Außerordentliche Generalversammlung des Vereins Städtepartnerschaft Salzburg – Leon 13. Oktober 2006, 20 h, ARGEkultur Diskussionsbeitrag von Manfred Winkler zu den Themen: 1. Was ist der politische Stellenwert einer bzw. unserer Städtepartnerschaft unter den Rahmenbedingungen des herrschenden globalisierten Neoliberalismus? 2. Wie kann man den steuerzahlenden Bürgern die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit einer Städtepartnerschaft plausibel machen? 3. Welchen Stellenwert haben Städtepartnerschaften in der österreichischen und europäischen EZA? Dazu in der Folge: 1.) Thesen und Perspektiven in kurzen Anmerkungen 2.) Beantwortung der 3 oben gestellten Fragen 1.) Thesen und Perspektiven in kurzen Anmerkungen 1.1. Die Stadt / der Bürgermeister artikuliert ein eigenständiges Interesse der Stadt Salzburg Die StäPa sollte ihr erfolgreiches Konzept weiterführen: Eine Säule sind die Interessen der beiden Städte, die über deren Vertreter, insbes. deren Bürgermeister artikuliert werden. Eine zweite Säule sind die Interessen der AktivistInnen, die ehrenamtlich arbeiten und die ihre Projekte ausarbeiten. Anm: Die Stärke der StäPa war über all die Jahre, dass die Projekte von allen mitgetragen wurden und die beiden Säulen sich gegenseitig ergänzten. Zu den Interessen der beiden Städte, artikuliert durch deren Bürgermeister: Kommunale Aufgaben und Projekte sollten weiterhin wichtiger Bestandteil der StäPa sein. Die Übernahme von infrastrukturellen Großprojekten wie der Bau einer Schule oder die Sanierung des Rio Chiquito sollte wohl nicht mehr in Angriff genommen werden. Die Schaffung eines Kulturzentrums (Umbau, Adaptierung bestehender Gebäude) vereinigt soziale, kulturelle, wirtschaftliche (Förderung der lokalen Wirtschaft) Aspekte und wäre somit als zentrales Projekt der „Säule Interessen der beiden Städte“ sehr interessant, wie auch die Erhaltung und Revitalisierung von Stätten der jüngeren Vergangenheit (80-er Jahre) von Leon (unabhängig von einem „Tourismusprojekt“) . Ein Tourismusprojekt mit vielen Aspekten hätte viele Perspektiven, abhängig vom Interesse des Zuspruchs in Salzburg wie auch in anderen Partnerstädten. Die Stadt Leon hat bereits ihr besonderes Interesse bekundet. 1.2. Zu den Interessen der AktivistInnen: Verschiedene Ansätze sollten Platz haben. Je nach Einsatz derjenigen, die sich in Salzburg und Leon dafür einsetzen unter Verantwortung jener, die für das Projekt verantwortlich zeichnen (Evaluierung, Nachweis für die Realisierung der Projektziele). Das Prinzip der StäPa, möglichst viele dezentrale AkteurInnen in möglichst viele Partnerschaften an der Basis einzubinden, soll beibehalten werden. Weiterführung von Projekten, die der Schaffung von Partnerschaften an der Basis dienen (zwischen Schulen etc.). Als Partnerschaft an der Basis sollte auch die Partnerschaft zwischen politischen Parteien in den Gemeinderäten der beiden Städte gesehen und akzeptiert werden. Dies hatte bislang Relevanz nur für die Partnerschaft SPÖ - FSLN. Wenngleich formelle Partnerschaften zwischen Teilorganisationen in beiden Städten derzeit nicht mehr mit Leben erfüllt sind, sollten einzelne Projekte wie zB ein Spendenaufruf für die FSLN dann nach wie vor Teil der Arbeit der StäPa sein, wenn namentlich jene AktivistInnen, die das Projekt betreiben, als die Initiatoren aufscheinen und keine Gelder der Stadt dafür verwendet werden, sondern lediglich Spenden von Einzelpersonen oder der SPÖ und ihrer Teilorganisationen. Dieser Ansatz gilt für alle politischen Parteien, die in den Gemeinderäten der beiden Städte vertreten sind, wie auch für andere deklariert politische Organisationen, wie Gewerkschaften, NGOs, oder für Kirchen. Die konstruktive und zentrale Rolle, die Elmer Zelaya als Koordinator in all den Jahren innehatte, sollte dabei nicht in Frage gestellt werden. Konkrete Projekte hiezu sind zu formulieren und im Vorstand zu entscheiden. Soziale Projekte sollten – von Einzelfällen abgesehen - nicht ausschließlich individuelle Aspekte berücksichtigen Die Arbeit zB des Lions Club könnte sich – mit einigem Zynismus - so umschreiben lassen, dass einzelnen Personen, weil sie arm sind und sich eine Grundsicherung, Bildung, Gesundheit nicht leisten können, finanziell geholfen wird. Das heißt, die Symptome der Armut werden zu lindern gesucht, nicht die Ursachen der Armut bekämpft. Nun ist auch diese Art von sozialem Engagement (Charity) grundsätzlich in Ordnung, aber das Wesen und die bisherige Art der StäPa war geprägt und gegründet darauf, dass die Nutznießer von sozialer Unterstützung auch Beiträge über den rein persönlichen Nutzen erbracht haben (zB Schulfrühstück, Aufbau einer sozialen Gruppe, Engagement für andere oder Mitarbeit in einer Gruppe oder Organisation). Weiterhin sollte – von Einzelfällen abgesehen – das Kriterium gelten, dass der Nutznießer sozialer Unterstützung sich für Belange einsetzt, die über das persönliche Interesse hinausgehen. 2. ) Beantwortung der 3 eingangs gestellten Fragen 1.Was ist der politische Stellenwert einer bzw. unserer Städtepartnerschaft unter den Rahmenbedingungen des herrschenden globalisierten Neoliberalismus? Den negativen Auswirkungen des globalisierten Neoliberalismus kann nur entgegenwirkt werden, wenn -- die Politik wieder ihren Gestaltungsspielraum gegenüber den freigesetzten und kaum mehr Einschränkungen unterworfenen Kapitalmassen wiedererlangt (die Kommunen spielen dabei ebenfalls eine Rolle) -- die Zivilgesellschaft und alle gesellschaftspolitischen Kräfte (Medien etc.) daran wirken, die Ursachen für Missstände aufzuzeigen und diesen entgegenzuwirken (was als Missstände zu verstehen ist und was als Ursachen dafür gesehen werden, hat auch weltanschauliche Aspekte bzw. ist eine Frage der persönliche Gesamtschau der Zusammenhänge). Das heißt, eine Städtepartnerschaft kann eine ganz wichtige Rolle gegen die Auswüchse des Neoliberalismus spielen. Kann, muss es aber nicht. Die StäPa Salzburg-Leon ist aufgrund der in 23 Jahren geleisteten Arbeit ein ganz außerordentliches Beispiel für ein demokratisches, partnerschaftliches, sinnvolles Engagement für lokale und gleichzeitig globale Belange. Das ist auch der Grund für die jahrelange Mitarbeit vieler Personen in den Aktivitäten der StäPa und deren Verbundenheit mit der Städtepartnerschaft. Der politische Stellenwert wird auch in Zukunft darin liegen, wieweit die „politischen“, der Gründung der Partnerschaft zugrundeliegenden Ansätze in aktualisierter Form weitergeführt werden. 2. Wie kann man den steuerzahlenden Bürgern die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit einer Städtepartnerschaft plausibel machen? Den steuerzahlenden Bürger per se gibt es nicht. Ich als steuerzahlender Bürger – in Übereinstimmung mit einer doch beträchtlichen Anzahl von BürgerInnen dieser Stadt - habe völlig andere Erwartungen als viele andere steuerzahlende BürgerInnen dieser Stadt. Und wenn die StäPa ein völlig unpolitisches Projekt wäre wie viele andere, würde ich argumentieren, diese Verwendung meiner Steuermittel entspricht nicht meinen Anliegen. Und innerhalb dieses Spektrums politischen Denkens und Handelns gibt es jede Menge Schattierungen. Bei der Öffentlichkeitsarbeit ist also auf verschiedene, berechtigte Erwartungen der Bürger Bedacht zu nehmen. Die Städtepartnerschaft als offizielle Zusammenarbeit der beiden Städte hat auf politische Belange mehr Bedacht zu nehmen im Sinne einer breiten Akzeptanz in der Bevölkerung. Die verschiedenen Gruppen der AktivistInnen können durchaus deklarierter ihre politischen Ziele propagieren. Die StäPa kann sicher dazu dienen, die komplexen Zusammenhänge in einer globalisierten Welt (Wie entsteht Armut ? Welche Gemeinsamkeiten bestehen zwischen den Menschen in Leon und Salzburg ?) zu verstehen und die Menschen konkret näher zu bringen. Da die Interessen und auch das Bewusstsein der BürgerInnen (in Salzburg wie auch in Leon) mit Sicherheit vielgestaltig sind, muss auch die Kommunikation darüber vielgestaltig sein, 3. Welchen Stellenwert haben Städtepartnerschaften in der österreichischen und europäischen EZA? Der Stellenwert besteht schon aufgrund des Umfangs der Subventionen und der geleisteten Arbeit. Die besondere Arbeit der StäPa als Projekt einer umfassenden Partnerschaft von verschiedensten Organisationen und Menschen mit dem deklarierten Hintergrund eines gesellschaftspolitisches Engagements ist das unverkennbare Zeichen der StäPa. Die Treffen der europäischen Partnerstädte von Leon wäre ohne das deklariert politische Interesse der Partnerschaften der europäischen Partnerstädte – zum Ausdruck gebracht ua durch jene politisch denkenden und handelnden Menschen, die dafür arbeiten - unmöglich gewesen. Dieser besondere Stellenwert, der in vielen Jahren erworben wurde, hängt meiner Ansicht nach davon ab, ob dieser deklariert gesellschaftspolitisch engagierte Weg weiter verfolgt wird. Internationale Zusammenarbeit zwischen Städten mit deklariert politischem (weil entwicklungspolitischem) Inhalt, weg von Charity und Erste-Welt-Besserwissen, ist eine zentrale Forderung und Perspektive, wobei die „entwicklungs“politische Komponente langfristig zurückgedrängt werden sollte und dem gemeinsamen globalen Kampf für nachhaltige, soziale, demokratische Entwicklung (wieder) mehr Bedeutung zugemessen werden sollte. Manfred Winkler, 21.9.06