EUROPÄISCHES PARLAMENT 1999 2004 Sitzungsdokument ENDGÜLTIG A5-0391/2001 8. November 2001 BERICHT über die ethischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Humangenetik Nichtständiger Ausschuss für Humangenetik und andere neue Technologien in der modernen Medizin Berichterstatter: Francesco Fiori RR\453921DE.doc DE PE 300.127 DE PE 300.127 DE 2/127 RR\453921DE.doc INHALT Seite GESCHÄFTSORDNUNGSSEITE ............................................................................................... 5 ENTSCHLIESSUNGSANTRAG ................................................................................................. 6 BEGRÜNDUNG ......................................................................................................................... 33 I. Einleitung ............................................................................................................................ 33 II. Die Humangenetik: Eine wissenschaftliche und technologische Herausforderung, die einer echten Revolution gleichkommt.................................................................................................. 35 II.1. DNA – Gene - Chromosomen ............................................................................................. 35 II.2. Chromosomen ...................................................................................................................... 37 II.3. Erbkrankheiten..................................................................................................................... 37 II.4. Die Funktion der Gene ........................................................................................................ 41 II.5. Konsequenzen des Human-Genom-Projekts ....................................................................... 42 III. Eine Arbeitsmethode zur Unterstützung eines „integrierten Ansatzes“ für eine neue Beziehung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft .................................................................. 43 IV. Befugnisse der EU im Bereich der Humangenetik ............................................................. 45 V. Internationale und europäische Rechtsinstrumente ............................................................ 49 VI. Arbeitsprogramm ................................................................................................................ 53 VI.1. Gentests .............................................................................................................................. 53 VI.1.1 Ethische und gesellschaftliche Fragestellungen bei Gentests .......................................... 55 VI.1.2. Rechtliche Auswirkungen der Genanalyse ..................................................................... 58 VI.2 Die Behandlung genetischer Krankheiten: Verfahren (Therapie und Medizin) ................. 59 VI.2.1 Die Gentherapie ............................................................................................................... 59 VI.2.2 Die Genmedizin ............................................................................................................... 59 a) Medikamente aus transgenen Tieren ....................................................................................... 60 b) Die Transplantation von Geweben und Organen .................................................................... 60 c) Die Pharmakogenetik .............................................................................................................. 63 VI.2.3. Ethische und soziale Aspekte .......................................................................................... 64 VI.3. Denkstrategien für eine Gemeinschaftsintervention, die einen Mehrwert darstellt ........... 68 VI.4. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Humangenetik (Diagnostik und Therapie) ........ 70 VI.4.1 Situation im europäischen Gentherapiesektor.................................................................. 72 VI.4.2. Die nationale und europäische Produktion im Bereich der Gentherapieforschung ........ 73 VI.4.3 In welchem Umfang wird der Gentherapie im Rahmen der nationalen Forschungsfinanzierungssysteme Vorrang eingeräumt? ............................................................. 75 VI.4.4. Denkstrategien für eventuelle Empfehlungen an die Mitgliedstaaten der Union ........... 77 VII. Die Nutzung genetischer Informationen ............................................................................. 77 VIII. Die Patentierbarkeit von lebendem Material ...................................................................... 78 VIII.1 Rechtsrahmen der Gemeinschaft ...................................................................................... 78 VIII.2. Patentinnovation als Motor der Forschung ..................................................................... 80 VIII.3 Die Richtlinie 1998/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen 82 VIII.4 Humangenom ................................................................................................................... 84 RR\453921DE.doc 3/127 PE 300.127 DE VIII.5 Patentierbarkeit von Gensequenzen ................................................................................. 85 VIII.6. Argumente für und gegen die Patentierbarkeit von Genen ............................................. 87 IX. Das sechste Forschungsrahmenprogramm ......................................................................... 89 X. Schlussfolgerungen: Welche Rolle soll die Union spielen? ............................................... 91 PE 300.127 DE 4/127 RR\453921DE.doc GESCHÄFTSORDNUNGSSEITE In der Sitzung vom 13. Dezember 2000 billigte das Europäische Parlament einen Beschluss zur Einsetzung eines Nichtständiges Ausschusses für Humangenetik und andere neue Technologien in der modernen Medizin. In der konstituierenden Sitzung vom 16. Januar 2001 benannte der Nichtständige Ausschuss seinem Mandat entsprechend Francesco Fiori als Berichterstatter. Der Ausschuss prüfte den Berichtsentwurf in seinen Sitzungen vom 27. August, 10. September, 2., 8. und 10. Oktober, 24. Oktober, 5. und 6. November 2001. In der letztgenannten Sitzung nahm der Ausschuss den Entschließungsantrag mit 18 Stimmen bei 13 Gegenstimmen und 3 Enthaltungen an. Bei der Abstimmung waren anwesend: Robert Goebbels, Vorsitzender; Ria G.H.C. OomenRuijten, stellvertretende Vorsitzende; Karin Scheele, stellvertretende Vorsitzende; Antonios Trakatellis, stellvertretende Vorsitzende; Francesco Fiori, Berichterstatter; Nuala Ahern (in Vertretung von Jillian Evans), Luis Berenguer Fuster (in Vertretung von Gérard Caudron), Hiltrud Breyer, David Robert Bowe, Hans Blokland, Willy C.E.H. De Clercq (in Vertretung von Diana Wallis), Jean-Maurice Dehousse, Gianfranco Dell'Alba (in Vertretung von Jean-Claude Martinez), Avril Doyle, Concepció Ferrer, Marialiese Flemming (in Vertretung von Françoise Grossetête), Geneviève Fraisse, José María Gil-Robles Gil-Delgado, Evelyne Gebhardt, MarieThérèse Hermange, Eija-Riitta Anneli Korhola, Peter Liese, Jules Maaten (in Vertretung von Luciana Sbarbati), Minerva Melpomeni Malliori (in Vertretung von Eryl Margaret McNally), Emilia Franziska Müller, Riitta Myller (in Vertretung von Dagmar Roth-Behrendt), Elena Ornella Paciotti, Bernd Posselt (in Vertretung von Paolo Pastorelli), John Purvis, José Ribeiro e Castro (in Vertretung von Sergio Berlato gemäß Artikel 153 Absatz 2 der Geschäftsordnung), Dana Rosemary Scallon (in Vertretung von Jonathan Evans), Astrid Thors, Elena Valenciano Martínez-Orozco und Demetrio Volcic (in Vertretung von Carlos Candal gemäß Artikel 153 Absatz 2 der Geschäftsordnung). Der Bericht wurde am 8. November 2001 eingereicht. Die Frist für die Einreichung von Änderungsanträgen wird im Entwurf der Tagesordnung für die Tagung angegeben, auf der der Bericht geprüft wird. RR\453921DE.doc 5/127 PE 300.127 DE ENTSCHLIESSUNGSANTRAG Entschließung des Europäischen Parlaments zu den die ethischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Humangenetik Das Europäische Parlament, – gestützt auf den Beschluss vom 13. Dezember 2000, einen Nichtständigen Ausschuss für Humangenetik und andere neue Technologien in der modernen Medizin einzusetzen1, – gestützt auf folgende Dokumente der Gemeinschaft: – den Vertrag über die Europäische Union (EUV), insbesondere die Artikel 5, 95, 152 sowie die Artikel 163 bis 173 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV), – die am 4. November 1950 in Rom verabschiedete Konvention der EG zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, geändert durch Protokoll Nr. 11, – die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere die Artikel 1, 2, 3, 8, 13, 21 und 35, – die Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr2, – die Richtlinie 98/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen3, – den Beschluss 99/182/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über das 5. Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration (1998-2002)4, – die Entscheidung 99/167/EG des Rates über ein spezifisches Programm für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration auf dem Gebiet „Lebensqualität und Management lebender Ressourcen“ (1998-2002)5, – den Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über das sechste mehrjährige Rahmenprogramm 2002-2006 (KOM(2001) 94)6 sowie über die spezifischen Programme (KOM(2001) 279)7, – seine verschiedenen Entschließungen und insbesondere die Entschließung vom 7. September 2000 zu den untersuchten Problemen8, – die Verordnung 45/2001/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz 1 ABl. C 232 vom 17.8.2001, S. 75. ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31. 3 ABl. L 213 vom 30.7.1988, S. 13. 4 ABl. L 26 vom 1.2.1999, S. 1. 5 ABl. L 64 vom 12.3.1999, S. 1. 6 ABl. C 180 E vom 26.6.2001, S. 156. 7 ABl. C 240 E vom 28.8.2001, S. 259 8 ABl. C 135 vom 7.5.2001, S. 263. 2 PE 300.127 DE 6/127 RR\453921DE.doc natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft9, – seine Entschließung vom 5. Oktober 200010 zum Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (KOM(1999) 565)11, – unter Hinweis auf folgende internationale Dokumente: – das Übereinkommen über die biologische Vielfalt der Vereinten Nationen vom 5. Juni 1992, – das Abkommen der Welthandelsorganisation über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums vom 15. April 1994, – die allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und die Menschenrechte der UNESCO vom 11. November 1997, – die Entschließung der Weltgesundheitsorganisation vom 16. Mai 1998 über die ethischen, wissenschaftlichen und sozialen Auswirkungen des Klonens auf die menschliche Gesundheit, – das Übereinkommen des Europarates über Menschenrechte und Biomedizin vom 4. April 1997 und das Zusatzprotokoll vom 12. Januar 1998 sowie die Entschließung des Europarates vom 20. September 1996 zur Biomedizin, – die Empfehlung 1046 (1986) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zu der Verwendung menschlicher Embryonen, – die Erklärung von Helsinki des Weltärztebundes von Juni 1964 über die ethischen Grundsätze der biomedizinischen Forschung am Menschen in der revidierten Fassung von 1996, – den Nürnberger Kodex – Kriegsverbrecherprozesse vor den Nürnberger Militärtribunalen nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 10 – Nürnberg, Oktober 1946 bis April 1949, – das Übereinkommen des Europarats Nr. 108 vom 28. Januar 1981 zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten, – unter Hinweis auf die Stellungnahme Nr. 13 der Europäischen Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der neuen Technologien (EGE) zu den ethischen Aspekten der Verwendung von personenbezogenen medizinischen Daten in der Informationsgesellschaft sowie die Stellungnahme Nr. 15 zu den ethischen Aspekten der Erforschung und Verwendung menschlicher Stammzellen, – unter Hinweis auf den vom amerikanischen Repräsentantenhaus verabschiedeten Gesetzentwurf über das Verbot der Herstellung von menschlichen Embryonen durch 9 ABl. L 8 vom 12.1.2001, S. 1 ABl. C 178 vom 22.6.2001, S. 270. 11 ABl. C 177 E vom 27.6.2000, S. 42. 10 RR\453921DE.doc 7/127 PE 300.127 DE Kerntransfer, der zur Zeit im Senat der Vereinigten Staaten beraten wird, – unter Hinweis auf die Anhörungen des Nichtständigen Ausschusses für Humangenetik von Januar bis Mai 2001 in Anwesenheit von Sachverständigen, – unter Hinweis auf die Treffen mit Vertretern der nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten der Union und der beitrittswilligen Länder sowie der Zivilgesellschaft am 18. und 19. Juni sowie am 9. und 10. Juli 2001, – gestützt auf Artikel 150 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, – unter Hinweis auf den Bericht des Nichtständigen Ausschusses für Humangenetik und andere neue Technologien der modernen Medizin (A5-0391/2001), Zur Genomforschung A. unter Hinweis auf die Notwendigkeit der Forschung, die ständig echte Fortschritte in der Medizin und die Verbesserung der Lebensqualität jedes Einzelnen und der Zivilgesellschaft ermöglicht, B. in der Erwägung, dass der Respekt vor der menschlichen Würde es gebietet, den Menschen nicht auf biologische Aspekte zu reduzieren, ihn nach ausschließlich biologischen Kriterien zu bewerten oder utilitären Erwägungen zu unterwerfen, C. in der Erwägung, dass die grundlegenden ethischen Prinzipien im Hinblick auf Fragen der Bioethik angewandt und ausgelegt werden müssen, und dass es bei der Auslegung unterschiedliche Ansichten zu einzelnen Fragen geben kann, D. in der Erwägung, dass die Existenz unterschiedlicher Ansichten in bioethischen Fragen den Ausgangspunkt für einen rationalen, argumentativen Dialog zwischen den Vertretern dieser Ansichten bilden muss, E. in der Erwägung, dass die Auslegung der grundlegenden ethischen Normen und Prinzipien immer wieder auf neue Fragen wird eingehen müssen, die die Entwicklung der Biowissenschaften mit sich bringt, F. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 7. September 2000 die Auffassung vertrat, „dass ein von ihm einzusetzender nichtständiger Ausschuss zur Untersuchung der durch neue Entwicklungen im Bereich der Humangenetik aufgeworfenen ethischen und rechtlichen Probleme die bereits in seinen Entschließungen zum Ausdruck gebrachten Ansichten als Ausgangspunkt nehmen sollte; der Ausschuss sollte Fragen prüfen, bei denen es noch keinen klaren Standpunkt zum Ausdruck gebracht hat“, G. in der Erwägung, dass die EU mit der Europäischen Charta der Grundrechte auf der Grundlage des Übereinkommens des Europarates über Menschenrechte und Biomedizin einen neuen Schritt hin zur Entwicklung von ethischen Leitlinien auf europäischer Ebene getan hat, da es in Artikel 3 der Charta heißt: "Jede Person hat das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit" und "im Rahmen der Medizin und der Biologie muss insbesondere Folgendes beachtet werden: – die freie Einwilligung der betroffenen Person nach vorheriger Aufklärung entsprechend den gesetzlich festgelegten Modalitäten, – das Verbot eugenischer Praktiken, insbesondere derjenigen, welche die Selektion von Personen zum Ziel haben, – das Verbot, den menschlichen Körper und Teile davon zur Erzielung von Gewinnen zu PE 300.127 DE 8/127 RR\453921DE.doc nutzen, – das Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen“, wobei diese Prinzipien Mindestanforderungen an den Gesetzgeber der Europäischen Union darstellen und keine erschöpfende Auflistung aller notwendigen Regulierungen bedeuten, H. in der Erwägung, dass der Mensch mit der Entschlüsselung des menschlichen Genoms erst jetzt wirkliche Fortschritte im Zusammenhang mit dem Verständnis der Funktionsweise des genetischen Erbguts des Menschen sowie seiner Wechselbeziehungen mit der Umwelt macht; dank dieses Verständnisses könnte es mit der Zeit möglich sein, viele Krankheiten vielleicht viel genauer, individueller und wirksamer als heute zu diagnostizieren, zu verhüten und zu heilen; allerdings können der Nutzen für die menschliche Gesundheit ebenso wie die bedeutenden wirtschaftlichen Vorteile für die Union nur dann zum Tragen kommen, wenn in Europa angemessene Rahmenbedingungen für die Forschung auf diesem Gebiet entwickelt werden, die auf der Achtung der Würde des Menschen, der Gleichheit sowie dem Wert des menschlichen Lebens basieren; diese Vorteile können aber nur umfassend genützt werden, wenn eine öffentliche und informative Debatte zugelassen und den Bürgern größere Möglichkeiten geboten werden, die Chancen und Risiken der neuen Methoden zu verstehen, I. in der Erkenntnis, dass in diesem Zusammenhang koordinierte und integrierte Ansätze wünschenswert sind, wobei unter Integration in diesem Bereich nicht nur eine stärkere Zusammenarbeit zwischen universitärer Forschung, der Privatwirtschaft – angefangen bei den kleinen Biotechnologiefirmen bis hin zu den großen Pharmazieunternehmen – und dem medizinischen Sektor zu verstehen ist, um integrierte Untersuchungs- und Entwicklungsphasen durchzuführen – allerdings müssen die Forschungsfreiheit gewahrt werden und die Gemeinnützigkeit der medizinischen Forschung immer das Ziel bleiben, das als solches nicht kommerziellen Erwägungen untergeordnet werden darf -, sondern auch eine rechtzeitige und aktive Beteiligung der Regulierungsinstanzen, um einen angepassten ordnungspolitischen Rahmen sowie entsprechende Maßnahmen zu schaffen und zu einem Dialog mit den Endnutzern und den Sozialakteuren beizutragen J. in der Erwägung, dass es umfassender Anstrengungen bedarf, um das Wissen der Öffentlichkeit über genetische Themen zu erweitern, da in den vergangenen Jahren wichtige Fortschritte und Entdeckungen gemacht wurden; durch einen öffentlichen Dialog zwischen den Bürgern, deren Organisationen, dem Gesetzgeber, Wissenschaftlern und der Industrie kann ein vertrauensvolleres Klima geschaffen werden; eine unabhängige und unparteiische Information ist für die Schaffung eines Vertrauens unter den Bürgern wichtig, K. in der Erwägung, dass es hinsichtlich der Ursachen und des Verlaufs von Erkrankungen und Gesundheitsstörungen oft wesentliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern gibt; dass daher entsprechend dem in der Europäischen Union fest verankerten Grundsatz des „gender mainstreaming“ Vorsorge- und Therapiemaßnahmen ebenso wie Forschungstätigkeiten im Bereich der modernen Biowissenschaften auf allen Ebenen geschlechtsspezifische Unterschiede berücksichtigen müssen, und dass nicht zuletzt hinsichtlich der Reproduktionsmedizin und ihrer Folgetechnologien die spezifischen gesundheitlichen Belange von Frauen Beachtung finden müssen, L. in der Erwägung, dass die Achtung der Menschenwürde die Grundlage aller internationalen und europäischen Rechtsinstrumente im Bereich der Grundrechte sowie die Grundlage aller Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten bildet und das Ziel aller Mitgliedstaaten ist; in der Erwägung, dass ferner die Freiheit der Forschung als ein wichtiger ethischer Grundsatz anerkannt wird, der unbedingt dem Grundsatz der Achtung der menschlichen Würde RR\453921DE.doc 9/127 PE 300.127 DE untergeordnet ist; in der Erwägung, dass die biomedizinische Forschung immer in Einklang mit der Gewissensfreiheit stehen und frei von unrechtmäßigen politischen oder finanziellen Beschränkungen sein sollte, M. in der Erwägung, dass die Forschung – wie dies in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantiert wird – zwar frei ist, dass dieses Grundrecht aber in keiner Weise Verstöße gegen die Menschenwürde rechtfertigt, die gemäß der Charta unantastbar ist und gewahrt und geschützt werden muss, N. in der Erwägung, dass in der Geschichte der Europäischen Union neben gemeinsamen Werten und ethischen Prinzipien auch ein kultureller, ethischer und religiöser Pluralismus verwurzelt ist, der - den Reichtum ihrer Traditionen widerspiegelt, gegenseitigen Respekt und Toleranz erfordert, voll und ganz vereinbar ist mit der Stärkung der gemeinsamen ethischen Dimensionen und Standpunkte, Artikel 22 der Charta der Grundrechte sowie Artikel 6 EUV entspricht, O. in der Erwägung, dass es in Europa einen Konsens über grundlegende ethische Normen und Prinzipien gibt, die sich nicht zuletzt in der Charta der Grundrechte niedergeschlagen haben, und dass Organisationen wie die UNESCO, die WHO, der Europarat und die Europäische Union als Leitgrundsätze ethische Grundprinzipien anwenden, zu denen insbesondere die Unverletzlichkeit der menschlichen Würde, das Selbstbestimmungsrecht (einschließlich der freien Einwilligung nach vorheriger Aufklärung – „informed consent“ –, Achtung der Privatsphäre und Vertraulichkeit personenbezogener Daten), die Notwendigkeit der Forschung, der Schutz der öffentlichen Gesundheit, die allgemeine und freie Zugänglichkeit zur notwendigen gesundheitlichen Versorgung, die Achtung behinderter Menschen und ihres Rechts auf Selbstbestimmung und auf soziale Eingliederung sowie die Nichtdiskriminierung aufgrund genetischer, rassistischer, religiöser Merkmale gehören, P. in Erwägung des Vorhandenseins eines internationalen Konsens über die Bedingungen, unter denen die humangenetische Forschung und Behandlung erfolgen können: – Gentherapien an Eizellen und Spermatozoen (Keimbahn) sollten nicht zulässig sein, da die Auswirkungen auf künftige Generationen übertragen würden. Zulässig ist ausschließlich die Behandlung von Körperzellen, deren Wirkung auf das Individuum beschränkt bleibt; – die Therapien dürfen nur für die Behandlung von Krankheiten, einschließlich Erbkrankheiten, zulässig sein, nicht aber um Merkmale zu beeinflussen, die kein Problem für die Gesundheit darstellen12, Q. in der Erwägung, dass kein Unterschied zwischen dem Klonen zu therapeutischen Zwecken und dem Klonen zu reproduktiven Zwecken besteht und dass jegliche Aufweichung des derzeit geltenden Verbots dazu führen wird, dass die Rufe nach weiteren Entwicklungen bei der Produktion und Nutzung von Embryonen lauter werden, 12 Siehe das Übereinkommen über die Menschenrechte und die Biomedizin des Europarates, die Erklärung der UNESCO zum menschlichen Genom und die Stellungnahmen der Europäischen Ethikgruppe und der nationalen Ethikkommissionen. PE 300.127 DE 10/127 RR\453921DE.doc R. in der Erwägung, dass die Europäische Union die Pflicht hat, die Forschung im Bereich der Biotechnologien und der Humangenetik zu fördern; dass die Grundlagenforschung nicht ausschließlich dem kommerziellen Sektor überlassen bleiben darf und dass das öffentliche Interesse eine entschlossene Unterstützung jeglicher Form der Forschung erfordert, die dazu beitragen kann, das Verständnis des Lebens zu vertiefen und langfristig neue Therapien zu entwickeln; dass die einzelstaatlichen Verbote, die bestimmten Forschungsarbeiten entgegenstehen, nicht die gesamte Europäische Union daran hindern dürfen, diese Forschungsarbeiten in denjenigen Ländern zu unterstützen, in denen sie zulässig sind; dass allein die Forschung mit dem Ziel des Klonens von Menschen und der Änderung der Keimbahn verboten werden sollten; dass Therapien nur entwickelt werden sollten, um schwere Krankheiten zu behandeln, und nicht zur Schaffung neuer menschlicher Merkmale, Zu den Zuständigkeiten der Union im Bereich der Humangenetik S. in der Erwägung, dass in den Bestimmungen des Vertrags über die Europäische Union kein spezifischer Verweis auf die Humangenetik enthalten ist, dass die Union bei der Beachtung des Subsidiaritätsprinzips (Artikel 5 EGV) jedoch diesbezügliche Kompetenzen besitzt; sie kann im Zusammenhang mit der öffentlichen Gesundheit (Artikel 152 EGV), der Forschungsfinanzierung (Artikel 167-173 EGV), dem Funktionieren des Binnenmarktes (Artikel 95 EGV), der Niederlassungsfreiheit (Art. 47, Abs.2 EGV), der Dienstleistungsfreiheit (Artikel 47, Abs.2 i.V.m. Artikel 55 EGV, der Rechte von Arbeitnehmern (Artikel 137, Abs. 1 und 2 EGV) entsprechende Maßnahmen ergreifen, T. in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten und die Union gemeinsame Anstrengungen unter Achtung der Menschenwürde im Hinblick auf die Entwicklung und den Ausbau des Bereichs der Humangenetik unternehmen müssen, der im Dienste der Gesundheit und der Heilung von Menschen steht, sowie festlegen müssen, in welchen Bereichen eine europäische Aktion angezeigt wäre, Zu den Arbeiten des Nichtständigen Ausschusses U. in der Erwägung, dass der Nichtständige Ausschuss für Humangenetik die Aufgabe hatte, sich zu den ethischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Fragen zu äußern, die sich im Zusammenhang mit der Entwicklung der modernen Biomedizin ergeben, sowie dem Parlament detaillierte Analysen zu liefern, die es ihm ermöglichen, unter Achtung des öffentlichen Interesses echte politische Entscheidungen zu treffen und präzise Leitlinien vorzugeben; ferner in der Erwägung, dass die Arbeiten des Nichtständigen Ausschusses für Humangenetik sich entsprechend seinem Mandat im Wesentlichen auf folgende Bereiche konzentriert haben: - Heranziehung von Genanalysen zu prädiktiven und diagnostischen Zwecken, Entwicklung und Anwendung neuer Gentherapien, Verarbeitung der genetischen Informationen, Bereitstellung von Finanzmitteln für die Forschung im Rahmen des 6. Rahmenprogramms, Patentierbarkeit der aus Lebewesen gewonnenen Erzeugnisse und der Verfahren, Bestimmung ethischer Leitlinien, die sich durch die neuen Entwicklungen im Bereich der Biotechnologie und ihrer Anwendung in Europa ergeben, RR\453921DE.doc 11/127 PE 300.127 DE Zu Gentests und zum genetischen Screening V. in der Erwägung, dass in Europa die Zahl der Labors zunimmt, die Genanalysen und Gentests vornehmen, die in der Praxis immer häufiger durchgeführt werden, wobei sich diese Tendenz sicher noch verstärken wird, und dass die Folgen hiervon für die körperliche und gesellschaftliche Entwicklung der Bevölkerung geprüft werden sollten, wobei es sich um prädiktive Praktiken handelt, die nicht die bestehenden Vorsorgemaßnahmen im Bereich der Gesundheit ersetzen können, W. unter Hinweis auf die potentiellen Vorteile genetischer Informationen, und in der Erwägung, dass daher zu vermeiden ist, dass eine gezielte Auswahl auf dem Arbeits- und Versicherungsmarkt Arbeitnehmer oder Kunden davon abhält, Gentests durchführen zu lassen, X. in der Erwägung, dass die Durchführung von Genanalysen im Fall von pränatalen Tests und bei genetischer Präimplantationsdiagnostik besondere ethische Fragen aufwirft, Y. in der Erwägung, dass sich das Europäische Parlament weiterhin in der Form, die es für angemessen erachtet, mit Fragen der Humangenetik beschäftigen sollte, da die Kenntnisse auf dem Gebiet der Genetik rasant anwachsen und gleichzeitig rechtliche, soziale, ethische und wirtschaftliche Auswirkungen haben, Z. in der Erwägung, dass es derzeit weder gemeinsame europäische Vorschriften noch Regelungen gibt, die einen Mindeststandard für die Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Genanalyse und mit Gentests gewährleisten, und dass diese weder unter den Anwendungsbereich der Verordnung des Rates 2309/93/EG zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln fallen, noch in den Anwendungsbereich der Richtlinie 98/79/EG über Invitro-Diagnostika , die ausschließlich für Erzeugnisse gilt, die zur Vermarktung bestimmt sind, und dass deshalb die Festlegung von Bestimmungen bzw. die Änderung der diesbezüglichen Richtlinien erforderlich ist, damit der Bereich der Gentests und der Biomedikamente einbezogen wird und die Regelungen der entsprechenden Richtlinien eingehalten werden, AA. in der Erwägung, dass die missbräuchliche Durchführung von Gentests, insbesondere in der Präimplantations- und Pränataldiagnostik erhöhte Risiken eugenischer Praktiken birgt, und dass aus diesem Grund die Praxis der PID in mehreren europäischen Ländern rechtswidrig ist, AB. in der Erwägung, dass die Dienstleistungen der Genanalyse und der Gentests trotz der zahlreichen, von Genetikspezialisten und Berufsverbänden gestarteten Initiativen für eine Bewertung ihrer Qualität je nach Mitgliedstaat unter sehr unterschiedlichen Bedingungen und im Rahmen unterschiedlicher Rahmenregelungen erbracht werden, AC. in der Erwägung, dass Gentests nur in Verbindung mit einer kompetenten und ausführlichen Beratung angeboten werden dürfen, die medizinische, ethische, soziale, psychologische und rechtliche Aspekte umfassen muss, PE 300.127 DE 12/127 RR\453921DE.doc Zu biotechnologischen Medikamenten AD. in der Erwägung, dass das Vorhandensein auf nationaler Ebene einer Vielzahl verschiedener oder jedenfalls nicht konsistenter Normen für alle Phasen, von der Entwicklung bis zur klinischen Erprobung, zu einer ethischen Diskussion führt und als schwerwiegende und unkontrollierbare Einschränkung betrachtet wird, die die Entwicklung und Erprobung neuer biotechnologischer Medikamente auf EU-Ebene erschwert13, AE. in der Erwägung, dass nunmehr die ersten Schritte hin zu einer Harmonisierung der Regelungen im Bereich der Gen- und Zelltherapie gemacht wurden, und zwar durch die Formulierung von Leitlinien für die so genannte gute Praxis durch die Europäische Agentur zur Bewertung von Arzneimitteln, während neue Sektoren wie beispielsweise „tissue engineering“, künstliche Organe oder Genanalysen sowie Gentests erst noch eines ordnungs-politischen Rahmens auf Gemeinschafts- oder einzelstaatlicher Ebene bedürfen, Zu den Stammzellen AF. in der Erwägung, dass sich die Verwendung von Stammzellen als eine neue Methode für die Behandlung von Krankheiten und Verletzungen erweist, dass der Zweck dieser Therapie darin besteht, differenzierte Zellen oder differenziertes Gewebe zu züchten, das dann Patienten eingepflanzt wird, die unter Krankheiten wie Diabetes, Alzheimer, Parkinson, Infarkt, Leukämie, Herzinfarkt oder Knorpelschäden leiden, für die es heute noch keine ausreichende Therapie gibt; dass allerdings die notwendigen Maßnahmen getroffen werden müssen, um die Gefahren und Risiken möglicher Stammzelltherapien zu vermeiden, AG. in der Erwägung, dass die Verwendung von Stammzellen sich wahrscheinlich als eine Methode zur In-vivo-Bewertung der Wirksamkeit von Medikamenten durchsetzen wird, AH. in der Erwägung, dass hinsichtlich der Herkunft von Stammzellen zwischen embryonalen und sogenannten adulten Stammzellen unterschieden werden muss; dass die Forschung an adulten Stammzellen eine erfolgversprechende und ethisch unbedenkliche Alternative zur Verwendung von Stammzellen aus menschlichen Embryonen darstellt und dass daher der Forschung an adulten Stammzellen unbedingte Priorität einzuräumen ist, AI. in der Erwägung, dass die Entwicklung von Methoden gefördert werden muss, durch die die gesundheitlichen, d.h. die physischen und die psychischen Belastungen der In-vitroFertilisation (IVF) vermindert und die Entstehung sogenannter überzähliger Embryonen verringert oder sogar verhindert werden kann, AJ. in der Erwägung, dass die Bedingungen für die Erzeugung und Gewinnung von Stammzellen ein Risiko darstellen, insbesondere für die Unversehrtheit des Körpers der Frau, wenn therapeutisches Klonen und überzählige Embryonen eingesetzt werden, AK. unter Hinweis auf den Beschluss des amerikanischen Präsidenten George W. Bush, die Verwendung von Bundesmitteln für die Erforschung an adulten Stammzellen sowie einer Reihe von Zelllinien zu genehmigen, die aus bereits in Laboratorien verwendeten 13 Die Annahme der Richtlinie 2001/20/EG über die klinische Prüfung mit Vorschriften für die Anwendung der guten klinischen Praxis, die als Norm für die wissenschaftliche Qualität und den ethischen Wert bezüglich der Konzipierung, Durchführung, Erfassung und Verbreitung der Ergebnisse der klinischen Prüfung am Menschen internationale Anerkennung genießt, ist ein erster Beitrag zu einer harmonisierten Regelung der Forschung und Entwicklung im biomedizinischen Sektor. RR\453921DE.doc 13/127 PE 300.127 DE „überzähligen“ Embryonen stammen, Zum 6. Rahmenprogramm für die Forschung AL. in der Erwägung, dass die Genomik und Biotechnologien für die Gesundheit und das Gemeinwohl im Vorschlag für einen Beschluss über das 6. Rahmenprogramm einen prioritären Themenbereich für die Forschung darstellen und auch in anderen Prioritäten im Vorschlag die Arbeit des nichtständigen Ausschusses angesprochen werden, Über die Verwendung von Gendaten AM. in der Erwägung, dass die Nutzung der Gendiagnostik ausschließlich zu medizinischen Zwecken erlaubt ist, AN. in der Erwägung, dass die Verfügbarkeit und die Verschiedenartigkeit von Gentests stark zugenommen hat; ferner in der Erwägung, dass sie unter gewissen Umständen nicht nur wichtige Aufschlüsse über die untersuchte Person geben können, sondern auch über ihre Familienangehörigen; sie können das Leben und den Lebensstil des Individuums ganz entscheidend beeinflussen, auch was die Entscheidung bezüglich der Fortpflanzung betrifft, AO. in der Erwägung, dass die Möglichkeit, dass Dritte personenbezogene Geninformationen erhalten, die Gefahr birgt, dass neue Formen der Diskriminierung sowie Probleme im Zusammenhang mit der Privatsphäre, dem Datenschutz und der Einwilligung nach vorheriger Aufklärung entstehen; vor allem unter Hinweis darauf, dass diese Gefahr auf der Grundlage der bestehenden Vorschriften für den Schutz personenbezogener Daten, wie z.B. die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung, die Einschränkung der Zwecke, die Sicherheitsmaßnahmen und die Rechte des Einzelnen gemäß der Grundrechtscharta der Europäischen Union (Artikel 8) gebannt werden muss, AP. in der Erwägung, dass sich die Zweckmäßigkeit einer Annäherung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten in diesem Bereich leicht aus dem multinationalen Charakter der an der Verarbeitung der Gendaten interessierten Unternehmen, von den Erfordernissen eines transnationalen Umlaufs dieser Daten und von der Notwendigkeit ableiten lässt, legislative Unterschiede zu vermeiden, deren Auswirkungen nicht mit dem guten Funktionieren des Binnenmarktes vereinbar wären, Zur Patentierbarkeit der Verfahren und der aus biologischem Material gewonnenen Produkte AQ. in der Erwägung, dass die Kartierung des menschlichen Genoms, die im letzten Jahr von der amerikanischen Gesellschaft Celera Genomics und der Gruppe Human Genome Project abgeschlossen wurde, in der Europäischen Union zu einer hitzigen Debatte über die Patentierbarkeit menschlicher Gene geführt hat; die Sequenzierung des Genoms hat nachgerade einen richtigen, nie da gewesenen Run auf den künftigen „Genschatz“ ausgelöst; in der Erwägung, dass die Fähigkeit, Gene zu isolieren, zu identifizieren und zu rekombinieren, erstmals einen gemeinsamen Genpool als Rohstoffquelle verfügbar macht, dessen wirtschaftliche Ausbeutung durch die mögliche Erteilung von Patenten starke Anreize erhält, AR. in der Erwägung, dass die Richtlinie 98/44/EG einen Überblick darüber gibt, was derzeit als sittenwidrig gilt und in ihren Artikeln 5 und 6 eine Aufzählung der Erfindungen enthält, die PE 300.127 DE 14/127 RR\453921DE.doc nicht patentierbar sind, aber weiterhin eine Diskussion darüber in Gang ist, was darüber hinaus als nicht patentierbar gelten sollte und was patentierbar sein soll; dass aber in jedem Fall die Achtung, die lebendem Material, und insbesondere menschlichem Material zuteil werden muss, Aneignungsmethoden wie das Patent verbietet, und dass lebendes Material deshalb als nicht patentierbar gelten muss; ferner dass die Auslegungsschwierigkeiten bei dieser Richtlinie wegen ihrer Zweideutigkeit und die Weigerung bestimmter Mitgliedstaaten, sie in ihr nationales Recht umzusetzen, zu einer Rechtsunsicherheit bei der Frage biotechnologischer Erfindungen führen, AS. in der Erwägung, dass die biotechnologischen Innovationen und die Biomedizin mit lebenden Organismen zu tun haben und es deshalb anscheinend schwieriger ist, einen grundlegenden Unterschied zwischen Erfindungen und Entdeckungen herauszuarbeiten, anhand dessen zwischen Fällen unterschieden werden kann, für die patentrechtliche Vorschriften gelten, und solchen, auf die diese nicht zutreffen, AT. in der Erwägung, dass trotz der widersprüchlichen Auslegungen der Bestimmungen der oben genannten Richtlinie ausdrücklich nicht patentierbar sind: – der „menschliche Körper in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung sowie die bloße Entdeckung eines seiner Bestandteile, einschließlich der Sequenz oder Teilsequenz eines Gens“ (Artikel 5); – neue Pflanzensorten oder Tierrassen oder im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren (Artikel 4); – Erfindungen, deren Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde (Artikel 6), unter Beachtung von Artikel 53 des Europäischen Patentübereinkommens, das in die geltenden einzelstaatlichen Vorschriften der Unterzeichnerstaaten dieser Konvention übernommen wurde; Verfahren zum Klonen und zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des Menschen, Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen und kommerziellen Zwecken sowie Prozesse zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren ohne wesentlichen medizinischen Nutzen für Mensch oder Tier, Das Europäische Parlament, Zu Voraussetzungen für eine öffentliche Debatte 1. ist der Auffassung, dass es umfassender Aktivitäten bedarf, um das Wissen der Öffentlichkeit über genetische Themen zu erweitern, da der Fortschritt und die Entdeckungen in den vergangenen Jahren bedeutend gewesen sind; die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die Bürger Zugang zu unabhängigen und unparteiischen Information erhalten; 2. hält Folgendes für notwendig, um zu vermeiden, dass die gesellschaftliche Debatte über die Humangenetik und ihre Anwendungen dem Zufall überlassen wird und häufig der wissenschaftlichen Entwicklung hinterherhinkt, und um die Entwicklung ethischer Leitlinien auf europäischer Ebene zu ermöglichen: a) die Bekräftigung ethischer Grundprinzipien, die unter Beachtung der unterschiedlichen Begrifflichkeiten und kulturellen Traditionen der Mitgliedstaaten als Basis für eine allgemeine Bewertung der Entwicklung und der Anwendung der Humangenetik sowie für die einschlägigen notwendig gewordenen Rechtsvorschriften dienen; erinnert daran, RR\453921DE.doc 15/127 PE 300.127 DE dass diese ethischen Grundsätze in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und den einschlägigen internationalen Abkommen verankert sind, wie der in Edinburgh im Oktober 2000 angenommenen Erklärung von Helsinki, dem Übereinkommen des Europarates über Menschenrechte und Biomedizin, das am 4. April 1997 in Oviedo unterzeichnet wurde, dem Zusatzprotokoll über das Verbot des Klonens von Menschen, das am 12. Januar 1998 in Paris unterzeichnet wurde, sowie der von der UNESCO angenommenen Allgemeinen Erklärung über das menschliche Genom und die Menschenrechte; b) die Förderung eines Dialogs zwischen Forschern, Industrie, Normungsgremien, Ethiksachverständigen und sozialen Akteuren im Bereich der neuen Spitzentechnologien bereits in der Anfangsphase ihrer Entwicklung, damit verantwortungsvolle Entscheidungen, die von rechtzeitigen politischen Maßnahmen unterstützt werden, getroffen werden können; c) die Einleitung einer öffentlichen Diskussion über die Entwicklung und den Einsatz molekulargenetischer Kenntnisse und Techniken, bevor sie im großen Stil angewandt werden; Zum Rechtsrahmen 3. weist auf die Notwendigkeit hin, einen einheitlichen und rechtsverbindlichen Rahmen für die Humangenetik und Fragen der Biotechnologie zu schaffen, der insbesondere auf die Achtung des Individuums, die Gleichheit, die Würde des Menschen und den Wert des menschlichen Lebens gegründet ist; jegliche Forschung, die die menschliche Würde verletzt, muss verboten werden; 4. bekräftigt die Freiheit der Wissenschaft und der Forschung; 5. ist der Auffassung, dass eine Regelung der Veränderungsprozesse im Rahmen der zurzeit stattfindenden Entwicklungen im Bereich der Biotechnologie und Biomedizin, u.a. mittels der Bereitstellung von Finanzmitteln eine wesentliche Aufgabe sowohl der einzelstaatlichen Gesetzgeber als auch der Gesetzgeber auf europäischer Ebene ist; empfiehlt deshalb, den Rahmen für jede Forschung in diesem Bereich von der öffentlichen Verwaltung abstecken zu lassen, sowie dafür zu sorgen, und dass sie Thema der in Ziffer 2 erwähnten öffentlichen Diskussion wird; 6. darüber hinaus ist es Aufgabe der Europäischen Union, verbindliche Mindestvorschriften zu erlassen, um einen ausreichenden Schutz des Menschen gemäß den Grundsätzen der Charta der Grundrechte und Artikel 5 des Vertrages zu garantieren, 7. betont erneut, dass die Ergebnisse der biomedizinischen Forschung darauf ausgerichtet sind, der gesamten Menschheit sowie künftigen Generationen zu nutzen; 8. erinnert an die Anwendung des Grundsatzes der Subsidiarität im Bereich der Humangenetik und unterstreicht, dass die Union gemäß den ihr durch den Vertrag übertragenen Kompetenzen im Bereich der Gesundheit (Artikel 152 EGV) sowie bezüglich des Funktionierens des Binnenmarktes (Artikel 95 EGV) und der Forschungsfinanzierung (Artikel 163 bis 173 EGV), der Niederlassungsfreiheit (Art. 47, Abs.2 EGV), der Dienstleistungsfreiheit (Artikel 47, Abs.2 i.V.m. Artikel 55 EGV, der Rechte von Arbeitnehmern (Artikel 137, Abs. 1 und 2 EGV) eingreifen kann und muss; PE 300.127 DE 16/127 RR\453921DE.doc 9. ist der Ansicht, dass die Verarbeitung genetischer Daten besondere Gefahren für den Schutz personenbezogener Daten mit sich bringt und dass etwaige nicht koordinierte Maßnahmen der Mitgliedstaaten in diesem Bereich eine einschränkende Wirkung haben könnten, die mit dem guten Funktionieren des Binnenmarktes unvereinbar ist und möglicherweise die im EGVertrag verankerten Prinzipien der Freizügigkeit verletzt; 10. räumt ein, dass die Gentherapie vorläufig kostspielig sein wird und fordert die Mitgliedstaaten auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um gleichen Zugang zu neuen Therapien für alle Bevölkerungsgruppen zu gewährleisten; Zur Rolle der Europäischen Union im Bereich der Humangenetik I. Humangenetik: Diagnose und Therapie Gentests 11. erinnert daran, dass Gentests, Genanalysen und die Gendiagnose medizinische Vorgänge sind, bei denen stets die Regeln der so genannten „guten klinischen Praxis“ zu befolgen sind, und dass das Vorhandensein hoher Standards für Genanalysen deshalb von überaus großer Bedeutung ist, da aufgrund der Ergebnisse einschneidende Entscheidungen für das Leben eines Individuums getroffen werden; Genanalysen müssen die Entscheidungsfreiheit des Individuums sowie die Fähigkeit gewährleisten, im Wissen um die Ursache Entscheidungen zu treffen, auch was Behandlungen und andere Aspekte, die die Lebensqualität bestimmen können, betrifft; das Wissen um den Nutzen der Genanalyse kann gleichermaßen von der Art und Weise, wie diese Analysen vorgenommen werden (Zuverlässigkeit und gleicher Zugang zu den Dienstleistungen), vom Umfeld (kompetente Beratungsdienste, die das Selbstbestimmungsrecht respektieren) und der Technologie abhängig sein; 12. hält für den klinischen Einsatz von DNA-Chips besondere Standards für erforderlich: - An Chips sind vergleichbare Verlässlichkeits- und Validitätskriterien anzulegen wie an reguläre DNA-Tests. - Mithilfe von DNA-Chips dürfen nur diejenigen Gene bzw. deren Veränderungen untersucht werden, die für ein spezifisches Krankheitsbild und dessen Behandlung relevant sind. - An den Einsatz von DNA-Chips sind von daher die gleichen Regeln bezüglich der Indikation anzulegen, wie an den Einsatz regulärer genetischer Untersuchungen. - Mehrfach-Tests zur Erfassung von genetischen Veranlagungen für mehrere Krankheiten sind nur dann zu akzeptieren, wenn dabei die gleichen Anforderungen, die an Einzeltests hinsichtlich Zuverlässigkeit, Beratung und Aufklärung zu stellen sind, eingehalten werden; 13. hält die Schaffung eines harmonisierten und in ganz Europa anerkannten sowie mit klaren Regeln für die Entwicklung und die Ausbildung in der wissenschaftlichen und technologischen Praxis ausgestatteten Rechtsrahmens für eine wesentliche Voraussetzung, um eine sichere, positive und verantwortungsbewusste Entwicklung der Ergebnisse der neuen biomedizinischen Forschung zu gewährleisten; hierzu gehören ferner Leitlinien für RR\453921DE.doc 17/127 PE 300.127 DE die gute Labor-, Klinik- und Industriepraxis, die den neuesten biomedizinischen Entwicklungen entsprechen; fordert die Kommission auf, die derzeit gängigen Vorgehensweisen in den Mitgliedstaaten zu überprüfen, die der Grund für die Heterogenität der Gentests sind; 14. ist im Übrigen der Auffassung, dass einschlägige einzelstaatliche und europäische Regelungen festlegen sollten, dass Gentests nur für Forschungs-, Präventions- und Therapiezwecke oder für die gesundheitsbezogene wissenschaftliche Forschung durchgeführt werden dürfen und nur nach angemessener ärztlicher Beratung entsprechend Artikel 12 des Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin des Europarates, und zwar unter voller Achtung der Grundrechte des Einzelnen und insbesondere der Rechte im Zusammenhang mit der Vertraulichkeit und dem Schutz personenbezogener Daten, die bereits auf nationaler und gemeinschaftlicher Ebene gesetzlich verankert sind; 15. betont, dass die Möglichkeit der vorgeburtlichen genetischen Analyse nicht dazu missbraucht werden darf, jede Eigenschaft des Kindes vorauszuplanen, so z.B. Haarfarbe, Augenfarbe, Geschlecht usw., die nicht seine Gesundheit betrifft; 16. legt besonderen Wert darauf, dass keine Frau zur Anwendung der vorgeburtlichen Diagnostik gezwungen werden darf und dass die Entscheidung, auf eine solche Methode zu verzichten, respektiert und unterstützt werden muss; 17. nimmt zur Kenntnis, dass viele Genanalysen sicherlich zu prädiktiven Zwecken erfolgen werden und dass jedwede Überlegung über die weitreichenden Konsequenzen, die ein falscher Ausgang auf medizinischer, ethischer, psychologischer und rechtlicher Ebene haben würde, die Notwendigkeit aufwirft, einen Rechts- und Regelungsrahmen auf europäischer und einzelstaatlicher Ebene festzulegen, der Folgendes gewährleisten soll: a) Qualität und Sicherheit der Genanalysen in Europa; b) den gleichberechtigten Zugang auf einzelstaatlicher Ebene zu den Informationen über die Verfügbarkeit, den Wert und die Grenzen von Genanalysen; c) Achtung der Grundwerte in der Humangenetik, und zwar gestützt auf das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen (freiwillige Zustimmung nach entsprechender Aufklärung – dies gilt für den Einzelnen wie für die Gesellschaft –, Förderung der Fähigkeit, selbstverantwortlich Entscheidungen zu treffen, Vorrang der Rechte und Interessen des Einzelnen vor dem Gemeinwohl, Achtung der Privatsphäre, Recht des Patienten und seiner Angehörigen auf Wissen und Nichtwissen); d) kompetente und unabhängige genetische Beratung als Vorbedingung für die Rechtmäßigkeit von prädiktiven Gentests durch die Mitgliedstaaten; e) Förderung umfassender zwischenstaatlicher Aufklärungsinitiativen für den gesamten Berufsstand wie auch für die Öffentlichkeit, um über die Risiken und die Vorteile, aber auch über die Grenzen der Genanalysen zu informieren, und zwar durch öffentliche und private Organisationen, Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen und insbesondere durch die nationalen Ethikkommissionen, die mit Hilfe der heute verfügbaren Informationstechnologien den Kontakt zu den Bürgern suchen und herstellen müssen; PE 300.127 DE 18/127 RR\453921DE.doc f) Respektierung und Förderung der genetischen Unterschiede durch die Gesellschaft, insbesondere mittels entsprechender Schutzgesetze, die jegliche Form der negativen Diskriminierung von Trägern bestimmter Merkmale ausschließen und ihre Eingliederung fördern und sicherstellen, dass diese Unterschiede als Wesensmerkmale der eigenen Identität einer Person anerkannt und als solche respektiert werden; g) Stärkung der familiären und sozialen Solidarität durch die Mitgliedstaaten, insbesondere durch Einrichtung sozialer Dienste, mit denen die medizinischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen von Behinderungen, auch noch im Erwachsenenalter aufgefangen werden (Unterstützung für die Eltern, Zugang zu Bildung, Arbeitsmöglichkeiten) und die Ansprech- und Hilfsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen oder ihre Eltern ausgeweitet werden; h) Schaffung von Programmen zur Sensibilisierung von Jugendlichen und Erwachsenen für Behinderungen, insbesondere durch Zusammentreffen und gemeinsame Aktivitäten mit Menschen mit Behinderungen innerhalb der Schulen; i) Förderung von Maßnahmen, die zur verbesserten Integration und Akzeptanz von Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft beitragen und deren persönliche Situation zu verbessern helfen; j) Förderung der Forschung über die möglichen Ursachen von Erkrankungen – z.B. Umweltaspekte oder soziale Aspekte – und Methoden, solchen Einflüssen entgegen zu wirken; k) Schaffung eines europäischen Netzes von Labors, die für seltene Krankheiten zuständig sind, und Sicherstellung einer angemessenen öffentlichen Finanzierung, wenn private Investitionen nicht oder nicht in genügendem Ausmaß getätigt werden; l) Unterstützung der Beteiligung der für den Schutz personenbezogener Daten zuständigen Stellen und der Europäischen Gruppe, die gemäß Artikel 29 der Richtlinie 95/46/EG zusammentritt; 18. fordert daher die Kommission auf, in diesem Sinne tätig zu werden und Initiativen zur Ausfüllung der derzeitigen Gesetzeslücken vorzulegen, wobei sie – wenn möglich – eine Rechtsgrundlage wählen sollten (z.B. Artikel 152 – Gesundheit oder 153 – Verbraucherschutz), die die Einführung von strengeren Schutzmaßnahmen für die Mitgliedstaaten offen lässt; 19. fordert darüber hinaus, dass Mindeststandards zur Verwendung der vorgeburtlichen genetischen Diagnostik beschlossen werden, die neben einer kompetenten genetischen Beratung auch eine unabhängige psychisch-soziale Beratung vorsehen und die mindestens ausschließen, dass vorgeburtliche DNA-Analysen mit dem Ziel durchgeführt werden, Augenfarbe, Haarfarbe, Größe und Intelligenz (auch mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit) vorauszusagen. Die Bestimmung des Geschlechts im Rahmen einer vorgeburtlichen Diagnostik sollte, wenn überhaupt, nur zulässig sein, wenn es um schwere geschlechtsgebundene Erkrankungen geht; 20. unterstreicht, dass prädiktive Tests, die lediglich auf das Risiko einer erst spät im Leben auftretenden Erkrankung hinweisen, pränatal zumindest grundsätzlich nicht eingesetzt werden sollten, da zum einen der Ausbruch der Krankheit in diesen Fällen nicht RR\453921DE.doc 19/127 PE 300.127 DE vorausgesagt werden kann und andererseits angesichts der Fortschritte der Medizin durchaus die Chance besteht, dass Krankheiten, die heute nicht oder nur schwer zu behandeln sind, zu dem Zeitpunkt, in dem sie das zukünftige Kind treffen könnten, gut therapierbar sind; Pharmakogenomik 21. ist der Auffassung, dass die Perspektiven für eine personalisierte Therapie schon heute vielversprechend sind, mit der anhand eines individuellen Genprofils, das aus sogenannten Snips (single nucleotide polymorphisms), wie sie im medizinischen Jargon genannt werden, besteht, maßgeschneiderte Arzneimittel hergestellt und verabreicht werden können; 22. hält es auch für entscheidend, dass krankheitsauslösende Faktoren, die nicht genetisch sind (wie Hygiene im täglichen Leben, Ernährungsgewohnheiten, Tabakkonsum usw.) systematisch berücksichtigt und weiterhin erforscht werden; 23. erkennt an, dass die Pharmakogenetik (Ermittlung der Unterschiede bei den individuellen Reaktionen auf Arzneimittel) und die Pharmakogenomik (Entwicklung personengerichteter therapeutischer Arzneimittel, „personal pills“) in erster Linie für die Therapie und die Verhinderung von Leiden sowie zur Vermeidung von Nebenwirkungen, aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht großen Nutzen bringt, sowohl bei der Entwicklung von Arzneimitteln als auch bei deren Verabreichung, weil dadurch vermieden wird, dass Arzneimittel an Patienten verabreicht werden, denen sie keine Linderung verschaffen oder sogar schaden; 24. misst ebenso der Krankheitsgenetik eine große medizinische und wirtschaftliche Bedeutung zu; der Forschungsbereich der Krankheitsgenetik zielt darauf ab, die Wirkungszusammenhänge der Entstehung und Entwicklung von Krankheiten von der genetischen Seite her zu verstehen und aus den so erhaltenen Einsichten Ansatzpunkte für therapeutische oder präventive Maßnahmen oder für die Entwicklung von Medikamenten zu gewinnen; die Krankheitsgenetik trägt den vielfältigen Interaktionsprozessen zwischen Genen, Genprodukten und Umweltfaktoren Rechnung und eröffnet vielversprechende Perspektiven, ohne verändernde Eingriffe in das Genom Krankheitsprozesse wirksam zu beeinflussen; 25. bekräftigt, dass die Vielzahl verschiedener oder jedenfalls auf nationaler Ebene nicht konsistenter Normen für alle Phasen, von der Entwicklung bis zur klinischen Prüfung, eine schwerwiegende Einschränkung darstellt, die die Entwicklung und Erprobung neuer biotechnologischer Medikamente auf EU-Ebene erschwert, obwohl dies ja eigentlich gefördert werden sollte. Daher sollte als erster Schritt die Richtlinie der Europäischen Union zu klinischen Prüfungen so schnell wie möglich in nationales Recht umgesetzt werden. Wenn diese Chancen optimal genutzt werden, können den Bürgern der Europäischen Union durch die Genforschung signifikante gesundheitliche Vorteile entstehen, und es werden weitere Investitionen in die europäische Wissenschaft und Arzneimittelindustrie fließen, die sich in einem immer wettbewerbsfähigeren globalen Umfeld behaupten müssen; 26. fordert größere Synergieeffekte zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor, um optimale Ergebnisse für den gesamten Bereich der Pharmakogenetik zu erzielen, da dort, wo eine solche Synergie fehlt, zu starre oder zu stark einschränkende staatliche Regeln die Gefahr bergen, dass am Ende sämtliche Vorteile verloren gehen; 27. hält es für notwendig, einen harmonisierten ordnungspolitischen Rahmen festzulegen, der PE 300.127 DE 20/127 RR\453921DE.doc dem Gemeinwohl, der Gesundheit und der Forschungsgemeinschaft Vorrang einräumt und mit klaren und strengen Normen nicht nur für die Entwicklung, sondern auch für die Erprobung und die Zulassung neuer biotechnologischer Medikamente und Reagenzien für Gentests ausgestattet ist; 28. hält es für wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Humangenetik in einigen Bereichen deutliche Verbesserungen für kranke und behinderte Menschen mit sich bringen kann, dass die Erfolge jedoch in vielen Bereichen sehr lange auf sich warten lassen werden und dass es aus biologischen Gründen selbst bei unbegrenzter Anwendung von Therapie und eugenischer Selektion (die aus ethischen Gründen ohnehin nicht akzeptabel wäre) niemals möglich sein würde, Behinderung und Krankheit vollständig aus der Welt zu schaffen. Es ist daher dringend erforderlich deutlich zu machen, das Menschen mit Behinderungen auch in Zukunft Teil unseres Lebens sein werden und dass sie selbst sowie ihre Familienangehörigen von der Gesellschaft solidarisch unterstützt werden müssen; II. Verwendung personenbezogener Daten über genetische Daten, die mittelbar oder unmittelbar aus der Genomanalyse gewonnen wurden 29. besteht darauf, dass prädiktive Tests nur aus rein medizinischen Gründen oder für gesundheitsbezogene wissenschaftliche Forschung und nur unter der Voraussetzung einer angemessenen genetischen Beratung erlaubt sind, und bekräftigt, dass jede Person das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten hat und dass jede Form von Diskriminierung einer Person wegen ihres genetischen Erbes verboten ist; spricht sich folglich für eine Anpassung von Artikel 13 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften bei der nächsten Revision aus; 30. unterstreicht, dass die Genforschung mit ausreichenden Garantien zum Schutz der Interessen des Individuums und des Interesses der künftiger Generationen betrieben werden muss; gleichzeitig muss es erlaubt sein, die legitime für den Einzelnen und für die Gesellschaft nutzbringende wissenschaftliche Forschung im Dienste der Gesundheit und die Aufklärung schwerer Verbrechen mit Hilfe von DNA-Analysen voranzutreiben; 31. fordert mit Nachdruck, dass über die Verwendung von personenbezogenen Geninformationen und den Zugang Dritter zu diesen Daten im Hinblick auf eine künftige rechtliche Regelung, die im Wesentlichen die persönliche Integrität des Individuums schützen muss und in deren Mittelpunkt die Notwendigkeit stehen muss, zum Schutz seiner Gesundheit bzw. der Gesundheit seiner Nachkommen oder für die Zwecke der gesundheitsbezogenen Forschung seine freie und informierte Einwilligung einzuholen eine Debatte stattfindet; jeder andere Zweck ist auszuschließen, wobei jedoch die Tatsache berücksichtigt werden muss, dass es beispielsweise in der Forschung möglich sein muss, Kenntnis über Geber und Empfänger von Zellen zu erlangen, ohne dass die Personen selbst zu diesen Informationen Zugang erhalten; 32. hält den Schutz der Arbeitnehmer gegen alle Forderungen zur Bekanntgabe genetischer Informationen für besonders begründet und ist, da Arbeitnehmer in einer schwächeren Position sind, der Auffassung, dass sie durch die Rechtsvorschriften geschützt werden müssen; 33. verweist auf die Richtlinie 95/46/EG, die den Schutz der personenbezogenen Daten im größeren Zusammenhang der Gewährleistung der Rechte und der Grundfreiheiten betrachtet, stimmt mit der Europäischen Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der neuen RR\453921DE.doc 21/127 PE 300.127 DE Technologien (EGE) überein, die in ihrer Stellungnahme Nr. 13 zu ethischen Aspekten der Verwendung personenbezogener Daten über die Gesundheit dargelegt hat, dass es im Bereich des Schutzes der gesundheitsbezogenen persönlichen Daten noch keine spezifischen europäischen Rechtsvorschriften gibt, und hofft, dass die Kommission eine Richtlinie ausarbeitet, um den Gefahren, die eine Informatisierung solcher Daten darstellt, zu begegnen; fordert die Kommission auf, die aktuellen Entwicklungen auf dem Gebiet des Datenschutzes im Rahmen des technischen Fortschritts zu prüfen; 34. unterstreicht, dass eine solche Richtlinie sich nicht auf die Aufzählung allgemeiner, im komplexen Rahmen der Grundrechte verankerten allgemeinen Grundprinzipien, so unverzichtbar sie auch sein mögen, beschränken darf (absolutes Verbot der Datenerhebung, außer für den Schutz der Gesundheit und zu Forschungszwecken, Legitimität von Tests nur in spezifischen Fällen oder für ganz bestimmte Zwecke, Legitimität der Tests nur mit Zustimmung der betroffenen Person, ausdrücklich verbotene Verwendungszwecke, Regeln für den Zugang zu Daten, die nicht strikt personenbezogen erhoben wurden – insbesondere das Problem des Zugangs innerhalb der Familiengruppe, unter Blutsverwandten), sondern auch Mechanismen zur Feststellung, Klassifizierung und Kontrolle der Genanalysen festlegen sollte, mit denen Missbrauch bei deren Verwendung vermieden wird, damit es erst gar nicht soweit kommt, dass Parameter für eine„genetische Normalität“ entwickelt werden, die Anlass zur Sorge geben könnten; 35. hält es für notwendig, dass die Verarbeitung dieser Daten in öffentlichen Körperschaften, die die Einwilligung des/der Betroffenen nicht einholen müssen, nur dann legitim ist, wenn ausdrückliche eine „gesetzliche Bestimmung“ vorliegt, in der die durchzuführenden Maßnahmen sowie die jeweiligen Zwecke, die im Interesse der Öffentlichkeit verfolgt werden sollen, genau spezifiziert sind (ausgeschlossen ist, dass hierzu auch wirtschaftliche Zwecke gehören können), und unterstellt diese Tätigkeit, was die Aspekte der Zuständigkeit angeht, der Überwachung der Kontrollstellen für den Schutz personenbezogener Daten gemäß Artikel 28 der Richtlinie 95/46/EG; 36. ist angesichts der Tatsache, dass die Zahl der Gene offenbar weit hinter den ursprünglichen Vermutungen zurückbleibt, der Auffassung, dass die Behauptung, wonach sie für bestimmte Anlagen ausschließlich oder in erheblichem Maße verantwortlich sind, erheblich korrigiert werden muss, da sie sich vielmehr als Resultat komplexer Interaktionsprozesse zwischen Genen, Proteinen und der Umwelt darstellen; nachdem der Enthusiasmus über die Prädiktivität nachgelassen hat, ist die Möglichkeit, Gendaten in Zukunft für die Bewertung von Personen heranzuziehen, nicht zulässig, zumal diese ausgerechnet die entscheidende Beziehung zwischen Proteinen und Umwelt vernachlässigen und deshalb ein verzerrtes oder unvollständiges Bild der betreffenden Person liefern; eine Einzelperson hat im Übrigen durchaus das Recht, Gentests durchführen zu lassen; 37. eine Einschränkung auf der Grundlage der Verwendung genetischer Daten, um Lebensversicherungen oder Versicherungen gegen Krankheiten abzuschließen, führt zu neuen sozialen Hierarchien, wenn die Menschen anhand ihrer genetischen Anlagen klassifiziert würden; dies käme einer Beschneidung der Bürgerrechte und einer Negation des Rechts auf gleichberechtigten Zugang zu Gesundheitsleistungen angemessener Qualität gleich; 38. hebt deshalb hervor, dass die Versicherungen keineswegs das Recht haben dürfen, vor oder nach Abschluss eines Versicherungsvertrags die Durchführung von Genanalysen bzw. die Weitergabe von Ergebnissen bereits durchgeführter Genanalysen an sie zu fordern; PE 300.127 DE 22/127 RR\453921DE.doc Genanalysen dürfen auch keine Vorbedingung für den Abschluss eines Versicherungsvertrags sein; ist der Ansicht, dass die Versicherer verlangen dürfen, über die genetischen Daten, die dem Versicherten bekannt sind, informiert zu werden, wenn es sich um außerordentlich hohe Versicherungssummen handelt und der Verdacht besteht, dass der Versicherungsnehmer aufgrund dieser Vorkenntnisse handelt; 39. stellt fest, dass die Frage der Zurverfügungstellung von Genanalysen, die vor dem Abschluss eines Vertrags erstellt wurden, an Versicherungsgesellschaften durch die Gemeinschaftsrechtsordnung nicht geregelt ist, und dass die Praktiken auf einzelstaatlicher Ebene unterschiedlich sind; fordert deshalb die Kommission auf, auf der Grundlage von Artikel 47 Absatz 2 und Artikel 55 des EG-Vertrags entsprechende Gesetzesinitiativen vorzuschlagen, einschließlich des Verbots der Nutzung von personenbezogenen medizinischen Informationen, wie die genetische Typologie, zu Zwecken der Diskriminierung bei Versicherungen sowie die Möglichkeit vorzusehen, in spezifischen Fällen eine Versicherungsgrenze anzuwenden; 40. unterstreicht, dass die Folgen von Gentests für die Grundrechte, die Achtung der ethischen Prinzipien und die Gestaltung der sozialen Beziehungen auch im Bereich der Arbeit erheblich sind; anders bei Versicherungen, wo die Argumente für die Verwendung von Gendaten ausschließlich wirtschaftlicher Natur sind, geht es hier um das Interesse des Arbeitnehmers, nicht für schädliche Tätigkeiten eingestellt zu werden; die aus den Gendaten ablesbaren Angaben können aber Vorschriften für die Arbeitsumwelt oder generelle Sicherheitsbestimmungen für gefährliche Tätigkeiten nicht ersetzen; 41. empfiehlt, die Diskriminierung von Arbeitnehmern aufgrund genetischer Kriterien sowie im Anschluss an genetische Screenings im Rahmen von Reihenuntersuchungen rechtsverbindlich zu verbieten; genetisches Screening kann von den Versicherungen nicht zur Bewertung herangezogen werden; 42. vertritt die Auffassung, dass sich eine Regelung, die sich auf die Einwilligung nach gründlicher Aufklärung stützt, in diesem Bereich als völlig ungeeignet erweist, da bekannt ist, dass die meisten Menschen bei Arbeitslosigkeit dazu neigen, nahezu alles zu akzeptieren, um Arbeit zu bekommen; die Zustimmung wäre also nicht mehr Ausdruck der Freiheit, sondern vielmehr Auswirkung eines materiellen Zwangs; deshalb sollte den betroffenen Personen nach dem Vorbild der Regelung für die Ablehnung der Verarbeitung personenbezogener Daten das Recht eingeräumt werden, ihre Meinung zu ändern; die institutionellen Politiken, sowohl auf nationaler wie auf Gemeinschaftsebene, sollten vielmehr darauf abzielen, nicht nur die direkt Betroffenen, sondern auch die Öffentlichkeit angemessen zu informieren, um das kollektive Bewusstsein für Fragen in Zusammenhang mit der Verwendung von Geninformationen zu schärfen und generell soziale Kontrollmaßnahmen einzuführen; 43. stellt fest, wie sehr die Tendenz, die Erhebung von Gendaten generell auszuweiten, das Problem der Zunahme von Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen, die mit diversen Technologien möglich geworden sind, deutlich werden lässt; es darf nicht zulässig sein, dass man sich genetische Informationen privat aneignen darf, auch wenn formal aufgrund der Anonymität der Daten die Achtung der Persönlichkeitsrechte gewährleistet ist; wichtig wird die Schaffung eines institutionellen Rahmens, mit dem dafür gesorgt wird, dass der Zugang zu den Tests wirksamen Anforderungen für den Schutz der Gesundheit unterliegt, das Umgehen bestehender Regeln durch den direkten Zugang zu den Tests unterbunden wird, durch den die Notwendigkeit der Information durch genetische Beratung verkannt wird; RR\453921DE.doc 23/127 PE 300.127 DE 44. empfiehlt den Mitgliedstaaten, das Recht des Einzelnen auf Vertraulichkeit seiner Geninformationen zu schützen, und zu gewährleisten, dass Genanalysen zum Wohle der einzelnen Patienten, seiner Angehörigen und der Gesellschaft insgesamt verwendet werden; von diesem allgemeinen Grundsatz der Vertraulichkeit darf nur abgewichen werden, wenn die genetischen Marker, die in DNA-Banken gelagert werden, zur Identifizierung und Festnahmen von Kriminellen genutzt werden14; III. Patentierbarkeit der Verfahren und der aus biologischem Material gewonnenen Produkte 45. räumt ein, dass Patente, die als traditionelles Instrument der Industriepolitik zur Förderung der privaten Finanzierung der Forschung für die exklusive gewerbliche Nutzung von neuerfundenen Waren erteilt werden, neue Probleme aufwerfen, wenn sie auf biologisches Material und insbesondere auf das menschliche Genom angewandt werden; 46. erinnert daran, dass die Richtlinie 98/44/EG zum rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen derzeit in die Rechtssysteme der Mitgliedstaaten umgesetzt wird und dass vier Staaten sie bereits umgesetzt haben ; erinnert ferner daran, dass die Richtlinie nur die in der Biotechnologie angewandte Praxis kodifiziert; stellt fest, dass einige Staaten Probleme bei der Durchführung hatten, während sie in anderen Ländern relativ schmerzfrei verlief; 47. räumt trotz der bestehenden Schwierigkeiten und Diskussionen bei der Auslegung dieser Richtlinie, insbesondere in Bezug auf Artikel 5 Absätze 1 und 2, die Bedeutung eines Rechtsrahmens und einer Harmonisierung in diesem Bereich ein; ist der Auffassung, dass die Schwierigkeiten insbesondere die Frage betreffen, ob erteilte Patente zu umfassend sind und dadurch anderweitige Forschungen blockieren; 48. stellt fest, dass der Rechtsrahmen derzeit in Europa trotz der Richtlinie 98/44/EG zu großer Heterogenität tendiert, dass jedoch die etwaige Einführung eines Gemeinschaftspatents die Situation vereinheitlichen kann; 49. erinnert daran, dass nach geltendem europäischen Recht eine Erfindung nur dann als patentierbar gilt, wenn sie eine erfinderische Tätigkeit impliziert und sich für eine gewerbliche Anwendung eignet, und nicht nur eine, wie komplex auch immer geartete, Entdeckung dessen, was bereits existiert, darstellen darf; 50. stellt fest, dass die „Verwendung menschlicher Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken“ gemäß Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie als nicht patentierbar gilt; fordert die Kommission auf, durch die Herausgabe eines Leitfadens, durch die Änderung der Richtlinie 98/44/EG oder durch zusätzliche Rechtsvorschriften klarzustellen, dass Hybriden, Chimären, menschliche Stammzellenlinien oder Behandlungsmethoden sowie Medikamente, Erzeugnisse und Verfahren vom Patentschutz auszunehmen sind, die durch Forschungen an Embryonen, die in vitro gezeugt wurden und nicht der Herbeiführung einer Schwangerschaft dienten, abgeleitet oder entwickelt wurden; 51. erinnert daran, dass die Kommission zu folgenden Veröffentlichungen verpflichtet wurde: a) 14 alle fünf Jahre ein Bericht über die Probleme, zu denen die Anwendung der Richtlinie im Zusammenhang mit den internationalen Übereinkommen über den Schutz der Menschenrechte, denen die Mitgliedstaaten beigetreten sind, führen kann; Entschließung des Europäischen Parlaments zur Zukunft der Biotechnologieindustrie (A4-0080/2001). PE 300.127 DE 24/127 RR\453921DE.doc b) innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten der Richtlinie (30. Juli 1998) ein Bericht, in dem die Auswirkungen des Unterbleibens oder der Verzögerung von Veröffentlichungen, deren Gegenstand patentierfähig sein könnte, auf die gentechnologische Grundlagenforschung evaluiert werden; c) und jährlich ein Bericht über die Entwicklungen und Implikationen des Patentrechts im Bereich der Biotechnologie und des Bioengineering; diese sind dem EP und dem Rat zu übermitteln (Artikel 16); fordert daher die Kommission auf, die Vorlage des ersten Jahresberichtes, die bis zum 30. Juli 2001 hätte erfolgen sollen, nicht weiter zu verzögern und diese Möglichkeit zu nutzen, um über die Ergebnisse der Expertentagungen, einschließlich der Beratungen der Kommission über die Frage der Patentierung von den Sequenzen Bericht zu erstatten sowie über sämtliche Gespräche zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die von den Mitgliedstaaten vorgebrachten Auslegungsschwierigkeiten zu informieren; 52. dringt auf eine gründliche Bewertung der Richtlinie 98/44, wobei zusätzlich zu den sozioökonomischen Auswirkungen auch die Auswirkungen einer breitangelegten Umschreibung von Patenten auf technologischen Forschritt und Innovation miteinbezogen werden sollen; 53. ersucht die Kommission, im Rahmen der vorgenannten Berichte zu untersuchen, ob die Unterschiede bei der Anwendung von Zwangslizenzen in den Mitgliedstaaten ein Hindernis für eine ausgewogene Entwicklung sind oder ob es begründet ist, auf Gemeinschaftsebene im Rahmen des TRIPS-Abkommens neue Regelungen für Zwangslizenzen einzuführen; Klonen und Stammzellforschung 54. besteht darauf, dass das reproduktive Klonen von Menschen ungeachtet des verwendeten Verfahrens zu verbieten ist, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Initiative zu ergreifen und ein Verbot des reproduktiven Klonens in Form eines international rechtsverbindlichen Instruments vorzulegen; 55. fordert ein Verbot jeglicher Tätigkeiten, die a) darauf ausgerichtet sind, eine Veränderung der menschlichen Keimbahn herbeizuführen, oder b) auf das reproduktive Klonen von Menschen ausgerichtet sind oder dieses mit sich bringen oder c) auf die Erzeugung von Hybriden oder Chimären ausgerichtet sind oder d) embryonale Stammzellen oder menschliche Embryonen verwenden, sofern der Embryo in vitro erzeugt wurde und nicht der Herbeiführung einer Schwangerschaft dient; 56. für die Entwicklung und den Einsatz wissenschaftlicher Verfahren, die dazu beitragen, die Erzeugung „überzähliger“ Embryonen zu vermeiden, sind erhebliche öffentliche Mittel bereitzustellen; die Mitgliedstaaten sollten ferner die Möglichkeit erwägen, unfruchtbaren Paaren die Adoption „überzähliger“ Embryonen zu ermöglichen; 57. fordert ein gemeinschaftsweites Verbot des Handels mit menschlichen Embryonen, embryonalen Stammzellen sowie Ei- und Samenzellen; RR\453921DE.doc 25/127 PE 300.127 DE 58. weist darauf hin, dass die Herstellung von menschlichen Embryonen durch Kerntransfer die Vorraussetzung für das sogenannte reproduktive Klonen ist und die Implantation von Embryonen in die Gebärmutter, technisch gesehen, sehr leicht durchzuführen ist; 59. bekräftigt seine Position, dass auch aus ethischer Sicht das sogenannte therapeutische Klonen problematisch ist, weil es eine zur Verfügungsstellung einer Vielzahl von menschlichen Eizellen zur Voraussetzung hat, was zu einer geschlechtsspezifischen Ausbeutung des menschlichen Körpers führen kann, mit großen Risiken für die Frauen verbunden ist und die Herstellung von menschlichen Embryonen allein zu Forschungszwecken beinhaltet; 60. bekräftigt daher seine Position, dass man am wirksamsten und glaubwürdigsten gegen das Klonen von Menschen auftreten kann, wenn man sowohl das sogenannte therapeutische Klonen als auch das sogenannte reproduktive Klonen von Menschen ausschließt; 61. begrüßt daher den Beschluss des amerikanischen Repräsentantenhauses, die Herstellung von menschlichen Embryonen durch Kerntransfer zu verbieten und mit hohen Freiheitsstrafen zu belegen, und fordert den Senat auf, sich diesem Beschluss so schnell wie möglich anzuschließen; 62. bekräftigt seine Forderung nach einem möglichst weltweiten Verbot des Klonens von Menschen; 63. fordert die Mitgliedstaaten auf, die dies bisher nicht getan haben, Gesetze gegen die Herstellung von genetisch identischen menschlichen Embryonen durch Klonen zu erlassen; 64. bittet die Kommission, falls dies nicht innerhalb eines gewissen Zeitraumes geschieht, zu prüfen, ob ein gemeinschaftlicher Vorschlag mit dieser Zielsetzung, z.B. auf Grundlage von Artikel 152 Absatz 4 Buchstabe a EU-Vertrag möglich ist; 65. fordert, dass die Erzeugung von menschlichen Embryonen nur gestattet sein darf, um eine Schwangerschaft herbeizuführen; 66. erkennt das ethische Dilemma an, das dadurch entstanden ist, dass in vielen Ländern der Gemeinschaft Tausende von menschlichen Embryonen existieren, die zum Zwecke der InVitro-Fertilisation hergestellt wurden, deren Implantation für die genetischen Eltern jedoch nicht mehr möglich ist; 67. erkennt an, dass sowohl die Vernichtung dieser Embryonen als auch die Zurverfügungstellung für Forschung aus ethischer Sicht umstritten ist; 68. fordert daher die Alternative zu prüfen, die darin bestünde, sie kinderlosen Ehepaaren zur Verfügung zu stellen, für die eine herkömmliche In-Vitro-Fertilisation aus medizinischen oder sonstigen Gründen nicht möglich ist, wobei hier strenge Regeln zu erlassen sind, damit es nicht zu einem Embryonenhandel kommt; dass darüber hinaus Techniken zur Sterilitätsbehandlung entwickelt werden müssen, die die Entstehung von überzähligen Embryonen ausschließen und die gesundheitliche Belastung für die Frau auf ein Minimum reduzieren; 69. bringt seine uneingeschränkte Unterstützung der Arbeit mit adulten Stammzellen zum Ausdruck und nimmt mit Interesse zur Kenntnis, dass durch die Arbeit mit adulten PE 300.127 DE 26/127 RR\453921DE.doc Stammzellen in einigen Forschungsfeldern (z.B. Leukämie, Behandlung von Knorpel- und Knochenschäden und wahrscheinlich auch bei der Behandlung von Herzinfarkt) schon konkrete Heilungserfolge für einzelne Patienten erzielt wurden, während die Forschung mit embryonalen Stammzellen bisher nur in Tierversuchen in Ansätzen zur Heilung geführt hat; 70. fordert die Mitgliedstaaten, die Kommission und alle betroffenen Forscher dazu auf, mögliche Alternativen zur Forschung mit embryonalen Stammzellen energisch zu unterstützen und zu erforschen und legt Wert darauf, das es dabei nicht nur um die sogenannten adulten Stammzellen, sondern auch um andere wissenschaftliche Ansätze geht; 71. hebt hervor, dass das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 12. März 199715 bekräftigt hat, dass „keine Gesellschaft unter irgendwelchen Umständen das Klonen von menschlichen Wesen … rechtfertigen oder hinnehmen darf, weil es eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrecht darstellt und dem Grundsatz der Gleichheit der Menschen widerspricht, denn er ermöglicht eine eugenische und rassistische Selektion der menschlichen Art, verstößt gegen die Würde des Menschen und macht Menschenversuche erforderlich“; 72. empfiehlt den internationalen und regionalen Organisationen, wie den Vereinten Nationen und dem Europarat, ein Menschenrecht auf genetische Einzigartigkeit oder konkret auf Schutz seines genetischen Erbes festzulegen; V. 6. Rahmenprogramm für die Forschung Leitlinien für einen Ethikrahmen 73. hält es für wesentlich, Leitlinien für einen Ethikrahmen ausgehend von den Bestimmungen, die bereits im 5. Rahmenprogramm (1998–2002) und insbesondere im spezifischen Programm „Lebensqualität“ festgelegt wurden, auszuarbeiten; 74. nimmt zu diesem Zweck Kenntnis von den Beschlüssen des amerikanischen Präsidenten George W. Bush, die Verwendung von Bundesmitteln für die Forschung an adulten Stammzellen sowie an einer Reihe von Zelllinien zu genehmigen, die von „überzähligen“, bereits im Laboratorium verwendeten Embryonen stammen; 75. ist daher der Ansicht, dass alle Forschungsaktivitäten in der Folge des 6. Rahmenprogramms unter Beachtung der ethischen Grundprinzipien durchgeführt werden sollten, und zwar insbesondere: a) der Grundsätze in der Charta der Grundrechte der Union und in den in Ziffer 2 Buchstabe a dieser Entschließung genannten internationalen Übereinkommen; b) der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten; 76. stellt fest, dass ein Ziel des neuen Forschungsprogramms darin besteht, erstmalig das im Artikel 169 des EG-Vertrags festgelegte Verfahren anzuwenden, wonach die Gemeinschaft sich an Zusammenarbeitsprojekten beteiligen kann, an denen nicht alle sondern nur einige Mitgliedstaaten beteiligt sind; besonders in diesen Fällen müsste die Beteiligung der Gemeinschaft möglich sein, um zu gewährleisten, dass die Versuche allen Einwohnern in der Gemeinschaft zugute kommt; 15 ABl. C 115 vom 14.4.1997, S. 92. RR\453921DE.doc 27/127 PE 300.127 DE 77. sieht in diesem Zusammenhang die Stellungnahme der Europäischen Gruppe für Ethik zu den ethischen Aspekten der Erforschung von Stammzellen als einen wichtigen Beitrag an, wonach: a) die Frage, ob die Stammzellenforschung ethisch vertretbar ist, nicht nur von deren Zielen abhängt, sondern auch davon, woher die Stammzellen stammen; b) in Anbetracht der Tatsache, dass ein ethischer Konsens hinsichtlich der Erzeugung von Embryonen durch den Kerntransfer somatischer Zellen (therapeutisches Klonen) für die Zwecke der Zelltherapieforschung bislang nicht gegeben ist, ein weites Feld für Forschungen mit alternativen Quellen für menschliche Stammzellen genutzt werden sollte; c) ein spezifischer Gemeinschaftshaushalts zur Finanzierung der Forschung, bei der alternative Quellen, insbesondere erwachsene Stammzellen, genutzt werden, bereitgestellt werden sollte; d) auf europäischer Ebene dafür Sorge zu tragen ist, dass die Forschungsergebnisse weit verbreitet und nicht aus kommerziellen Interessen zurückgehalten werden e) vor dem Anlaufen der Vorhaben und während ihrer Durchführung eine aus Gemeinschaftsmitteln zu finanzierende Bewertung der Stammzellforschung unter ethischen Aspekten sichergestellt werden sollte; 78. ist daher der Ansicht, dass auf dem Gebiet der Stammzellforschung vorrangig solche Forschungsvorhaben aus Gemeinschaftsmitteln finanziert werden sollten, bei denen erwachsene Stammzellen genutzt werden, und dass Forschungsvorhaben, bei denen embryonale Stammzellen verwendet werden, keine Mittel erhalten sollten; 79. empfiehlt, Vorhaben im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration, die folgendes beinhalten, von der Gemeinschaftsfinanzierung auszuschließen: a) die Erzeugung menschlicher Embryonen mit Hilfe von Spendergameten zu anderen als reproduktiven Zwecken; b) die Erzeugung menschlicher Embryonen durch Kerntransfer somatischer Zellen (therapeutisches Klonen) sowie das Klonen von Menschen (reproduktives Klonen); c) Forschungstätigen, die eine Änderung der Keimbahn des Menschen zum Ziel haben; d) Forschungstätigkeiten, bei denen ein menschlicher Embryo zu Forschungs- oder Therapiezwecken gezüchtet wird; e) jede andere Form der verbrauchenden Forschung an menschlichen Embryonen; 80. spricht sich für ein Verbot des Klonens von Menschen aus, gleichgültig mit welcher Intention es erfolgt und welche Techniken oder Methoden angewandt werden, und fordert die Europäische Kommission auf, die rechtlichen Möglichkeiten eines Verbots des Klonens durch die Europäische Union zu prüfen; 81. bekräftigt das Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen; fordert die EUPE 300.127 DE 28/127 RR\453921DE.doc Mitgliedstaaten auf, sich der deutsch-französischen Initiative für eine VN-Konvention gegen derartiges Klonen anzuschließen; 82. bekräftigt, dass die Unterscheidung zwischen reproduktivem und therapeutischem Klonen hinsichtlich der angewandten Technik nicht von Bedeutung ist; Empfehlungen an die Mitgliedstaaten der Union im Bereich der Finanzierung der Genomforschung 83. erkennt an, dass die Frage, ob die Embryonenforschung auf europäischer Ebene reguliert werden kann, rechtlich umstritten ist und es selbst für den Fall, dass eine EU-weite Regelung rechtlich möglich wäre, nur eine Verabschiedung von bestimmten Grundregeln realistisch ist, so dass es auf absehbare Zeit Sache jedes Mitgliedstaates sein wird, Embryonenforschung zu verbieten oder zu genehmigen. Hebt jedoch hervor, dass im letztgenannten Fall die Achtung der Menschenwürde impliziert, dass Regeln aufgestellt werden müssen, durch die die Gefahr widerrechtlicher Versuche unter Instrumentalisierung der menschlichen Embryos verhindert wird; 84. ist der Ansicht, dass aus Respekt vor der ethischen Überzeugung vieler europäischer Bürgerinnen und Bürger und vor der Rechtsordnung der Mitgliedsstaaten durch Finanzmittel der Europäischen Union nur Forschungstätigkeiten gefördert werden sollten, durch die kein Mitgliedsstaat die ethischen Grundprinzipien seiner Verfassungsordnung verletzt sehen muss; 85. betont, dass die Forschung im Bereich der Behandlung der Unfruchtbarkeit, die nicht zur Erzeugung von „überzähligen“ Embryonen führt, sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene gefördert und finanziert werden muss; 86. fordert die Mitgliedstaaten auf, die Adoptionsverfahren zu vereinfachen, insbesondere indem sie systematisch die Adoption von derzeit eingefrorenen Embryonen Paaren vorschlagen, die bereit sind, eine In-vitro-Fertilisation durchführen zu lassen, oder bei denen In-vitro-Fertilisation keinen Erfolg hätte; 87. hält es für wichtig, dass sich die biotechnologische Forschung nicht nur auf große multinationale Konzerne konzentrieren darf; ist daher der Auffassung, dass die öffentlichen Behörden auf einzelstaatlicher, gemeinschaftlicher und internationaler Ebene aufgefordert werden sollten, a) Konzentrationsprozesse in diesem Bereich zu überwachen und gegebenenfalls einzugreifen, wenn Auswirkungen auf das öffentliche Interesse bestehen, b) die Stellung der kleineren Unternehmen und der gemeinnützigen Organisationen zu schützen; c) die Entwicklung von Bemühungen um eine starke, unabhängige und öffentlich finanzierte Forschung sicherzustellen, die sich auf die Bereiche konzentriert, die mitteloder kurzfristig kaum Gewinne abwerfen und die von der Privatwirtschaft vernachlässigt werden, wie beispielsweise die Behandlung von Krankheiten, unter denen besonders benachteiligte Personen oder Kinder leiden und die in den am wenigsten entwickelten Ländern auftreten, sowie Behandlungen von seltenen Krankheiten; RR\453921DE.doc 29/127 PE 300.127 DE d) die Erforschung der Risiken der Biotechnologie und ihre Vermeidung zu fördern; e) die Bildung von öffentlich-privaten Partnerschaften zu fördern; 88. ist der Auffassung, dass die Forschung im Bereich der Biotechnologie nicht zur Stärkung der Rolle von multinationalen Konzernen führen darf, wodurch jede Kontrolle unmöglich würde, und besteht deshalb darauf, dass die öffentlichen Behörden sowohl auf der Ebene der Staaten als auch auf derjenigen der Union jede Forschungstätigkeit in diesem Bereich sorgfältig eingrenzen, eine rückhaltlose Transparenz gewährleisten und insofern die unter Ziffer 2 erwähnte öffentliche Diskussion in Gang halten; 89. empfiehlt, darüber nachzudenken, welche Änderungen der Politik im Hinblick auf die öffentliche Finanzierung einer wirklich unabhängigen Grundlagenforschung erforderlich sein könnten, die die Existenz einer dynamischen und unabhängigen öffentlichen wissenschaftlichen Forschung gewährleisten; Leitlinien für die Finanzierung der Genomforschung aus Gemeinschaftsmitteln 90. fordert, dass die Union einen rechts- und ordnungspolitischen Rahmen schafft und erhebliche Finanzmitteln für die Erforschung des Genoms bereitstellt, wie es in dem Vorschlag für den Beschluss über das 6. Forschungsrahmenprogramm vorgesehen ist; hält deshalb Folgendes für notwendig: a) Unterstützung der Priorität Genomik und Biotechnologie für die Gesundheit, wobei jedoch vorzugsweise durch die Einführung einer neuen Priorität „Gesundheitsforschung“ klargemacht werden muss, dass auch Ansätze zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation, die nicht Direkt mit Gen- und Biotechnologie zusammenhängen muss, unerstützt werden müssen; b) Unterstützung der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern verschiedener nationaler und europäischer Einrichtungen (Universitäten, Forschungsstellen, Krankenhäuser, Unternehmer, Industrie generell) bei der Ermittlung der Funktion der Genomdaten und bei der Entwicklung neuer ärztlicher Behandlungsmethoden; c) Unterstützung der nicht normierten Forschung im Bereich der Humangenetik (z.B. Normen für die Beurteilung der Qualität und Qualitätsgarantien für Genanalysen); d) Anreize für eine rechtzeitige und aktive Einbeziehung der Regelungsbehörden durch die Schaffung von Leitlinien für die Prüfung neuer Entwicklungen im Bereich der Biomedizin; e) Schaffung zentralisierter gemeinschaftlicher Systeme für Informationen bzw. Materialien, z.B. Erfassung der Daten über neue Biomedikamente, einschließlich der Daten über die klinische Prüfung und anschließende Zulassung (beispielsweise Beobachtung negativer Reaktionen), Vergleich mit den Daten über die Pharmakogenomik (Korrelation besonderer genetischer Merkmale mit der individuellen Reaktion auf Arzneimittel) oder auch die Einführung von Patientendatenbanken bzw. die Errichtung von zentralen Gewebebanken; f) Unterstützung der Forschung im Bereich transgener Experimente zur Deckung des Bedarfs des Gesundheitswesens; PE 300.127 DE 30/127 RR\453921DE.doc g) Unterstützung von Forschungen, die das Verständnis der rechtlichen, ethischen, sozialen und wirtschaftlichen Fragen, die sich aus den neuen Erkenntnissen im Bereich der Humangenetik ergeben, fördern und die zur besseren Bewältigung der damit zusammenhängenden Herausforderungen beitragen; h) Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Unterschiede bei Forschungstätigkeiten sowie Vorsorge- und Therapiemaßnahmen im Bereich der Genomik und Biotechnologie; i) Unterstützung der Erarbeitung von Initiativen, mit denen ein neuer Konsens in Bezug auf die Anwendung von Life sciences gefördert werden soll, um einerseits Informationen über diese Wissenschaften (z.B. in den Medien) zu verbreiten, damit das Verständnis der Öffentlichkeit gefördert wird, und andererseits Wissenschaftler dazu anzuregen, Sorgen in der Bevölkerung stärker aufzunehmen und in ihrer Arbeit einzubeziehen; j) Unterstützung integrierter und multidisziplinärer Ansätze in Ausbildung und Lehre. Die Stärkung der Lehre und der Ausbildung in den Spitzentechnologien beispielsweise Pharmakogenomik, Bioinformatik, Nanobiotechnologie) und die Auflegung von integrierten Programmen für die Lehre und die Ausbildung in biomedizinischer Forschung, Entwicklung und Management durch internationale Zusammenarbeit von Universitäten und Industrie bieten den Universitäten, der Industrie und der Gesellschaft parallel zur zunehmenden Integration von Analyse des Genotyps, Diagnose und Therapie große Chancen; 91. hält es für wesentlich, Programme zur öffentlichen Information und Aufklärung zu finanzieren, die nicht, wie in der Vergangenheit der Fall, darauf abzielen, die Akzeptanz der Gentechnologie zu erhöhen, sondern die die Debatte innerhalb einer informierten Öffentlichkeit ermutigen; empfiehlt, dass derartige Programme in enger Zusammenarbeit mit repräsentativen Behindertenorganisationen entwickelt werden; VI. Zur „europäischen Wissensgesellschaft“ und zur Überwachung der Entwicklungen der Humangenetik durch die Europäische Union 92. erinnert daran, dass die Staats- und Regierungschefs beschlossen haben, einen „Europäischen Forschungsraum“ zu schaffen, der sich angesichts der unterschiedlichen Regierungsformen als unabdingbar für Europa erweist und deshalb neue Formen der Beteiligung am öffentlichen Leben auf den jeweiligen Macht- und Entscheidungsebenen in Europa erfordert, die sich wiederum auf die Interaktion zwischen den staatlichen Instanzen und der Zivilgesellschaft stützen; 93. hält es deshalb für wichtig, dass auf Gemeinschaftsebene Initiativen ergriffen werden, um: a) ethische Grundprinzipien im Bereich der Humangenetik in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Ethikgruppe zu entwickeln, unter Berücksichtigung der Arbeiten des Europarates bezüglich des Euroforums über die Humangenetik und zur Vorbereitung des Protokolls über die Humangenetik; b) die öffentliche Debatte sowie die Konsultation der Öffentlichkeit zu stärken, unter Beteiligung von Patienten und Menschen mit Behinderungen und ihrer Familien, der Industrie, der Investoren, der Ethikexperten und der breiten Öffentlichkeit; RR\453921DE.doc 31/127 PE 300.127 DE c) eine bessere Strukturierung der Kontakte zwischen den auf nationaler und europäischer Ebene bestehenden Ethikausschüssen zu gewährleisten; d) die Annäherung der legislativen Arbeit des Europarates und der Union zu fördern; e) einen Appell an die Staats- und Regierungschefs zu richten, damit der Weg für die Ausarbeitung eines internationalen Übereinkommens über Humangenetik freigemacht wird; f) auf eine Verpflichtung der Forschungszentren und Unternehmen zur Transparenz hinzuwirken in dem Sinne, dass das Betriebsgeheimnis vereinbart wird mit einer Unterrichtung bestimmter Stellen über die laufenden Forschungsarbeiten; 94. hält es für unverzichtbar, dass der Europäischen Gruppe für Ethik ein echter interinstitutioneller Status eingeräumt wird, der es ihr ermöglicht, ihre Rolle als beratender europäischer Ausschuss für Ethik in vollem Umfang als Schnittstelle zwischen den verschiedenen gemeinschaftlichen Instanzen zu spielen und außerdem in der Lage zu sein, einen Dialog und ein ständiges Netz aufrecht zu erhalten, wodurch ständig Informationen mit den nationalen ethischen Gremien der EU und von Drittländern sowie mit den ethischen Instanzen, die innerhalb der internationalen Regierungsorganisationen (z.B. das Internationale Bioethik-Komitee der UNESCO oder der Bioethikausschuss des Europarats) eingerichtet worden sind, ausgetauscht werden können; 95. ist der Auffassung, dass es mit einem solchen Forum möglich wäre, den Informationsaustausch und eine öffentliche Debatte zu gewährleisten; mit einer integrierten Arbeitsmethode, die alle Beteiligten (Wissenschaftler, Industrie, Nichtregierungsorganisationen) einbezieht, gemeinsam mit der Europäischen Ethikgruppe und der Hochrangigen Gruppe „Life sciences“ sowie der Gruppe der Datenschutzbeauftragten und im ständigen Kontakt mit den nationalen Parlamenten der Union könnte das Forum, das sich aus Mitgliedern des Europäischen Parlaments sowie Vertretern der Kommission und des Rates zusammensetzt, zweimal jährlich zusammentreffen, um die Auswirkungen der Investitionen in die Forschung zu bewerten und mit Ad-hoc-Beiträgen, die von den zuständigen Entscheidungsgremien der jeweiligen Institutionen in Erwägung gezogen werden können, zu etwaigen Problemen ethischer, rechtlicher, wirtschaftlicher und sozialer Natur Stellung zu nehmen; hinsichtlich der Arbeitsweise dieses Forums muss sichergestellt werden, dass es eine fundierte wissenschaftliche Zuarbeit erhält und den höchsten Standards der Transparenz und der parlamentarischen Kontrolle genügt; 96. fordert die Vertreter der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union auf, einen internationalen Dialog mit dem Ziel des Schutzes der Menschenwürde angesichts der Entwicklung in der modernen Biomedizin einzuleiten und dabei auch zu versuchen, auf Länder wie z. B. China einzuwirken, die eugenische Praktiken dulden; 97. hält es für erforderlich, dass sich das Europäische Parlament weiterhin in der Form, die es für angemessen erachtet, mit Fragen der Humangenetik beschäftigt; 98. beauftragt seine Präsidentin, diese Entschließung dem Rat und der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten und der Beitrittsländer sowie dem Europarat zu übermitteln. PE 300.127 DE 32/127 RR\453921DE.doc BEGRÜNDUNG Vorwort Dieses Dokument fasst die Arbeit des am 13. Dezember 2000 eingesetzten nichtständigen Ausschusses für Humangenetik zusammen. Der Berichterstatter hielt es für angebracht, die Fragestellungen hervorzuheben, die während der Sitzungen in Anwesenheit der Sachverständigen aufgegriffen wurden, vor allem die Schlüsselfrage über die Rolle und die Intervention der Europäischen Union in diesem Bereich. Kann sie Regeln und Grenzen einer „wissenschaftlichen Revolution“ festlegen, die mit den zahlreichen Revolutionen vergleichbar ist, welche die Geschichte des Menschen geprägt haben? Dieses Arbeitsdokument stellt den Versuch dar, eine Antwort auf diese Frage zu geben und Reflexionswege zu eröffnen, um eine endgültige Entschließung erarbeiten zu können. Die Diskussion konzentrierte sich auf Fragen ethischer, sozialer, rechtlicher und wirtschaftlicher Art, die durch die Humangenetik aufgeworfen werden. Der Versuch, sich mit diesen Problemkreisen auseinanderzusetzen, führt uns zum Nachdenken über das „ob“ und das „wie“ Europa und vor allem die Union eine Antwort geben kann. Die Gegenüberstellung aller Positionen, die im Ausschuss zum Ausdruck gekommen sind, hat einen entscheidenden Aspekt deutlich werden lassen: Die Notwendigkeit, einen Ausgleich zwischen der Freiheit der Forschung und dem Grundsatz der Menschenwürde zu finden, die international einhellig anerkannt und kürzlich in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bekräftigt wurden. I. Einleitung In den nächsten Jahren wird den Biotechnologien und vor allem der Gentechnik eine Schlüsselfunktion zukommen, da Letztere einen entscheidenden Beitrag zum menschlichen Wohlbefinden und zur menschlichen Gesundheit zu leisten vermag. Die enormen Fortschritte bei der Erforschung von Verfahren zur Behandlung zahlreicher Krankheiten lassen sich nur unter der Voraussetzung realisieren, dass dem öffentlichen Interesse im Hinblick auf Sicherheit, Ethik und soziale Gerechtigkeit Rechnung getragen wird. Die Frage der Forschungsstrategien und der Anwendung dieser neuen Technologien ist daher von grundlegender Bedeutung. Der „Europäische Forschungsraum“ ist zum Bezugsrahmen für Fragen der Forschungspolitik in Europa geworden. Dieser von der Kommission im Januar 2000 vorgeschlagene Forschungsraum wurde von den Staats- und Regierungschefs beim Europäischen Rat in Lissabon, in Nizza und kürzlich am 26. März 2001 in Stockholm beschlossen. „...die Fähigkeit der Unternehmen in der EU, die Technologien zu nutzen, wird von Faktoren abhängig wie Forschung, Unternehmergeist, einem Regelungsrahmen, der Innovation und die Risikobereitschaft fördert, einschließlich des gemeinschaftsweiten Schutzes des gewerblichen Eigentums zu weltweit wettbewerbsfähigen Kosten, und davon, dass es investitionsbereite Unternehmen gibt. Im Hinblick darauf RR\453921DE.doc 33/127 PE 300.127 DE gibt der Europäische Rat seiner Sorge über die mangelnden Fortschritte beim Gemeinschaftspatent Ausdruck und fordert den Rat und die Kommission nachdrücklich auf, ihre Arbeit entsprechend den Schlussfolgerungen von Lissabon und Feira unter voller Beachtung des geltenden Rechts zu beschleunigen; wird die Kommission in Zusammenarbeit mit dem Rat die erforderlichen Maßnahmen zur Nutzung des vollen Potenzials der Biotechnologie und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Biotechnologiesektors prüfen, damit dieser Sektor es mit den führenden Konkurrenten aufnehmen kann und zugleich gewährleistet ist, dass diese Entwicklungen in einer für die Verbraucher und die Umwelt verträglichen und sicheren Weise erfolgen und mit den gemeinsamen Grundwerten und ethischen Prinzipien in Einklang stehen“. Im Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über das sechste Forschungsrahmenprogramm (2002-2006), der die Verwirklichung des Europäischen Forschungsraumes vorsieht, heißt es: „Die große Herausforderung, die sich der Wissenschaft im anbrechenden 21. Jahrhundert stellt, liegt darin, die bei der Aufschlüsselung des menschlichen Genoms und der Genome anderer Organismen erzielten Fortschritte in konkrete Ergebnisse umzusetzen: Der Einstieg in die Ära der „Postgenomik“ mit den erhofften Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen sowie auf die Wettbewerbsfähigkeit der Biotechnologiebranche steht an“. Der Auftrag des nichtständigen Ausschusses Am 13. Dezember 2000 hat das EP die Einsetzung eines nichtständigen Ausschusses für Humangenetik und die anderen neuen Technologien in der modernen Medizin für die Dauer eines Jahres beschlossen16. Dieser Ausschuss hat folgenden Auftrag17: - - Aufstellung eines möglichst vollständigen Bestandsverzeichnisses der neuen Entwicklungen und Potenziale der Humangenetik und ihrer Nutzung, um dem Parlament eine eingehende Analyse dieser Entwicklungen zu liefern, die es ihm ermöglicht, seiner politischen Verantwortung gerecht zu werden; Prüfung der ethischen, juristischen, wirtschaftlichen und sozialen Fragen im Zusammenhang mit diesen neuen Entwicklungen und Potenzialen sowie mit ihrer Nutzung; Feststellung, inwieweit das öffentliche Interesse eine entschlossene Aktion angesichts dieser Entwicklungen und Nutzungen erfordert, und Formulierung diesbezüglicher Empfehlungen; Ausarbeitung von Leitlinien für das Parlament und die anderen Gemeinschaftsinstitutionen zur Forschung im Bereich der Humangenetik und der anderen neuen Technologien in der modernen Medizin sowie deren Nutzung; 16 Zur Chronologie über die Humangenetik und die von den europäischen Institutionen hierzu eingenommenen Positionen, siehe Anlagen IV und V 17 Entschließung B5-0898/2000 (Beschluss des Europäischen Parlaments über die Einsetzung eines nichtständigen Ausschusses für Humangenetík und die anderen neuen Technologien in der modernen Medizin) PE 300.127 DE 34/127 RR\453921DE.doc II. Die Humangenetik: Eine wissenschaftliche und technologische Herausforderung, die einer echten Revolution gleichkommt Seit die Menschen Ackerbau und Viehzucht betreiben war offensichtlich, dass jeder Samen oder jedes befruchtete Ei einen „verborgenen Plan oder Entwurf“ für die Entwicklung des Organismus enthalten musste. Was ist das für ein Plan, wie sieht er aus und welche Art von Vorgaben oder Informationen enthält er? Oder anders ausgedrückt, auf welche Weise wird die gesamte für die Entwicklung der Nachkommen notwendige Information von den Eltern übertragen; warum gleichen die Kinder ihren Eltern, und wie können verschiedene Krankheiten die Mitglieder einer Familie treffen? Etwa seit 1860 hatte ein Mönch namens Gregor Mendel Experimente mit den Merkmalen von Erbsenpflanzen durch Kreuzung von Pflanzen mit verschiedenen Merkmalen vorgenommen. Er hatte die Merkmale der Erbsenpflanzen, die durch gekreuzte Befruchtung entstanden waren, aufmerksam beobachtet und dabei entdeckt, dass die Nachkommen Merkmale der Elternpflanzen nach bestimmten Mustern geerbt hatten. Mendel nahm an, dass unbekannte „Erbeinheiten“ für die von ihm beobachteten Merkmale verantwortlich waren, und eine eingehendere Untersuchung des Vererbungsschemas der Merkmale führten ihn zu der These, dass jedes Merkmal aus zwei Erbeinheiten resultierte und dass jede dieser beiden Einheiten von einer der Elternpflanze stammte. Heute werden diese Erbeinheiten Gene genannt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatten die Biologen erkannt, dass Träger der vererbten Information die Chromosomen waren, die im Kern sichtbar werden, wenn die Zelle sich zu teilen beginnt, aber der Beweis, dass die Desoxyribonukleinsäure (DNA) in diesen Chromosomen die Substanz ist, aus der die Gene bestehen, wurde erst später, gegen Mitte des 20. Jahrhunderts erbracht. II.1. DNA – Gene - Chromosomen Die DNA ist die Hauptsubstanz, aus der die Chromosomen und somit die Gene bestehen. Sie setzt sich aus nur vier Untereinheiten zusammen, den chemischen Substanzen, (Desoxyribokleotiden), welche die Basen Adenin (A), Cytosin (C), Guanin (G) und Thymin (T) enthalten. Diese Untereinheiten, auch Nukleotiden genannt, sind miteinander verbunden und bilden einen sehr langen linearen Strang. Ein typisches DNA-Molekül besteht aus zwei langen Ketten, die durch Verbindungen (komplementäre Basenpaare) der Basen A und T und der Basen C und G zusammengehalten werden. Die Struktur des DNA-Moleküls, die einer Strickleiter ähnelt, heißt „Doppelhelix“. RR\453921DE.doc 35/127 PE 300.127 DE Cytosin-Base Thymin-Base Guanin-Base Adenin-Base Komplementäres Basenpaar Schaubild 1: DNA: Die Base A koppelt sich an die Base T, die Base C koppelt sich an die Base G, wodurch eine strickleiterartige Struktur entsteht, die Doppelhelix. Diese Struktur zeigt, wie sich die Informationsübertragung von der Mutterzelle zur Tochterzelle vollzieht: Da jeder Kettenstrang eine Nukleotidensequenz enthält, die genau komplementär zur Nukleotidensequenz des Partnerstranges ist, übertragen beide Stränge die gleiche genetische Information. Wenn wir beide Stränge A und A‘ nennen, kann A als Prägemuster für die Bildung eines neuen Stranges A‘ und Strang A‘ gleichermaßen für die Bildung eines neuen A dienen. Quelle: „Alberts, Bruce et al: Molecular Biology of the cell, 3 rd edition, 1994 Die gesamte in der DNA enthaltene Information ergibt sich aus der Reihenfolge, in der diese Basen entlang des DNA-Moleküls angeordnet sind. Genauso wie beim englischen Alphabet, das aus 26 Buchstaben besteht, kann jedes Nukleotid – A,C,G oder T – als Buchstabe eines 4 Buchstaben umfassenden Alphabets betrachtet werden, das zur Transkription biologischer Botschaften verwendet wird. Diese vier Buchstaben reichen aus, um eine enorme biologische Vielfalt zu erzeugen, da eine typische tierische Zelle aus etwa 3 Milliarden Nukleotiden besteht, was einem Meter DNA entspricht. Wenn eine Zelle vor der Teilung steht, wird die DNA unter dem Mikroskop in Form von Chromosomen sichtbar, in denen die DNA-Moleküle geordnet sind. Die Chromosomen bestehen daher aus DNA. Die Gene sind auf den Chromosomen angeordnete DNA-Abschnitte und tragen die Informationen in sich, die der Organismus braucht, um funktionieren zu können. Wenn man die Beziehung zwischen DNA, Genen und Chromosomen zum besseren Verständnis erläutern möchte, könnte man folgenden Vergleich anstellen: Die Chromosomen können mit einer Audiokassette verglichen werden, die DNA mit dem Band innerhalb der Kassette und die Gene mit dem Lied auf dem Band18. Organismus (Mensch) Ein menschlicher Körper besteht aus Trillionen von Zellen Jeder Zellkern enthält einen identischen Chromosomensatz Ein spezifisches Jedes Chromosom ist Die DNA ist Chromosomen- ein langes DNA-Molekül eine paar und die Gene sind Doppelhelix funktionale Abschnitte dieser DNA Schaubild 2: Illustration der Beziehung zwischen DNA, Genen, Chromosomen, Zellen und Organismen Quelle: "Griffiths, Anthony J.F et al.An introduction to genetic analysis, 6th edition, 1996 18 "Human genetics: Choice and responsibility" – British Medical Association -1998 PE 300.127 DE 36/127 RR\453921DE.doc II.2. Chromosomen Das gesamte genetische Material, das im Chromosomensatz enthalten ist, heißt Genom. Die meisten menschlichen Zellen haben zwei Sätze von 23 Chromosomen, von denen einer von der biologischen Mutter und der andere vom biologischen Vater vererbt wird, was insgesamt einer Zahl von 46 Chromosomen entspricht. Die Keimzellen (die Zellen, aus denen die Eizellen und die Spermatozoen gebildet sind) tragen jedoch nur einen Chromosomensatz (insgesamt 23 Chromosomen), der aus einer Mischung von Genen besteht, die von der Mutter und vom Vater stammen. Die Art, wie das genetische Material sich in jeder Keimzelle kombiniert, ist also einzigartig. Bei der Befruchtung, wenn die Ei- und die Samenzelle sich vereinigen, werden die beiden homogenen Gensätze neu zusammengestellt, ein Prozess, zu dem beide Eltern mehr oder weniger zufällig beitragen. 22 Chromosomenpaare (insgesamt 44 Chromosomen) sind bei Männern und Frauen gleich, diese Chromosomen heißen Autosomen. Die beiden übrigen Chromosomen jedoch bestimmen das Geschlecht der Nachkommen und heißen daher Geschlechtschromosomen. Frauen haben zwei „X“ Chromosomen, während Männer ein „X-Chromosom“ und ein „Y-Chromosom“ haben, wobei jeder der beiden Partner eines dieser Chromosomen an das Kind weitergibt. Alle Eizellen haben ein X-Chromosom (eines der beiden X-Chromosomen der Mutter), folglich überträgt die Mutter stets ein X-Chromosom an ihre Kinder. Die Samenzelle kann jedoch ein XChromosom oder ein Y-Chromosom enthalten. Wenn also die Eizelle durch eine Samenzelle befruchtet wird, die ein X-Chromosom enthält, entsteht ein Mädchen (XX), wenn sie aber durch eine Samenzelle mit einem Y-Chromosom befruchtet wird, entsteht ein Junge (XY). Schaubild 3: Eine vollständige Chromosomenreihe eines Mannes, sichtbar gemacht durch Einfärbung unter dem Mikroskop Quelle: "Griffiths, Anthony J.F et al.An introduction to genetic analysis, 6th edition, 1996 II.3. Erbkrankheiten Zur Übertragung der gesamten Erbinformation an die nachfolgende Generation muss eine Zelle vor der Teilung den gesamten Chromosomensatz verdoppeln. Der Mechanismus, nach dem sich RR\453921DE.doc 37/127 PE 300.127 DE dieser Prozess vollzieht, ist nicht perfekt und es kann daher manchmal zu Fehlern kommen. Die Fehler heißen Mutationen. Mutationen können einzelne Gene, aber auch ganze Chromosomen betreffen. - - Ein Beispiel für eine Genmutation ist die durch einen Fehler bei der Replikation bedingte Vertauschung eines einzelnen Nukleotids in der DNA-Sequenz. Anstelle von ...ATGGACG... könnte die Tochterzelle zum Beispiel eine leicht veränderte Version ...ATGTACG... erben, was durch einen Fehler beim Kopieren verursacht wird. Obwohl die Sequenz scheinbar normal ist, kann dieses Phänomen zu schweren Fehlern führen: Patienten, die an zystischer Fibrose leiden, haben im entsprechenden Gen für die zystische Fibrose ähnliche einfach vertauschte Nukleotiden. Ein Beispiel für eine auf einen Fehler bei der Zellteilung zurückzuführende Chromosomenmutation ist die Trisomie 21, die auch als Down-Syndrom bekannt ist. Chromosomenmutationen bestehen im allgemeinen aus neu zusammengesetzten Chromosomenabschnitten, aus einer anomalen Zahl einzelner Chromosomen oder aus einer anomalen Zahl von Chromosomensätzen. Heute ist bekannt, dass viele Chromosomenanomalien zu einem Absterben vor der Geburt führen, das bedeutet, dass viele Chromosomenmutationen zu einem Ende der Schwangerschaft führen und dass nur wenige Embryonen mit Anomalien überleben können. Alle Menschen sind jedoch Träger potenziell schädlicher mutierter Gene. Ob eine Genmutation zu einer Krankheit führt, hängt von verschiedenen Faktoren ab: - der Übertragungsart der Krankheit; der Krankheitsursache: - einem Defekt an einem einzelnen Gen (einer durch Fehler an einem einzigen Gen verursachten Krankheit) einer polygenen Dysfunktion: Für den Ausbruch der Krankheit muss mehr als ein Gen schadhaft sein; einer multifaktoralen Dysfunktion: Der Gendefekt erhöht das Risiko, dass ein Individuum die Krankheit entwickelt, aber die tatsächliche Entwicklung der Krankheit hängt von externen Faktoren wie der Ernährung, Bewegung, Rauchen, schädliche Substanzen in der Umwelt usw. ab. Übertragungsart Jedes Individuum erbt zwei Chromosomenreihen und somit zwei Gensätze. Daher kann ein Individuum durch jedes besondere Gen zwei normale Kopien, eine normale und eine schadhafte, oder zwei schadhafte Kopien erben. Individuen mit zwei normalen Kopien eines besonderen Gens erkranken nicht an der dieser Mutation des Gens zugeordneten Krankheit. Individuen mit zwei schadhaften Kopien werden erkranken. Bei Individuen mit einer normalen und einer schadhaften Kopie hängt die Entwicklung der Krankheit jedoch von der Übertragungsart dieser besonderen Fehlfunktion ab. Bei Krankheiten, die durch einen Defekt an einem einzelnen Gen verursacht werden (durch Defekte an einem Einzelgen verursachte Krankheiten), gibt es drei verbreitete Erbschemata: dominant, rezessiv und mit dem X-Chromosom verbunden. PE 300.127 DE 38/127 RR\453921DE.doc Dominante autosome Krankheiten Ein Beispiel für eine dominante Krankheit ist das Morbus Huntington. Individuen, die nur eine Kopie eines schadhaften Gens erben, erkranken. Diese Menschen haben eine gesunde und eine schadhafte Kopie des Gens. Folglich enthält die eine Hälfte ihrer Keimzellen die gesunde Kopie des Gens, während die andere die schadhafte Kopie enthält. Wenn eine Eizelle, die Träger der schadhaften Kopie ist, befruchtet wird, erkranken die Nachkommen, unabhängig davon, wie die genetische Zusammensetzung der Samenzelle ist. Außerdem erkranken die Nachkommen, wenn eine Samenzelle, die Träger des schadhaften Gens ist, eine „gesunde“ Eizelle befruchtet. Nur die Nachkommen, die aus der Befruchtung einer „gesunden“ Eizelle mit einer „gesunden“ Samenzelle hervorgehen, erkranken nicht. Bei Trägern des schadhaften Gens liegt das Risiko, ein krankes Kind zu bekommen, bei 50 % (Schaubild 4). Vater (krank) Mutter zwei Arten von Samenzellen Eizellen nicht krank krank Kinder Schaubild 4: Dominante autosome Vererbung Quelle: "British Medical Association – Human genetics: Choice and responsibility" , 1998 Rezessive autosome Krankheiten Ein Beispiel für eine rezessive Krankheit ist die zystische Fibrose. Um krank zu werden, muss das Kind zwei schadhafte Kopien des Gens erben, da ein normales Gen den Defekt der anderen Kopie ausgleicht. Menschen mit einem schadhaften und einem gesunden Gen werden „Träger“ genannt und erkranken für gewöhnlich nicht. Wenn die Träger Kinder mit einem anderen Träger haben, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind zwei schadhafte Kopien erbt und somit erkrankt, bei 25 %. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder selbst Träger werden, liegt jedoch bei 50 %, während die Wahrscheinlichkeit, dass sie zwei gesunde Kopien erben und somit nicht erkranken und nicht Träger sind, bei 25 % liegt (Schaubild 5). RR\453921DE.doc 39/127 PE 300.127 DE Vater (gesunder Träger) (portatore sano) Mutter (gesunder Träger) zwei Arten von Samenzellen zwei Arten von Eizellen nicht krank gesunde Träger krank Kinder Schaubild 5: Rezessive autosome Vererbung Quelle: "British Medical Association – Human genetics: Choice and responsibility", 1998 Mit dem X-Chromosom verbundene Krankheiten Ein Beispiel für diesen Krankheitstyp ist die Duchennesche Muskeldystrophie. Bei den mit dem X-Chromosom verbundenen Krankheiten erfolgt die Mutation bei Genen, die auf dem XChromosom liegen. Der größte Teil dieser Krankheiten bei Frauen ist rezessiv und die gesunde Kopie gleicht den Defekt daher aus. Somit treffen diese Krankheiten generell nur männliche Nachkommen, da sie nur ein von der Mutter vererbtes X-Chromosom haben. Weibliche Nachkommen, die eine Kopie des defekten Gens erben, werden Trägerinnen und erkrankten in der Regel nicht, weil ein zweites X-Chromosom mit einem normalen Gen vorhanden ist. (Schaubild 6) PE 300.127 DE 40/127 RR\453921DE.doc X Y X X Mutter (gesunder Träger) Vater Zwei Arten von Samenzellen Zwei Arten von Eizellen Gesunde Kinder Mädchen gesunde Trägerin Junge krank Schaubild 6: Vererbung in Verbindung mit dem X-Chromosom Quelle: "British Medical Association – Human genetics: Choice and responsibility", 1998 II.4. Die Funktion der Gene Die Gene sind für die im Leben eines Organismus ablaufenden Zellfunktionen verantwortlich. Die Gene führen jedoch im Organismus nicht aktiv Aktionen durch, sondern liefern die Information für die Erzeugung der Proteine. In einer Zelle erfüllen die Proteine fast alle für das Funktionieren der Zelle notwendigen Aufgaben. Neben anderen Funktionen können die Proteine Materialien transportieren, die Struktur versorgen, mit anderen Zellen kommunizieren und chemische Reaktionen erleichtern. Die Untereinheiten der Proteine sind die Aminosäuren, die untereinander nach einer bestimmten Ordnung verbunden sind und so lange Aminosäureketten - ein Protein - bilden. So wie verschiedene Organismen verschiedene DNA-Sequenzen haben, so haben auch verschiedene Proteine innerhalb eines einzelnen Organismus eine unterschiedliche Anordnung der Aminosäuren (auch Aminosäurensequenz genannt). Wie bereits erläutert sind die Gene Chromosomenabschnitte, die Proteine kodieren. Wichtig ist jedoch der Hinweis, dass die kodierenden Abschnitte innerhalb eines Gens (Exons) durch nichtkodierende Abschnitte (Introns) unterbrochen sind, die keine Informationen für die Produktion von Proteinen liefern. Dies bedeutet, dass nicht die gesamte DNA als Proteincode dient, es scheint in der Tat, als sei ein großer Teil unserer DNA überflüssig und habe nach unserer derzeitigen Kenntnis keine erkennbare Funktion. Die Übertragung der Information von der DNA (von einem Gen) auf ein Protein ist ein RR\453921DE.doc 41/127 PE 300.127 DE ausgefeilter Prozess, der aus verschiedenen Phasen besteht: Während der ersten Phase werden die Gene in die als Ribonukleinsäure (RNA) bekannten Polynukleotiden übertragen. Die RNA ist der DNA sehr ähnlich; der wichtigste Unterschied besteht darin, dass die Base Thymin (T) in der RNA durch die Base Uracil (U) ersetzt ist. Die RNA behält jedoch die gesamte Information der DNA-Sequenz, von der sie kopiert wurde. Dieser Prozess wird DNA-Transkription genannt. Auf jeden Fall werden sowohl die Exons (kodierende Abschnitte) als auch die Introns (nichtkodierende Abschnitte) während dieses Prozesses kopiert. In der zweiten Phase werden die Introns daher durch ein „Spleißen der RNA“ (Trennen und wieder Zusammenfügen der RNA) aus der RNA entfernt, wodurch ein kürzeres (mRNA genanntes) RNA-Molekül entsteht, das nur die kodierenden Abschnitte des Gens enthält. Dieses mRNA-Molekül wird schließlich durch einen besonderen Mechanismus in ein Protein umgewandelt. Die Transformation erfolgt auf folgende Weise: Eine durch drei Nukleotiden definierte Sequenz (z. B. „AUG”) kodiert für eine bestimmte Aminosäure (z. B. AA1); eine andere Sequenz aus drei Nukleotiden (z. B. „CAG“) kodiert für eine andere spezifische Aminosäure (z. B. AA2). Während des Lesens entlang der RNA-Sequenz weiß das System genau, welche Aminosäuren zu den vorausgegangenen hinzugefügt werden müssen, um eine Aminosäurenkette, ein Protein, zu bilden. Die lineare Sequenz der Nukleotiden in einem Gen bestimmt daher die lineare Sequenz der Aminosäuren in einem Protein. Dem Human-Genom-Projekt ist es zu verdanken, dass die Sequenz des gesamten menschlichen Genoms inzwischen verfügbar ist. Überraschenderweise ist die Zahl der menschlichen Gene sehr viel kleiner als erwartet. Das menschliche Genom enthält nämlich nur 30.000 Gene und nicht 100.000, wie in der Vergangenheit angenommen; das bedeutet, dass wir nur zwei- oder dreimal so viele Gene haben wie eine Fruchtfliege. II.5. Konsequenzen des Human-Genom-Projekts Das Human-Genom-Projekt, die Sequenzierung unserer gesamten DNA und die lineare Anordnung der Gene auf den Chromosomen, wird große Auswirkungen auf die biomedizinische Forschung und den Gesamtkomplex der Therapie und Gesundheitsvorsorge haben. Im Bereich der Biomedizin taucht eine Vielzahl neuer Begriffe auf, die vom Genscreening über Keimbahntherapien bis hin zu gezielten molekularen Pharmazeutika reicht, verbunden mit dem Versprechen radikaler Fortschritte bei Gesundheit, Prävention, Diagnose und Therapien. Im letzten Jahrzehnt haben die Wissensfortschritte in der Humangenetik und die Entwicklungen der Diagnosetechniken unter Einsatz der Molekularbiologie die Grundlagen für eine neue prädiktive Medizin geschaffen. Die Erkennung der molekularen Ursachen von Erbkrankheiten bedeutet in der Tat eine Erweiterung der Diagnose- und Präventionsmöglichkeiten durch eine präzisere, personenspezifischere und wirksamere Behandlung von Krankheiten als derzeit möglich ist. Auch die absehbaren wirtschaftlichen Vorteile sind enorm. Die Vorteile für den Menschen im Hinblick auf seine Gesundheit und die wirtschaftlichen Vorteile im Hinblick auf das Wachstums-, Wohlstands- und Beschäftigungspotenzial können aber nur dann optimal genutzt werden, wenn in Europa angemessene Rahmenbedingungen geschaffen werden. Es handelt sich um ein Phänomen, das sich mit rasender Geschwindigkeit vor unseren Augen entwickelt, das unsere Fähigkeit, die Ausmaße und möglichen Konsequenzen vollständig zu verstehen, herausfordert und mit Sicherheit eine ganze Reihe von Problemen aufwirft. Einige dieser Probleme sind alt, weisen aber neue Dimensionen auf, andere aber sind neuartig und sehr komplex. Wir stehen hier noch am Anfang eines Denkprozesses. Auf der einen Seite hegt man PE 300.127 DE 42/127 RR\453921DE.doc große Hoffnungen und Erwartungen und auf der anderen Seite wächst tiefe Besorgnis. Es ist noch nicht klar, inwieweit (und wann) die biomedizinische Forschung auch zu Behandlungsmöglichkeiten führen kann, die sich statistisch relevanter Form auf die Gesundheit der Menschen auswirken.19 Die Meinungen hierzu sind geteilt. Am verbreitetsten ist die Ansicht, dass die klinischen Auswirkungen der Entwicklungen im Bereich der fortgeschrittensten biomedizinischen Forschung so groß sein werden, dass sie zu einer regelrechten Revolution der medizinischen Praxis führen. Einige Wissenschaftler sind aber vorsichtiger und betonen, dass die in die klinische Praxis übertragenen Ergebnisse zumindest auf therapeutischer Ebene bisher eher Hoffnung als Realität sind und dass das Ausmaß dieser Revolution jedenfalls nicht mit übertriebenen Erwartungen verbunden werden darf, weil ihre Auswirkungen auf die Diagnose und Behandlung der am stärksten verbreiteten Krankheiten nicht groß sein werden; denn der Zusammenhang zwischen Genotypus und Phänotypus sei hier sehr gering und ein massiver Einsatz der Genetik bringe keine Vorteile20. Nur die weitere Entwicklung der Forschung wird zeigen, wer Recht behält. Bis dahin müssen wir uns fragen, welche Probleme wir aufgreifen und lösen müssen, um das, was die wissenschaftliche Forschung uns anbietet, so gut wie möglich, das heißt zum Vorteil der menschlichen Gesundheit, zu nutzen. Die aktuelle Debatte bietet ein breites Spektrum an Problemen, die an dieser Stelle natürlich nicht in allen Einzelheiten dargelegt werden können. Aber die Frage nach den öffentlichen Regeln, die am besten zur Steuerung dieses Bereichs der biomedizinischen Forschung geeignet sind, ist gewiss eine der Fragen, mit denen dieser Aussschuss sich auseinandersetzt. Die Wissenschaft einerseits und die Öffentlichkeit andererseits verlangen nach Klarheit und korrekter Information in diesem Bereich. In diesem Geiste arbeiten die bei der Europäischen Kommission eingerichtete Hochrangige Gruppe für Biowissenschaften und die Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien. Der Nichtständige Ausschuss für Humangenetik des Europäischen Parlaments will zu dieser Debatte beitragen. III. Eine Arbeitsmethode zur Unterstützung eines „integrierten Ansatzes“ für eine neue Beziehung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft Mit dem technologischen und wissenschaftlichen Fortschritt im Bereich der Humangenetik werden die wirtschaftlichen, finanziellen und kommerziellen Interessen immer größer, und die Werte und grundlegenden Prinzipien der Zivilgesellschaft werden in Frage gestellt. Eine solche Entwicklung zwingt Wissenschaftler, Politiker, Entscheidungsträger im wirtschaftlichen und industriellen Bereich sowie Bürger dazu, neue Lösungen für neue Probleme zu finden. Es zeigt sich daher die Notwendigkeit einen neuen Verhältnisses zwischen Wissenschaft, Technologie und Gesellschaft. Vor allem die Humangenetik wirft nicht wenige Interessenkonflikte auf, und der nichtständige Ausschuss hielt es daher für richtig, eine Art „integrierten Ansatz“ zu wählen, um die Fachleute der verschiedenen Fachrichtungen anzuhören, die alle die gleichen Fragen jeweils aus ihrem siehe Beitrag Prof. Demetrio Neri – Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 26. April 2001 Vgl. z. B.: N.A. Holtzman, T.M. Marteau, "Will Genetics revolutionize Medicine?", The New England Journal of Medicine, vol. 343, n. 2, 2000, pp. 141-144. 19 20 RR\453921DE.doc 43/127 PE 300.127 DE Blickwinkel aufgreifen. Die Arbeitsmethode stützte sich daher auf folgende Instrumente: - Anhörungen von Sachverständigen Kontakt zur Öffentlichkeit über die Internet-Homepage des nichtständigen Ausschusses21 Treffen mit Vertretern der Parlamente der EU-Mitgliedstaaten und der Beitrittsländer Diskussion mit Vertretern der Zivilgesellschaft Abgesehen von den ersten beiden Sitzungen, bei denen zwei Vertreter der Europäischen Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Hochrangigen Gruppe für Biowissenschaften22 sowie drei Vertreter von Patientenverbänden zu Wort kamen, hat dieser Ausschuss eine Reihe von Sachverständigen aus den Bereichen Medizin, Recht und Ethik zum spezifischen Thema der Sitzung angehört. Es ging darum, das notwendige Material zusammenzutragen, um zu einer ausgewogenen Sicht der Dinge zu gelangen. Die Sachverständigen wurden anhand ihres Fachgebietes und vor allem unter ausgewogener Berücksichtigung der von ihnen vertretenen Standpunkte in dieser Frage ausgewählt.23 Begegnungen mit Vertretern der zuständigen Ausschüsse der Parlamente der EU-Mitgliedstaaten und der Beitrittsländer24 sowie mit Vertretern der Zivilgesellschaft dienten nur der Ergänzung und folglich der Abrundung des Überblicks über eine Materie, die wegen ihres fachübergreifenden Charakters verschiedene Teile unserer Gesellschaft betrifft. Die Verantwortung, sich mit den Fragen der Humangenetik auseinanderzusetzen, liegt daher bei der Zivilgesellschaft, den staatlichen Behörden der Mitgliedstaaten und in einigen Fällen bei der Europäischen Union. Im letzten Fall besteht der Versuch, einen positiven Beitrag zur laufenden Debatte zu leisten, darin, sich über die unterschiedlichen kulturellen, nationalen und religiösen Sensibilitäten klar zu werden. Der „integrierte“ Arbeitsansatz soll daher einen „interaktiven Dialog“ mit den Endnutzern und den gesellschaftlichen Akteuren – Patienten, Ethikern, Institutionen und der breiten Öffentlichkeit – fördern, um zu sozial verantwortungsvollen Entscheidungen und deren Akzeptanz durch die Öffentlichkeit zu gelangen. Der Denkprozess muss also horizontal auf all die Bereiche ausgedehnt werden, in denen es erhebliche Auswirkungen gibt. Auch in den Dienststellen der Europäischen Kommission ist wegen der Interdependenz der verschiedenen Bereiche, auf die sich die Humangenetik auswirkt, ein übergreifender Ansatz von grundlegender Bedeutung. Notwendig wäre eine Beteiligung der Generaldirektion (GD) Forschung, der GD Binnenmarkt, der GD Gesundheit und Verbraucherschutz sowie der GD Beschäftigung und Soziales. Theoretisch könnte auch die GD Handel hinzugezogen werden, da viele der Fragen, die wir uns in Europa stellen, im Rahmen der Welthandelsorganisation zu behandeln sind, insbesondere die wichtige Frage des geistigen Eigentums, aber auch die Frage der Sicherheit und die Frage der Weitergabe von Forschungsmaterialien, bei denen es zunehmend um Produkte oder Teile des menschlichen Körpers geht (auch wenn es sich nur um Stammzellen handelt). 25Auch die GD Informationsgesellschaft müsste aus dem einfachen Grund involviert werden, weil die Biotechnologien und die Genetik die Informationstechnik und die Robotik als unverzichtbare Werkzeuge bei der Sequenzierung des Genoms nutzen. Zu guter Letzt auch die zuständigen Dienststellen für die Menschenrechte, da in der Charta der Grundrechte sehr präzise 21 Internet-Adresse: http://www.europarl/default.htm Siehe Beiträge bei der Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 30. Januar und 13. Februar 2001 23 Siehe im Anhang beigefügtes Arbeitsprogramm 24 Ein wichtiger Aspekt des Vorschlags für einen Beschluss über das VI Rahmenprogramm ist die volle Beteiligung der Beitrittstaaten an sämtlichen Aktivitäten als assoziierte Länder bei seiner Durchführung – Art. 6 25 Siehe Beitrag von Frau Lenoir in der Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 30. Januar 2001 22 PE 300.127 DE 44/127 RR\453921DE.doc Bestimmungen zu diesem Thema enthalten sind. Das ethische Grundproblem der Überlegungen zur Humangenetik ist folgendes: Wie lassen sich die Interessenkonflikte lösen? Wie lässt sich erreichen, dass die menschliche Gesundheit, und somit die Verbesserung der Lebensqualität, die Grundlage des wissenschaftlichen Fortschritts der Humangenetik ist, mit anderen Zielen wie der Patientensicherheit und der Sicherheit künftiger Generationen im Einklang steht? Der Berichterstatter betrachtet die Arbeit dieses Ausschusses als eine Dienstleistung, die für die Diskussion in Europa von Nutzen ist. Dabei besteht das Ziel letztlich darin, zu einem Standpunkt zu gelangen, der für Individuen mit sehr unterschiedlicher Sensibilität und sehr unterschiedlichen Berufen akzeptabel ist. Möglicherweise muss man gegenüber den eigenen sehr persönlichen Überzeugungen Konzessionen machen, um angesichts eines pluralistischen Umfeldes, das heute Grundlage der Entwicklung Europas ist und das sich mit der künftigen Erweiterung nur noch weiter verstärken kann, herauszufinden, was in Europa machbar ist. Als Methode sollte hierfür die Formulierung eines Standpunkts gewählt werden, der diese Vielfalt berücksichtigt, anstatt die verschiedenen vertretenen Sensibilitäten widerzuspiegeln. Diese Sensibilitäten sind in den verschiedenen nationalen Rechtsordnungen am besten aufgehoben. Die Mitgliedstaaten und die Union müssen sich für die Schaffung der geeigneten Voraussetzungen für eine gedeihliche Entwicklung des Bereichs der Humangenetik einsetzen und die Fälle festlegen, in denen eine europäische Aktion angezeigt erscheint. Es wird daher der diesem Ausschuss übertragene Auftrag verfolgt, nämlich die juristischen, ethischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen zu untersuchen und sich dabei auf die Zuständigkeiten zu beschränken, die der Union auf diesem Gebiet zustehen. IV. Befugnisse der EU im Bereich der Humangenetik Die Europäische Union verfügt über keine direkten Legislativbefugnisse im Bereich der Humangenetik. Der Vertrag enthält keine Bestimmungen, die sich speziell auf die Humangenetik und die neuen Technologien in der modernen Medizin beziehen. Allerdings ermöglichen einige Artikel des Vertrags die Annahme von Maßnahmen in diesen Bereichen, wie dies auch bereits in der Vergangenheit geschehen ist. Genauer gesagt: Um einen gemeinschaftlichen Rechtsakt zu Fragen der Humangenetik und der neuen Technologien in der modernen Medizin annehmen zu können, müssen das Ziel und der Inhalt des betreffenden Rechtsakts den Kriterien entsprechen, die in dem als Rechtsgrundlage verwendeten Artikel des Vertrags festgelegt sind. Es gibt drei Bereiche, in denen sich eine Gemeinschaftsaktion rechtfertigen lässt; diese sind: - die Volksgesundheit - Artikel 152 EGV die Forschung – Artikel 163 bis 173 EGV (vor allem die Finanzierung des ForschungsRahmenprogramms) In beiden Fällen handelt es sich um Aktionen, welche die Gemeinschaft annehmen kann, um die Aktionen der Mitgliedstaaten zu fördern und zu ergänzen; RR\453921DE.doc 45/127 PE 300.127 DE - der Binnenmarkt – Artikel 95 EGV26 (er erlaubt die Annahme von Maßnahmen der Gemeinschaft, die mit der Errichtung und dem Funktionieren des Binnenmarktes zusammenhängen, und gestattet im Rahmen dieser Grenzen Gemeinschaftsaktionen, die Fragen der Genetik und der neuen Technologien in der modernen Medizin betreffen) In dieser Hinsicht sind zwei Richtlinien von erheblicher Bedeutung: - die Richtlinie 1995/46/EG vom Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr; die Richtlinie 1998/44/EG vom Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen. Bestimmungen des Vertrags im Bereich des Gesundheitswesens Für den Bereich des Gesundheitswesens sieht Artikel 152 EGV vor, dass die Tätigkeit der Gemeinschaft die einzelstaatlichen Maßnahmen ergänzen soll27. In diesem Bereich verfügt die Gemeinschaft über keine ausschließliche Zuständigkeit, da diese Zuständigkeit darauf beschränkt ist, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu “fördern“ und deren Vorgehen zu „unterstützen“. Da es sich um eine Zuständigkeit handelt, die die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten ergänzt, ist darauf hinzuweisen, dass bei jedem Tätigwerden der Gemeinschaft das in Artikel 5 EGV verankerte Subsidiaritätsprinzip eingehalten werden muss. Artikel 152 EGV sieht vor, dass nach dem Mitentscheidungsverfahren Maßnahmen zum Schutz und zur Verbesserung der Volksgesundheit ergriffen werden können, er untersagt jedoch ausdrücklich jede Harmonisierung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften. Dieser Artikel enthält auch die Befugnis, ebenfalls nach dem Mitentscheidungsverfahren „hohe Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Organe und Substanzen menschlichen Ursprungs sowie für Blut und Blutderivate“ festzulegen. Im letzteren Fall schließt der Vertrag die Möglichkeit einer Harmonisierung nicht aus. Allerdings bewegen wir uns hier nach wie vor im Rahmen einer Zuständigkeit, die diejenige der Mitgliedstaaten ergänzt. Im letzten Absatz des Artikels 152 EGV wird die begrenzte Tragweite dieser Zuständigkeit dadurch präzisiert, dass diese Maßnahmen „die einzelstaatlichen Regelungen über die Spende oder die medizinische Verwendung von Organen und Blut“ unberührt lassen. Abgesehen von diesen Maßnahmen, die nach dem Mitentscheidungsverfahren erlassen werden, sieht Artikel 152 EGV noch vor, dass der Rat mit qualifizierter Mehrheit Empfehlungen erlassen kann. Für die Annahme dieser Empfehlungen ist die Konsultation des Parlaments nicht erforderlich. 26 Im Urteil des Gerichtshofes über die Werbung für Tabakerzeugnisse vom 5. Oktober 2000 wird daran erinnert, dass Artikel 95 unabhängig von den Bestimmungen des Artikels 152 Absatz 4 Buchstabe c EGV auch auf Fragen des Gesundheitswesens anwendbar ist. 27 Neben Artikel 152 EGV, der sich speziell mit den Befugnissen der Gemeinschaft im Bereich des Gesundheitswesens befasst, wird das Ziel des Gesundheitsschutzes auch bei anderen Maßnahmen der Gemeinschaft berücksichtigt, wie beispielsweise beim Verbraucherschutz (Artikel 153 Absatz 1 EGV) oder bei der Umwelt (Artikel 174 Absatz 1 EGV). PE 300.127 DE 46/127 RR\453921DE.doc Bestimmungen des Vertrags im Bereich der Forschung Der Titel XVIII des Vertrags (Artikel 163 bis 173 EGV) befasst sich mit der Forschung und der technologischen Entwicklung. Dieser Bereich fällt nicht unter die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft, und daher „ergänzen“ die Maßnahmen der Gemeinschaft die Aktionen der Mitgliedstaaten (Artikel 164 EGV). Gemäß Artikel 163 EGV „fördert“ die Gemeinschaft Unternehmen, Forschungszentren und Hochschulen bei ihren Bemühungen auf dem Gebiet der Forschung und „unterstützt“ deren Zusammenarbeit. Zu diesem Zweck sieht der Vertrag die Annahme von Forschungs-Rahmenprogrammen nach dem Mitentscheidungsverfahren vor. Diese Rahmenprogramme werden mittels spezifischer Programme durchgeführt, die vom Rat nach Konsultation des Parlaments beschlossen werden. Was insbesondere die Humangenetik angeht, so sieht das fünfte Rahmenprogramm für den Zeitraum 1998-200228 unter den Leitaktionen die „Erforschung von Genomen und genetisch bedingten Krankheiten“ vor und verweist auf die „neuen Technologien“, die sich aus der Nutzung der Genominformation im Interesse der Gesundheit, der Industrie und der Umwelt in Europa ergeben. Dieses Rahmenprogramm umfasst außerdem die „Untersuchung von Fragen der biomedizinischen Ethik und der Bioethik“, wozu folgendes festgestellt wird: „Innerhalb dieses Rahmenprogramms werden keinerlei Forschungstätigkeiten durchgeführt, bei denen eine Änderung des genetischen Erbguts von Menschen durch Veränderung von Keimzellen oder durch Eingriffe in anderen Phasen der Embryonalentwicklung vorgenommen oder bezweckt wird und bei denen die Vererbbarkeit derartiger Veränderungen bewirkt werden kann.“ Selbst ohne eine direkte und ausschließliche Zuständigkeit, die es dem Gemeinschaftsgesetzgeber ermöglichen würde, Verordnungen oder Richtlinien im Bereich der Humangenetik zu erlassen, kann die Gemeinschaft daher im Rahmen ihrer Forschungskompetenzen bestimmte Kriterien festlegen, die für die diesbezüglichen Aktionen, die aus dem Rahmenprogramm finanziert werden, einzuhalten sind. Die Kommission hat erst kürzlich ihren Vorschlag für einen Beschluss über das Rahmenprogramm 2002-200629vorgelegt. Zu den vorrangigen Themenbereichen gehören die auf der Analyse des menschlichen Genoms beruhenden Forschungsarbeiten, die zur Entwicklung neuer Diagnoseinstrumente führen könnten. In Erwägung 11 dieses nach dem Mitentscheidungsverfahren behandelten Beschlussvorschlags wird betont, dass die Forschungstätigkeiten innerhalb des Rahmenprogramms unter Beachtung der Grundrechte und –prinzipien, insbesondere derjenigen, die in der Charta der Grundrechte festgelegt sind, durchgeführt werden müssen. In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union werden eugenische Praktiken, insbesondere diejenigen, welche die Selektion von Personen zum Ziel haben, sowie das reproduktive Klonen von Menschen verboten. Außerdem wird verboten, den menschlichen Körper und Teile davon zur Erzielung von Gewinnen zu nutzen (siehe Artikel 3 „Recht auf Unversehrtheit der Person“). 28 29 Beschluss 182/1999, ABl. L 26 vom 1.2.1999, S. 46 KOM(2001) 0094 vom 21.02.2001 RR\453921DE.doc 47/127 PE 300.127 DE Bestimmungen des Vertrags im Bereich des Binnenmarktes Artikel 95 Absatz 1 EGV sieht vor, dass nach dem Mitentscheidungsverfahren „Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben,“ erlassen werden können. Hierbei handelt es sich um eine echte gemeinschaftliche Zuständigkeit, die nicht nur eine Förderung oder Ergänzung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten, sondern auch ein gesetzgeberisches Tätigwerden gestattet. Aufgrund dieses Artikels können Verordnungen oder Richtlinien erlassen werden, die Fragen im Zusammenhang mit dem Mandat des Nichtständigen Ausschusses für Humangenetik und andere neue Technologien in der modernen Medizin betreffen, vorausgesetzt, dass diese Bestimmungen auf das Funktionieren des Binnenmarktes abzielen. Um sich auf die in Artikel 95 EGV verankerte gemeinschaftliche Zuständigkeit zu berufen, müssen das Ziel und der Inhalt des betreffenden Rechtsakts in der Tat mit „der Errichtung und dem Funktionieren des Binnenmarktes“ zusammenhängen. Ist diese Voraussetzung erfüllt, so gibt es keinen Hinderungsgrund dafür, dass die jeweilige Verordnung bzw. Richtlinie beispielsweise Fragen des Gesundheitswesens betrifft. Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, darf der Rückgriff auf Artikel 95 EGV jedoch nicht dazu benutzt werden, um den ausdrücklichen Ausschluss jeder Harmonisierung gemäß Artikel 152 Absatz 4 Buchstabe c) EGV30 zu umgehen. Nach Auffassung des Gerichtshofs sind die in Artikel 95 Absatz 1 EGV genannten Maßnahmen dazu bestimmt, die Bedingungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern. „Diesen Artikel dahin auszulegen, dass er dem Gemeinschaftsgesetzgeber eine allgemeine Kompetenz zur Regelung des Binnenmarkts gewährte, widerspräche nicht nur dem Wortlaut der genannten Bestimmungen, sondern wäre auch unvereinbar mit dem in Artikel 3 B EGV (jetzt Artikel 5 EGV) niedergelegten Grundsatz, dass die Befugnisse der Gemeinschaft auf Einzelermächtigungen beruhen“. Daher müssen die aufgrund des Artikels 95 EGV erlassenen Rechtsakte, auch wenn sie Fragen im Zusammenhang mit dem Mandat des Nichtständigen Ausschusses für Humangenetik betreffen, darauf abzielen, die Voraussetzungen für das Funktionieren des Binnenmarktes in einem bestimmten Sektor konkret zu verbessern. Es muss vermieden werden, dass die Unterschiede zwischen den in diesem Bereich geltenden einzelstaatlichen Bestimmungen Handelshemmnisse zwischen den Mitgliedstaaten schaffen und Wettbewerbsverzerrungen bewirken, die das Funktionieren des Binnenmarktes behindern. In diesem Zusammenhang kann man als Beispiele die Richtlinie über In-vitro-Diagnostika 31 oder die Richtlinie über Medizinprodukte, die stabile Derivate aus menschlichem Blut oder Blutplasma enthalten 32 anführen, die beide aufgrund des Artikels 95 EGV erlassen wurden. Außerdem sei auf die Richtlinie 1998/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer 30 31 32 Urteil vom 5. Oktober 2000, Rechtssache C-376/98, Deutschland ./. EP und Rat, Entscheidungsgrund 79 Richtlinie 1998/79/EG des EP und des Rates vom 27. Oktober 1998, ABl. L 331 vom 7.12.1998, S. 1 Richtlinie 2000/70/EG des EP und des Rates vom 16.11.2000, ABl. L 313 vom 13.12.2000, S. 22 PE 300.127 DE 48/127 RR\453921DE.doc Erfindungen 33 verwiesen, die ebenfalls aufgrund des Artikels 95 EGV erlassen wurde und derzeit Gegenstand einer Klage der Niederlande beim Gerichtshof ist, wobei es u. a. um die angeblich falsche Wahl der Rechtsgrundlage geht. Im Übrigen hat die Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien (EGE) in ihrer Stellungnahme Nr. 13 vom 30. Juli 1999 die „ethischen Aspekte der Verwendung der persönlichen Gesundheitsdaten in der Informationsgesellschaft“ analysiert und dabei unter anderem auf die Richtlinie 1995/46/EG über den Schutz von personenbezogenen Daten hingewiesen, die ebenfalls aufgrund des Artikels 95 EGV34 erlassen wurde. Die EGE weist darauf hin, dass es noch keine spezielle europäische Gesetzgebung für den Schutz der persönlichen Gesundheitsdaten gebe, und empfiehlt eine Richtlinie“ zu prüfen, um der Herausforderung der Informatisierung dieser Daten zu begegnen”. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass die Charta der Grundrechte in ihrem Artikel 21 über die Nichtdiskriminierung ein Verbot der Diskriminierung aufgrund der „genetischen Merkmale“ vorsieht. V. Internationale und europäische Rechtsinstrumente Viele der Grundwerte und –prinzipien im Bereich der Humangenetik sind bereits weltweit anerkannt. Dies heißt nicht, dass die Politik sich nicht weiterhin Fragen über die Gültigkeit und eventuelle Notwendigkeit neuer Rechtsinstrumente im Zusammenhang mit Problemen neuer Dimensionen stellen soll, und dass sie nicht eine größere Synergie zwischen den internationalen Übereinkommen und den nationalen Rechtsordnungen einfordern soll. Internationale Verträge haben gemeinsam mit den europäischen Rechtsvorschriften zwangsläufig erhebliche Auswirkungen auf Entscheidungen der Mitgliedstaaten und der Union. Die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO), die Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Europarat und die Europäische Union verfügen über eine Vielfalt von Instrumenten. Letztere hat mit der Europäischen Charta der Grundrechte einen ersten Schritt hin zur Entwicklung ethischer Leitlinien auf europäischer Ebene vollzogen. Generell haben alle diese Erklärungen eines gemeinsam: die absolute Verpflichtung zur Wahrung der Prinzipien der Menschenwürde, des Selbstbestimmungsrechts des Einzelnen, der Zustimmung nach vorheriger Information und der Vertraulichkeit beim Einsatz der Humangenetik in der medizinischen Praxis. Nachstehend werden die relevanten Artikel der wichtigsten internationalen Rechtsinstrumente aufgeführt. Der Berichterstatter hielt es für angebracht, eine Liste dieser Artikel nicht anhand der betreffenden internationalen Organisation, sondern anhand der Kriterien vorzulegen, die unter anderem Gegenstand der Untersuchung in diesem Dokument sind35. Diese Kriterien sind: 33 34 35 die Unverletzlichkeit der Menschenwürde die Freiheit der Forschung der Schutz der Volksgesundheit die Nichtdiskriminierung aufgrund genetischer Merkmale der Schutz persönlicher Daten die Eingriffe am Humangenom ABl. L 213 vom 30.7.1998, S. 13 ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31 Für die Konsultierung der in der nachstehenden Tabelle aufgeführten Artikel siehe Anhang II RR\453921DE.doc 49/127 PE 300.127 DE - das Verbot der Gewinnerzielung der Schutz des geistigen Eigentums und die Patentierbarkeit PE 300.127 DE 50/127 RR\453921DE.doc Internationale und europäische Rechtsinstrumente RELEVANTE ASPEKTE Übersicht über die internationalen und europäischen Rechtstexte zur Humangenetik und zu den abgedeckten relevanten Aspekten Übereinkommen der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt (1992) Vereinte Nationen und Sonderorganisationen Welthandelsorganisation (WTO) Achtung der Menschenwürde Freiheit der Forschung Schutz der Volksgesundheit Nichtdiskriminierung aufgrund genetischer Merkmale / / / Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom - UNESCO (1997) Artikel 1, 2, 10 Artikel 12 , 13, 17 Artikel 12(b) Artikel 6 Resolution über die ethischen, wissenschaftlichen und sozialen Auswirkungen des Klonens auf die menschliche Gesundheit – WHO (1998) / / / / / Artikel 2 / Europarat (ER) Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin (1997) Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin (1998) RR\453921DE.doc Eingriffe am Humangenom Verbot der Gewinnerzielung Artikel 15(5) / Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (1995) Schutz personenbezogener Daten Geistiges Eigentum und Patentierbarkeit Artikel 16(2)(3)(4)(5) / / Artikel5(b), 7 Artikel 11 Artikel4 / / / §1, §2 / / / / / / / Artikel7, 27(1)(2)(3) Artikel 15, 18 Artikel 3, 12 Artikel 11 Artikel 5 Artikel 13 Artikel 21 / / / / / Artikel 1 / / 51/127 PE 300.127 DE RELEVANTE ASPEKTE Übersicht über die internationale und europäischen Rechtstexte zur Humangenetik und zu den abgedeckten relevanten Aspekten Europäische Union – Primärgesetzgebung Verbot der Gewinnerzielung Geistiges Eigentum und Patentierbarkeit / / / / / Artikel 35 Artikel 21 Artikel 8 Artikel 3 Artikel 3(2) / / / / Artikel 7(a), 8 / / / / / / / / / / Artikel 5, 6 Artikel 7 Anhang II, Titel II, Anmerkung Nr. 1 / / / / / / / / / / / Anhang II, Anmerkung Nr. 1 / / Artikel 6 EUV Artikel 163 bis 173 EGV Charta der Grundrechte der EU (2000) Artikel 1 Artikel 13 / Europäische Richtlinie (1998/44/EG) über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen Entscheidung des Rates vom 25. Januar 1999 über ein spezifisches Programm für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration auf dem Gebiet „Lebensqualität und Management lebender Ressourcen“ (1998-2002) (1999/167/EG) DE Eingriffe am Humangenom Verträge zur Gründung der EU (1997) Fünftes Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration (1998-2002) PE 300.127 Schutz personenbezogener Daten Freiheit der Forschung Europäische Richtlinie (1995/46/EG) zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr Europäische Union Sekundärgesetzgebung Nichtdiskriminierung aufgrund genetischer Merkmale Achtung der Menschenwürde Schutz der Volksgesundheit Artikel 95, 152 EGV 52/127 RR\453921DE.doc VI. Arbeitsprogramm Der Humangenetik kommt bei verschiedenen Krankheiten eine wichtige Rolle zu. Die Kenntnis der Gene könnte zur Entwicklung neuer Behandlungsmethoden und zur Schaffung von „maßgeschneiderten Medikamenten“ führen, die auf bestimmte Zellen bestimmter Einzelpersonen Anwendung finden könnten. Die genetische Diagnose wird bereits zur Feststellung der Prädisposition für Krankheiten genutzt. Die Gentherapie, bei der ein schadhaftes Gen durch ein gesundes ersetzt wird, befindet sich in einem Entwicklungsstadium; die Wissenschaftler arbeiten daran, einen Weg zu finden, wie eine oder mehrere Korrekturzellen erfolgreich eingeschleust werden können. Das Arbeitsprogramm dieses Ausschusses konzentriert sich auf zwei Aspekte. Erstens wird versucht, das Potenzial der Humangenetik im medizinischen Bereich im Hinblick auf die Diagnostik und die Behandlung einiger Krankheiten abzudecken, und zweitens sollen die daraus resultierenden Folgen und die Folgen für die Nutzung der genetischen Information und der Patentierbarkeit von Lebewesen erfasst werden. VI.1. Gentests In der Vergangenheit wurden viele Untersuchungsmethoden zur Feststellung oder Bestätigung seltener Erbkrankheiten entwickelt. Während aber bis vor wenigen Jahren nur wenige Gentests für wenige Erbkrankheiten verfügbar waren, gibt es heute Tests für die zystische Fibrose, die Huntingtonsche Krankheit, die Muskeldystrophie und auch für viele nicht erbliche degenerative Erkrankungen, die bei Jugendlichen oder Erwachsenen auftreten: Diabetes, Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Alzheimer. Während Gentests bei einigen Krankheiten unwiderlegbare Vorhersagen ergeben, zeigen sie in vielen anderen Fällen nur eine Prädisposition, die durch externe Faktoren wie Umwelt, Ernährung und Lebensstil beeinflusst werden kann. Genanalysen können zu verschiedenen Zwecken durchgeführt werden: - - die postnatale Diagnostik wird genutzt, um die Diagnose einer Krankheit zu ermöglichen, um die Diagnose der Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer bestimmten Krankheit zu einem späteren Zeitpunkt zu ermöglichen, um die Diagnose genetischer Veränderungen zu ermöglichen, welche die Prädisposition für einige Krankheiten wie etwa Tumoren und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen; die Pränataldiagnostik wird für die Diagnose einer Krankheit oder einer genetischen Veranlagung des Fötus genutzt; die Präimplantationsdiagnostik36 ist eine Alternative zur Pränataldiagnostik und dient der 36 Präimplantationsdiagnostik Die embryonale Chromosomenanalyse mit Hilfe der Präimplantationsdiagnostik (PID) ermöglicht es, die Übertragung von nicht lebensfähigen Embryos mit Chromosomenschäden zu vermeiden. Die PID gestattet die selektive Verpflanzung von Embryos ohne Missbildungen und verhütet Abtreibungen, die stattdessen nach einer konventionellen Pränataldiagnostik in einer fortgeschrittenen Phase der Schwangerschaft (Amniozentese: nach dem dritten Monat) vorgenommen werden könnten. Die PID ist eine Alternative zu den üblichen Methoden der Pränataldiagnostik vor allem in den Fällen, in denen die Eltern einem hohen Risiko unterliegen, Kinder mit schweren genetischen Krankheiten zu bekommen. Diese Methode kann bei vielen Gendefekten angewandt RR\453921DE.doc 53/127 PE 300.127 DE Diagnose einer genetischen Krankheit oder Veranlagung beim Embryo vor der Einpflanzung in den Uterus (dies ist eine Anwendung der „In-vitro-Fertilisation“); Ein Teil der Debatte befasste sich mit den sogenannten Pränataltechniken und vor allem den wirksamen Methoden zur Behandlung der Unfruchtbarkeit (In-vitro-Fertilisation - IVF37, und Intrazytoplasmatische Spermieninjektion – ICSI38). werden, die durch die Fehlerhaftigkeit eines einzelnen Gens verursacht werden. Es gibt eine weltweite Sammlung von Daten und Berichten über die Ergebnisse der PID. Im vergangenen Sommer hat das PIDKonsortium, das mit der Europäischen Gesellschaft für Humane Reproduktion und Embryologie zusammenarbeitet, die neuesten Ergebnisse veröffentlicht. Es hat mehr als zweihundert Neugeborene gegeben. (siehe Beiträge der Professoren Devroy und Hovatta bei der Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 27. März 2001) Im Vergleich zu den konventionellen Techniken der Pränataldiagnostik bietet die PID zweifellos Vorteile. Während die herkömmlichen Techniken der Pränataldiagnostik eine Diagnose um den dritten Schwangerschaftsmonat vorsehen, ermöglicht die PID eine Analyse an einem Embryo im 8-Zell-Stadium bereits am dritten Tag. Bei den herkömmlichen Techniken müssen viele Zellen entnommen werden, während die Diagnose bei der PID an wenigen Zellen vorgenommen wird (ein bis drei). Außerdem liegt das Ergebnis bei den herkömmlichen Techniken nach einigen Wochen vor, während für die PID einige Tage ausreichen. (siehe Beitrag von Prof. Devroy bei der Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 27. März 2001) Anhand der bloßen Beschreibung der gerade vorgestellten Technik ist leicht erkennbar, dass die PID im Vergleich zu herkömmlichen Diagnosetechniken für ein Paar, das sich nach der Diagnose für eine Abtreibung entschließt, andere ehtische Implikationen hat. Diese Techniken haben zu der Sorge geführt, dass Menschen eventuell Kinder „nach Maß” haben möchten, mit bestimmten Merkmalen wie Intelligenz oder Musikalität, aber wenn – wie man einwenden könnte – die Ethik noch nicht zum Tragen gekommen ist, so ist es doch technisch und insgesamt unmöglich, diese Merkmale bei Embyonen zu identifizieren. (siehe Beitrag von Frau Prof. Hovatta vom 27. März 2001) 37 In-vitro-Fertilisation Die Entwicklung der In-vitro-Fertilisation (IVF) war ein revolutionärer Prozess für unfreiwillig unfruchtbare Paare. Bei der IVF werden nach einer Hormonbehandlung Eizellen aus den Eierstöcken der Frau entnommen, wobei die Technik der Absaugung mit einer dünnen Nadel durch die Scheide unter Ultraschallkontrolle angewandt wird. Die aus dem Sperma isolierten Samenzellen werden zusammen mit den Eizellen auf Kulturträger aufgebracht und der Befruchtungsprozess wird im Labor überwacht. Nach 2-5 Tagen findet der Transfer des Embryos in die Uterushöhle statt. Falls mehr als ein oder zwei normal befruchtete Embryos mit normalem Aussehen gewonnen werden, können nicht alle ohne Risiko einer Mehrlingsschwangerschaft in den Uterus eingepflanzt werden. Die überzähligen Embryos können für eine künftige Unfruchtbarkeitsbehandlung tiefgefroren werden, der Forschung oder anderen unfruchtbaren Paaren zur Verfügung gestellt, oder vernichtet werden. (siehe Beitrag von Frau Prof. Hovatta vom 27. März 2001) 38 ICSI Die Behandlung der männlichen Unfruchtbarkeit erfuhr in den letzten zehn Jahren dank der Technik der Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) eine bedeutende Veränderung. Das Spermium wird unter dem Mikroskop direkt in das Zytoplasma einer Eizelle injiziert, wofür eine dünne Glasnadel verwendet wird. Die herkömmliche Behandlung der männlichen Unfruchtbarkeit beschränkt sich nämlich auf wenige Fälle mit eindeutigen Problemen im Zusammenhang mit der Hormonproduktion oder der reversiblen Vasektomie. Unabhängig von der Ursache kann die durch eine männliche Unfruchtbarkeit verursachte Zeugungsunfähigkeit jetzt aber mit der ICSI behandelt werden, wenn es möglich ist, nur wenige Spermatozoen oder unreife, postmeiotische Samenzellen aus der Samenflüssigkeit bzw. durch Aspiration oder auch durch Hodenbiopsie (bei Patienten ohne Spermatozoen in der Samenflüssigkeit) zu gewinnen. Die größte Zahl der Behandlungsversuche in Europa wurde bei Frauen in nordeuropäischen Ländern vorgenommen. In Finnland sind 3% aller Neugeborenen und in Schweden 2% durch assistierte Reproduktion entstanden. Die Unterschiede zwischen beiden Ländern sind auf das Erstattungssystem zurückzuführen. Aber die IVF und die ICSI werden nicht nur in entwickelten Ländern genutzt. Heutzutage gibt es Fachkliniken in der ganzen Welt. Nach vorliegenden Schätzungen sind etwa zwei Millionen Neugeborene weltweit durch IVF zur Welt gekommen (siehe Beitrag von Frau Prof. Hovatta) PE 300.127 DE 54/127 RR\453921DE.doc VI.1.1 Ethische und gesellschaftliche Fragestellungen bei Gentests Grundsatz der Unabhängigkeit der Wissenschaft und Patientenrechte Die Medizin war der erste weltliche Beruf, der sich einen ethischen Code gab (ärztliches Berufsethos). Ein erster Grundwert in der konsolidierten ethischen Tradition der Ärzte ist die Unabhängigkeit. Ferner gibt es ein Normensystem, d. h. ein den Wissenschaftlern gemeinsames wissenschaftliches „Ethos“, das die Unabhängigkeit der „wissenschaftlichen Wahrheit“ gegenüber politischen, religiösen und kulturellen Ideologien festlegt. Aber reicht es heute aus, wenn ein Wissenschaftler sich auf den Grundsatz der Unabhängigkeit und auf das Verantwortungsgefühl beruft, um sich in einem Szenario mit so faszinierenden wie gleichermaßen beunruhigenden Perspektiven zu bewegen? Die Wissenschaftler sind heute moralisch an der Verantwortung für Entscheidungen beteiligt, in die eine Vielzahl von Personen involviert ist. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, eine Diskussion in Gang zu bringen, die bei der Interpretation der großen Veränderungen im Bereich der Biomedizin, bei der Beurteilung ihrer Möglichkeiten und der Festlegung ihrer Grenzen hilfreich ist. Der Grundsatz der Unabhängigkeit der Wissenschaft muss daher auf den für den Patienten wesentlichen und unabdingbaren Werten beruhen. Diese sind: - die Einwilligung nach Aufklärung der Person, die sich Tests unterzieht die Freiheit und Verantwortung bei der Auswahl des Patienten gegenüber gesellschaftlichem Druck der Vorrang der Rechte des Einzelnen gegenüber den Rechten der Gesellschaft das Recht des Einzelnen, zu wissen/nicht zu wissen39 Gesellschaftliche Konsequenzen: ein neues Arzt-Patient-Verhältnis Die Anwendung neuer Technologien in der Medizin und vor allem Gentests haben zu Veränderungen in der medizinischen Praxis geführt. Diese stößt in der täglichen Erfahrung auf neue Dilemmata, die nicht mehr nur eine individuelle und private Dimension, sondern auch öffentliche und gesellschaftliche Aspekte haben. Wir beziehen uns hier vor allem auf die Begriffe wie Gesundheit, Krankheit und Normalität sowie auf die gesellschaftliche Rolle des Arztes und des Patienten. Ein Arzt muss sich heute mit vollkommen neuen Problemen und Entscheidungen auseinandersetzen. Nicht nur seine Rolle hat sich verändert, sondern auch die Rolle des Patienten, und daraus sind neue Rechte entstanden. Die Respektierung des Willens eines Kranken wird nachdrücklich durch den Grundsatz der Unabhängigkeit und Selbstbestimmung bekräftigt. Die Medizin wird nicht mehr nur als eine Reaktion auf eine Krankheit betrachtet (reagierende Medizin), sondern auch als eine Praxis, die das „Kapital Gesundheit“ vorausschauend und 39 Das Recht zu wissen ist das Recht, die eigene genetische Veranlagung zu kennen und zuverlässige genetische Informationen zu erhalten; das Recht, nicht zu wissen, ist das Recht, nicht zu Gentests gezwungen zu werden und die eigenen Geninformationen nicht zu erfahren, vor allem in Fällen, in denen die präventive Kenntnis der Krankheit zu vorzeitigem Leiden führen würde, ohne dass damit konkrete therapeutische Vorteile verbunden wären. (Siehe Beiträge von Prof. Mandel und Prof. Mauron – Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 26. März 2001) RR\453921DE.doc 55/127 PE 300.127 DE rational verwaltet. Der neue Medizinbegriff hat mit genetischen Informationen zu tun, die den Einzelnen nicht unmittelbar betreffen, es sind vielmehr Informationen, die zur Verhütung künftiger wahrscheinlicher/möglicher Krankheiten dienen können (prädiktive Medizin). Nach dieser neuen und revolutionären Definition der Medizin wird vom Patienten erwartet, dass er die Informationen über seine genetische Veranlagung für eine bestimmte Krankheit nutzt, dass er Entscheidungen trifft, obwohl er keinen direkten Bezug zur potentiellen Krankheit und zur Therapie hat40. Bei diesem neuen Medizinverständnis wandelt sich die Rolle des Arztes vom Therapeuten zum Gesundheitsberater und die des Patienten von einem leidenden Menschen in einen Menschen, der bestürzt und besorgt ist, mit diesen Vorhersagen über seine Gesundheit umzugehen. Damit ist in dem dualistischen Gegensatz ‚gesundes Individuum/krankes Individuum‘ eine dritte Figur aufgetaucht, das ‚besorgte‘ Individuum. Tests und genetische Diskriminierung Die Vorteile der Gentests betreffen vor allem die Prädisposition des Individuums für eine bestimmte Erkrankung und folglich den Umgang mit der Krankheit vor dem Ausbruch der Symptome; die Nachteile dieser Tests betreffen die Möglichkeit, die genetischen Informationen in verschiedenen Lebensbereichen zu diskriminierenden Zwecken zu nutzen, oft aufgrund einer reinen Wahrscheinlichkeit, aber nicht der absoluten Gewissheit. Immer entscheidender wird daher die Frage, wer das Recht hat, diese Informationen zu nutzen. Es wird befürchtet, dass Versicherungsunternehmen und Arbeitgeber diese Daten für die Verweigerung eines Versicherungsabschlusses oder einer Beschäftigung nutzen könnten. Der Zugang zu diesen Informationen muss Gegenstand weiterer Diskussionen sein, um geeignete Rechtsvorschriften zu erlassen. In Art. 12 des Übereinkommens zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin des Europarats heißt es: „Untersuchungen, die es ermöglichen, genetisch bedingte Krankheiten vorherzusagen oder bei einer Person entweder das Vorhandensein eines für eine Krankheit verantwortlichen Gens festzustellen (...), dürfen nur für Gesundheitszwecke oder für gesundheitsbezogene wissenschaftliche Forschung und nur unter der Voraussetzung einer angemessenen genetischen Beratung vorgenommen werden“. Das Ministerkomitee des ER bereitet ein Protokoll über die Humangenetik vor, mit dem Ziel einer Weiterentwicklung der Art. 11 und 12 des genannten Übereinkommens41. Das Protokoll soll detailliert auf die Aspekte der Einwilligung des Patienten nach Aufklärung, der Voraussetzungen für die Durchführung solcher Tests bei Minderjährigen, der Respektierung des Privatlebens, des Rechts auf Zugang zu den Testergebnissen und des Rechts auf Nichtinformation über die Testergebnisse eingehen. Das EP könnte durch Beisteuerung nützlicher Überlegungen für die Vorbereitung des Protokolls zu dieser Arbeit beitragen. Aus diesen Hinweisen - und nicht nur daraus - lässt sich leicht ableiten, dass Genanalysen grundlegende Auswirkungen auf das Leben des Einzelnen haben. Sie können die eigene 40 41 Siehe Beitrag von Prof. Mauron – Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 26. März 2001 Siehe Beitrag von Prof. Serrao – Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 26. März 2001- PE 300.127 DE 56/127 RR\453921DE.doc Unabhängigkeit verbessern und die Fähigkeit, auch im Bereich der Fortpflanzung Entscheidungen in Kenntnis der Ursachen zu treffen. Die Vorteile der Genanalyse zu verstehen, hängt aber gleichermaßen ab: - von der Lieferung zuverlässiger Analysen bei gleichberechtigtem Zugang zu den Dienstleistungen von einer Beratung, welche die Eigenständigkeit des Einzelnen respektiert von der Technologie Das Vorhandensein hoher Standards bei den Genanalysen wird daher zu einer „conditio sine qua non“, da aufgrund ihrer Ergebnisse lebenswichtige Entscheidungen getroffen werden. Ohne präzise Rechtsvorschriften in diesem Bereich könnte der unkontrollierte Einsatz von Gentests zu einer Reihe von ethischen Problemen führen. Vielleicht müsste eine entsprechende Regelung klarstellen, dass sie nur in solchen Fällen eingesetzt werden dürfen, in denen eine Therapie oder ein prophylaktischer Eingriff zur Korrektur der festgestellten genetischen Veranlagung möglich ist, oder wenn sich aus der gewonnenen genetischen Information Entscheidungen für die Fortpflanzung ergeben. Fragestellungen: - - - - - Wird die Pränataldiagnostik dem Paar in einem pressionsfreien gesellschaftlichen Umfeld angeboten? Können oder müssen die Eltern pränatale Untersuchungen vornehmen? Welche Ergebnisse könnte ihnen die Möglichkeit von Korrekturmaßnahmen bieten? Welche Ergebnisse könnten die Entscheidung gegen eine Geburt des Embryos rechtfertigen? Gibt es professionelle „Genberater“, die Menschen beistehen können, die sich für Gentests entscheiden? Besteht die Gefahr, dass eine genetische „Unterklasse“ entsteht, der man nach Diagnostizierung einer Veranlagung für eine später ausbrechende Krankheit eine angemessene medizinische Betreuung und eine Lebensversicherung verweigern würde? Unter welchen Voraussetzungen hat eine Versicherungsgesellschaft das Recht, die Ergebnisse von Genanalysen zu erfahren? Haben Arbeitgeber, Unternehmen, Universitäten oder Schulen das Recht, ihre Mitarbeiter, Studenten oder Schüler aufgrund des genetischen Codes auszuwählen? Hat ein Mensch das Recht, genetische Informationen über einen anderen zu verbreiten? (Angenommen, die Information betrifft ein genetisches Risiko für die Nachkommen einer Person, da diese Träger eines schwerwiegenden Gendefekts ist. Haben wir die Pflicht, den Partner dieser Person zu informieren? Haben wir außerdem die Pflicht zu verhindern, dass diese Person Kinder bekommt?) – Hat jemand das Recht, in einigen Fällen die Geheimhaltung der Informationen über sein eigenes Genom zu verlangen? Wenn ja, wann? Da der Zugang zu Gentests zunehmend auf diejenigen beschränkt zu werden scheint, welche die Kosten dafür tragen können, stellt sich die Frage, in welchem Umfang diese Kosten ganz oder teilweise vom öffentlichen Gesundheitswesen übernommen werden sollten? Gentests an Embryonen vor deren Einpflanzung in den Uterus verringern die Gefahr von RR\453921DE.doc 57/127 PE 300.127 DE Missbildungen; können sie aber erhebliche gesellschaftliche Folgen haben (Eugenik)42? VI.1.2. Rechtliche Auswirkungen der Genanalyse Die Gendiagnose ist eine medizinische Handlung, bei der stets die Regeln der sogenannten „guten klinischen Praxis“ eingehalten werden müssen. Die europaweite Bestätigung und Annahme eines internationalen und weltweit anerkannten Bezugssystems für wissenschaftliche und technologische Verfahren einschließlich von Leitlinien für eine gute Labor-, Klinik- und Industriepraxis entsprechend dem neuesten biomedizinischen Forschungsstand sollte die neuen biomedizinischen Entwicklungen begleiten, leiten und regeln. Einige erste Schritte in Richtung auf eine solche Harmonisierung der Rechtsvorschriften wurden beispielsweise in der Gen- und Zelltherapie durch die Formulierung von Leitlinien für bewährte Verfahren seitens der Europäischen Agentur für die Bewertung von Medikamenten unternommen, während für neue Bereiche wie die Gewebetechnologie, künstliche Organe und Genanalysen noch ein Bezugs- und Regelungsrahmen auf der Ebene der EU und der Einzelstaaten aussteht43. Die Annahme der Richtlinie über klinische Prüfungen44, in der Bestimmungen über die Anwendung der „guten klinischen Praxis“ enthalten sind -, die als „international anerkannte ethische und wissenschaftliche Qualitätsanforderungen für die Planung, Durchführung und Aufzeichnung klinischer Prüfungen an Menschen sowie der Berichterstattung über diese Prüfungen“ bezeichnet wird – leistet einen ersten Beitrag zu einer harmonisierten Regelung der Forschung und Entwicklung im Bereich der Biomedizin. Ein treffendes Beispiel, das zeigt, wie notwendig eine auf Qualitätsbewertung beruhende Harmonisierung der Regelungen ist, welche die Forschung und Entwicklung im Bereich der Biomedizin begleiten muss, sind gerade die Genanalysen45. Zur Zeit gibt es weder Normen noch gemeinsame europäische Vorschriften, die einen Mindeststandard für die Dienstleistungen gewährleisten. Genanalysen sind Dienstleistungen, die nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 2309/1993 des Rates zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln fallen, ebensowenig wie in den der Richtlinie 1998/79/EG46 über In-vitroDiagnostika, die ausschließlich zum Verkauf bestimmte Produkte betrifft. Die Praxis der Genanalyse wird immer gängiger, da diese Untersuchungen nicht nur von Fachkliniken sondern auch von Untersuchungslabors angeboten werden und das zum Teil direkt an die Patienten. In Europa wächst die Zahl der Labors, die Genanalysen vornehmen. Siehe Beitrag von Frau Dr. Haker und Frau Quintavalle – Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 27. März 2001 43 Mitteilung der Europäischen Kommission über “Die Humangenetik” – Generaldirektion Forschung – Direktion E – Policy Aspects 44 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln. 45 Seminarbericht: Genetic testing services: Quality Assurance and Need for Harmonisation in the EU – Europäische Kommission – Gemeinsames Forschungszentrum (2000). 46 Richtlinie 1998/79/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 1998 über Invitro-Diagnostika. 42 PE 300.127 DE 58/127 RR\453921DE.doc Trotz der zahlreichen Initiativen von Genetikspezialisten und Berufsorganisationen für eine Qualitätsbewertung werden Genanalysen unter sehr unterschiedlichen Bedingungen und im Rahmen sehr unterschiedlicher Rechtsrahmen angeboten. Fragen des Verbraucherschutzes ergeben sich aus den Ergebnissen einer Qualitätsuntersuchung, die in 21 Ländern in Europa und Australien bei 136 Labors vorgenommen wurden, die sich mit Genanalysen zur zystischen Fibrose befassen. 35 % der Labors wiesen bei der Durchführung von Genanalysen eine Fehlerrate auf, die im Rahmen von Routineuntersuchungen inakzeptabel wäre47. Entsprechend dazu hat das europäische Netz für die Qualität der Molekulargenetik48 vor kurzem die Ergebnisse veröffentlicht, die im Rahmen eines Programms zur Qualitätsbewertung der molekulargenetischen Diagnostik der Huntington-Krankheit gewonnen wurden. Das Programm hat gezeigt, dass es ein gewisses Maß an potenziell falschen Diagnosen bei den Labors gibt, die diese Art der molekulargenetischen Diagnostik für die Krankheit anbieten49. Wegen der Komplexität der Erforschung von Genmutationen sind nur wenige Labors in der Lage, für bestimmte Krankheiten einen geeigneten Test anzubieten, während es in den meisten europäischen Ländern für die verbreitetsten Krankheiten mindestens ein Labor gibt. So erweist es sich als sehr schwierig für eine Familie, einen Test in einem Labor durchführen zu lassen, für den die Kosten von der nationalen Krankenversicherung oder vom Krankenhaus übernommen werden. Um dieser Situation zu begegnen, müsste ein die verschiedenen Krankheiten und Gene abdeckendes europäisches Netz von Labors geschaffen werden, um den Bedürfnissen der Familien der europäischen Patienten gerecht zu werden. Dies ist ein Ziel, das nicht von den einzelnen Mitgliedstaaten erreicht werden kann, sondern auf Gemeinschaftsebene verwirklicht werden muss.50 VI.2 Die Behandlung genetischer Krankheiten: Verfahren (Therapie und Medizin) VI.2.1 Die Gentherapie Mit der Gentherapie wird die anomale Funktion eines Gens korrigiert. Sie wird als somatische Gentheraphie bezeichnet, wenn sie Zellen des Organismus betrifft (Blut, Organe usw.) – vor allem onkologische Anwendungen, Herz-Kreislauf-Medizin, Behandlung genetischer Erkrankungen – und die eingefügten Gene nicht an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden; sie wird Keimbahntherapie genannt, wenn sie an Reproduktionszellen (Oozyten und Spermatozoen) oder an Embryonen vorgenommen wird. In diesem Fall wird die Veränderung an die Nachkommen weitergegeben. VI.2.2 Die Genmedizin 47 Europäische Kommission, 4. RP, BIOMED 2, Dequeker & Cassiman, Eur. J. Hum. Genet. 1998, S. 165-175. 48 Unterstützt von der GD Forschung, Abteilung H, Programm Messung und Erprobung ( SMT4-CT98- 7515). 49 50 Losekoot et alia, Eur. J. Hum. Genet. 1999. Siehe Beitrag von Professor Mandel – Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 26. März 2001- RR\453921DE.doc 59/127 PE 300.127 DE Im Unterschied zur Gentherapie, greift die Genmedizin nicht in die Zellfunktionen ein und verändert diese nicht permanent51. Der größte Teil der neuen Medikamente ist auf leichter erreichbare Ziele ausgerichtet, im allgemeinen auf Proteine und Enzyme, die an der Zelloberfläche oder in ihrem Cytoplasma lokalisiert sind. Die neuen Medikamente haben eine größere Wirksamkeit aber geringere Nebenwirkungen und werden sehr viel selektiver auf den Organismus einwirken; sie werden sehr individuell anhand pharmakogenetischer Analysen dosiert52; aufgrund der Kenntnis über die Dispositionen des Patienten werden sie nicht die Symptome behandeln, sondern der Krankheit vorbeugen. a) Medikamente aus transgenen Tieren Eine Methode zur Herstellung von Humanproteinen für neue Medikamente ist die Herstellung sogenannter transgener Tiere, die Träger menschlicher Gene sind und daher zum Beispiel in ihrer Milch ein Protein erzeugen, das für die Behandlung von Menschen verwendet werden kann. In verschiedenen Labors in der ganzen Welt wurden bereits viele transgene Tiere erzeugt, die Proteine produzieren. Die Experimente betreffen insbesondere Ziegen, aber auch Schafe, Schweine und Rinder. Das Problem bei der oben genannten Entwicklungsmethode mit Tieren besteht jedoch darin, dass viele der behandelten Tiere das veränderte Gen nicht annehmen und daher das menschliche Protein nicht produzieren. Entsprechend erbt nur ein Teil der Nachkommen des transgenen Tieres die Fähigkeit, dieses Protein zu produzieren. Deshalb arbeitet man an der Klonung dieser transgenen Tiere, um zu gewährleisten, dass nur die Tiere erzeugt werden, die die gewünschten Merkmale besitzen53. b) Die Transplantation von Geweben und Organen Auf internationaler Ebene ist ein ständiger Mangel an Transplantationsorganen zu verzeichnen. Nichts weist darauf hin, dass die Bevölkerung sich an die Vorstellung, Organspender zu werden, gewöhnt, ganz im Gegenteil. Die Entnahme bei nicht lebenden Spendern hat das medizinisch-ethisch-juristische Problem der Feststellung des Todes und der Erlaubnis für die Organexplantation aufgeworfen. Der vorherrschende Grundsatz bei der Explantation scheint der Grundsatz der angenommenen Zustimmung oder der stillschweigenden Zustimmung zu sein. 1978 hatte der Europarat sich für eine Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Organentnahme und –transplantation ausgesprochen. Ein gleiches hat die Weltgesundheitsorganisation getan. Aber die Rechtslage ist wenig homogen. Die Nachfrage nach Organen steigt parallel zur Entwicklung der Transplantationstechniken. Zurzeit stehen 50.000 Europäer auf der Warteliste für neue Organe, und diese Listen wachsen jedes Jahr um 15 %. Es werden daher riesige Summen und Anstrengungen aufgewendet, um Organe auf andere Weise zu erhalten. Die Forschung konzentriert sich vor allem auf zwei Bereiche: die Xenotransplantation und die Gewebe- und Siehe Mitteilung der Kommission über "Die Humangenetik" Generaldirektion Forschung – Direktion E/Policy Aspects" 52 Siehe im folgenden Kapitel über die Pharmakogenetik 53 Für das genetische Verändern und Klonen von (Nutz-) Tieren befürworten einige Wissenschaftler eine Politik des „NEIN, es sei denn, dass”. So wird beispielsweise das genetische Verändern von Tieren im Hinblick auf eine (Effizienz-) Steigerung der tierischen Produktion für ethisch nicht vertretbar gehalten. Aber für den Fall, dass ein genetisches Verändern und/oder Klonen die einzige reale Möglichkeit zur Behandlung von unheilbar kranken Patienten bietet, für die es noch keine (wirksame) Behandlung gibt, kann dies unter Umständen als ethisch verantwortbar erachtet werden. (siehe Beitrag von Professor Jochemsen – Sitzung vom 26. April 2001) 51 PE 300.127 DE 60/127 RR\453921DE.doc Organtechnologie, einschließlich der Nutzung von Stammzellen zu therapeutischen Zwecken. Xenotrasplantationen aus transgenen Tieren Die Xenotransplantation ist eine Transplantation eines tierischen Organs auf den Menschen. Seit Jahren veranlassen die langen Wartelisten für Transplantationen die Wissenschaftler zur Suche nach neuen Organquellen als Alternative zu künstlichen Organen. Mit Hilfe der Genmanipulation wird versucht, aus transgenen Schweinen (die über die richtige genetische Ausstattung verfügen) geeignete Organe für die Xenotransplantation auf den Menschen zu gewinnen. Dabei sind jedoch zwei wichtige Probleme zu lösen. Erstens ist die immunologische Unverträglichkeit immer noch ein großes Hindernis und führt zur Abstoßung der Schweineorgane. Außerdem könnte aus epidemiologischer Sicht die Gefahr bestehen, dass Viren in den menschlichen Organismus eingeschleust werden. Daher sind viele der Ansicht, dass eine Lösung für den Organmangel in der Züchtung von Organen aus menschlichen Zellen zu suchen sei. Verwendung von Stammzellen zu therapeutischen Zwecken Die Zerstörung der Gewebestruktur eines Organs verbunden mit dem Absterben der Zellen, aus denen es besteht, liegt der Mehrzahl der Pathologien zugrunde, an denen die Bevölkerung der Industrieländer erkrankt. Ein therapeutischer Lösungsansatz hat eine Wiederherstellung des veränderten Gewebes durch die Einpflanzung neuer Zellen zum Ziel, welche die durch die Krankheit zerstörten oder veränderten Zellen ersetzen können. In klinischer Hinsicht stützt sich diese Therapie in den meisten Fällen auf die Transplantation von Organen Verstorbener oder seltener von lebenden Spender54. Leider hat diese lebensrettende Technologie zwei entscheidende Grenzen, die ihren Einsatz beim größten Teil der Patienten, die davon profitieren könnten, ausschließen. Diese Grenzen sind der Mangel an transplantierbaren Organen und die Notwendigkeit einer ständigen Unterdrückung der Immunabwehr, um eine Abstoßung des Organs zu verhindern. Die Nachricht über die Liberalisierung der Nutzung embryonaler Stammzellen des Menschen zu experimentellen und therapeutischen Zwecken durch die britische und amerikanische Regierung weckte die Aufmerksamkeit der Medien und führte zu verschiedenen Diskussionen und Polemiken sowie zu einer Vermischung der Begriffe therapeutisches Klonen und Stammzelle allgemein. Die Nutzung von Stammzellen55 zu therapeutischen Zwecken ist als potentiell revolutionäre neue Methode zur Behandlung von Krankheiten und Verletzungen auf dem Vormarsch56. Ziel dieser Therapie ist die Entwicklung differenzierter Zellen oder Gewebe zur Transplantation bei Patienten mit Krankheiten wie Diabetes, Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson, Infarkt usw., Krankheiten, für die es heute keine wirksamen Therapien oder Behandlungen gibt. Stammzellen sind während der ganzen Entwicklungszeit eines Menschen sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen vorhanden. Allerdings nimmt der Anteil an Stammzellen und auch ihr Potenzial, verschiedene spezifische Zelltypen zu erzeugen, ab. Solche Zellen können aus adulten oder fötalen Geweben, aus Zellen aus der Innenmasse der Blastozysten, aus Bericht des Studienausschusses über die Nutzung von Stammzellen zu therapeutischen Zwecken – Gesundheitsministerium - Italien 55 Für eine Definition der verschiedenen Arten von Stammzellen siehe Gutachten Nr.15 der Europäischen Ethikgruppe vom 14.11.2000 56 Siehe Beiträge bei der Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 26 April 2001 54 RR\453921DE.doc 61/127 PE 300.127 DE Embryonen oder durch Klonen mittels Zellkerntransfer gewonnen werden. Eine Quelle für embryonale Stammzellen könnte die Nutzung „überzähliger Embryonen“ sein, das heißt die Nutzung von Embryonen, die nicht mehr für die Infertilitätsbehandlung gebraucht werden. Eine andere Möglichkeit könnte die Isolierung embryonaler Stammzellen aus Embryonen sein, die durch Kerntransfer (therapeutisches Klonen) hergestellt wurden. Diese Stammzellen hätten den Vorteil einer immunologischen Verträglichkeit mit dem Patienten. Fötale Stammzellen können aus (aufgrund von Gendefekten) abgetriebenen Föten und dem Nabelschnurblut bei der Geburt gewonnen werden. Adulte Stammzellen können aus einigen für Transplantationen verwandten Geweben wie etwa Knochenmark, Haut und Blut isoliert werden. Eine der Einschränkungen im Zusammenhang mit der Nutzung adulter Stammzellen liegt in der Schwierigkeit, die Zellen zu isolieren, und in ihrer geringen Neigung zur Differenzierung in unterschiedliche Zellen (neueste Studien haben bewiesen, dass adulte Stammzellen das gleiche Differenzierungspotential haben könnten). Eines der Probleme, die bei der Transplantation von Stammzellen auftreten, ist die Immunabwehr beim Empfänger. Strategien zu ihrer Verhütung könnten darin bestehen, dass man über eine Stammzellenbank verfügt, aus der eine dem jeweiligen Empfänger entsprechende Zelllinie entnommen würde, oder in einigen Fällen vielleicht darin, embryonale Stammzellen nach Maß zu produzieren, indem der Kern einer somatischen Zelle mit dem einer gespendeten Eizelle ausgetauscht wird, wobei eine dem Spender entnommene somatische Zelle verwendet würde. Die Stammzellen hätten dann die gleiche Immunstruktur wie der Empfänger. Die Forschung zu diesem Verfahren wurde in den neuesten Gesetzesänderungen im Vereinigten Königreich im wesentlichen zugelassen. Nun muss die Forschung zeigen, welche die wahren Möglichkeiten der Stammzellen sind, und zwar nicht nur der embryonalen sondern auch der anderen Arten. Auf jeden Fall eröffnet die Embryonenforschung einzigartige Horizonte für die Erforschung dieses vielversprechenden Bereichs der Medizin. Die Fragen im Zusammenhang mit der Nutzung verschiedener Arten von Stammzellen (im Hinblick auf mögliche Unterschiede ihrer therapeutischen Wirksamkeit) und die offensichtlichen Auswirkungen auf die Lebensqualität sind so bedeutend, dass sie die derzeitigen strategischen Entscheidungen bei der öffentlichen Forschungsfinanzierung in den meisten Industrieländern tiefgreifend beeinflussen. Es ist klar, dass diese Entscheidungen die Gesundheitspolitik der nächsten Jahrzehnte spürbar beeinflussen könnten, weshalb beträchtliche Investitionen sowohl an wirtschaftlichen als auch humanen Ressourcen im Bereich der Stammzellenbiologie wünschenswert wären. Denn ihr therapeutisches Anwendungspotenzial ist tatsächlich von erheblichem Interesse und könnte zu einer echten Revolution in der Medizin führen, deren Wirkungen auf die menschliche Gesundheit sogar größer sein könnten als die Entdeckung der Antibiotika. Die ethische Bewertung, die man hier vornehmen will, betrifft die Ziele und Methoden einer bestimmten Art der Forschung; denn diese Forschung wird in einem moralisch sehr umstrittenen Umfeld betrieben. Es gibt einen breiten Konsens über den wohltätigen Charakter der Ziele der Stammzellenforschung, die sich mit einem der grundlegenden Ziele der Medizin decken, nämlich Menschen so wirkungsvoll wie möglich zu heilen. Der Streit betrifft die embryonale Herkunft einiger Zelllinien und bestimmte Aspekte der Derivationsmethoden, aber die Zielsetzungen dieses Forschungszweigs mussten in Erinnerung gerufen werden, weil das Bewusstsein um die erhebliche Bedeutung der erwarteten Vorteile die beste Grundlage darstellen kann, um das PE 300.127 DE 62/127 RR\453921DE.doc Ausmaß der moralischen Missbilligung zu reduzieren. Wissenschaftliche Probleme Es ist nicht einfach, einmal übertragene Gene zu einer stabilen Weitergabe zu veranlassen. Schwierig ist auch der Transfer von Genen in eine angemessene Zahl von Zielzellen. Das Gen fügt sich zufällig an einer beliebigen Stelle und in einem beliebigen Chromosom ein. Es besteht unter anderem das Risiko, dass ein Gen, das Krebs unterdrückt, deaktiviert oder ein Onkogen aktiviert werden kann. Und dieser Prozess wäre nicht reversibel. Es bleibt daher eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Fragen zu lösen, bevor man irgendeine klinische Anwendung vornehmen könnte: - Gibt es einen speziellen Spenderzellentyp? Welcher Mechanismus der Reprogrammierung greift bei somatischen Zellen? Wie funktioniert der Synchronisationsmechanismus zwischen der Funktionalität des Kerns und des Wirtzytoplasmas? Welche Signale aktivieren den neu gebildeten Embryo? Welche Signale sind für die Weiterentwicklung dieses Embryotyps erforderlich? Ist es möglich, Stammzellen in Kultur zu einer normalen Differenzierung anzuregen? Sind das hergestellte Gewebe oder die Zellen funktionstüchtig und gesund? Können transplantierte Zellen migrieren? Welche Gefahr besteht, dass diese Zellen sich in Tumorzellen verwandeln?57 c) Die Pharmakogenetik Die Pharmakogenetik untersucht, wie sich die genetischen Unterschiede auf die variable Reaktion der einzelnen Patienten auswirken, denen ein Arzneimittel verabreicht wird.58 Das Ziel besteht letztlich darin, zu einer auf die Person zugeschnittenen Therapie zu gelangen. Heute sind wir auf dem Weg dahin, über genetische Profile zu verfügen, die sich aus den sogenannten „snips“ (single nucleotide polymorphisms) zusammensetzen, die es den Ärzten ermöglichen werden, die Reaktion des einzelnen Patienten auf ein Arzneimittel vorauszusagen und aufgrund dessen zu entscheiden, ob er es verabreichen soll, und wenn ja, in welcher Dosis. Gleichzeitig bietet sich die Möglichkeit, Medikamente nach Maß zu fertigen und zu verabreichen, was vor allem die therapeutische Reaktion verbessert und unnötiges Leiden erspart und in zweiter Linie wirtschaftlich von Vorteil ist, sowohl in der Entwicklungsphase des Medikaments (wo die pharmakologischen Versuchsprotokolle sich durch die Entwicklung dieser Profile erheblich verändern werden) als auch in der Phase der Verabreichung, da verhindert werden kann, dass Medikamente an Patienten verabreicht werden, bei denen diese keinerlei Nutzen haben, sondern sogar schädlich wirken. Hierbei handelt es sich nicht um eine Perspektive für die ferne Zukunft: Schon heute gibt es ein Konsortium aus Pharmaunternehmen, Universitätszentren und privaten Stiftungen59, das Siehe Beitrag von Prof. Bedate – Sitzung vom 26. April 2001 Siehe Beiträge von Prof. Neri und Herrn Goodfellow – Sitzung vom 26. April 2001 59 Vgl. A. Roses, "Pharmacogenetics and Future Drug Development and Delivery", The Lancet, vol. 355, 2000, S. 1358-61; A. Roses, "Pharmacogenetics and the Practice of Medicine", Nature, vol. 405, 2000, S. 85757 58 RR\453921DE.doc 63/127 PE 300.127 DE an einer Datenbank arbeitet, die über das Internet allen zugänglich sein soll und bereits aus etwa 200.000 snips besteht, innerhalb von zwei Jahren allerdings aus rund 800.000 bestehen wird. Die Investitionen liegen in der Größenordnung von mehreren zehn Millionen Dollar, und um sein Interesse an dem Sektor zu bekunden, hat kürzlich das NIH (National Institute of Health) ein pharmakogenetisches Projekt gestartet und mit etwa 13 Millionen Dollar finanziert, das eine Form der gemeinsamen Beteiligung von öffentlicher und privater Seite vorsieht60. Gegenwärtig wird diskutiert, weil erst gegenseitiges Misstrauen überwunden werden muss: Die Privatunternehmen befürchten nämlich bürokratische Ineffizienz bei den öffentlichen Einrichtungen, während diese denken, die Privaten seien nur an Profit interessiert. Genetisch-epidemiologische Datenbanken In einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist eine kleine Anzahl ganz oder teilweise mit öffentlichen Mitteln finanzierter, breit angelegter genetisch-epidemiologischer Datenbanken in der Planungs- bzw. Entwicklungsphase. Vorausgesetzt, dass diese Datenbanken unter Wahrung hoher ethischer Standards erstellt, verwaltet und genutzt werden, stellen diese Datenbanken potenziell wertvolle Forschungsinstrumente dar, die es den europäischen Bürgern ermöglichen, erheblichen Nutzen aus der Genforschung zu ziehen, und europaweit die Investitionsbereitschaft im Bereich der biomedizinischen Wissenschaft erhöhen. Es gibt daher enorme Möglichkeiten für staatlich finanzierte Genforschungsdatenbanken. Die europäischen Gesundheitssysteme sind nämlich eine bedeutende, aber nicht hinreichend genutzte Ressource, die Möglichkeiten für epidemiologische Forschungen und Studien über Krankheiten eröffnen kann, die größere Auswirkungen auf die Lebensqualität der europäischen Bürger haben. Die Europäische Union muss daher beginnen, die von der Genetik gebotenen Möglichkeiten und den Wert der elektronischen Datenbanken im Gesundheitswesen als Ressource für die Forschung aufmerksam zu prüfen. Eine vielversprechende Entwicklung in diesem Bereich kann: - eine Alternative zur somatischen Gentherapie bei der Behandlung genetisch bedingter Krankheiten darstellen, die Wirksamkeit von Arzneimittelverordnungen durch Berücksichtigung des individuellen genetischen Erbes verbessern, zur Entwicklung neuer Arzneimittel führen, zu einer auf die Person zugeschnittenen Verordnung von Arzneimitteln führen. VI.2.3. Ethische und soziale Aspekte Die Embryonenforschung Je nach Mitgliedstaat variiert die Politik zur Embryonenforschung vom totalen Verbot in Deutschland bis zur partiellen Zulassung unter der Voraussetzung einer gesetzlich geregelten 865. 60 Editorial, "The Need for private-public partnerships", Nature Medicine, vol. 6, 2000, S. 481. PE 300.127 DE 64/127 RR\453921DE.doc Genehmigung wie in Großbritannien (siehe Anhang III)61. Grundlegendes Argument ist der Status des Embryo als lebender Organismus mit den Rechten und der Würde eines lebenden Menschen. Auf der einen Seite stehen die Verfechter des Lebens, die der Auffassung sind, dass dieses zum Zeitpunkt der Befruchtung beginnt, andere halten diese These für unhaltbar, weil die Zellen noch nicht differenziert und von potenziellem Nutzen für Menschen seien, die an Krankheiten leiden. Über die moralische Zulässigkeit von Experimenten an menschlichen Embryonen wird bekanntlich eine äußerst kontroverse Diskussion geführt, deren Ursprung in unterschiedlichen ethischen, philosophisch und/oder religiös begründeten Auffassungen liegt, wobei jeder dieser Auffassungen volle Legitimität zuerkannt wird. Angesichts des Ausmaßes und der Radikalität dieser Kontroverse ist es klar, dass dieser Ausschuss (oder jeder andere Ausschuss) nicht die Aufgabe leisten kann, einen Streit zu schlichten, der seine Wurzeln in philosophisch und/oder religiös begründeten anthropologischen Überzeugungen hat. Jede Position findet Zustimmung, und man ist sich darüber im Klaren, dass die bloße Tatsache, dass eine bestimmte Lösung einen breiten Konsens findet, diese nicht richtiger macht als die anderen und ebensowenig eine Delegitimierung der anderen Positionen bedeutet. Die Nutzung überzähliger Embryonen, die also im Rahmen eines Fortpflanzungsvorhabens entstanden sind, aber aus verschiedenen Gründen nicht mehr zur Einpflanzung bestimmt sind, wirft die Frage auf, ob man sich dafür entscheiden soll, einen Teil davon Forschungen zur Verfügung zu stellen, aus denen sich erhebliche Wohltaten für die Menschheit ergeben können, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Alternative darin besteht, ihre Vernichtung hinzunehmen. Wenn man vor einem Dilemma steht, ist es – vom Nichtstun abgesehen, was auf jeden Fall auch eine Entscheidung ist – das Beste, was man tun kann, eine Abwägung der Werte, um die es geht. In neun Mitgliedstaaten der Union gibt es Ethik-Kommissionen und in den anderen bestehen ethische Einrichtungen. Auf Gemeinschaftsebene gibt es die Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien, die einen unabhängigen Status hat und die Kommission, das EP und den Rat zum Thema ethische Werte im Hinblick auf die wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen im Bereich der Gemeinschaftspolitiken berät. Es ist wahrscheinlich und angemessen, dass Entscheidungen weiterhin auf der Ebene der Mitgliedstaaten getroffen werden, während die EU über die Richtung und die Art und Weise befindet, wie sie ihre Forschungs- und Finanzierungsschwerpunkte ausrichten will und in welchen Fällen der Vertrag ihr Tätigwerden rechtfertigt. Wenn man der Logik einer Expansion der Forschung folgt, ist es sicher richtig, dass man vielleicht die Gewinnung der wissenschaftlichen Grundlagenkenntnisse zulassen kann, die einen Übergang zur klinischen Erprobungsphase ermöglichen. Auf der Ebene der Grundsätze wird diese Lösung vielleicht vom Grundsatz der Wohltätigkeit unterstützt, der, wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten, ein gemeinsamer Wesenszug der wichtigsten Morallehren ist, die Ethik der biomedizinischen Forschung inspiriert und Quelle des Verantwortungsgefühls gegenüber leidenden Personen ist. Ganz gleich, welche Stellungnahme dieser Ausschuss am Ende abgeben wird, muss er sich von einer kooperativen und vorsichtigen Haltung leiten lassen, darauf bedacht sein, Auseinandersetzungen soweit wie möglich zu vermeiden, und darauf achten, die verschiedenen Überzeugungen auf diesem Gebiet weitestgehend zu respektieren. Die Stellungnahme der Europäischen Ethikgruppe zur Verwendung und 61 Siehe Anhang III über „die Rechtslage zur Embryonenforschung in den Mitgliedstaaten“. RR\453921DE.doc 65/127 PE 300.127 DE Erforschung von Stammzellen Im November 2000 hat die Europäische Ethikgruppe sich mit einer Stellungnahme zu den ethischen Aspekten der Nutzung und Erforschung von Stammzellen62 geäußert. Es ist interessant festzustellen, wie die Frage anhand eines präzisen Bezugsrahmens, das heißt im Rahmen der Forschungspolitik der Union und der Gesundheitspolitik analysiert wurde. Der allgemeine Ansatz geht von zwei Aspekten aus: - Den ethischen Grundprinzipien: dem Grundsatz der Achtung der Menschenwürde, der Selbstbestimmung des Einzelnen, der Gerechtigkeit und Wohltätigkeit, der Freiheit der Forschung, der Verhältnismäßigkeit und der Vorbeugung; - Dem Pluralismus der „europäischen“ Ethiken: Der Pluralismus ist ein Wesensmerkmal der Europäischen Union, spiegelt den Reichtum ihrer Traditionen wider und ergänzt sie um den Anspruch auf gegenseitige Achtung und Toleranz. Die Achtung der verschiedenen moralischen, ethischen und kulturellen Ansätze ist Teil der ethischen Dimension des Aufbaus einer demokratischen Gesellschaft in Europa. Aus rechtlicher Sicht entspricht die Achtung der Vielfalt Artikel 22 der Charta der Grundrechte und Artikel 6 EGV. Die Europäische Ethikgruppe hat empfohlen, dass die Schaffung von Embryos durch den Transfer von Zellkernen somatischer Zellen („therapeutisches Klonen“) für Forschungszwecke der Zelltherapie zurzeit verfrüht ist, da es noch einen weiten Forschungsbereich gibt, den man mit Hilfe anderer menschlicher Stammzelllinien erkunden kann, nämlich mit überzähligen Embryonen, Fötalgewebe und adulten Stammzellen; einen spezifischen Gemeinschaftshaushalt zur Finanzierung von Forschungen anhand dieser alternativen Quellen, vor allem anhand von erwachsenen Stammzellen, bereitzustellen; auf europäischer Ebene darüber zu wachen, dass die „Forschungsergebnisse umfassende Verbreitung finden und nicht aus kommerziellen Gründen geheimgehalten werden“ (damit wird die Erklärung der Gruppe wieder aufgegriffen, wonach alle Forschungsaktivitäten in den Ländern, in denen die Forschung an menschlichen Embryonen zulässig ist, nur unter der Bedingung genehmigt werden dürfen, dass sie einer strengen öffentlichen Kontrolle unterzogen werden, die von einer zentralen Einrichtung – wie im Fall des Vereinigten Königreichs mit der Human Fertilisation and Embriology Authority – unter Wahrung einer größtmöglichen Transparenz ausgeübt wird); eine mit Gemeinschaftsmitteln finanzierte ethische Bewertung der Stammzellenforschung „vor Projektbeginn und während ihrer Durchführug“ sicherzustellen; Einige Bioethiker unterstreichen, dass jede ethische Uniformität im Bereich der wissenschaftlichen Forschung und der biotechnologischen Anwendungen illusorisch ist. Die Unterschiede sind daher „konstitutiv“ und damit nicht reduzierbar. Die Länder der EU sind gerade durch extrem unterschiedliche Positionen in den grundlegenden Fragen der Bioethik gekennzeichnet.63 Der Berichterstatter unterstützt dieses Argument aber nur teilweise. Auch wenn das nicht das angestrebte Ziel ist, so gibt es doch bereits einen „Embryo der Siehe Stellungnahme Nr. 15 – November 2000 – „Die ethischen Aspekte der Erforschung menschlicher Stammzellen und ihrer Nutzung“ 63 Siehe Beitrag von Frau Prof. Caporale bei der Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 26. April 2001 62 PE 300.127 DE 66/127 RR\453921DE.doc europäischen Ethik“, der aus jenem „gemeinsamen Empfinden“ entsteht, das seinen Ursprung in den internationalen und europäischen Rechtsquellen hat. Es wäre daher vielleicht angebracht, einige Grundsätze wieder aufzugreifen und an die neuen Entwicklungen anzupassen. Dieses „gemeinsame Empfinden“ führte zu einem internationalen Konsens zwischen Politikern und Wissenschaftlern im Hinblick auf die beiden Voraussetzungen, unter denen die Forschung und humangenetische Therapien betrieben werden können: - - es dürften keine Gentherapien an Eizellen und Samenzellen (der Keimbahn) zugelassen werden, da die Ergebnisse an künftige Generationen weitergegeben würden. Therapeutische Anwendungen werden nur bei somatischen Zellen zugelassen, deren Wirkung sich auf den Einzelnen beschränkt; Therapien dürften nur zur Behandlung schwerer Krankheiten, nicht aber zur Verbesserung normaler menschlicher Eigenschaften erlaubt werden64. Aufgeworfene Fragen: - - - - - Wäre es angesichts des Wertes, den jeder dem menschlichen Embryo beimisst, sowie der Entwicklung neuer Therapien wie den Techniken des Kerntransfers (therapeutisches Klonen) möglich oder wünschenswert, eine einheitliche Position durchzusetzen? Welches wäre im Hinblick auf das „Subsidiaritätsprinzip“ das optimale Terrain für eine kollektive Aktion, die eine bessere Reflexion über die Präferenzen der Bürger ermöglicht? Das System der Europäischen Union und vor allem die Zuständigkeit auf diesem Gebiet hat zur Folge, dass die Bürger, die Freizügigkeit genießen, frei entscheiden können, welchem Rechtsrahmen sie sich im Hinblick auf bioethische Fragen unterwerfen wollen. Wollte man einheitliche rechtliche Regeln für das gesamte Territorium der Union schaffen, hätte dies zur Folge, dass die Bürger die EU nicht als eine Chance, sondern als eine unerträgliche Einschränkung ihrer Identität betrachten würden? Ein echter Föderalismus im Bereich der wissenschaftlichen Forschung und ihrer Anwendungen würde es ermöglichen, aus den „best practices" zu lernen. Würde dies ausreichen, um massenhafte Erscheinungen wie einen regelrechten Wissenschafts- und Behandlungstourismus in Staaten außerhalb der Union in Grenzen zu halten, in denen diese Forschungen gestattet sind? Alle Technologien beinhalten Risiken und Nutzen, aber das „Vorsorgeprinzip“ verlangt, dass mögliche Gefahren schwerer wiegen als bewiesene oder erwartete substanzielle Vorteile. Mit anderen Worten: Die Vorsorge verlagert die Beweislast von der Regelungsinstanz, die früher beweisen musste, dass eine neue Technologie zu etwaigen Schäden führen kann, auf den Innovationsträger, der nun beweisen muss, dass die neue Technologie nicht gefährlich ist. Ist dieses von der Europäischen Ethikgruppe unter den ethischen Grundsätzen aufgeführte Prinzip ein gutes Prinzip für die Humangenetik? Oder würde es den Sektor der Biomedizin behindern? Das zentrale Argument, das gegen den absoluten Schutz menschlicher Embryos im frühen Entwicklungsstadium geltend gemacht wird, ist die Duldung der Abtreibung. Kann das Recht auf Ablehnung einer Schwangerschaft aus prinzipiellen Gründen mit dem Anspruch auf Nutzung von Embryos durch Dritte gleichgesetzt werden? Lässt sich ein Schutz vor der Instrumentalisierung von Embryos im Rahmen biomedizinischer Forschung und vor 64 Vgl. Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin des Europarats, Erklärung der UNESCO über das menschliche Genom und Stellungnahmen der Europäischen Ethikgruppe und der nationalen Ethikkommissionen. RR\453921DE.doc 67/127 PE 300.127 DE - - Kommerzialisierung nicht auch vor dem Hintergrund einer gesellschaftlich akzeptierten Praxis des Schwangerschaftsabbruches begründen?65 Kann man wegen der offenen technischen Probleme ein Moratorium über die klinische Anwendung der menschlichen Keimbahntherapie für ausreichend halten? Könnte das „richtige Mittel“ in einer „Aussetzung der Entscheidung“ bestehen? Ist es richtig, wenn man glaubt, jetzt und für alle Zukunft gültige Normen für die heutigen und künftigen Generationen aufstellen zu müssen? Einige Wissenschaftler vertreten die Ansicht, dass das therapeutische Klonen die Durchführung biologischer und medizinischer Handlungen notwendig macht, die erforderlich und ausreichend sind, um auch zu reproduktiven Zwecken zu klonen66. Würde also die Zulassung des therapeutischen Klonens bedeuten, dass ohne jegliches Hindernis auch Forschung im Bereich des reproduktiven Klonens zugelassen würde, wenngleich ansonsten gesagt wird, dass diese Forschung streng verboten sei? VI.3. Denkstrategien für eine Gemeinschaftsintervention, die einen Mehrwert darstellt Es geht daher um eine Abwägung zwischen den Gefahren und den Chancen, welche die Wissenschaft bietet, und nicht darum, die Einführung nützlicher Technologien zu verzögern. Die Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen umfasst nicht nur die Verantwortung für das, was wir tun, sondern auch die Verantwortung für das, was wir unterlassen, obwohl wir theoretisch und praktisch die Möglichkeit dazu hätten. Die Debatte über die Humangenetik und ihre Anwendungen verläuft zufällig und setzt oft nach dem Bekanntwerden eines bestimmten „Produkts“ ein. Wir müssen die Herausforderung annehmen und: - grundlegende ethische Leitlinien formulieren, die so viel Substanz haben, dass sie als Grundlage für eine allgemeine Bewertung der Entwicklung und Nutzung der Humangenetik dienen können und dabei Regeln Berücksichtigung finden, die folgende Aspekte gewährleisten können: Die freiwillige Einwilligung nach Information, die Risiko/Nutzen-Bewertung, den Gesundheitsschutz der Personen, die an klinischen Tests teilnehmen, die wissenschaftliche Bewertung von Stammzellen für therapeutische Zwecke, die Anonymität des Spenders, die Verwaltung von Stammzellenbanken und deren Vertraulichkeit, das Verbot des Handels mit Embryonen, die Ein- und Ausfuhr von Erzeugnissen aus Stammzellen; - den Rahmen für eine öffentliche Diskussion über die Interpretation der ethischen Leitlinien schaffen, um eine Debatte über die Entwicklung und Nutzung der Gentechnik zu eröffnen, bevor sich diese auf breiter Ebene entwickelt und breite Anwendung findet. Die Erfahrung zeigt, dass die Interpretation der Leitlinien nicht denen überlassen werden darf, die spezifische Fälle zu behandeln haben, wie beispielsweise den Behörden und Wissenschaftlern. In einer demokratischen Gesellschaft muss das vernünftige Ziel darin bestehen, sicherzustellen, dass die Entscheidung über die Verwendung genetischer Informationen und der Gentechnik von allen Bereichen der Gesellschaft weitgehend respektiert wird. Es ist daher wichtig, dass die Reflexion über den Einsatz der Gentechnik 65 66 Siehe Beitrag von Frau Professor Kollek – Sitzung des nichtständigen Ausschussesvom 26. April 2001 Siehe Beitrag von Professor Testart – Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 26. April 2001 PE 300.127 DE 68/127 RR\453921DE.doc im Rahmen einer breiteren öffentlichen und demokratischen Debatte stattfindet; - eine integrierte allgemeine und berufliche Bildung, sowie multilaterale Informations- und Diskussionsmaßnahmen fördern. Eine integrierte und multidisziplinäre Bildung entspricht der dringenden Notwendigkeit eines Dialogs zwischen Wissenschaftlern, Unternehmern, Gesetzgebern und gesellschaftlichen Akteuren über die neuen Spitzentechnologien in ihrer ersten Entwicklungsphase und wird zu verantwortungsvollen Entscheidungen führen, die rechtzeitig von Förderpolitiken begleitet werden. Eine Ausweitung der öffentlichen Information und der Debatte auf neue Entwicklungen im Bereich der Biomedizin wird die Verstärkung einer verantwortungsvollen Akzeptanz durch die Öffentlichkeit ermöglichen. Die Regeln, welche die Gesellschaft erarbeiten müsste, um die laufenden Veränderungsprozesse der gegenwärtigen biologischen Revolution zu steuern (was nicht behindern oder verhindern bedeutet), müssen eine Gestaltung der Zukunft zum Ziel haben, um zu vermeiden, dass diese erduldet werden muss, ganz gleich wie sie aussehen mag. Wenn auf der einen Seite Angst und Unwissen zu schädlichen Verboten führen können, kann die Unfähigkeit, zu einem „mitgetragenen Konsens“ zu gelangen, der aus einem echten Dialog der Beteiligten entsteht, dazu führen, dass der Aufbau eines einheitlichen Bezugsrahmens nicht stattfindet und es unmöglich wird, politische Entscheidungen für die Allgemeinheit zu treffen. Insbesondere im Hinblick auf Gentests wirft jede Art von Überlegungen über die enormen medizinischen, rechtlichen, psychologischen und ethischen Folgen eines falschen Ergebnisses von Genanalysen folgende Fragen auf: - - - Wie können Qualität und Sicherheit der Genanalysen in Europa sichergestellt werden? Wie lässt sich der gleichberechtigte Zugang zu Informationen über die Verfügbarkeit, den Wert und die Grenzen von Genanalysen garantieren? Wie kann die Achtung der für die klinische Genetik entscheidenden und auf der Selbstbestimmung beruhenden Werte gewahrt werden (freiwillige Zustimmung nach Aufklärung, Schutz vor Einflussnahme durch Personen/die Gesellschaft, Förderung der eigenständigen Entscheidungsfähigkeit, Vorrang der Rechte und Interessen des Einzelnen vor denen der Gemeinschaft, das Recht zu wissen und nicht zu wissen)? Wie kann eine kompetente genetische Beratung sichergestellt werden, um Missbrauch beim Integrationsprozess der Genanalysen in die klinische Praxis zu vermeiden? Wie lassen sich breit angelegte Bildungsinitiativen fördern, die sowohl an Fachleute als auch an die Öffentlichkeit gerichtet sind, um durch öffentliche und private, staatliche und nichtstaatliche Organisationen und vor allem durch die nationalen Ethik-Kommissionen, die eine größere Nähe zu den Bürgern herstellen und unter Nutzung der neuen Informationstechniken Kommunikationskanäle schaffen müssen, über die Gefahren und Vorteile, aber auch über die Grenzen der Genanalysen zu informieren? Wie lässt sich durch richtige und angemessene Schutzgesetze garantieren, dass genetische Unterschiede von der Gesellschaft respektiert werden? Wie kann ein europäisches Netz von Labors geschaffen werden, das seltene Krankheiten abdecken kann? Mit besonderem Augenmerk auf die Pharmakogenetik: RR\453921DE.doc 69/127 PE 300.127 DE - - Die Schaffung eines in ganz Europa anerkannten harmonisierten Regelungsrahmens, der den Interessen der Öffentlichkeit, der Gesundheit und den Forschungsgemeinschaften Rechnung trägt und klare Vorschriften nicht nur für die Entwicklung, sondern auch die Erprobung und Zulassung neuer Biopharmaka beinhaltet, wird als eine wesentliche Grundlage betrachtet, um eine sichere, positive und verantwortungsvolle Entwicklung der Ergebnisse der neuen biomedizinischen Forschung zu garantieren. Die Existenz einer Vielzahl unterschiedlicher oder zumindest uneinheitlicher Vorschriften auf nationaler Ebene für alle Phasen von der Entwicklung bis zur klinischen Erprobung wird als ein schwerwiegendes Hemmnis betrachtet, das die Entwicklung und Erprobung neuer Biopharmaka auf EU-Ebene erschwert. Eine bestmögliche Nutzung dieser Chance wird den Bürgern der Europäischen Union die Möglichkeit eröffnen, die erheblichen gesundheitlichen Vorteile der Genforschung zu nutzen, und wird in einem immer wettbewerbsorientierteren globalen Umfeld weitere Investitionen in den europäischen Wissenschafts- und Pharmasektor lenken; Stärkere Synergien zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor können es ermöglichen, für alle optimale Ergebnisse im Bereich der Pharmakogenetik zu erreichen, während ohne sie strenge oder zu restriktive staatliche Regeln klare Benachteiligungen auszulösen drohen. VI.4. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Humangenetik (Diagnostik und Therapie) Während der 70er und 80er Jahre erlebten Länder wie das Vereinigte Königreich und die Niederlande die Entstehung der klinischen Genetik, die als unabhängiges Fachgebiet an der Schnittstelle der neuen laborgestützten Gentechnologien und deren Anwendungen stand. Das neue Fachgebiet entwickelte bald einen familiären Ansatz und erlaubte es Verwandten, die Chancen der Wahlmöglichkeit für eine Familienstrategie und Tests zur Verhinderung eines späteren Ausbruchs von Krankheiten wie chronischem Morbus Huntington zu nutzen. Diese Kliniker wurden Experten für die Diagnose seltener Syndrome, da die Diagnose eine wesentliche Voraussetzung für eine genaue Beratung ist. In Ländern mit einem Gesundheitssystem, in dem bei genetischen Erkrankungen die Überweisung an Fachärzte üblich ist, entwickelte sich die professionelle Handhabung genetischer Erkrankungen auf einer breiteren Grundlage, und es entstanden Labors, die mit Universitätsinstituten sowie mit allgemeinen pathologischen und biochemischen Instituten zusammenarbeiten67. Da in genetische Diagnostik und Beratungseinrichtungen zunehmend investiert wird, ist es wahrscheinlich, dass Europa diese Dichotomie weiter fortführt; dort, wo bereits integrierte Genetikzentren bestehen, sind weitere Investitionen wahrscheinlich, während in den Ländern mit weniger entwickelten Genetikeinrichtungen die Entwicklung der Genetik anders verlaufen wird. Wie immer solche Entwicklungen aussehen, müssen diese mit Nachdruck betrieben werden, wenn die Früchte des Human-Genom-Projekts in eine bessere Gesundheitsversorgung umgewandelt werden sollen. Es gibt etwa 6.500 erkannte Phänotypen, von denen annähernd ein Viertel der Gene bestimmt wurden. Insgesamt gesehen betreffen Krankheiten, die durch einzelne Genirregularitäten, Chromosomendefekte und rein genetisch 67 Siehe Beitrag von Prof. J. Burn – Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 13. März 2001 PE 300.127 DE 70/127 RR\453921DE.doc bedingte Missbildungen verursacht werden, eine von 20 Personen bis 25 Jahren. Gentests sind für diese Menschen und deren Familien im Hinblick auf eine bessere Gesundheitsfürsorge von großem Wert. Nach einer zuverlässigen Schätzung wird dieser Bereich in Europa in den nächsten 10-15 Jahren rasch wachsen und in die konventionelle medizinische Praxis Eingang finden, wobei er eine immer größere Rolle bei der Diagnose und der Vorausschau in Bezug auf die Gesundheit des Einzelnen spielen wird. Analyseleistungen können auch auf transnationaler oder transkontinentaler Ebene angeboten werden, da es keinen Grund gibt, weshalb die Analysen in räumlicher Nähe zur Quelle der Probe des Patienten durchgeführt werden sollten. In den Vereinigten Staaten machen einige Firmen bereits im Internet Werbung für öffentlich angebotene Genanalysen. Unter der Voraussetzung, dass eine geeignete Regelungspolitik betrieben wird, ist die Entwicklung eines bedeutenden und wettbewerbsfähigen globalen Marktes für Genuntersuchungen zu erwarten. Der Schlüssel für die Entwicklung von Genanalysen als Dienstleistung besteht darin, dass in jedem Land vollständige Dienstleistungskapazitäten und eine hohe Qualität geboten werden, für die Zuverlässigkeit, Behandlungskapazitäten, Antwortzeiten und Präzision maßgeblich sind. Das finanzielle Engagement in diesem Bereich umfasst einen Gesamtwert an öffentlichen Aufträgen von 1205 Millionen Dollar für den Zeitraum 1996-2000, von denen 404 Millionen an Unternehmen der EU, 636 Millionen an Unternehmen in den USA und 127 an japanische Unternehmen vergeben wurden. Der europäische Beitrag in diesem Bereich ist sehr bedeutend, sowohl in Bezug auf die starken Grundlagenkenntnisse (30 % aller im Jahr 2000 weltweit veröffentlichten Beiträge zur Gentherapie kommen aus der Union), als auch im Hinblick auf die industrielle Wettbewerbsfähigkeit. Die in der Gentherapie tätige europäische Wirtschaft hat vergleichbare Größenordnungen aufzuweisen wie ihr amerikanisches Gegenstück, betrachtet man die Zahl der kleinen und mittleren Unternehmen (26 in der Union und 24 in Nordamerika im Jahr 2000) und die großen Unternehmen der Pharmaindustrie (9 in der EU und 11 in den USA), aber sie scheint in Europa etwas weniger weit fortgeschritten, wenn man die Zahl der Beschäftigten, die Anzahl der unter europäischer Schirmherrschaft durchgeführten klinischen Experimente und die Zahl der börsennotierten Unternehmen betrachtet (4 gegenüber 8)68. Die in der Gentherapie tätigen europäischen Forscher sind sehr marktorientiert. Fast alle neuen Unternehmen wurden von Akademikern mit finanzieller Unterstützung in Form von Risikokapital gegründet und schaffen neues geistiges Eigentum, wobei sie in engem Kontakt mit der Industrie arbeiten. Nach einer Umfrage unter den Universitätslabors und den Unternehmen für genetische Forschung in Europa arbeiten 60 % der Universitätslabors aktiv mit der Industrie zusammen, und alle spezialisierten Unternehmen stehen in aktiver Zusammenarbeit mit dem Universitätsbereich. 45 % der durchgeführten Forschung führte zu Anwendungen für Patienten, und in einem Drittel der Fälle wurden die entsprechenden Lizenzen an die Industrie verkauft. Im Folgenden werden die wichtigsten Daten über die Gentherapie in Europa wiedergegeben. 68 Quelle: Studies on the socio-economic impact of biotechnology - Gene therapy in Europe : exploitation and commercial development – BIO4-98-0380 – European Commission, DG Research RR\453921DE.doc 71/127 PE 300.127 DE VI.4.1 Situation im europäischen Gentherapiesektor69 Die Veränderungen im europäischen Gentherapiesektor sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Alle verfügbaren Daten zeigen ein eindrucksvolles Wachstum dieses Bereichs in den letzten dreieinhalb Jahren. Hervorzuheben wäre vor allem der Anstieg der Zahl klinischer Erprobungen, der Zahl von Unternehmen, welche die Erprobungen organisieren, und der Kooperationen zwischen Unternehmen, da dies ein gutes Indiz für die Reife des Sektors ist. Die Veränderungen, die sich in der gleichen Zeit in diesem Bereich in Nordamerika vollzogen haben, sind dagegen sehr viel weniger dramatisch (Tabelle 2). Der Anstieg der Unternehmenszahl von 50 % lässt sich teilweise durch die Registrierung von Gentherapieunternehmen erklären, die vor 1996 gegründet wurden. Den einzig wichtigen Anstieg gab es bei der Zahl der Kooperationsaktionen US-amerikanischer Unternehmen im Bereich der Gentherapie. Hinter diesem Aspekt verbirgt sich eine der wichtigsten Veränderungen in diesem Bereich, das heißt ein Konsolidierungsprozess, in dessen Verlauf sechs Unternehmen übernommen wurden. Diese Tendenz steht in Europa erst am Anfang, es scheint jedoch sicher zu sein, dass sie sich beschleunigen wird. Zahl der Gentherapieunternehmen Zahl der börsennotierten Unternehmen Zahl der Beschäftigten Zahl der experimentierenden Unternehmen Zahl der klinischen Experimente, die von Unternehmen gesponsort werden Zahl der Kooperationen 1996 Mai 2000 % Veränderung 10 26 +160 1 4 +300 299 3 735 11 +145 +270 5 21 +320 3 39 +1200 Tabelle 1. Veränderungen im europäischen Gentherapiesektor 1996-2000 Zahl der Gentherapieunternehmen Zahl der börsennotierten Unternehmen Zahl der Beschäftigten Zahl der experimentierenden Unternehmen Zahl der Kooperationen 1996 Mai 2000 % Veränderung 16 24 +50 8 8 0 911 14 1009 16 +10 +15 48 123 +150 69 Quelle: Studies on the socio-economic impact of biotechnology - Gene therapy in Europe : exploitation and commercial development – BIO4-98-0380 – European Commission, DG Research PE 300.127 DE 72/127 RR\453921DE.doc Tabelle 2. Veränderungen im nordamerikanischen Gentherapiesektor 1996-2000 Trotz des dramatischen Wachstums der europäischen Industrie und der Konsolidierung der Gentherapieunternehmen in den USA ist die die nordamerikanische Industrie immer noch stärker und reifer. Dies trifft zu, wenn als Vergleichskriterium die Zahl der Beschäftigten, die Zahl der börsennotierten Unternehmen, die Zahl der Unternehmen, die klinische Experimente organisieren, oder auch die Zahl und der Wert der Kooperationen (Tabelle 3) herangezogen wird. Dies gilt vor allem für die Entwicklung von Produkten mit einigen US-amerikanischen Unternehmen, welche die klinischen Erprobungen in den letzten Phasen durchführen. In Europa ist nur Transgene dazu in der Lage. Zahl der Gentherapieunternehmen Zahl der börsennotierten Unternehmen Zahl der Beschäftigten Zahl der experimentierenden Unternehmen Zahl der Kooperationen europäische Industrie amerikanische Industrie % Amerika/ Europa 26 24 -10 4 8 +100 735 11 1009 16 +37 +45 39 123 +215 Tabelle 3. Vergleich der Stärke und Reife der europäischen Gentherapieunternehmen und der entsprechenden Unternehmen in den USA – Mai 2000 Bei den übrigen in der Gentherapie tätigen Unternehmen ist die Zahl der großen Pharma- und Biotechnologieunternehmen mit besonderem Schwerpunkt in der Gentherapie in Europa (9) in etwa mit den USA (11) vergleichbar. Außerdem ist die Zahl der kleinen und mittleren Biotechnologieunternehmen mit bedeutenden Programmen in diesem Bereich in beiden Kontinenten ebenfalls vergleichbar. Abschließend lässt sich sagen, dass der europäische Gentherapiesektor sich in den letzten dreieinhalb Jahren verändert hat und im Hinblick auf Stärke und Reife seinem nordamerikanischen Gegenstück sehr viel ähnlicher geworden ist. VI.4.2. Die nationale und europäische Produktion im Bereich der Gentherapieforschung In diesem Abschnitt wird ein Gesamtüberblick über die Größe und Organisation der Gentherapieforschung im öffentlichen Sektor in Europa vorgelegt. Es wird vor allem die Produktion von Veröffentlichungen in diesem Bereich untersucht. Einzelheiten zur Veröffentlichung von Studien über die Gentherapie in Europa sind in RR\453921DE.doc 73/127 PE 300.127 DE Tabelle 470 für die beiden Zeiträume 1991-1995 (fünf Jahre) und 1996-2000 (vier Jahre und vier Monate) wiedergegeben. Land Österreich Belgien Dänemark Finnland Frankreich Deutschland Griechenland Irland Italien Niederlande Norwegen Portugal Spanien Schweden Schweiz Vereinigtes Königreich Europa insgesamt Welt insgesamt Dokumente über die Gentherapie 1991-1995 % Europa insgesamt Dokumente über die Gentherapie 1996-2000 % Europa insgesamt Prozentuale Veränderung des europäischen Anteils insgesamt 3 2 9 1 100 58 0 0 24 28 0 0 3 2 8 140 0.8 0.5 2.4 0.3 26.4 15.3 0 0 6.3 7.4 0 0 0.8 0.5 2.1 9 25 10 16 194 191 4 1 80 33 3 5 18 20 38 304 0.9 2.6 1.1 1.7 20.4 20.1 0.4 0.1 8.4 3.5 0.3 0.5 1.9 2.1 4.0 32.0 +0.1 +2.1 -1.3 +1.4 -6.0 +4.8 +0.4 +0.1 +2.1 -3.9 +0.3 +0.5 +1.1 +1.6 +1.9 -5.3 379 37.3 951 (+150 %) 100 1465 100 3190 (+117 %) Tabelle 4. Europäische Produktion von Publikationen über Gentherapie (1991-1995) und (1996-2000) Der erste bemerkenswerte Aspekt in der Tabelle 4 ist der enorme Anstieg der Gesamtzahl von Veröffentlichungen über die Gentherapie (+117 %) zwischen den beiden beobachteten Zeiträumen. Der Anstieg bei den europäischen Veröffentlichungen war jedoch noch stärker (+150 %). Der europäische Anteil an der weltweiten Produktion insgesamt stieg damit von 26 % auf 30 % und näherte sich dem durchschnittlichen europäischen Anteil an der gesamten Produktion wissenschaftlicher Veröffentlichungen zur Biomedizin. Da die weltweite Produktion von Veröffentlichungen zur Gentherapie von den USA dominiert wird, scheint sich Europa den USA anzunähern. In Europa wurden wichtige Veränderungen beobachtet. Erstens ist der Anteil des Vereinigten Königreichs und Frankreichs gesunken (5,3 % bzw. 6,3 %). Weltweit betrachtet, ist der Anteil des Vereinigten Königreichs jedoch mit 9,5 % fast stabil geblieben, während der französische Anteil einen leichten Rückgang von 6,8 % in der Zeit von 1991-1995 auf 6,1 % von 199670 Die Informationen zu dieser Tabelle wurden dem Scientific Information's (ISI) Science Citation Index (SCI) entnommen, wobei in den einzelnen Ländern nach Publikationen gesucht wurde, bei denen der Begriff „Gentherapie” im Titel auftrat. Es sei darauf hingewiesen, dass diese Technik zu einer gewissen Zahl von „Doppelzählungen“ führt, wenn die Dokumente von Autoren aus verschiedenen Ländern veröffentlicht werden. Das ISI wertet mehr als 3.500 der weltweit wichtigsten wissenschaftlichen Zeitschriften aus und veröffentlicht das OSCI, das Daten über die Veröffentlichungen enthält, die in den vom ISI anerkannten Zeitschriften zitiert wurden. Es überwiegen die englischsprachigen Länder, da die meisten dieser Zeitschriften englischsprachig sind. Trotzdem ist dies das beste verfügbare Messinstrument für die Produktion von Veröffentlichungen in einem bestimmten Land. PE 300.127 DE 74/127 RR\453921DE.doc 2000 verzeichnete. Die Anteile von Dänemark und den Niederlanden gingen noch stärker zurück. Den stärksten und bemerkenswertesten Anstieg des Anteils an der europäischen Gesamtproduktion verzeichnet Deutschland, das in diesem Bereich traditionell unterrepräsentiert war. Die deutschen Wissenschaftler haben ihren Anteil an der europäischen Produktion von 15 % auf 20 % und bei der weltweiten Produktion um 50 % von 4,0 % auf 6,0 % gesteigert. Dies stellt vermutlich einen Aufholprozess dar und vermittelt ein genaueres Bild der deutschen Stärken im Bereich der biomedizinischen Forschung im allgemeinen. Weitere Länder, in denen eine Verbesserung festzustellen ist, sind Italien und Belgien. VI.4.3 In welchem Umfang wird der Gentherapie im Rahmen der nationalen Forschungsfinanzierungssysteme Vorrang eingeräumt? Der Gentherapie auf nationaler Ebene eine explizite Vorrangstellung einzuräumen oder spezifische Maßnahmen zur Technologieförderung einzuführen, kann ein Mittel sein, um zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten wissenschaftliche Kompetenz im Bereich der Gentherapie entwickeln. Dies ist eine Vorbedingung für daraus resultierende kommerzielle Entwicklungen und ist der erste zu untersuchende Faktor. Die finanziellen Mittel für jedes Land sind in Tabelle 5 zusammengefasst, die auch Daten über die Produktion von Publikationen über die Gentherapie in den einzelnen Ländern, über eine Bewertung des Umfangs der wissenschaftlichen Basis in diesem Bereich und die Existenz von allgemeinen Biotechnologieprogrammen enthält. Insgesamt haben 10 der untersuchten 15 europäischen Länder der Gentherapie eine gewisse Priorität eingeräumt oder eine entsprechende staatliche Politik etabliert. Insbesondere sechs Länder (Österreich, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Schweden und die Schweiz) haben der Gentherapie nationalen Vorrang eingeräumt, und vier von ihnen haben nationale Finanzierungsprogramme dafür erstellt. Drei weitere Länder (Belgien, Norwegen und Vereinigtes Königreich) haben Gentherapiezentren finanziert. Interessant ist die Feststellung, dass in zwei der Länder, die erhebliche Kompetenz im Bereich der Gentherapie vorzuweisen haben (Frankreich und Italien), die wichtigsten öffentlichen Finanzierungsquellen für die Forschung zur Gentherapie nicht Regierungsstellen, sondern karitative Einrichtungen sind. RR\453921DE.doc 75/127 PE 300.127 DE Land % aller europäischen Zitate zur Gentherapie Umfang der nationalen wissenschaftlichen Basis bei der Gentherapie Die Gentherapie wird als vorrangiger nationaler Sektor betrachtet Nationale Gentherapie (Unterprogramm) Finanzierung der Gentherapie Besondere nationale Programme für die Biotechnologie Ja Ja Ja Ja Karitative Einrichtungen, die eine Schlüsselrolle bei der Finanzierung der Gentherapie spielen Ja Ja - Österreich Belgien Dänemark Finnland Frankreich Deutschland Irland Italien Niederlande Norwegen Portugal Spanien Schweden Schweiz Vereinigtes Königreich 1 3 1 2 20 20 8 3 1 2 2 4 32 Gering Mäßig Gering Mäßig Hoch Hoch Sehr gering Hoch Mäßig Sehr gering Mäßig Mäßig Mäßig Mäßig Hoch Ja Ja Ja Ja Ja Ja - Ja Ja Ja Ja (Ja) insgesamt 100 6 4 4 2 10 Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja Ja - Tabelle 5. Nationale Finanzierungspolitiken für den Wissenschaftssektor, mit denen die Expansion der Gentherapie gefördert wird Aus den Daten in der Tabelle geht hervor, dass es keine einfache Beziehung zwischen dem Umfang der wissenschaftlichen Basis – gemessen anhand der Produktion von Publikationen und dem Umfang der Finanzierungspolitiken gibt. Allerdings verfügen wenige der Länder, die als relativ schwach im Bereich der Gentherapie gelten, über konsolidierte spezifische Finanzierungsprogramme zur Förderung der Technologie. Dänemark, Irland, Portugal und Spanien betreiben keine Politiken in diesem Bereich, und obwohl Österreich ein Programm vorweisen kann, ist dieses sehr bescheiden. Die einzige Ausnahme bildet Norwegen, das seit relativ kurzer Zeit erhebliche Investitionen in diesem Bereich vornimmt. Die auf diesem Gebiet stärksten Länder – Frankreich, Deutschland, Italien, Schweiz und Vereinigtes Königreich – haben im allgemeinen spezielle nationale Finanzierungsprogramme oder starke karitative Einrichtungen, welche die Gentherapie explizit als prioritären Sektor finanzieren. Trotz dieser vagen Entsprechung zwischen dem Umfang der wissenschaftlichen Basis und der Existenz spezieller Maßnahmen zur Förderung der Gentherapie ist es schwierig, endgültige Schlussfolgerungen über die Ursachen zu ziehen: Viele der größeren Länder sind in der biotechnologischen Forschung generell stark, und man kann daher annehmen, dass sie unabhängig von speziellen Finanzierungen in der Gentherapie genauso stark sind. Außerdem lässt sich nur schwer ein Urteil über den Wert der Politik auf diesem Sektor abgeben, da viele Initiativen relativ neu sind und zwischen der öffentlichen Investition und der Entwicklung wissenschaftlicher Kompetenz in einem bestimmten Bereich erhebliche Zeit vergehen kann. Eine Feststellung kann man jedoch treffen, nämlich dass die Gentherapie im Rahmen der PE 300.127 DE 76/127 RR\453921DE.doc Forschungsfinanzierungspolitik vieler europäischer Länder seit der Mitte der 90er Jahre eine sehr viel höhere Priorität genießt. Dies führte wahrscheinlich zu einem höheren Finanzierungsniveau bei der Gentherapieforschung und erklärt zum Teil den Anstieg der wissenschaftlichen Produktion in den letzten fünf Jahren. VI.4.4. Denkstrategien für eventuelle Empfehlungen an die Mitgliedstaaten der Union Die biotechnologische Forschung tendiert dazu, sich immer stärker auf eine kleine Zahl multinationaler Großunternehmen zu konzentrieren. Die Behörden auf nationaler, gemeinschaftlicher und internationaler Ebene sollten daher aufgefordert werden, - - die Auswirkungen einer solchen Konzentration zu überprüfen, da sie das öffentliche Interesse beeinflussen können; die Position der kleineren Unternehmen und der nicht gewinnorientierten Organisationen zu schützen; die Unternehmung von Anstrengungen für eine starke, unabhängige und öffentlich finanzierte Forschung zu gewährleisten, die sich auf die Bereiche konzentriert, die kurzoder mittelfristig nur geringe Ertragsmöglichkeiten bieten und von der Privatindustrie vernachlässigt werden, wie die Behandlung von Krankheiten, von denen Arme oder Kinder betroffen sind oder die in den ärmsten Ländern auftreten, sowie die Behandlung von seltenen Krankheiten; die Erforschung der Risiken der Biotechnologie und der Wege zur Vermeidung dieser Risiken zu fördern; die Bildung staatlich-privater Partnerschaften zu unterstützen. VII. Die Nutzung genetischer Informationen Die Verfügbarkeit personenbezogener genetischer Informationen birgt das Risiko neuer Formen der Diskriminierung. Die Probleme im Zusammenhang mit der Genforschung werfen Fragen auf, die den Schutz der Privatsphäre, den Datenschutz und die Einwilligung nach Aufklärung betreffen. Die Öffentlichkeit muss sicher sein, dass die Genforschung mit ausreichenden Garantien für den Schutz der Interessen des Einzelnen und der künftigen Generationen betrieben wird, wobei es aber möglich bleiben muss, die zulässigen und für die Gesellschaft vorteilhaften medizinischen Forschungsaktivitäten voranzubringen. Es wird befürchtet, dass Versicherungsunternehmen und Arbeitgeber diese Daten dazu nutzen könnten, um den Versicherungsschutz oder eine Beschäftigung zu verweigern. Der Zugang zu solchen Informationen muss weiter diskutiert werden, um geeignete Regelungen zu treffen. Genetische Daten gelten als sehr spezielle Informationen. Sie können wichtige Informationen nicht nur über die untersuchte Person, sondern auch über die Mitglieder ihrer Familie enthüllen und letztlich große Auswirkungen auf das Leben und den Lebensstil eines Einzelnen haben, d. h. auch im Hinblick auf die Familienplanung. Die Datenschutzbestimmungen beinhalten Aspekte wie Vertraulichkeit, Anonymität, Vermarktung, Zugang zu Informationen, Versicherung, Arbeitgeber usw. Es könnte notwendig werden, die Richtlinie 1995/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr zu aktualisieren. RR\453921DE.doc 77/127 PE 300.127 DE Die politischen Verantwortlichen müssen sich die Frage stellen, wie der Datenschutz in diesem Bereich gewährleistet werden kann. Kann die Frage der Regelung der DNA-Analyse auf nationaler Ebene gelöst werden? Oder müssen im Rahmen eines Binnenmarktes bestimmte Grundsätze auf europäischer Ebene festgelegt werden? Sehr wahrscheinlich wird es erforderlich sein, anhand der Datenschutzrichtlinie von 1995 eine europäische Rechtsordnung über die Nutzung von Tests bei Einstellungen oder beim Abschluss von Versicherungsverträgen zu schaffen. Auch die Charta der Grundrechte besagt in Art. 21, dass die genetischen Merkmale zu den Kriterien zählen, die eine Diskriminierung ausschließen. Muss die Tatsache, dass die medizinischen Risiken und Veranlagungen eines Einzelnen wissenschaftlich besser abgesichert sind, für die Versicherungen Einschränkungen im Hinblick auf die Kenntnis der Patientenakte für den Fall bedeuten, dass Gentests vorgenommen werden? Das EP hat sich vor kurzem mit der Entschließung des Abgeordneten Purvis zu diesem Thema geäußert: „Die Verwendung von und der Zugang zu personenbezogenen genetischen Daten durch Dritte müssen im Hinblick auf eine gesetzliche Regelung erörtert werden, in deren Mittelpunkt der Schutz der persönlichen Integrität sowie die zwingend vorgeschriebene Zustimmung der betroffenen Person stehen. Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, das Recht des Einzelnen auf Vertraulichkeit genetischer Daten zu schützen und dafür zu sorgen, dass die Ermittlung genetischer Profile für Zwecke eingesetzt wird, die den einzelnen Patienten und der Allgemeinheit nützen; von diesem allgemeinen Grundsatz der Vertraulichkeit sollte ausnahmsweise in den Fällen abgegangen werden, in denen die in DNA-Datenbanken gespeicherten genetischen Fingerabdrücke zur Überführung und Verurteilung von Straftätern herangezogen werden“71 VIII. Die Patentierbarkeit von lebendem Material Die Patentierbarkeit des menschlichen Genoms war seit Mitte der 80er Jahre in der Europäischen Union Gegenstand einer kontroversen Debatte. Angesichts der Tatsache, dass es auf Gemeinschaftsebene keinen Rechtsrahmen gab, der sich gezielt mit dem Schutz der Prozesse und Produkte des neuen Biotechnologiesektors befasste, haben das Europäische Parlament und der Rat 1998 die Richtlinie 1998/44 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen72 angenommen, um die Grenzen der Patentierbarkeit von „biologischem Material“ und damit auch von Gensequenzen zu präzisieren, und auch um zu versuchen, eine Antwort auf solche Streitfragen zu geben. VIII.1 Rechtsrahmen der Gemeinschaft Auf Gemeinschaftsebene gibt es noch keine einschlägige Rechtsordnung, die mit einer einzigen Hinterlegung den Erwerb eines in allen Mitgliedstaaten gültigen Patents möglich 71 Entschließung A5-0080/2001 des Europäischen Parlaments zur Zukunft der Biotechnologieindustrie Richtlinie 1998/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen 72 PE 300.127 DE 78/127 RR\453921DE.doc macht. Daher hat die Europäische Union 1986 beim Start für die Schaffung des Binnenmarkts beschlossen, auf eine Annäherung der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten in wirtschaftlicher und währungspolitischer Hinsicht hinzuarbeiten. Dies machte unter anderem die Schaffung eines angemessenen Gemeinschaftsinstruments notwendig, um in einem globalen Markt die Ergebnisse europäischer Erfindungen vor potenziellen Konkurrenten aus anderen Industriestaaten wie den USA, Kanada und Japan zu schützen. Bereits mit der Mitteilung (KOM (94)219 zeigte die Kommission einige mögliche operative Linien für den Biotechnologiesektor auf, die im “Weißbuch 1993 über Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung” von Jacques Delors enthalten sind, wobei sie die Notwendigkeit einer Beseitigung der bei den öffentlich und privat finanzierten Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten (F&E) festgestellten Defizite unterstrich. Sie schlug vor, die Hilfen unter breiterer Beteiligung der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) auf einige besonders vielversprechende Bereiche der F&E zu fokussieren, mit dem zweifachen Ziel: einer Sensibilisierung der Unternehmer in den Mitgliedstaaten für die Bedeutung der Entwicklung in den Anwendungssektoren der Biotechnologie (Landwirtschaft, Medizin, Nahrungsmittel, Umwelt) unter Hinweis auf positive Rückwirkungen auf Wirtschaft und Beschäftigung; einer Vertiefung der Diskussion über ethische Aspekte unter Stärkung der vorhandenen Rechtsinstrumente, zwecks Kontrolle der Sektoren, in denen sich die Frage der direkten Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt mit größerer Brisanz stellt. Ausgehend von dieser ersten Mitteilung hat die Kommission mit der Vorbereitung von Orientierungsinstrumenten (Empfehlungen) und Rechtsinstrumenten (Richtlinien und Verordnungen) begonnen, zur: Verstärkung und Koordinierung – zwischen den und innerhalb der Forschungsprogramme der Mitgliedstaaten - der wissenschaftlichen Beratung als besonders wichtigem Element (schneller Zugang zu wissenschaftlichen Grundlagen und Verfügbarkeit hochqualifizierten Personals); Ermutigung der Mitgliedstaaten, die Entwicklung der KMU zu fördern, die im Biotechnologiesektor eine Vorreiterrolle spielen; Verstärkung des Wachstums von “Wissenschaftsparks” (Zusammenarbeit zwischen KMU und Universitäten im Einvernehmen mit den Lokal- und Regionalverwaltungen); Verbesserung der Patentinformation auf Gemeinschaftsebene und zur Erleichterung des Zugangs zu diesen Informationen; Unterstützung der F&E-Aktivitäten, des Starts und der Expansion kommerzieller Aktivitäten, der Schaffung von Hochtechnologiezentren und eines förderlichen Steuerklimas; Schärfung des Profils ihrer bereits bestehenden Beratergruppe (Gruppe der Berater für Bioethik auf Gemeinschaftsebene). Danach hat die Europäische Union nach Feststellung des Fortbestehens des Innovationsdefizits mit dem “Ersten Aktionsplan für Innovation in Europa” (KOM(95) 688 endgültig) die Notwendigkeit bekräftigt, zu einem globalen Problemansatz zu gelangen, um die technologischen Aspekte, die Bildung, die Entwicklung von Risikokapital sowie den rechtlichen und administrativen Rahmen innerhalb ihres Territoriums zu integrieren. Sie hat auch die Existenz zu vieler Unterschiede in den verschiedenen Sektoren auf nationaler und regionaler Ebene unterstrichen und 1996 beim Europäischen Rat in Florenz klar erklärt, dass RR\453921DE.doc 79/127 PE 300.127 DE “der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit weiterhin die vorrangige Sorge der Union und ihrer Mitgliedstaaten bleiben muss” und hat eine Strategie zur Schließung dieser Defizite erarbeitet. Sie hat daher “die Kommission zur Erarbeitung eines Aktionsplans über die zu ergreifenden Maßnahmen im Bereich der Innovation aufgefordert”. Das “Weißbuch über Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung” erkennt der modernen Biotechnologie den Rang eines der Sektoren zu, die das größte Wachstums- und Innovationspotenzial bieten, gerade weil die praktischen Anwendungen der Forschung bei der Biotechnologie in ganz unterschiedlichen Bereichen wie Gesundheit, Chemie, Industrie, Ernährung und Futtermittel, Landwirtschaft und Umwelt besonders interessant sein können. Außerdem lassen die künftigen Entwicklungen der Biotechnologie steigende Investitionen in den Bereichen Zulieferungen, Dienstleistungen und Produkte erwarten, was positive Auswirkungen auf die Beschäftigungslage hat. Seit 1991 hat die Kommission somit erkannt, dass die Biotechnologie ein Schlüsselbereich für die künftige Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit der Gemeinschaft ist und dass sie eine immer entscheidendere Rolle für die Erhaltung einer Spitzenposition der europäischen Industrie bei der Entwicklung innovativer Produkte spielen wird. Dies setzt den Einsatz der modernsten gentechnischen Verfahren voraus, was Auswirkungen auf verschiedene Prozesse und Produkte hat, und es kommt daher entscheidend darauf an, dass ein so innovativer Bereich sich in einem angemessenen Rechtsrahmen entfalten kann, um schwer vorhersehbare Verwerfungen zu vermeiden. In den Bereichen Information, Umwelt, Gesundheit, Ernährung und Kultur entwickeln sich nämlich weltweit neue Märkte, und es entsteht eine Nachfrage an neuen Produkten und neuen Dienstleistungen. Die Arbeitsplätze der Zukunft werden in Europa von der Fähigkeit zur Innovation abhängen, um diesen neuen Anforderungen zu entsprechen, und diese Innovationsfähigkeit wird vor allem in den Hochtechnologiesektoren für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und der Beschäftigung in diesen Sektoren entscheidend sein. Die einzigen europäischen Rechtsvorschriften, die im Bereich des gewerblichen Schutzrechts existieren, wurden bisher außerhalb der Regeln des Gemeinschaftsrechts vom Europäischen Patentamt in München durch das Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente verwaltet, dem zwanzig Vertragstaaten beigetreten sind, die ihre eigenen Rechtsvorschriften daran angepasst haben. So besteht neben den einzelstaatlichen Vorschriften, die von diesem Übereinkommen beeinflusst sind, separat die europäische Rechtsordnung73. VIII.2. Patentinnovation als Motor der Forschung Das Patent, das die Forschung begleitet und ihr folgt, ist einerseits das nützlichste industriepolitische Instrument, mit dem man sich nach der Anerkennung des „The patentability of living organisms: science and ethics“ (Die Patentierbarkeit lebender Organismen: Wissenschaft und Ethik) (Forum „Trends in experimental and clinical medicine“) G. Morelli Gradi –. Das am 5. Oktober 1973 in München unterzeichnete Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente sichert durch ein einziges Prüfverfahren die Erteilung einer Palette von Patenten, deren Gültigkeit und Wirksamkeit in den 20 Vertragstaaten des Übereinkommens durch die Forderung und Hinterlegung einer entsprechenden Anzahl von Übersetzungen in die jeweiligen Sprachen sichergestellt wird. Danach geht das Patent in den institutionellen Rechtsrahmen der einzelnen Staaten ein und ist insofern den Verfahren gemäß den verschiedenen nationalen Rechtsordnungen und gemäß der Rechtsprechung der jeweiligen Gerichte unterworfen. 73 PE 300.127 DE 80/127 RR\453921DE.doc Ausschließlichkeitsrechts an einer Erfindung ein entsprechendes Entgelt sichern kann. Andererseits ist es das direkteste Mittel, um das vorhandene neue Wissen zu publizieren und den Experten dieses Bereichs zur Verfügung zu stellen. Es gibt viele Definitionen für den Begriff Patent, aber die treffendste scheint uns die zu sein, in der es als “ein Vertrag zwischen dem Erfinder und der Allgemeinheit, vertreten durch den Staat” bezeichnet wird. Der Staat verpflichtet sich zur Bereitstellung der vorwiegend rechtlichen Instrumente, die für die Gewährleistung des Rechts und somit des dem Erfinder gewährten Exklusivrechts erforderlich sind. Der Erfinder hingegen liefert eine Informationsschrift, die der Allgemeinheit für deren Fortschritt zur Verfügung gestellt wird. In diesem Zusammenhang belohnt der Staat den Erfinder, indem er ihm die Möglichkeit einer ausschließlichen Nutzung seines Patents für eine bestimmte Zahl von Jahren garantiert (20 bei einen Erfinderpatent). Diese Möglichkeit beinhaltet das ausschließliche Recht, die Erfindung herzustellen, zu verkaufen und zu nutzen oder sie mittels Exklusivlizenzen oder nicht exklusiven Nutzungslizenzen an andere weiterzugeben, womit gewährleistet ist, dass angemessene Instrumente des technologischen Fortschritts dem Markt nicht vorenthalten bleiben. Ein Patent hat außerdem einen bedeutenden wirtschaftlichen Wert, da es eine der wirkungsvollsten Möglichkeiten zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung darstellt, da es Menschen und Kapital auf sie lenkt. Die Zahl der Patenterteilungen wird daher in den Mitgliedsländern der WTO (Welthandelsorganisation) als Indikator für die technologische Entwicklung und das Wettbewerbspotenzial verwendet74. Patente sind zur Einkommenssicherung für ihre Inhaber und als Investitionsanreize notwendig. Die Entwicklung eines neuen Produkts kostet zwischen 800 und 1000 Millionen Euro. Nach geltendem europäischem Recht muss eine Erfindung grundsätzlich drei Anforderungen erfüllen, um patentierbar zu sein: 1. es muss sich um eine neue Erfindung handeln; 2. sie muss eine erfinderische Tätigkeit beinhalten; 3. sie muss gewerblich anwendbar sein. Im Hinblick auf die Möglichkeit einer Patentierung lebenden Materials ist es sehr wichtig, eine klare Unterscheidung zu treffen, die jedoch bereits im europäischen Recht existiert, die Unterscheidung zwischen “Entdeckung” und “Erfindung”, wobei erstere nicht patentierbar ist. Eine Entdeckung bedeutet ein neues Wissen, während eine Erfindung eine praktische Anwendung des Wissens darstellt, die in identischer Form in jeder Art von Industrie, einschließlich der Agroindustrie, reproduzierbar ist oder die Möglichkeit einer gewerblichen Nutzung bietet. Es gibt hingegen einen gewissen Unterschied zum US-amerikanischen Recht, in dem der Begriff “Erfindung” oft keine klare Unterscheidung beinhaltet, sondern sowohl Erfindung als auch Entdeckung bedeuten kann. Es besteht daher die Gefahr, dass einige in der Biotechnologie tätige Unternehmen – oft multinationale Konzerne – die im Besitz von nach US-amerikanischem Recht erteilten Ausschließlichkeitsrechten sind, Patente nutzen können, obwohl diese nicht die klassischen Anforderungen erfüllen, und zwar nur um zu verhindern, dass die darin enthaltenen wissenschaftlichen Informationen verbreitet und von anderen 74 ebenda vorausgehende Fußnote RR\453921DE.doc 81/127 PE 300.127 DE Wissenschaftlern für einen korrekten Schutz besonderer Gene oder Gensequenzen genutzt werden. Anders als bei anderen Sektoren haben biotechnologische und biomedizinische Innovationen jedoch mit lebenden Organismen zu tun, weshalb diese grundlegende Unterscheidung zwischen Erfindungen und Entdeckungen schwieriger ist, anhand derer sich die Fälle, in denen das Patentrecht anwendbar ist von denen unterscheiden lassen, in denen sie es nicht ist. Während in den Vereinigten Staaten sowohl Erfindungen als auch Entdeckungen von etwas in der Natur bereits Vorhandenem patentiert werden können, sind in den europäischen Ländern nur Erfindungen patentierbar. VIII.3 Die Richtlinie 1998/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen Die Richtlinie 1998/44/EG bietet eine klare Orientierung sowohl im Bereich der biotechnologischen Erzeugnisse für den medizinisch-gesundheitlichen Sektor als auch im Agrarsektor und verwendet den Grundbegriff, der dem Patentrecht eigen ist und auch im TRIPs-Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums75 aufgegriffen wird. Danach sind Erfindungen, deren Nutzung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde, von der Patentierung ausgeschlossen. Die aus 18 Artikeln und 56 Erwägungsgründen bestehende Richtlinie 1998/44/EG wurde von der Kommission erarbeitet, um das bestehende Patentrecht nicht umzustoßen, und verfolgt ausschließlich folgendes Ziel: - Sicherstellung der Freizügigkeit der patentierten Biotechnologieprodukte durch Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten; Gewährleistung der Einhaltung des am 5. Oktober 1973 in München unterzeichneten Europäischen Patentübereinkommens (EPC), der von den Regierungen der Mitgliedstaaten im Rahmen der Uruguay-Runde des GATT unterzeichneten TRIPsÜbereinkommen (Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights) sowie des Übereinkommens von Rio de Janeiro über die biologische Vielfalt vom 5. Juni 1992. Sie besteht aus einer Reihe von Definitionen und Interpretationsregeln zur Präzisierung dessen, was patentierbar oder nicht patentierbar ist, und zur Lösung von Abgrenzungsproblemen des Patentsystems bei seiner Anwendung auf die verschiedenen Bereiche der Biotechnologie. Präzisiert wird vor allem der Unterschied zwischen Entdeckung und Erfindung, wobei die notwendigen Hinweise für einen wirksamen Schutz der entsprechenden Produkte gegeben werden. Sie enthält außerdem neben technischen Vorschriften Aspekte, welche der ethischen Dimension der Patentierung lebenden Materials Rechnung tragen, sowie Erläuterungen, die mit den Vorschlägen des Europäischen Parlaments übereinstimmen. Im Einzelnen wird ausdrücklich ausgeschlossen: - die Patentierung des menschlichen Körpers und seiner Teile im natürlichen Zustand (Art. 5)76 TRIPs –Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights, im Rahmen der GATT-Verhandlungen am 15. April 1994 in Marrakesch unterzeichnet 76 Dieser Ausschluss entspricht den Bestimmungen gemäß Art. 21 (Kapitel VII) des “Übereinkommens zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin” – “Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin” vom 14. April 1997, Oviedo, in dem es 75 PE 300.127 DE 82/127 RR\453921DE.doc - - - - - die Patentierung neuer Pflanzensorten oder Tierrassen und der im wesentlichen biologischen Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren (Art. 4); von der Patentierung ausgeschlossen werden ebenfalls Erfindungen, die gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten verstoßen (Art. 6), im Einklang mit Artikel 53 des Europäischen Patentübereinkommens (EPC), das in die entsprechenden nationalen Rechtsvorschriften der dem Übereinkommen beigetretenen Mitgliedstaaten Eingang gefunden hat; in diesem letztgenannten Artikel wird auch bekräftigt, dass nicht patentierbar sind: „Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen; Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des menschlichen Lebewesens; die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken“, ebenso “Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren ... ohne wesentlichen medizinischen Nutzen für den Menschen“ (es bleibt nur die Möglichkeit, mit Hilfe von „Tiermodellen“ neue Medikamente zu erforschen, die für die Behandlung schwerer, für den Menschen oft tödlicher Krankheiten wie Krebs, Hepatitis oder AIDS von Nutzen sind); Außerdem werden die Rechte der Landwirte garantiert, denen es erlaubt ist, im eigenen Betrieb patentrechtlich geschütztes Erntegut wieder auszusäen und das geschützte Vieh zur Viehzucht zu verwenden, ohne an die Patentinhaber hohe Lizenzgebühren zu bezahlen (Art. 11); Es ist auch vorgesehen, dass ein Pflanzenzüchter Anspruch auf die Erteilung einer Zwangslizenz hat, sofern er eine patentierte Pflanze zur Züchtung einer neuen Sorte verwerten möchte (Art. 12); die Kommission wird verpflichtet, „alle fünf Jahre“ „einen Bericht zu der Frage, ob durch diese Richtlinie im Hinblick auf internationale Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte, denen die Mitgliedstaaten beigetreten sind, Probleme entstanden sind“. Sie übermittelt diesen Bericht dem EP und dem Rat (Art. 16). Die oben genannten Artikel stellen die Grundprinzipien zur Verbesserung und Vervollständigung des Anwendungsbereichs des bestehenden Patentrechts dar, wobei man sich auf die notwendigen Teile zur Anpassung an die neuesten und wichtigsten wissenschaftlichen Entwicklungen beschränkt. Sowohl die Kommission als auch die Mitgliedstaaten und die Europaabgeordneten sind sich jedoch der Notwendigkeit bewusst, dass die neuen Vorschriften vollständigere Interpretationsgrundsätze anbieten müssen. Zu diesem Zweck wurden die 18 Basisartikeln um nicht weniger als 56 „Erwägungsgründe“ ergänzt, die der Auslegung der komplexen Materie dienen, um den für die Erteilung der Rechte zuständigen Prüfern und den mit der Beurteilung der Gültigkeit dieser Rechte befassten Richtern bei der Erstellung einheitlicher Bewertungen zu helfen. Die Richtlinie sieht ein Gleichgewicht zwischen Erfinderrecht und ethischen Grundsätzen vor. Aber gerade im Zuge der Annahme dieses Rechtsakts der Gemeinschaft entwickelt sich in jüngster Zeit eine breite Debatte über die Notwendigkeit einer klareren Definition der in den Patentsystemen der USA verwendeten Patentierbarkeitskriterien im Vergleich zu denen der EU, vor allem bezüglich der Patentierung von Gensequenzen. Nach amerikanischem Recht, heißt: “Der menschliche Körper und Teile davon dürfen als solche nicht zur Erzielung eines finanziellen Gewinns verwendet werden”. Hiermit wird auch den Erklärungen der Gruppe der Berater für Bioethik der EGKommission in der Stellungnahme Nr. 3 vom 1. Oktober 1993 Rechnung getragen, die sich gegen die gewerbliche Nutzung des menschlichen Körpers und seiner Teile als solche ausgesprochen hat. RR\453921DE.doc 83/127 PE 300.127 DE das eine viel breitere Auslegung kennt, reicht es für den Erwerb eines Patentschutzes nämlich aus, dass das Resultat der „erfinderischen Tätigkeit“ „neu/nicht naheliegend/nutzbar“ ist (USA), während die notwendigen Kriterien nach europäischem Recht sich mit „Neuheit/erfinderischer Tätigkeit/gewerblicher Anwendbarkeit“ (EU) zusammenfassen lassen. Dies beinhaltet für das europäische System die Verwendung restriktiverer Kriterien bei der Erteilung eines Patentschutzes, auch und vor allem, um zu vermeiden, dass eine Entdeckung mit einer Erfindung verwechselt wird. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die NichtPatentierbarkeit von Sequenzen des menschlichen Genoms zur Folge haben kann, dass potenzielle gewerbliche Nutzer dieser Erzeugnisse die Wissenschaftler aus gewerblichen Gründen dazu zwingen, ihre Forschungen geheim zu halten und das Patentinstrument nicht zu nutzen. Die EU ist dagegen immer stärker davon überzeugt, dass ein geeignetes Rechtsinstrument wie die Richtlinie 1998/44 auch in den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten angewandt werden muss, um den Informationen aus den Forschungslabors ans Licht zu verhelfen. Patente müssen verfügbar sein, um die finanziellen Interessen der Erfinder und Unternehmer dieses Sektors zu schützen. Daher muss genau definiert werden, was patentierbar ist. Die Erteilung zu vager und umfassender Patentrechte kann die Forschung behindern und muss verboten werden. Die Gemeinschaft muss diese Grundsätze in den internationalen Verhandlungen zur Revision des TRIPs-Übereinkommes (handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums) weiterhin verfolgen. VIII.4 Humangenom Die Kartierung des menschlichen Genoms, die im vergangenen Jahr von der amerikanischen Firma Celera Genomics und der Humangenom-Projektgruppe abgeschlossen wurde, löste innerhalb der Europäischen Union eine lebhafte Debatte über die Patentierbarkeit menschlicher Gene aus.77 Die Sequenzierung des Genoms löste einen beispiellosen Wettlauf um die künftige „Genbeute“ aus78. Die Fähigkeit, Gene zu isolieren, zu identifizieren und neu zusammenzusetzen, macht nämlich zum ersten Mal einen gemeinsamen Genfundus als Rohstoffressource verfügbar79, deren wirtschaftliche Nutzung durch die mögliche Erteilung von Patenten unterstützt würde. Weltunternehmen auf dem Sektor der Biowissenschaften wie Novartis, Glaxo-Wellcome, Smithkline Beecham, DuPont sind rasch aktiv geworden, um Einfluss und Kontrolle über den neuen Genhandel auszuüben80. „Mappatura del genoma umano e brevettabilità delle sequenze geniche“ (Kartierung des menschlichen Genoms und Patentierbarkeit von Gensequenzen) - Eleonora Palerma – Fondazione Basso – Februar 2001 78 Jeremy Rifkin bezeichnet die Gene in seinem Werk „Das Biotech-Zeitalter“ als das grüne Gold des neuen Jahrhunderts. Die wirtschaftlichen und politischen Mächte, die die genetischen Ressourcen der Erde kontrollieren, werden eine riesige Macht über die Zukunft der Weltwirtschaft ausüben, so wie der Eintritt in das Industriezeitalter und die Kontrolle über die fossilen Energieträger und die Edelmetalle dazu beitrugen, die Vorherrschaft auf den Weltmärkten zu etablieren. 79 Die gentechnischen Verfahren ermöglichen es nämlich den großen Biotechnologieunternehmen, genetische Ressourcen gezielt für wirtschaftliche Zwecke zu lokalisieren, zu manipulieren und zu nutzen. 80 Typisch für diesen Trend ist die mutige Entscheidung der bei Chemieprodukten weltweit führenden 77 PE 300.127 DE 84/127 RR\453921DE.doc Nach jüngsten Statistiken wurden in den Vereinigten Staaten, Europa und Japan Patente für 161.195 vollständige menschliche Gene oder Teile davon erteilt bzw. beantragt, welche die unterschiedlichsten biologischen Prozesse des Menschen wie etwa des Herzens, des Gehirns, der Knochen, des Blutes, des Immunsystems usw. steuern. Mit der Patentierung eines Gens sichert man sich nämlich das Recht auf Nutzung jeder Gentherapie oder jedes Medikaments im Zusammenhang mit der Funktion des DNA-Teilstücks, für welches das Patent erteilt wurde. Aber wie richtig ist es, dass einzelne Gene oder Teile davon ein monopolisiertes Gut in den Händen einer einzigen Firma sind? Und vor allem, wie richtig ist es, dass die Kontrolle über den Zeitpunkt und die Umstände der Verbreitung neuen Wissens, das sicherlich enorme Auswirkungen auf die Gesundheit der ganzen Menschheit hat, einer einzigen Firma zuerkannt wird? Angesichts dieser Fragen muss der Gesetzgeber auf nationaler wie auf internationaler Ebene die Frage der Patente und des Eigentums an genetischen Informationen im Hinblick auf die Grundprinzipien der Demokratie klarer definieren, von denen die Menschheit auch im Zeitalter der modernen biomedizinischen Technologien weiterhin geleitet werden muss. VIII.5 Patentierbarkeit von Gensequenzen Um die Probleme im Zusammenhang mit der Patentierbarkeit von Genen anzugehen und besser zu verstehen, ist es nützlich, die in der Richtlinie 1998/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen81 enthaltenen einschlägigen Bestimmungen zu verwenden. Diese Richtlinie wurde erlassen, um die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Bereich der Patente zu vereinheitlichen82 und regelt gerade die Frage der Patentierbarkeit lebender Organismen83, indem sie eine Reihe spezifischer Vorschriften zum Thema Gensequenzen aufstellt. Gemäß Artikel 584 stellt die bloße Kenntnis der Sequenz menschlicher Gene eine Entdeckung Monsanto Corporation, die sich 1997 von ihrem kompletten Chemiesektor trennte, um ihre Forschung, ihre Entwicklung und ihr Marketing auf biotechnologische Verfahren und Produkte auszurichten. Die internationalen Konzerne haben in kurzer Zeit Biotechnik-Start-Up-Unternehmen sowie Pharma-, Medizin- und Gesundheitsunternehmen aufgekauft und damit eine große Machtkonzentration geschaffen. Die Pharmariesen erwerben zurzeit Aktienbeteiligungen und schließen Forschungsabkommen mit vielen Humangenomfirmen ab. 81 ABL. Europäische Gemeinschaften Nr. 90 vom 16. November 1998 82 Nach Art. 3 der Richtlinie 1998/44/EG können Erfindungen, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind, auch dann patentiert werden, wenn sie ein Erzeugnis, das aus biologischem Material besteht oder dieses enthält, oder ein Verfahren, mit dem biologisches Material hergestellt, bearbeitet oder verwendet wird, zum Gegenstand haben. Biologisches Material, das mit Hilfe eines technischen Verfahrens aus seiner natürlichen Umgebung isoliert oder hergestellt wird, kann auch dann Gegenstand einer Erfindung sein, wenn es in der Natur schon vorhanden war. 83 In einem Vortrag an der Juristischen Fakultät der Universität Bari unterstreicht Jean Pierre Clavier von der Universität Nantes, dass man es hier mit einer Richtlinie zu tun hat, die in zweifacher Hinsicht bedeutend ist. Erstens, weil das Patentrecht ín Italien mit seinen Wurzeln in einer Zeit, dem Ende der 60er Jahre, in der die Voraussetzungen für Technologien, deren Gegenstand Lebewesen sind, erst ansatzweise vorhanden waren, eigentlich eher auf die Behandlung rein mechanischer oder chemischer Erfindungen ausgerichtet zu sein scheint, was angesichts von Innovationen im Zusammenhang mit der Biotechnologie und der Biomedizin nicht unerhebliche Auslegungsschwierigkeiten für die Juristen mit sich bringt. Zweitens, weil der Umgang mit dieser Materie eine sehr wichtige ethische Dimension hat, vor allem wegen der grundlegenden Fragen über die echten Gefahren, die mit der Verbreitung der neuen Biotechnologien, wie dem Klonen, der Eugenik, der Verarmung des Genpools usw. zusammenhängen. 84 Dieser Artikel legt fest: „ Der menschliche Körper in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und RR\453921DE.doc 85/127 PE 300.127 DE dar (es liegt daher jedesmal eine Entdeckung vor, wenn eine Nukleotidsequenz isoliert und ihre Struktur beschrieben wird, ohne dass dafür eine bestimmte Nutzung vorläge). Es handelt sich dagegen um eine Erfindung, wenn festgestellt wird, dass diese DNA-Sequenz ein bestimmtes Protein kodiert, dessen Nutzen für die Behandlung einer bestimmten Krankheit bewiesen ist. Alles, was keinen Hinweis auf die Nutzbarkeit enthält, entspricht daher nicht der präzisen Anforderung der gewerblichen Anwendbarkeit85, wie in Artikel 5 Absatz 3 vorgeschrieben. Die bloße Kenntnis eines neuen Enzyms und der Sequenz des Gens, die es kodiert, sind daher für eventuelle spätere Erfindungen frei nutzbare Entdeckungen86. Im Hinblick auf die gemäß den Bestimmungen von Artikel 5 Absätze 2 und 3 und den zugehörigen Auslegungs-„Erwägungsgründen“ (20 bis 25) zugelassene Patentierbarkeit von Gensequenzen lässt sich daher die Schlussfolgerung ziehen, dass der Begriff der Entdeckung nach dem, was aus der Richtlinie hervorgeht, seine negative Konnotation im Sinne der Patentierbarkeit nur deshalb verliert, weil er sich auf eine gewerbliche Nutzung bezieht87. Der Vollständigkeit halber sollte außerdem vielleicht daran erinnert werden, dass nach Artikel 6 der genannten Richtlinie Erfindungen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde, von der Patentierbarkeit ausgenommen sind. Dieser Verstoß kann nicht allein daraus hergeleitet werden, dass die Verwertung durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften verboten ist. Als nicht patentierbar gelten unter anderem Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen, Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des menschlichen Lebewesens und die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken. Als Termin für die Umsetzung dieser Richtlinie durch die Regierungen der Mitgliedstaaten war der 30. Juli 2000 vorgesehen. Bisher haben jedoch nur einige von ihnen diesen Termin eingehalten (Irland, Finnland, Dänemark und Vereinigtes Königreich), während bei den jeweiligen Parlamenten der übrigen Länder Verzögerungen bei der Annahme dieser Richtlinie auftreten, auch wenn die amtierenden Regierungen beim Ministerrat (27. November 1997) deren Annahme nur drei Jahre vorher mit Begeisterung unterstützt hatten. Das umstrittenste Thema ist und bleibt gerade die Frage einer möglichen Patentierbarkeit menschlicher Gene. Entwicklung sowie die bloße Entdeckung eines seiner Bestandteile, einschließlich der Sequenz oder Teilsequenz eines Gens, können keine patentierbaren Erfindungen darstellen. Ein isolierter Bestandteil des menschlichen Körpers oder ein auf andere Weise durch ein technisches Verfahren gewonnener Bestandteil, einschließlich der Sequenz oder Teilsequenz eines Gens, kann eine patentierbare Erfindung sein, selbst wenn der Aufbau dieses Bestandteils mit dem Aufbau eines natürlichen Bestandteils identisch ist. Die gewerbliche Anwendbarkeit einer Sequenz oder Teilsequenz eines Gens muss in der Patentanmeldung konkret beschrieben werden.“ 85 Es gibt natürlich Kritiker der Bestimmungen von Artikel 5 der Richtlinie, die der Meinung sind, dass dieser Artikel nur so interpretiert werden kann, dass Gene, trotz der Bestimmungen gemäß Artikel 5 Absatz 1 patentierbar seien, da jedes Gen oder jede Gensequenz per definitionem nur durch ein Verfahren zu dessen Identifizierung, Isolierung, Reinigung, Charakterisierung und Vermehrung entdeckt werden kann. 86 Die Entdeckung der Existenz eines Enzyms und seiner Struktur kann nämlich zu dessen Produktion in gereinigter Form oder auf industrieller Ebene ermöglichen, und dieses Enzym kann dann zur Behandlung von Krankheiten genutzt werden. Das isolierte und gereinigte Enzym ist ein neuer für die Industrie nutzbarer Gegenstand. Entsprechendes gilt für Gensequenzen. Die Bestimmung einer Sequenz ermöglicht deren Isolierung oder Synthetisierung und ihren Transfer in andere Organismen: Das isolierte Gen ist daher eine neue Einheit und kann als Erfindung definiert werden. 87 Scoperte ed Invenzioni alla luce della direttiva 1998/44/CE (Entdeckungen und Erfindungen im Lichte der Richtlinie 1998/44/EG)– Giorgio Floridia PE 300.127 DE 86/127 RR\453921DE.doc Die Fragen, die zu dieser Widerwilligkeit führen, sind vielfältig und betreffen: die Möglichkeit, menschliche Gene nicht als Entdeckungen, sondern als Erfindungen zu betrachten; es besteht einhellige Übereinstimmung, dass DNA-Sequenzen, so wie sie in der Natur vorkommen, als Entdeckungen zu betrachten sind. Aber warum sollte die Tatsache, dass eine bestimmte Funktion im Zusammenhang mit einem bestimmten Protein als eine Erfindung betrachtet werden und aus welchem Grund sollte dessen Nutzung patentiert werden?; das Kriterium für die Beurteilung der Neuheit und Nützlichkeit im Bereich der Gene; ethisch bedingte Verbote für die mögliche Patentierbarkeit von Teilen des Humangenoms; Zweifel hinsichtlich der Zukunft der medizinischen Forschung für den Fall, dass der Zugang zur Information über die menschliche DNA von der Bezahlung von Nutzungsrechten abhängig gemacht wird und vor allem Zweifel hinsichtlich eventueller damit zusammenhängender Auswirkungen für die Entwicklung neuer Medikamente und neuer Behandlungsmethoden. VIII.6. Argumente für und gegen die Patentierbarkeit von Genen Es gibt eine Reihe von Argumenten sowohl für als auch gegen die Patentierbarkeit von Genen. Für eine Patentierbarkeit wird angeführt, dass - - - die Wissenschaftler durch das Patent eine Entlohnung für ihre Forschungstätigkeit erhielten und das aus der Nutzung dieses Patents stammende Geld in künftige Forschungen investieren könnten; gerade durch die Schaffung eines ausschließlichen gewerblichen Nutzungsrechts zugunsten des Erfinders, dem zu bestimmten Bedingungen ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht für maximal 20 Jahre gewährt wird, sofern das Patent nicht verfallen ist, die Forschung gefördert wird. Danach verpflichtet sich der Erfinder, seine Innovation erschöpfend zu beschreiben, und nur in diesem Zusammenhang wird darin ausdrücklich ein Recht im Sinne eines Verbots der Realisierung, Nutzung oder des Verkaufs der Erfindung durch Konkurrenten ohne seine Zustimmung oder Abtretung der Lizenz vorgesehen. Bei biotechnologischen Erzeugnissen im Gesundheitsbereich hätte das ausschließliche Nutzungsrecht eine Förderung der Forschung und eine Fortentwicklung der Medizin zur Folge; kostenträchtige und unnötige Doppelanstrengungen zur Verfolgung der gleichen Ziele vermieden würden; die Forschung auf neue und noch unbearbeitete Bereiche ausgerichtet würde; es zu einer geringeren Nutzung des Industriegeheimnisses als Instrument käme, während allen Forschern (unter Wahrung der Ausschließlichkeitsrechte) der Zugang zur neuen Erfindung garantiert würde. Es gibt jedoch auch zahlreiche Argumente, die gegen eine Patentierbarkeit menschlicher Gene vorgebracht werden: RR\453921DE.doc 87/127 PE 300.127 DE - - - - - - Die Erteilung von Patenten könnte wegen der hohen Kosten im Zusammenhang mit der Nutzung der damit verbundenen Informationen die Forschung im Bereich der Diagnostik und Therapie (Gentherapie und prädiktive Medizin) behindern und zu einem regelrechten Monopolsystem bei der Nutzung des Gens an sich führen88; Auch wenn die an der Forschung interessierte Industrie bereit wäre, die hohen Kosten für die den Inhabern des Patents über die Gensequenz zuerkannten Ausschließlichkeitsrechte zu tragen, würden diese Kosten letztlich auf den Verbraucher abgewälzt, was die aus dieser Forschung hervorgehenden Produkte teurer und schwerer zugänglich machen würde; Das Patent würde schließlich nur solche Entwicklungen im Bereich der Medizin beschleunigen, die mit sehr gewinnträchtigen Forschungen über Diagnose- und Therapieinstrumente verbunden sind. Es käme jedoch zu einem Stillstand bei solchen Forschungstätigkeiten, bei denen die gewünschten Gewinnmargen nicht erreichbar erscheinen und an denen keine Industrie ein Investitionsinteresse hätte89; Die Erteilung von Patenten für Gene würde künftigen Generationen letztlich den Eindruck vermitteln, dass das Leben eine bloße Erfindung sei, bei der die Grenzen zwischen Heiligem und Prophanem, zwischen dem Wert an sich und dem Nutzwert, verschwänden und das Leben selbst auf das Niveau eines Gegenstandes ohne jede einzigartige oder wesentliche Qualität reduziert würde, durch die es sich von einer im Grunde mechanischen Struktur unterscheiden könnte90; Genomdaten müssten schnell Allgemeingut werden, da nur so eine normale Entwicklung der internationalen Forschung ermöglicht wird91; Die Möglichkeit einer Patentierung neuer Daten über Genomsequenzen, noch bevor daraus bestimmte Produkte oder Anwendungen gewonnen werden konnten, würde zur „Beschlagnahme“ eines regelrechten Informationsschatzes durch eine Minderheit dominierender Unternehmen führen, die ihre Stellung durch die Patenthinterlegung festigen würden; Es fehlt schließlich auch nicht an Stimmen, die der Ansicht sind, dass die Patentierbarkeit der Gene die Medizin unter dem Druck der pharmazeutischen Labors92 in eine Richtung 88 Die Erteilung von Patenten führt nämlich zu einer regelrechten Privatisierung des menschlichen Körpers, der so als geistiges Eigentum zwischen kommerziellen Einrichtungen verteilt wird. Ein Fall mit Beispielcharakter ist die Erteilung eines Patents durch das Europäische Patentamt an ein US-amerikanisches Unternehmen namens Biocyte. Das Patent gewährte dem Unternehmen das Eigentum an allen aus der Nabelschnur eines Neugeborenen stammenden Blutzellen, die dann für vielfältige therapeutische Zwecke verwendet werden. Das Patent ist so umfassend, dass es diesem Unternehmen die Möglichkeit gibt, jedem Einzelnen oder jeder Institution, die keine Lizenzgebühren bezahlen wollen, die Nutzung jeder aus der Nabelschnur gewonnenen Blutzelle untersagen kann. 89 Man denke z. B. an die sogenannten Orphan-Präparate. 90 Vor allem mit diesen Worten hat 1995 eine Koalition aus über 200 Vertretern der protestantischen, katholischen, jüdischen, muslimischen, buddhistischen und hinduistischen Religionen ihren Widerstand gegen die Erteilung von Patenten an menschlichen und nichtmenschlichen Genen erklärt. 91 Diese Orientierung wird im Übrigen durch die Allgemeine Erklärung der UNESCO über das menschliche Genom (1997) stark unterstützt, in der bekräftigt wird, dass Gene an sich nicht patentierbar sind, da sie zum gemeinsamen Erbe der Menschheit gehören. In einer gemeinsamen Erklärung vom 14. März 2000 traten auch der amerikanische Präsident Bill Clinton und der britische Premierminister Tony Blair für den freien Zugang zu Daten über das Humangenom ein und forderten die Wissenschaftler auf, sie der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Die Wirkung dieser Aufforderung scheint jedoch zweifelhaft, vor allem wenn man sich daran erinnert, dass das Amerikanische Patent- und Markenamt (USPTO) nur zwei Tage später erklärte, dass diese Erklärung keinerlei Auswirkungen auf die amerikanische Patentpolitik habe. So hat Q. Todd Dickinson vom USPTO in einer Mitteilung erklärt: „Gene und Genomerfindungen, die in der vergangenen Woche als patentierbar galten, sind es auch heute, und zwar nach den gleichen Verfahren“. PE 300.127 DE 88/127 RR\453921DE.doc drängen würde, bei der Krankheiten ausschließlich unter genetischen Gesichtspunkten betrachtet würden. Die erhebliche Arbeit, die in die Genomik investiert wird, darf aber nicht dazu führen, dass die Physiologie nur in Verbindung mit den Genen betrachtet wird und dass die erheblichen Umwelteinwirkungen unterschätzt werden. Wie lässt sich der Grundsatz der Freiheit der Forschung mit bestimmten ethischen Werten vereinbaren? Die Charta der Grundrechte legt in Art. 13 folgendes fest: „Kunst und Forschung sind frei“. Die Freiheit des Zugangs zum Wissen und die Freiheit der Forschung sollten daher Hand in Hand gehen. Erstere Frage stellt sich mit besonderer Brisanz bei der Entschlüsselung des Genoms lebender Organismen und vor allem beim Zugang zu den Ergebnissen der Sequenzierungsarbeiten am Humangenom. Dieser Grundsatz wurde in der „Clinton/Blair“-Erklärung bekräftigt. Die Regel, dass die Früchte der Erfindertätigkeit schutzwürdig sind, das Ergebnis der Entdeckung aber öffentlich zugänglich gemacht werden soll, ist als Prinzip unangefochten. Es ist wichtig, dass Europa sein entschlossenes Festhalten an diesem Prinzip ausdrücklich bekundet und alles unternimmt, damit dieses Prinzip befolgt wird. Die Bedingungen seiner Anwendung im Bereich der Biowissenschaften müssen jedoch präzisiert und dem Stand von Wissenschaft und Technik angepasst werden, und zwar unter Verwendung der bestehenden Mechanismen zur Überarbeitung von Rechtsinstrumenten93. Im Hinblick auf die Patente ist hervorzuheben, dass die Europäische Gruppe für Ethik der Wissenschaften und der Neuen Technologien im September eine Stellungnahme abgeben wird. Ein Meinungsaustausch mit dem nichtständigen Ausschuss ist nicht ausgeschlossen. IX. Das sechste Forschungsrahmenprogramm94 Die Genomik als erster der vorrangigen Themenbereiche des sechsten Rahmenprogramms Die Genomik ist der erste vorrangige Themenbereich des Vorschlages für einen Beschluss zum sechsten Rahmenprogramm: „Ziel der Maßnahmen in diesem Bereich ist es, Europa durch vereinte Forschungsanstrengungen dabei zu unterstützen, die Ergebnisse des Durchbruchs bei der Entzifferung der Genome lebender Organismen besonders zugunsten der Gesundheit und der Bürger und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Biotechnologiebranche in Europa zu nutzen“.95 Diese sehen nämlich in der einfachen Formel “eine Krankheit – ein Gen – eine Medizin” eine großartige Gewinnquelle. 93 Siehe Beiträge von Frau Dr. Freire, Dr. Alexander, Dr. Gugerell und Prof. Mattei bei der Sitzung des nichtständigen Ausschusses vom 31. Mai 2001 94 Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über das mehrjährige Rahmenprogramm 2002-2006 im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration als Beitrag zu Verwirklichung des Europäischen Forschungsraums – KOM (2001) 94 endgültig 95 Genomik und Biotechnologie im Dienste der Medizin Begründung der Anstrengung und europäischer Mehrwert: Die auf der Analyse des menschlichen Genoms und der Genome von Modellorganismen (Tieren, Pflanzen, Mikroorganismen) beruhende “Postgenomikforschung” dürfte zu zahlreichen Anwendungen in verschiedenen Bereichen, insbesondere zur Entwicklung neuer Diagnoseinstrumente und Behandlungsverfahren führen, mit denen bisher noch nicht beherrschbare Krankheiten bekämpft werden können und für die es gute Absatzmöglichkeiten gibt. Diese Forschungsarbeiten erfordern jedoch große finanzielle Anstrengungen. In den Vereinigten Staaten werden die öffentlichen und privaten 92 RR\453921DE.doc 89/127 PE 300.127 DE Artikel 7 des fünften Rahmenprogrammes sieht vor: „Bei allen Forschungstätigkeiten des fünften Rahmenprogramms müssen die ethischen Grundprinzipien beachtet werden, einschließlich der Erfordernisse des Wohlergehens der Tiere gemäß den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften.“ Es ist daher erforderlich, die ethischen Aspekte des Fortschritts der Kenntnisse und der Technologien sowie ihrer Anwendung zu berücksichtigen und bei den Forschungstätigkeiten die ethischen Grundprinzipien sowie den Schutz der Privatsphäre zu beachten. In Artikel 3 des Vorschlages für das sechste Rahmenprogramm heißt es: „Bei allen Forschungstätigkeiten des Rahmenprogramms 2002-2006 müssen die ethischen Grundprinzipien beachtet werden.“ Das derzeitige fünfte Forschungsrahmenprogramm lehnt die Finanzierung bestimmter Forschungsarten aus rein ethischen Gründen ab: Forschungen zu (reproduktiven oder therapeutischen) Klonierungstechniken und Forschungen über die Keimbahntherapie oder die Veränderung der Keimbahn. Es sei darauf hingewiesen, dass es bei der Kommission ein ausgefeiltes Verfahren im Rahmen des Forschungsprogramms zur ethischen Bewertung einiger Forschungsarten gibt96. Bürger und „governance“ in der europäischen Wissensgesellschaft In der Beziehung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ist ein paradoxes Verhältnis entstanden: Auf der einen Seite hohe Erwartungen und auf der anderen eine gewisse Forschungsmittel für die Postgenomikforschung ständig um erhebliche Beträge aufgestockt: Fast zwei Milliarden USD öffentliche Mittel, die hauptsächlich von den NIH 28 verwaltet werden (deren Gesamtbudget 2001 um 14,4% aufgestockt wird), und doppelt so viele Mittel der Industrie fließen jährlich in diesen Bereich. Die Forschungsanstrengungen in Europa sind deutlich schwächer und weniger gut koordiniert. Die Einführung öffentlicher Forschungsprogramme im Bereich der Postgenomikforschung in verschiedenen Mitgliedstaaten ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Insgesamt gesehen sind die bisherigen Forschungsanstrengungen in diesem Bereich jedoch nach wie vor unzureichend und zu weit gestreut. Die Anstrengungen der Industrie in Europa bleiben ebenfalls erheblich hinter denen der amerikanischen Industrie zurück: 70% der Genomikfirmen haben ihren Sitz in den Vereinigten Staaten, und ein beträchtlicher und noch wachsender Teil der privaten europäischen Investitionen fließt nach Amerika. Wenn die Position der Europäischen Union in diesem Bereich verbessert werden und sie von den damit verbundenen erwarteten wirtschaftlichen und sozialen Vorteilen profitieren soll, dann müssen die Investitionen spürbar erhöht und die Forschungstätigkeiten in Europa gebündelt werden. Geplante Maßnahmen: Die diesbezüglichen Maßnahmen der Gemeinschaft werden folgende Aspekte betreffen: - Grundlagenkenntnisse und Basisinstrumente der funktionellen Genomik: Genexpression und Proteomik; strukturelle Genomik; vergleichende Genomik und Populationsgenetik; Bioinformatik; – Anwendung der Genomikkenntnisse und –technologien und der medizinischen Biotechnologie: TechnologiePlattformen zur Entwicklung neuer Diagnose-, Präventiv- und Therapieinstrumente; Förderung der innovativen Forschung in neu gegründeten Genomikunternehmen; – Anwendung der Genomikkenntnisse und –technologien in der Medizin in folgenden Bereichen: Bei der Bekämpfung von Krebs, degenerativen Krankheiten des Nervensystems, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und seltenen Krankheiten; gegen Arzneimittelresistenz; bei der Erforschung der Entwicklung des Menschen, des Gehirns und der Alterung. Für die Bekämpfung der drei mit Armut zusammenhängenden Infektionskrankheiten (AIDS, Malaria und Tuberkulose), die Gegenstand einer vorrangigen Bekämpfungsaktion auf Ebene der Europäischen Union und der internationalen Gemeinschaft sind, wird ein breiter angelegtes Konzept entwickelt. 96 Ethical review under the quality of life programme – Europäische Kommission – GD Forschung – Januar 2000 PE 300.127 DE 90/127 RR\453921DE.doc Feindseligkeit. Wie lässt sich das miteinander in Einklang bringen? Zur Debatte stehen eine Reihe von Fragen über die ethisch-gesellschaftlichen Auswirkungen des Fortschritts des Wissens und der Technologie und über die Voraussetzungen, unter denen die grundlegenden Entscheidungen in diesem Bereich gefällt (oder nicht gefällt) werden. Die Forschungspolitiken müssen auch von Grundsätzen geleitet sein, die anhand präziser Zielsetzungen festgelegt werden. Die Kommission hat diese Frage vor kurzem in einem Arbeitsdokument behandelt, in dem die Problematik des Verhältnisses zwischen „Wissenschaft, Gesellschaft und Bürger“97 aufgegriffen wird, die Bürger und politische Entscheidungsträger beunruhigt: Wie lassen sich die Forschungspolitiken mit den echten Zielsetzungen der Gesellschaft verzahnen? Wie soll mit den Risiken umgegangen werden? Wie kann einerseits den ethischen Auswirkungen des technologischen Fortschritts und andererseits dem Gebot der Freiheit der Wissenschaft und des Zugangs zum Wissen Rechnung getragen werden? Wie kann der Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft gestärkt werden? Die Staats- und Regierungschefs haben die Schaffung eines „Europäischen Forschungsraums“ beschlossen. Dieser Aspekt ist im Rahmen der Überlegungen über die Formen der Regelung öffentlicher Angelegenheiten in Europa, was im Gemeinschaftsjargon mit „governance“ bezeichnet wird, unerlässlich. Nämlich die Frage der neuen Formen der Bürgerbeteiligung an öffentlichen Angelegenheiten auf den verschiedene Macht- und Entscheidungsebenen in Europa. Mit anderen Worten, die neuen Formen der Regierung und Verwaltung der res publica, die auf der Interaktion der traditionellen politischen Funktionsträger und der Zivilgesellschaft gegründet sind. Erforderliche Initiativen: - eine stärkere Strukturierung der Verbindungen zwischen den bestehenden Ethikkommissionen auf nationalen und europäischer Ebene; eine stärkere Koordinierung der Forschungen über die Ethik in der Wissenschaft; eine größere Einheitlichkeit der Kriterien für die ethische Bewertung von Forschungsprojekten; eine Annäherung der Rechtssetzungstätigkeiten des Europarats und der Union. Jeglicher Fortschritt wird von einer Bündelung der Kräfte und einer engen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten untereinander und zwischen ihnen und der Union abhängen. Die Annahme des sechsten Forschungsrahmenprogramms ist für das Ende des ersten Halbjahres 2002 vorgesehen. Ein neu konzipiertes Rahmenprogramm, das sich auf vorrangige Forschungsbereiche beschränkt, in denen die Tätigkeit der Union den größten Mehrwert für die einzelstaatlichen Politiken liefern kann. X. Schlussfolgerungen: Welche Rolle soll die Union spielen? Nachstehend werden als Zusammenfassung der vorangegangenen Kapitel einige Wissenschaft, Gesellschaft und Bürger in Europa – Europäische Komission – Arbeitsunterlage SEC(2000) 1973 97 RR\453921DE.doc 91/127 PE 300.127 DE Denkstrategien aufgezeigt, auf die sich eine Debatte mit den Fachleuten und der Fachleute untereinander und mit der Zivilgesellschaft im Hinblick auf Maßnahmen der Union stützen könnte, die einen echten Mehrwert für die einzelstaatlichen Politiken im Bereich der Humangenetik erbringen sollen und darüber hinaus als europäisches Modell auf internationaler Ebene angeboten werden können. Informationspolitik - Stärkung der öffentlichen Debatte, einschließlich einer Konsultation der Öffentlichkeit zur Humangenetik, unter Einbeziehung von Patienten und Familien, Industrie, Investoren, Ethikexperten und breiter Öffentlichkeit. Die Kommission hat eine öffentliche Debatte über die Humangenetik und ihre Nutzung in Europa begonnen, indem sie am 6. und 7. November 2000 in Zusammenarbeit mit der Hochrangigen Gruppe für Biowissenschaften die Tagung mit dem Titel „Genetik und europäische Zukunft“ organisiert hat. Das EP organisiert am 9. und 10. Juli eine große Veranstaltung mit der Zivilgesellschaft. Rechts- und Regelungsrahmen - - Anforderung einer Stellungnahme der Europäischen Ethikgruppe zur Humangenetik und vor allem zu Genanalysen98; Entwicklung ethischer Leitlinien zur Humangenetik und ihrer Anwendung auf der Ebene der Europäischen Union in enger Zusammenarbeit mit der Europäischen Ethikgruppe und der Hochrangigen Gruppe für Biowissenschaften und Berücksichtigung der Arbeit des Europarates im Hinblick auf die Vorbereitung des Protokolls zur Humangenetik; Schaffung eines Rahmens von EU-Regelungen für die Entwicklung, Erprobung und Zulassung neuer Biopharmaka, einschließlich von Genanalysen; Unterstützung der Herstellung günstiger Rahmenbedingungen für die Innovation im Bereich des Genoms, beispielsweise durch Erleichterung des Zugangs zu Risikokapital und durch Förderung des Unternehmergeistes und des Technologietransfers. Finanzielle Unterstützung der Forschung - - - Unterstützung der Zusammenarbeit zwischen Forschern an Universitäten, Ärzten, Biotechnologien, Unternehmern und der Industrie im allgemeinen zur Feststellung der Funktion der gewonnenen Genomdaten und bei der Entwicklung neuer medizinischer Behandlungsmethoden; Unterstützung der pränormativen Forschung im Bereich der Humangenetik, wie Standards zur Qualitätsbewertung und Qualitätsgarantien für Genanalysen; Förderung der frühzeitigen und aktiven Beteiligung von Regelungsstellen durch die Schaffung von Plattformen zur Untersuchung neuer Entwicklungen im Bereich der Biomedizin; Schaffung zentraler Systeme für Informationen und/oder gemeinsame Materialien, wie die Registrierung von Daten über neue Biopharmaka, einschließlich klinischer Daten über die Erprobung und anschließende Zulassung (beispielsweise Beobachtungen über 98 Die Europäische Gruppe hat verschiedene Stellungnahmen zur Humangenetik und zur Gentechnik erstellt (z. B. die Stellungnahme Nr. 4 „Gentherapie“, die Stellungnahme Nr. 6 „Pränataldiagnostik“ , die Stellungnahme Nr. 8 „Patentierung von Erfindungen, die Elemente menschlichen Ursprungs betreffen“, die Stellungnahme Nr. 15 „Ethische Aspekte der Erforschung menschlicher Stammzellen und ihrer Anwendung“). PE 300.127 DE 92/127 RR\453921DE.doc - - unerwünschte Reaktionen), Vergleich mit Daten zur Pharmakogenetik (durch Herstellung von Zusammenhängen zwischen genetischen Besonderheiten und individuellen Reaktionen auf Medikamente) oder Schaffung von Patientendatenbanken oder Einführung zentraler Gewebebanken; Förderung der Forschung über ethische, gesellschaftliche, rechtliche und wirtschaftliche Fragen der Humangenetik; Unterstützung der Schaffung von Initiativen zur Förderung eines neuen Konsenses gegenüber biomedizinischen Anwendungen durch Verbreitung dieser Wissenschaften in den Informationsmedien und Steigerung des Verständnisses in der Öffentlichkeit; Unterstützung einer integrierten und multidisziplinären allgemeinen und beruflichen Bildung. Eine Verstärkung der allgemeinen und beruflichen Bildung in Spitzentechnologien (z. B. Pharmakogenomik, Bioinformatik, Nanobiotechnologien) und die Schaffung integrierter Programme zur allgemeinen und beruflichen Bildung in der biomedizinischen Forschung/Entwicklung/Management durch die internationale Zusammenarbeit zwischen Universitäten und der Industrie werden den Universitäten, der Industrie und der Gesellschaft im Zuge der wachsenden Integration zwischen Genotypanalyse, Diagnostik und Therapie Chancen eröffnen. RR\453921DE.doc 93/127 PE 300.127 DE Anhang I Arbeitsprogramm des nichtständigen Ausschusses99 KONSTITUIERENDE SITZUNG 16. Januar 2001, Straßburg Thema: Wahl des Vorstands und des Berichterstatters des Ausschusses ANHÖRUNG VON SACHVERSTÄNDIGEN100 30. Januar 2001, vormittags, Brüssel Thema: Tätigkeit der Europäischen Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien (EGE) und der Hochrangigen Gruppe für Biowissenschaften (HLGLS) - Herr Derek BURKE, Mitglied der HLGLS - Frau Noëlle LENOIR, Vorsitzende der EGE 13. Februar 2001, nachmittags, Straßburg Thema: Patienten und Patientenorganisationen - Herr Luca COSCIONI (Vertreter der italienischen Vereinigung für amyothrophische Lateralsklerose) - Herr Stephan KRUIP (Vorsitzender des deutschen Mukoviszidose-Vereins) - Herr Robert MEADOWCROFT (Direktor für Politik, Forschung und Information Britische Parkinson-Gesellschaft) 13. März 2001, nachmittags, Straßburg Thema: Entschlüsselung und Sequenzierung des menschlichen Genoms (einschließlich Nutzung der Bevölkerungsgenetik) - Prof. John BURN (Klinische Genetik, Institut für Humangenetik, Universität Newcastle, Vereinigtes Königreich) - Prof. Gert-Jan VAN OMMEN (Lehrstuhl für Klinische Humangenetik, Universität Leiden, Niederlande) 26. März 2001, nachmittags, Brüssel Thema: Postnatale Gentests (wissenschaftliche, medizinische, ethische, rechtliche und psychologische Aspekte) - Prof. Jean-Louis MANDEL (IGMBC, Frankreich) - Prof. Alexandre MAURON (Forschungsstelle für Bioethik, Universität Genf) - Prof. Daniel SERRAO (Nationaler Rat für Ethik und Biowissenschaften, Portugal) 27 . März 2001, vormittags, Brüssel Thema: Pränatale Gentests und unterstützte Reproduktion (wissenschaftliche, medizinische, ethische, rechtliche und psychologische Aspekte) - Prof. Paul DEVROEY (Zentrum für reproduktive Medizin, Freie Universität Brüssel) - Prof. Joep GERAEDTS (Europäische Gesellschaft für Humanreproduktion und 99 100 Wie von den Koordinatoren am 15. März 2001 vereinbart Genehmigt durch EP-Präsidium, Beschluss vom 1. März 2001 PE 300.127 DE 94/127 RR\453921DE.doc Embryologie, Maastricht) - Dr. Hille HAKER (Lehrstuhl Theologische Ethik unter besonderer Berücksichtigung der Gesellschaftswissenschaften, Universität Tübingen, Deutschland) - Prof. Outi HOVATTA (Karolinska-Institut, Stockholm) - Gräfin Joséphine QUINTAVALLE (Direktorin, reproduktive Ethik, London) 26. April 2001, vormittags und nachmittags, Brüssel Thema: Genetik und Medizin Teil 1: Forschung an Embryos und Klonen (wissenschaftliche, ethische, soziale, medizinische, rechtliche und psychologische Aspekte) - Prof. Carlos Alonso BEDATE (Zentrum für Molekularbiologie, Universität Madrid, Spanien) - Prof. Cinzia CAPORALE (Professorin für Bioethik und Umweltpädagogik, Siena, Italien) - Prof. Regine KOLLEK (Forschungsgruppe „Technologiefolgenabschätzung der modernen Biotechnologie in der Medizin“, Universität Hamburg, Deutschland) - Dr. Anne McLAREN ( Wellcome/ CRC Institute, Universität Cambridge, Mitglied der GEE) - Dr. Jacques TESTART (Nationales Institut für Gesundheit und medizinische Forschung, INSERM, Frankreich) Thema: Genetik und Medizin Teil 2: Der Einsatz der Genetik in der Medizin (wissenschaftliche, ethische, wirtschaftliche, rechtliche, soziale, medizinische und psychologische Aspekte) - Peter GOODFELLOW (Forschungsdirektor, Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline, Hertfordshire, VK) - Prof. H. JOCHEMSEN (Mitglied des beratenden Ausschusses des Zentrums für Bioethik und Menschenwürde, Universität Trinity International, Bannockburn, Irland) - Prof. Peter KRIZAN (Vorsitzender der slowakischen Gesellschaft für medizinische Genetik) - Prof. Demetrio NERI (Professor für Bioethik, Universität Messina, Italien) 15. Mai 2001, nachmittags, Straßburg Thema: Die Nutzung genetischer Informationen - Prof. Lars REUTER (Zentrum für Bioethik, Universität Aarhus, Dänemark) 31. Mai 2001, nachmittags 14.30 – 18.00 Uhr, Brüssel Thema: Patentierbarkeit - Daniel ALEXANDER (Rechtsanwalt, London) - Maria FREIRE (Nationales Institut für Gesundheit, Amt für Technologietransfer, Rockville, MD, USA - Christian GUGERELL (Europäisches Patentamt, München) - Jean-François MATTEI (Doktor der Wissenschaften, Professor für Pädiatrie und klinische Genetik, Frankreich) 18. Juni 2001, nachmittags, und 19. Juni 2001, vormittags, Brüssel Thema: Runder Tisch mit Vertretern der korrespondierenden Ausschüsse der Parlamente der EU-Mitgliedstaaten und der Kandidatenländer 9. Juli 2001, nachmittags, und 10. Juli 2001, vormittags, Brüssel Thema: Anhörung mit Vertretern von Interessengruppen und der Zivilgesellschaft RR\453921DE.doc 95/127 PE 300.127 DE Anhang II Internationale und europäische Rechtsinstrumente Unverletzlichkeit der Menschenwürde Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte (UNESCO – Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur), (1997) Artikel 1 - Menschenwürde und menschliches Genom Das menschliche Genom liegt der grundlegenden Einheit aller Mitglieder der menschlichen Gesellschaft sowie der Anerkennung der ihnen innewohnenden Würde und Vielfalt zugrunde. In einem symbolischen Sinne ist es das Erbe der Menschheit. Artikel 2 - Menschenwürde und menschliches Genom a) Jeder Mensch hat das Recht auf Achtung seiner Würde und Rechte, unabhängig von seinen genetischen Eigenschaften. b) Diese Würde gebietet es, den Menschen nicht auf seine genetischen Eigenschaften zu reduzieren und seine Einzigartigkeit und Vielfalt zu achten. Artikel 10 - Forschung am menschlichen Genom Forschung oder deren Anwendung betreffend das menschliche Genom, insbesondere in den Bereichen Biologie, Genetik und Medizin, soll nicht Vorrang vor der Achtung der Menschenrechte, Grundfreiheiten und Menschenwürde einzelner Personen oder gegebenenfalls von Personengruppen haben. Übereinkommen des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin101 (1997) Artikel 2 - Vorrang des menschlichen Lebewesens Das Interesse und das Wohl des menschlichen Lebewesens haben Vorrang gegenüber dem bloßen Interesse der Gesellschaft oder der Wissenschaft. Vertrag über die Europäische Union (1997) Artikel 6 Absatz 1 Die Union beruht auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit; diese Grundsätze sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam. 101 Bis September 2000 hatten folgende EU-Mitgliedstaaten das Übereinkommen ratifiziert: Dänemark, Griechenland und Spanien. Unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert wurde es von: Finnland, Frankreich, Italien, Luxemburg, Portugal und Schweden. Noch nicht unterzeichnet wurde es von: Österreich, Belgien, Irland und dem Vereinigten Königreich. PE 300.127 DE 96/127 RR\453921DE.doc Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000) Artikel 1 – Würde des Menschen Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen. Beschluss Nr. 182/1999/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über das Fünfte Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration (1998-2002) Artikel 7 Bei allen Forschungstätigkeiten des Fünften Rahmenprogramms müssen die ethischen Grundprinzipien beachtet werden, einschließlich der Erfordernisse des Wohlergehens der Tiere gemäß den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften. RR\453921DE.doc 97/127 PE 300.127 DE Freiheit der Forschung Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte (UNESCO – Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur), (1997) Artikel 12 - Forschung am menschlichen Genom a) Unter gebührender Achtung der Würde und der Menschenrechte jedes Einzelnen muss der aus Fortschritten in der Biologie, Genetik und Medizin erwachsene, das menschliche Genom betreffende Nutzen allen zugänglich gemacht werden. b) Die Freiheit der Forschung, die für die Erweiterung des Wissens notwendig ist, ist Teil der Gedankenfreiheit. Die Anwendung der Forschung, auch ihre Anwendung in der Biologie, der Genetik und der Medizin, die das menschliche Genom betrifft, ist darauf auszurichten, Leiden zu lindern und die Gesundheit des Einzelnen und der gesamten Menschheit zu verbessern. Artikel 13102 - Bedingungen für die Ausübung wissenschaftlicher Tätigkeit Die mit der Tätigkeit von Forschern verbundenen Verpflichtungen (...) bei der Durchführung der Forschungsarbeit sowie bei der Vorstellung und Nutzung der Erkenntnisse sollen im Rahmen der Forschung am menschlichen Genom aufgrund der ethischen und sozialen Auswirkungen besondere Beachtung finden. Öffentlichen und privaten politischen Entscheidungsträgern im Bereich der Wissenschaft kommt in dieser Hinsicht ebenfalls eine besondere Verantwortung zu. Artikel 17 - Solidarität und internationale Zusammenarbeit Die Staaten sollen die Ausübung von Solidarität gegenüber Einzelnen, Familien und Bevölkerungsgruppen, die besonders anfällig für Krankheiten oder Behinderungen genetischer Natur oder von diesen betroffen sind, achten und fördern. Sie sollen unter anderem Forschungsarbeiten fördern, die dem Erkennen, der Vorbeugung und der Behandlung genetisch bedingter und genetisch beeinflusster Krankheiten dienen, insbesondere sowohl seltener als auch endemischer Krankheiten, die große Teile der Weltbevölkerung betreffen. Übereinkommen des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin (1997) Artikel 15 - Wissenschaftliche Forschung: allgemeine Regel Vorbehaltlich dieses Übereinkommens und der sonstigen Rechtsvorschriften zum Schutz menschlicher Lebewesen ist wissenschaftliche Forschung im Bereich von Biologie und Medizin frei. Artikel 18 - Forschung an Embryonen in vitro103 (1) Die Rechtsordnung hat einen angemessenen Schutz des Embryos zu gewährleisten, sofern sie Forschung an Embryonen in vitro zulässt. (2) Die Erzeugung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken ist verboten. 102 Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien bei der Europäischen Kommission, Pressedossier, Annahme einer Stellungnahme zu den ethischen Aspekten der Erforschung und Verwendung menschlicher Stammzellen, Paris, 14. November 2000, S. 4. 103 Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien bei der Europäischen Kommission, Pressedossier, Annahme einer Stellungnahme zu den ethischen Aspekten der Erforschung und Verwendung menschlicher Stammzellen, Paris, 14. November 2000, S. 12. PE 300.127 DE 98/127 RR\453921DE.doc Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (1997) TITEL XVIII - Forschung und technologische Entwicklung Insbesondere: Artikel 163 (1) Die Gemeinschaft hat zum Ziel, die wissenschaftlichen und technologischen Grundlagen der Industrie der Gemeinschaft zu stärken und die Entwicklung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit zu fördern sowie alle Forschungsmaßnahmen zu unterstützen, die aufgrund anderer Kapitel dieses Vertrags für erforderlich gehalten werden. Artikel 164 Zur Erreichung dieser Ziele trifft die Gemeinschaft folgende Maßnahmen, welche die in den Mitgliedstaaten durchgeführten Aktionen ergänzen (...). Artikel 166 (1) Der Rat stellt gemäß dem Verfahren des Artikels 251 und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses ein mehrjähriges Rahmenprogramm auf, in dem alle Aktionen der Gemeinschaft zusammengefasst werden. Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000) Artikel 13 – Freiheit von Kunst und Wissenschaft Kunst und Forschung sind frei. Die akademische Freiheit wird geachtet. RR\453921DE.doc 99/127 PE 300.127 DE Gesundheitsschutz Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte (UNESCO – Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur), (1997) Artikel 12 Buchstabe b - Forschung am menschlichen Genom Die Freiheit der Forschung, die für die Erweiterung des Wissens notwendig ist, ist Teil der Gedankenfreiheit. Die Anwendung der Forschung, auch ihre Anwendung in der Biologie, der Genetik und der Medizin, die das menschliche Genom betrifft, ist darauf auszurichten, Leiden zu lindern und die Gesundheit des Einzelnen und der gesamten Menschheit zu verbessern. Übereinkommen des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin (1997) Artikel 3 - Gleicher Zugang zur Gesundheitsversorgung Die Vertragsparteien ergreifen unter Berücksichtigung der Gesundheitsbedürfnisse und der verfügbaren Mittel geeignete Maßnahmen, um in ihrem Zuständigkeitsbereich gleichen Zugang zu einer Gesundheitsversorgung von angemessener Qualität zu schaffen. Artikel 12 - Prädiktive genetische Tests Untersuchungen, die es ermöglichen, genetisch bedingte Krankheiten vorherzusagen oder bei einer Person entweder das Vorhandensein eines für eine Krankheit verantwortlichen Gens festzustellen oder eine genetische Prädisposition oder Anfälligkeit für eine Krankheit zu erkennen, dürfen nur für Gesundheitszwecke oder für gesundheitsbezogene wissenschaftliche Forschung und nur unter der Voraussetzung einer angemessenen genetischen Beratung vorgenommen werden. Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (1997) Artikel 95 - Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften (1) (...). Der Rat erlässt gemäß dem Verfahren des Artikels 251 und nach Anhörung des Wirtschaftsund Sozialausschusses die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben. Artikel 152 - Gesundheitswesen (1) Bei der Festlegung und Durchführung aller Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen wird ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt. Die Tätigkeit der Gemeinschaft ergänzt die Politik der Mitgliedstaaten und ist auf die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung, die Verhütung von Humankrankheiten und die Beseitigung von Ursachen für die Gefährdung der menschlichen Gesundheit gerichtet. Sie umfasst die Bekämpfung der weitverbreiteten schweren Krankheiten; dabei werden die Erforschung der Ursachen, der Übertragung und der Verhütung dieser Krankheiten sowie die Gesundheitsinformation und -erziehung gefördert. Die Gemeinschaft ergänzt die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Verringerung drogenkonsumbedingter Gesundheitsschäden einschließlich der Informations- und Vorbeugungsmaßnahmen. (2) Die Gemeinschaft fördert die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten in den in diesem Artikel genannten Bereichen und unterstützt erforderlichenfalls deren Tätigkeit. PE 300.127 DE 100/127 RR\453921DE.doc (4) Der Rat trägt gemäß dem Verfahren des Artikels 251 und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie des Ausschusses der Regionen mit folgenden Maßnahmen zur Verwirklichung der Ziele dieses Artikels bei: a) Maßnahmen zur Festlegung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Organe und Substanzen menschlichen Ursprungs sowie für Blut und Blutderivate; diese Maßnahmen hindern die Mitgliedstaaten nicht daran, strengere Schutzmaßnahmen beizubehalten oder einzuführen (...). In Absatz 5 wird die Nichtzuständigkeit der Gemeinschaft für den Bereich der Gesundheit der Bevölkerung betont und festgelegt, dass die Maßnahmen nach Absatz 4 Buchstabe a „die einzelstaatlichen Regelungen über die Spende oder die medizinische Verwendung von Organen und Blut unberührt“ lassen. Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000) Artikel 35 - Gesundheitsschutz Jede Person hat das Recht auf Zugang zur Gesundheitsvorsorge und auf ärztliche Versorgung nach Maßgabe der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten. Bei der Festlegung und Durchführung aller Politiken und Maßnahmen der Union wird ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt. RR\453921DE.doc 101/127 PE 300.127 DE Nichtdiskriminierung aufgrund genetischer Eigenschaften Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte (UNESCO – Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur), (1997) Artikel 6 - Schutz vor Diskriminierung Niemand darf einer Diskriminierung aufgrund genetischer Eigenschaften ausgesetzt werden, die darauf abzielt, Menschenrechte, Grundfreiheiten oder die Menschenwürde zu verletzen, oder dies zur Folge hat. Übereinkommen des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin (1997) Artikel 11 - Nichtdiskriminierung Jede Form von Diskriminierung einer Person wegen ihres genetischen Erbes ist verboten. Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000) Artikel 21 - Nichtdiskriminierung (1) Diskriminierungen, insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale (...) sind verboten. PE 300.127 DE 102/127 RR\453921DE.doc Schutz persönlicher Daten Übereinkommen der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt (1992) Artikel 15 Absatz 5 - Zugang zu genetischen Ressourcen Der Zugang zu genetischen Ressourcen bedarf der auf Kenntnis der Sachlage gegründeten vorherigen Zustimmung der Vertragspartei, die diese Ressourcen zur Verfügung stellt, sofern diese Vertragspartei nichts anderes bestimmt hat. Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte (UNESCO – Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur), (1997) Artikel 5 Buchstabe b - Rechte der betroffenen Person In allen Fällen muss die vorherige, aus freien Stücken nach fachgerechter Aufklärung erteilte Einwilligung der betroffenen Person eingeholt werden. Ist sie nicht in der Lage, ihre Einwilligung zu erteilen, so sind die Zustimmung oder Ermächtigung in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise einzuholen, geleitet von dem Bestreben, zum Besten der Person zu handeln. Artikel 7 - Vertraulichkeit genetischer Daten Genetische Daten, die einer bestimmten Person zugeordnet werden können und zu Forschungs- oder anderen Zwecken gespeichert oder verarbeitet werden, sind im Einklang mit den gesetzlich vorgeschriebenen Bestimmungen vertraulich zu behandeln. Übereinkommen des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin (1997) Artikel 5 - Einwilligung: allgemeine Regel Eine Intervention im Gesundheitsbereich darf erst erfolgen, nachdem die betroffene Person über sie aufgeklärt worden ist und frei eingewilligt hat. Die betroffene Person ist zuvor angemessen über Zweck und Art der Intervention sowie über deren Folgen und Risiken aufzuklären. Die betroffene Person kann ihre Einwilligung jederzeit frei widerrufen. Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000) Artikel 8 – Schutz personenbezogener Daten (1) Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten. (2) Diese Daten dürfen nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden. Jede Person hat das Recht, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten und die Berichtigung der Daten zu erwirken. Richtlinie 1995/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr Artikel 7 Buchstabe a - Grundsätze in Bezug auf die Zulässigkeit der Verarbeitung von Daten RR\453921DE.doc 103/127 PE 300.127 DE Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten lediglich erfolgen darf, wenn (...) die betroffene Person ohne jeden Zweifel ihre Einwilligung gegeben hat (...). Artikel 8 Absatz 1 und Absatz 2 Buchstabe a – Besondere Kategorien der Verarbeitung von Daten (1) Die Mitgliedstaaten untersagen die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen, sowie von Daten über Gesundheit oder Sexualleben. (2) Absatz 1 findet in folgenden Fällen keine Anwendung: a) Die betroffene Person hat ausdrücklich in die Verarbeitung der genannten Daten eingewilligt, es sei denn, nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats kann das Verbot nach Absatz 1 durch die Einwilligung der betroffenen Person nicht aufgehoben werden (...). PE 300.127 DE 104/127 RR\453921DE.doc Interventionen in das menschliche Genom Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte (UNESCO – Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur), (1997) Artikel 11 - Allgemeine Bestimmung zur Menschenwürde Praktiken, die der Menschenwürde widersprechen, wie reproduktives Klonen von Menschen, sind nicht erlaubt. Die Staaten und zuständigen internationalen Organisationen werden aufgefordert, gemeinsam daran zu arbeiten, derartige Praktiken zu benennen und auf nationaler oder internationaler Ebene die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Achtung der in dieser Erklärung niedergelegten Grundsätze sicherzustellen. Resolution der Weltgesundheitsorganisation über die ethischen, wissenschaftlichen und sozialen Auswirkungen des Klonens auf die menschliche Gesundheit (1998) Verbot des Klonen zum Zwecke der Replikation von Menschen Die 51. Weltgesundheitsversammlung 1. bekräftigt, dass das Klonen von Menschen zum Zwecke der Replikation ethisch unannehmbar ist und gegen die Würde und Integrität des Menschen verstößt; 2. fordert die Mitgliedstaaten auf, die fortlaufende Debatte und Aufklärung über diese Fragen zu fördern und geeignete Schritte, einschließlich rechtlicher und gerichtlicher Maßnahmen, zu unternehmen, um das Klonen zum Zwecke der Replikation von Menschen zu verbieten. Übereinkommen des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin (1997) Artikel 13 - Interventionen in das menschliche Genom Eine Intervention, die auf die Veränderung des menschlichen Genoms gerichtet ist, darf nur zu präventiven, diagnostischen oder therapeutischen Zwecken und nur dann vorgenommen werden, wenn sie nicht darauf abzielt, eine Veränderung des Genoms von Nachkommen herbeizuführen. Zusatzprotokoll zum Übereinkommen des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin (1998)104 Artikel 1 Absatz 1 – Verbot des reproduktiven Klonens Verboten ist jede Intervention, die darauf gerichtet ist, ein menschliches Lebewesen zu erzeugen, das mit einem anderen lebenden oder toten menschlichen Lebewesen genetisch identisch ist. Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000) Artikel 3 Absatz 2 – Recht auf Unversehrtheit Im Rahmen der Medizin und der Biologie muss insbesondere Folgendes beachtet werden: die freie 104 Bis September 2000 hatten Griechenland und Spanien das Protokoll ratifiziert. Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Portugal und Schweden hatten es unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert. Österreich, Belgien, Irland und das Vereinigte Königreich schließlich hatten es noch nicht unterzeichnet. RR\453921DE.doc 105/127 PE 300.127 DE Einwilligung der betroffenen Person nach vorheriger Aufklärung entsprechend den gesetzlich festgelegten Modalitäten; das Verbot eugenischer Praktiken, insbesondere derjenigen, welche die Selektion von Personen zum Ziel haben; (...)das Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen. PE 300.127 DE 106/127 RR\453921DE.doc Verbot finanziellen Gewinns Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte (UNESCO – Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur), (1997) Artikel 4 - Verbot finanziellen Gewinns Das menschliche Genom in seinem natürlichen Zustand darf keinen finanziellen Gewinn eintragen. Übereinkommen des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin (1997) Artikel 21 – Verbot finanziellen Gewinns Der menschliche Körper und Teile davon dürfen als solche nicht zur Erzielung eines finanziellen Gewinns verwendet werden. Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000) Artikel 3 Absatz 2– Recht auf Unversehrtheit Im Rahmen der Medizin und der Biologie muss insbesondere Folgendes beachtet werden: (...) das Verbot, den menschlichen Körper und Teile davon als solche zur Erzielung von Gewinnen zu nutzen (...). RR\453921DE.doc 107/127 PE 300.127 DE Geistiges Eigentum und Patentierbarkeit von lebendem Material Übereinkommen der Vereinten Nationen über die biologische Vielfalt (1992) Artikel 16 Absätze 2,3, 4 und 5 - Zugang zur Technologie und Weitergabe von Technologie (2) Der Zugang zur Technologie und die Weitergabe von Technologie nach Absatz 1 werden in Bezug auf Entwicklungsländer unter ausgewogenen und möglichst günstigen Bedingungen, darunter im beiderseitigen Einvernehmen auch zu Konzessions- oder Vorzugsbedingungen, gewährt oder erleichtert, erforderlichenfalls in Übereinstimmung mit dem in den Artikeln 20 und 21 festgelegten Finanzierungsmechanismus. Handelt es sich um Technologie, die Gegenstand von Patenten oder anderen Rechten des geistigen Eigentums ist, so erfolgen dieser Zugang und diese Weitergabe zu Bedingungen, die einen angemessenen Schutz der Rechte des geistigen Eigentums anerkennen und mit ihm vereinbar sind. (3) Jede Vertragspartei ergreift, sofern angebracht, Gesetzgebungs-, Verwaltungs- oder politische Maßnahmen mit dem Ziel, Vertragsparteien, insbesondere denen, die Entwicklungsländer sind, wenn sie genetische Ressourcen zur Verfügung stellen, zu einvernehmlich festgelegten Bedingungen den Zugang zu Technologie oder die Weitergabe von Technologie, die diese Ressourcen nutzt, einschließlich Technologie, die durch Patente und sonstige Rechte des geistigen Eigentums geschützt ist, zu gewähren, erforderlichenfalls über die Bestimmungen der Artikel 20 und 21, und zwar in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht und im Einklang mit den Absätzen 4 und 5 dieses Artikels. (4) Jede Vertragspartei ergreift, sofern angebracht, Gesetzgebungs-, Verwaltungs- oder politische Maßnahmen, um dafür zu sorgen, dass der private Sektor den Zugang zu der in Absatz 1 bezeichneten Technologie, ihre gemeinsame Entwicklung sowie ihre Weitergabe zum Nutzen sowohl der Regierungsinstitutionen als auch des privaten Sektors von Entwicklungsländern erleichtert, und beachtet dabei die in den Absätzen 1, 2 und 3 enthaltenen Verpflichtungen. (5) In der Erkenntnis, dass Patente und sonstige Rechte des geistigen Eigentums einen Einfluss auf die Durchführung dieses Übereinkommens haben können, arbeiten die Vertragsparteien vorbehaltlich des innerstaatlichen Rechts und des Völkerrechts in dieser Hinsicht zusammen, um sicherzustellen, dass solche Rechte die Ziele des Übereinkommens unterstützen und ihnen nicht zuwider laufen. Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums der Welthandelsorganisation (WTO), 1995 Artikel 7 - Ziele Der Schutz und die Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums sollen zur Förderung der technischen Innovation sowie zur Weitergabe und Verbreitung von Technologie beitragen, dem beiderseitigen Vorteil der Erzeuger und Nutzer technischen Wissens dienen, in einer dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wohl zuträglichen Weise erfolgen und einen Ausgleich zwischen Rechten und Pflichten herstellen. Artikel 27 - Patentfähige Gegenstände (1) Vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 ist vorzusehen, dass Patente für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erhältlich sind, sowohl für Erzeugnisse als auch für Verfahren, vorausgesetzt, dass sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.105 (...) sind Patente 105 Im Sinne dieses Artikels kann ein Mitglied die Begriffe “erfinderische Tätigkeit” und “gewerblich PE 300.127 DE 108/127 RR\453921DE.doc erhältlich und können Patentrechte ausgeübt werden, ohne dass hinsichtlich des Ortes der Erfindung, des Gebiets der Technik oder danach, ob die Erzeugnisse eingeführt oder im Land hergestellt werden, diskriminiert werden darf. (2) Die Mitglieder können Erfindungen von der Patentierbarkeit ausschließen, wenn die Verhinderung ihrer gewerblichen Verwertung innerhalb ihres Hoheitsgebiets zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder der guten Sitten einschließlich des Schutzes des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen oder zur Vermeidung einer ernsten Schädigung der Umwelt notwendig ist, vorausgesetzt, dass ein solcher Ausschluss nicht nur deshalb vorgenommen wird, weil die Verwertung durch ihr Recht verboten ist. (3) Die Mitglieder können von der Patentierbarkeit auch ausschließen a) diagnostische, therapeutische und chirurgische Verfahren für die Behandlung von Menschen oder Tieren; b) ......... Richtlinie 1998/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen Artikel 5 (1) Der menschliche Körper in den einzelnen Phasen seiner Entstehung und Entwicklung sowie die bloße Entdeckung eines seiner Bestandteile, einschließlich der Sequenz oder Teilsequenz eines Gens, können keine patentierbaren Erfindungen darstellen. (2) Ein isolierter Bestandteil des menschlichen Körpers oder ein auf andere Weise durch ein technisches Verfahren gewonnener Bestandteil, einschließlich der Sequenz oder Teilsequenz eines Gens, kann eine patentierbare Erfindung sein, selbst wenn der Aufbau dieses Bestandteils mit dem Aufbau eines natürlichen Bestandteils identisch ist. (3) Die gewerbliche Anwendbarkeit einer Sequenz oder Teilsequenz eines Gens muss in der Patentanmeldung konkret beschrieben werden. Artikel 6 (1) Erfindungen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde, sind von der Patentierbarkeit ausgenommen, dieser Verstoß kann nicht allein daraus hergeleitet werden, dass die Verwertung durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften verboten ist. (2) Im Sinne von Absatz 1 gelten unter anderem als nicht patentierbar: a) Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen; b) Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des menschlichen Lebewesens; c) die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken; d) Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren, die geeignet sind, Leiden dieser Tiere ohne wesentlichen medizinischen Nutzen für den Menschen oder das Tier zu verursachen, sowie die mit Hilfe solcher Verfahren erzeugten Tiere. anwendbar” als Synonyme der Begriffe “nicht naheliegend” beziehungsweise “nützlich” auffassen. RR\453921DE.doc 109/127 PE 300.127 DE Andere wichtige Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (1997) Artikel 5 - Subsidiaritätsprinzip In den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, wird die Gemeinschaft nach dem Subsidiaritätsprinzip nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können. Die Maßnahmen der Gemeinschaft gehen nicht über das für die Erreichung der Ziele dieses Vertrags erforderliche Maß hinaus. PE 300.127 DE 110/127 RR\453921DE.doc Weitere wichtige Rechtsvorschriften der europäischen Sekundärgesetzgebung Richtlinie 1998/79/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über In-vitro-Diagnostika Artikel 1 Absatz 4 Im Sinne dieser Richtlinie unterliegt die Entnahme, Sammlung und Verwendung von Gewebe, Zellen und Stoffen menschlichen Ursprungs in ethischer Hinsicht den Grundsätzen des Übereinkommens des Europarats zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung der Biologie und der Medizin und den einschlägigen Regelungen der Mitgliedstaaten. In Bezug auf die Diagnose sind die Wahrung der Vertraulichkeit persönlicher Daten sowie der Grundsatz der Nichtdiskriminierung auf der Grundlage der genetischen Anlagen von Männern und Frauen von vorrangiger Bedeutung. Beschluss Nr. 182/1999/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Dezember 1998 über das Fünfte Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration (1998-2002) Anhang II, Wissenschaftliche und technologische Ziele - VI (b): Erforschung von Genomen und genetisch bedingten Krankheiten, Fußnote 1 (...) Innerhalb dieses Rahmenprogramms werden keinerlei Forschungstätigkeiten durchgeführt, bei denen eine Änderung des genetischen Erbguts von Menschen durch Veränderung von Keimzellen oder durch Eingriffe in anderen Phasen der Embryonalentwicklung vorgenommen oder bezweckt wird und bei denen die Vererbbarkeit derartiger Veränderungen bewirkt werden kann. Auch werden keine Forschungstätigkeiten im Bereich der Klonierung durchgeführt, um den Zellkern einer Keimzelle oder einer embryonalen Zelle durch den Zellkern eines anderen Individuums zu ersetzen, der im embryonalen Stadium oder zu einem späteren Zeitpunkt der menschlichen Entwicklung entnommen wurde (...). Entscheidung des Rates 1999/167/EG vom 25. Januar 1999 über ein spezifisches Programm für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration auf dem Gebiet "Lebensqualität und Management lebender Ressourcen" (1998-2002) Anhang II, Grundzüge, wissenschaftliche und technologische Ziele, Prioritäten - VI (b): Erforschung von Genomen und genetisch bedingten Krankheiten, Fußnote 1 (...) Auch werden keine Forschungstätigkeiten im Bereich der Klonierung unterstützt, die darauf abzielen, den Zellkern einer Keimzelle oder einer embryonalen Zelle durch den Zellkern eines anderen Individuums zu ersetzen, der im embryonalen Stadium oder zu einem späteren Zeitpunkt der menschlichen Entwicklung entnommen wurde. RR\453921DE.doc 111/127 PE 300.127 DE Anhang III Rechtsvorschriften zur Embryonenforschung in den EU-Mitgliedstaaten106 Gesetz Österreich Über die Fortpflanzungs medizin (1992) verboten - ein Jahr Es gibt keine spezifischen Rechtsvorschriften, aber ein königliches Dekret, das die IVF-Zentren regelt (1999). Es gibt einen Regierungsentwurf zur Regelung der Embryonenforschung, der 2001 diskutiert wird. unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt - - Belgien Forschung Frist Gefrierkonservierung Land Forschungsbedingungen und -ziele Die EmbryoSpende ist verboten. in einem zugelassenen IVF-Zentrum; Genehmigung des BioethikAusschusses der beteiligten Institution (Universität usw.) erforderlich Sonstige Einschränkungen Voraussetzung für die Anwendung der Reproduktionsmedizin: stabile heterosexuelle Beziehung; Zweck: Fortpflanzung; Anwendung: Implantation nur eines Ovozyten - Bioethikkommissionen - Es gibt einen lokalen Ethikausschuss in jeder Institution, die Forschungen betreiben kann (Universität usw.); Rolle: genehmigt die Forschungsprotokolle. Die in der Tabelle angegebenen Informationen wurden folgenden bibliografischen Quellen entnommen: 1) Europäische Kommission, Generaldirektion Wissenschaft, Forschung, Entwicklung, Gesellschaftliche, medizinische und ethische Auswirkungen des Klonens, Protokoll eines Workshops an der Royal Society, London, 24. und 25. November 1997, 1998 2) Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien bei der Europäischen Kommission (EGE), Annahme einer Stellungnahme zu den ethischen Aspekten der Erforschung und Verwendung menschlicher Stammzellen, Paris, 14. November 2000, überarbeitete Fassung Januar 2001 3) Europäisches Parlament, GD III Information und Öffentlichkeitsarbeit, Referat Presseüberwachung und schnelle Reaktion, Informationsblatt zu dem nichtständigen Ausschuss für Humangenetik und andere neue Technologien in der modernen Medizin, Brüssel, 21. Februar 2001 4) Überprüfung der wissenschaftlichen und technologischen Optionen (STOA), Generaldirektion Forschung, Direktion A, Referat Industrie, Forschung und Energie, Die ethischen Auswirkungen der Forschung an menschlichen Embryonen, Abschlussstudie, Arbeitsdokument für die STOA-Diskussion, Luxemburg, Juli 2000, PE 289.665/Abschlussstudie 5) Sénat, Service des affaires européennes, Division des Études de législation comparée, Les documents de travail du Sénat, Les instances nationales de Bioétique, série législation comparée, n. LC 89, avril 2001 PE 300.127 DE 112/127 RR\453921DE.doc Land Gefrierkonservierung Forschungsbedingungen und -ziele Bedingungen: Zustimmung eines regionalen Ethikausschuss es; Zweck: Verbesserung der Techniken für IVF und Präinplatations diagnostik Gesetz Forschung Frist Dänemark Nr. 460 (1997) über die assistierte Reproduktion unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt 14 Tage (ohne die Zeit der Gefrierkonservierung) ein Jahr mit Zustimmung des Paares Finnland Gesetz über die medizinische Forschung (1999) unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt 14 Tage ab der Befruchtung 15 Jahre (danach muss er vernichtet werden) Bedingungen: Die Forschung wird nur von Einrichtungen durchgeführt, die über die Genehmigung der Nationalen Behörde für medizinischrechtliche Fragen verfügen; mit vorheriger Zustimmung der Spender. Frankreich Gesetz Nr. 94654 (1994); Dekret Nr. 97-613 (1997). 2001 wird ein Gesetzentwurf diskutiert, mit dem die Embryonenforschung zugelassen wird. unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt 7 Tage 5 Jahre; innerhalb dieser Frist kann das Paar den Embryo einem anderen Paar zum Zweck der Erfüllung des Kinderwunsches spenden. Bedingungen: Es muss ein direkter Nutzen für den Embryo oder die Fortpflanzungsmedizin gegeben sein; schriftliche Zustimmung des Mannes und der Frau erforderlich; Genehmigung eines unabhängigen Ausschusses erforderlich. RR\453921DE.doc 113/127 Sonstige Einschränkungen Die Fusion genetisch unterschiedlicher Embryos oder Embryonenteile ist verboten. Zur Forschung verwendete Eizellen dürfen nicht in den Uterus eingepflanzt werden. Die Erzeugung von Embryos ausschließlich zum Zweck der Forschung ist verboten. Für die Forschung an einem Fötus ist die schriftliche Zustimmung der schwangeren Frau erforderlich; die Forschung zur Veränderung der Keimbahn ist nicht erlaubt (außer zur Vermeidung/ Behandlung einer schweren Krankheit). verboten sind: das Klonen, die Erzeugung von Chimären und von Embryonen nur zu Forschungszwecken und Veränderungen der Keimbahn Bioethikkommissionen Nationaler Ethikrat für Gesundheit und Forschung (beratende Funktion) Die Nationale Behörde für medizinischrechtliche Fragen erteilt die Genehmigung für Forschungen nur an spezialisierte Einrichtungen Nationaler Beratender Ethikausschuss für Bio- und Gesundheitswissenschaften (1983): lehnte die Richtlinie 1998/44/EG über die Patentierung biotechnologischer Erfindungen ab und protestierte gegen die Umsetzung in französisches Recht. PE 300.127 DE Land Forschung Gefrierkonservierung Frist - verboten Forschungsbedingungen und -ziele Embryonenforschung zu anderen als therapeutischen Zwecken ist verboten. Sonstige Einschränkungen Das genannte Gesetz verbietet ausdrücklich das menschliche Klonen. Embryonen dürfen nicht vernichtet werden, und die Befruchtung eines Ovozyten für andere Zwecke als die Herbeiführung einer Schwangersch aft ist eine Straftat; die Abtrennung und Nutzung totipotenter Zellen eines Embryos zu Forschungsund Diagnosezwecken ist verboten. Eine Aussprache im Parlament ist vorgesehen. Deutschland Embryonenschutzgesetz (1992) nur zum Wohle des Embryos zulässig Griechenland Es gibt keine Vorschriften für die Embryonenforschung; sie fällt in den Geltungsbereich einer Erklärung des Allgemeinen Gesundheitsrates (1988). unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt 14 Tage ab der Befruchtung - Bedingungen: Für die Forschung ist die Zustimmung des zuständigen Ethikausschuss es erforderlich. Das Klonen ist ausdrücklich verboten. Irland Durch die achte Änderung zum Verfassungsge setz aus dem Jahr 1983 geregelt verboten - - - - PE 300.127 DE Gesetz 114/127 Bioethikkommissionen Zentraler Ethikausschuss der Bundesärztekammer (gibt Stellungnahmen ab) Es gibt Ethikausschüsse. - RR\453921DE.doc - Forschungsbedingungen und -ziele - Sonstige Einschränkungen - - - - - - - - Die Regierung hat dem Parlament im September 2000 einen Gesetzentwurf über die Nutzung von Sperma, Ovozyten und Embryonen (zu anderen Zwecken als der Herbeiführung einer Schwangerschaft) vorgelegt. Gesetz Forschung Frist Gefrierkonservierung Italien Die Embryonenforschung ist nicht gesetzlich geregelt; Verordnung des Gesundheitsministeriums (1997) über das Verbot von Klonierungspraktiken. - - Luxemburg Es gibt keine Rechtsvorschriften. Gesetzentwurf (1999) über IVF-Praktiken. - Niederlande Es gibt keine Rechtsvorschriften. Gesetzentwurf (2000) über menschliche Gameten und Embryos Der Forschungsantrag muss von einem Zentralen Ausschuss für die Forschung an menschlichen Lebewesen genehmigt werden, dessen Stellungnahme sich auf ein Memorandum von 1995 stützt, in dem die Embryonenforschung zu therapeutischen Zwecken ausgeschlossen wird. Land RR\453921DE.doc 115/127 Bioethikkommissionen Der Nationale Ausschuss für Bioethik (Organ beim Amt des Ministerpräsidenten, beratende Funktion durch Stellungnahmen). Es gibt einen Ministerialausschuss, der 2000 einen Bericht über die Nutzung von Stammzellen zu therapeutischen Zwecken verfasst hat: für das therapeutische Klonen und die Forschung an überzähligen Embryos. PE 300.127 DE Land Portugal Spanien Schweden PE 300.127 DE Gesetz Forschung Frist Gefrierkonservierung Es gibt keine Rechtsvorschriften (der Gesetzentwurf wurde vom Parlament angenommen, aber der Staatspräsident hat 1999 ein Veto eingelegt). Gesetz über die Verfahren zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung (1988). Das Klonen von Menschen ist verboten. - - - Gesetz über die In-vitroBefruchtung (1988); Gesetz über Forschungs- und Behandlungsmaßnahmen unter Verwendung befruchteter menschlicher Eizellen (1991) unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt 14 Tage mit Zustimmung des Spenders unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt 14 Tage ab der Befruchtung 5 Jahre 116/127 - Forschungsbedingungen und -ziele - Es muss sich um Forschung zu diagnostischen oder therapeutischen Zwecken handeln; die Forschung zu nicht-therapeutischen Zwecken ist nur bei nicht lebensfähigen Embryos zulässig und nur wenn sie nicht an Tieren vorgenommen werden kann. Nach Abschluss des Forschungsverfahrens muss der Embryo vernichtet werden; die Implantation eines Embryos in utero zu Forschungszwecken ist verboten. Sonstige Einschränkungen Bioethikkommissionen - Der Nationale Rat für Ethik in den Biowissenschaften (unabhängiges beratendes Organ) hat 1995 einen Bericht veröffentlicht. - - Die Forschung zur genetischen Veränderung des Embryos ist verboten. - RR\453921DE.doc Land Vereinigtes Königreich Gesetz Gesetz über die menschliche Befruchtung und Embryologie (1990) RR\453921DE.doc Forschung unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt Frist 14 Tage Gefrierkonservierung 5 Jahre; mit Zustimmung 10 Jahre 117/127 Forschungsbedingungen und -ziele Bedingungen: Genehmigung der Verfahren durch die Aufsichtsbehörde für menschliche Befruchtung und Embryologie Sonstige Einschränkungen Die Forschung zu nichttherapeutischen Zwecken muss: der Verbesserung der Verfahren zur Sterilitätsbehandlung dienen, die Kenntnisse über die Ursachen angeborener Krankheiten und von Aborten erweitern, die Verhütungssysteme verbessern, Systeme zur Identifizierung anomaler Gene oder Chromosomen vor der Implantation in utero entwickeln. Bioethikkommissionen Aufsichtsbehörde für menschliche Befruchtung und Embryologie (unabhängiges staatliches Organ mit der Aufgabe, die Embryonenund die IVFForschung zu kontrollieren und Forschungsmaßnahmen im Bereich des therapeutischen Klonens zu genehmigen) PE 300.127 DE Anhang IV Dokumente/Ereignisse zur Genetik (107) 20. Juli 1988 Vorschlag für eine Entscheidung des Rates über ein spezifisches Forschungsprogramm im Gesundheitsbereich: Prädiktive Medizin: Analyse des menschlichen Genoms (1989-1991)/* KOM(88)424 endg. - SYN 146 */ (Amtsblatt C 27 vom 2.2.1989, S. 6 ) 19. Dezember 1988 Bericht Rothley (Ausschuss für Recht und Bürgerrechte) zu den ethischen und rechtlichen Problemen der Genmanipulation (A2-0327/88) 30. Januar 1989 Bericht Haerlin (Ausschuss für Energie, Forschung und Technologie) über die prädiktive Medizin: Analyse des menschlichen Genoms (A2-0370/88) 30. Januar 1989 Bericht Casini (Ausschuss für Recht und Bürgerrechte) über die künstliche „in vivo”- und „in vitro”Befruchtung (A2-0372/88) 15. Februar 1989 Legislative Entschließung (Verfahren der Zusammenarbeit: erste Lesung) mit der Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag der Kommission an den Rat für eine Entscheidung über ein spezifisches Forschungsprogramm im Gesundheitsbereich: Prädiktive Medizin: Analyse des menschlichen Genoms (1989 - 1991) (Amtsblatt C 69 vom 20.3.1989, S. 95) 16. März 1989 Entschließung des Europäischen Parlaments zur künstlichen „in vivo"- und „in vitro"-Befruchtung (Amtsblatt C 96 vom 17.4.1989, S. 171). In dieser Entschließung fordert das Parlament, nur so viele Eizellen zu befruchten, wie auch eingepflanzt werden können, und spricht sich für ein Verbot aller extrakorporalen Versuche aus. Das Parlament stellte fest, dass die Cryokonservierung von Embryos in keinem Fall drei Jahre überschreiten darf. 16. März 1989 Entschließung des Europäischen Parlaments zu den ethischen und rechtlichen Problemen der Genmanipulation (Amtsblatt C 96 vom 17.4.1989, S. 165). In dieser Entschließung fordert das Parlament die Festlegung von Rechtsvorschriften für ein Verbot jeglichen Gentransfers in menschliche Keimbahnzellen sowie eine Bestimmung des rechtlichen Status des menschlichen Embryos, um einen eindeutigen Schutz der genetischen Identität zu gewährleisten. Das Parlament stellt fest, dass die Zygote des Schutzes bedarf und nicht beliebig mit ihr experimentiert werden kann; das Parlament fordert ein strafbewehrtes Verbot der künstlichen Erhaltung des Lebens menschlicher Embryonen, um bei Gelegenheit Gewebe oder Organe entnehmen zu können, sowie ein strafbewehrtes Verbot des Klonens von Menschen. Das Parlament vertritt die Auffassung, dass Eingriffe in menschliche Embryos „nur dann gerechtfertigt sind, wenn sie für das Wohl des betreffenden Kindes oder der Mutter von unmittelbarem, nicht anders zu erzielenden Nutzen sind und die körperliche und psychische Unversehrtheit der betreffenden Frau wahren“. 107 Informationsvermerk über den nichtständigen Ausschuss für Humangenetik: Generaldirektion Information und Öffentlichkeitsarbeit (GDIII) des Europäischen Parlaments PE 300.127 DE 118/127 RR\453921DE.doc 16. April 1990 Beschluss (Verfahren der Zusammenarbeit: zweite Lesung) betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf die Annahme einer Entscheidung über ein spezifisches Programm für Forschung und technologische Entwicklung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens: Analyse des menschlichen Genoms (1990-1991) (Amtsblatt C 149 vom 18.6.1990, S. 80). 11. Juni 1990 Überprüfter Vorschlag für eine Entscheidung des Rates über ein spezifisches Programm für Forschung und technologische Entwicklung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens: Analyse des menschlichen Genoms (1990-1991) /* KOM(90)251 endg.- SYN 146 */ 29. Juni 1990 Entscheidung des Rates 90/395/EWG zur Annahme eines spezifischen Programms für Forschung und technologische Entwicklung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens: Analyse des menschlichen Genoms (1990-1991) (Amtsblatt L 196 vom 26.7.1990, S. 8 ). Zu den Zielen gehören: Anwendung und Verbesserung neuer Biotechnologien bei der Untersuchung des menschlichen Genoms im Hinblick auf ein besseres Verständnis der Mechanismen von Genfunktionen für die Prävention und Behandlung von Krankheiten des Menschen; Erarbeitung eines integrierten Ansatzes für die medizinischen, ethischen, sozialen und rechtlichen Aspekte möglicher Anwendungen der Ergebnisse, um sicherzustellen, dass sie nicht missbraucht werden; Aufstellung einer Reihe bioethischer Grundsätze, die bei künftigen Entwicklungen zu beachten sind. Die Veränderung von Keimzellen auf jeder Stufe der Entwicklung des Embryos mit dem Ziel, menschliche Genmerkmale auf vererbbare Weise zu verändern, wird ausgeschlossen. 28. Oktober 1993 Entschließung des Europäischen Parlaments zur Klonierung des menschlichen Embyros (Amtsblatt C 315 vom 22.11.1993, S. 224) 1. März 1995 Beschluss über den gemeinsamen Entwurf des Vermittlungsausschusses betreffend die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (C4-0042/95 - 94/0159(COD), vom EP mit 240 Nein-Stimmen, 188 Ja-Stimmen und 23 Enthaltungen abgelehnt (Amtsblatt C 68 vom 20.3.1995, S. 26) 24. Oktober 1995 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (Amtsblatt L 281 vom 23.11.1995, S. 31 - 0050) 13. Dezember 1995 Die Kommission nimmt einen neuen Vorschlag für eine Richtlinie über den Schutz biotechnologischer Erfindungen an. 28. Februar 1997 Die Kommission holt eine Stellungnahme ihrer Gruppe der Berater über die ethischen Auswirkungen der Biotechnologie (GAEIB) zu den ethischen Auswirkungen der Klonierungstechniken, insbesondere der Klonierung von Tieren, und ihren potenziellen Auswirkungen auf den Menschen ein. 12. März 1997 Entschließung des Europäischen Parlaments B4-0209 zum Klonen (Amtsblatt C 115 vom 14.4.1997, S. 92). In der Entschließung werden die Mitgliedstaaten als Reaktion auf die ethischen Fragen in RR\453921DE.doc 119/127 PE 300.127 DE Verbindung mit dem Klonen und der durch das Klonen eines Schafes aus einer adulten Zelle ausgelösten Besorgnisse dringend ersucht, das Klonen von Menschen zu verbieten. Die Kommission wird aufgefordert, über etwaige Forschungen auf diesem Gebiet und über den Rechtsrahmen in den Mitgliedstaaten zu berichten. Außerdem wird die Vorlage von Vorschlägen für die Einrichtung eines EU-Ethikausschusses gefordert, der die Entwicklung auf dem Gebiet der Gentechnologie überwachen soll. 30. April 1997 Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über das Fünfte Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration (1998-2002) – Artikel 6 bezieht sich auf die Einhaltung der grundlegenden ethischen Prinzipien. 6. Juni 1997 Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Mandat der Beratergruppe für Fragen der Ethik in der Biotechnologie bei der Kommission (GAEIB). In der Entschließung bekräftigt das Parlament seine Auffassung, dass es von entscheidender Bedeutung ist, im Bereich der Biologie, Biotechnologie und Medizin ethische Normen unter Wahrung der Menschenwürde aufzustellen, diese Normen möglichst global anzuwenden und ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten. Die Kommission wird aufgefordert, Vorschläge zu unterbreiten, um die Beteiligung des Parlaments an ethischen Fragen im Zusammenhang mit der Biotechnologie sicherzustellen.(Amtsblatt C 200 vom 30.6.1997, S. 258) 16.-17. Juni 1997 Erklärung des Europäischen Rates von Amsterdam über das Verbot des Klonens von Menschen. Das Parlament fordert den Rat und die Kommission auf, dies durch die Einbeziehung der vom Parlament angenommenen Änderungen in die Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen zu bekräftigen. (Amtsblatt C 222 vom 21.7.1997, S. 17) 16. Juli 1997 Das Parlament nimmt Änderungsanträge zum Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen an. 15. Januar 1998 Entschließung des Europäischen Parlaments B4-0050/98 zum Klonen von Menschen (Amtsblatt C 34 vom 2.2.1998, S. 164). Die Mitgliedstaaten werden darin aufgefordert, das Übereinkommen des Europarats zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendungen von Biologie und Medizin (Bioethik-Konvention) und das Zusatzprotokoll, in dem das Klonen von Menschen verboten wird, zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die EU-Mitgliedstaaten und die Vereinten Nationen werden aufgerufen, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um ein rechtlich verbindliches Verbot des Klonens von Menschen zu erreichen. 10. Juni 1998 Vorschlag für einen Beschluss des Rates betreffend ein spezifisches Programm für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration „Lebensqualität und Management lebender Ressourcen“ – Fußnote 8 über die ethischen Erfordernisse. 6. Juli 1998 Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen. Darin wird festgelegt, was im Bereich der lebenden Organismen patentierbar ist und was nicht, verbunden mit der genauen Bedeutung der durch ein Patent verliehenen Rechte an geistigem Eigentum. Ausgeschlossen werden die Patentierbarkeit aller Verfahren, die sich aus der Forschung an Embryonen ergeben, die nicht von direktem Nutzen ist, Eingriffe zur PE 300.127 DE 120/127 RR\453921DE.doc Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des menschlichen Lebewesens und Verfahren zum Klonen menschlicher Lebewesen. 11. September 1998 Die Kommission holt die Stellungnahme der EGE zur Abänderung 36 des Europäischen Parlaments im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Fünften Rahmenprogramms ein, in der vorgeschlagen wird, keine Gemeinschaftsmittel für Forschungsprojekte zu gewähren, die zur Vernichtung menschlicher Embryos führen. 22. Dezember 1998 Beschluss 182/1999/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über das Fünfte Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration (1998-2002) (Amtsblatt L 26 vom 1.2.1999, S. 1 – 33) 25. Januar 1999 Entscheidung des Rates 1999/167/EG über ein spezifisches Programm für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration auf dem Gebiet „Lebensqualität und Management lebender Ressourcen (1998-2002) (Amtsblatt L 64 vom 12.3.1999, S. 1– 19). Darin heißt es: „Im Rahmen dieses Rahmenprogramms werden keinerlei Forschungstätigkeiten unterstützt, bei denen eine Änderung des genetischen Erbguts von Menschen durch Veränderung von Keimzellen oder durch Eingriffe in anderen Phasen der Embryonalentwicklung vorgenommen oder bezweckt wird und bei denen die Vererbbarkeit derartiger Veränderungen bewirkt werden kann. Auch werden keine Forschungstätigkeiten im Bereich der Klonierung unterstützt, die darauf abzielen, den Zellkern einer Keimzelle oder einer embryonalen Zelle durch den Zellkern eines anderen Individuums zu ersetzen, der im embryonalen Stadium oder zu einem späteren Zeitpunkt der menschlichen Entwicklung entnommen wurde“. 30. März 2000 Entschließung des Europäischen Parlaments B5-0288 zu der Entscheidung des Europäischen Patentamts in Verbindung mit dem der Universität Edinburgh am 8. Dezember 1999 erteilten Patent EP 695 351, das dazu genutzt werden könnte, das Klonen von Menschen abzudecken. Das Parlament fordert, das Patent für nichtig zu erklären und verlangt die rasche Umsetzung der Richtlinie 98/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen in nationales Recht. 6. September 2000 Philippe Busquin, für den Forschungsbereich zuständiges Kommissionsmitglied, äußert sich anlässlich einer Aussprache über das Klonen von Menschen vor dem EP, er betont dabei die Bedeutung gemeinsamer ethischer Werte in ganz Europa und verweist auf die Absicht der Kommission, Initiativen zu ergreifen, die beispielsweise der Stärkung der Verbindungen zwischen den Ethikausschüssen in ganz Europa und dem Austausch der guten Praktiken bei der ethischen Bewertung von Forschungsprojekten dienen. Er verweist dabei auch auf die Erwartungen von Herrn Prodi, dass es eine fruchtbare Debatte in enger Zusammenarbeit mit dem EP über den Wert der Forschung über embryonale Stammzellen des Menschen und ihre therapeutische Anwendung in einem rechtlichen und ethischen Rahmen geben könnte. 7. September 2000 Das Europäische Parlament lehnt eine gemeinsame Entschließung zum Klonen menschlicher Embryos für therapeutische Zwecke ab. 7. September 2000 In der Entschließung des Europäischen Parlaments B5-0710 zum Klonen von Menschen wird die Notwendigkeit betont, die Würde des Menschen und das menschliche Leben zu achten, die Regierung RR\453921DE.doc 121/127 PE 300.127 DE des Vereinigten Königreichs wird aufgefordert, ihre Position zum Klonen menschlicher Embryonen zu überprüfen, und die Forderung an die einzelnen Mitgliedstaaten wiederholt, verbindliche Rechtsvorschriften in Kraft zu setzen, die alle Formen von Forschungen über das Klonen von Menschen verbieten und strafrechtliche Sanktionen im Fall von Verstößen vorzusehen. In der Entschließung wird festgestellt, dass ein vom Europäischen Parlament eingesetzter nichtständiger Ausschuss zu Fragen der Humangenetik die bereits in früheren Entschließungen zum Ausdruck gebrachten Ansichten berücksichtigen und Fragen prüfen sollte, zu denen das Parlament bislang noch keinen klaren Standpunkt festgelegt hat. 7. September 2000 Die Konferenz der Präsidenten erörtert die Befugnisse, die Zusammensetzung und die Mandatsdauer des nichtständigen Ausschusses für Humangenetik (nichtständiger Ausschuss mit der Zuständigkeit für die Prüfung ethischer und rechtlicher Fragen, die sich aus den neuen Entwicklungen auf dem Gebiet der Humangenetik ergeben). 19. Oktober 2000 Schreiben von Herrn Behrend, Generalsekretär der Verts/ALE-Fraktion, mit einem von den Koordinatoren der Fraktionen ausgearbeiteten Vorschlag über die Befugnisse und Zuständigkeiten, die Mitglieder und das Mandat des nichtständigen Ausschusses für Humangenetik und andere neue Technologien in der modernen Medizin (PE 296.482). 13. Dezember 2000 Beschluss des Europäischen Parlaments zur Einsetzung eines nichtständigen Ausschusses für Humangenetik und andere neue Technologien in der modernen Medizin (B5-0898/2000). PE 300.127 DE 122/127 RR\453921DE.doc Anhang V Chronologie der Humangenetik (108) 1952 Erstes erfolgreiches Klonierungsexperiment mit Wirbeltieren (Fröschen). 1971 James Watson (zusammen mit Francis Crick und Maurice Wilkins Gewinner der MedizinNobelpreises für die Entdeckung der DNA-Struktur), veröffentlicht einen Beitrag im Atlantic Monthly mit dem Titel „Auf dem Weg zum Klon-Menschen“; in diesem Artikel warnt er davor, dass menschliche Klone kommen werden und die Gesellschaft darauf nicht vorbereitet ist. 1978 Im Vereinigten Königreich wird das erste durch „in vitro”-Befruchtung außerhalb des Körpers der Mutter gezeugte Baby geboren. Es gibt keine spezifischen Vorschriften zur Regelung der Forschung an menschlichen Embryonen. 24. September 1986 Die Empfehlung 1046 der Parlamentarischen Versammlung des Europarats über die Verwendung menschlicher Embryos wird angenommen, darin wird die Schaffung identischer menschlicher Wesen durch Klonen oder andere Verfahren verboten. 21. Oktober 1988 Die Kommission nimmt einen ersten Vorschlag für eine Richtlinie über den Schutz biotechnologischer Erfindungen an. 2. Februar 1989 Empfehlung Nr. 1100 der Parlamentarischen Versammlung des Europarats über die Verwendung menschlicher Embryonen und Föten in der wissenschaftlichen Forschung, in der das Ministerkomitee aufgefordert wird, einen Grundsatzrahmen zu schaffen, von dem aus nationale Gesetze oder Vorschriften in möglichst universaler und einheitlicher Form entwickelt werden können, und Aufforderung an die Mitgliedstaaten, die Unterrichtung der Bevölkerung über Biomedizin und Reproduktion des Menschen sowie das Verständnis der Bevölkerung zu verbessern. 20. November 1991 Die Kommission setzt eine Gruppe von Beratern über die ethischen Auswirkungen der Biotechnologie (GAEIB) ein, sie besteht zunächst aus sechs Sachverständigen aus verschiedenen Bereichen und Ländern, die Zahl der Mitglieder wird später auf neun aufgestockt. 14. April 1994 Empfehlung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats Nr. 1240 über den Schutz und die Patentfähigkeit von Material menschlichen Ursprungs; darin wird das Ministerkomitee aufgefordert, den Text der Bioethik-Konvention anzunehmen, um für Europa eine Referenz für grundlegende moralische Prinzipien im Bereich der Bioethik zu schaffen, und mit der Ausarbeitung eines Protokolls zum Entwurf des Übereinkommens zu beginnen, um Grenzen für die Anwendung der Gentechnik beim Menschen festzulegen. 5. Juli 1996 108 Informationsvermerk über den nichtständigen Ausschuss für Humangenetik: Generaldirektion Information und Öffentlichkeitsarbeit (GDIII) des Europäischen Parlaments RR\453921DE.doc 123/127 PE 300.127 DE Geburt eines geklonten Schafs im Vereinigten Königreich nach Übertragung eines Zellkerns eines adulten Schafs. 19. November 1996 Die Stellungnahme Nr. 184 der Parlamentarischen Versammlung des Europarats zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin (Bioethik-Konvention) wird vom Ministerkomitee angenommen. . DIR/JUR(96)14. 4. April 1997 Unterzeichnung der Bioethik-Konvention. In Artikel 13 wird das Klonen von Menschen implizit verboten. 14. Mai 1997 Die 50. Weltgesundheitsversammlung in Genf verabschiedet eine Entschließung, in der die Anwendung des Klonens für die Vermehrung menschlicher Lebewesen als ethisch unannehmbar und mit der Würde des Menschen und mit der Moral unvereinbar bezeichnet wird. Der Generaldirektor wird aufgefordert, die Mitgliedstaaten zu unterrichten, um eine öffentliche Diskussion über diese Themen herbeizuführen. 28. Mai 1997 Die GAEIB legt der Kommission die Stellungnahme Nr. 9 über die ethischen Aspekte der Klonierungstechniken vor. Darin betont sie die Notwendigkeit, der Erhaltung der genetischen Vielfalt besondere Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Jeder Versuch der Schaffung eines genetisch identischen menschlichen Individuums durch Zellkernsubstitution aus einer menschlichen adulten oder kindlichen Zelle („reproduktives Kloning“) sollte verboten werden. Die Europäische Gemeinschaft sollte in den sich in Vorbereitung befindlichen einschlägigen Texten und Vorschriften eindeutig ihre Ablehnung des reproduktiven Klonens von Menschen zum Ausdruck bringen. Die GAEIB fordert eine Unterscheidung zwischen Klonen und Embryo-Splitting sowie therapeutischem und reproduktivem Klonen. 16. Juli 1997 Der Lenkungsausschuss für Bioethik (CDBI) gibt eine Stellungnahme für die Parlamentarische Versammlung des Europarats über den Entwurf des Zusatzprotokolls zur Bioethik-Konvention über das Verbot des Klonens von Menschen ab und vertritt darin die Auffassung, dass angesichts des Zwecks des Übereinkommens über die Menschenrechte und Biomedizin, insbesondere angesichts des in Artikel 1 genannten Grundsatzes des Schutzes der Würde und der Identität aller menschlichen Wesen spezifische bindende Vorschriften innerhalb des Europarats verabschiedet werden sollten, um jeden Eingriff zu verbieten, der auf die Schaffung eines mit einem anderen lebenden oder toten menschlichen Wesen genetisch identischen Menschen abzielt. 31. Juli 1997 Auslaufen des Mandats der GAEIB 23. September 1997 Stellungnahme Nr. 202 der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, in der die rasche Annahme des Entwurfs des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin über das Verbot des Klonens von Menschen empfohlen wird. PE 300.127 DE 124/127 RR\453921DE.doc 10.–11. Oktober 1997 Abschlusserklärung des Zweiten Gipfeltreffens des Europarats, in der die Staats- und Regierungschefs sich verpflichteten, die Verwendung aller Klonierungstechniken zu verbieten, die auf die Schaffung genetisch identischer menschlicher Wesen abzielen, und in der das Ministerkomitee angewiesen wird, ein Zusatzprotokoll zur Bioethik-Konvention anzunehmen. 6. November 1997 Der Europarat nimmt das Zusatzprotokoll zum Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biotechnologie und Medizin über das Verbot des Klonens von menschlichen Lebewesen an. 11. November 1997 Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und die Menschenrechte und Entschließung für ihre Durchführung, angenommen auf der Generalkonferenz der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO). Artikel 5b legt die Notwendigkeit einer vorherigen freien und unterrichteten Zustimmung für Forschung und Behandlung fest. In Artikel 6 heißt es, dass niemand auf der Grundlage genetischer Merkmale benachteiligt werden darf. Artikel 11 bestätigt, dass der menschlichen Würde widersprechende Praktiken, beispielsweise reproduktives Klonen, nicht zulässig sein sollten. 11. Dezember 1997 Die GAEIB legt die Stellungnahme Nr. 10 zu den ethischen Aspekten des 5. Forschungsrahmenprogramms vor. In Artikel 2 Absatz 3 wird die Kommission aufgefordert, dafür zu sorgen, dass eine ethische Bewertung der ihr vorgelegten Forschungsprojekte erfolgt, dass eine Analyse der ethischen Fragen über kontroverse Forschungsaspekte wie die Gentherapie (vom Rahmenprogramm ausgeschlossen) vorgenommen und Untersuchungen über die Wechselbeziehung zwischen Forschungsentwicklung und Gesellschaft durchgeführt werden sollten. Die GAEIB empfiehlt, dass die Kommission ein Informationssystem einrichtet, das alle einschlägigen rechtlichen und ethischen Daten auf internationaler und nationaler Ebene einrichtet, das regelmäßig aktualisiert wird. 16. Dezember 1997 Die Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien (EGE) ersetzt die GAEIB. Die EGE, die im Wesentlichen den nationalen Ethikausschüssen vergleichbar ist, ist unabhängig, multikulturell und disziplinübergreifend und deshalb in der Lage, Stellungnahmen gänzlich frei von externen Einflüssen abzugeben. 12. Januar 1998 Das Zusatzprotokoll zum Bioethik-Übereinkommen betreffend das Verbot des Klonens von menschlichen Lebewesen wird unterzeichnet. 7. Mai 1998 Der Exekutivausschuss der UNESCO richtet den Internationalen Bioethik-Ausschuss ein. 23. November 1998 Die Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien (EGE) vertritt in ihrer Stellungnahme Nr. 12 die Auffassung, dass entsprechend der ethischen Dimension des 5. Rahmenprogramms der Gemeinschaft die Achtung des Pluralismus der Kulturen und der ethischen Ansätze in Europa, was sich in der außerordentlichen Vielfalt der nationalen Vorschriften äußert, eine finanzielle Unterstützung aus EU-Mitteln für Forschungen an menschlichen Embryonen nicht ausschließt, und zwar in Ländern, in denen diese Art von Forschung zulässig ist, dass diese Mittel jedoch nur unter strengen Auflagen gewährt werden dürfen. Diese Art von Forschung ist gesetzlich RR\453921DE.doc 125/127 PE 300.127 DE insbesondere in Deutschland, Österreich und Irland verboten. In Frankreich sind Forschungsprojekte, die letztlich zur Vernichtung des Embryos führen, verboten. Untersuchungen jedoch, die die Integrität des Embryos nicht beeinträchtigen, sind zulässig. In Dänemark, dem Vereinigten Königreich, Spanien und Schweden ist die Forschung an menschlichen Embryonen unter bestimmten Bedingungen nach dem Gesetz zulässig. Rechtsvorschriften über diese Frage werden in den Niederlanden, Belgien und Finnland vorbereitet. 8. Dezember 1998 Gemeinsamer Bericht der Human Genetics Advisory Commission und der Human Fertility and Embryology Association im Vereinigten Königreich mit der Empfehlung, das Klonen von Menschen zu verbieten, den Human Fertility and Embryology Act aus dem Jahr 1990 jedoch im Interesse therapeutischer Anwendungen zu ändern. 9. Dezember 1998 Die Generalversammlung der Vereinten Nationen unterstützt in ihrer Resolution 53/152 die Erklärung über das menschliche Genom und die Menschenrechte. Darin heißt es, dass sie von der Notwendigkeit überzeugt ist, dass internationale Vorschriften ausgearbeitet und eine Ethik der Biowissenschaften auf nationaler und internationaler Ebene geschaffen werden muss. Die Regierungen werden aufgefordert, unabhängige, multidisziplinäre und pluralistische Ethik-Ausschüsse einzurichten, insbesondere in Verbindung mit dem Internationalen Bioethik-Ausschuss, um den Erfahrungsaustausch zu verstärken. 3. Februar 2000 Bericht der EGE über die Charta der Grundrechte mit Blick auf neue Technologien; darin wird das gravierende Risiko einer Instrumentalisierung menschlicher Lebewesen durch genetische Manipulation betont. Dies wird als ethisch unannehmbar bezeichnet, es wird jedoch eingeräumt, dass genetische Manipulation dann eine Realität werden könnte, wenn der Mensch noch stärkere Kontrolle über das Leben gewinnt. Juni 2000 Bericht der Chief Medical Officer’s Expert Group des Gesundheitsministeriums des Vereinigten Königreichs mit einer Überprüfung der potenziellen Entwicklungen in der Stammzellenforschung und der Ersetzung von Zellkernen im Interesse der menschlichen Gesundheit. Darin heißt es, dass das große Potenzial für die Linderung von Leiden und die Behandlung von Krankheiten bedeutet, dass Forschung im gesamten Bereich der möglichen Quellen von Stammzellen, einschließlich Embryonen, im Grunde wünschenswert ist. Unter der Voraussetzung, dass die Notwendigkeit der Verwendung von Embryonen, die durch Ersetzung von Zellkernen entstanden sind, auf Einzelfallbasis mit entsprechender Zustimmung der Spender und unter der Aufsicht der Human Fertilisation and Embryology Authority eindeutig belegt ist, ist die Sachverständigengruppe bereit, dies zu unterstützen. Sie kommt zu der Schlussfolgerung, dass der potenzielle Nutzen der Entdeckung der Mechanismen für die Umprogrammierung adulter Zellen und dadurch die Bereitstellung von kompatiblem Gewebe für Behandlungen diese Übergangsforschung, die die Erzeugung von Embryonen durch Ersetzung von Zellkernen beinhaltet, rechtfertigt. 14. November 2000 Stellungnahme Nr. 15 der EGE der Kommission über ethische Aspekte der menschlichen Stammzellenforschung und –verwendung; darin wird die Bereitstellung spezifischer gemeinschaftlicher Haushaltsmittel für Forschungsarbeiten über alternative Quellen empfohlen, insbesondere adulte Stammzellen, sowie eine ethische Bewertung der aus Gemeinschaftsmitteln finanzierten Forschung über Stammzellen bevor mit einem Projekt begonnen wird und auch während seiner Durchführung. 7. Dezember 2000 PE 300.127 DE 126/127 RR\453921DE.doc Die Charta der Grundrechte wird auf dem Europäischen Gipfel von Nizza verkündet. In Artikel 3 von Kapitel 1 über die Würde des Menschen wird das reproduktive Klonen von Menschen verboten. 17. Dezember 2000 Die Mitglieder des britischen Unterhauses stimmen dafür, dass Wissenschaftler spezielle Stammzellen für Embryonen im Frühstadium gewinnen dürfen, um Haut- und Organgewebe für Forschungszwecke zu züchten. Damit wird eine Änderung am Human Fertilisation and Embryology Act aus dem Jahr 1990 gebilligt, wodurch zwei Wochen alte Embryonen, die bei der IVF-Behandlung nicht verwendet wurden, ausschließlich für Forschungsarbeiten über Unfruchtbarkeit genutzt werden dürfen. 11. Januar 2001 Wissenschaftler am Oregon Regional Primate Research Centre in den Vereinigten Staaten schaffen den ersten genetisch veränderten Affen. 22. Januar 2001 Die Mitglieder des britischen Oberhauses billigen Pläne der Regierung, das Klonen von menschlichen Embryonen für Forschungszwecke zuzulassen. Sie beschließen außerdem, dass ein nichtständiger Ausschuss die Auswirkungen dieser Entscheidung untersuchen sollte. RR\453921DE.doc 127/127 PE 300.127 DE