SWR2 Glauben GRENZENLOS VERLIEBT

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SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Glauben
GRENZENLOS VERLIEBT
CHRIST UND MUSLIMIN, BUDDHISTIN UND HINDU – VON DER
HERAUSFORDERUNG BI-RELIGIÖSER PARTNERSCHAFTEN
VON ISA HOFFINGER
SENDUNG 04.01.2015 / 12.05 UHR
Redaktion Religion, Kirche und Gesellschaft
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Atmo
Gebet Isabel Gürel (arabisch)
Isabel Gürel
Mein Mann und ich stammen von der
schwäbischen Alb, dort haben wir uns dann auch
kennen gelernt. Drei Wochen, nachdem wir uns
kennen gelernt haben, ist er dann ins Exil verbannt
worden (lacht), da haben die Eltern Wind davon
bekommen, dass er ne deutsche Freundin hat, und
dann haben sie gedacht, wenn sie das räumlich
trennen, dass sie dann das unterbinden könnten.
Der Vater von ihm ist öfters in Mannheim und kennt
dort die Moscheen und hat dann das so arrangiert,
dass er in Mannheim dann in einer Moschee gelebt
hat, und dann von mir quasi getrennt war.
Sprecherin
Isabel war 19 Jahre alt, als sie sich in Lokman Gürel
verliebte. In ihrem Heimatort Schwäbisch Gmünd
absolvierte sie eine Ausbildung zur
Rechtsanwaltsgehilfin. Lokman Gürel, der zwei
Jahre älter ist als Isabel, kam eines Tages als
Mandant in das Büro, der schüchterne junge Mann
fiel Isabel zuerst nicht auf. Näher kamen sich die
beiden in einem Urlaub in der Türkei.
Musik
Türkische Musik
Sprecherin
Isabel war mit einer Freundin in Side, Lokman war
zur selben Zeit mit einem Freund in seinem
Heimatland. Die Freundin von Isabel und Lokmans
Freund kannten sich aus der Schule, die vier jungen
Leute verabredeten sich, gingen aus – und aus
Isabel und Lokman wurde ein Paar.
Isabel Gürel
Meine Eltern, sie waren nicht gegen uns, natürlich
hatten sie ihre Bedenken, und die türkische Kultur,
man hört ja so vieles, und die Frauen, und der Islam
sowieso, ne. Und da hatten sie schon ihre Sorgen,
aber als sie ihn dann auch näher kennen gelernt
haben – und ja – ist ja ein netter Kerl, mein Mann.
(Lacht). Die mochten ihn gleich.
Sprecherin
Nach dem Ende ihrer Ausbildung zog Isabel nach
Mannheim. Sie und Lokman suchten sich eine
Wohnung. In den ersten zwei Jahren ihrer
Beziehung führten die beiden hitzige Diskussionen
über den islamischen Glauben.
2
Isabel Gürel
Ich hatte dann begonnen, mich mit dem Islam
auseinanderzusetzen, weil er und ich öfters
diskutiert hatten, ja, über Koranschulen, über den
11. September, über die Unterdrückung der Frau,
und er hatte mir immer zu verstehen gegeben, dass
ich den eigentlichen Islam nicht kennen würde, und
das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen und hatte
mich dann eingedeckt mit Büchern, ich wollte
meinen Freund überzeugen, dass Religion in der
heutigen Zeit unvernünftig ist. Ich war mir sicher, er
würde seine eigene Religion nicht gut genug
kennen. Weil das war mir unverständlich, wie ein
intelligenter Mann, der jetzt das Abitur macht, der
hier mitten im Leben steht, an Gott glauben kann,
das ging mir nicht runter.
Lokman Gürel
Das war mir wichtig, wenn sie konvertiert, ja, dass
das von innerer Überzeugung kommt und dass
dann auch dran glaubt, das ist wichtig.
Isabel Gürel
Er hat´s ja auch gar nicht gewusst, dass ich mich
damit befasst hatte, ich hab das heimlich gemacht
(lacht).
Sprecherin
Isabel beschäftigte sich auch mit dem Judentum,
dem Hinduismus, sie las den Koran – und
konvertierte dann mit 21 Jahren zum Islam.
Isabel Gürel
Also es war ein langer Prozess, wie das in mir gereift
ist und gegärt hat – und irgendwann war dann der
Entschluss klar: Ich werd Muslimin. Ganz klar. Das
kam dann irgendwann. Dann spricht man die
Shahada, also das Glaubensbekenntnis, das
islamische (spricht es aus) - es gibt nur einen Gott
und Mohammad ist sein Gesandter – und dann ist
es so, dass man vor Zeugen in der islamischen
Gesellschaft das dann auch laut ausspricht.
Sprecherin
Heute, mit 31, kann sie sich ein Leben ohne ihren
Glauben nicht mehr vorstellen.
Isabel Gürel
Das Tolle am Islam? (Lacht). Das ist das Ganze, dass
man einfach sein ganzes Leben ausrichtet, dass
man hier glücklich lebt, und dann aber auch, wenn
man zu der Überzeugung gereift ist, dass es das
gibt, dann eben auch im nächsten Leben glücklich
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lebt. Und der Islam ist, der ist so vernünftig, wenn
man sich dann wirklich mal damit beschäftigt, das
ist, als hätt ich den Schlüssel gefunden, wofür wir
eigentlich leben.
Sprecherin
Isabel und Lokman haben drei Töchter und einen
Sohn. Aischenur ist 7 Jahre alt, Esma 5, Meryem 4 –
und Mehmed ist ein halbes Jahr alt. Die Kinder
besuchen den Koran-Unterricht in der Mannheimer
Moschee der Islamischen Gemeinde Mili Görus.
Isabel Gürel
Also wir versuchen in unserer Familie den Islam
auch einfließen zu lassen, also natürlich die
fünfmaligen Gebete, die sind mir sehr sehr wichtig,
das gibt dem Tag auch eine Struktur, und dann
eben auch im menschlichen Miteinander, dass
man nichts Unrechtes tut, dass man die Menschen
gut behandelt, so kleine Dinge, dass man
aufrichtig, ehrlich und freundlich ist im Umgang
miteinander.
Sprecherin
Isabel trägt fast immer knöchellange Kleider, oft mit
Leggins darunter. Ihre dunkelblonden Haare
versteckt sie unter einem Tuch.
Isabel Gürel
Das mit dem Kopftuch war so ein Ding, was meiner
Mutter am meisten zu schaffen gemacht hat, sie ist
immer mit mir auf die Straße gegangen, hat sich
nicht für mich geschämt, sie wurde auch oft
angegriffen dafür: Wie kannst du das zulassen?
Und: Wenn meine Tochter das machen würde. Sagt
sie: Ja, Soll ich eine Tochter verlieren, nur weil ich
was dagegen hab, was für eine Religion sie hat?
Sprecherin
Die Gürels bewohnen das Erdgeschoss eines
Einfamilienhauses in Mannheim. Die
Rollenverteilung ist traditionell: Morgens bringt
Isabel ihre Töchter mit einem Van in den
Kindergarten und die Große zur Schule, dann
kümmert sie sich um den Haushalt. Wenn die Kinder
älter sind, möchte sie Islamwissenschaften studieren
und vielleicht an einer Schule als Lehrerin arbeiten.
Lokman betreibt eine Spedition und ein Autohaus
und ernährt die Familie.
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Sprecherin
Jede 8. Eheschließung in Deutschland erfolgt heute
binational. 21,6 Prozent der hierzulande geborenen
Kinder haben einen ausländischen Elternteil, das ist
mehr als jedes 5. Kind. Möglichkeiten, sich über
religiöse und kulturelle Grenzen hinweg kennen und
lieben zu lernen, gibt es genug. Viele Menschen
absolvieren Praktika, Sprachkurse oder freiwillige
Dienste im Ausland. Die christlichen Kirchen tun sich
teilweise schwer mit gemischt-religiösen Paaren.
Katholiken müssen vor einer Heirat mit einem
Andersgläubigen den Ortsbischof um Erlaubnis
bitten. Allerdings öffne sich die katholische Kirche
da gerade etwas mehr, meint Thomas Weißhaar
von der Diözese Rottenburg-Stuttgart:
Thomas Weißhaar
Jeder Katholik und jeder Mensch hat das Recht, in
einer gültigen Ehe zu leben, und wenn ich einem
Katholiken, der jetzt einen Ungetauften, zuerst sich
verliebt hat und dann wird Liebe daraus, das ist ja
auch ein Prozess des gegenseitigen sich
Kennenlernens und der Emotionen zueinander und
dann entsteht der Wunsch nach Eheschließung
kann ich dann als Kirche nicht sagen, du hast jetzt
in Anführungseichen Pech gehabt, weil es jetzt ein
Ungetaufter ist, sondern es gilt dieses Recht auf
gültige Ehe.
Sprecherin
Der Bischof erteilt in der Regel einen so genannten
Dispens, wenn der katholische Partner seinem
Pfarrer verspricht, alles dafür zu tun, seinem
Glauben treu zu bleiben und ihn an die
gemeinsamen Kinder weiterzugeben. Thomas
Weißhaar meint, dass das aber nur ein sehr
eingeschränktes Versprechen sei.
Thomas Weißhaar
Es ist nur so, dass der Pfarrer mit seiner Unterschrift
bestätigt, dass der andere Partner von dem
Versprechen des Katholiken weiß, also dass man da
keine Geheimverhandlungen führt. Und die
deutsche Bischofskonferenz, die das Eheprotokoll
für Deutschland erlassen hat, hat diese Vorschrift so
definiert, dass die Ehepartner schauen müssen, was
ist denn in unserer Ehe sinnvoll, also es kann nicht
sein, dass eine Ehe an der Frage der katholischen
Kindererziehung zerbricht.
Sprecherin
Thomas Weißhaar plädiert dafür, sich bei den
Kindern für eine Religion zu entscheiden.
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Thomas Weißhaar
Sie können ein Kind nicht zwischen den
Konfessionen erziehen. Natürlich ist klar, wenn in der
ersten Klasse die Kinder gefragt werden, ob sie
katholisch oder evangelisch sind, weiß kein Kind,
was es jetzt ist. Aber es sind natürlich verschiedene
Glaubensbiografien. Es geht aus christlichem
Verständnis, aber auch aus muslimischem oder
jüdischem Verständnis nicht, denn die
Zugehörigkeit zum Christentum heißt auch das
Bekenntnis, Jesus Christus ist Gottes Sohn, das ist für
einen Juden bei allem gegenseitigen Respekt
unvorstellbar, und für einen Muslimen genauso und
umgekehrt heißt es für einen Muslimen, Mohammed
ist der Prophet und damit der, der die letzte
Wahrheit verkündet, das ist für einen Christen, aus
seinem Glaubensverständnis heraus, ohne
fundamentalistisch zu werden, geht das nicht, das
wäre auch für ein Kind eine Überforderung.
Sprecherin
Aber dürfen ein Hindu und eine Christin oder eine
Muslima und ein Christ sich überhaupt in einer
Kirche das Ehesakrament spenden?
Thomas Weißhaar
Das Traubuch sozusagen, mit dem der Gottesdienst
gestaltet wird, sieht ganz unterschiedliche Feiern
vor, auch explizit eine Trauformel für einen
Katholiken, der einen Menschen heiratet, der an
Gott glaubt und sogar eine Trauformel für die Heirat
eines Katholiken, mit einem Menschen, der nicht an
Gott glaubt, weil ich von dem ja dann nicht
verlangen kann, dass er den Namen des
dreifaltigen Gottes beim Treuversprechen
verwendet. Nach katholischem Eheverständnis
spenden sich die Eheleute das Sakrament selber, es
ist nicht der Priester, der das Ehesakrament
spendet, das ist die Auffassung der orthodoxen
Kirche, der Priester von der Aufgabe ist so etwas
wie ein Standesbeamter, der die Fragen stellt und
dann bestätigt, was passiert ist, aber ein
ungetaufter kann kein Sakrament in diesem Sinne
des Ehesakraments spenden.
Sprecherin
Auch ohne Sakrament gibt es oft schöne
Trauzeremonien.
Thomas Weißhaar
Ich hatte sogar eine Muslimin, und sie hat dann
darauf bestanden, dass bei ihrer Hochzeit die
Eucharistiefeier stattfindet, und dann hab ich
gesagt, ja aber Sie dürfen doch gar nicht zur
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Kommunion, dann hat sie gesagt, das weiß sie,
aber sie entstammt einer Familie, wo ein Teil nach
Frankreich emigriert ist und dort sehr katholisch
wurde und von denen weiß sie, dass das zur
katholischen Trauung dazugehört. Und das war
dann eine ganz befremdliche Situation, die
Eheschließung mit Eucharistiefeier, und es war der
Muslimin auch anzumerken, dass ihr diese
Gottesdienstform auch nicht fremd ist, also sie
wusste, wann sie knien muss und sie ist auch ganz
bewusst nicht zur Kommunion gegangen, das war
für sie klar, sie ist nicht getauft, und das meine ich
mit dem Gespräch mit dem Pfarrer, man muss dann
schauen, was ist die Situation, was prallen für
Welten aufeinander oder auch für Biografien, es
sind ja immer zwei Menschen, die heiraten, mit zwei
Biographien.
Sprecherin
Regine Fröse ist evangelische Theologin. Sie war als
junge Frau mit einem Muslim liiert und musste sich
zwischen ihrer großen Liebe und einer Stelle als
Pfarrerin entscheiden.
Regine Fröse
Ich war Mitte 20, als ich zum ersten Mal nach
Marokko kam, da hatte ich Interrail gemacht, und
damals hatte ich gleich meine Liebe zu Marrakesch
entdeckt, erstmal zu der Stadt, und dann zu nem
Mann dort, und das hat auch am Anfang alles
märchenhafte Züge gehabt, also es war wirklich ein
ganz großes Verständnis da, obwohl wir nicht nur
diese kulturelle Differenz hatten, wir hatten ja auch
die religiöse Differenz, ich war ja
Theologiestudentin, und es kam auch noch dazu,
dass er aus sehr armen Verhältnissen kam, und ich
aus wohlhabenden Verhältnissen, und trotz dieser
Differenzen war das eine unglaublich intensive
Liebesbeziehung.
Sprecherin
Das Paar lebte zuerst in einer Fernbeziehung,
Regine Fröse flog immer wieder nach Marokko,
dann beschloss sie, nach Marrakesch zu ziehen.
Regine Fröse
Also es waren dann insgesamt nachher 11 Monate,
also ich hab auch einen großen Freundeskreis
schon gehabt, dass ich so heimisch wurde in dieser
Stadt, wurde für meinen Freund immer mehr zum
Problem, weil er einfach von dieser Stadt sich
entfernen wollte, er wollte immer nach Europa.
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Sprecherin
In Marokko veränderte sich die Beziehung zu
ihrem Freund.
Regine Fröse
Also ich durfte zum Beispiel mich mit Freunden mich
nicht mehr treffen, die unsere gemeinsamen
Freunde waren, mit denen wir uns vor drei Wochen
noch ganz problemlos gemeinsam getroffen
hatten, solche Dinge, es waren plötzlich Fragen da,
wie zum Beispiel, wenn es um die Kindererziehung
geht, wie erziehen wir unsere Kinder, ich hab dann
gesagt, ich bin da völlig offen, er hat gesagt, ich
möchte, dass die Muslim sind. Dann hab ich darauf
geantwortet, dann soll er sie auch als Muslime
erziehen, da wollte er mir aber kein Versprechen
abgeben, und das sind solche Dinge, wo ich dann
einfach auch sehr skeptisch wurde, inwieweit sich
diese Liebesbeziehung leben lässt.
Sprecherin
In Deutschland hätte Regine Fröse zwar als Pfarrerin
arbeiten dürfen, aber nicht mir ihrem Freund im
Pfarrhaus zusammenleben dürfen. Das ist
größtenteils auch heute noch so. Frank Zeeb von
der Evangelischen Landeskirche in Württemberg:
Frank Zeeb
Ein privatrechtlich angestellter Mitarbeiter kann
natürlich heiraten, wen er oder sie möchte. Anders
ist das bei Pfarrerinnen und Pfarrern, die ja mit ihrer
ganzen Person für die evangelische Verkündigung
und den evangelischen Glauben einstehen, bei
Pfarrerinnen und Pfarrern ist es so, dass die vor der
Eheschließung mit einem nicht-evangelischen
Partner vorher das Gespräch mit dem
evangelischen Oberkirchenrat und dann mit dem
Personaldezernat suchen.
Sprecherin
Der Vikarin Carmen Häcker aus BadenWürrtemberg wurde im Jahr 2011 gekündigt, weil
sie einen Muslim geheiratet hatte, sie setzte ihre
Ausbildung danach in Berlin fort.
Frank Zeeb
Der Fall war etwas anders, da war der kritische
Punkt, dass sie diese Trauung angegangen ist, diese
bürgerliche Eheschließung, ohne vorher den
Oberkirchenrat zu informieren, wozu sie verpflichtet
gewesen wäre, und dann hat sich das
hochgeschaukelt.
8
Sprecherin
Regine Fröse arbeitet heute als Lehrerin für
Psychologie und evangelische Religion und ist mit
einem deutschen Mann zusammen. In ihrer
Dissertation „Eine Familie – zwei Religionen“ hat sie
sich mit der Situation interreligiöser Paare
auseinandergesetzt.
Regine Fröse
Ich hab in meiner Arbeit auch festgestellt, dass die
muslimischen Elternteile doch immer wieder auch
Probleme hatten mit dem Kreuz. Also solche Feste
zum Beispiel wie Weihnachten wurden in allen
Familien mehr oder weniger problemlos gefeiert,
und jetzt allein das Osterfest wo das Kreuz ja so stark
im Mittelpunkt steht – da wurde plötzlich etwas zum
Konfliktfeld, weil da dieser Jesus Christius so durch
die Hintertür hereingeschlichen kam. Der Islam sieht
ja Jesus als Propheten, und sieht diesen Propheten
auch als eine herrliche Person, die natürlich auch
dadurch sich qualifiziert, dass sie nicht einen
Skandal- einen Schandtot stirbt. Die weitaus
größere Schwierigkeit ist an diesem Jesus, dass er
als Gottes Sohn betrachtet wird, im Christentum,
und wenn man das jetzt natürlich biologistisch
auslegt, also Gott als maskuliner Erzeuger dieses
Sohnes, dann kommt man natürlich als Muslim
immer in Probleme. Weil die Taoit, also diese
Einzigartigkeit Gottes und die Nicht-Personalität
Gottes dadurch extrem gestört würde.
Sprecherin
Von den islamischen und christlichen Gemeinden
würden interreligiöse Paare oft allein gelassen,
meint sie.
Regine Fröse
Weder die Moschee kümmert sich um diese Paare
noch die Kirchengemeinde, weil die letztendlich
auch nirgends zu Hause sind, wenn es der Fall war,
dass eine multireligiöse Trauung stattgefunden hat,
dann ist eine Chance, dass da tatsächlich die
Paare auch einen Fuß in die Gemeinde
hineinbekommen, aber sobald solche Feiern nicht
stattfinden, werden diese Paare ein Stück weit
vergessen.
Musik
Arabische Musik
9
Sprecherin
Wie harmonisch eine Ehe mit einem Muslim sein
kann, hat Gerda el Banna erlebt. Sie heiratete
einen Palästinenser, in den 1960-er Jahren. Gerda el
Bannas Eltern waren streng gläubige Katholiken.
Ihre Beziehung zu ihrem späteren Mann Ahmed
musste sie am Anfang lange geheim halten.
Gerda el Banna
Ich hab meinen Mann kennen gelernt in einer
mittelfränkischen Kleinstadt, und da war ich 17 und mein Mann war vorher in Rothenburg ob der
Tauber, am Goethe Institut, um die deutsche
Sprache zu erlernen und wollte Maschinenbau
studieren und hat dann ein Praktikum gemacht in
einem landwirtschaftlichen Betrieb in dieser
Kleinstadt, wo ich eben wohnte – und da haben wir
uns kennen gelernt, übrigens am Rosenmontag
(lacht). Und dann hab ich mich mit ihm getroffen
ganz arglos in unserer Kleinstadt, am Nachmittag –
und eh ich heimkam – ach, wussten meine Eltern
schon bescheid, und überhaupt, und außerdem und das geht net. Und fertig, Schluss. Also das war
hanebüchen, das war ganz schlimm, die Menschen
dort in dieser Kleinstadt, da krieg ich heut noch
Bauchgrimmen, wenn ich da hin geh, weil die uns
so unrecht getan haben. Also es war nicht möglich,
da am Nachmittag spazieren zu gehen ohne dass
irgendwas Böses einem nachgesagt wurde. Ich
hab strengstes Ausgehverbot zwei Jahre gehabt
und musste ständig lügen, um überhaupt einmal
entwischen zu können, aber es ist gelungen (lacht).
Sprecherin
Um den üblen Nachreden die Spitze zu nehmen,
machte Ahmed el Banna der Frau seines Herzens
einen Heiratsantrag. Gerda war 19, als sie ihn
annahm – unter der Bedingung, dass sie ihre Kinder
katholisch erziehen darf. Ahmed, ein gläubiger
Muslim, überlegte eine Woche lang – dann
versprach er seiner zukünftigen Frau, dass er sie bei
der katholischen Erziehung der Kinder unterstützen
würde.
Gerda el Banna
Das war für mich ein ganz großes Geschenk. Und
das war schön.
Sprecherin
Einer Hochzeit stand damit nichts im Weg. Das Paar
zog nach Stuttgart.
10
Gerda el Banna
Wir haben dann geheiratet in Stuttgart
Obertürkheim in der Kirche Sankt Franziskus am 18.
Februar 1961, einen Tag vorher war die
standesamtliche Trauung und das war dann die
kirchliche Trauung und bei der Trauung war dabei
meine Mutter, zwei Trauzeugen, die waren
muslimisch und wir beide - das wars. Wir mussten
nicht heiraten, also ich war nicht schwanger, und
das möchte ich auch betonen, weil nämlich, für
einen Muslim ist ein vorehelicher sexueller Verkehr
nicht erlaubt – und ich war Katholikin, und für mich
auch nicht, und wir haben uns daran gehalten und
nur das hat uns stark gemacht, weil die ganze Welt
gegen uns war.
Sprecherin
Zwei Söhne hat Gerda el Banna geboren, beide
haben einen deutschen und einen arabischen
Namen, sie heißen Wolfgang-Taher und StefanTarek. Durch den Nachwuchs versöhnten sich
Gerda el Bannas Eltern mit ihrem palästinensischen
Schwiegersohn. Ahmed hielt sein Wort und schickte
seine Kinder jeden Sonntag in die Kirche. Auch er
selbst engagierte sich in Gerda el Bannas
katholischer Gemeinde.
Gerda el Banna
Mein Mann hat mich immer begleitet. Er hat
Fastenessen gekocht, für Miserior. Er ist mit den
Sternsingern gegangen. Das Leitwort meines
Mannes war: An dieser Stelle, wo ich stehe, fragt
Gott mich an, Gutes zu tun, egal, zu welcher
Religion ich gehöre. Und wenn Miserior Menschen
unterstützt und ich kann dazu beitragen, dann
mach ich das und dann geh ich mit den
Sternsingern.
Sprecherin
Auch im Alltag war Ahmed zärtlich und respektvoll,
sagt Gerda el Banna. Beide konnten sogar
zusammen beten, in einer freien, stillen Form – jeder
zu seinem Gott.
Gerda el Banna
Mein Mann hat mich immer wieder überrascht. In
der Kinderpflege, in der Babypflege, wenn das
Kind nachts geweint hat, wer war da am Bett – der
Ahmed.
Sprecherin
Gerda el Bannas katholischer Glaube konnte bei
ihrem Mann auch etwas bewegen.
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Gerda el Banna
Mein Mann ist Jerusalemer. Mein Mann ist 1937
geboren, und 1948 war der Krieg, die Israelis
nennen ihn Unabhängigkeitskrieg, für die
Palästinenser ist es die große Misere, und da war
mein Mann 11 Jahre, mitten in Jerusalem, in der
Altstadt ist er ja auch geboren und aufgewachsen,
und in diesem Krieg, da ist sein Vater angeschossen
worden als Zivilist und er hat da ganz schreckliche
Erlebnisse gehabt - und er war unversöhnt mit den
Israelis, mit den Juden, mit dieser ganzen Situation
im nahen Osten, das war schlimm. Es hat 25 Jahre
unserer Ehe gedauert, bis ich, und das konnte ich
ihm vom Christentum weitergeben, die Bereitschaft,
dem Feind einfach zu verzeihen und zu vergeben,
weil man dadurch selber einfach besser leben kann
- und das war der Grund, warum wir erstmals 1987
nach Jerusalem gefahren sind – zusammen. Und
die Versöhnung mit den Juden hat auch konkret
stattfinden können. Und das, ja, das war eine Frucht
unseres Zusammenlebens.
Sprecherin
Die Liebe von Gerda el Banna ging über den Tod
hinaus. Ahmed el Banna hatte einen Hirntumor.
Gerda el Banna
Worüber ich sehr dankbar bin, ist, dass der Imam
erlaubt hat, denn mein Mann ist ja als Muslim
gestorben, dass ich bei der Totenwaschung mit
dabei bin. Ich hatte davor eigentlich Angst, aber
ich bin froh, dass ich mich dafür entschieden habe,
denn das war etwas Sensibles, und etwas, wo man
zum letzten Mal auch noch Liebe schenken kann.
Musik
Trenner
Sprecherin
Gerda el Banna glaubt, dass interreligiöse Paare oft
unter Vorurteilen im Umfeld leiden.
Gerda el Banna
Die Menschen dort in dieser Kleinstadt, da kriege
ich heut noch Bauchgrimmen, wenn ich da hin
geh, weil die uns so unrecht getan haben. Also es
war nicht möglich, da am Nachmittag spazieren zu
gehen ohne dass irgendwas Böses einem
nachgesagt wurde.
Sprecherin
Isabel Gürel wünscht sich weniger Vorurteile in der
Gesellschaft.
12
Isabel Gürel
Zu oft hört man negative Dinge über Muslime.
Sprecherin
Regine Fröse hofft, dass sich die Kirchen noch
stärker öffnen.
Regine Fröse
Ich geh davon aus, eine Kirche, die sich für den
Dialog, die Religionen, engagiert, die muss auch
diesen Dialog auf engstem Raum, im Mikrobereich,
transparent und möglich machen, und das wäre
eben die Familie, und da könnte doch auch
gerade der Pfarrer oder die Pfarrerin als Vorbild
dienen für Dialogfähigkeit, für Partnerschaftlichkeit,
für Vorurteilsabbau, also da wären unglaublich
viele Lernziele auch damit verbunden.
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