sich dann in den folgenden Monaten je¬ doch, daß die Beteiligung der türkischen Bevöl¬ kerung an stadtteilpolitischen Entscheidungen sich nicht so einfach gestalten läßt wie man das gerne hätte. 1.1.1 Die Fatih-Gemeinde Auf dem Gelände des Görlitzer Bahnhofs befindet sich die Fatih-Moschee, ursprünglich ein Lager¬ schuppen, der im August 1981 von den Mitgliedern einer Moschee in der Skalitzerstraße 100 besetzt und zur Moschee erklärt worden war. 6 Die Anwesenheit den Fatih~Mosch.se und ihrer Ge¬ meinde auf dem Gelände wird seitdem von der öffent liehen Eigentümerin des Geländes Görlitzer Bahnhof der Verwaltung des ehemaligen Reichsbahnvermögens, geduldet. Foto: Ralph Rieth “Wir gehen hier nicht raus!“ 60.000 Mark und 1.700 Arbeitsstunden haben Angehörige der Islamischen Fö¬ deration in den vier Monaten in eine alte Kartoffellagerhalle auf dem ehemali¬ gen Görlitzer Güterbahnhof gesteckt. Mehr als 10.000 haben sich in dieser Zeit in der selbst gebauten Moschee zum Gebet niedergelassen. Statt in dunklen Hinterhäusern wollen sie auch in der Fremde unter menschwürdigen Bedingungen ihren Glauben praktizie¬ ren. Nur haben die Verhandlungen mit dem Eigentümer des Gebäudes, der Reichsbahn, bisher zu keiner vertragli¬ chen Regelung der Nutzung geführt. In diesem "Gewerbebereich" wäre kein Platz für eine Moschee, ließen die OstEisenbahner wissen. “Wir gehen hier nicht mehr raus“, erklärt Ali Melhikürencer, der die Gemeinde von der Not¬ wendigkeit einer Besetzung überzeugt hat “Nur wenn andere Mieter auch ge¬ hen müssen.“ Am Montag wollen die Türken mit dem Bau eines Minarettes beginnen, damit die ehemalige Lager¬ halle zu einer “richtigen“ Moschee wird. Am Dienstag werden sie mit dem Bau¬ stadtrat Orlowsky sprechen. Die Reichsbahn hat allerdings angekün¬ digt, daß sie die Meinung des Kreuzber¬ ger Stadtrates nicht sonderlich interes- - 7 - 1.1.2. Bürgerversammlung in der Taborgemeinde Im Jahr des Symposions, 1983, sind das nun schon immerhin zwei Jahre Duldung. Es zeigt sich auf der 1. Bürgerversammlung zum Thema Görlitzer Bahnhof am 8.2.84, die im Gemeindesaal der Ta¬ borgemeinde stattfindet, daß die Fatih-Gemeinde sich in dieser Zeit in ihrer Moschee festgesetzt hat, über einige 100 regelmäßige Besucher und Gemeindemitglieder verfügt und nun auch nicht mehr ohne weiteres bereit ist, von dem Gelände zu weichen. Die vorwiegend deutsche Bürgerver¬ sammlung votiert in Anwesenheit einiger MoscheeVertreter dafür, daß die Fatih-Moschee auf dem Gelände bleiben soll. -Moschee; Die Versammlung sprach sich für den Erhalt einer Moschee aus, auch einem Neubau stand man nicht ab¬ lehnend gegenüber, da im Gebiet schließlich 40% Türken leben. Der Gemeinderat der Fatih-Gemeinde gab zu bedenken, daß ihre Moschee eigentlich schon zu klein sei und sie nichts gegen neubauen hätten. Außerdem, so meinten sie, wäre es in Berlin kein Problem; alle Moslans unter ein Dach zu bekonmen, da die Streitigkeiten nur politischer und nicht reli¬ giöser Art seien. Frau Klette (AG-Görlitzer Bahnhof) stellte nochmal klar, daß die Moschee eigentlich ja besetzt ist. Ein anderer Teilnehmer meinte, daß eine Moschee in der Nähe von Wohnungen eine zu große Be¬ lästigung darstellen würde. Es wurde gewünscht, sich die Türken auch an der übrigen Planung des Bahn¬ hofs beteiligen. Der Vertreter der Fatih-Goneinde bot der Arbeitsgruppe einen Dolmetscher für eine Informa¬ tionsveranstaltung für türkische Mitbewohner an. (Aus dem Protokoll der Bürgerversammlung vom 8.2.84) 1.1.3 Die A.G.-Ausländer im Verein SO 36 entwirft ein Konzept für ein Kultur¬ zentrum mit Gebetsstätte An dieser Stelle nun wird die "Arbeitsgruppe Ausländer" im Verein SO 36 hellhörig. Diese Gruppe besteht aus circa 20 bis 30 Mitarbei¬ tern und Mitarbeiterinnen von Ausländerpro¬ jekten im Stadtteil SO 36, die als Mieterbe¬ rater (innen) , Gemeinwesenarbeiter(innen), Sozialberater(innen), Drogenberater(innenjvor¬ wiegend mit der ausländischen Bevölkerung aus der Türkei zu tun haben, außerdem aus Mitglie¬ dern der ansässigen ev. und kath. Kirchenge¬ meinden, die sich für die Situation ausländi¬ scher Familien besonders interessieren. Zwei Drittel der Mitglieder in der Arbeitsgruppe sind selbst aus der Türkei. Fast alle an der Arbeitsgruppe Beteiligten ha¬ ben langjährige Erfahrungen im Ausländerbereich, sowohl in der Sozialarbeit als auch der politi¬ schen Arbeit mit Vereinen und Initiativen, fast alle haben eine akademische Ausbildung (Soziolo¬ gie, Sozialpädagogik, Jura, Ökonomie, etc.) und gehören fortschrittlichen Gruppen an, die sich gegen konservative Traditionen wenden. Der öffentliche Erfolg der Vertreter der FatihGemeinde auf der Bürgerversammlung macht für die Arbeitsgruppe folgende Punkte deutlich: - Hier gibt es vielleicht zum ersten Mal eine Initiative aus dem Kreis der türkischen Minder heit, die wirklich von türkischen Arbeiterfa¬ milien getragen wird und die Kraft genug be¬ sitzt, sich mit der deutschen Öffentlichkeit auseinanderzusetzen; 9 ~ hier wird zum ersten Mal laut ein Interesse im Stadtteil angemeldet/ die seit Jahren vermißte stadtteilpolitische Beteiligung der türkischen Minderheit bei der Planung des G örlitzer Bahnhofs findet wirklich statt; - eine Vertreibung der Fatih-Gemeinde vom Ge¬ lände wäre als minderheitenfeindlicher Akt zu verstehen und könnte auf keinen Fall ge¬ duldet werden, auch nicht von seiten der’Ar¬ beitsgruppe Ausländer; - bei der Fatih-Gemeinde handelt es sich um eine religiöse rechte Gruppierung, die kei¬ nesfalls als alleinige Interessenvertretung der türkischen Bevölkerung in Kreuzberg 36 zu akzeptieren ist. Vermutlich steht diese Gruppe als Mitglied der Islamischen Föderation im Zusammenhang mit dem Mord an dem fortschrittlichen Lehrer Celalettin Kesin im Jahre 1980, ebenso mit der fanatischen Kopftuchaktion in Kreuzberger Grundschulen im Jahre 1980, bei der deutsche Lehrer(innen) mit Drohungen unter Druck gesetzt wurden. Nachspiel zur Ermordung Celattin Kesim 12 islamische Türken «fW freigesprochen Anderthalb Jahre nach dem blutigen Angriff rechtsgerichteter, isla¬ mischer Türken auf Mitglieder des demokratischen, türkischen Ar¬ beitervereins am Kottbusser Tor, bei dem der Gewerkschaftsfunk¬ tionär Celattin Kesim ermordet wurde, sind jetzt 12 derangeklagten Türken freigesprochen worden. 10 MITTEILUNG.! Unsere Töchter und Söhne,die hier zur Schule gehen,werden von Lehrern und von Schulleitern beeinflußt und erpresst. Wegen unseren konfessionellen Gründen müssen unsere Töchter sich in islamischer Kleidung bekleiden.Aber das verstehen die Lehrer und die Schulleiter nicht,oder sie wollen es absichtlich nicht verstehen.Sie erpressen unsere Töchter und beleidigen sie.Die Anti-Islamischen Lehrer wollen nicht,daß die islamischen Kinder in islamischer Klei¬ dung sind.Die Lehrer und die Schulleiter sind generell gegen den Koran - Kursus und sie sind sehr chaotisch für die Muslimen,die in Berlin leben.Das letzte Muster dafür,war die Broschüre von dem Hier ist der PlatzJcommt und beweist uns eure Meinungen.Hört endlich auf uns zu beleidigen und uns zu verdächtigen^onst wird eine wahnsinnige Spur in eurem Gesicht verbleiben,die ihr in Zu¬ kunft nie wieder entfernen könnt. Für die Arbeitsgruppe Ausländer, ganz besonders für die türkischen und kurdischen Mitglieder, die sich als eine Art Sprecher des fortschritt¬ lichen Teils der türkischen Bevölkerung verstehen, ist klar, daß das Gewicht der Fatih-Gemeinde in der derzeitigen Diskussion über das Bahnhofsge¬ lände zurückgedrängt werden muß, und daß For¬ derungen gestellt werden müssen, die über die engen Interessen der Fatih-Gemeinde hinausgehen, daß auf keinen Fall eine Sprecherrolle der FatihGemeinde hingenommen werden kann, daß ein eige¬ nes Konzept für die Nutzung des Görlitzer■Bahn¬ hofs und für die Berücksichtigung der Interessen der türkischen Bewohnerschaft vorzulegen ist. 1) Abbildung entnommen aus: H.-G. Kleff, Vom Bauern zum Industriearbeiter, Ingelheim 1984, S. 263 11 Aus dieser Diskussion entsteht das Konzept "Kulturzentrum mit Gebetsraum" der "Arbeits¬ gruppe Ausländer", das in letzter Minute, im Juni 1984 noch in die Wettbewerbsunterlagen beim Senator für Stadtentwicklung und Umwelt¬ schutz mitaufgenommen wurde, obwohl zu jenem Zsitpunkt schon entschieden war oder zumindest schien, daß eine Realisierung auf dem Gelände des Görlitzer Bahnhofs ausgeschlossen sei. Der Weg zu diesem Konzept führt über harte Auseinandersetzungen innerhalb der "Arbeits¬ gruppe Ausländer" und mit Sprechern anderer Gruppen, mit türkischen Arbeiterorganisationen einerseits und mit islamischen Gruppen anderer¬ seits . Der schwierige Punkt ist die Rolle des reli¬ giösen Bereichs im Kulturzentr-um. Die säkulare Tradition der meisten Arbeitsgruppen-Mitglieder wie auch der in die Diskussion einbezogenen Ar¬ beiter-Organisationen läßt es eigentlich nicht zu, daß man sich für eine Gebetsstätte einsetzt. Andererseits wird von den meisten Beteiligten er¬ kannt, daß die Einbeziehung der Religion für einen erheblichen Teil der türkischen Minderheit eine wesentliche Rolle spielt, daß der Konflikt um die Fatih-Moschee auf dem Gelände des Görlitzer Bahnhofs aktuell der Anlaß ist, Forderungen für die Minderheit zu stellen, und daß es darum geht, gleiche Rechte für die Minderheit durchzusetzen, darunter auch das Recht auf Religionsausübung, wozu auch ein angemessener, öffentlich gekenn¬ zeichneter Raum und Ort gehört. 12 1.1.4 Gespräch mit dem Religionsbeauftragten Ende Februar 1984 findet ein Gespräch mit dem Religionsbeauftragten der islamischen Union statt, der von der "Arbeitsgruppe Ausländer" dazu eingeladen wird. Die islamische Union ist die vom türkischen Staat eingesetzte Vertretung der islamischen Religion in Deutschland. Der Religionsbeauftragte, der gleichzeitig höchster Prediger der islamischen Union ist, ist Beam¬ ter des türkischen Konsulats. Laut Aussage des damaligen Religionsbeauftragten verfügt die islamische Union in Berlin über sechs Moscheen, darunter aber keine in Kreuzberg. Dem Konzept eines Kulturzentrums mit Gebets¬ raum gegenüber ist der Religionsbeauftragte aufgeschlossen, ist auch anscheinend bereit, mit Gruppen der Fatih-Gemeinde zusammenzuar¬ beiten. Geld für einen Moscheebau sei über die türki¬ sche Regierung durchaus zu beschaffen. Alles klingt in diesem Gespräch recht einfach. Nur die bekannte Tatsache, daß die staatskontrol¬ lierte islamische Union und die theokratische islamische Förderation, der die Fatih-Gemeinde zugehört, sich seit Jahren bekämpfen, wird nicht erwähnt. 1.1.5 Gespräch mit einem Sprecher der FatihGemeinde Daß es hier alte Feindschaften zwischen den Gruppen gibt, macht ein Gespräch mit einem Vertreter der Fatih-Gemeinde im April 1984 deutlicher. Herr Y. stellt die Fatih-Gemein¬ de als eine islamische Selbsthilfegruppe von türkischen Arbeitern dar, die sowohl von der deutschen Seite wie auch von der eigenen Re¬ gierung im Stich gelassen wird und deshalb ge¬ zwungen ist, sich auf die eigene Kraft zu be¬ sinnen. Die vom türkischen Staat eingesetzte Religions¬ vertretung lehnt er als Vertreter dieser Arbeitnehmer-Selbsthilfegruppe ab. Die Selbstdarstellung als demokratischer Arbei¬ terverein weicht stark ab von dem Bild, das man bis dahin von der Fatih-Gemeinde hatte, zeigt aber, daß die Gemeinde auf das Angebot der tür¬ kisch-deutschen Stadtteilgruppe "Arbeitsgruppe Ausländer" eingehen will. Das Interesse der Fatih-Gemeinde, die Moschee zu erhalten oder besser noch eine größere am sel¬ ben Standort zu bauen, ist stark. Die Möglichkeit, im Bündnis mit den in der deutschen Öffentlich¬ keit anerkannten deutsch-türkischen Stadtteil¬ initiativen gemeinsam einem solchen Ziel näher zu kommen, scheint von der Fatih-Gemeinde posi¬ tiv eingeschätzt zu v/erden. Der Vertreter akzep¬ tiert sogar ein Konzept, in dem weltliche Berei¬ che einbezogen sind und stellt sich sogar posi¬ tiv zu der Einbeziehung schiitischer (alevitischer) Gläubiger, die nach Meinung der "Arbeits¬ gruppe Ausländer" bei der Planung eines Kultur¬ zentrums gleichberechtigt mitbedacht werden müssen. 1 4 AG-Ausländer Protckoll: Gespräch mit der Fatih-Moschee am 12.4.84 Anwesend. : Y., (Fatih-Moschee), G., A., Ö., U. 1. Vorgeschichte und jetziger Stand der Fatih-Moschee; Y. äußert Befremden über den unterschiedlichen Ver¬ lauf der Versanmluncen zum Thema Görlitzer Bahnhof. Wahrend die Bürgerversammlung in der Taborgemeinde sich für die Erhaltung der Fatih-Moschee aussprach, faßte die Mitgliederversammlung des Vereins SO 36 keinen Entschluß zu diesem Punkt; in der 2. Bürgerversammlung zum Görlitzer Bahnhof sprachen sich verschiedene Teilnehmer für ein Kulturzentrum mit Moschee aus. Y. fragt, wie es dazu kam. Wir erklären die unterschiedlichen Stellungnahmen. Y. erzählt die Vorgeschichte der Fatih-Moschee s Die Moschee wurde 1981 besetzt. Ein amerikanischer Vertreter der Alliierten habe sich damals für eine Baugenehmigung für ein Minarett ausgesprochen. Die Gemeinde habe die Auflage erhalten, das Minarett innerhalb von 3 Monaten zu bauen. Dies sei nicht gelungen. Nach der Frist sei die Baugenehmigung zu¬ rückgezogen worden. Nach wie vor suche die Gemeinde nach einem Standort für eine richtige Moschee; die jetzige Fatih-Moschee sei ja nur ein Schuppen. Ge¬ fordert werde ein Standort in Kreuzberg. Der Moschee¬ verein habe ca. 200 eingetragene Mitglieder. Nach der Besetzuna habe die Gemeinde das Lagerge¬ bäude zunächst gemietet; später für 32.000,-- EM gekauft. Sie habe einen Pachtvertrag mit der VDR und zahle eine Pacht von 460,— EM monatlich für das Gelände. Y. fragt nach einem Anspruch auf Ent¬ schädigung für die Kauf summe bei Räumung. Y. stellt die Fatih-Gemeinde als einen Arbeitnehmerverein dar, der seinen Vorstand auf demokrati¬ sche Weise wähle. "Deutschland ist ein freies Land." 2. Politische Linie der Fatih-Ganeinde: Y. wird nach der Beteiligung der Fatih-Gemeinde an der Ermordung Kesins, der Kopftuchaktion und einer antisemitischen Demonstration gefragt. Er stellt alle diese Aktionen als Einzelinitiativen von Fana¬ tikern dar, für die der Verein nicht verantwortlich sei. Nach der Zugehörigkeit des Vereins zur MSP ge¬ fragt, beschreibt Y. auch diese Tendenz als indivi¬ duelle Ausrichtung von unzufriedenen Arbeitnehmern, - 15 die sich von ihrer Regierung im Stich gelassen sehen, sich an die Partei binden, die ihnen am meisten für ihre Interessen und die ihnen vor allem Unterstützung in ihren religiösen Bedürf¬ nissen verspricht. Zur Politik der Federasyon, zu der die FatihGemeinde gehört, bittet Y. uns, das Vorstands¬ mitglied der türkischen Gemeinde, D., zu befra¬ gen. 3. Verhältnis zur islamischen Union: Die islamische Union wird als "verlängerte Hand der türkischen Regierung" gesehen und damit abgelehnt. Allerdings seien dennoch auf religiösem Gebiet positive Kontakte möglich. So sei ein Austausch der Prediger zwischen den verschiedenen Gemeinden "imner möglich" gewesen. Mit B. von der islami¬ schen Union habe es Kontakte gegeben, B. sei aber jetzt ausgetauscht worden. Y. kritisiert den kemalistischen Laizismus, der ja eigentlich Trennung von Religion und Staat for¬ dere, aber eine totale Kontrolle der Religion durch den Staat praktiziere. Kulturzentrum: Frage: Wie ist die Meinung der Fatih-Ganeinde zu einem islamischen Kulturzentrum, das neben einer Moschee auch Versanmlungsräume, Bibliothek etc. um¬ fassen würde und für alle islamischen Gruppen offen sein müßte? Y. ist der Plan des Senats bekannt, mit dem türki¬ schen Konsulat und der islamischen Union zusammen ein Kulturzentrum in Wilmersdorf zu gründen. Die Fatih-Gemeinde sei darüber aber nicht offiziell in¬ formiert worden. Y. lehnt ein Kulturzentrum für alle islamischen Gruppen nicht ab, betont die Offenheit der FatihMoschee gegenüber allen islamischen Gläubigen. Auch Schiiten würden an den Festtagen in der Fatih-Moschee beten. Der Islam achte alle Religionen, nur Atheisten und Buddisten lehne er ab. 16 1.1.6 Gespräch der "AG-Ausländer" mit Spre¬ chern demokratischer Gruppen Einer Einladung der "Arbeitsgruppe Ausländer"an im Stadtteil ansässige türkische Arbeitervereine und Initiativen über das Kulturzentrum zu dis¬ kutieren, folgen ein Vertreter des HDB (türki¬ sche Sozialdemokraten), zwei Vertreter des BTT (Berlin Türk Toplulugu / Türkischer Bund Ber¬ lin) , ein türkischer Vertreter der Ausländer¬ kommission der GEW und ein Vertreter des Ju¬ gend- und Kulturzentrums Schlesische Straße. Bei dieser Diskussion, die das erste Mal nur türkische Gruppen einbezieht, wird die ganze Skepsis gegenüber dem halbwegs als notwendig angesehenen, halbwegs als gefährlich einge¬ schätzten Bündnis mit den islamischen Gruppen noch einmal zum Ausdruck gebracht. Wenn dann Ende Mai 1984 dennoch ein Konzept "Kulturzentrum mit Gebetsraum" in die Wettbe¬ werbsunterlagen eingebracht wird, auf das sich die "Arbeitsgruppe Ausländer" geeiniat hat. so ist hier ein ganz bemerkenswerter Schritt voll¬ zogen, der vielleicht eine entscheidende Än¬ derung in der Geschichte der türkischen Migran¬ ten in Berlin bedeutet. Einige politisch sehr kontrovers zueinander stehende Gruppen der tür¬ kischen Minderheit schließen ein minderheiten¬ spezifisches Bündnis, mit dem Ziel, sich im Stadtteil einen Raum zu schaffen, wo man sich in seiner Alltagskultur, zu der auch die all¬ täglichen religiösen Praktiken gehören, ausdrücken kann, mit dem man sich identifizieren kann. - 17 Dieses Bündnis liegt quer zu den traditio¬ nellen Kämpfen zwischen Rechts und Links, es ist deshalb in seiner Kontinuität gefähr¬ det, muß aber erprobt und in seiner Bedeutung für die Entwicklung der Minderheit und ihres politischen Bewußtseins ernst genommen werden. 18 1-2. Wie die deutsche Öffentlichkeit auf diese Forderung reagierte 1.2.1. Die Bürgerversammlung zum "Görlitzer Park" im März 1984 Der erste öffentliche Auftritt der "Arbeits¬ gruppe Ausländer" mit der Forderung nach einem Kulturzentrum mit Gebetsraum fand auf der Bür¬ gerversammlung am 14.3.84 zum Thema "Görlitzer Park" statt. Im Schlesischen Tor sind etwa 300 Bürger versammelt, darunter fünf bis zehn Ver¬ treter der Fatih-Gemeinde, sonst keine türki¬ schen Bewohner außer den Mitgliedern der "Ar¬ beitsgruppe Ausländer". Auf dem Podium sitzt die "Arbeitsgruppe Görlitzer Bahnhof", die für die Parkplanung zuständigen Stadträte König (Jugend und Sport), Orlowski (Bauwesen) und Krüger (Finanzen), sowie ein Vertreter des Se¬ nators für Umwelt als Auslober des Wettbewerbs "Görlitzer Bahnhof". Als die Arbeitsgruppe "Görlitzer Bahnhof" das heiße Eisen "Fatih-Moschee" in der Darstellung ihrer Forderungen übergeht, hakt ein Vertreter vom Ausländerbereich der AL nach und spricht das Thema Moschee an; er fordert für eine Mo¬ schee den Standort Görlitzer Bahnhof. Zwei tür¬ kische Sprecher der "Arbeitsgruppe Ausländer" stellen hier das Konzept "Kulturzentrum mit Ge¬ betsraum" vor, sprechen das Recht der türki¬ schen Bevölkerung an, in dem geplanten Park etwas von ihren Bedürfnissen verwirklicht zu sehen, das Recht, an dem Ort, der notgedrungen - 19 zur zweiten Heimat geworden ist, ein Identi¬ fikationsobjekt zu finden, das etwas von der eigenen Geschichte repräsentiert. Die Reaktionen der deutschen Seite sind über¬ wiegend abwehrend. Das Thema "Kulturzentrum" wird gar nicht aufgegriffen; sofort geht es nur noch um "die Moschee", der übereifrig und übereilt jede Existenzberechtigung zugestanden wird, in diesem Punkt gibt man sich äußerst tole¬ rant, dabei völlig unkritisch gegenüber der Rolle dieser Moschee, die ja auf dem Gelände des Görlitzer Bahnhofs vorhanden ist, nämlich der Fatih-Moschee. Ganz und gar intolerant erscheint die Kreuzberger deutsche Bürgerschaft gemein¬ sam mit ihren Stadträten gegenüber der Forde¬ rung, eine solche Moschee auf dem Görlitzer Bahnhofs-Gelände zu bauen. Allzuschnell wer¬ den andere Standorte angeboten, solche, die gar nicht im Wohngebiet der türkischen Bevölkerung liegen, die derzeit die Fatih-Moschee nutzen. Der Baustadtrat bietet den Moritz-Platz und -noch absurder- den Kemperplatz an, weit außer¬ halb von Kreuzberg und überhaupt weitab vom Wohn¬ gebiet islamischer Familien. Der Görlitzer Bahnhof soll Park werden, man ist sich einig in der Verteidigung des geplanten Kreuzberger Grüns gegen türkische Ansprüche jed¬ weder Art. An der Standortfrage macht sich hier eine Ab¬ lehnung fest,, die vermutlich ethnozentrische Motive hat, d. h.: den Bedürfnissen der eigenen 20 Kultur (hier: Grün für Kreuzberg) wird unge¬ fragt und entschieden Vorrang gegeben gegen-über Bedrüfnissen, die aus der Migrantenkul¬ tur stammen. Über die Problematik der theokratischen Orien tierung der Fatih-Gemeinde und die daraus re¬ sultierende Notwendigkeit, die Bedeutung die¬ ser Gruppe beim Thema "Moschee in Kreuzberg" zurückzudrängen, wird nicht diskutiert. Die Darstellung der Bürgerversammlung im Süd¬ ost-Expreß gibt genau die Stimmung der Mehr¬ heit der Bürgerversammlung wieder: Skepsis gegen die rechtslastige Fatih-Gemeinde, ünver ständnis für die minderheitenspezifische Par¬ teilichkeit der "Arbeitsgruppe Ausländer"; Nicht-Vers teilen der über die Moschee hinaus¬ gehende Forderung nach einem Kulturzentrum, bei dem die Chance besteht, den religiösen Bereich in seiner Bedeutung zurückzudrängen. Eine sehr gute Gegendarstellung gibt der Le¬ serbrief von Christoph Albrecht (Ausländer¬ bereich der AL), der im Südost-Expreß vom Mai 1984 abgedruckt wurde. 21 P Betr.: „Moschee im Park” Ich weiß ja nicht, wer den Kommen¬ tar „Moschee im Park” im. letzten SÜDOST-Express geschrieben hat, aber er/sie spricht darin unter ande¬ rem über einen Sachverhalt, den auf der Versammlung zur Gestaltung des Görlitzer Bahnhofs im Schlesischen Tor niemand vertreten hat: „Mehr Moschee wagen” — nicht eine Aus¬ sage ging in diese Richtung. Im Ge¬ genteil: Weg von der Moschee, aber nicht weg mit der Moschee, das war der Tenor, wie er ja auch in dem Be¬ richt „Bürgerforum zum Stadtpark am 14. März” richtig wiedergegeben wird. In der Tat: „... Moschee verla¬ gern oder zum Kulturzentrum aus¬ bauen ...” heißt die anstehende Ent¬ scheidung und wer dabei so laviert wie die Arbeitsgruppe Görlitzer Bahnhof, der treibt die Diskussion in eine Schmuddel-Ecke. Warum wurde bei der Präsentation der Überlegungen der Arbeitsgruppe zur Gestaltung des Geländes jeder Qua¬ dratmeter präzise beschrieben, justa¬ ment die Ecke, wo jetzt der als Mo¬ schee genutzte Schuppen steht, aber ausgespart? -Was spricht denn dage¬ gen, hier eine in der Arbeitsgruppe vorhandene Ablehnung oder unter¬ schiedliche Meinungen, soweit sie zu diesem Punkt vorhanden sind, vor¬ zutragen und zur Diskussion zu stel¬ len? Die Arbeitsgruppe kann natür¬ lich zur Frage, ob diese Ecke für kul¬ turelle und religiöse Zwecke der isla¬ mischen Kreuzberger auch in Zu¬ kunft genutzt weren soll, nicht an der Zustimmung bei der Veranstal¬ tung in der Tabor-Gemeinde (eine Gegenstimme) und an dem Beifall, den befürwortende Aussagen in der Schlesischen-Tor-Veranstaltung be-. kommen haben, Vorbeigehen. Keine Frage, die Vorbehalten müs¬ sen auf den Tisch und offen disku¬ tiert werden, die Arbeitsgruppe GörI litzer Bahnhof sollte ihre Taktiererei I in diesem Punkt aufgeben. Es geht E schließlich um Entscheidungen, die - für viele Jahre Bestand haben wer¬ den und völlig zu Recht fordert die Arbeitsgruppe ansonsten ja auch, das vorausschauend geplant werden soll. In der Frage Moschee/Islami¬ sches Zentrum würde mehr Weit1 blick zu der Erkenntnis führen, daß in der zweiten und erst recht dritten Ausländer-Generation extreme reli¬ giöse und politische Positionen all¬ mählich verschwinden. Wie schnell das geht, hängt auch von dem Ver¬ halten der Aufnahme-Gesellschaft gegenüber der Minderheit ab. Die jetzt noch zu recht beargwöhnten/ rechtsradikalen Islam-Fanatiker soll-| ten nicht so erfolgreich sein, daß ihre! Gegner sich zu Reflex- anstelle von! durchdachten Entscheidungen hin-' reißen lassen. Klar ist natürlich, daß die jetzigen Fatih-Moschee-Leute nicht die Hausherren eines islami¬ schen Kulturzentrums sein dürfen; dafür ist niemand und man sollte sich in der Diskussion von solchen falschen Fixierungen nicht länger blockieren lassen. Ein für alle KiezBewohner nutzbares islamisches, Kulturzentrum mit einem Kinosaal, | Versammlungsraum, Bibliothek usw. ergänzt diese Ecke auf stimmi¬ ge Weise, denn durch das Schwimm¬ bad bekommt der Spreewaldplatz ei¬ ne völlig neue Bedeutung für Kreuz¬ berg. Und auch wenn man selbst mit Kirche nichts am Hut hat, wird man das Bedürfnis nach Räumen zur Re¬ ligionsausübung mit aktiver Tole¬ ranz akzeptieren können. Eins möge zum Schluß noch bedacht werden: In zehn, zwanzig Jahren wird es in Kreuzberg viele deutsche Staatsbürger islamischen Glaubens geben, die sowohl zu islamischer Re¬ ligion und Kultur ein vertrautes Ver¬ hältnis wie auch zu Kreuzberg ein Heimatgefühl haben werden. Kommt eine solche Entwicklung nicht auch uns Deutschen aus Kiel und Mannheim, aus Augsburg und Freiburg, aus Kreuzberg und Tem¬ pelhof zugute, die wir uns in Kreuz¬ berg wohlfühlen? Christoph Albrecht - 22 - 1..2.2. Die Sondersitzung des Stadtteilaus¬ schusses im Juli 1984 Eine Sondersitzung des Stadtteilausschusses im Verein SO 36 am 2.7.1984 zum Thema "Görlitzer Bahnhof" bringt das Ausmaß der Kon¬ troverse zu Tage. Zu dieser Sitzung hat die "Arbeitsgruppe Aus¬ länder" eine breite Basis mobilisiert: Ver¬ treter der Fatih-Moschee, der Türkischen Ge¬ meinde, des Türkischen Bundes, des HDB und des AL-Ausländerbereichs sind gekommen, um den Beteiligungsanspruch der türkischen Be¬ völkerung anzumelden und die Forderung nach einem Kulturzentrum zu unterstützen. Ein so breites Bündnis zwischen türkischen Gruppierungen von rechts bis links hat es in der Geschichte der türkischen Einwanderer in Berlin wahrscheinlich noch nicht gegeben. Im Stadtteilausschuß sitzen bei dieser Begeg¬ nung neben dem Vorstand des Vereins SO 36 eini¬ ge Mitarbeiter dieses Vereins, die Arbeits¬ gruppe Ausländer, die Arbeitsgruppe Görlitzer Bahnhof, Vertreter der Stadträte oder sie selbst (Herr König), Vertreter der IBA, Vertreter des Umweltsenators, ein Bürgerdeputierter der SPD, der Sanierungsbeauftragte Herr Kokott und einige Mitglieder des Vereins SO 36, die der AL und der SPD nahestehen. Bis auf wenige Ausnahmen bilden die anwesen¬ den Deutschen in der Diskussion eine klare Front gegen die einstimmige Forderung der türkischen Gruppen nach einem Kulturzentrum mit Gebetsraum. 23 2 Eine Zahl wird genannt: 10.000 in von den insgesamt 140.000 m 2 Bahnhofsgelände wer¬ den für das Kulturzentrum beansprucht. Die ablehnende Haltung der deutschen Ver¬ treter zwingt die türkischen Sprecher in eine Einheitsfront, in die sie sich frei¬ willig nicht leicht begeben würden: ein junger Mann aus der Fatih-Gemeinde weist drohend daraufhin, daß die Fatih-Moschee auf keinen Fall freiwillig geräumt wird und bekommt Beifall von türkischen Gruppen, die sich bei anderen Gelegenheiten eher von Gruppierungen wie der Fatih-Gemeinde distan¬ zieren würden. Bei den beteiligten Türken entsteht das Be¬ wußtsein, gemeinsam als Minderheit diskrimi¬ niert zu sein, in dem Anspruch auf Bürger¬ beteiligung nicht ernst genommen zu sein in dem Moment, wo die Forderungen, die man stellt, der Mehrheit nicht genehm sind. Große Koalition st unter unseren türkischen Mitbewohnern angesagt—-zumindest was ihre etablierten Wortführer anbelangt. Von rechts bis links, von Türkischer Föderation über Türkische Gemeinde bis zum Türkischen Bund (die re¬ gierungsnahe Türkische Union glänzte durch Abwesenheit), waren alle vertreten, als es im Laden des Vereins SO 36 um die Frage „Isla¬ misches Kulturzentrum mit Moschee auf dem Görlitzer Bahnhof“ ging. Schlechte Vorbe¬ reitung, ungenaue Vorstellungen und viel zu allgemeine Forderungen ihrerseits machten es ihren deutschen Widersachern aus der AG Görlitzer Bahnhof und der SPD leicht, den Moschee-Anspruch auf ein Stück (lOOOOm2) Stadtpark-Gelände zurückzuweisen. Stattdessen sollten die Türken sich mit einem Kul¬ turzentrum samt Moschee am Moritzplatz ( anfreunden, war der deutsche Tenor. 24 So kommentiert herablassend die Stadtteil¬ zeitung "Südost-Expreß" im August 1984. "Schlechte Vorbereitung" und "ungenaue Vor¬ stellungen" werden den türkischen Sprechern vorgeworfen, ein Vorwand, um die Ablehnung der deutschen Interessensvertreter wie auch die des Stadtteilblattes zu rechtfertigen. Herr Kokott, der Sanierungsbeauftragte im Bezirk, bringt klar zum Ausdruck, daß die türkische Minderheit unterliegen muß: Eben¬ sowenig wie die Katholischen Kirchengemein¬ den sich in Preußen durchsetzen konnten, wenn sie versuchten, ihre Kirchen auf öffent¬ liche Plätze zu bauen, ebenso wird es euch Moslems nicht gelingen, eine Moschee auf das repräsentative Gelände des Görlitzer Bahnhofs zu bauen. (In Preußen gab es ein entsprechendes Gesetz, das den katholischen Gemeinden Bauland für Kirchen nur in Blockinnenbereichen zugestand) Der Stadtteilausschuß geht ohne Beschluß aus¬ einander , Keine Chance für Kulturzentrum am Görlitzer Balmhof? (DW). |)lc ArbcilsRnippe „Ausländer“ des Vereins SO 36 hal im Rühmen des vorgesehenen Wettbewerbs für das Gelän¬ de des jetzigen Görlitzer Bahnhofs den Entwurf eines Kulturzentrums mit Mo¬ schee vorgelegt. Das Kulturzentrum soll einerseits eine Slgnalfunklion habeit,’ die Einwanderern auf der Suche nach einer neuen Identität einen Bezugspunkt bietet. Es soll andererseits nach dem Vorschlag der Arbeitsgruppe der deutschen Bevölke¬ rung die Lcbensvielfall der Ausländer nüherbringen. Die entwickelten Vorstellungen sind unter den verschiedenen politischen und religiösen türkischen Bevölkerungsgruppen ausfiihrlich'diskutiert worden Die Initiative auf Basis eines relativ brcilgelnchertcn Gruppenspektrums stellt eine neue Entwicklung in der Ge¬ schichte der Einwanderung dar. ' Leider (mißte die Arbeitsgruppe des Vereins SO 36 feststellen, daß auf der Sitzung des zuständigen Kreuzberger Stadtteilausschusses Anfang Juli keine Empfehlung für die Idee eines entspre¬ chenden Kulturzentrums gegeben wur¬ de. Die Initiatoren halten daher die Ver¬ wirklichung eines kiezbezogenen Zen¬ trums für stark gefährdet. Sie sehen in der unmittelbar vor der Eröffnung des Wettbewerbsverlährens entstandöhen Lage einen bezeichnenden Hinweis auf die politische Rechtlosigkeit der auslän¬ dischen Bewohner. Sie stehe Im Gegen¬ satz zu dem Motto: „Der Görlitzer Bahnhof ist für alle da.“ 25 Am Tag danach wird im Bezirk Kreuzberg be¬ schlossen, den Ausschreibungstext der "Ar¬ beitsgruppe Ausländer" zum Kulturzentrum mit Gebetsraum aus dem Wettbewerbstext zu strei¬ chen. (vgl. S. 6 ff). Der zum ersten Mal mit Einigkeit und Stärke vorgetragene Anspruch des türkischen Teils der Bevölkerung, vorgetragen immerhin von einer Reihe von im Stadtteil aktiven Gruppen, ist zurückgewiesen. Das schlechte Gewissen, das sich denn doch bei einigen deutschen Interessenvertretern, besonders auch bei der Bürgervertretung Ar¬ beitsgruppe Görlitzer Bahnhof regt, wird be¬ ruhigt mit dem Hinweis, man müsse sich eben um einen anderen Standort bemühen. 1.2.3. Pressereaktionen Einige Tage später schickt die AG Ausländer eine Pressemitteilung an die Berliner Tageszeitungen; der Wettbeuerbsausschreibungstext zu Kulturzentrum und Moschee ist beigefügt. Moschee und Kulturzentrum Im Umfeld des Görlitzer Bahnhofs leben 40 S Ausländer, ln einzelnen Blocken bis zu 60 I. fcs gibt mehrer türkische Gemeinden, die außerdem unterein¬ ander verfeindet sind (mit einer Moschee in Berlin ist es nicht getan). Auf dem westlichen Teil des Geländes wird derzeit ein Lagerschuppen an der Ladestraße zur Skalitzer Straße hin als Moschee genutzt, diese ist als Zwischennutzung zu ver¬ stehen. Der westliche Geländeteil des Görlitzer Bahnhofs zwischen Görlitzer Straße, Skalitzer Straße und Spreewaldplatz ist 26 auf Grund seiner Nähe zu diesen drei Straßen als Erholungsqelände minderwertig, durch seine Nähe zu dem Hallenbad als Standtort einer öffentlichen Einrichtung aber sehr gut geDie Arbeitspruppe Ausländer des Vereins SO 36 ( ein Zusammen» Schluß von Personen, die in SO 36 in verschiedenen Initiati¬ ven Stadtteilarbeit mit Ausländern machen) regt deshalb an, daß die Teilnehmer des Wettbewerbes auch Vorschläge für eine neue Gestaltung dieses westlichen Geländeteils mit der Zielsetzung erarbeiten: - Das Provisorium sollte bei einer Neugestaltung des Geländes nicht gestrichen, sondern weiterentwickelt werden, indem zuaer jetzt ausschließlich religiösen Nutzung weitere Nutzungen im Rahmen eines Kulturzentrums ermöglicht werden. - Die Moschee sollte eine Kapazität, von ca. 500 Personen naben. Dabei i st'zu beachtendaß dieser Kaum ohne bestuh 1 un" benutzt wird, also eine geringere Platznutzung pro Person - Moschee und. Kulturzentrum sollten direkt nebeneinander liegen, ohne jedoch den" Charakter zu verrai tte in ,• aaß das Ku Iturzentrum eine Einrichtung der Moschee ist» d.h. der Charakter der Gebäude sollte offen sein, es darf nicht der Eindruck entstehen, daß in diesen Gebäuden kein ^Einbl ick möglich ist", sich da “Undurchsichtiges abspielt , das Ganze darf kein “Fluchtburgen-Flair“ haben. Es muß auch eine bewußt gestaltete offene Anbindung an das SpreewaldBad einerseits und an das Parkgelände andererseits haben. - Die Funktionsraischung von Moschee und Kulturzentrum sol 1 eine Verengung im öffentlichen Verständnis auf ein für Ausländer“ vermeiden und durch ein entsprechendes Raum¬ angebot ermöglicht werden, genannt sind: . Ein großer Saal, der bis zu 500 Personen ^aßt».fUr F?iern i n großen üruppen, durch mobile Zwischenwände in drei kleinere Säle abtrennbar (Moschee) . Fünf Räume für kleine Gruppen bis zu 30 Personen, für Lernen, Beraten, Baste 1n, Spie len, in denen bprach- und Alphabetisierungskurse stattfinden können; in den VOIKShochschul-Kurse, Mieter- und sonstige Beratung angeboten werden können sowie auch kleinere Gruppen Video- oder sonstige Filme sehen können. . , . Zwei Bibliotheksräume, die für Kinder bzw._dugendliche Literatur in-deutscher bzw. den Migranten-Sprachen an¬ bietet sowie Videos, die ein Gegengewicht zu gewaltver¬ herrlichenden Videos darstellen. Aufgabe der Wettbewerbsteilnehmer ist es, einen Gesamt-Komplex zu gestalten, der, unter Berücksichtigung der Flächenknapp¬ heit und -konkurrenz (LeitbiId:Mehrfachnutzung) und ggflSo ln Richtung Skalitzer Straße entwickelt, der von außen sofor^ als aus zwei unterschiedlichen Teilen mit ünTep^lne^jTcneh Funktionen bestehend erKannt wird und als Moschee uno Kultur¬ zentrum TiTh auf die a'nwohnende Bevölkerung bezieht J^nt gefragt ist ein Repräsentations-Komplex mit ei ner^überregi o^ nalen Ausstrahlung, dessentwegen man aus ganz Berlin anreist. (Strategien für Kreuzberg) AG-Ausländer 6.Juli 1984 PRESSEI-i ITTEILUN.G :■ Ist der Görlitzer Bahnhof wirklich für alle da? Die AG 'Ausländer' des Vereins SO 56 (ein Zusammenschluß von Per¬ sonen, die in SO 56 in verschiedenen Stadtteilinitiativen mit Aus¬ ländern arbeiten) hat sich seit über einem halben Jahr mit dem Wettbewerb zur Neugestaltung des Geländes des jetzigen "Görlitzer Bahnhofs" intensiv beschäftigt und im Rahmen des vorgesehenen Wettbewerbs einen Entwurf für ein Kulturzentrum mit einer Moschee auf diesem Gelände in Berlin-Kreuzberg vorgelegt. ') Das Kulturzentrum mit Moschee soll einerseits durch die Verwendung traditioneller Bauformen .und Gestaltungseleraente eine Signalfunktion haben, die den Einwanderern einen Bezugspunkt auf der Suche nach einer neuen Identität bietet, andererseits soll dieses Zentrum der deutschen Bevölkerung anatolische Kultur - die Lebensvielfalt der Einwanderer - näherbringen. Die zentrale Fragestellung der AG 'Ausländer' war dabei, in welcher Art und Weise die Bedürfnisse der in der Umgebung dieses Geländes lebenden ausländischen Kiez-Bewohner, die ca. 40# der Gesamtbewoh¬ nerschaft ausmachen, in diesem Wettbewerbsverfahren berücksichtigt werden können? . Wrangelstr. 40 1000 Berlin 36 Tel. 612 60 30 6123070 Berliner Bank Depositenkasse 6 Kto.-Nr. 06-79300200 28 Die in der AG 'Ausländer' entwickelten Vorstellungen sind unter den verschiedenen politischen und religiösen Gruppen der türkischen Bewohner ausführlich diskutiert worden. Neben der AG 'Ausländer' sind beteiligt ^ - die progressive Volkseinheit der Türkei e.V. (HUB) - die Fatih-Moschee-Gemeinde - die türkisch-islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) - die türkische Gemeinde in Berlin .— .der' türkische Bund für Gleichberechtigung in Berlin. , Diese gemeinsame Initiative der verschiedenen Gruppen stellt eine neue Entwicklung in der Geschichte der Einwanderung dar, die von der deutschen Öffentlichkeit ernst genommen werden soll. Unseres Erachtens nach muß das von uns vörgeschlagene Kulturzentrum 6in fester Bestandteil der Neugestaltung des Geländes sein, will der Wettbewerb uneingeschränkt den Bedürfnissen der Kiezbewohner Rechnung tragen. Leider mußten wir und die erwähnten Organisationen am 2.Juli 1984 im Stadtteilausschuß (einem Gremium bestehend aus Vertretern des Senators für Bau- und Wohnungswesens, desBezirksamts Kreuzberg, der Internationalen Bauausstellung und des Vereins SO 36), wo das Wettbewerbsverfahren lebhaft diskutiert wurde, erleben, daß der Ausschuß keine Empfehlung für ein Kulturzentrum mit Moschee im Rahmen des Neugestaltungswettbewerbs auf dem Gelände des Görlitzer Bahnhofs aussprechen konnte. Somit ist die Konzeption und die Idee für die Verwirklichung eines kiezdimensionierten Kulturzentrums mit Moschee stark gefährdet. Wir stellen mit Bedauern fest, daß die jetzt unmittelbar vor der Eröffnung des Wettbewerbsverfahrens entstandene Lage für die poli¬ tische Rechtlosigkeit der ausländischen Bewohner sehr bezeichnend ist und halten dies für eine bewußte Verdrehung des seit Jahren geführten Diskussionsmottos "Der Görlitzer Bahnhof ist für alle da!" / Wir sind davon überzeugt, daß nur durch die Erfüllung einer kiez¬ dimensionierten Kulturzentrumsidee den allseitigen Bedürfnissen der ausländischen und deutschen Gebietsbewohner entsprochen werden kann. Wer diesen Aspekt nicht vor Augen hat, der betreibt in der Realität eine andere Politik. Eine eigene Politik! ArbeitSfcrunoe Ausländer des Vereins SO 36 T.c. Anlage: Konzept für ein Kulturzentrum auf dem Gelände des Görlitzer Bahnhofs 29 Kennzeichnend für die süffisante bis hilflose Reaktion des eher linken Teils der deutschen Öffentlichkeit auf diese Niederlage der "tür¬ kischen Aktivisten" ist der Artikel in der TAZ vom 13.7.1984, der durch einen Leserbrief 'Freitag, 13.7.84 taz . Wer will die Kiez-Moschee am Görlitzer Bahnhof? ,Allah nicht den Rechten überlassen“ Oer Aufschrei scheint vorprogrammiert ln el> nem Gebiet mit sowieso schon 40 Prozent tQr* klscher Wohnbevölkerung als zusätzlicher anatollscher Kulturexport eine pompöse Mo* schee mit goldglänzenden Kuppeln und hoch* ragenden Minaretten, von denen fünfmal täg* llch bärtige Muezzins monoton Koransuren leiem? Oder, mal von links, Baustadtrat Or* Seit gut anderthalb Jahren gibtea indem an einer Ecke des Görlitzer Bahnholageländea gelegenen eiten Lagerschuppen ■ immer die gleichen für Außenstehende unverständlichen Worte, Handlungen und Gesten, wenden sich erwachsene Männer mit einem .Allah-o-ekbar* (Gott lat gröBer) ehrfürchtig in Richtung Mekka. Manchmal, besonders um den Fastenmonat .Ramadan" herum, sind es 1.000 bis 1.500 Menschen, Familien, Nachbarn und Fremde, die sich hier um den zur .Fatih-Moschee“ ernannten win¬ zigen Schuppen hemm versammeln. Die einst von einerGmppe von Muselma¬ nen in Besitz genommene Örtlichkeit ist längst von linken Händen mit den obSgatori sehen dicken Ohentteppichenausgeachlagen, der Bau eines Minaretts scheH terta gerade noch am Bruch reiten der Kreuzberger Bauaufsicht. Das Bezirks¬ amt hatte mit den zu Hausbesetzern ge¬ wordenen frommen Türken, weil esderm so viele waren, notgedrungen eine Duldungsvereinbamng geschlossen, nach der diese das Gelände bei Bedarf ohne Entschädigung freiwillig zu räumen hät¬ ten. Innerhalb und außerhalb der Moacheehabe eine politische Betätigung zu unterbleiben, verhieß eine weitere Auf¬ lage, und: es dürfe .keine spektakulären baulichen Erweiterungen" geben. Signal« Jetzt erst merken Kreuzbergs Stadtväter, daß sie die Rechnung ohne den Wirt ge¬ macht, haben: Zwar keine Erweiterung. Standessen aber gleich ein muslimisches .Denkmal und Monument" (Orfowsky) fordern die Türken, zehntausend Qua- . dratmeter groß an der Nordweststrecke des Bahnhofsgeländes gleich oberhalb des Spreewaldplatzes. Oie Lobbyisten der .Fatih-Moschee" hatten nämlich wenn auch spät - von den Plänen gehört, das riesige Bahnhofsgelände zumvielfältig genutzten Bürgerpark umzugestalrton, und sich einfach In die Schlange derzahlreichen Nutzungsinteressenten elngereiht Gewicht bekam ihr Ansinnen erst als sieh dann neben der fundamen¬ talistischen .Islamischen _ Föderation“ auch Gruppen wie die Türkische Ge¬ meinde. der linke .türkische Bund für Gleichberechtigung“ sowie türkische Aktivisten Im Verein SO 36 zum Zweck¬ bündnisfanden, Das. was die „Fatih"-An¬ hänger wollten, nennen die Progressiven jetzt neutral ein .Haus für Kiezbewobnei“; die gemeinsame Initiative wird von Ihnen bereits überschwenglich als .eine neue Entwicklung In der Geschichte der Einwanderung" gefeiert. .Die Gestaltung des Kulturzentrums mit einer Moschee soll durch Verwendung traditioneller Bauformen und Gestal¬ tungselemente eine Signalfunktion ha¬ ben. die sowohl den Bnwanderem einen örtlichen Bezugspunkt bei der Entwick¬ lung einer neuen Identität bietet alsauch der deutschen Bevölkerung vermitteln, daß dieser zugewanderte Bevölkerungs¬ lowsky: .Das sind doch alles nur verkappte Rechtsextremisten, die Mörder von Celattlm Keslmt Ein Novum Ist sie schon, die bis Jetzt einmalige Berliner Koalition von rechten und linken türkischen Wortführern, die einträchtig ein Islamisches Kulturzentrum Inklusive Moschee auf dem Kreuzberger Gelände des ehemaligen Görtltzer Bahnhofs verlangt teten evangelischen Kirchengemeinden teil hier bleiben wird und sich dement¬ und last not least die Bezirksverwaltung sprechend einrichtar, steht In dem Ende cu Trägem des projektierten islamischen Juni von einer Ausländer-Arbeitsgruppe im Verein SO 36 vorgelegten Nutzunge- t Kulturzentrums zu machen. Auch ki der konzept zu lesen. Türkei gebe es je sehr viele fortschritulDiese äußere Signalfunktion baue auf In¬ ehe Imams, versucht Cihan Arin die Sa¬ halten auf. die an religiösen, kulturellen che schmackhaft zu machen; so manche und sozialen Bedürfnissen der elngeMoschee Im Lende stände durcheus-unwanderten Bevölkerung ansebe. Dabei ter dem Einfluß der von den Militärs vwmüsse der gesamte Komplex, Insbeson¬ fehmten Sozialdemokraten, der „Repu¬ dere in kultureller und sozialer Hinsicht blikanischen Volkspartei" Bülen Ecevits. der deutschen Bevölkerung offenstehen, Wenn de nur rächt ein Bezirksvertreter namens Werner Oriowsky wäre, der des heißt es weiter. So könneein mit vorgese¬ henes kirtdsches Dampfbad das Defizit . angepriesene .Haus für Kiezbewohner" an Bademöglichkeiten Ausgleichen hel¬ -. an der Stella aus stadtpianerischen Grürvfen. Ern Repräsentationskomplax mit ei¬ ,. den Juiochenhatr ablehnt Die schon ner überörtlichen Ausstrahlung, der gro¬ jetzlauf ein paar tausend Quadratmetern ße islamische Teile der Bevölkerung an¬ ziehe, wird hingegen ausgeschlossen. mit grünem Roilrasen bedeckte Fläche des ehemaligen Görlitzer Bahnhofs soll - nach seinem Wunsch künftig in erster Türkische Identität Linie ein Erholungs- und Freizeitpark .Wir können nicht unsere Augen vor der werden, auf dem allenfalls noch ein Klnallmählichen Herausbildung einer türki¬ derbauemhof. ein Verkehrekindergar¬ schen identitätin unsararStadt verschlie¬ ßen“, sagt dazu der 35jährige türkische ten. ein Depot des Gartenbauamtes so¬ wie die Liegeflächen für das SpreewsldArchJtektCihan Ahn, der das Konzept Bad untergebracht werden könnten. maßgeblich mjtformulierte. Arin, ein Mit¬ Nachdem sich auch der von Bezirk, Bau¬ begründer des linken .Türkischen Bun¬ des für Gleichberechtigung" und einer senat IBA und Verein SO 36 beschickte Stedtteilausschuß Im Bezirk dieser Auf¬ der ekfivsten im Ausländerberelch der fassung anschlossea konnte Orfowsky At. zählt zu dieser Identität ausdrücklich 1 auch das Bedürfnis nach Ausübung der jetzt beim Senator für Stadtentwicklung Islamischeg-Religlonsnten. eine Slreichung des Moschee-Vorschla¬ Daß dieses-Bedürfnis nach einer religiö¬ ges aus dem Ausschreibungstext türdas sen und ethnischen Identitätblsherweirt-,’ in Sachen Stadtteilpark anstehende Wettbewwbsvertahren erreichen. .Da¬ lieh von reaklionären Islamischen Kultur¬ vereinen, türkischen Nationalisten und mit". ao Oriowsky, .steht hunderprozerv6g lest, daß die Moschee nicht auf dem Faschisten Im Dienste der türkischen Mi¬ litärregierung ausgenutzt wurde, weiß er Gelände des Görtltzer Bahnhofs reali¬ natürlich. Doch darum gehl es Arin ge¬ siert wird". rade. Er will die Islamische Religions¬ Das sei sowieso so eine dubiose Sache: Bisher wäre die Forderung nämlich von szene Im Rahmen einer langfristigen einem der islamischen Föderation nahe¬ Auseinandersetzung .öffentlich kontrolstehenden metcedesfahrenden .Türken Cerbarer" machen, die .Indoktrination von Frauen und Kindern“ etndämmen. mit Autoteielon", der diversen Immobi¬ lienbesitz und die ganzen türkischen Rei¬ Dabei liegt Arin insbesondere eine Aus¬ sebüros manage und der Verbindungen einandersetzung mit der fundamentali¬ stischen Richtung des Islam am Herzen, zum amerikanischen Stadtkommandan¬ ten und bis hinein In die Senatsverwal¬ die den Bewegungssptelraum der türki¬ tung für Stadtentvrickluog und Umwelt¬ schen Frau noch heute streng palrierchaschutz habe. 9« pressured worden. lisch auf die Sphäre des Haushalts und Der Baustadbat habe sich verständlich¬ der Kindererziehung beschränken will erweise nicht quer zu den .Gebietsfür¬ und ihr selbst In den Moscheen noch sten“ stellen können. weil er «eine politi¬ einen von den Männern abgesonderten sche Kraft aus diesen Kreisen schöpfe, Platz zuweist ■ vermutet hingegen Cihan Arin. Daß sich Durch die Einbindung in das Zweck¬ auch die bezirkliche AL In die Ablehbündnis .etwas relativiert" werden soll nungsiront eingereiht hat wertet er emo¬ speziell daa Monopol der fundemenUlitionslos als Ausdruck des .Kreuzberger stischen .Islamischen Föderation" In Stadtteilsyndikalismus". Berlin, die den Anspruch erhebt alle Dennoch: .So ohne weiteres kommt men Muslime In Berlin zu vertreten und die jetzt an der .nationalen Einheitsfront der . einen Großteil der über das Stadtgebiet Muslims“ nicht mehr vorbei", konzediert verstreuten und provisorisch In Fabrike¬ such Oriowsky. Alle Beteiligten würden tagen und Hinterhof-Lagerräumen un¬ sich nun bemühen,einen anderen Stand¬ tergebrachten 29 Gebetsmoscheen ver¬ ort für die Moschee zu finden. Die türki¬ waltet schen Interessanten müßten notfalls ein Um den Abkopplungsprozeß zu beför¬ Privatgelände kaufen. dern, schlägt die Ausländer-AG im Ver¬ Thomas Knauf ein SO 36 deshalb vor, unter anderem die Arbeiterwohlfahrt, die In SO 36 beheima¬ 30 der "Arbeitsgruppe Ausländer" in scharfer Form korrigiert und ebenso durch einen Leserbrief des türkischen Architekten Cihan Arm zurechtDonnerstag, 19.7.84 taz - ' hriefo >JUh nicht dm R«chtm Obcrttt* ••n“ Als Initiatoren das Kofuapts Kultur»v tmm ml* Mosche« auf dom Girlitz». Bahnhof-Gelinde mich ton wir zu Eurem Artikel Stellung nehmen. (_} Zugegebe¬ nermaßen Ist die ganze Initiativ« für Außenstehend« schwer zu verstehen. Wir hätten aber erwartet, daß einer, darin der taz Artikel schreiben wM Eber eine Sache, von der er nichts versteht, sich dann doch wenigste na vorher bei den Initiatoren gründlich Informiert (_) De¬ mit Ihr unseren Arger besser versteht zählen wir hier dl« Fehlinformationen und Unterstsllungm auf, die der Artikel enthalt I • Gleich In der Oberechrtft und Im Fett¬ gedruckten stehen zwei falsch« Begriffe, durch di« dl« ganze Initiativ« diffamiert wird: Ein« .Kiez-Moschee“ und ein .Isla¬ misches Kulturzentrum“ haben wtr nicht gefordert sondern ein Kulturzentrum mit Dampfbad, Fe stri unten, Kaffeeneu* und Toogarten, da* auch einen Gebetsraum enthält Auch von einem Reprisenut» lonibaul*tb*lun*nichtdleR*d*.(_)Wf halten dleaen Stil für demgoglech. . Wir sind Interessiert dann. Im Geepräch m It denbekJendleAuthentizitälderzJ tierten Aussagen zu Oberprüfen. Wir lind seit Jahren In der Auelinderar¬ beit engegiert und sind se gewohnt zu beobachten, wie die Madien systema¬ tisch im Aulbau eines imm» offsnslver werdenden Rassismus arbeiten. Daß die taz sich mit einem Artikel wfa diesem an dies» Entwicklung beteiligt bedeutet al¬ lerdings sin* Gefahr, dl* wir bisher nicht gesehen heben: Dia ausländische Bevöl¬ kerung und mit Ihr such wir sind In Ge¬ fahr, auch dl* sogenannte links Scene1 auf Dauer als UnUrstützsr zu vertieren und In eine bedrohliche Isolation zu gera¬ ten. Offenbar 1st das Thema Religion ge¬ meint unterschwellig* Ressentiments ans Tageslicht zu bringen. Wir bitten Euch dringend, diese Geschichte nicht leichtfertig zu behendein, Verln SO 38 e.V. AG Ausländer Empfindliches Thema genüber dieser Eisicht Natürlich haben diese Bedürfnisse mit einer Identität zu tun, aber nicht mit einer naiions/en—wie etwa türkischen —, sondern mit einer ethnischen und vor altem kulturellen Identität die für jeden Menschen lebens¬ notwendig 1st und Stofflichkeit braucht Die Unmöglichkeit »He Menschen, die dieses Bedürfnis haben, in den gleichen politischen Topf ‘reinzuwerlen, dürfte ja eine Binsenweisheit sein genauso wie die Unmöglichkeit alle Christen als Anhän¬ ger einer politischen Richtung einzustu¬ fen. So kann niemand eine politische Mo¬ nopolstellung beanspruchen, wenn es um allgemeine Kategorien wie .die Tür¬ ken“, .die Muslime“ oder .die Deut¬ schen“ geht; sie sind keineswegs homo¬ gene Gruppenkategorien. An dieser Stelle entpuppt sich die ungeheure Pau° schalltät der Aussage, alle Menschen aus der Türkei, die sich für die Einrichtung einer Moschee ln Kreuzberg einsetzen, seien .verkappte Rechtsextremisten, die Mörder von C KesJm", als eine ge¬ schmacklose, häßliche Provokation (Ich möchte nicht glauben, daß Oriowsky Je so etwas gesagt haben kann).. Nicht zuletzt ärgert mich der unfaire jour¬ nalistische Stil des Autors: Anstatt sich über das Konzept eines Kulturzentrums bei den Initiatioren, nämlich bol der Aus¬ länder-AG des Vereins SO 36, gründlich zu Informieren, genügt Ihm — trotz mei¬ nes ausdrücklichen Hinweises—ein Te¬ lefonat mit mir, obwohl Ich mehrmals betont hatte, lediglich meine persönliche Meinung zu den Dingen zu äußern. Der Artikel erweckt den falschen End ruck, als sei Ich der Initiator des ganzen—ein sehr unsauberes Beispiel des Becherchloren»! Die Lokalredaktion der taz täte gut daran, wenn sie In solch einem empfindlichen Thema anstatt ahnungslose Journalisten zu beauftragen, mindestens richtig rech¬ erchieren und das Gesagte richtig reflek-' Heren würde und des Thema mit erfor¬ derlicher Sachlichkeit und Sensibilität anginge, will sie nicht auf der Ebene de« billigen 'Blld’-Joumallsmus bleiben, GhanArln „War toil cte KItzmoachM am GörUtrar Bahnhof?'Alah i^cht dM ftechtan Obarla*Mn~(taxv.1X&64) . Ena Raiha von falschen Informationen, • Auf diese Weite schon auareichend kl von falschen .Zitaten'* von mir und vor Wallung gebrecht ertihit der faz-bes» allem dl# gefährliche Quintessenz dea im zweiten Abschnitt, daß dl* .Beniner genannten Artikel» von T. Knauf zwang Koalition von rechten und linken Wort¬ 3 mich zur vorliegenden Richtigstallung führern“ tage und schreibe 10.000 m für und Stellungnahme. Ihr .muslimisches Denkmal" fordert und Weder in dem Konzept der Ausländerdas hirt sich |* nun so an. ala wollten sie AQ de» Vereins SO 36 noch In meinem den ganzen heiß umkämpften Girlitz» Telefongespräch mit dem Autor war — Bahnhof für sich. Daßderganze Girlitz» wie der Autor schreibt—von einem .isla¬ Bahnhol 140.000 m> groß Ist wird natür¬ mischen Kulturzentrum“ die Rede, son¬ lich nicht erwähnt Auch daa hallen wir dern lediglich von der Errichtung eine» für demagog lach. multifunktionalen Kulturzentrums mitef• Entatahenund Varfaufderganzsnlnnersehrbeecheldendimentlonlertsn Mo¬ Itlative werden gezielt falsch dargesteltt, schee auf dem Gelände des Görlitzsr dazu mit einem Untsrton hämlech» Bahnhof» In Kreuzberg. Oie exotischen Freude üb» die Ablehnung dea Bezirke. Phantasien des Autors (.eine Moschee Dl* Initiative IndlesarSachaglngelndeismit goldglänzanden Kuppeln und hoch¬ tikg von den ginnemahala^roflretslve" ragenden Minaretten, von denen fünfmal bezeichnetan Mitgliedern der AG Aus¬ täglich bärtige Muezzin» monoton länder aus und nicht von dar Falh-MoKoransuren leiern* oder «Allah nicht den echee, die sich — umgekehrt—erst spä¬ Rechten überlassen", O-Ton des Autor») ter anschloß, ala die AG Ausländer mit mögen von seiner Ignoranz und Unwis¬ Ihrem Vorschlag ln die Öffentlichkeit senheit. von einer Märchenmoschee ln ging, und ela di* FaUh-Gemalnd* sah, Antwort auf den Lsssrtrisf von Ohan seinem Kopf zeugen; sie haben aller¬ daß hier zwar nicht Ihre ln laressen vertre¬ Arin vom 14X54: _ . ten. aber doch Immerhin berücksichtigt. dings mit dem nichts zu tun, was seitens Uebtr ÖJhan Ar1r% der Organisationen der Menschen aus wurden. Daß nicht aln JaiamhchaaT, aondam aln" der'TOrkei gefordert wird; nämlich mit • "Filach lat*euch daa Verhalten dee Stedltellausachutate wtedargegeben,“ einer kleinen Moechee für die musllml- ’ jnulÜfunktlonaJas" Kuttumntrum und auch nur aina taachakian dlmonsJosehen Bewohner rund um den Görlltzer der »Ich nicht der Auffassung dea Bezirke nlarta Moschea zur Dabatta stahl, nahma Bahnhof und kein Representations¬ .anachloß", wie dw Schreiber behauptet Ich zur Kenntnis, Dazu hatta Ich aller¬ objekt und Hochburg des Islam für Westsondern sich wegen sehr kontrovers» dings schon Entsprechendes aus dam Berlin. Oer Autor würde sich sicherlich Meinungen nicht zu einer gemeinsamen Nutzungskonzept, das mir zusammen nie erlauben, für die christlichen Kirchen Empfehlung durch ringen konnte. Daa lat mit einer Presseerklärung der Ausländerund Pfarrer In einem dermaßen empfind¬ Ja wohl auch etwas anderes AG Im Verein SO 3d als Informations* lichen Oiskusalonszusammenhang solch » Falsch Ist weiterhin, daß .die AL sich grundlage ausreichend erschien, zitiert. eiene verachtende, zynische Tonart anIn die Ablehnungsfront elngsrelhf“ hat Exotische Phantasien hege (leider?) zuschalaen. Immerhin haben drei aktiv« Mitglieder nicht Ich, eondem wohl ein Teil der Die Behauptung desAutors, mir läge eine maßgeblich an der Entwicklung des Kon¬ Stammbevölkerung In SO 36; Orlowskys Auseiandersetzung mit der fundamenta¬ zepts 'Kulturzentrum mit Gebetaraum' Rundschlag galt lediglich den Hinter* listischen Richtung des Islam am Herzen mitgearbeitet minnem der Mevlana-Moschee, aus der über den Hebel der Einrichtung einer » Die sogenannten JOezfflreten“. dl* seiner Meinung nach die Fatih-Moschee Moschee in Kreuzberg, Ist ebenso unzu¬ ' sich eindeutig gegen den Standort Girtllhervorging. Warum Du nicht mehr zu treffend wie das angebliche JUtat“ von zer Bahnhof ausaprechen, kommen eher Deinen — von Dir bejahten Ausführun¬ mir zur Herausbildung einer türkischen aus dar SPD und sind damit nicht die gen In Sachen türkischer Identititsbli* Identität Das Feld meiner politischen Kreise, aus denen Han Ortcwsky .sein« dung stehen willst, kann Ich nicht verste¬ Auseinandersetzungen mit Reaktionä¬ Kraft aclüpfe". hen. Ebenso bleibt mir schleierhaft, ren — seien sie Deutsche oder Ausländer • OleZahlderMoacheen.dleangebllch wieso nun plötzlich beim Kampf gegen — Ist ein anderes; hier handelt es sich um der 'Islamischen Föderation' zugehiren, die Reaktion das Feld der Rallglon außen die Anerkennung der religiösen Bedürf¬ 1st auch nicht richtig. Nach eigenen An¬ vor bleiben soll. Ober den engedeuteten nisse der Menschen aus der Türkei und gehen der Federation verfügen sie zur .empfindlichen Dlskusslonszusammen* deren vernünftige Befriedigung Jenseits Zeit über 17 Moscheen. 8 weitere Mo¬ hang“ In diesem Punkt hätte Ich gerne politischer Auseinandersetzungen zwi¬ scheen In Berlin gehiren zu anderen Isla¬ mehr gehört Den Vorwurf der ZitatliP schen Organisationen der Menschen aus mischen Gruppen. schung weise Ich Im übrigen entschieden der Türkei Es geht um die vorhandenen Die Im Artikel mehrfach zitierten Kron¬ zurück. Bedürfnisse dieser Menachenund umdie zeugen Arfn und Orfowslcy sind nach urw Dein thok Oberwindung der Verschlossenheit ge¬ . tarer Vermutung falach wiedergegeben. 31 gerückt wurde. Auf deutscher Seite wird nicht kapiert, daß hier ein wesentlicher Schritt der Minderheit zu ge¬ meinsamer Willensbildung und zu einem Minder¬ heitsbewußtsein gegangen wurde, der durch die Zurückweisung durch deutsche Interessengruppen geradezu erzwungen wurde. 32 - 2- Ist ein Kulturzentrum mit Gebetsraum für die Bevölkerung aus der Türkei in SO 36 notwendig? 2.1. Soziologische Begründung Die Geschichte der Einwanderung in die USA läßt einige regelmäßige Abläufe erkennen, die auch für die Migration in Europa in der Mitte des 20. Jahrhunders gelten mögen. Geradezu als Bedingung der Integration in die amerikanische Gesellschaft erwies sich über eineinhalb Jahrhunderte bei den ver¬ schiedensten Gruppen zunächst die Segregation, die Herausbildung ethnischer Kolonien, die eine eigenständige sozial-kulturelle und öko¬ nomische Organisation aufweisen. Als Kenn¬ zeichen für das Vorhandensein solcher ethnisehen Kolonien gelten nach Heckmann ' und den von ihm zitierten amerikanischen Migra¬ tionssoziologen "die Existenz eigener Kirchen¬ gemeinden, eigener schulischer Einrichtungen, die Existenz von Vereinen, Geschäften, Restau¬ rants und Lokalen, sowie die Niederlassung ausländischer Ärzt-". a„.a.O, (S. 210) In den USA erfolgte der erste "Zusammenschluß von Angehörigen einer Einwanderungsnationali¬ tät zumeist in Benefit Societies (diese) 1) Friedrich Heckmann, Die Bundesrepub. lik -Ein Einwanderungsland? Stuttgart 1981 33 waren Selbsthilfeorganisationen, die wegen des Fehlens eines gesellschaftlichen Systems der sozialen Sicherung in den USA lebens¬ notwendig waren". a.a.O. (S. 211) Die Chance, eigene soziale Sicherungssyste¬ me ebenso wie eigene Gewerkschaften zu grün¬ den, hatten die Immigranten, die seit Mitte der 50er Jahre in die BRD strömten, hier nicht, sie wurden in die bestehenden Siche¬ rungssysteme aufgenommen. Für die Heraus¬ bildung eines politischen Bewußtseins der Minderheiten war dies sicher eher nachtei¬ lig. Der zweite wesentliche Schritt zur Heraus¬ bildung und Festigung ethnischer Kolonien und des entsprechenden Minoritätenbewußtseins war in den USA auf jeden Fall immer die Gründung von Gemeindezentren. Dies gilt für die christ¬ lichen und für die jüdischen Minoritäten in den USA. "Eine Kirchengemeinde und ein natio¬ nales Schulwesen bilden auf der Gemeindeebene das tragende Gerüst bei der Entwicklung und Stabilisierung einer eigenständigen sozial¬ kulturellen Organisation der Minorität". a.a.O. (S. 212) Viele Momente in der Entwicklung der Minder¬ heit aus der Türkei in West-Berlin weisen da¬ rauf hin, daß hier ähnliche Prozesse vorlie¬ gen wie in den Einwandererminoritäten in den USA Vorgelegen haben. Innerhalb der türkischen Minderheit spielen die Moscheen (inzwischen insgesamt fast 30 in Berlin) zum Teil eine - 34 ähnlich stabilisierende Rolle wie die christlichen bzw, jüdischen Gemeindezen¬ tren in den USA. Allerdings scheint es so, daß. die Gemeindezentren mehr an außer¬ religiösen Funktionen übernommen haben und übernehmen als es die Moscheen tun, die von den islamischen Migranten hauptsäch¬ lich an Feiertagen und an islamischen Fest¬ tagen und von Kindern zwischen 8 und 12 Jahren zu den Korankursen besucht werden. Unsere These ist, daß ein Kulturzentrum für Einwanderer aus der Türkei, in dem auch religiöse Bedürfnisse befriedigt werden können, mehr soziale Funktionen übernehmen könnte als die Moscheen das zur Zeit tun. Es könnte Ausdruck der "Organisation eines eigenständigen sozialen Systems" sein, das unserer Meinung nach in Kreuzberg 36 unter der Minderheit aus der Türkei schon besteht. Wir sehen es als positiven Faktor, wenn die Mi^cis^heit ein eigenständiges soziales System innerhalb der aufnehmenden Gesellschaft hat und innerhalb dessen eine Gruppensolidarität ermöglicht wird. 35 - 2.1.1. Der Entstehungsprozeß der Einwanderer¬ kolonie in Kreuzberg Die Entstehung von Einwanderervierteln ist in der Regel ein Resultat von Wohnungsmarktpro¬ zessen, aber zugleich auch von der spezifi¬ schen Bedürfnislage der Arbeitsimmigranten, die als Eigendynamik des Einwandererprozesses definiert werden kann. Man beobachtet in Deutsch¬ land seit Jahren den langsamen Entstehungspro¬ zeß der Einwanderung von Arbeitsimmigranten. In den größeren Ballungszentren der Bundes¬ republik existierep/bedingt durch die räum¬ liche Segregation, schon Stadtviertel, in de¬ nen die ehemaligen "Gastarbeiter" dicht zu¬ sammen wohnen und leben. In solchen Stadtvier¬ teln gibt es auch Formen der eigenständigen sozial-kulturellen Infrastruktur sowie die Ent¬ wicklung der zuerst als Wohnfolgeerscheinung entstandenen eigenen Gewerbe bzw. Ökonomie. In den klassischen Einwanderungsländern wie in den USA, Kanada und Australien führte die Ein¬ wanderung von Menschen in den Ballungszentren und größeren Metropolen zur Entstehung von Vier¬ teln, in denen die Eingewanderten von den übri¬ gen Stadtbewohnern getrennt wohnten. Es ent¬ standen "Little Italys", "Little Sicilys", "Kleindeutschlands", "Chinatowns", "Jüdische Ghettos","Polack Towns" und "Little Athens". Ein einzelner oder einzelne Einwanderer, die in einem Ort ohne andere Einwohner ihrer Na¬ tionalität Arbeit gefunden hatten, versuchten von Anbeginn -bei Vorhandensein von Arbeits- 36 platzen- Verwandte, Freunde oder Bekannte aus ihrer Heimat oder aus anderen Teilen der USA nachzuholen. "Der nächste Schritt zu ihrer Konsolidierung und Konstitutionsmoment der Kolonie als ent¬ wickeltes System sozio-kultureller Beziehun¬ gen war die Gründung einer "Gesellschaft" in Form einer Selbsthilfeorganisation zwecks Un¬ terstützung in Notfällen wie Krankheit, Tod oder Arbeitslosigkeit aus einem gemeinsamen Versicherungsfond. Die "Gesellschaft" war je¬ doch mehr als nur eine Versicherungsinstitu¬ tion; sie entwickelte sich zum sozialen Ver¬ kehrskreis, in dessen Rahmen Bälle, Picknicks, Theateraufführungen oder Vorträge, aber auch religiöse Feiern stattfanden*. Die Gründung einer eigenen Kirchengemeinde und der Bau einer Kirche mit angeschlossenen Versammlungs- und Aktivitätsräumen bedeutete bei den polnischen Einwanderern z. B. einen weiteren Konsoli¬ dierungsschritt, der gleichzeitig zur Folge hatte, daß die politisch-soziale Führung der Gruppe von der "Gesellschaft" auf die Kirchen¬ gemeinde überging. Eine Lokalpresse entstand im etwa gleichen Ent¬ wicklungsstadium. Parallel zu diesen letzten Schritten fand die "Homogenisierung" des Wohn¬ gebiets statt. Polnische Häusermakler, später Wohnungsbaugesellschaften oder -genossenschaften sorgten dafür, daß freiwerdende Häuser bzw. Wohnungen von Landsleuten bezogen wurden. Die¬ ser Konzentrationsprozeß wird zum Anlaß wei- 37 terer Konzentration: polnische Geschäfte weiteten sich aus, neue wurden gegründet, Ärzte und Rechtsanwälte polnischer Herkunft ließen sich nieder". ^ ^ Inwieweit die Einwanderungsprozesse von Tür¬ ken mit den US-amerikanischen Erfahrungen von polnischen Einwanderern zu vergleichen sind, ist weiter zu untersuchen. Obwohl es grundsätzlich Unterschiede zwischen den histo¬ risch anders gewachsenen Einwanderern aus der Türkei und den Polen gibt, sind in der gegen¬ wärtigen Entwicklung der entstandenen Einwan¬ derung in der BRD gewisse und prozeßhafte Paralellitäten von damals und heute nicht zu übersehen. Diese Merkmale sind die zahlenmäßige Konzentration, ein gewisses Vereinswesen und die Entstehung einer eigenständigen Ökonomie in der Einwandererkolonie. Bei der Entwicklung der Bevölkerungszahl der Türken in Kreuzberg stellt man seit dem Anwerbestopp (1973) eine Stabilität fest. Obwohl die Gesamtzahl der in Berlin (West) lebenden Türken im Vergleich zu 1973 gestiegen ist, blieb die Zahl der in Kreuzberg lebenden Tür¬ ken bis auf eine geringfügige Veränderung fest. 1) Heckmann F.: Pluralismus und "Integration" der Gastarbeiterbevölkerung, in: Wissenschaft gegen Ausländerfeindlichkeit am 16. und 17. Dez. 1983 in Frankfurt, S. 62 - 63 38 Die Zahl von Türken in Berlin und in Kreuzberg Gesamtzahl (%) Kreuzberg (%) Ende 1973 79.468 44,6 25.275 66,7 Ende 1982 119.113 48,0 27.210 67,0 30.6.1983 118.547 30.6.1984 115.611 27.238 47,3 26.615 ca. 67,0 Quelle: Berliner Statistik / statistische Berichte Oktober 1983/ Dezember 1984 Berliner Statistik / Monatsschrift 7/84 Neben der Stabilisierung der Zahl von türkischen Bewohnern in Kreuzberg hält der durchschnittlich steigende Trend der Aufenthaltsdauer weiter an. Das zeigt eine generelle Auswertung des Einwohner¬ registers nach Zuzugsjahren. Nach dieser Auswer¬ tung wurde ermittelt, daß, jeweils vom Jahresende an gerechnet, deutlich weniger Ausländer in den Jahren vor 1982 nach Berlin zugezogen waren -nämlich bei den Türken 17,5%- als dies 1973 der Fall war -nämlich bei den Türken 59,5 %-, (Berliner Statistik 7/84^5. 238) - 39 - Im Süd-Ost 36 (SO 36) von Kreuzberg, insbe¬ sondere im Strategiengebiet, ist. die Zahl der Einwanderer (davon bis zu 95 % aus der Türkei) von 30 % der Gesamtbevölkerung im Jahre 1979 auf 35 % im Jahre 1983 gestiegen (auf über 50 % bei der jugendlichen Bevölkerung). Diese Zahlen beweisen einen sich vollziehenden Nie¬ derlassungsprozeß der seit den sechziger Jahren hier lebenden und arbeitenden Arbeiter und ihrer Familien aus der Türkei. Dieser Prozeß ist und war immer von einer Segregationsentwicklung die¬ ser Einwanderergruppe begleitet worden. Auf Grund dieser Entwicklung entsteht eine stän¬ dige demographische Veränderung in Kreuzberg, insbesondere in SO 36. Parallel zu der bevölkerungsmäßigen Entwicklung hat sich in den letzten Jahren auf dem Gewerbe¬ sektor ein Prozeß in Gang gesetzt, den wir hier als Entwicklung einer eigenständigen Ökonomie der Türken bezeichnen wollen. Es gibt keine zu¬ verlässigen Quellen über die Gesamtzahl der tür¬ kischen Betriebe in West-Berlin. Man schätzt sie auf 2.000 - 3.000. Im Strategiengebiet beträgt die Zahl der ausländischen Betriebe nach einer Untersuchung der Forschungsstelle für Handel (FfH) im Jahre 1983 118. In Gesamtkreuzberg be¬ trägt diese Zahl im Jahre 1983 456. Somit liegt der prozentuale Anteil der ausländischen Gewerbe bei 12 %. Im Gebiet der Luisenstadt (FfH, 1984) ist der prozentuale Anteil der ausländischen Betriebe annähernd gleich wie im Strategiengebiet. Der 40 türkische Anteil innerhalb der ausländischen Gewerbe beträgt ca. 85 %'. In den ausländischen Betrieben arbeiten durchschnittlich 2,5 Per¬ sonen pro Betrieb, und davon sind 2,3 Personen Ausländer. In SO 36, insbesondere im Gebiet um die Wrangelstraße, sind 25 % der Betriebe in ausländischer Hand, wobei dort 35 % der Bevölkerung aus Immi¬ grantenfamilien bestehen. Die ausländischen Be¬ triebe sind ausschließlich konsumnahe Betriebe. Im Bereich "Dienstleistungen" steigt ihr Anteil sogar auf 40 %. Es existiert in Berlin-Kreuzberg und insbeson¬ dere im Gebiet SO 36 eine, wenn auch zuerst als Wohnfolgeerscheinung, ökonomische Infrastruktur, die ausschließlich auf die unmittelbaren Bedürf¬ nisse der vorwiegend aus der Türkei stammenden Arbeitsimmigranten abzielt. 2/3 der Kundschaft stammt aus der unmittelbaren Umgebung, und diese 2/3 bilden für diese Betriebe bzw. Geschäfte die Stammkundschaft„ Es existieren außerdem zwei Interessenvertretungs¬ organisationen der türkischen Geschäftsleute, die sich immer mehr mit den unmittelbaren Vor-Ort-Problernen der türkischen Gewerbe beschäftigen wer¬ den . Acht türkische Banken sind in Berlin tätig (viele in Kreuzberg) , v/obei nur eine -Türkiye i^ Bankas» fdie türkische Arbeitsbank)- am Kottbusser Tor Geschäftskonten führen darf. Der überwiegende Teil der türkischen Gewerbetrei¬ benden beabsichtigt, in Zukunft den Betrieb beizu- - 41 behalten oder zu erweitern. Trotz der in Zu¬ kunft auf einem kapitalistischen Markt zu er¬ wartenden Schwierigkeiten für diese existieren¬ de eigenständige Ökonomie wurde der Anfang ge¬ macht. Dieser Anfang der zuerst stark ethnisch orientierten Ökonomie bekommt -historisch ge¬ sehen- eine hohe Bedeutung für die innere Sta¬ bilisierung der türkischen Kolonie in BerlinKreuzberg. Neben der Schaffung eigener Arbeits¬ möglichkeiten und der Investitionstätigkeit inner halb der Kolonie bedeutet dieser Schritt zur öko¬ nomischen Selbständigkeit und dieser Wille dazu einen menschlichen Fortschritt, wenn man berück¬ sichtigt, daß die jetzt Handel treibenden ehema¬ ligen Arbeiter aus der Türkei keine kaufmänni¬ schen bzw. kommerziellen Erfahrungen aus der Hei¬ mat mit nach Berlin gebracht haben. Diese Mobili¬ tät und dieser Wille zur Selbststärkung trägt da¬ zu bei, daß die Entwicklung und Konsolidierung der türkischen Kolonie weitergeht, wodurch auch andere Erscheinunasformen einer typischen Kolonie bildung wie die Ansiedlung von Ärzten, Rechtsan¬ wälten, Maklern, die Entstehung einer Lokalpresse die Entwicklung von Dachverbänden der verschiede¬ nen Berufszweige etc. forciert werden. 42 2.1.2 Sozialpsychologische Überlegungen "Die Organisation eines eigenständigen sozia¬ len Systems dient der ökonomisch-sozialen Siche¬ rung der Minorität, schafft Assoziationen und soziale Verkehrskreise innerhalb der Einwan¬ derergruppe, institutionalisiert Aktivitäten und Riten zur Stabilisierung der Persönlichkeit des Einwanderers und zur kulturspezifischen Sozialisation der nachfolgenden Einwanderergenera¬ tion. Dem neuankommenden Einwanderer erleichtert sie die Eingewöhnung in und die Anpassung an seine neuen Arbeits- und Lebensbedingungen." a.a.O. (S. 215) Besonders für den überwiegenden Teil der Einwan¬ derer aus der Türkei gilt, daß der Sprung aus vor¬ industriellen Verhältnissen, in eine hochindustria¬ lisierte Gesellschaft wie die der BRD für das In¬ dividuum kaum zu verkraften ist. Erträglich ist der Sprung nur dann, wenn eine schon bestehende Einwanderergesellschaft den Einzelnen auffangen, ihn integrieren kann. Die Einwanderergesellschaft braucht aber Stätten der Selbstdefinition, die auch nach außen Zeichen der eigenständigen Sozial¬ organisation sein können. Mit den Jahren der Emigration wächst auch das Bedie in der Emigration entstandene eigen¬ ständige Kultur und Lebensform auszudrücken und darzustellen, die weder mit der Alltagskultur des aufnehmenden Landes noch mit der des Her¬ kunftslandes identisch ist. Besonders für die heranwachsende Generation, die sich nicht mehr voll mit der Herkunftsgesellschaft 43 identifiziert, entsteht das Bedürfnis nach Identifikationsobjekten, die aus Not und Man¬ gel an Alternativen häufig in der "Gastgesell¬ schaft" gesucht werden (Disko-Kultur). Ange¬ bote, die eigene kulturelle Identität zum Aus¬ druck zu bringen oder minderheitenspezifische Kultur aufzunehmen, wären gerade für die jün¬ gere Migrantengeneration dringend notwendig. Ein autonomes Organisationssystem kann erstens die Identitäts- und Stabilitätserhaltung nach innen verstärken ("Binnenintegration") und das Entstehen solcher autonomen Systeme d. h. von den staatlichen Organen des Heimat- und des Einwanderungslandes unabhäniger Systeme wie z. B. das vorgeschlagene türkische Kultur¬ zentrum trägt dazu bei. Solche Systeme orien¬ tieren sich an den aktuellen und langfristigen Interessen und Bedürfnissen der ethnischen Minder¬ heit und begünstigen auf Emanzipation gerichtete ge¬ sellschaftliche und politische Bewegungen. Solche sozialen und politischen Bewegungen sind eher in der Lage, Bewußtseinveränderungsprozesse unter den Be¬ troffenen zu initiieren. ^Dieser Begriff stammt von Georg Eiwert, der ihn in seinem Habilitationsvortrag im Novem¬ ber 1980 an der Universität Bielefeld ent¬ wickelte . Vgl.: Probleme der Ausländerintegration. Gesellschaftliche Integration durch Binnen¬ integration? In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 1982, 34. Jg. Heft 4 44 "Individualistische Reaktionsweisen wie der Versuch des sozialen Aufstiegs in die Aufnahmegesellschaft oder das Verharren in Resig¬ nation und Apathie werden durch die ökonomi¬ schen und gesellschaftlichen Verhältnisse des Einwanderungslandes und durch die vom Ein¬ wanderungsland betriebene Ausländerpolitik gefördert bzw. unterstützt. Die kollektiven Reaktionsweisen wie die Organisierung in auto¬ nomen Interessenvertretungsorganisationen und der Aufbau einer an den eigenen Interessen orientierten Infrastruktur müssen dagegen be¬ wußt und oft gegen den Widerstand und die Ab¬ lehnung der Aufnahmegesellschaft und der etab¬ lierten politischen Instanzen durchgesetzt wer¬ den ." ^ Neben den eigenen Emigrantenorganisationen könn¬ te das geplante türkische Kulturzentrum Vermitt¬ ler und Träger einer Identitäts- un- Stabilitäts¬ erhaltung sein, wobei hier zu beachten ist, daß nicht die Aussperrung neuer Lern- und Erfahrungs¬ räume, sondern die zusätzliche situations- und interessenbezogene Zulassung neuer gesellschaft¬ licher Impulse einen vorwärtsgerichteten aktiv betriebenen gesellschaftspolitischen Prozeß in Gang setzen. 1) Decker, Frank unter Mitarbeit von Ayanoglu, özcan: Ausländer im politischen Abseits S. 158, Campus-Verlag, Frankfurt/New York, 1982 45 - Die Herausbildung autonomer, d. h. von staat¬ lichen Institutionen unabhängiger Vertretungs¬ und Organisationsformen, wie das eigene Kultur¬ zentrum der türkischen Minderheit ist sowohl Voraussetzung als auch Träger eines solchen Emanzipationsprozesses. 46 2.1.3. Religionssoziologische Überlegungen Wie für die meisten Immigrantengruppen in den USA war und ist die Religion für die erste Generation zumindest ein Halt in der Immigra¬ tion. Traditionelle Haltungen, religiöse Wer¬ tungen und Rituale werden zunächst stärker als im Heimatland gepflegt. Bekannt ist, daß die islamischen Gruppierungen im Emigrationsland BRD und West-Berlin konservativere Ideologien vertreten als im Heimatland, daß sie zum Teil abergläubischen und fanatischen Sekten angehören, die in der Türkei verboten sind. 1) Im folgenden beschreiben wir den historischen und politischen Hintergrund dieser Entwicklung, um auch aus dieser Sicht zu einer Einschätzung der möglichen Funktion eines Kulturzentrums mit islamischer Gebetsstätte zu gelangen. Die Rolle des Islam in der neueren Türkei Der Islam war im Osmanischen Reich (1299 - 1918) das allgemeingültige Wertsystem. Der Koran, das heilige Buch des Islam, war die "wahre Verfassung" und das Fundament des Rechtswesens (Scheriat) für das öffentliche Leben. Der seit dem 18. Jahrhun¬ dert sich verstärkende militärische Mißerfolg des Osmanischen Reiches und der zunehmend' Einfluß wisschenschaftlicher und technischer Erneuerungen aus den europäischen Ländern führten dazu, daß der Islam als tragende Orientierungsnorm bei der tür¬ kischen Intelligenz und dem Bürgertum zunehmend an Einfluß verlor. TT Vgl.: Hans-Günther Kleff, Vom Bauern zum Industrie¬ arbeiter. Ingelheim 1984, S. 261 - 275. 47 Die neue politische Denkrichtung, der Modernismus , wurde vor allem von einem Teil der administrativen und militärischen Intelligenz getragen, der auch Mustafa Kemal (Atatürk) angehörte. Nach dem end¬ gültigen Zusammenbruch des Osmanischen Reiches im ersten Weltkrieg und dem sich daran anschließenden erfolgreichen nationalen Befreiungskrieg der Tür¬ ken setzte unter Kemal Atatürk ein Modernisierungsbzw. Westernalisierungsprozeß ein, der die Türkei zu einem unabhängigen, modernen, zivilisierten, de¬ mokratischen Staat und einer Gesellschaft nach west(2) europäischem Vorbild führen sollte. . Die neue Staatsdoktrin des sozio-politischen Modernisierungsprozesses der Türkei war fortan der Kemalismus ^ , dem vorjallem die führende ^Modernismus drückt den Willen aus, den geringen Intwicklungs stand des Reiches in möglichst kurzer Zeit zu überwinden. Die Die Mademisierungsbestrebungen zielten im osmanischen Reich wie in der türkischen Republik im wesentlichen auf eine Re¬ formierung der gesellschaftlichen Institutionen. (^Die Westemali sierung und Säkularisierung der Kultur und des Rechts sollten nach" Vorstellungen von republikanischen Re¬ gierungen unter Atatürk jdie an den bürgerlich—tfkzidentalen Leitbildern ausgerichteten Fundamente der neuen Türkei werden. Die in dieser Hinsicht durchgeführten wichtigsten Reformen sind: -Abschaffung des Kalifats -Annahme des lateinischen Alphabets -Abschaffung des islamischen Rechtswesens (Scheriat) -Übernahme der leicht modifizierten westlichen Rechtsnormen -Säkularisierung des Erziehungswesens -Streichung der Bezeichnung des Islam als Staatsreligion -Aufhebung des Amtseides "im Namen Allahs" -Abschaffung der religiösen Schulen -Einführung des Wahlrechts für Frauen Im Kernelismus ist die Westemalisierung der Türkei in sechs Prinzipien niedergelegt: -Nationalismus: Konstituierung des türkischen Nationalstaates bei gleichzeitiger Absage an Turanismus und Panislamismus. -Republikanismus: Keine neuerliche Errichtung einer relisiösen Verfassung. -Säkularismus (Laizismus): Trennung von Staat und Religion -Etatismus: Führende Rolle der staatlichen Aktivitäten bei der ökonomischen Entwicklung des Landes. -Populismus: Gleichheit der Bürger ohne Ansehen von Glauben, Rasse und Sprache. -Reformismus (Modernismus): Permanenz des Umwandlungsprozesses von Staat und Gesellschaft. 48 bürokratisch-militärische Elite des Landes ver¬ pflichtet war. Der Kemalismus geriet jedoch zwangsläufig mit der traditionellen seit 600 Jahren existierenden islamischen Weltanschauung in Konflikt, die aus dem öffentlichen Leben ausgeschaltet wurde.Die islamische Bewegung, die sowohl der Modernisierungs bewegung gegen Ende des Ösmanischen Reiches als auch dem Westernalisierungsprozeß unter Kemal Atatürk ablehnend gegenüber stand, blieb jedoch wäh¬ rend der Zeit der Einparteienherrschaft in der Tür¬ kei von 1921 - 1946 erfolglos. Historisch trug das politische System Atatürks zunächst revolutionäre gesellschaftliche Züge; die existierenden gesellschaftlichen Widersprüche zwischen feudalen bzw. naturalwirtschaftlichen Produktionsverhältnissen mit entsprechenden feu¬ dal-klerikalen Traditionen einerseits und dem an¬ gestrebten nationalen Industrialisierungs- und Ver¬ staatlichungsprozeß, einhergehend mit europäisch bürgerlichen Wertvorstellungen, führten jedoch letztlich dazu, daß notwendige politisch-insti¬ tutionellen Maßnahmen zur Erneueruna unterbliew ben ('T) . Voballern die bäuerlichen ländlichen Massen denen die Modernisierungspolitik aufgezwungen wur¬ de, während eine radikale Landreform zugunsten der ländlichen Massen letztlich nicht durchgeführt wur¬ de, blieben dem Westernalisierungs- und Modernisie¬ rungspolitik der kemalistischen Elite gegenüber ab¬ lehnend bis indifferent und weitgehend der islami¬ schen Tradition verhaftet. (sf) * —— Der kemalistische Modernismus errichtete den politischen Rahmen der gesellschaftlichen Reformen, vemachläßigte aber seinen sozialen und ökonanischen Inhalt,um die ge¬ sellschaftlichen Widersprüche aufzulösen und die Neuerung manifest zu machen. 49 Die politischen Funktionen des Islam in der Türkei Die historischen Gegner des kemalistischen Moderni¬ sierungsprozesses der türkischen Gesellschaft nach westlichem Vorbild wurden in erster Linie die reli¬ giösen islamischen Kräfte des Landes, da die kulturel¬ le, sozioökonomische und politische Integration der Türkei in die westliche Welt zuerst auf eine schmale Schicht begrenzt blieb und die Mehrheit der Bevölke¬ rung in ihrem orientalisch-islamischen Wertsystem verharrte. Die Auswirkungen des zweiten Weltkrieges, der Anschluß an den kapitalistischen westlichen Welt¬ markt, die zunehmende Abhängigkeit der Türkei von westlichen Industrienationen und die ständigen öko¬ nomischen und sozialen Krisen ^}führten zu einer be¬ ginnenden Kritik an der Westernalisierungspolitik auch bei Teilen der verwestlichten Elite und zu einer Er¬ starkung der traditionellen islamischen Kräfte Al3 Gegenid&ologie ^. gegen die Westernalisierung stand die Rückbesinnung auf den Islam. "Die Wiederherstellung der Türkei als einer starken und gesunden Kraft von internationalem Rang setzt des¬ halb die Rückkehr zu den eigenen Grundlagen, die im politischen und kulturellen Raum des Islams gegeben sind, voraus". Tf) ^ ' siehe dazu: Keskin, H.: Die Türkei van osmanischen Reich zum Nationalstaat, Berlin, 1978. Schmidt, E. u. a,: Türkei, Politik, ökononie, Kultur,Berlin, 1980 Köker, Ahmet Fahir: Herausbildung der strukturellen Heterogeni¬ tät in einer unterentwickelten Gesellschaftformation am Bei¬ spiel der Türkei, Frankfurt a.M., Rita G. Fischer Verl., 1980 - Man braucht nur an die Erfolge der national-religiösen "Natio¬ nalen Heilspartei'' (MSP) von Erbakan während der siebziger Jahre in der Türkei erinnern. Zur Frage "Reislamisierung" siehe: Tibi, Bassam: Die Krise des modernen Islams, München, C.H.Beck, ...1981. 'Steinbach, Udo: Die Türkei im. Umbruch?, S. 49, in Orient 3/79 a.a.O. 50 Das Wiedererstarken der islamischen Kräfte, denen die türkischen Parteien und Regierungen seit 1950 -und sei es auch nur aus partei-, bzw. wahltakti¬ schen Gründen- mehr und mehr entgegengekommen sind, ist u.a. ein (Neben)-Produkt des in der Türkei seit der Gründung der Republik eingeschlagenen gesell¬ schaftlichen VerwestlichungsprozesseE Die Reislami- sierung ist damit auch eine "Gegenideologie" gegen das bestehende System. Der politische Träger der is¬ lamischen Tradition als "Gegenideologie" und Oppo¬ sition gegen die kemalistische Verfassung der Tür¬ kei war die 1973 gegründete und 1980 verbotene is¬ lamische "Nationale Heilspartei" lin (West) (MSP), der in Ber¬ die "Islamische Föderation" zuzurechnen ist. Der Islam stellt in der Türkei jedoch nicht nur eine ideologische Stütze einer die säkulare Verfassung ab¬ lehnende Opposition dar, sondern erhält auch im Rah¬ men einer säkularisierten Gesellschaft eine sozialintegrative Funktion. Das Ziel dieser Funktion war nicht die Beseitigung des Islam , eine solche Form zu geben, sondern"dem Islam die vereinbar war mit einer demokratischen Gesellschaftsstruktur und ihn gleichzeitig zu einem Element der nationalen Kultur und der sozialen Integration zu machen". (h) ^ Thanä-Venske, Hanns: Die Bedeutung des Islam im Prozeß der Integration türkischer Arbeiterfamilien in die Gesellschaft der Bundesrepublik, Hamburg, Diplomarbeit am Seminar für Sozialwissenschaften der Universität Hamburg, 1980, S. 93/94 51 Ende der vierziger / Anfang der fünfziger Jahre wurde der Islam im Verlauf der Restaurationsbewe¬ gung wieder zu einem wichtigen Faktor in der tür¬ kischen Politik und Gesellschaft. Einführung des Religionsunterrichtes an den Schulen, Einrichtung von zahlreichen Ausbildungsstätten für Theologen, Zulassung von Korankursen unter bestimmten Aufla¬ gen führten zu einem Anwachsen der Schülerzahlen der Imam- und Predigerschulen. Die seit 1925 ver¬ botenen religiösen Orden traten wieder unter be¬ stimmten Deckmänteln an die Öffentlichkeit und traten z. T., offen gegen das Prinzip des Laizismus auf. Die Doppelrolle des Islam, in der Gesellschaftspoli¬ tik der Türkei, einmal als integrative Kraft einer letztlich doch privaten Konfession und zum anderen als ideologische Gegenkraft gegen eine westernalisierte türkische Gesellschaft blieb bis heute wider¬ sprüchlich und wurde von den islamischen Kräften nie akzeptiert. Diese Doppelrolle verhinderte auch seit dem Wieder¬ erstarken der islamischen Kräfte in der Türkei nicht ihren gezielten Einsatz als Herrschaftsideologie und das tendenzielle Zusammengehen islamischer und natio¬ nalistischer Bewegungen. In den siebziger Jahren wand¬ ten sich die religiösen Publikationen zunehmend von allgemein religiösen Themen ab und polemisierten ge¬ gen .linksorientierte Gruppierungen in der Türkei. Die neben der offiziellen Ideologie des k^malisti¬ schen Nationalismus in der Türkei ebenfalls existie¬ rende rechtsextremistisch-faschistische Form des "großtürkischen Nationalismus" beruft sich auf den - 52 historischen Vorläufer des Turanismus ^. Zwar entwickelten sich Nationalismus und Islam, historisch gesehen, unabhängig voneinander, doch gingen sie eng miteinander zusammen, da als Teil der nationalen Identität der Islam von den Natio¬ nalisten im Laufe der Zeit immer stärker erkannt und benutzt wurde. 1) "Turan" bez eichnet das fiktive großtürkische Reich, das nach den Plänen der Turanisten alle tatsächlichen oder an¬ geblichen Turkvölker von Innerasien bis zum Balkan umfassen und beherrschen soll. ( - 53 Die Funktion islamischer Vereine der Türkei in der BRD und Berlin (West) Die in der Bundesrepublik existierenden islamischen Vereine sind auf Grund dieser Funktion und Stellung des Islam in der Türkei auch keinesfalls als ein¬ fache Religionsgemeinschaften zu sehen, wie es die entsprechenden Vereine immer wieder darzustellen ver¬ suchen, sondern vertreten und verkörpern in ihrer Peligionsunterweisung fast durchgehend auch politi¬ sche Richtungen und Ideologien. Ähnlich wie in der Türkei, wo das Ignorieren der Be¬ dürfnisse und der Situation der türkischen ländlichen Bevölkerung, an der die westlich orientierten Refor¬ men des Kemalismus vorbeigingen bzw. die z. T. zu ihren- Lasten vorangetrieben wurden, zu einem Erstar¬ ken und zu einer im konservativen bis rechtextremen politischen Lager angesiedelten Politisierung der is¬ lamischen Kräfte führte, zeichnet sich auch in der Bundesrepublik ein zunehmender Einfluß der islami¬ schen Vereine ab. Die Funktion, die der Islam da¬ bei in der Bundesrepublik übernimmt, ist die glei¬ che, die der Islam unter der Westernalisierung in der Türkei einnahm. Es ist der Versuch der Identi¬ tätsherstellung- und erhaltung in einer diskriminier¬ ten, marginalisierten und mißachteten gesellschaft¬ lichen Position. Die islamischen Vereine, unter Um¬ ständen vermischt mit nationalistischen Organisatio¬ nen, setzten dabei unmittelbar an dem legitimen Be¬ dürfnis der türkischen Bevölkerung zur Erhaltung ihrer vom Islam geprägten Kultur und ihres Selbst¬ wertgefühles an, wobei unter der Bedingung der Emi¬ gration mit ihren ständigen Erfahrungen der Ablehnung 54 und Chancenlosigkeit nationalistische Radikali¬ sierungstendenzen und eine Übersteigerung tra¬ dierter Normenstrukturen zunehmen. Die islamischen Vereinigungen zeigen ein ver¬ stärktes Sendungsbewußtsein und eine breite Or¬ ganisations- und Bündnisfähickeit ^ ^.Sie treten als übergreifende Interessensvertretungsorgane der türkischen Muslime zunehmend selbstbewußter auch an deutsche Behörden heran, vorjallem mit der Forderung, als "öffentlich-rechtliche Körperschaft" und damit als offizielle Repräsentanten Muslime in der Bundesrepublik und Berlin aller (West) anerkannt und alleiniges Ausführungsorgan für den islamischen Religionsunterricht in den deutschen Schulen zu werden. Dazu stellen sie sich besonders der deutschen Öffentlichkeit gegenüber als poli¬ tisch und religiös überparteiliche dar (1 ) ( ^ J Organisation . Dazu folgende Beispiele: Vier türkische und deutsche Or¬ ganisationen haben in Dortmund 1980 einen "Landesver¬ band islamischer Gemeinden in NRW" gegründet (IKZ,Islami¬ sche Gemeinde Dortmund, Nurdschu-Bewegung und Geneinschaft de MosleiTls ^tMoscheen «Ch^raChiger • In "Islamische Berlin gründeten 19 Vereine und Anfang 1980 )eine Föderation" Ende August 1980 besetzten sogar Mitglieder der islamischen Föderation in Berlin ein Gebäude zwecks Errichtuno einer Moschee (auf dem Gelände des Görlitzer Bahnhofs) (Z) Hier ist daran zu erinnern, daß die Islamischen Kulturfr ^Jahre 1979 in NRW Interesse gezeigt hatten, als Öffentlich-Rechtliche Körperschaft" anerkannt zu werAls Beispiel für den islamischen Religionsunterricht könnie 26x1:1:1 SJ^SS/ ^SMCht !P der ^werden. gegründeten schen Federation aufgezeigt Sie will den "IslamiAuftrag für Religionsunterricht für muslimische Kinder in Berliner Schulen übernehmen. ^ 55 Tatsache ist, daß die islamischen Kräfte, ver¬ mischt mit konservativ-nationalistischen Strömun¬ gen, einen erheblichen Teil der Schutzbedürfnisse, des Identitätsvakuums und den Wunsch nach Gruppen¬ stabilität der türkischen Bevölkerung in der ihnen fremden und z. T. ablehnend gegenüberstehenden Ein¬ wanderungsgesellschaft abdecken, allerdings bis jetzt um den Preis, dafür isoliert und manipuliert zu werden. Denn erstens ist der türkische Islam in der Bundesrepublik zum Teil von den konserva¬ tiven bis rechtsextremistischen Organisationen in¬ filtriert, so daß über die islamische Religion zu einem hohen Maße politische Inhalte nationalisti¬ scher und faschistischer Prägung transportiert werden. Zweitens kann die islamische Bewegung allein den Türken in der Bundesrpublik letztlich nur eine religiöse Lebensführung gegen die moderne europäisch geprägte Gesellschaft anbieten und schließt damit zwangsläufig Entwicklungen aus, die durch Nationali¬ täten- und Kultur-übergreifende Handlungsansätze zur Erkämpfung sozialer und politischer Rechte aller Einwanderer führen könnten. Wie wäre eine Veränderung dieser Funktion denkbar? Ein Kulturzentrum mit Gebetsraum, wie es in dem Kon¬ zept der "AG-Ausländer" vorgeschlagen wird, wäre als ein solcher Handlungsansatz zu bewerten, durch den soziale und darüber hinaus auch politische Rech¬ te erkämpft werden können. 56 Eine öffentliche Anerkennung der Ausdrucks¬ formen des Islam würde einen wesentlichen Schritt bedeuten, der zum Abbau radikaler christenfeind¬ licher und nationalistischer Tendenzen in den is¬ lamischen Gruppen beitragen könnte. Gleichzeitig würde die Zusammenarbeit der islami¬ schen und demokratischen Einwanderergruppen unter einer gemeinsam verabschiedeten Satzung, die nach dem Konzept der Arbeitsgruppe gefordert wird, zu einer demokratischen Kontrolle aller Gruppen hinfuhren und zu einer Verweltlichung der religiö¬ sen Gruppen beitragen. Demokratisierung und Säku¬ larisierung sind die Entwicklungen, die'für den Is¬ lam in der Emigration unbedingt erzielt werden müssen, wenn man nicht akzeptieren will, daß rechts¬ radikale Gruppen aus dem Heimatland abergläubische, ängstliche und wenig informierte Teile der Bevöl¬ kerung aus der Türkei durch religiöse Verhetzung und Indoktrinierung für ihre Ziele weiterhin mi߬ brauchen. Positive Integration islamischer -Gruppen weist Heinz-Dieter Schilling in seinem Bericht über is¬ lamische Gruppen in der Sowjet-Union nach 1), die seit Entstehung der Sowjet-Union in ihrer Entfal¬ tung eher unterstützt als gehindert wurden, wie es scheint. 1) Der "rote" Halbmond, Zum Islam in der Sowjet-Union in: taz, 11.5.1985, S. 12/13 - 57 - Überraschender Weise registrierte Schilling sogar ein friedliches Nebeneinander von Sunni¬ ten und Schiiten in der Sowjet-Union. "Viele Moscheen werden von Sunniten und Schiiten gleichzeitig zum Gebet benutzt." a.a.O. (S. 12) Wenn auch vergleichbare Entwicklungen in der BRD und Berlin (West) nicht wahrscheinlich sind, so wird doch deutlich, welche Rolle die Gleich¬ berechtigung für die Ausprägung religiöser Grup¬ pen hat. -fa2Als ich zum Sitz des Mufti, der seine Ver¬ waltung in einer alten, hervorragend re¬ novierten Medresse eingerichtet hat, gehe, werde ich von Studenten der be¬ nachbarten Hochschule begrüßt: sie le¬ gen sich die Hand auf das Herz und wün¬ schen mir .Salem aleikum“, .Frieden sei mit Dir“. In diesem und vielen ähnlichen Augenblicken habe ich das Gefühl, daß die Sowjetmacht weit weg ist und ich mich in einem orientalischen Land befin¬ de. Bine meiner ersten Fragen an den Mufti war dann auch die nach dem Verhältnis von Sowjetmacht und Islam. Der Mufti: .Wir Geistlichen von Kasachstan und Mittelasien gehen immer von dem aus, was der Prophet Mohammed gesagt hat. Das gilt natürlich auch für unser Verhält- /fA.i.'gS? nis zum Sozialismus und zur Sowjet¬ macht. Im Koran steht geschrieben, daß der Islam angepaßt wird an alle Zeiten und Mächte. Und Allah verlangt, daß wir an diesen Bestimmungen des Korans festhalten bis zum Verfall der Welt. Die Zeit seit der Oktoberrevolution (er sagt Okto¬ berrevolution, mein Dolmetscher über¬ setzt aus alter Gewohnheit .große Okto¬ berrevolution“) hat gezeigt, daß wir un¬ sere religiösen Bräuche gut ausüben kön¬ nen. Im Vergleich zu der Zeit vor der Re¬ volution (er sagt Oktoberrevolution, mein Dolmetscher übersetzt aus alter Ge¬ wohnheit .große Oktoberrevolution“) haben wir sehr große Fortschritte ge¬ macht. Muslime können heutzutage in je¬ der beliebigen Stellung arbeiten. Sie haban die gleichen Rechte wie alle anderen Bürger der Sowjetunion. Einen Trend zur Liberalisierung und Öffnung hin zur deutschen Gesellschaft wie auch zu den nichtislamischen Gruppen beobachtet Jochen Blaschke seit Beginn der achziger Jahre bei den islami¬ schen Gruppen. ^Jochen Blaschke, Islam und Politik unter türki¬ schen Arbeitsmigranten. In: Jahrbuch zur Geschich¬ te und Gesellschaft des Vorderen und Mittleren Orients 1984. S. 295 - 368. Berlin 1985 58 - 2.2. Begründung auf der Basis empirischer Er¬ gebnisse: Gespräche mit demokratischen und islamischen Gruppen sowie mit Familien aus der Nachbar¬ schaft des Görlitzer Bahnhofs 2.2.1 Kalkei Devrimci Birligi (HOB) (Progressive Volkseinheit der Türkei e.V.) und Berlin Türk Toplulu^u (BTT) (Türkischer Bund in Berlin e.V.) Interview am 15.2.1985: Frage: Das ist die erste Frage an Euch, inwieweit ein solches Zentrum von Eurer Seite bejaht wird. BTT: Meine persönliche Meinung ist, daß wir so etwas haben wollen, weil wir ja ein Zeichen setzen wollen, das ist ein Politikum, es hat damit zunächst nichts zu tun, wie groß das sein wird, was da drin sein wird und Ähnliches. Wenn ich das im Türkischen Bund einbringe, sagen die: "Wie kommen wir dazu, überhaupt eine Moschee zu fordern oder zu wollen. Es gibt auch andere Möglichkeiten, irgendwo Spu¬ ren zu hinterlassen." So ist die Meinung. Aber wir hatten ja von Anfang an nicht eine Moschee geplant, sondern so ein kleines Kulturzentrum, das nur Stadtteilarbeit macht. Also es kann nicht angehen, daß wir jetzt ein Zentrum haben für ganz Kreuzberg, wo alle Aktivitäten dadrin stattfinden. 59 Das ist nicht der Sinn der Sache. Die ganze Kultur- und Bildungsarbeit muß ja auf Stadt¬ teile und zwar bedarfsorientiert verteilt wer¬ den. Wenn man diesai Gesichtspunkt nicht aus den Augen läßt, glaube ich, daß hier im Süd¬ osten von Kreuzberg eine solche Station mit einer Bibliothek, ein paar Veranstaltungsräu¬ men und auch einem Gebetsraum oder wie man das jetzt nennen will, existieren sollte. Als Bildungsinstitution (der Sprecher ist Mit¬ arbeiter in der Volkshochschule Kreuzberg) sind wir selbstverständlich daran interessiert, da wir hier ja überall in den Stadtteilen unsere Arbeit leisten, mit unseren Angeboten da hinein¬ zugehen. Auf der anderen Seite ist es als Politi¬ kum notwendig, sowohl der türkischen als der deutschen Bevölkerung klar zu zeigen, daß wir (wir als Türken) da sind, daß wir gewisse Be¬ dürfnisse haben, die anders sind als die der anderen, und dafür müssen auch sichtbar Zeichen da sein. Ich kann natürlich die Sache auch ganz radikal machen und sagen: Was soll ich hier mit einer Moschee? Ich brauche nur ein Minarett -als Zeichen, und alles andere ist uninteressant. Diese Einigkeit an diesem Abend (meint die Son¬ dersitzung des Stadtteilausschusses) war eigent¬ lich auch daraus geboren, daß wir gesagt haben: Wenn wir nicht einig sind, werden sie uns herun¬ terputzen und auch wegfegen. Undobwohl wir einig waren, waren doch einige Leute so weit, daß Angst da war, die Angst, daß alle von rechts bis links sozusagen am gleichen Strang ziehen, wie wir aus 60 - der Reaktion von Herrn König gesehen haben. Das (die Einigkeit) ist eigentlich für uns auch ein Novum gewesen. Dort an dem Abend ist die Sache eigentlich falsch dargestellt wor¬ den. Man dachte wirklich, daß wir die FatihMoschee vergrößern wollen. Das meinen wir eigent¬ lich auch nicht. Ich meine, der Standort ist sehr wichtig, weil wir an den Stellen, wo wir etwas haben wollen, auch einmal etwas haben sollen und nicht wieder abgeschoben werden sollten auf Ersatz. Deswegen ist der Moritz¬ platz und was sonst als Alternative angeboten wurde, in dem Sinne keine Alternative, erstens weil in der Gegend wenig Türken wohnen, sie mü߬ ten also erst wieder hinfahren, und zweitens weil es nicht dort ist, wo wir es haben wollen, wo die Notwendigkeit unserer Meinung nach ist. Wir müs¬ sen uns nur vor einer Sache hüten: Daß die Offiz e ^ ^^en sagen, wenn wir gewisse Forderungen stel¬ len: Was wollt ihr? Hier ist doch etwas für Euch. Also ein Bau, ein türkisches Kulturzentrum wird dann als Alibi dazu dienen, jede andere Forderung vom Tisch zu fegen, weil es da ist. Deswegen darf es keine große Dimension haben. Das muß die Di¬ mension haben, die zu den Bedürfnissen dieses Stadtteils paßt. Wenn wir was Größeres haben wollen, dann besetzen wir die Fläche am Anhalter Bahnnof und lassen dort eine zweite Hagia Sofia oder Süleymaniye bauen. 61 Frage; Ja, was sagt denn der KDB zu einem beabsich¬ tigten Zentrum? -Frage nach Mitgliederzahl und Anteil der Kreuzberger Mitglieder- HDB; Von unseren Mitgliedern schätze ich, daß höch¬ stens 30 % in Kreuzberg wohnen. Wir haben eine starke Mitgliederkolonie in Schöneberg, Tegel und Charlottenburg. Wir sind zwar ein Verein in Kreuzberg, aber da wir eine bestimmte gesell¬ schaftliche Lücke füllen, bekommen wir Mitglie¬ der aus allen Stadtteilen. Deswegen kann man nicht sagen, daß wir eher eine Stadtteilorgani¬ sation sind, das sind wir nicht. Wir haben diese Idee bei uns im Verein ein paar¬ mal diskutiert, aber sie war sehr umstritten. Wir haben das auch nicht zu einem Ergebnis gebracht, so daß, wenn ich jetzt abtworte, das mehr meine Meinung ist als die der Mehrheit des HDB. Vielleicht kann A. als jetziger Vorsitzender des Vereins eher Verbind¬ liches darüber sagen. Ich sehe das nicht so wie N. das vorhin formu¬ liert hat, daß man mit so einem Projekt ein Zei¬ chen setzen könnte als türkische Kolonie in die¬ sem Bereich. Denn dafür denke ich, daß die Tür¬ ken in diesem Bereich bestimmte Voraussetzungen einer starken Kolonie noch nicht errungen haben. Ich denke, so ein Kulturzentrum müßte man, wenn 62 man wirklich ein Zeichen setzen will, mit eigenen Mitteln errichten, nicht mit Mitteln vom deutschen Staat. Wenn man wirklich so stark wäre , dann wäre die Sache ganz anders. Und wenn ich so sehe, so ein Kultur¬ zentrum und so einen Gebetsraum, dann sehe ich grundsätzlich Widersprüche. Erstens sind in diesem Bereich eine Reihe Projekte und Vereine lokalisiert, die sich selber als Kul¬ turorganisation, als kulturschaffende Insti¬ tutionen sehen. Und zweitens sind in diesem Bereich auch eine ganze Menge Gebetsräume, die diese Funktion erfüllen und die darüberhinaus diesen Gruppen auch die Möglichkeit geben, sich politisch und gesellschaftspoli¬ tisch zu treffen. Daher denke ich, daß die¬ ses Kulturzentrum erst eine Bedeutung erlan¬ gen kann, wenn es wirklich entweder von allen zusammen getragen wird, oder, daß es z. B. vom türkischen Staat betrieben wird, wirklich als eine Organisation, ein Zentrum, was der tür¬ kische Staat seit Jahren vernachlässigt, den eigenen Menschen überhaupt etwas anzubieten. Ich habe nichts dagegen, daß Leute sich selbst die Möglichkeit erarbeiten, kulturell tätig zu sein. Aber darüberhinaus meine ich, daß ein Staat sich diese Aufgabe stellen müßte, den Millionen, die außerhalb des Landes leben -so konzentriert wie in Berlin- dann hätte dieser Staat unmittelbar die Aufgabe, diese Leute wei¬ terhin kulturell zu betreuen. Und das macht er nicht, der türkische Staat, überhaupt nicht. 63 Und darum denke ich, dieses Zentrum könnte nur die Bedeutung eines Zeichens haben, wenn es von allen Gruppen zusammen oder vom tür¬ kischen Staat'betrieben" wird, als ein Arm der kulturellen Betreuung der Türken in die¬ ser Stadt. Denn wir sollten uns nicht vor¬ machen, daß wir soweit sind, daß in einem Zen¬ trum linke Gruppierungen sozusagen linke Kul¬ tur anbieten und nebenan Rechte ihr Gebet ab¬ halten. Ich denke, wir sind noch nicht so weit. Und die ganze politische Szene beweist das an und für sich. Wir sind erst in der Phase des Gesprächsuchens. Wir versuchen, miteinander in Dialog zu kommen. Und wie man da so ein Kulturzentrum gemeinsam betreiben kann, das sprengt im Moment meine Vorstellung. Diese grundsätzlichen Bedenken sehe ich als Person, nicht als HDB. Ich weiß nicht, ob das als grundsätzliche Stellungnahme erstmal aus¬ reicht. Also vielleicht nochmal kurzgefaßt: Ich sage, wir sind als türkische Kolonie noch nicht in der Lage, weil wir noch zu schwach sind, sowohl wirt¬ schaftlich als auch in unserem Zusammenhalt(und zweitens wird von sehr vielen Organisationen eine Kulturarbeit geleistet. Und wenn man das zentra¬ lisieren will, wie soll das geschehen? Der tür¬ kische Staat hat im Moment kein Interesse daran, weil er selber nicht weiß, was mit diesen Ar¬ beitsemigranten passieren soll. Sie sagen zwar immer wieder: Wir sind dagegen, daß unsere Lands¬ leute ihre kulturelle Identität verlieren, die - 64 reagieren sehr heftig, wenn in der zweiten Generation Kulturkonflikte auftreten, -die gelten immer als verlorene Generation- aber die (der türkische Staat) tun nie was dafür, daß die ihre kulturelle Identität -natürlich die hiesigen Bedingungen einbezogen- erhal¬ ten können. Deswegen sehe ich grundsätzliche Schwierigkeiten. Frage; Ja meinst du nicht, daß, wenn die türkische Kolonie noch so schwach ist, wie du sie siehst, daß so ein Zentrum zur Stärkung dieser Kolonie beitragen könnte? HDB: Richtig. Aber wie gesagt: Welche gesellschaft¬ liche Macht sollte dahinter stecken 2 Das ist die 9 Frage. Wenn es wirklich ein anziehendes, ein einflu߬ reiches Zentrum sein soll. Da frage ich mich: Wer soll dahinter stecken? Die Geschichte mit den zentralen Kulturstätten ist nicht ganz neu. Es gab in der Vergangenheit solche Überlegungen. Dann ist es auch vom Senat abgelehnt worden, eine zentrale Kulturstätte einzurichten. Es gab klei¬ ne Interessensgemeinschaften, sowas auf die Bei¬ ne zu stellen. Aber letzten Endes sind die alle gescheitert, weil erstens die immer wieder auf den Senat losgegangen sind und gesagt haben: Gebt uns Knete, wir werden sowas machen. Und der Senat hat gesagt: Im Moment hab ich kein Interesse an - 65 sowas. Deswegen ist es auch gescheitert. Dieses Kulturzentrum, von dem wir sprechen, scheint ein bißchen anders zu sein, weil es mit einem Gebetsraum gekoppelt werden soll. Aber da bin ich auch skeptisch, ob das wirk¬ lich der Sinn sein soll. Denn: das Zeichen seh ich nicht, das im Errichten eines Mina¬ retts besteht. Sondern: wenn von diesem Zen¬ trum wirklich sehr starke kulturelle Impulse ausgehen, dann ist es für mich ein Zeichen, nicht das Minarett. Frage: Das Gespräch mit den religiösen Gruppen bringt aber eine neue Qualität in die ganze Geschich¬ te. Man darf nicht vergessen, daß der Auslöser der ganzen Diskussion die Fatih-Moschee war, die ja als erste türkische Gruppe eigenständig eine Besetzung gewagt hat...... (Kassettenaufnahme nicht zu verstehen) BTT: Das Bedürfnis (nach Religionsausübung) ist ja da. Dieses Grundbedürfnis möchte ich als Aufgeklärter nicht mißbrauchen, aber benutzen. Deswegen sa¬ ge ich: in diesem Zentrum muß auch eine Stätte sein, wo gewisse Menschen, die sonst nicht da hineinkommen, ein Bedürfnis befriedigen können. Menschenskind, keiner von Euch kommt auf die Idee, zu sagen: in diesem Kulturzentrum wollen wir kei¬ ne Toiletten haben. Wenn dies ein Grundbedürfnis 66 ist, dann müssen wir auch dafür sorgen, daß es befriedigt wird. Ansonsten machen es ja andere, das sehen wir ja. Wir könnten jetzt natürlich davon ausgehen und sagen: in Kreuzberg sind allein 10 oder 15 Moscheen und Gebetsstätten, wozu brauchen wir noch eine? Ich finde, wenn wir eine Dis¬ kussion darüber machen, sollten wir davon aus¬ gehen: Ist es überhaupt notwendig? Und wenn wir feststellen, daß es notwendig ist, sollten wir festlegen, wer das bauen soll, dann kommt, wer das tragen soll, dann kommen die inhalt¬ lichen Sachen, was dadrin gemacht werden kann, in dieser Reihenfolge müßte man das machen. Denn wenn die jetzt anfangen, darüber zu strei¬ ten, wer eigentlich der Träger sein soll, dann ist die Sache von Anfang an gestorben. HDB: Mit dem Beirat, das hab ich absichtlich gesagt: Denn wenn die Funktion nicht vorher bestimmt wird, dann hat es auch keinen Sinn, daß wir versuchen, sowas zu bauen. Funktion, Arbeits¬ weise u.s.w. muß man auch am Anfang zur Dis¬ kussion stellen. Nehmen wir an, daß da eine Moschee gebaut würde, und nach dem Bau machen wir eine Diskussion. Dann stellen wir fest, daß wir nun da praktisch nicht mehr mitarbeiten kön nen. Denn was sollen wir mit einer Moschee anfangen? Also dieses Vorhaben muß in seiner Funk tion gleichzeitig diskutiert werden. - 67 BTT: Das ist klar. Auf der anderen Seite dürfen wir nicht blauäuigig sein. Wenn man die wirt¬ schaftliche Macht vor Augen sieht und auch die Möglichkeit, sich finanzielle Ressourcen zu öffnen, sind die so gefürchteten Rechten ja am längeren Hebel, in jedem Falle, Denn wenn die wirklich wollten, könnten sie heute die 30 bis 40 Millionen, die für soetwas nö¬ tig sind, auf irgendeine Weise auf den Tisch legen. Und da würden wir nur die Augen aufreißen wie kleine Kinder vor großen Geschen¬ ken und zugucken, was da eigentlich los ist, HDB; Ja, heißt das, daß du sowaswünschst? BTT: Nein, nein. HDB: Du schraubst aber deine Ansprüche angesichts der Realität ziemlich niedrig. BTT: Ja, gewiß. Ich will klein,klein anfangen, und zwar mit diesem Zentrum. Als diese Geschichte mit der Fatih-Moschee aktuell wurde und wir ge¬ sagt haben: nur so eine Gebetsstätte in einer Kulturstätte (ich sage nicht mehr Zentrum), da kam der Vertreter, dieser junge Mann, von der 68 - Fatih-Moschee und sagte: Was, die wollen uns nur 1000 m geben? Wir brauchen das gesamte Gelände mit 140000 m2, alles wollte er haben und wollte eine Moschee wie die Süleymaniye da hinstellen. HOB: Das würde ich auch begrüßen. Das würde ich auch gern haben, aber nicht eine kleine Kul¬ turstätte mit sehr vielen Kompromissen. Eure psychologischen und sozialpsychologischen Be¬ gründungen hier, wofür man ein Kulturzentrum braucht, zur Erhaltung und Verteidigung der kulturellen Identität, zur Behauptung des eige¬ nen Kulturkreises, das ist ja alles richtig. Aber das ist nur durch sowas möglich. Ich wür¬ de es wirklich begrüßen, wenn die islamischen Kräfte mit Geldern vom Iran oder Saudi-Arabien so etwas bauen würden. Das ist wirklich etwas, das Jahrhunderte dauern würde, auch wenn ich kein religiöser Mensch bin, will ich das haben als eine Zeichensetzung. Aber machen wir uns nichts vor: Kultur macht man mit viel Geld. Es ist halt so, wenn die dann kommen und verglei¬ chen, andere, die sind gekommen und haben eine Kirche gebaut und haben dann drumherum sich an¬ gesiedelt (meint Immigranten in USA z.B.). So eine Gesellschaft sind wir aber nicht. Es sind zwei hauptsächliche Kultur - -Richtungen in der türkischen Gesellschaft, die sich bis¬ her gegenseitig unheimlich vermieden haben. Die haben wahnsinnige Berührungsangst: die sogenannten - 69 westlich Orientierten und die sogenannten öst¬ lich Orientierten. Und im Moment macht man sich in der Türkei Gedanken darüber, -und wir machen das auch- wie man daraus eine Synthese machen kann. Aber wir sind noch nicht mal am Anfang. Wir sind noch beim Überlegen: Wie kön¬ nen denn wir es überhaupt machen, daß wir die¬ se 60/70 Jahre andauernde Isolation aufheben und miteinander reden?- Wir haben noch nicht einmal eine politische Macht aufgebaut, weil wir nie miteinander gesprochen haben. Den Streit innerhalb der Linken will ich dabei gar nicht ansprechen. Für mich geht es wirklich hauptsäch¬ lich um diese beiden Richtungen. Und wir haben keine wirtschaftliche Macht im Moment, diese Kolonie hat diese Macht nicht, der wirklich ga¬ lanteste türkische Geschäftsmann von Berlin hat ja nur Schulden, überhaupt kein Geld. Also Ge¬ schäftsleute in dem Sinne sind sie gar nicht, daß ich mit denen sprechen kann und Kompromisse schließen kann, damit ich Geld kriege. Diese Kon¬ stellation gibt es ja gar nicht. Ich könnte zu diesem Verein der türkischen Geschäftsleute nicht hingehen und sagen: "Wir machen jetzt kulturelle Arbeit. Gib mal 5000.-- DM." Die würden nicht einen Pfennig geben, weil sie das Geld gar nicht haben. Wir haben keinen richtigen Geschäftsmann in dieser Stadt. Deshalb müssen wir kleine Bröt¬ chen backen(und die backen wir auch seit Jahren. Verdammt noch mal, jeder backt diese kleinen Bröt¬ chen in seinem eigenen Laden. Deshalb halte ich diese Idee vom Zeichensetzen für verfrüht. - 70 Wir versuchen doch bei BTT seit 2 Jahren, daß die sogenannten Westlichen sich einigen, wir bringen das nicht auf einen gemeinsamen Nenner. Seit 2 Jahren haben wir es noch nicht einmal zu einem Termin gebracht (meint,'mit den isla¬ mischen Gruppen). Mit denen haben wir zwar ein¬ mal ganz kurz gesprochen, aber inhaltlich über¬ haupt nicht. Deswegen sage ich: es ist verfrüht, über sowas mit den Senatsstellen zu kämpfen und zu sagen: Gebt mal Geld. Wir sind so wirklich darauf angewiesen, die Bedingungen des Senats zu akzeptieren, weil wir selber noch keine Linie haben, weder politisch noch wirtschaftlich,noch kulturell sind wir einheitlich. BTT: Auf der anderen Seite werden 100 Millionen für den Mendelssohnbäu ausgegeben. Glaubst du, daß sie dem Peter Stein oder der Schaubühne darein gucken können in das Theater? Niemals.... Daß wir am kürzeren Hebel sitzen, ist mir auch klar, aber ich sage -wie sagt man im Türkischen so schön: "Einem Kind, das nicht schreit, gibt man nicht die Brust."- Wir müssen irgendwann mal anfangen zu fordern und zwar gewaltig zu for¬ dern. Und eine der Forderungen könnte so etwas sein. Ich persönlich bin eben nicht dafür, daß irgendwo ein Zentrum hingesetzt wird, wo man alles hineinschieben kann und dann sagen kann: Was wollt ihr denn, da habt ihr doch was. Denn Barbara John wollte ja an der Wissmannstraße so etwas machen, auch ein Zeichen setzen, über die 71 Grenzen Berlins oder Deutschlands hinaus. Das war ihre Idee. Da sollte ein Zentrum entstehen, wo an erster Stelle ausländische Nachbarschaft was machen sollte. Wobei die erste Reaktion von der Nachbarschaft kam, die sagten: Was, da wollt ihr eine Gaststätte machen? Die erste Reaktion war: Nein, das wollen wir nicht. Und als die Gelder ohnehin gestrichen wurden, -da¬ hinter stand ja niemand-, da wir ja gesagt ha¬ ben, wenn sie in der Wissmannstraße so ein Kul¬ turzentrum hinsetzen, dann gibt es in den näch¬ sten Jahren für kulturelle Angelegenheiten kei¬ nen Pfennig mehr. Frage: Wenn man die Entwicklung in Kreuzberg in den letzten Jahren betrachtet, (ungefähre Wie¬ dergabe der Rede) dann sieht man, daß es gewisse Änderungen gibt im Straßenbild, in der Bevölke¬ rungsstruktur, Man kann vermuten, daß eine eth¬ nische Kolonie entstanden ist, die schon Merk¬ male von Eigenständigkeit hat. Es könnte sein, daß so ein Zentrum die Funktion hätte, diese eth nische Kolonie zu stabilisieren. BTT: Man spricht viel von der 'Kulturellen Identität" und tut dabei häufig so, als sei das etwas Sta¬ tisches. Eine Konservierung von dem, was uns ver loren geht, können wir in einer Industriegesell¬ schaft auf keinen Fall schaffen. Man kann voraus sehen, daß die islamische Religion in Europa in 72 50 oder 100 Jahren anders aussehen wird, als die Religion, die da war, (die mitgebracht wurde). Es gibt mit Sicherheit sehr sehr we¬ nige Einwanderer, die es geschafft haben, ihre Religion so zu konservieren, wie sie das woll¬ ten. Das haben nur die deutschen Einwanderer in Amerika geschafft, diese Sekte, die nicht einmal Knöpfe benutzen, die nur binden, die kein Licht, keinen Motor, überhaupt keine Zivi¬ lisation hineingelassen haben. Das können wir hier nicht schaffen, und das ist auch gar nicht erstrebenswert. Und deswegen sage ich, unsere Kultur wird sich entwickeln, irgendwann mal wird was Neues entstehen, und etwas zu konser¬ vieren, wird uns mit Sicherheit schwer fallen. HDB: Für uns sowieso. Weil die Religion in unserer Erziehung, in unserem Leben, in unserer Denk¬ weise keine Rolle gespielt hat. BTT: Den anderen wird es auch schwer fallen. HDB: Bei den anderen ist es viel stärker ausgeprägt. Das ist ja auch die Schwierigkeit, bei dem Ver¬ such, sich politisch zu etablieren, sich als Kolo¬ nie zu etablieren, weil diejenigen, die bisher die¬ se ganze Emigrantenpolitik versucht haben zu be¬ einflussen, die haben dieses Thema nie berück- 73 - sichtigt. Das ist ja unsere Schwierigkeit. Die anderen Auswanderer hatten es wahnsinnig viel leichter, weil sie ihre Religion als eine Selbstverständlichkeit betrachtet ha¬ ben. Aber wir haben das nie getan. Wir ha¬ ben bisher nicht einmal ein Bedürfnis gehabt, mit den sogenannten Religiösen zu sprechen. Wir haben immer wieder gesagt: Ach, laß die, die kennen sowieso nur ihr Gebet. BTT; Wir wissen, daß das ein Fehler war. HDB: Ja, jetzt haben wir das eingesehen. Aber jetzt wissen wir auch nicht mehr, wie wir damit um¬ gehen sollen. BTT: Ja, ganz einfach bei solchen Gelegenheiten. Wenn jetzt eine Gruppe kommt, die irgendetwas für ihre Religion haben will, dann fällt uns verdammt noch mal die Aufgabe zu, diese Gruppe zu unterstützen. HDB: Also, wenn ich mit denen Gespräche führe, weißt du, was die uns sagen? Was ihr macht,ist doch Quatsch, Mensch! Die einzige Möglichkeit liegt in der islamischen Gesellschaftsordnung. Die ha¬ ben auch eine bestimmte Vorstellung. Und diese Vor¬ stellung ist von der unseren soweit entfernt, daß 74 wir wahnsinnig viel Zeit brauchen, um mitein¬ ander zu einem bestimmten Konsens zu kommen. Ich kenne solche Leute von der Arbeit und so. Ich rede immer wieder mit denen. Es gelingt mir nicht, bis zu einem bestimmten Punkt zu kommen. Sie lehnen (meine politischen Vorstel¬ lungen) vollkommen ab. Und jetzt versuche ich, mir vorzustellen, wie ich gesellschaftlich und kulturell was mit denen zusammen machen kann. Ob wir überhaupt diese Toleranz gegenseitig aufbringen können, daß sie z. B. in ihrem Ge¬ betsraum dasitzen und sagen: "Alles Scheiße mit dieser westlichen Gesellschaft. Hoch die islamische Gesellschaft!" Ob wir dann diese Toleranz aufbringen können, und sagen können: "Laß die doch machen!" Ich glaube nicht, daß wir soweit sind. Frage: Wir haben ja ein Gespräch gehabt mit der FatihGemeinde. Da habe ich mich über ein paar Punkte sehr gewundert. Y., ein Sprecher der Gemeinde, sprach mit uns. Y. scheint selbst Arbeiter zu sein, er sprach sehr gut Deutsch, hat die ganze Sache auf Deutsch dargestellt und hat folgendes gesagt: "Wir sind ein Arbeitnehmerselbsthilfe¬ verein. Wir sind vom türkischen Staat in unserer religiösen Bedürfnissen im Stich gelassen wor¬ den, deswegen haben wir uns zusammengeschlossen und gesagt: Wir müssen uns selbst organisieren. Wir wählen unseren Vorstand demokratisch. Wir entsprechen damit vollkommen den Idealen, die - die Deutschen haben 75 - Es ist so, daß wir hauptsächlich von der Kraft der Mitglieder le¬ ben, " HDB; Gut gelernt. Frage; Ja, gut gelernt. Aber ich hatte den Eindruck, daß dieser Mann dies nicht nur aus Opportunis¬ mus gesagt hat, sondern daß in seinem Bewußt¬ sein auch Teile des Gesagten wirklich waren, was für mich andeutet, daß sich solche Gruppen auch verändern, daß das jahrelange Zusammenle¬ ben als Arbeiter in den Betrieben, wo man Ver¬ trauensleute erlebt, wo man gewerkschaftliche Arbeit sieht, daß dies doch das Bewußtsein ver¬ ändert. Die Hausbesetzung war ja eine sehr eigen artige Geschichte. Sie (die Fatih-Gemeinde) sind ja dort in die Nähe der Hausbesetzerbewegung ge¬ raten und sind ja zum Teil auch von dieser Seite unterstützt worden. Da, meine ich, sind Verände¬ rungen im Gang, die Ihr vielleicht auch nicht wahrnehmt. HDB s Das ist möglich. Frage: Ich habe mit verschiedenen deutschen Lehrerkolle gen gesprochen, die mit deutschen Klassen die Fatih-Moschee besucht haben. Und die sagen dann: - 76 "Eigenartig, wir haben den Eindruck, daß die viel offener sind, als von unseren türkischen Freunden immer behauptet wird. Sie zeigen uns ihren Koranunterricht. Sie verkaufen Kassetten mit den Predigten von Dural. Sie lassen uns fotographieren, sie machen Öffentlichkeitsar¬ beit." Das ist doch eine Entwicklung, denn das ist doch eine Gruppe, die in der Türkei gar nicht öffentlich arbeiten dürfte, hier aber einerseits diese VJege nutzt, andererseits aber auch kontrollierbar wird. (zu M. vom HDB) Ich hab mich sehr gewundert, daß du sagst: Ich wünsche mir eine Riesen-Moschee, mit der ich dann nichts am Hut habe. Ich meine, das ist doch ein wichtiger Anspruch als Linker, daß, wenn eine religiöse Stätte irgendwo entsteht, man die Mög¬ lichkeit hat zu kontrollieren, was dort geschieht. Es ist doch wichtig, daß die Sekten, die im Un¬ tergrund arbeiten und die Leute beeinflussen, ge¬ zwungen werden, an die Oberfläche zu kommen, an die Öffentlichkeit zu treten. Das ist doch ein entscheidender Anspruch an Euch, Und nicht zu sagen: Laß sie die Moschee bauen, damit ist das Zeichen wenigstens da. HDB: Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt: An¬ fangs werd ich bestimmt nichts damit zu tun ha¬ ben, weil ich nicht dazu bereit bin. Aber eine Moschee ist etwas, das Jahrhunderte bestehen bleibt. Und ich erhoffe mir, daß endlich in die- - 77 ser Gesellschaft diese Berührungsangst abge¬ baut wird, daß die Westlichen mit den öst¬ lichen Orientierten gemeinsam zu einer Syn¬ these kommen. Und da ich Hoffnung auf diesen Gedanken setze, sage ich, auch wenn sie jetzt eine Moschee hinsetzen, mit der ich anfangs nichts anfangen kann, bin ich dafür, denn ich hoffe, daß sich im Laufe der nächsten Jahre etwas verändern wird. Dann haben wir vielleicht gemeinsam ein Zeichen nach 50 Jahren, wo wir vielleicht beide sagen können: "Das ist unsere Moschee, das ist unser Kulturzentrum." Das ist meine Hoffnung. Weil der türkische Staat das nicht macht, weil er diese Notwendigkeit nicht sieht. Frage: So ein Kulturzentrum hätte ja einmaligen Charak¬ ter. Du mußt ja auch sehen, daß ein türkisches Gemeindehaus oder Kulturzentrum nirgends besteht. HDB: Doch, in einigen Städten in der Bundesrepublik gibt es sogenannte Türkeihäuser, die von den Kon¬ sulaten betrieben werden. Und normalerweise soll¬ ten diese Häuser ja die Funktion der kulturellen Betreuung haben, z. B. in Frankfurt oder Hannover, Köln. Frage: Sind das richtig abgetrennte Häuser mit einem ge¬ wissen baulichen Anspruch? 78 HDB: Nein, die haben nicht so einen vorzeigehaften Charakter, das sind auch solche Räume, die sie gemietet haben, weil sie ja keine andere Mög¬ lichkeit haben, Aber weil sie keine richtige Kulturpolitik haben, wissen sie selber nicht, was sie damit anfangen sollen. Frage: Ja, wir machen ja was anderes. Wir mieten keine Räume, sondern wir lassen etwas Neues entstehen. Und da setzen wir einige bestimmte historische Elemente hinein, die wir aus unserem Land mitge¬ bracht haben, baulich und inhaltlich. Das hat natürlich Anziehungskraft, egal in welcher Di¬ mension es entsteht, es ist einmalig. HDB: O.K. Aber wer soll diese Elemente, die wir mitge¬ bracht haben, in ein Mosaik zusammensetzen? Das ist die Frage, Frage: Ja, die Frage ist klar. Es geht um die Organi¬ sationsstruktur dieser Kolonie, egal ob östlich, westlich, religiös, demokratisch oder wie. Die¬ se Organisationsstruktur muß historisch gesehen, die Elemente zu dieser Verschmelzung liefern. Des¬ halb ist es notwendig, wenn man soetwas macht, auch mit den Organisationsstrukturen der anderen Kräfte zusammenzuarbeiten, oder Berührungspunkte 79 zu finden, wo man vielleicht Zusammenarbeiten kann. Das müssen wir auch als demokratische Organisation immer im Auge behalten. HDB: Das war ja auch mein Vorschlag. Aber ich habe gesagt: Wir sind wahnsinnig am Anfang. Wir ha¬ ben noch nicht mal angefangen, miteinander zu reden. Frage: ....(nicht verständlich) So ein Kulturzentrum könnte ein Ort sein, wo man aufeinander zugehen kann, HDB: Also bis wir die Notwendigkeit eingesehen haben, hat es ja 8 bis 10 Jahre gedauert, wann wir das dann auf die Beine stellen werden BTT: Aber es geht nicht, daß wir sagen: Warten wir noch 10 Jahre. HDB: Aber kannst du denn wirklich deine kulturelle Identität plötzlich so überwinden? Kannst du das? Also ich kann es nicht. Ich sehe diese Schwierig¬ keit. Wenn man mich z.B. zu einem gemeinsamen Ge¬ bet einladen würde, ich frag mich, ob ich der Ein¬ ladung folgen könnte oder nicht 80 HOB; Aber die gehen doch davon aus, daß wir alle Mohammedaner sind. Und diese Antikommunismus¬ kampagnen, die seit Jahren in der Türkei be¬ trieben wurden, die darfst du auch nicht ver¬ gessen. Für die sind wir gottlose Kommunisten, die ihre Frauen an jeden verschenken können. Die haben das im Hinterkopf. Die können das auch nicht so einfach überwinden. Wir reden zwar von unseren Annäherungsversuchen, aber was für Mau¬ ern bei denen bestehen, darüber machen wir uns keine Gedanken.,., Aber ihr habt doch erzählt, daß bei dieser Stadt¬ teilausschußsitzung auch AL- und SPD-Leute wahn¬ sinnig erbost waren über diesen Gedanken, Linke mit Rechte zusammenzubringen. BTT; Ja, sie zeigten sich erbost, aber in Wirklich¬ keit waren das Angstzustände, vor allem bei Herrn König, als er gesehen hat; Aha, wenn die was wol¬ len, können sie sich auch einig werden. Was er von diesem Abend mitgenommen hat und was er auch im Bezirksamt berichten wollte, das war dieser Kern. Ich fand den Abend einen der wenigen Abende, wo sowas deutlich wird, wenn wir auch nicht viel erreicht haben. HDB; Aber was ich ansprechen wollte: Wie wir jetzt Unterstützung bekommen können in der deutschen Öffentlichkeit. 81 BTT; Das ist ein Interessenkonflikt. Herr König will Sportplätze haben. Ich bin ja auch nicht gegen Sportplätze. Auf der anderen Seite kom¬ men die ehemals linken Bonzen jetzt und wollen einen Park vor der Tür haben. Ich bin ja auch dafür, denn in Kreuzberg ist die Luft misera¬ bel, Das sind solche Interessenkonflikte, die ausgeräumt werden müssen. Das kannst du nur, indem du für deine Sache kämpfst. Du mußt auch so sehr Demokrat sein: Wenn du verloren hast, dann hast du verloren. - 82 2.2.1.1 Zusammenfassung des Interviews mit Vertretern des HDB und des BTT vom 15.2.1985 \ "Moschee als Zeichensetzung" Hauptergebnis des Gesprächs ist die Aussage, daß ein Kulturzentrum gewünscht wird und ge¬ fordert wird als Zeichensetzung und als Iden¬ tifikationsobjekt für die türkische Minderheit. Die Einbeziehung eines Gebetsraumes wird dabei akzeptiert. Über politische und ideologische Differenzen und Feindschaften innerhalb der Min¬ derheit hinweg wird das Bewußtsein ethnischer Zugehörigkeit zum Ausdruck gebracht, es ist die Rede von der "ethnischen Kolonie", die Anspruch auf einen Ort habe, der nach außen wie nach innen kulturelle Identifizierung anbieten könne. Dabei wird die Moschee mit Minarett als kultu¬ relles Zeichen hingenommen oder sogar gewünscht, auch wenn die Inhalte, die in der Moschee ver¬ treten werden, von den interviewten Gruppen nicht immer unterstützt werden. Die Forderung nach einem Kulturzentrum wendet sich gegen die Dominanz und den Ethnozentris¬ mus der (westlichen) herrschenden Kultur. Die islamische Prägung der eigenen Kultur wird in der Entgegensetzung gegen europäische Kultur akzeptiert, oder als Selbstverständlichkeit dar¬ gestellt. Dabei ist deutlich, daß diese positive Wertung des Islam als Reaktion auf Ausbeutung und Diskriminierung der türkischen Minderheit zu verstehen ist, als antüpperiallstische Ten¬ denz, die auch eine Solidarisierung mit tradi- 83 tionellen Inhalten ermöglicht, die im eigenen Land bekämpft werden. "Berührungsängste" Die Sprecher des HDB sind in der Ideologie des Kemalismus aufgewachsen und sind dementsprechend in der Grundtendenz prowestlich, antiklerikal und aufklärerisch eingestellt. Erst in der Konfrontation mit der Diskriminie¬ rung islamischer Minderheiten wird ihnen bewußt, daß sie mit dem Kemalismus auch die Zurückdrängung türkisch/islamischer Prägungen akzeptiert haben. Sie sprechen von Berührungsängsten, die seit Be¬ ginn des Kemalismus in der Türkei zwischen den sich als fortschrittlich verstehenden Kräften und dem Islam und seinen Vertretern bestehen, und die auch in der Emigrationssituation weiter bestehen. Ein Teil der Sprecher betont, daß die Zeit gekommen sei, diese Berührungsängste zu über¬ winden. Die gemeinsame Diskriminierung durch die fremde Gesellschaft, die sich besonders auch ge¬ gen die islamische Prägung der Minderheit aus der Türkei wendet, zwingt dazu, sich zu verstän¬ digen. Ebenso wird aber auch die Meinung vertre¬ ten, daß der Zeitpunkt zur Solidarisierung noch nicht gekommen sei, weil die materiellen Voraus¬ setzungen für eine ernstgemeinte Zusammenarbeit von linken und islamischen Gruppen sich noch ent¬ wickeln müssen. Das Kulturzentrum wird als Chance gesehen, gegen¬ seitige Ressentiments der Gruppen zu bearbeiten - 84 und in einer gemeinsamen Initiative möglicher¬ weise zu überwinden. Dabei gehen die Sozialisten einen Schritt auf die islamischen Gruppen zu, wenn sie das Bedürfnis nach religiöser Bindung als Grundbedürfnis anerkennen und sogar so weit gehen, daß sie einen Ort für die Ausübung der Religion fordern. Gewünscht wird allerdings eine Organisations¬ form für das Kulturzentrum, die Machtkämpfe zwi¬ schen sozialistischen und islamischen Gruppen von vornherein verhindert, die einen institutio¬ neilen Schutz bietet gegen die befürchtete Domi¬ nanz irgendeiner der beteiligten Gruppen. "Kein Alibi" Die Initiative für ein türkisches Kulturzentrum in SO 36 wird von den Sozialdemokraten unter aus¬ länderpolitischen und stadtteilpolitischen Aspek¬ ten gesehen. Gewünscht wird ein Kulturzentrum, das dem Bedarf im Stadtteil angemessen ist, nicht ein repräsenta¬ tives Projekt, das in der ganzen Stadt als Alibi benutzt werden kann, wenn Forderungen der Minder¬ heiten auf Selbstdarstellung und Befriedigung kul¬ tureller Bedürfnisse geäußert werden. Die Gefahr bestehe immer, wenn soziale oder kulturelle Ange¬ bote für Ausländer vorhanden seien, daß damit alle weiteren Forderungen blockiert werden könnten. Für den Stadtteil SO 36 sehen die Sprecher die Notwendigkeit, sich mit anderen Interessen, grup¬ pen auseinanderzusetzen, die Anspruch auf das Ge¬ lände Görlitzer Bahnhof erheben. Die Forderung von - 85 deutscher Seite, die türkische Bevölkerung solle sich an der Planung und Gestaltung des Görlitzer Bahnhofs beteiligen, sei ernstzuneh men. Der Anspruch auf 10.000 m 2 vom Gesamtgelände für ein Kulturzentrum sei als dieser Beitrag zur Mitbestimmung zu verstehen. Darauf müsse in der stadtteilpolitischen Diskussion bestan den werden. 86 2.2.2. Türk Merkezi (TZ) (Türkenzentrum e.V.) Interview am 19.2.1985 TZ : Unser Volk besitzt eine eigenständige und be¬ sondere Kultur, Die Türken haben einerseits eine eigene Kultur entwickelt, andererseits zur internationalen Kulturentwicklung beigetragen. Die Menschen aus der Türkei haben natürlicher¬ weise ihre Kulturen hierher mitgebracht. Sie wur¬ den beeinflußt und umgekehrt. Es ist eine gute Sache, wenn unsere traditionellen Normen und Kul¬ turen in einem Kulturzentrum dargestellt werden. Wenn unsere Menschen hier sind, sollten ihre kul¬ turellen Normen einen Ausdruck finden. Es gibt aber offene Punkte, die schon geklärt werden sollen. Wenn wir "unsere Kultur" sagen, erinnern wir uns an Badehäuser (Hamam), an Märkte, an Mo¬ scheen, an Bibliotheken, u.s.w. In einem Kultur¬ zentrumskomplex kann man diese Kulturelemente zusammenbringen. Man muß aber wissen, wie so ein Vorhaben finanziert wird. Wer wird so ein Kultur¬ zentrum finanzieren? Ob der Senat oder die IBA es finanzieren werden? Oder werden die Finanzie¬ rungsmöglichkeiten der halboffenen Institutionen erschlossen? Werden vielleicht private Personen angesprochen? Wie wird die Verwaltung dieses Kul¬ turzentrums aussehen? Ob sich diese Institutionen oder Privatpersonen bei der Verwaltung einmischen werden? Wie stark wird diese Einmischung sein? - 87 Ob der türkische Mensch hier in der Lage sein wird, eigene Kultur eigenständig in einer In¬ teraktion mit anderen Kulturen zu entwickeln? V7ir würden unsererseits diese Absicht unter¬ stützen, wenn dieses Kulturzentrum in einer de¬ mokratischen Art und Weise entstehen und ver¬ waltet werden würde. In der Verwaltung sollten die Türken auch die Mehrheit besitzen. Diese oben genannten Fragen sollen aber ge¬ klärt werden. Daß eine Moschee beziehungsweise ein Raum für die Befriedigung der religiösen Bedürfnisse in so einem Kulturkomplex vorhan¬ den sein sollte, finden wir natürlich. Unsere Organisation und die uns nahen Organisationen denken sicherlich genauso. Wir würden diese Idee von einem Kulturzentrum auf einer Platt¬ form mit anderen türkischen Organisationen dis¬ kutieren und unsere Ideen weiterentwickeln. Frage: Wie sollte die Verwaltung von so einem Kultur¬ zentrum, in dem verschiedene Bedürfnisse befrie¬ digt werden sollen, aussehen? TZ ; Dieses Kulturzentrum sollte nicht nur ein Ort der Darstellung der mitgebrachten Kultur sein, sondern auch ein Ort der Auseinandersetzungen wegen des Kulturaustausches -bzw.-Wechsels der Menschen, Es müßte auch ein Ort der Lösungssuche sein. Vor allem sollte dieses Kulturzentrum ein Platz sein, an dem zum Reichtum der internationa- 88 len türkischen Kultur beigetragen wird. Die anderen Kulturen sollen dort auch die türki¬ sche Kultur beeinflussen und reicher machen. Es geht also in diesem Sinne um eine demokra¬ tisch bestimmte Verwaltung, in der die Tür¬ ken eine maßgebende Rolle spielen müssen. Frage: Spielt für Sie eine Rolle, daß die islamischen Organisationen, die Sie bekanntlich kennen, in so einer demokratischen Verwaltung mitarbeiten? TZ : Religiöse Bedürfnisse sind menschliche Bedürf¬ nisse. Wenn wir von einer demokratisch bestimm¬ ten Verwaltung sprechen, klammern wir die Orga¬ nisationen, die auf der Basis des Islam organi¬ siert sind, nicht aus. Unser Zusammensein wird demokratisch sein. Wir wissen aber auch, daß manche faschistische Gruppen die Religion für ihre Absichten ausnutzen. Solche faschistische Gruppen kommen für so einen Kulturzentrumkomplex nicht in Frage. Frage; Es gibt verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten dieses Zentrums. Es könnte eine eigene Finanzie¬ rung seitens der türkischen Kolonie vorgestellt werden. Oder die islamischen Or¬ ganisationen finanzieren mit verschiedenen Quel¬ len. Die türkischen Geschäftsleute, gar der tür¬ kische Staat könnten tätig werden, was die Fi- 89 nanzierung dieses Zentrums angeht. Der deut¬ sche Senat könnte genauso mitfinanzieren. Mei¬ nen Sie nicht, daß verschiedene Finanzierungs¬ stellen verschiedene Abhängigkeitsrisiken mit¬ bringen? TZ; Im Kulturzen triam sollte es keine nationalisti¬ sche, keine chauvinistische Eigenschaft geben. Wenn wir von einer demokratischen Führung re¬ den, meinen wir natürlich nicht, daß die Finanzierer einen Einfluß in der Führung haben sollten. Es geht hier darum, ob die fähigei und bewußten Menschen aus der Türkei die Führung übernehmen werden oder nicht. Wie die Finanzierung dieses Kulturzentrums aussehen soll, ist die Sache einer Diskussion, in der die Lösung mit allen beteiligten türkischen Organisationen gefunden werden soll. Wir würden unsere Meinung zur konkreten Finanzierungsmög¬ lichkeit auf einer Plattform darstellen, wo auch mit anderen Organisationen gemeinsam diskutiert wird. Frage; Können die türkischen Organisationen bzw. die Tür¬ ken die Führung dieses Zentrums übernehmen, ohne später miteinander zu streiten? Oder sollte man vielleicht die Senats- bzw. deutsche Seite in die Führungs- und Verwaltungsangelegenheiten miteinbeziehen? 90 TZ : Wir glauben fest daran, daß die türkischenOr¬ ganisationen auf einer demokratischen Platt¬ form über die Führung eines solchen Kultur¬ zentrums eine befriedigende Lösung ohne Ein¬ mischung der deutschen Seite finden werden. Die deutsche Seite könnte höchstens uns in dieser Phase behilflich sein. Wir hoffen nicht, daß die deutsche Seite den Anspruch erheben wird, "hier haben wir Euch finanziert, jetzt möchten wir Euch auch führen". Wir sind gegen solche Lösungen der Zwänge. Frage; In so einem Kulturzentrumkomplex werden auch Angebote an die religiöse Seite in Form einer Moschee bzw. eines Gebetsraumes gemacht. Wie wird man klar kommen, wenn die religiösen tür¬ kischen Organisationen den Anspruch erheben, die Räume zu führen und inhaltlich zu verwaltenf TZ : Die religiösen und weltlichen Rgume sind aufgrund der räumlichen Enge enger zueinander gerückt. So etwas gibt es in der Türkei nicht. Wenn es auch am Anfang manche Schwierigkeiten geben sollte, was Ihre Frage betrifft, werden die betreffen¬ den Organisationen wissen, diese Schwierigkeiten zu meistern. Daran glauben wir fest. - 91 - 2c2o3 KOMKAR (Föderation der Arbeitervereine aus Kurdistan in der BRD e.V.) Ergebnisprotokoll des Interviews vom 16,5,1985 Über die Bedeutung eines Kulturzentrums; Es ist eine Notwendigkeit, daß wir ein Kultur¬ zentrum haben. Die Menschen aus der Türkei ha¬ ben verschiedene Mentalitäten und verschiedene Erfahrungen. Das alles muß an einem Ort ausge¬ tauscht werden. Der Erfahrungsaustausch zwi¬ schen diesen Menschen soll nicht nur auf der Ebene von Kaffeehäusern geschehen, sondern an einem bewußten Ort wie beim geplanten Kultur¬ zentrum. So ein Kommunikationsort ist sowohl für die 1. Generation als auch für die 2. Generation von Bedeutung. Heimatorientierte Bedürfnisse und die neuent¬ standenen Gewohnheiten hier bilden für die 1 . Ge¬ neration genügend Stoff, im Rahmen dieses Kultur¬ zentrums zu diskutieren und an die nachfolgenden Generationen als Kulturerbe -als Reichtum an Er¬ fahrungen- weiterzugeben. Für mich ist dieser Ort -das Zentrum- eine Chance zur Erfahrungs¬ und Kulturerweiterung. Über die Zukunftsperspektiven der ethnischen Minderheit: Es gibt sicherlich sehr viele Probleme, was unsere 92 Zukunkt betrifft. Gerade deshalb ist es jetzt mehr als notwendig, über die Zukunftsperspek¬ tiven gemeinsam zu diskutieren und gemeinsame Lösungsvorschläge auszuarbeiten. Wir haben als ethnische Minderheit genügend Kompetenzen ange¬ sammelt. Diese Kompetenzen sollen endlich ge¬ meinsam nach außen getragen werden, damit wir eine gemeinsame Kraft bilden können. Da wir bis jetzt nicht gemeinsam handeln konnten, weil wir so zersplittert sind, haben wir bisher die ge¬ wünschte Herangehensweise als eine soziale Kraft nicht geschafft. Wir werden aber entdecken, daß wir gemeinsam eine Kraft darstellen, wenn wir auf einmal zusammen sind. Sicherlich gibt es ver¬ schiedene Barrieren, wie die politischen Verhält¬ nisse, fehlende Wahlrechte, etc. Man sollte sich aber darüber im klaren sein, wie man gemeinsam diese Barrieren überwinden kann. Darüber müssen wir ein gemeinsames Bewußtsein entwickeln. Über die strukturellen Schwierigkeiten einer ge¬ meinsamen Kraftbildung der ethnischen Minderheit in Kreuzberg; Die Schwierigkeiten, die wir zur Zeit haben, re¬ sultieren aus den politischen Lebensverhältnissen Die Menschen leben im Rahmen dieser Verhältnisse praktisch rechtlos. Man muß irgendwo anfangen, da mit man Mut bekommt. Man sollte nicht abwarten. Solange die Menschen arbeiten und produzieren, werden sie anfangen können. So ein Kulturzentrum würde zur Herausbildung und zum Zusammenschluß dieser Kräfte bzw. Menschen ungemein helfen. 93 - Somit können wir feststellen, wo wir stark und schwach sind. Dieses Bewußtsein muß an so einem Ort entwickelt und erprobt werden. Dann erst kann man über die Schwierigkeiten urtei len, inwieweit sie überwunden werden können oder nicht. Über die Schwierigkeiten der gemeinsamen Be¬ friedigung der weltlichen und religiösen Be¬ dürfnisse im Rahmen eines Kulturzentrums. Die Schwierigkeit der Unverträglichkeit der bei¬ den Bereiche (des weltlichen und des religiösen) ist auch ein Produkt der türkischen Realität. Die Kontaktlosigkeit zwischen beiden Bereichen führt zu Unverträglichkeit, zu Mißverständnissen etc. Man muß diese Barriere durch Kontaktförderung überwinden und die Ausbeutung der Religion für andere Zwecke aufheben. Die 'Menschen, die aus der Türkei nach Deutschland kommen, stammen überwiegend aus ländlichen Gebie¬ ten. In jedem Dorf gibt es neben der Institution "Schule" auch eine Institution "Religion", symbo¬ lisiert durch eine Moschee. Religion ist ein Be¬ standteil des Lebens dieser Menschen. Das ist eine Tatsache. Ein Gemeinsames dieser Menschen ist die Religion -der Islam. Durch die Nationalität oder nationale Herkunft haben diese Menschen wenig gemeinsam (Türken, Kurden, etc.). Das ist eine andere Tat¬ sache. Durch strukturelle Schwäche (politische Rechtlosigkeit, keine ökonomische Kraft, national¬ politische Zersplitterung etc.) haben die Menschen 94 aus der Türkei hier in der Emigration selten etwas Gemeinsames. Der einzige Punkt, wo sie eine gemeinsame Eigenschaft besitzen, ist der Islam. Deshalb ist der Islam in der Diaspora so einflußreich und bedeutsam. Die islamische Religion hat die Menschen aus der-Türkei kul¬ turell mitbeeinflußt. Daher sehe ich im Kultur¬ zentrum eine einmalige Chance, diesen gemein¬ samen Punkt (im Ausland) im positiven Sinn wei¬ terentwickeln zu können. Dieser gemeinsame Punkt könnte natürlich durch die radikalen islamischen Kräfte zu einer negativen Entwicklung hin be¬ einflußt werden: Sich zurückzuziehen. Konser¬ vieren, Feinde Schaffen etc. Das ist natürlich nicht in unserem Sinne. Man müßte eigentlich die kulturellen Eigenschaften der Menschen aus der Türkei hier in Deutschland, wo eine Vielzahl an Kulturen existiert, weiterleben und sich ent¬ wickeln lassen, ohne den aggressiven Nationalis¬ mus einzubeziehen. Über die Notwendigkeit des Dialoges zwischen den verschiedenen Organisationen und Personen aus der Türkei: Wir haben einen Mangel an Dialog. Die Angewohn¬ heit der Dialoglosigkeit, aus der Türkei mitge¬ bracht, dauert hier weiter an. Wir haben hier eine Chance, den Dialoa zu beginnen. Der aemeinsame Punkt (Islam) der Menschen aus der Türkei ist die Gewähr dafür. Die Dialoglosigkeit führt diese Menschen in die Moscheen hinein, wo sie etwas hören. - 95 kommunizieren und sich befriedigen. Wir können mit diesen Menschen ohne weiteres einen Dialog hersteilen, auch wenn wir nicht in die Moscheen gehen, aber indem wir vor der Religion Achtung haben und die Rolle des Islam in der türkischen Gesellschaft bewußt achten. Man sollte mit diesen Menschen gemeinsame Ideale aufbauen. Diese Menschen arbeiten in den Fabriken wie wir. Ich beschwere mich auf der gewerkschaft¬ lichen Ebene; sie beschweren sich auf der Ebene der Moschee. In der Moschee können natürlich sämt¬ liche Themen diskutiert werden. Daher müssen wir mit diesen Menschen an einem Ort (Kulturzentrum) unter bestimmten Bedingungen Zusammenkommen. Die geographische Enge des Lebensraumes in West-Ber¬ lin bringt uns sowieso mehrere Male täglich zu¬ sammen . Uber die gemeinsame Verwaltung des Kulturzentrums durch verschiedene Gruppen: Die Notwendigkeit eines Zentrums liegt auf der Hand. Der Senat sollte für so ein Zentrum ein Finanzie¬ rungsmodell entwerfen. Verschiedene Personen, die ein solches Projekt sinnvoll und nützlich finden, würden zur Finanzierung mit beitragen.Der Senat soll aber eine gewisse Finanzierungshilfe gewähr¬ leisten, weil wir in dieser Gesellschaft arbeiten, unsere Pflichten erfüllen und zum Wohlstand mit bei¬ tragen. Die öffentlichen Gelder sollten solche öffent¬ lichen Projekte ohne weiteres mitfinanzieren. Selbst¬ verständlich erwarten wir, daß der Staat unsere Be¬ dürfnisse (kulturell und sozial) befriedigt bzw. 96 finanziert. Das ist die Aufgabe des Staates. Ein anderer Punkt ist die Verwaltung und die Führung dieses Zentrums. Diese Kompetenzen soll¬ ten bei der türkischen bzw. bei der nichtdeut¬ schen Seite liegen. Sonst geht die ursprüngli¬ che Idee zur Gründung dieses Zentrums verloren. Ich glaube nicht, daß es bei der gemeinsamen Verwaltung und Führung Probleme geben wird, so¬ lange man durch Dialog die Notwendigkeit eines Zentrums bewußt hält. Solange die Idee der Zen¬ trumsgründung bewußt ist, wird es keine Tricks um die Führung dieses Zentrums geben. Wichtig ist hierbei -ich betone es nochmal- das Begrei¬ fen dieser Idee. Bis jetzt gibt es kein Beispiel dafür, daß wir dieser Herausforderung entspro¬ chen hätten. Wenn wir jetzt diese Chance wahr¬ nehmen, haben wir auch ein historisches Ergebnis. - 97 2.2.4 Islam Federasyonu (IF) (Islamische Föderation) Fatih Camii (FM) (Fatih-Moschee e.V.) Interview’ vom 6.-3.-8-5' IF/FMt Ich möchte zuerst in einer Sache Klarheit schaffen: Die Islamische Föderation ist die wichtigste und stärkste religiöse Gruppierung in Berlin. Das Thema "Moschee in Berlin" ist nicht die einzige Beschäftigung der Föderation. Dieses Thema nehmen wir ernst, aber nicht als erstes und wichtigstes. Man kann sagen, daß wir in dieser Richtung keine Öffentlichkeitsarbeit gemacht haben. Die Forderung nach einer Moschee steht auch jetzt noch nicht als Nummer eins auf unserer Tagesordnung. Wir besitzen die Möglich¬ keit, die Öffentlichkeit dafür zu mobilisieren. Jeden Freitag und Sonntag erreichen wir minde¬ stens 5000 Menschen. Außerdem erreichen wir durch unsere Flugblätter noch mehr Menschen, die nicht zu uns kommen. Es liegt an uns, daß die Forderung nach einer Moschee in Kreuzberg nicht stark ver¬ treten wird, weil wir die türkische Öffentlich¬ keit nicht dafür mobilisiert haben. Diejenigen, die beten wollten, haben so oder so in den vor¬ handenen Moscheen Gebetsmöglichkeiten gefunden. Trotzdem, wenn wir jetzt sagen, daß die Moschee noch nicht auf unserer Tagesordnung steht-,- dann bedeutet das nicht, daß wir in Berlin keine Mo¬ schee brauchen. Nein, so meinen wir es nicht. Ber¬ lin braucht eine Moschee, zumindest aus kultureller 98 Sicht. Ich würde behaupten, daß man entsprechend der aktuellen Berlinpolitik diese Moschee für die Muslime in dieser Stadt aus verschiedenen Gründen braucht (meint u.a. das Interesse des Senats, Berlin touristisch attraktiv zu machen). Die Regierenden sehen das irgendwie auch ein. Das Thema "Moschee" wird aber nicht nur in un¬ seren religiösen Organisationen diskutiert, auch außerhalb unserer Gruppen finden solche Diskussio¬ nen statt. Diese Gruppen kommen irgendwann zu uns und fragen uns, was wir zu machen gedenken (meint Gruppen wie die "AG Ausländer" oder BTT oder auch deutsche Parteien). Wir wissen, daß so eine Mo¬ schee eine Last von mindestens 5 Millionen Mark bedeutet. Wir meinen gegenüber solchen Gruppen: wenn ihr uns ein Grundstück zur Verfügung stellt, können wir ohne weiteres eine Moschee bauen. Eine Moschee in Berlin muß aber an zentraler Stelle stehen, z. B. in der Nähe der Universität (meint: in Dahlem). An einem zentralen Ort eine Moschee zu errichten, das ist unser Ziel, Weder Moritz¬ platz noch Görlitzer Bahnhof kommen für so eine groß angelegte Moschee in Frage. Aber wenn die zu¬ ständige Stadtplanungsbehörde den Moritzplatz als einzig möglichen Platz zeigt, werden wir uns ge¬ zwungen sehen, diese Entscheidung zu akzeptieren. Auf dem Gelände des Görlitzer Bahnhofs haben wir eine Moschee und eine "Vereinigung für die Lehre vom Koran" (Verein der Fatih-Moschee). In der Fatih-Moschee haben wir ca. 150.000,— DM inve¬ stiert, die alle gespendet wurden. Jetzt müssen wir den Platz verlassen. Das tut natürlich weh -= 99 und ist bitter, obwohl wir dort seit fünf Jah¬ ren beten. Da ich dort Imam (Hodscha) bin, in¬ teressiert uns natürlich, wie mit dem Görlitzer Bahnhof verfahren wird, unabhängig vom Thema "Moschee in Berlin" oder dem Moritzplatzvor¬ haben . Die politische Landschaft von Berlin darf auch nicht vergessen werden. Wenn die bisherigen Re¬ gierenden weiter die Regierungsmacht in der Hand halten, dann weiß ich nicht, ob man mit dem Gör¬ litzer Bahnhof überhaupt eine Chance hat oder nicht (meint CDU). Frage: Nicht nur die CDU ist gegen die Errichtung eines Kulturzentrums mit Moschee auf dem Gelände vom Görlitzer Bahnhof, sondern auch die anderen Par¬ teien sind dagegen. Woran liegt das nach Ihrer Meinung? IF/FM: Wir haben bis jetzt keine Öffentlichkeitsarbeit gegenüber den Deutschen geleistet. In der Presse stehen meistens negative Berichte über uns. Die Vorurteile und negative Umstände verursachen eine ablehnende Meinung. Die Fatih-Moschee ist jetzt eine der aktivsten Moscheen geworden, seit wir eine offene Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Die Ausländer kommen zu uns. Wir haben nichts zu ver¬ bergen, Jeder kann sehen und mit uns diskutieren. Auf diese Weise hoffen wir, daß die negative Kam¬ pagne gegen die Moscheen verhindert wird. Wir 100 wollen unsere Moscheen gegenüber der Öffent¬ lichkeit weiter öffnen. Die Ängste der anderen Seite wollen wir wegnehmen. Das darf aber nicht so verstanden werden, daß wir eine missionarische Tätigkeit vorbereiten. Dazu sind wir weder materiell noch personell im¬ stande. Wir haben, was die islamische Religion inhaltlich betrifft, mit den Menschen aus der Türkei große Schwierigkeiten (meint den Einfluß der islamischen Sekten verschiedener Richtungen). Frage; Gibt es in der Diaspora für die Religion oder deren Symbol Moschee*eine Chance, für alle bzw. für die Mehrheit der türkischen Minderheit ein Identifikationsobjekt zu werden? IF/FM: Wir müssen irgendwann mit unseren Ideen heraus¬ kommen und die Menschen, egal ob sie religiöse sind oder nicht, darüber aufklären, daß die Reli¬ gion nicht nur für die gläubigen Menschen geschaf¬ fen worden ist, sondern für alle. Das ist natür¬ lich eine Propaganda für uns, die wir bis jetzt nicht planmäßig durchgeführt haben. Wenn wir jetzt eine Moschee auf dem Gelände des Görlitzer Bahnhofs haben, haben wir sie gehabt aus unmittelbaren Be¬ dürfnissen der Türken hier. Nicht wegen einer Pla¬ nungsstrategie, nicht wegen einer missionarischen Tätigkeit. Es gibt hier in Berlin keine Bewegung von einer Gruppe, die unbedingt eine Moschee er- 101 richten möchten. Dafür haben wir auch keine Öffentlichkeitsarbeit geleistet. Aber wenn wir mit einer Öffentlichkeitsarbeit jetzt an¬ fangen würden, würden wir mit Sicherheit die größte Mehrheit der Türken hier erreichen, egal ob sie definitiv für eine Moschee sind oder nicht. Das ist keine leichtfertige Prognose, sondern eine Erfahrung von uns. Daß zwar die Türken in Details sehr unterschiedlich sind aber bei der Grundlinie immer das Gleiche for¬ dern. Ich meine hier die Grundbedürfnisse der Menschen, die religiöser Art sind. Frage; Denken Sie an eine Möglichkeit, ob ein Kultur¬ zentrum in Kreuzberg für wichtige gesellschaft¬ liche Gruppen eine Chance ermöglicht, wo eine Plattform entsteht, auf dem man vielleicht zu¬ einander bewegt, Vorurteile abbaut und Koopera¬ tionen anstrebt? Besitzt so ein Kulturzentrum die¬ se Chance? IF/FM; Es gibt mehrere Mauern zwischen Menschen und deren Organisationen. Jeder hat dazu beigetragen. Wir auch. Nach einer Zeit sehen wir aber die Reali¬ tät. daß die Änaste, Mauer, Rachegelüste diese Menschen und Gruooen nicht befriedigen. Das ist auch kein Ziel der Religion. Der Islam strebt eine glückliche und zufriedene Gesellschaft an. Dafür sind wir bereit, die nötigsten Schritte zu tun, damit wir uns zueinander bewegen. 102 Wenn so ein Kulturkomplex existieren würde, wür¬ den wir alle die Chance besitzen, festzustellen, ob die verschiedenen Gruppen fähig und imstande sind, gegenseitig Toleranz zu üben, Verständnis zu zeigen und zu akzeptieren. Das ist eine Mög¬ lichkeit um festzustellen, wieweit wir gekommen sind. Diese Feststellung ist für uns und für die anderen sehr wichtig. Wir sind aber bereit, in so einem Kulturkomplex mit den anderen Gruppen zusammenzuarbeiten. Wir sind bereit, für die Er¬ richtung eines Kulturzentrums mit den anderen tür¬ kischen Gruppen zusammenzuarbeiten. - 103 - 2.2.5 Interview mit Familie D., Anwohner des Görlitzer Bahnhofs am 18.5.1985 (gekürzt wiedergegeben) Konzept und Planung des Kulturzentrums mit Moschee wurden vorgestellt. A.D. : Für mich ist sehr wichtig, daß es in diesem Kul¬ turzentrum ein türkisches Dampfbad (hamam) geben müßte. Viele Türken hier haben zu Hause keine Ba¬ degelegenheiten. Ein hamam wäre für diesen Stadt¬ teil sehr nützlich. Wir benutzen die öffentlichen Badeanstalten, um uns sauberzuhalten; sie sind aber fremd für uns, weil sie so offen sind. Ein hamam ist uns von zu Hause vertraut. Man weiß, wie man sich dort verhält. Ich kann behaupten, daß die Türken ein hamam massenhaft besuchen wür¬ den, um auf die in der Türkei übliche: Art und Wei¬ se zu baden und sich dabei auch in der Mutterspra¬ che unterhalten zu können. Es ist eine sehr gute Idee, dieses hamam. Zur Moschee kann ich sagen: Ich möchte nicht, daß die Fatih-Moschee dort wegziehen muß. Deshalb be¬ grüße ich die Idee, in das Kulturzentrum einen Ge¬ betsraum mit aufzunehmen. Meine Kinder gehen in die Schule und in die Korankurse der Ulu Camii (Wiener¬ straße 12). Wir haben viele Freunde, die für ihre Kinder keinen Platz in einem Korankurs gefunden haben. Es gibt zu wenig Plätze. Es werden mehr ge¬ braucht. Eigentlich müßte ein solches Kulturzen¬ trum Korankursplätze anbieten. Viele türkische - 104 Familien würden ihre Kinder dann dort hinschikken. Auf dem türkischen Friedhof bauen sie jetzt ein Minarett nach unserer Art (Flughafenstraße). Bei der Fatih-Moschee war das nicht möglich (wurde vom Stadtrat Orlowsky nicht genehmigt). Es ist gut, ein Minarett zu haben. Für viele Türken hier im Stadtteil ist es ungünstig, wenn die Fatih-Moschee vom Görlitzer Bahnhof weg¬ ziehen muß. Vom Schlesischen Tor z.B. bis zur Ulu-Camii (in der Wiener Straße) ist ein weiter Weg. Ich selbst benutze z.B. fürs Beten die drei Moscheen hier in der Nähe: Fatih, Muradiye und Ulu, je nachdem, wo ich langgehen muß, möglichst immer die nächste. Diese drei Moscheen können etwa 3.000 bis 3.500 Menschen aufnehmen. Trotzdem findet man in der Fastenzeit (Ramadan) keinen Platz, wenn man nicht sehr früh hingeht. Am Freitag ist es ähnlich. In die Ulu-Camii kommen auch viele Frauen zum Beten. Kreuzberg braucht eine große Moschee. Als Mohamme¬ daner brauchen wir einen großen Platz für eine große Moschee, in der wir beten können. Aber man gibt uns diesen Platz nicht. Wenn es für so ein Zentrum einen bleibenden Platz geben würde, wäre ich sehr froh. Viele Mohammedaner werden sowieso in Berlin bleiben. Sie werden so ein Zentrum mit Moschee für immer benutzen. So ein Zentrum könnte auch unsere deutschen Freunde vielleicht von unserer Religion überzeugen. So ein1 Zentrum, in das auch andere Menschen aus anderen Völkern reinkom¬ men können, kann ich meine Unterstützung garantie¬ ren. Viele Türken würden auch sicher gerne spenden, als gute Tat würden sie es tun. 105 Für den Garten dieses Zentrums kann ich meine Hilfe und die meiner Kinder anbieten. Ich ver¬ stehe dieses Handwerk ganz gut. Ich würde z.B. auch ganz gerne für das Stückchen Garten mehr machen (meint ein Stück Garten auf dem Kinderbauernhof, das ihm vom Nachbarschafts¬ verein Forsterstraße verschafft wurde). Aber ich denke manchmal: Der Garten gehört Dir nicht. Ich habe keine Garantie dafür. Wenn ich die hätte, könnte ich sehr viel dort anpflanzen. Wir brau¬ chen solche Garantie und Sicherheit. In dem Garten des Kulturzentrums z.B. könnte ich etwas anpflanzen und die Ernte dem Kulturzentrum spendieren, besonders für die Korankurse, damit sie,dort für die Kinder kostenlos kochen können. 106 2.2.6 Interview mit Familie K., Anwohner des Görlitzer Bahnhofs am 14.6.1985 (gekürzt wiedergegeben) Über die Achtung der Sitten von Menschen, die in diesem Kulturzentrum beten wollen: Nach unseren islamischen Sitten ist es nicht rich¬ tig, daß neben der Moschee bzw. dem Gebetsraum eine Schwimmhalle mit Freifläche existiert, wo sich halbnackte Menschen bewegen. Die verschiedenen kulturellen Aktivitäten können neben dem Gebäude einer Schwimmhalle ohne weiteres und ohne Sittenwidrigkeit durchgeführt werden. Aber eine Moschee ist neben einer Schwimmhalle nicht angebracht. Es könnte später ein Problem werden, weil die islamisch orientierten kulturel¬ len Bedürfnisse durch das Gebet in diesem Zentrum befriedigt werden sollen. Über die Spuren der Minderheiten in diesem Stadt¬ teil; Wir haben viel früher vorgeschlagen, daß bei der Planung des Schwimmbades am Spreewaldplatz auch ein türkisches Bad (hamam) mitgeplant werden sollte. Wir haben es damals gewünscht, aber mehr wurde da¬ raus nicht. Für mehr Aktivitäten, für mehr Spuren brauchen wir einen Platz, einen Raum. Dann können wir uns eher entfalten und unsere Bedürfnisse be¬ friedigen. Wir müssen solche Möglichkeiten für die weiteren Generationen (Jugendlichen) schaffen. Sie werden solche Angebote eher annehmen. Sie brauchen es. Räume für verschie&e Kurse, Säle für die Hoch- 107 zelten brauchen wir jederzeit. Die vorhande¬ nen Säle reichen nicht aus, und sie sind sehr teuer (4.000.— DM bis 5.000.-- DM). Es ist wichtig, daß in diesem Zentrum ein Saal für verschiedene Feierlichkeiten miteingeplant wird. Viele Familien verbringen ihre Freizeit weit weg vom Wohnhaus (z.B. im Tiergarten oder auf der Hasenheide). Wenn es für die türkischen Familien hier im Kiez so eine Möglichkeit geben würde, et¬ wa eine Parkanlage und ein türkisches Kulturzentrum, blieben sie in ihrem Bezirk; sie brauchten dann nicht wegzugehen. Über die beabsichtigte Planung einer Moschee bzw. eines Gebetsraumes in diesem Zentrum; Ich bin nicht religiös, aber ich bin nicht gegen die Befriedigung der religiösen Bedürfnisse. Ich bin aber gegen die Ausnutzung socher Bedürfnisse durch theokratisch faschistisch orientierte Kräfte. Eine Möglichkeit der Ausnutzung durch solche Kräf¬ te darf in diesem Zentrum nicht gegeben werden. Uber die Befürchtung von Konflikten zwischen Tür¬ ken und Kurden: Für uns alle (für die Minderheitsgruppe aus der Türkei) soll es ein Kulturzentrum geben. Wir müs¬ sen dort unsere Möglichkeiten entfalten. Wir müssen dort unsere Kräfte für eine Gleichberechtigung zu¬ sammentun. Diese Schritte sind nötig. Ich befürchte aber manchmal, daß wir Kurden vonseiten der Türken (gemeint sind hier auch die Lasen, Tscherkessen etc.) 108 nicht voll akzeptiert werden und es deshalb zwischen uns Probleme geben wird. Dieser Reali¬ tät sollte man auch Rechnung tragen und die ge¬ meinsame Lei.tung, die in der Hand der Minder¬ heit aus der Türkei liegen sollte, so zusammen¬ setzen, daß später zu erwartende Konflikte zu keiner Zerstörung führen. 109 3. Zusammenfassung der Vorgeschichte, der Literatur und der Gesprächsergebnisse: 3.1. Zusaimnenfassende Thesen: 3.1.1 Unter den politischen, religiösen und ethnischen Gruppen der Einwanderer aus der Türkei ist eine Bereitschaft ent¬ standen, miteinander ins Gespräch zu kommen und sich zusammenzuschließen. Gemeinsame erlittene Unterdrückung und Diskriminierung verursachen ein Minder¬ heitenbewußtsein, das ideologische Gegen¬ sätze innerhalb der Minderheit überbrückbar erscheinen läßt. 3.1.2 Militanz und Radikalität des Islam in der Diaspora-Situation werden sich abschwächen, wenn den islamischen Gruppen die Möglich¬ keit der öffentlichen Repräsentanz ihrer Religion, des Dialogs mit demokratischen Gruppen geboten werden, und wenn eine völli¬ ge Gleichberechtigung der Einwanderer aus der Türkei durchgesetzt wird. 3.1.3 Ein Kulturzentrum mit Gebetsraum, wie es im Konzept der "AG. Ausländer" vorgeschlagen wird, ist geeignet, den Prozeß des Zusammen¬ schlusses der Minderheit einerseits, und den Prozeß der Liberalisierung islamischer Grup¬ pen andererseits voranzutreiben. - 110 3.1.4 Für die deutsche Öffentlichkeit treten mit dieser Entwicklung die Einwanderer¬ gruppen aus der Türkei zum ersten Mal als geschlossene Minderheit auf. Erstmals wird der Machtfaktor "Minderheit" unübersehbar, der Prozeß kann zur Stärkung der Forderung nach Wahlrecht beitragen, kann aber auch zu einer Polarisierung im Stadtteil bei¬ tragen . 3.1.5 Gemeinsame Meinung ist, daß Konzept und Verwaltung des Kulturzentrums ausschlie߬ lich in Händen von Vertretern der Minder¬ heit aus der Türkei liegen sollten. Finan¬ zierung und Aufbau des Zentrums sollte allerdings durch die öffentliche Hand und durch Unterstützer auf deutscher Seite mit¬ getragen werden. 3.2. Protokoll der Diskussion dieser Thesen in der "AG. Ausländer" am 12.6.1985 Vertreten sind: "Wohnen und Leben", Verein SO 36, IBA, Ausländerbereich der AL zu These 1: Die Bereitschaft zum Dialog und zum Zusammen¬ schluß mit bisher eher feindlichen Gruppen sehen einige Diskussionsteilnehmer nur auf der Seite der linken Gruppen. Auf seiten der islamischen Gruppen wird die Gesprächsbereitschaft eher als taktische Maßnahme gesehen. Es gehe den islami¬ schen Gruppen vorrangig um die Durchsetzung ihres Interesses, repräsentative Gebetsstätten errich¬ ten zu können. Hierzu werde ein Zweckbündnis mit linken Gruppen zeitweise zugestanden. Den isla¬ mischen Gruppen sei bekannt, daß die besten In¬ teressen Vertreter der Minderheit (Sozial- und Rechtsberater, Sozialarbeiter etc.) eher den lin¬ ken Gruppen zugehören, und daß man Anlaß habe, de¬ ren Fähigkeiten zu nutzen. Die Öffnung der islami¬ schen Gruppen zu den demokratischen Gruppen hin sei klar als Taktik erkennbar, wenn man die Ver¬ öffentlichungen dieser Gruppen genauer betrachte , die islamische Ideologie reaktionärer Prägung in demokratischem Aufzug verkaufe, etwa wenn eine "Islamische Verfassung" (Islam ana^tsasi) mit 25 Para graphen vorgeführt wird, die in der Form an die Ver fassung westeuropäischer Demokratie angelehnt ist. Trotz dieser Meinung über den taktischen Charakter der Gesprächsbereitschaft bei den islamischen Grup¬ pen wird ein Zugehen auf diese Gruppen begrüßt. Da- 112 bei sei zu betonen, daß diese Bereitschaft der linken Gruppen keinesfalls mit der sogenannten Reis1amisierung zu tun habe, sondern alleine auf politische Motive zurückzuführen sei. Andere Diskussionsteilnehmer sehen Annäherungen zwischen linken und rechten Gruppen nicht nur als taktisches Vorgehen auf seiten der Rechten, son¬ dern als eine durch politische Veränderungen be¬ dingte Annäherung: so habe der sogenannte "Lummer¬ erlaß" vom Winter 1981 die Gruppen notgedrungen zusammengebracht, da sich alle Gruppen gemeinsam dagegen wehren mußten; ähnlich habe sich der Wi¬ derstand gegen die Militärregierung in der Tür¬ kei, der von linken wie von rechten Gruppen -wenn auch aus sehr verschiedenen Motiven- getragen wird, für die Minderheit in der Tendenz eher einigend ausgewirkt. zu These 2 und 3: Ansätze der islamischen Gruppen zur Liberalisierung und zur Anpassung an die Industriegesellschaft wer¬ den durch verschiedene Beispiele belegt: sowohl in der Türkei wie auch hier ist zu beobachten, wie ver¬ schiedene religiöse Vorschriften (Fasten, Gebet) ent¬ sprechend den Lebensbedingungen der Industriegesell¬ schaft abgeschwächt werden, wenn z. B. das Nach¬ mittagsgebet aufgegeben oder dccä Fasten von immer weniger Gläubigen eingehalten wird. Auch auf ver¬ schiedene Versuche, den Islam zu einer Synthese mit dem Marxismus zu bringen oder auch aus dem Islam eine quasi marxistische Interpretation der Gesell¬ schaft abzuleiten, wird hingewiesen. - 113 Das Kulturzentrum als Ort der Auseinandersetzung zwischen islamischen und demokratischen Gruppen würde eine sehr wichtige Rolle im Prozeß der Verweltlichung und Liberalisierung der islami¬ schen Ideologie spielen. Nicht zu vergessen sei allerdings der Einfluß, den die Entwicklung des Weltislam auf die isla¬ mischen Gruppen in der Emigration nehmen könne. Eine weitere Radikalisierung des Islam in den islamischen Ländern und eine Verstärkung des an¬ tikolonialen Kampfes in diesen Ländern würde sich auf jeden Fall auch in den islamischen Grup¬ pen im Ausland spiegeln. Umso wichtiger seien dann aber Bemühungen, die islamische Gruppen und vor allem auch deren Basis in einen Prozeß der Demokratisierung und Ausein¬ andersetzung mit den aktuellen politischen Ver¬ hältnissen. Rechten und Forderunaen in der Industrieaesellschaft einzubeziehen. zu These.4: Im Gegensatz zu der Radikalität der islamischen Gruppen, die als reaktionär eingeschätzt wird, be¬ grüßen die Diskussionsteilnehmer eine Radikalität der ethnischen Minderheit, die sich auf die'iDurchsetzung gleicher Rechte bezieht. Auch Polarisierun¬ gen zwischen verschieden-nationalen Teilen der Stadtteilbevölkerung müßten dabei in Kauf genommen werden. Eine Radikalität auf seiten der nationalen Minderheiten führe nicht zu Rückzug und Festhalten an vorindustrieller Ideologie wie die Radikalität der islamischen Gruppen, sondern zur Emanzipation. zu These 5: Der Anspruch, Konzept und Verwaltung des Kul¬ turzentrums vorrangig den Vertretern der Min¬ derheit zu übergeben, wird zwar von allen Dis¬ kussionsteilnehmern unterstützt. Sehr stark be¬ tont wird andererseits die Verpflichtung der deutschen Regierung und Verwaltung, dieses Kul¬ turzentrum als eine notwendige Infrastruktur¬ einrichtung für Einwanderer zu finanzieren. Ab¬ gelehnt wird der Vorschlag der Fatih-MoscheeLeute, ihren Teil, die Gebetsstätte, selbst zu finanzieren. Daraus abzuleitende Ansprüche auf Selbstbestimmung des von ihnen finanzierten Teils werden ganz und gar zurückgewiesen. Finanzielle Beteiligung der interessierten Gruppen sei nur denkbar als Eingabe in einen für das ganze Zen¬ trum geltenden Topf, der gemeinsam vom Träger¬ verein zu verwalten sei. Vorrechte einzelner Gruppen, die durch die Höhe des Finanzierungs¬ anteils zu erkaufen wären, seien von vorneherein auszuschließen. Für die Satzung wird gefordert, daß der Träger¬ verein sich in den Dienst von Völkerverständigung, Gleichberechtigung von Minderheiten, Wahrung und Durchsetzung der Menschenrechte stellen sollte, um nationalistische, theokratische oder gar fa¬ schistische Tendenzen von vorneherein aus dem Zentrum auszugrenzen. -- 115 - 4. Zur Realisierung des Kulturzentrums 4„1. Nutzungs-, Träger- und Finanzierungsmodell Aus dem Interviews geht hervor, daß die von der "AG Ausländer" vorgeschlagenen Nutzungen ange¬ nommen werden. Dampfbad, Gebetsraum und Räume für Festlichkeiten werden von allen Gruppen und auch von einzelnen Familien akzeptiert. Zwei Aspekte, die bei der Organisation zu beach¬ ten sind, werden genannt: -die stadtteilorientierte Dimension (kein AlibiProjekt) (BTT / KDB) -keine Abhängigkeit von deutschen Kontrollinstanzen (TZ / KOMKAR) Die zweite Forderung hat zur Konsequenz, daß die Form der Stiftung für das Finanzierungsmodell even¬ tuell ausscheidet, weil Stiftungen den Justizmini¬ sterien der Länder -in Berlin also dem Senat für Justiz- unterstehen. Weniger eingreifende Kontrolle ist bei der Form des eingetragenen Vereins zu erwarten. Bei dieser Form besteht die Möglichkeit, den gesamten Vor¬ stand in die Hand der Beteiligten zu geben. Rechenschaft wird an erster Stelle den Mitgliedern gegeben, außerdem dem Amtsgericht und dem Finanz¬ amt gegenüber, wenn Gemeinnützigkeit beantragt ist. Einblick in die Konstruktion gemeinnütziger Or¬ ganisationen gibt das Buch "Stichwort Spendenwesen",1) 1) hrsg. v. R. Borgmann-Quade, 1982, Eigenverlag des DZI Berlin 116 - das Organisationsform, Ziel und Arbeitsweise von mehr als 40 Verbänden dieser Art vorstellt. Nur wenige darunter sind Stiftungen, die weit¬ aus größte Zahl hat die Form des eingetragenen Vereins. Leider hat das herausgebende Institut des ge¬ nannten äußerst informativen Buches, das Deut¬ sche Zentralinstitut für soziale Fragen, un¬ sere Bitte um Beratung über Organisationsform und Finanzierungsmodell abgelehnt des Schreiben, Von einem Mitglied des Ausländerbereichs der AL kommt der Vorschlag, zum 30. Jahrestag der An¬ werbung ausländischer Arbeitskräfte eine Spen¬ denaktion für das Kulturzentrum zu initiieren, die sich an die Firmen und Konzerne wendet,- die von der Anwerbung und Beschäftigung ausländi¬ scher Arbeiter profitiert haben und weiter pro¬ fitieren. Auf den Stadtteil bezogen, gilt dies hauptsäch¬ lich für die Firma De-Te-We und die großen Kauf¬ häuser und Supermärkte, deren Kundenstamm zur Hälfte ausländischer Herkunft ist: Karstadt, Bilka, Woolworth, Kaiser's (Kottbusser Tor) , Alueda (Ohlauerstraße) , und Aldi (Kottbusser Damm, Rei¬ chenberger Straße, in der Markthalle Eisenbahn¬ straße) . Auf die Berliner Ebene bezogen kommen Konzerne wie Siemens, Mercedes, AEG, Borsig etc. in Betracht. Über Spendenwilligkeit dieser Firmen können wir nichts aussagen, bevor nicht ein konkreter Ver¬ such mit diesen Firmen unternommen wurde: dazu -117 wäre es notwendig, einen Förderverein zu grün¬ den, der diese Firmen ansprechen müßte. Der Förderverein "Türkisches Kulturzentrum e.V." müßte auch deutsche Freunde -am besten Stadtteil-Prominervz- im Vorstand und in der Mit¬ gliederschaft haben, um Vertrauen und morali¬ sche Pflichtgefühle, wie auch Einsicht in die Reklamewirksamkeit bei den potentiellen Geld¬ gebern zu erzeugen. AM das Heutsehe Zeatral-Iastitut für Soziale Trage« Beraadottestr. 94 r 1 Berlin, 33 A Betr.s Beratung in Brägen der 3tiftüaga- fcaw. Sehr geehrte Hamen und Herren, •f^'4 .e«! aus der Veröffentlichung Ihres Instituts 'Stietngj^t T entnehmen wir, dad Mitarbeiter Ihres Instituts ee^'jsut ji^er ^ag^n^di Stiftungs- und Vereinsrech&s informiert sind. Unsere’Arhel^ss^uppn 1 ist Srkger einer Initiative für ein türUsches, pl|turzentrum7in.'"I' Ireuzberg 36. Von der1' Internationalen Bauausstellüng haben'wir den Auftrag, ein Gutachten Uker Bedingungen, Möglichkeiten und AdtreeB|,te« eines solchen Kulturzentrums zu erarbeiten, das u.a.' auch'Stellung nimmt zu fragen der Organisations- und Rechtsform. - ..y ^ y Beteiligt an der Arbeit und der Verwaltung in einem solchen Zentrum« wären auf jeden fall politische Gruppen aus der Türkei, aber,auch:, religiöse Gruppierungen, für die erwartungsgemäß schwierige Zusammen¬ arbeit solcher Gruppen wie auch für das Verhältnis zur deutschen Öffentlichkeit ist es sehr wichtig, eine Organisationeform Iz.u fin-^ den, die den Aktiven Autonomie ;ga£fkatiert, aber gleichzeitig£eine'' demokratische Kontrolle ermöglicht. Ebenso wichtig ist die frage,, weil finanzierungsmöglichfeeiten und - formen denkbar wären. • Vir hätten großes ' «; • v . A . *U Interesse, uns in^einem Gespräch, i darüber infäormieren zu lassen, welche Organlsatfoasformen in Frage kämen. Auf Grund des ISA-Auftrags wäre eine Honorie¬ rung des ^eratungsgesprächs möglich. für eignen Termin-Vorschlag wären wir Mit freuijadliehen Grüßen, // > * fi '■ * 118 4.2 Kulturzentrumentwurf als Diskussionsgrund¬ lage für die "AG Ausländer" Anfang Mai 1985. ün in der Diskussion um das Kulturzentrum einen Schritt weiterzukanmen, gaben wir (die Gutachter) dem türkischen Architekten Kemal Berker den Auftrag, einen Entwurf zum Kultur Zentrum mit Gebetsraum vorzulegen, Aufgabe war, die beiden sich an die Fatih-Moschee anschließenden Bahn¬ hofsgebäude an der Görlitzerstraße in die Planung einzu¬ beziehen und das Nutzungskonzept entsprechend den Vorschlä¬ gen der "AG Ausländer" zu gestalten. Die Festlegung auf die beiden Gebäude ist darauf zurückzuführen, daß nach"Auskunft der Eigentümerin des Bahnhofgeländes, der Verwaltung des Reichsbahnvermögens, eine Baugenehmigung für neue auf dem Gelände ausgeschlossen sei. Der Entwurf soll eine konkretere Vorstellung vermitteln, wie ein solches Kultur¬ zentrum aussehen könnte und damit die Diskussion beleben. Der Entwurf von Kemal Berker zum. Kulturzentrum liegt vor. Die Straßensilhouette bezieht die zwei bestehen¬ den festen Gebäude ein, setzt an die Stelle des jetzigen Schuppens, der zur Fatih-Moschee um¬ gebaut wurde, ein drittes Gebäude. Die drei Ge¬ bäude fügen sich einigermaßen unauffällig in die Umgebung ein, auffallend ist nur die orienta¬ lisch-bunte Farbgebung. Kritik wird geäußert: Als Zeichensetzung für die Kultur der Völker der Türkei und für das islamische Moment darin sei dieser Entwurf nicht geeignet, da er eher Ele¬ mente des preußischen Industriebaus als Momente der Moscheen-Architektur aufnehme. Als Identifikationsobjekt könne eine solche Ge¬ bäudereihe nicht wirksam werden, weil sie sich zu stark an der Stadtkultur mitteleuropäischer Großstädte orientiere. Ein Minarett wie auch eine Kuppel fehlen in dem Entwurf, dies wird von einigen türkischen Mit¬ gliedern der Arbeitsgruppe bemängelt. Einige Mitglieder sind mit dem Entwurf als integrativem Angebot einverstanden. c - 4.3 119 Andere Ansätze - Andere Standorte Vergleichbare Ansätze aus anderen Städten liegen vor, wir verweisen hier nur en passant darauf: Denn in den Kulturzentren in Oslo und Wien han¬ delt es sich um islamische Zentren mit weltlichen Anhängseln. Die Akzente sind umgekehrt, beide Zentren sind nationenübergreifend und stark religiös geprägt. PRELIMINARY PROJECT JUNE 1910 THE FOUNDATION OF ISLAM CENTRE OSLO The objective of the Foundation is to build a Mosque in Oslo with relevant institutions and facili ties for Muslims in Norway, and to ensure the future running of this Centre. All Muslims in Norway, irrespective of nationality, may be members of this Foundation. 120 Sehr geehrter Herr Oberstadtrat Kainrath'; In Berlin - Kreuitterg gibt es eine Initiative für ein türkisches Kulturzentru« mit Moschee, die von einer Reihe von politischen und religiösen Gruppen der Türken unterstützt wircf; Durch Kollegen in der Internationalen Bauausstellung Berlin wurden wir darauf hingewiesen, daß Sie in Wien ein Konzept für eine Mosche« entwickelt haberft das für uns interessant sein dürftet Wir möchten Sie bittend uns wenn möglich Informationsmaterial zuzuschicken'. Ganz besonders interessiert uns dabei die Rechtsform (Stiftung oder Verein) und das Finanzierungsmodell'i Falls Sie Interesse an unseren Konzepten und Vorarbeiten habend sind wir gern bereit** sie Ihnen zurmVerfügung zu stellen. Im voraus dankend mit freundlichen Grüßen^ MAGISTRATSOIREKTION DER STADT UIEN Koordinationsbüro Rathaus, Stiege 4, Halbstock, Zi. 247 A-1082 Wien Wien, 19. Juni 198S M85KAI01 Frau Dr. Ulrike Harnisch Verein S036 AG Ausländer ForsterstraOe 20 1000 Berlin 36 Sehr geehrte Frau Dr. Harnisch! Es «ar nicht ganz leicht, von meinem Gesprächspartner im •Islamischen Zentrum Wien' genaue Auskünfte zu bekommen. Folgendes hat sich ergeben: Der Islam ist als Religion in Österreich offiziell anerkannt (das scheint viel zu erleichtern). Das Zentrum wurde von ’allen' (6-7) islamischen Ländern errichtet (genauere Rechtsform unbe¬ kannt). Die Genehmigung dazu gab die österreichische Bundesregie rung. Die Investitionskosten wurden von Saudiarabien getragen, die laufenden Kosten konnten bisher durch Spenden aufgebracht werden. Für weitere Informationen sollten Sie sich vielleicht direkt an das Zentrum wenden: Islamic Centre Vienna Islamisches Zentrum Wien A-1210 Uien Am Hubertusdamra 17-19 Tel.: 30 13 89, 30 63 63 Mit freundlichen Grüßen Dipl.Ing. Wilhelm Kainrath Oberstadtbaurat 121 Ein über 10 Jahre alter Entwurf von Engelbert Kremser für ein türkisches Kulturzentrum liegt vor, der für den Standort Blücherplatz geplant war. Standort ; Blüdwrplitz - Dtr hier vorgesehene Standort des Kulturzentrums erscheint iußerst günstig, da er kurz¬ fristig In der Nihe der türkischen Ballungsgebiete und zudem an einem Verkehrsknotenpunkt liegt, so daB er auch später im Falla der Streuung der türki¬ schen Bevölkerung von sämtlichen Stadtteilen aus gut erreichbar ist. Das türkische Kulturzentrum mit seiner Moschee als gewichtigem Zentralbau würde In der vorliegenden Konzeption den Blücherplatz mit der Amerlka-Gedenk-Blbtiothek und der Nachbarschaft der Kirche .Zum heiligen Kreuz" zu einem kulturellen Zentrum .Berlins aufwerten. Falls |edoch der Widerstand zu groß ist. diesen Platz In der vorliegenden Form zu bereichern, würde sich sicherlich auch ein anderer finden lassen. Dies würde jedoch eine andere Kon¬ zeption der Gebäude zur Folge haben. Die Finanzierung ln Höhe von 6,6 Millionen DM wurde von einem türkischen Zeitungsverleger vertraglich ge¬ sichert. Der Verleger beabsichtigte, das Objekt nach Fertigstellung und einjähriger Anlaufzeit als Stiftung einer öffentlichen Institution des Landes Berlin zu übergeben. Der Berliner Senat sollte lediglich ein Grundstück zur Verfügung stellen. Der Senat lehnte das Projekt ab und teilte mit. .daB die beteiligten Ressorts übereinstimmend nicht der Auffassung sind. daB In Berlin zentral ein Kulturzentrum für eine Gruppe der ausländischen Mitbürger unserer Stadt errichtet werden sollte". Türkisches Kulturzentrum mit Moschee. Grundriß 122 Ein anderer wohlmeinender Plan zum Bau eines türkischen Kulturzentrum bzw. einer Moschee wird von der Projektgruppe Moritzplatz betrie¬ ben . Die Vorstellungen über dieses Zentrum sind immer¬ hin auch so weit gediehen, daß ein.Entwurf vor¬ liegt. Beiden Ansätzen gemeinsam ist, daß sie vorwiegend von deutscher Seite betrieben wurden und werden. Eine Bewertung aus türkischer Sicht stellt der Artikel von Selcuk Iskender in der Stadtteil¬ zeitung "Ekin" vom März 1985 dar: MOSCHEE AM MORITZPLA TZ I Auf der Rückseite eines Kreuzbergfaltplans für Touristen steht geschrieben, daß es in Kreuzberg „nach Kebab und Knoblauch duftet, orientalische Musik in der Luft liegt und verschleierte Frauen das Straßenbild prägen.“ Orient in Kreuzberg? Nicht ganz! Es fehlen eine Moschee und ein Bazar aus 1 001 Nacht, um das Kli¬ schee zu vervollständigen. Erst dann ist „Türkberg“ eine Reise wert. Die Projekt¬ gruppe Moritzplatz möchte aber das exotische Bild eher heute als morgen verwirk¬ lichen. Direkt am Moritzplatz, abgelegen und dicht an der Mauer. Was steht eigentlich dahinter? Planen die Deutschen eine Moschee für Türken, oder wollen sie selber darin beten? Die Geschichte geht etwas zurück. 1984 wurde in SO 36 unter dem Motto „Der Görlitzer Bahnhof ist für alle da!“ ein Wettbewerb für die Neugestaltung das alten Bahnhofgeländes vorbereitet. Eine Arbeitsgruppe Ausländer (Ein Zusammen¬ schluß von Stadtteilinitiativen, die in SO 36 Ausländerarbeit machen ) hat das Mot¬ to das Wettbewerbs wörtlich genommen und wollte die Interessen der türkischen Bewohner bei der Baugestaltung berücksichtigt wissen. Nach intensiven Diskussionen mit den verschiedenen türkischen Gruppen und Bewohnern wurde ein Konzept entwickelt, wonach ein Kulturzentrum mit Moschee fester Bestandteil der Planung sein sollte. Das Kulturzentrum sollte einerseits durch die Verwendung traditioneller Bauformen und Gestaltungselemente eine Signaifunktion haben, die den Einwanderern einen Bezugspunkt auf der Suche nach einer neuen Identität bietet, andererseits sollte dieses Zentrum der deutschen Bevölkerung anatolische Kultur näherbringen, aber nicht als eine touristische Attraktion dienen. Die zentrale Fragestellung der AG Ausländer war dabei, in welcher Art und Weise die Bedürfnisse der in der Umgebung dieses Geländes lebenden ausländischen Bewohner (ca. 40%) berücksichtigt werden könnten. Das Konzept wurde aber von allen an den Vorbereitungen teilnehmenden deutschen Gruppen vehement abgelehnt. Der heilige Ort „Görlitzer Bahnhof“ wurde tapfer verteidigt. Der Vorwurf der nicht gleichberechtigten Behandlung der Türken bei den EntscheidungsProzessen wurde zurückgewiesen und Bereitschaft bekundet, gemeinsame Lösungen zu suchen. Es waren aber leere Versprechungen. Einige haben das Thema ; J : 'i r . ; | |; ii .i 1 1 23 völlig verdrängt, andere hatten schon vorher Moritzplatz als Alternative themati¬ siert. Obwohl die Arbeitsgruppe Ausländer damals den Moritzplatz als Standort abgelehnt und die Projektgruppe aufgefordert hat, in der Frage des Kulturzen¬ trums mit ihr zusammenzuarbeiten, ist sie bis heute aus der Diskussion ausge¬ klammert worden. Parad'* bei der Geschichte ist, daß die energischen Gegner des Kulturzentrums aut dem Görlitzer Bahnhof die jetzigen Betreiber des Mo¬ scheeprojekts am Moritzplatz sind. Sie brauchen die Türken nicht, sie wissen bes¬ ser, was für die Türken gut ist. Die ganze Diskussion um das Kulturzentrum ist sehr bezeichnend für die politi¬ sche Rechtlosigkeit der ausländischen Bewohner. Sie haben nicht mal auf Bezirk¬ sebene bei den sie betreffenden Entscheidungen Mitspracherecht. Es ist aber kein Wunder. Es heißt nicht „( Mit jbürgerbeteiligung", sondern „Bürgerbeteiligung". i Selcuk Iskender Diskussionsvorschläge für mögliche Lösungsansätze hier: [Deutsch-türkisches Kulturzentrum mit Basar-Läden und MoschEs 124 - 5. Das Fest auf dem Görlitzer Bahnhof am 22.6.1985 Abschließend berichten wir von einer Nach¬ diskussion zum Fest auf dem Görlitzer Bahnhof, die die"AG Ausländer" am 27.6.85 führte. Diese Nachdiskussion beleuchtet noch einmal alle Konflikte, die mit der Forderung nach einem türkischen Kulturzentrum mit Gebets¬ raum verbunden sind und beleuchtet auch noch einmal die stadtteilpolitisch brisante Frage nach dem Standort. Die "AG Ausländer" hatte zu dem Fest auf dem Görlitzer Bahnhof das folgende Flugblatt herge¬ stellt : KG Ausländer DER Wir GÖRLITZER BAHKHOT KUSS Verein SO 36. PARK MEKSEM I «iflvmtjndan. Aue* «Ir braudan Luft «d Crtn hier 1» Stadttail. Abcn KQenm wir ira dolt Tiifriarim 9db«n? - Nal&> »,w-H für ixmatomms TOrJuü. lat «Iß PM* «Im gut* S«c**. AlMT für Ixmabmrqes mm dar TOricai £dü*ß nocL «ndsrs Ettuga ala «In Park. Kmubogmc mm da TOrfcai haban kaln« Orfct w dou ai* g«a*ißs*m Ihr* Kultur «S Ihr* Rallglcn aaifcan Wnnan. Sla xahlaß x« Stojam vd* jadar öfftacha Xxvuzfaazuar, Tin>in—n dafQr «bar nur wanlg« Elnrldits«g«ß mgÄotan, dl* spasl«ll ihran BadOrfniaMn gerecht uardam Baratmgaatallan, Trxnen- und MSdchanlAdao, r.TT«« an Ott VOl3a*a*achula. Van 11—i Udan xnd Knr»an «rdan Im Jahr vl«Al«ic*t •ym hi* vm Kxmabcryer «a« dar TOxkal «rralrfJt. De Stadttail laben abar inahr *la IO OCX) Hmachan MB dar TQrkal. Daß Krauxbazuar aua dar TOifcal noch ander« BedQrfni— habot,, kam man daran a«h«n, daß Oiaatarv—mtalbaigen auf «ritlach lanar gut Baaucht »Ind, ebanao wla Polklor*Varmetaltxngen mif Statetailfaatmi dad türkl«*a Thaatar- iwi Halkgruff» la Stadtteil drlmand nach Wboan auchan, daß die Famlllm aus dar Türkei Ihre gzodan Hochzeiten nirtt 1* Stadtteil, falam »man, aandam bla iur Trabrennbahn darf — nüsacn, ua einen Festsael zu bekamen. Nicht zuletzt zelgtdie Beaetzian elnaa Sctunxns auf da« GQrUtzer Bahnhof (1981) durch di« Fatih-Gameinde, dl* drlmmd «Inan Gebeteraua brauchte, daA vaitar den Elrwmdaram aua dar Türkei Badflrfniaee vcahoskn aiad, die nur Auch Eigeninitiative befriedigt werden ttnnen, d* «ich "»«n-k und Senat dense nicht künaern. KU dl« r»UWt»ci»« v™ Mrlltur BWKihol widrilrdt >*zö*n. Auch Oa VbtKUlh, ir JC AualAhdcTf ln du P*rta}.lJcd« ein mltunenuroi. mit Ulamlei*«« l^bturu eumhexiehmic wurie vor ^n» Jehr von den UerentuortUchen ^gelehnt. Dee Aomept der AG Auellnder eeh Feet- mvl TheeterrJuee, »IbUothek und Videothek voff( eboieo ein tUzkledM DmepflMd md eine G^mteetlttei ellee minemmmn eollte VO. ijjijnischan GnAgm Airch einen gotminewen TrAgerverein wexwltet ■! W i cee xunrept vurde und wird voei verKhlrientn ektiv« Gnggien Im Stadtteil mterstützt. Wir fordern daher weiter - trots der Ablehnmg durch Bezirk und Senat «ln UjLUüH&dtiun. nuJ- CjeßU&KUun, Ouf ckun. ! >Whr als 10 000 e2 braucht man dafür nicht. Die übrigen 130 C00 *2 «ollen grün werdm. Hi AÜSIANOER IM VEREIN SO 38 125 An Stelltafeln zeigte die "AG Ausländer" dazu den Entwurf eines Kulturzentrums in den auf dem Görlitzer Bahnhof vorhandenen Bahnhofsgebäuden an der Görlitzer Straße. Dieser Entwurf stammt' von dem Architekten Kemal Berker, der von den Autoren des Gutachtens beauftragt wurde, einen Entwurf für diesen Standort vorzulegen. Mitglieder der "AG Ausländer" hatten sich auf dem Fest in der Nähe der Stelltafeln aufgehalten, mit mit Festteilnehmern über den Entwurf und die Forderung nach einem Kulturzentrum ins Gespräch zu kommen. Eine Absprache mit der Fatih-Gemeinde über den Inhalt des Flugblattes war aus zeitlichen Gründen vor dem Fest nicht mehr zustande gekommen. So eine Absprache wäre wichtig gewesen, da das Fest auf dem Görlitzer Bahnhofsgelände ein Fest der deutschen’*Arbeitsgruppe ' Görlitzer Bahnhof" war, bei dem die Forderung nach einem Park und die Ablehnung jeder anderen Nutzung noch einmal mit Nachdruck vertreten werden sollte. Das hieß aber: es sollte ein Fest werden für den Park und gegen andere Nutzer also auch gegen die Fatih-Ge¬ meinde u.a., die jedoch sehr freundlich zur akti¬ ven Teilnahme an dem Fest eingeladen worden war. Der Widerspruch war den Einladenden £o sicher nicht bewußt gewesen. Bei dem Fest erst stellte sich dann heraus, daß die Fatih-Gemeinde dieser widersprüchlichen Strate¬ gie gegenüber ziemlich hilflos gehandelt hatte: sie hatte sich durch die Organisierung von Ring¬ kämpfen an der Gestaltung eines Festes beteiligt, das ihre erfolgreiche Vertreibung feierte. Ihre eigene Forderung, nämlich die Moschee auf dem Bahnhofsgelände behalten zu können oder einen angemessenen anderen Standort angeboten zu be¬ kommen, hatte die Fatih-Gemeinde in keiner Wei¬ se in die Festöffentlichkeit gebracht. Die von der "AG Ausländer" auf dem Flugblatt formulierte Forderung war unter diesen Umstän¬ den für die Fatih-Gemeinde eine Möglichkeit, ihre Problematik überhaupt zur Diskussion zu stellen. Mehrere Mitglieder der "AG Ausländer" berichten, daß die Fatih-Anhänger das Flugblatt der "AG Aus¬ länder" verteilten und aushängten, nachdem sie eine Änderung vorgenommen hatten: aus dem "Ge¬ betsraum" des Flugblattes war eine "Moschee" gewor den. Überschrift darüber: "Was wird aus unserer Moschee?" Zwei Mitglieder der "AG Ausländer" hatten mit dem Sprecher der Gemeinde über die aktuelle Situation gesprochen. Es hatte sich herausgestellt, daß die Fatih-Gemeinde nur noch einen Monat Frist bis zur Räumung der Moschee hatte und die Frist auf Grund eines Formfehlers bei der Kündigung des Pachtver¬ trages allenfalls noch um drei Monate verlängern konnte. Der Sprecher der Gemeinde hatte noch einmal be¬ tont, wie sehr die Gemeinde und auch deren reli¬ giöser Anführer bereit sei, mit der "AG Ausländer" zusammenzuarbeiten in der Forderung nach einem Kul turzentrum. Auch die weltlichen Teile des geplan¬ ten Zentrums, das Bad, die Festsäle und kulturel¬ len Angebote waren von ihm als äußerst notwendig 127 anerkannt worden. Die Nachdiskussion zu dieser Veranstaltung und zu diesen Gesprächen ergibt eine selbstkritische Wertung der bisherigen Aktivität der "AG Aus¬ länder". Die Situation und die Meinungsäußerung der Fatih-Gemeinde wie auch die Konstellation auf dem Park-Fest zeigen, daß die Chance, die Forderung nach dem Zentrum mit der von Vertrei¬ bung betroffenen Gemeinde gemeinsam sehr nach¬ drücklich in die Öffentlichkeit zu bringen, vor handen war und ist und daß diese Chance nicht ausreichend aktiv von der "AG Ausländer ge¬ nutzt wurde. Ein Teil der "AG Ausländer" spricht von den be¬ kannten Berührungsängsten, die ein öffentliches Zusammengehen mit der islamischen Gruppe unmög¬ lich macht. Es gelingt nicht, die Fatih-Gemeinde in die Diskussion um das Kulturzentrum so einzu binden, daß gemeinsam öffentlich Druck erzeugt werden kann. Ein Mitglied der Gruppe spricht von "halbherziger Solidarität", die jede entscheiden¬ de Aktivität für das Kulturzentrum lähme, während auf der anderen Seite die Planung des Parks voran¬ schreite und die Chance, von dem Bahnhofsgelände noch etwas für das Kulturzentrum zu retten, immer geringer werde. Daß ein gemeinsames Vorgehen und entschiedene Schritte in die Öffentlichkeit hinein unbedingt erforderlich sind, zeigt das Presseecho AL-eigener und AL-naher Blätter: Von der Flugblattaktion für ein türkisches Kulturzentrum ist nicht die Rede, die Forderung der Minderheit wird nicht einmal von - 128 dem ausländerfreundlichen Teil der Öffentlich¬ keit wahrgenommen. Der Artikel in dem Stadtteil¬ blatt "Ekln" dagegen ist von einem Mitglied der "AG Ausländer". Parkfest Görlitzer Bahnhof Ein Ringcrwcttkampf, Pantomime, Blasmusik und eine Ausstellung bilde¬ ten den Rahmen des Parkfestes der Ar¬ beitsgruppe Görlitzer Bahnhof am 23. Juni auf dem Bahnhofsgelände. Anlaß des Festes,.war, den Forderungen der Arbeitsgruppe nach einem bürgerge¬ rechten Park unter Beteiligung der An¬ wohner Nachdruck zu verleihen. Die AG tritt gegen einen umzäunten Sport¬ platz mit Flutlicht und Kunststoffbelag und für einen integrierten Park mit ver¬ steckter Umzäunung und Schotterra¬ sen ein. Weiter wird die Errichtung ei¬ nes Verkehrskindergartens, eines Kin¬ derbauemhofs und die Schaffung von Ausbildungsplätzen im Gartenbau ge¬ fordert. Mit der Realisierung des Gör¬ litzer Parks soll umgehend begonnen werden. Görlitzer Bahnhof Infofest für Bürgerpark Das Görlitzer Bahnhofsgelände'soll zum Stadtteilpark umgestaltet wer¬ den. Damit nicht über die Köpfe und Wünsche der Anwohner hinweg ge¬ gangen wird, veranstaltete die AG ■Görlitzer Bahnhof« am Wochenende ein Informationsfest. Trotz regneri¬ scher Wetterlage fanden sich Immer¬ hin 250 SO 36er ein, um bei Sport, Musik und Tanz Ihre Vorstellungen von einem lebendigen Bürgerpark kundzutun. Ein Ringertumier mit anschließender Sie¬ gerehrung veranstalteten türkische An¬ wohner. Kinder fanden ausreichend Ge¬ legenheit zum Verkleiden und Schmin¬ ken. An bunten Stelltafeln stellten sich zu¬ dem zahlreiche Kreuzberger Initiativen vor. Gleichfalls präsentierte die Anwohner-lnitaitive ihre Pläne zum Bürgeipark. Nach Ansicht derlnitiative besteht die Ge¬ fahr, daß im Verlauf der Konkretisierung des Wettbewerbsentwurfes das ur¬ sprüngliche Konzept verfälscht wird. Bei¬ spielsweise soll die geplante Wiese für Spiel- und Sportmöglichkeiten einer elngezäunten, mit Flutlicht und Kunstbelag ausgestatteten Wiese weichen. Neben Ausbildungsplätzen für Jugendli¬ che im Gartenbau, Biotopen oder früh¬ zeitlicher »Bebaumung« fordert die Initia¬ tive ein Modellprojekt »Görlitzer Park«, damit die Annahme des Parks durch seine zukünftigen Benutzer sicherge¬ stelltwird. ^ (oi ^ taz 129 Tcmmfizl Afcustos 1985 Görlitzer Bahnhof alam yesillendirilecek KÜLTÜR MERKEZI iSTERIZ! Görlitzer Bahnhof U- Bahn dungm.n arkas.nda kalan ve 140.000 metrekare büyüklügünde bir alan var. Burada eskiden Kreozb.rg'in en ö"*™1' dan biri vardi 2. Dünya savajinda bu isasyon tamamen bombalanarak yikildi ve harabe hanne'^ldi. slva, sonras, bu harabenin kahnt.lan da tenuzlenerek bupm görülen bo$ alan meydana gcldu Kreuzberg’de küitürei ve dini ihtiyaglanmizi gerektigi bigimde giderecek bir yerimiz yoktur. Bizler de her Alman Kreuzberg'li gibi vergi ödemekteyiz, fakat bunun kar^iligi olarak bizjm igin agilan dam?ma yerleri, kadmlar ve geng kizlar igin bulujma yerleri, halk yüksek okulu kurslari gibi hizmetler umamen yetersiz kalmakudir. Bu hizmetler bölgemizde yajayan onbinin üzerinde Türkiyelinin gok az bir kismma ulagabilmektedir. Semtimizde yapilan tiyatro gösterileri dolup ta$maktadir. Oüzenlenen Semt jenliklerine folklor gruplarimiz yogun bir jekilde katilmaktadir. Gösteri yapabilmek igin salon arayan tiyatro ve müzik gruplarinin sayisi her gegen gün artmaktadir. Bizler dügün salonu bulabilmek igin Kreuzberg'den u Mariendorftaki hipodroma kadar gitmek zorunda kalmakuyiz. Bunin bunlar semtimizde bu ihtiyaglari karjilayacak bir kültür merlezine ihtiyag oldugunu kanitlamakudif. r-T-'-v GÖRLiTZERPARKTA Böige akinleri uzun zamandan beri bu alanm büyük bir park haline getigetirilmesi igin Qalijmalar yapmakta idi. Berlin Senatosu halkm bu istegini kabul ederek, gegtigimiz yil bir proje yarismasi agtu Bu yarrjmanm agilmaai ile kavga da ba?ladi bölgede. Halkm bir kismi bütün alanm yejillendirilmesini itterken, bir kismi da bol miktarda spor alam da yapilmasmi önerdi. Bu arada bir de "Verein SO 36 Yabancilar Cali?ma Grubu" ortaya atilarak bir kültür merkezi kurulmzsmi önerdi. Calijma grubunun bu hakh inegi ortaligi karijtirdi. AImanlarin hepsi bu defa bir ledere k Türklerin bu istegine kar?! gikti. Oysa bu kültür merkezi senelerden beri bu¬ rada yajayan bizlerin küitürei ve dini ihtiyaglanni gidcrebilmesi bakimindan gerekli idi. özellikle yerel Alman gruplannin karji koymasi nedeni ile yetkililer kültür merkezini projeden gikarttilar. gAYIRGORE?! Geftigimiz haziran ayi sonlarmda Görlitzer Bahnhof alamnda bir jenlik düzenlendi. Bu selige Kreuzberg’li Türkler de katildilar »e bir de güre? müsabakasi lertiplediler. Yari;maya gocuklar ve genfer katildi. Derece alanlara da sejitli ödüller verildi. ;enligi "Görlitzer Park (^ah$ma Grubu" tarafindan düzenlendi. Bu jenlikte ayrica "Verein SO 36 Yabancilar Gfubu" hazirladigi kültür merkezi projesini tanitti. önerilen kültür merkezinde : Eglence ve tiyatro gösterileri i?in bir salon, kütüphane, video kulübü, hamam ve bir de mescid ön görülmü$tü. Kültür inerkezinin tümünün ise demokratik ve dini kunjlu$larin bir araya gelerek kuy racaklari bir ?ati altmda idare edilmesi ana prensip olarak saptanmi$ti. Bu görü$ bölgede bulunan ?e$itli aktif gruplar tarafindan da desteklenmekte. - 130 - Mit diesem Diskussionsergebnis möchten wir das Gutachten abschließen. Ergebnis: Aus allen Diskussionen und Interviews wie auch aus dieser an letzter Stelle wiedergegebenen Dis¬ kussion geht hervor, daß die Brisanz der Initia¬ tive für ein türkisches Kulturzentrum in Kreuz¬ berg 36 vor allem in der Einbeziehung einer Ge¬ betsstätte liegt.An diesem Thema entscheidet sich, wie stark oder schwach die ethnische Kolo¬ nie gegenüber der Aufnahmegesellschaft ist, ob sie sich solidarisieren kann, wie weit die "Binnen¬ integration" vorangeschritten ist. Daß eine Stätte da sein muß für große Familien¬ feste, für Theater, Film, Musik etc. aus der Tür¬ kei, dies alles wird von allen Gruppen auf deut¬ scher wie auf türkischer Seite akzeptiert. Was für die Arbeiterorganisationen und auch für die Initiatoren in der "AG Ausländer" nicht klar ist, i3t wie man mit islamischen Gruppen Zusammengehen kann in der Durchsetzung und später auch in der Organisation eines solchen Zentrums. Daß dieses Zentrum eine Sache der Minderheit sein muß und nicht eine deutsch-türkische Initiative, wird aus dieser Diskussion auch deutlich. Es geht bei der gesamten Initiative vorrangig um Selbst¬ definition und Binnenintegration innerhalb der Minderheit aus der Türkei, nicht um einen kulturel¬ len Austausch zwischen Deutschen und Immigranten aus der Türkei. Daß dies so ist, wird an der Thematik "'Gebetsstätte" deutlich, an der sich die verschiedenen Gruppen entweder einigen oder trennen. 131 Wie stark die Tendenz zur Binnenintegration innerhalb der türkischen Kolonie ist, wird sich daran zeigen, ob das Kulturzentrum mit Gebetsstätte durchgesetzt wird auch gegen den Widerstand der deutschen Öffentlichkeit., der sich zur Zeit scheinbar nur auf den Standort Görlitzer Bahnhof bezieht. Für die sehr schwierige aber notwendige Zu¬ sammenarbeit der verschiedenen Gruppen der Min¬ derheit bietet gerade dieser Widerstand eine gute Chance, Deshalb ist es nach unserer Mei¬ nung für die Durchsetzung des Konzepts "Kultur Zentrum" sehr wichtig, daß an dem Standort wei ter festgehalten wird. - 132 Literaturverzeichnis: Jochen Blaschfc^ Islam und Politik unter türkischen Arbeitsimigranten. In: Jahrbcuh zur Geschichte und Gesell¬ schaft des Vorderen und Mittleren Orients 1984, Berlin 1985. Frauke Decker / Ozean Ayanoglu, Ausländer im politischen Abseits, Frankfurt / New Yorck, 1982. Georg Eiwert, Probleme der Ausländerintegration. Gesellschaftliche Integration durch Binnenintegration? In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozial¬ psychologie 1982, 34. Jg., Heft 4. Friedrich Heckmann, Die Bundesrepublik - ein Einwanderungs¬ land? Stuttgart 1981. -ds., Pluralismus und "Integration" der Gastarbeiterbevöl¬ kerung. In: Wissenschaft.gegen Ausländerfeindlich¬ keit am 16. und 17. Dez. 1983 in Frankfurt, S. 62-63. Hakki Keskin, Die Türkei. Berlin 1978. H.-G. Kleff, Van Bauern zum Industriearbeiter, Ingelheim 1984. Ahmet Fahir Köker, Herausbildung der strukturellen Hetero¬ genität in einer unterentwickelten Gesellschaftsfor¬ mation am Beispiel der Türkei. Frankfurt a.M., 1980. E. Schmidt u. a., Türkei-Politik, Ökoncmie, Kultur. Berlin 1980. Udo Steinbach, Die Türkei im Umbruch? In: Orient 3/79. Hanns Thanä-Venske, Die Bedeutung des Islam im Prozeß der Integration türkischer Arbeiterfamilien in die Gesell¬ schaft der BRD, Hamburg. Diplomarbeit am Seminar für Sozialwissenschaften der Universität Hamburg, 1980. Bassam Tibi, Die Krise des modernen Islams, München 1981. Stichwort "Spendenwesen", Hrsg. V.R. Borgmann-Quade, Berlin 1982.