SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Glauben GRENZENLOS VERLIEBT CHRIST UND MUSLIMIN, BUDDHISTIN UND HINDU – VON DER HERAUSFORDERUNG BI-RELIGIÖSER PARTNERSCHAFTEN VON ISA HOFFINGER SENDUNG 04.01.2015 / 12.05 UHR Redaktion Religion, Kirche und Gesellschaft Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR SWR2 Glauben können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/glauben.xml Kennen Sie schon das Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der kostenlosen SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. 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Lokman Gürel, der zwei Jahre älter ist als Isabel, kam eines Tages als Mandant in das Büro, der schüchterne junge Mann fiel Isabel zuerst nicht auf. Näher kamen sich die beiden in einem Urlaub in der Türkei. Musik Türkische Musik Sprecherin Isabel war mit einer Freundin in Side, Lokman war zur selben Zeit mit einem Freund in seinem Heimatland. Die Freundin von Isabel und Lokmans Freund kannten sich aus der Schule, die vier jungen Leute verabredeten sich, gingen aus – und aus Isabel und Lokman wurde ein Paar. Isabel Gürel Meine Eltern, sie waren nicht gegen uns, natürlich hatten sie ihre Bedenken, und die türkische Kultur, man hört ja so vieles, und die Frauen, und der Islam sowieso, ne. Und da hatten sie schon ihre Sorgen, aber als sie ihn dann auch näher kennen gelernt haben – und ja – ist ja ein netter Kerl, mein Mann. (Lacht). Die mochten ihn gleich. Sprecherin Nach dem Ende ihrer Ausbildung zog Isabel nach Mannheim. Sie und Lokman suchten sich eine Wohnung. In den ersten zwei Jahren ihrer Beziehung führten die beiden hitzige Diskussionen über den islamischen Glauben. 2 Isabel Gürel Ich hatte dann begonnen, mich mit dem Islam auseinanderzusetzen, weil er und ich öfters diskutiert hatten, ja, über Koranschulen, über den 11. September, über die Unterdrückung der Frau, und er hatte mir immer zu verstehen gegeben, dass ich den eigentlichen Islam nicht kennen würde, und das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen und hatte mich dann eingedeckt mit Büchern, ich wollte meinen Freund überzeugen, dass Religion in der heutigen Zeit unvernünftig ist. Ich war mir sicher, er würde seine eigene Religion nicht gut genug kennen. Weil das war mir unverständlich, wie ein intelligenter Mann, der jetzt das Abitur macht, der hier mitten im Leben steht, an Gott glauben kann, das ging mir nicht runter. Lokman Gürel Das war mir wichtig, wenn sie konvertiert, ja, dass das von innerer Überzeugung kommt und dass dann auch dran glaubt, das ist wichtig. Isabel Gürel Er hat´s ja auch gar nicht gewusst, dass ich mich damit befasst hatte, ich hab das heimlich gemacht (lacht). Sprecherin Isabel beschäftigte sich auch mit dem Judentum, dem Hinduismus, sie las den Koran – und konvertierte dann mit 21 Jahren zum Islam. Isabel Gürel Also es war ein langer Prozess, wie das in mir gereift ist und gegärt hat – und irgendwann war dann der Entschluss klar: Ich werd Muslimin. Ganz klar. Das kam dann irgendwann. Dann spricht man die Shahada, also das Glaubensbekenntnis, das islamische (spricht es aus) - es gibt nur einen Gott und Mohammad ist sein Gesandter – und dann ist es so, dass man vor Zeugen in der islamischen Gesellschaft das dann auch laut ausspricht. Sprecherin Heute, mit 31, kann sie sich ein Leben ohne ihren Glauben nicht mehr vorstellen. Isabel Gürel Das Tolle am Islam? (Lacht). Das ist das Ganze, dass man einfach sein ganzes Leben ausrichtet, dass man hier glücklich lebt, und dann aber auch, wenn man zu der Überzeugung gereift ist, dass es das gibt, dann eben auch im nächsten Leben glücklich 3 lebt. Und der Islam ist, der ist so vernünftig, wenn man sich dann wirklich mal damit beschäftigt, das ist, als hätt ich den Schlüssel gefunden, wofür wir eigentlich leben. Sprecherin Isabel und Lokman haben drei Töchter und einen Sohn. Aischenur ist 7 Jahre alt, Esma 5, Meryem 4 – und Mehmed ist ein halbes Jahr alt. Die Kinder besuchen den Koran-Unterricht in der Mannheimer Moschee der Islamischen Gemeinde Mili Görus. Isabel Gürel Also wir versuchen in unserer Familie den Islam auch einfließen zu lassen, also natürlich die fünfmaligen Gebete, die sind mir sehr sehr wichtig, das gibt dem Tag auch eine Struktur, und dann eben auch im menschlichen Miteinander, dass man nichts Unrechtes tut, dass man die Menschen gut behandelt, so kleine Dinge, dass man aufrichtig, ehrlich und freundlich ist im Umgang miteinander. Sprecherin Isabel trägt fast immer knöchellange Kleider, oft mit Leggins darunter. Ihre dunkelblonden Haare versteckt sie unter einem Tuch. Isabel Gürel Das mit dem Kopftuch war so ein Ding, was meiner Mutter am meisten zu schaffen gemacht hat, sie ist immer mit mir auf die Straße gegangen, hat sich nicht für mich geschämt, sie wurde auch oft angegriffen dafür: Wie kannst du das zulassen? Und: Wenn meine Tochter das machen würde. Sagt sie: Ja, Soll ich eine Tochter verlieren, nur weil ich was dagegen hab, was für eine Religion sie hat? Sprecherin Die Gürels bewohnen das Erdgeschoss eines Einfamilienhauses in Mannheim. Die Rollenverteilung ist traditionell: Morgens bringt Isabel ihre Töchter mit einem Van in den Kindergarten und die Große zur Schule, dann kümmert sie sich um den Haushalt. Wenn die Kinder älter sind, möchte sie Islamwissenschaften studieren und vielleicht an einer Schule als Lehrerin arbeiten. Lokman betreibt eine Spedition und ein Autohaus und ernährt die Familie. 4 Sprecherin Jede 8. Eheschließung in Deutschland erfolgt heute binational. 21,6 Prozent der hierzulande geborenen Kinder haben einen ausländischen Elternteil, das ist mehr als jedes 5. Kind. Möglichkeiten, sich über religiöse und kulturelle Grenzen hinweg kennen und lieben zu lernen, gibt es genug. Viele Menschen absolvieren Praktika, Sprachkurse oder freiwillige Dienste im Ausland. Die christlichen Kirchen tun sich teilweise schwer mit gemischt-religiösen Paaren. Katholiken müssen vor einer Heirat mit einem Andersgläubigen den Ortsbischof um Erlaubnis bitten. Allerdings öffne sich die katholische Kirche da gerade etwas mehr, meint Thomas Weißhaar von der Diözese Rottenburg-Stuttgart: Thomas Weißhaar Jeder Katholik und jeder Mensch hat das Recht, in einer gültigen Ehe zu leben, und wenn ich einem Katholiken, der jetzt einen Ungetauften, zuerst sich verliebt hat und dann wird Liebe daraus, das ist ja auch ein Prozess des gegenseitigen sich Kennenlernens und der Emotionen zueinander und dann entsteht der Wunsch nach Eheschließung kann ich dann als Kirche nicht sagen, du hast jetzt in Anführungseichen Pech gehabt, weil es jetzt ein Ungetaufter ist, sondern es gilt dieses Recht auf gültige Ehe. Sprecherin Der Bischof erteilt in der Regel einen so genannten Dispens, wenn der katholische Partner seinem Pfarrer verspricht, alles dafür zu tun, seinem Glauben treu zu bleiben und ihn an die gemeinsamen Kinder weiterzugeben. Thomas Weißhaar meint, dass das aber nur ein sehr eingeschränktes Versprechen sei. Thomas Weißhaar Es ist nur so, dass der Pfarrer mit seiner Unterschrift bestätigt, dass der andere Partner von dem Versprechen des Katholiken weiß, also dass man da keine Geheimverhandlungen führt. Und die deutsche Bischofskonferenz, die das Eheprotokoll für Deutschland erlassen hat, hat diese Vorschrift so definiert, dass die Ehepartner schauen müssen, was ist denn in unserer Ehe sinnvoll, also es kann nicht sein, dass eine Ehe an der Frage der katholischen Kindererziehung zerbricht. Sprecherin Thomas Weißhaar plädiert dafür, sich bei den Kindern für eine Religion zu entscheiden. 5 Thomas Weißhaar Sie können ein Kind nicht zwischen den Konfessionen erziehen. Natürlich ist klar, wenn in der ersten Klasse die Kinder gefragt werden, ob sie katholisch oder evangelisch sind, weiß kein Kind, was es jetzt ist. Aber es sind natürlich verschiedene Glaubensbiografien. Es geht aus christlichem Verständnis, aber auch aus muslimischem oder jüdischem Verständnis nicht, denn die Zugehörigkeit zum Christentum heißt auch das Bekenntnis, Jesus Christus ist Gottes Sohn, das ist für einen Juden bei allem gegenseitigen Respekt unvorstellbar, und für einen Muslimen genauso und umgekehrt heißt es für einen Muslimen, Mohammed ist der Prophet und damit der, der die letzte Wahrheit verkündet, das ist für einen Christen, aus seinem Glaubensverständnis heraus, ohne fundamentalistisch zu werden, geht das nicht, das wäre auch für ein Kind eine Überforderung. Sprecherin Aber dürfen ein Hindu und eine Christin oder eine Muslima und ein Christ sich überhaupt in einer Kirche das Ehesakrament spenden? Thomas Weißhaar Das Traubuch sozusagen, mit dem der Gottesdienst gestaltet wird, sieht ganz unterschiedliche Feiern vor, auch explizit eine Trauformel für einen Katholiken, der einen Menschen heiratet, der an Gott glaubt und sogar eine Trauformel für die Heirat eines Katholiken, mit einem Menschen, der nicht an Gott glaubt, weil ich von dem ja dann nicht verlangen kann, dass er den Namen des dreifaltigen Gottes beim Treuversprechen verwendet. Nach katholischem Eheverständnis spenden sich die Eheleute das Sakrament selber, es ist nicht der Priester, der das Ehesakrament spendet, das ist die Auffassung der orthodoxen Kirche, der Priester von der Aufgabe ist so etwas wie ein Standesbeamter, der die Fragen stellt und dann bestätigt, was passiert ist, aber ein ungetaufter kann kein Sakrament in diesem Sinne des Ehesakraments spenden. Sprecherin Auch ohne Sakrament gibt es oft schöne Trauzeremonien. Thomas Weißhaar Ich hatte sogar eine Muslimin, und sie hat dann darauf bestanden, dass bei ihrer Hochzeit die Eucharistiefeier stattfindet, und dann hab ich gesagt, ja aber Sie dürfen doch gar nicht zur 6 Kommunion, dann hat sie gesagt, das weiß sie, aber sie entstammt einer Familie, wo ein Teil nach Frankreich emigriert ist und dort sehr katholisch wurde und von denen weiß sie, dass das zur katholischen Trauung dazugehört. Und das war dann eine ganz befremdliche Situation, die Eheschließung mit Eucharistiefeier, und es war der Muslimin auch anzumerken, dass ihr diese Gottesdienstform auch nicht fremd ist, also sie wusste, wann sie knien muss und sie ist auch ganz bewusst nicht zur Kommunion gegangen, das war für sie klar, sie ist nicht getauft, und das meine ich mit dem Gespräch mit dem Pfarrer, man muss dann schauen, was ist die Situation, was prallen für Welten aufeinander oder auch für Biografien, es sind ja immer zwei Menschen, die heiraten, mit zwei Biographien. Sprecherin Regine Fröse ist evangelische Theologin. Sie war als junge Frau mit einem Muslim liiert und musste sich zwischen ihrer großen Liebe und einer Stelle als Pfarrerin entscheiden. Regine Fröse Ich war Mitte 20, als ich zum ersten Mal nach Marokko kam, da hatte ich Interrail gemacht, und damals hatte ich gleich meine Liebe zu Marrakesch entdeckt, erstmal zu der Stadt, und dann zu nem Mann dort, und das hat auch am Anfang alles märchenhafte Züge gehabt, also es war wirklich ein ganz großes Verständnis da, obwohl wir nicht nur diese kulturelle Differenz hatten, wir hatten ja auch die religiöse Differenz, ich war ja Theologiestudentin, und es kam auch noch dazu, dass er aus sehr armen Verhältnissen kam, und ich aus wohlhabenden Verhältnissen, und trotz dieser Differenzen war das eine unglaublich intensive Liebesbeziehung. Sprecherin Das Paar lebte zuerst in einer Fernbeziehung, Regine Fröse flog immer wieder nach Marokko, dann beschloss sie, nach Marrakesch zu ziehen. Regine Fröse Also es waren dann insgesamt nachher 11 Monate, also ich hab auch einen großen Freundeskreis schon gehabt, dass ich so heimisch wurde in dieser Stadt, wurde für meinen Freund immer mehr zum Problem, weil er einfach von dieser Stadt sich entfernen wollte, er wollte immer nach Europa. 7 Sprecherin In Marokko veränderte sich die Beziehung zu ihrem Freund. Regine Fröse Also ich durfte zum Beispiel mich mit Freunden mich nicht mehr treffen, die unsere gemeinsamen Freunde waren, mit denen wir uns vor drei Wochen noch ganz problemlos gemeinsam getroffen hatten, solche Dinge, es waren plötzlich Fragen da, wie zum Beispiel, wenn es um die Kindererziehung geht, wie erziehen wir unsere Kinder, ich hab dann gesagt, ich bin da völlig offen, er hat gesagt, ich möchte, dass die Muslim sind. Dann hab ich darauf geantwortet, dann soll er sie auch als Muslime erziehen, da wollte er mir aber kein Versprechen abgeben, und das sind solche Dinge, wo ich dann einfach auch sehr skeptisch wurde, inwieweit sich diese Liebesbeziehung leben lässt. Sprecherin In Deutschland hätte Regine Fröse zwar als Pfarrerin arbeiten dürfen, aber nicht mir ihrem Freund im Pfarrhaus zusammenleben dürfen. Das ist größtenteils auch heute noch so. Frank Zeeb von der Evangelischen Landeskirche in Württemberg: Frank Zeeb Ein privatrechtlich angestellter Mitarbeiter kann natürlich heiraten, wen er oder sie möchte. Anders ist das bei Pfarrerinnen und Pfarrern, die ja mit ihrer ganzen Person für die evangelische Verkündigung und den evangelischen Glauben einstehen, bei Pfarrerinnen und Pfarrern ist es so, dass die vor der Eheschließung mit einem nicht-evangelischen Partner vorher das Gespräch mit dem evangelischen Oberkirchenrat und dann mit dem Personaldezernat suchen. Sprecherin Der Vikarin Carmen Häcker aus BadenWürrtemberg wurde im Jahr 2011 gekündigt, weil sie einen Muslim geheiratet hatte, sie setzte ihre Ausbildung danach in Berlin fort. Frank Zeeb Der Fall war etwas anders, da war der kritische Punkt, dass sie diese Trauung angegangen ist, diese bürgerliche Eheschließung, ohne vorher den Oberkirchenrat zu informieren, wozu sie verpflichtet gewesen wäre, und dann hat sich das hochgeschaukelt. 8 Sprecherin Regine Fröse arbeitet heute als Lehrerin für Psychologie und evangelische Religion und ist mit einem deutschen Mann zusammen. In ihrer Dissertation „Eine Familie – zwei Religionen“ hat sie sich mit der Situation interreligiöser Paare auseinandergesetzt. Regine Fröse Ich hab in meiner Arbeit auch festgestellt, dass die muslimischen Elternteile doch immer wieder auch Probleme hatten mit dem Kreuz. Also solche Feste zum Beispiel wie Weihnachten wurden in allen Familien mehr oder weniger problemlos gefeiert, und jetzt allein das Osterfest wo das Kreuz ja so stark im Mittelpunkt steht – da wurde plötzlich etwas zum Konfliktfeld, weil da dieser Jesus Christius so durch die Hintertür hereingeschlichen kam. Der Islam sieht ja Jesus als Propheten, und sieht diesen Propheten auch als eine herrliche Person, die natürlich auch dadurch sich qualifiziert, dass sie nicht einen Skandal- einen Schandtot stirbt. Die weitaus größere Schwierigkeit ist an diesem Jesus, dass er als Gottes Sohn betrachtet wird, im Christentum, und wenn man das jetzt natürlich biologistisch auslegt, also Gott als maskuliner Erzeuger dieses Sohnes, dann kommt man natürlich als Muslim immer in Probleme. Weil die Taoit, also diese Einzigartigkeit Gottes und die Nicht-Personalität Gottes dadurch extrem gestört würde. Sprecherin Von den islamischen und christlichen Gemeinden würden interreligiöse Paare oft allein gelassen, meint sie. Regine Fröse Weder die Moschee kümmert sich um diese Paare noch die Kirchengemeinde, weil die letztendlich auch nirgends zu Hause sind, wenn es der Fall war, dass eine multireligiöse Trauung stattgefunden hat, dann ist eine Chance, dass da tatsächlich die Paare auch einen Fuß in die Gemeinde hineinbekommen, aber sobald solche Feiern nicht stattfinden, werden diese Paare ein Stück weit vergessen. Musik Arabische Musik 9 Sprecherin Wie harmonisch eine Ehe mit einem Muslim sein kann, hat Gerda el Banna erlebt. Sie heiratete einen Palästinenser, in den 1960-er Jahren. Gerda el Bannas Eltern waren streng gläubige Katholiken. Ihre Beziehung zu ihrem späteren Mann Ahmed musste sie am Anfang lange geheim halten. Gerda el Banna Ich hab meinen Mann kennen gelernt in einer mittelfränkischen Kleinstadt, und da war ich 17 und mein Mann war vorher in Rothenburg ob der Tauber, am Goethe Institut, um die deutsche Sprache zu erlernen und wollte Maschinenbau studieren und hat dann ein Praktikum gemacht in einem landwirtschaftlichen Betrieb in dieser Kleinstadt, wo ich eben wohnte – und da haben wir uns kennen gelernt, übrigens am Rosenmontag (lacht). Und dann hab ich mich mit ihm getroffen ganz arglos in unserer Kleinstadt, am Nachmittag – und eh ich heimkam – ach, wussten meine Eltern schon bescheid, und überhaupt, und außerdem und das geht net. Und fertig, Schluss. Also das war hanebüchen, das war ganz schlimm, die Menschen dort in dieser Kleinstadt, da krieg ich heut noch Bauchgrimmen, wenn ich da hin geh, weil die uns so unrecht getan haben. Also es war nicht möglich, da am Nachmittag spazieren zu gehen ohne dass irgendwas Böses einem nachgesagt wurde. Ich hab strengstes Ausgehverbot zwei Jahre gehabt und musste ständig lügen, um überhaupt einmal entwischen zu können, aber es ist gelungen (lacht). Sprecherin Um den üblen Nachreden die Spitze zu nehmen, machte Ahmed el Banna der Frau seines Herzens einen Heiratsantrag. Gerda war 19, als sie ihn annahm – unter der Bedingung, dass sie ihre Kinder katholisch erziehen darf. Ahmed, ein gläubiger Muslim, überlegte eine Woche lang – dann versprach er seiner zukünftigen Frau, dass er sie bei der katholischen Erziehung der Kinder unterstützen würde. Gerda el Banna Das war für mich ein ganz großes Geschenk. Und das war schön. Sprecherin Einer Hochzeit stand damit nichts im Weg. Das Paar zog nach Stuttgart. 10 Gerda el Banna Wir haben dann geheiratet in Stuttgart Obertürkheim in der Kirche Sankt Franziskus am 18. Februar 1961, einen Tag vorher war die standesamtliche Trauung und das war dann die kirchliche Trauung und bei der Trauung war dabei meine Mutter, zwei Trauzeugen, die waren muslimisch und wir beide - das wars. Wir mussten nicht heiraten, also ich war nicht schwanger, und das möchte ich auch betonen, weil nämlich, für einen Muslim ist ein vorehelicher sexueller Verkehr nicht erlaubt – und ich war Katholikin, und für mich auch nicht, und wir haben uns daran gehalten und nur das hat uns stark gemacht, weil die ganze Welt gegen uns war. Sprecherin Zwei Söhne hat Gerda el Banna geboren, beide haben einen deutschen und einen arabischen Namen, sie heißen Wolfgang-Taher und StefanTarek. Durch den Nachwuchs versöhnten sich Gerda el Bannas Eltern mit ihrem palästinensischen Schwiegersohn. Ahmed hielt sein Wort und schickte seine Kinder jeden Sonntag in die Kirche. Auch er selbst engagierte sich in Gerda el Bannas katholischer Gemeinde. Gerda el Banna Mein Mann hat mich immer begleitet. Er hat Fastenessen gekocht, für Miserior. Er ist mit den Sternsingern gegangen. Das Leitwort meines Mannes war: An dieser Stelle, wo ich stehe, fragt Gott mich an, Gutes zu tun, egal, zu welcher Religion ich gehöre. Und wenn Miserior Menschen unterstützt und ich kann dazu beitragen, dann mach ich das und dann geh ich mit den Sternsingern. Sprecherin Auch im Alltag war Ahmed zärtlich und respektvoll, sagt Gerda el Banna. Beide konnten sogar zusammen beten, in einer freien, stillen Form – jeder zu seinem Gott. Gerda el Banna Mein Mann hat mich immer wieder überrascht. In der Kinderpflege, in der Babypflege, wenn das Kind nachts geweint hat, wer war da am Bett – der Ahmed. Sprecherin Gerda el Bannas katholischer Glaube konnte bei ihrem Mann auch etwas bewegen. 11 Gerda el Banna Mein Mann ist Jerusalemer. Mein Mann ist 1937 geboren, und 1948 war der Krieg, die Israelis nennen ihn Unabhängigkeitskrieg, für die Palästinenser ist es die große Misere, und da war mein Mann 11 Jahre, mitten in Jerusalem, in der Altstadt ist er ja auch geboren und aufgewachsen, und in diesem Krieg, da ist sein Vater angeschossen worden als Zivilist und er hat da ganz schreckliche Erlebnisse gehabt - und er war unversöhnt mit den Israelis, mit den Juden, mit dieser ganzen Situation im nahen Osten, das war schlimm. Es hat 25 Jahre unserer Ehe gedauert, bis ich, und das konnte ich ihm vom Christentum weitergeben, die Bereitschaft, dem Feind einfach zu verzeihen und zu vergeben, weil man dadurch selber einfach besser leben kann - und das war der Grund, warum wir erstmals 1987 nach Jerusalem gefahren sind – zusammen. Und die Versöhnung mit den Juden hat auch konkret stattfinden können. Und das, ja, das war eine Frucht unseres Zusammenlebens. Sprecherin Die Liebe von Gerda el Banna ging über den Tod hinaus. Ahmed el Banna hatte einen Hirntumor. Gerda el Banna Worüber ich sehr dankbar bin, ist, dass der Imam erlaubt hat, denn mein Mann ist ja als Muslim gestorben, dass ich bei der Totenwaschung mit dabei bin. Ich hatte davor eigentlich Angst, aber ich bin froh, dass ich mich dafür entschieden habe, denn das war etwas Sensibles, und etwas, wo man zum letzten Mal auch noch Liebe schenken kann. Musik Trenner Sprecherin Gerda el Banna glaubt, dass interreligiöse Paare oft unter Vorurteilen im Umfeld leiden. Gerda el Banna Die Menschen dort in dieser Kleinstadt, da kriege ich heut noch Bauchgrimmen, wenn ich da hin geh, weil die uns so unrecht getan haben. Also es war nicht möglich, da am Nachmittag spazieren zu gehen ohne dass irgendwas Böses einem nachgesagt wurde. Sprecherin Isabel Gürel wünscht sich weniger Vorurteile in der Gesellschaft. 12 Isabel Gürel Zu oft hört man negative Dinge über Muslime. Sprecherin Regine Fröse hofft, dass sich die Kirchen noch stärker öffnen. Regine Fröse Ich geh davon aus, eine Kirche, die sich für den Dialog, die Religionen, engagiert, die muss auch diesen Dialog auf engstem Raum, im Mikrobereich, transparent und möglich machen, und das wäre eben die Familie, und da könnte doch auch gerade der Pfarrer oder die Pfarrerin als Vorbild dienen für Dialogfähigkeit, für Partnerschaftlichkeit, für Vorurteilsabbau, also da wären unglaublich viele Lernziele auch damit verbunden. 13