Ein deutsches Requiem von Johannes Brahms Eine analytische Annäherung mit besonderer Rücksicht auf die Beziehung zwischen Musik und Rhetorik Wissenschaftliche Masterarbeit zur Erlangung des Akademischen Grades eines Master of Arts an der Universität für Musik und Darstellende Kunst Graz vorgelegt von Daniel ERAZO MUÑOZ, BA MA Matrikelnummer 0773053 am Institut für Komposition, Musiktheorie, Musik-Geschichte und Dirigieren Begutachter: Ao. Univ. Prof. Dr. Harald Haslmayr Graz, September 2015 Danksagung An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei meiner Freundin Magdalena Mandl bedanken. Ohne ihre Hilfsbereitschaft, Geduld, Unterstützung und Verständnis wäre die Durchführung dieser Arbeit nicht möglich gewesen. Solo puedo decirte que me siento bendecido y enormemente feliz de tenerte a mi lado. De igual manera agradezco de manera infinita a mi familia. Mi hermano y mis padres han creído desde siempre en mis capacidades y a pesar de la distancia siento su compañía y apoyo en todo momento. Dios los bendiga. Los amo infinitamente. Auf dieser Seite darf nicht der Dank fehlen, den ich meinem Prof. Johannes Prinz für seine Geduld, sein Verständnis und seine Unterstützung aussprechen möchte. Seine Lehre entspricht der eines wahren Maestros und ihm verdanke ich auch den weisen Rat, mich mit dem vorliegenden Thema auseinanderzusetzen. Danke dafür! Abschließend bedanke ich mich bei meinem Betreuer Herrn Prof. Harald Haslmayr für seinen wissenschaftlicher Rat, sein Vertrauen und seine Geduld. Es war mir eine Ehre, auch meine zweite Abschlussarbeit unter seiner Supervision zu verfassen. Abstrakt Die vorliegende Arbeit beinhaltet eine Analyse von Brahms' Requiem, die in drei Teile gegliedert ist. Im ersten Teil wird ein historischer Überblick zum Werk gegeben sowie eine formale Analyse der einzelnen Sätze präsentiert, in der eine Gegenüberstellung von Text und Musik hergestellt wird. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt im zweiten Teil, wo die Behandlung der Rhetorik in Brahms' Requiem und deren entsprechende Umsetzung durch musikalische Figuren analysiert werden. Hierbei dienten die Überlegungen von Andreas Ickstadt (2007) und das Handbuch der musikalischen Figurenlehre von Dietrich Bartel (1997) als Grundlage für die Analyse. Dieser zweite Teil beginnt mit der Darstellung der Beziehung zwischen Kunst und Kunstwissenschaft im 19. Jahrhundert und Brahms' Interesse an der Musikgeschichte. Weiters wird eine Zusammenfassung der Entstehung und späteren Entwicklung der Rhetorik in Bezug auf ihre Verbindung mit der Musik diskutiert. Außerdem setzt sich die Arbeit mit der Verwendung des Kernmotiv-Inhalts im gesamten Werk auseinander und erläutert, wie der Komponist durch gezielte Wiederholungen unterschiedlicher Muster das Requiem zu einer Einheit formt. Andere musikalische Phänomene, die eng mit dem Text verbunden sind, werden in einem letzten Teil analysiert. Diese Phänomene können rhythmisch, melodisch oder harmonisch sein und fallen nicht in die Kategorie der Figurenlehre, sind aber trotzdem entscheidend für ein Verständnis dieses Werkes. Abstract This study analyzes the German Requiem by Johannes Brahms and is divided into three parts. In the first part, a historical overview for the work is given, followed by a formal analysis of the individual movements, in which a contrasting juxtaposition between text and music is presented. The focus of this work lies in the second part, where the treatment of rhetoric and its corresponding implementation through musical figures in Brahms' Requiem are analyzed. Here, the considerations of Andreas Ickstadt (2007) and the handbook of musical figures by Dietrich Bartel (1997) were used as a basis for the analysis. This second part begins with the presentation of the relationship between art and aesthetic in the 19th century and Brahms' interest in musical history. Furthermore a summary of the emergence and subsequent development of rhetoric in relation to its connection with music will be discussed. Moreover this work deals with the contents of the core motif used throughout the Requiem and explains how the composer creates consistency in this work by directedly using pattern repeats. Other musical phenomena that are closely linked to the text are analyzed in a final part. These phenomena can be rhythmic, melodic or harmonic and do not belong in the category of figure doctrine, but are nevertheless crucial to an understanding of this work. Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ....................................................................................................... 6 2. Allgemeiner Überblick über das Requiem ..................................................... 8 2.1 Entstehungsgeschichte ............................................................................... 8 2.2 Text ........................................................................................................... 10 2.3 Form ......................................................................................................... 12 ........................................................................................................................ 26 3. Historische Hintergründe ............................................................................. 27 3.1 Brahms zwischen Kunst und Kunstwissenschaft ...................................... 27 3.2 Figurenlehre- Rhetorik .............................................................................. 32 4. Figurenlehre im Deutschen Requiem .......................................................... 37 5. Wiederkehrende Merkmale ......................................................................... 61 5.1 Das Kernmotiv und seine Verwandten ...................................................... 61 ........................................................................................................................ 62 5.2 Allgemeines .............................................................................................. 68 6. Schlussfolgerungen ..................................................................................... 75 7. Quellenverzeichnis ...................................................................................... 77 7.1 Primärliteratur ........................................................................................... 77 7.2 Sekundärliteratur....................................................................................... 77 7.3 Andere Medien ......................................................................................... 79 8. Abbildungsverzeichnis ................................................................................. 80 I. Anhang............................................................................................................ 84 I.I Text ............................................................................................................. 84 1. Einleitung In der vorliegenden Arbeit wird eine nähere Betrachtung des Deutschen Requiems von Johannes Brahms durchgeführt. Dieses hat sich als eines der wichtigsten Werke innerhalb des Oratorien Repertoires etabliert und dementsprechend stehen zahlreiche Analysen und Gedanken darüber zur Verfügung. So habe ich eine allgemeine und gezielte Analyse angestrebt, indem ich verschiedene Aspekte, die mir auffällig erschienen, in Form eines Nachschlagewerkes konzipiert habe. Die Arbeit ist in drei Teile gegliedert. Im ersten Teil wird ein historischer Überblick über die Geschichte des Requiems gegeben. Darin werden die ersten Spuren, die mit dem Schaffen dieses Werkes in Verbindung stehen, beleuchtet sowie die Schwierigkeiten, die die Gestaltung eines religiösen Werkes mit sich bringen, präsentiert. Da der Name des Werkes eine Andeutung zur Verwendung der deutschen Sprache beinhaltet, werden ausserdem die möglichen Kriterien für die Auswahl der Texte sowie sein Ursprung kommentiert. Weiteres wird eine allgemeine formale Analyse der einzelnen Sätze unternommen. Durch diese nähere Betrachtung innerhalb dieses Kapitels soll dem/der LeserIn eine Werkorientierung gegeben sein. In manchen Sätzen werden sowohl eine formale Analyse, die sich auf den Text bezieht, als auch eine, die nur auf der Musik basiert, dargestellt. In diesem Fall werden beide gegenübergestellt, um Unterschiede aber auch Gemeinsamkeiten zwischen den beiden zu finden. Für jeden Satz wird eine grafische Darstellung gemacht, um die verschiedenen Teile jedes Satzes einfacher verstehen zu können. Ein weiterer Teil dieser Arbeit wird sich dem historischen Hintergrund von Johannes Brahms widmen. Fragen, die in diesem Kapitel beantwortet werden sind, welche Bekanntschaften einen Einfluss auf den Komponist gehabt haben, um sein Interesse an der Musikgeschichte zu fördern oder wie stark die Beziehung 6 zwischen Kunst und Kunstwissenschaft im 19. Jahrhundert war und wie diese den Komponisten für seine Verfahrensweise beim Komponieren beeinflusst haben. Der zweite Teil beabsichtigt eine Zusammenfassung der Entwicklung der Beziehung zwischen Musik und Rhetorik zu präsentieren. Ihre Entstehung sowie der Zeitpunkt, wann die Wissenschaft verschiedene musikalische Phänomene zu benennen angefangen hat, werden hier behandelt. In diesem Teil liegt auch der Schwerpunkt dieser Arbeit, wo die Behandlung der Rhetorik und ihre entsprechende Umsetzung im Requiem durch musikalische Figuren analysiert werden. Darüber hinaus werden zahlreiche Beispiele ausgewählt, um die Wirkung der Figuren und die Beziehung auf den entsprechenden Zusammenhang hin zu erläutern. An dieser Stelle sei zu erwähnen, dass bevor ein musikalisches Phänomen in die Kategorie der Figuren aufgenommen wird, diese eine Begründung sowie eine deutliche Wirkung an der gemeinten Stelle vorweisen muss. In diesem Sinne haben mir die Überlegungen von Andreas Ickstadt (2007) und die Sammlung der Figuren sowie ihre Erklärung von Dietrich Bartel (1997) in seinem Handbuch der musikalischen Figurenlehre als Ausgangspunkt gedient und haben mich vor vielen willkürlichen Betrachtungen bewahrt. Der dritte und letzte Teil dieser Arbeit beinhaltet eine weitere Analyse des sogenannten Kernmotivs und seine verschiedenen Erscheinungen im gesamten Werk. In diesem Kapitel wird gezeigt, wie der Komponist durch gezielte Wiederholungen unterschiedlicher Muster Einheit in seinem Werk schafft. Als eine Art von Conclusio wird das letzte Kapitel fungieren. In diesem wird eine Reihe von Phänomenen, die für das Verständnis des Werkes entscheidend sind, betrachtet. Der Fokus dieses Teiles basiert auf der Bedeutung dieser Vorfälle bei Stellen, wo sie mit dem Inhalt des Textes eng verwoben sind. Diese Stellen können rhythmischer, melodischer oder harmonischer Natur sein. Weiteres werden auch hier die Beziehungen zwischen den einzelnen Sätzen dargestellt. 7 2. Allgemeiner Überblick über das Requiem 2.1 Entstehungsgeschichte Über die Idee oder die Inspiration, die Brahms animiert haben, ein Requiem zu schreiben, ist viel spekuliert worden. Grundsätzlich zählen der Tod Robert Schumanns 1856 und der Tod seiner Mutter 1865 als Ausgangspunkte, wobei Beweise, die die Arbeit am Requiem aufzeigen, bereits im Jahr 1857 zu finden sind. Daher nimmt der Verlust der Mutter an Wichtigkeit ab und wird grundsätzlich mit der Komposition des 5. Satzes, wo u.a. der folgende Text vertont wird „ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“, in Verbindung gesetzt. Nach Schumanns Tod 1856 komponierte Brahms eine Sonate als Vorlage seines ersten Klavierkonzertes op.15. Diese Sonate wurde vernichtet, aber ihr Scherzo wurde ausgesondert und als Grundlage für den zweiten Satz des Requiems verwendet. An dieser Stelle sei zu erwähnen, dass Schumanns Das Paradies und die Peri sowie das Requiem für Mignon op. 98b als Einflüsse für das Brahms‘ Requiem zählen. In diesem Sinne ist auch Brahms‘ Behauptung zu verstehen, denn er sagte gegenüber Joseph Joachim, er müsse doch wissen: „wie sehr und innig ein Stück wie das Requiem überhaupt Schumann gehört“ (vgl. Heinemann 2009: 268). Andere mögliche Ursachen für die, wie Bolin 2004 erwähnt, trostsuchende Gestimmtheit von Brahms sind der Bruch mit der Freundin Agathe von Siebhold 1858 oder die 1866 drohende Preußisch-Österreichische Kriegsgefahr (vgl. Bolin 2004: 33). Alle Gründe gelten, wie oben erwähnt, als Spekulationen und die Mehrzahl ist nicht belegbar. Die ersten drei Sätze des Requiems wurden am 1. Dezember 1867 in einem Konzert der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien unter der Leitung von Johann von Herbeck uraufgeführt. Das Konzert fand im großen Redoutensaal der Hofburg statt. Die Rezeption des Werkes war ein Misserfolg, da das Werk nicht in seinem Ganzen, das ja noch gar nicht existierte, aufgeführt wurde, aber auch weil der Paukist in der Orgelpunktfuge des dritten Satzes die Rolle des Pedalbasses nicht 8 erkannt und sie als Dominante gespielt hat, in Folge dessen der Auftritt des Bariton-Solos übertönt wurde (vgl. Kross 1997: 517). Nach dem der Dirigent Karl Reinthaler sich für eine Aufführung des Requiems begeistert hatte, fand am 10. April 1868, das Werk in Bremen, in einem Kirchenraum unter der Leitung von Brahms, seine erste Aufführung. Bei dieser Gelegenheit sind sechs Sätze aufgeführt worden. Das Problem der Bremer Aufführung nach Reinthaler war, dass der Erlösungsgedanke durch den Tod Christi akzentuiert werden sollte. Daher wurde das Konzert mit Arien wie Ich weiß, dass mein Erlöser lebt oder mit dem Hallelujah aus Händels Messias u.a. vervollständigt (vgl. Heinemann 2009: 277). Drei Wochen später, am 28. April 1868, wurde das Requiem wieder in seiner sechs sätzigen Fassung aufgeführt. Wobei das Programm wieder eine Ergänzung benötigte, in diesem Fall wurde die Arie für Sopran Ach wie nahte mir der Schlummer mit der Cavatine Leise leise aus Webers Freischütz hinzugefügt. Nach dieser Aufführung, vielleicht beeinflusst von der Wirkung des Solosoprans bei der Bremer Aufführung, komponierte Brahms den fünften Satz des Requiems „Ihr habt nun Traurigkeit“ im Mai 1868. Und damit erreichte das Requiem seine endgültige Fassung (vgl. Heinemann 2009: 277). Die erste Aufführung mit den sieben Sätzen des Werkes, wie wir es heute kennen, fand am 18. Februar 1869 in Leipzig unter der Leitung von Carl Reinecke statt (vgl. Heinemann 2009: 277). Dank dieser so glorreichen Aufführung zählt das einzigartige Werk bis heute zu den meist gespieltesten Stücken für Chor und Orchester (vgl. Krummacher 1984: 183). 9 2.2 Text Das Brahms-Requiem entspricht nicht einer Totenmesse nach dem lateinischen Modell, wo der Erlösungsgedanke durch den Tod Christus gestaltet wird, und wo es sich grundsätzlich um eine Begleitung des Toten im Jenseits bis zum Paradies handelt. Dennoch verwendete Brahms den Namen Requiem für sein Werk, da dieser vielmehr als „Trauermusik“ verstanden werden soll. Der Titel des Werkes heißt „Ein deutsches Requiem“ und ist als eine nicht liturgische Trauermusik in deutscher Sprache zu interpretieren. In diesem Sinne schrieb Brahms an Carl Reinthaler: ``Was den Titel betrifft, will ich bekennen, daß ich recht gern auch das `Deutsch´ fortließe und einfach den `Menschen´ setzte´´ (vgl. Kross 1997: 496). Um sein Deutsches Requiem von dem Text des traditionellen Requiems zu unterscheiden, wählte Brahms bewusst 16 Bibelstellen aus, die aus den beiden Testamenten entstammen. In diesen wird die Nichtigkeit und die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens akzentuiert (vgl. Bolin 2004: 34). Wie Heinemann erläutert, will Brahms durch seine Musik keine Glaubensinhalte verkündigen, sondern sie zeigt sich eher als ein Verweis auf Hilfe, die Bibelverse trauernde Menschen schenken (vgl. Heinemann 2009: 269). Bezüglich der Auswahl des Textes schrieb Brahms: „[…] auch mit allen Wissen und Willen Stellen wie z.B. Evang. Joh. Kap. 3 Vers 16 [‚Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben‘] entbehrte. Hinwieder habe ich nun wohl manches genommen, weil ich Musiker bin, weil ich es gebrauchte, weil ich meinen ehrwürdigen Dichtern auch ein ‚von nun an‘ nicht abdisputieren oder streichen kann. Aber ich höre auf ohne ausgesprochen zu haben“ (vgl. Heinemann 2009: 269). Dieses Zitat stammt aus einem Briefwechsel mit Carl Reinthaler im Oktober 1867, worin Brahms in bat, den zentralen Inhalt des katholischen Glaubens in das Werk bzw. den Erlösungsgedanke durch den Tod Christus, zu integrieren. Brahms ging davon aus, dass die Bibel eine Sammlung von literarischen Texten ist, daher ist die Rede von ehrwürdigen Dichtern. Er verwendete den literarischen Sinn an manchen Stellen, wo es ihm möglich war auszudrücken, was er mit dem 10 Requiem bezwecken wollte: Nämlich die Idee des Trostes, welchen die Menschen, die auf der Erde bleiben, brauchen, um den Verlust eines Geliebten zu überwinden. Das alles ohne sich an einen bestimmten Glauben zu fixieren, daher ist dieses Requiem, wie Heinemann 2009 beschreibt, ein Werk mit dem sich alle Zuhörer identifizieren könnten. Doch beschränkt die Tatsache der deutschen Textfassung die Rezeption wiederum auf ein deutschsprachiges Publikum (vgl. Heinemann 2009: 270). Von den sieben Sätzen des Requiems setzte Brahms in fünf davon mehr als eine Bibelpassage ein. Im vierten Satz beispielsweise, griff Brahms durch Auslassungen gezielter Textverse in den Originaltext ein. Die Stellung der Bibeltexte ist frei, so findet man innerhalb eines Satzes eine Melange von Texten, die aus verschiedenen Bibelstellen herausgenommen wurden (vgl. Ickstadt 2007: 139). Der Text wird überdies hinaus stetig im Werk durch Antithesen behandelt, so beispielsweise im ersten Satz: „Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden“ (Matthäus 5,4). „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und tragen edlen Samen, und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben“ (Psalm 126,5.6.). Die Gegenüberstellung zweier kontrastierender Emotionen in einer sehr kurzen Zeit, so im ersten Vers, Leid-Trost, oder im zweiten Vers Tränen-Freude, oder Gehen-Weinen und Kommen-Freuden, verlangt eine unterschiedliche Vertonung und wird als ``motettisches Komponieren´´ bezeichnet. Ickstadt 2007 definiert zwei verschiedene, auf den Text basierende Typen von Sätzen innerhalb des Requiems ein, Typus I sind die Sätze 1, 4, 5 und 7. Hier wird die Textantithese in kleineren Einheiten innerhalb eines Verses durchgeführt. Die Sätze, die als Typus II bezeichnet werden, sind 2,3, und 6 und ihre Antithese geschieht in größeren Textblöcken. So beispielsweise im 3. Satz, wo die ersten Verse die Nichtigkeit des menschlichen Lebens darstellen. In Folge kontrastieren diese mit dem vorletzten 11 Vers „ich hoffe auf dich“, der gleichzeitig als Übergang zur Fuge dient, wo die Rede über Freude und Geborgenheit bei Gott ist. Außerdem ist bei den Sätzen von Typus I die Rede von Trost in diesem irdischen Leben, währenddessen in den Sätzen von Typus II das Thema des ewigen Lebens im Mittelpunkt steht (vgl. Ickstadt 2007: 140ff). 2.3 Form Im Jahr 1860 hörte Brahms in Hamburg Cherubinis Requiem für Männerchor und Orchester, dessen Introitus ohne Violinen aber dafür für Bratschen und geteilten Celli geschrieben ist. Es ist möglich, dass dieses Werk für die Auswahl des Instrumentariums des ersten Satzes des Brahms Requiems von großer Bedeutung war (vgl. Nowak 1984: 201). Es sei auch erwähnt, dass in dieser Zeit (1860) seine zweite Orchesterserenade op. 16, welche auch auf die hohen Streicher verzichtet, entstand (vgl. Kross 1997: 523). Der erste Satz ist für Chor und Orchester geschrieben und seine Form ist textlich als dreiteilig zu verstehen, die musikalische Analyse ergibt eine fünfteilige Form. Was die Zuteilung des Textes betrifft, zeigt sich eine einfache dreiteilige Form, wo der mittlere Vers durch den ersten Vers „Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden“ umrahmt wird: Abb.1: Brahms deutsches Requiem. Textform erster Satz. Eigene Darstellung (2015). Die musikalische Form ist eher eine rondoartige Form, die in fünf Teile untergliedert ist. Der Teil A in F-Dur stimmt mit dem Teil A der Form des Textes überein, d.h. beide Teile sind gleich lang und gestalten denselbenText. Der Teil B beginnt im Takt 47 und endet im Takt 64. Dieser Teil dekoriert die erste Zeile des 12 zweiten Verses „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten“ (siehe Abb.1). Dieser Part steht mit dem Teil A im Kontrast, da er eine rhythmische Intensität bei den Chorstimmen und Instrumenten präsentiert und auch eine harmonische divergierende Ebene (Des-Dur) vorweist. Der Teil A´ beginnt im Takt 65, dieser zeigt die zweite Zeile des zweiten Verses „Sie gehen hin und weinen“, (siehe Abb.1). Der Unterschied zu der Textform liegt daran, dass dieser Teil (A´) kombiniert mit Musik aus A erklingt. Das ergibt einen wiederkehrenden Teil daher die Benennung A`. Der Teil B` beginnt im Takt 79 mit Auftakt, der die Fortsetzung des Textes des zweiten Verses mit der Musik, die schon im Teil B erklungen ist, darstellt. Dieser Teil endet mit Takt 96 und überlappt sich mit dem Beginn des letzten Teiles A``. Der letzte Teil (A``) entspricht wieder dem ersten Vers „Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden“. Die Musik der Teile A und A` erklingt im Takt 96 erneut, dieses Mal aber tonal unterschiedlich. An dieser Stelle erklingt die Musik nicht in der vorhin angeführten F-Dur sondern in Des-Dur. Infolgedessen entfernt sich diese Form des Satzes von einer strengen Rondoform. Die Landung in F-Dur geschieht erst 10 Takte später, im Takt 106. Die folgende Abbildung soll dazu dienen, dieses Phänomen präzise zusammenzufassen: Abb.2: Brahms deutsches Requiem. Form erster Satz. Eigene Darstellung (2015). Der zweite Satz „Denn alles Fleisch es ist wie Gras“ war der erste vollständige Satz des Requiems gewesen, da er auf ein instrumentales langsames Scherzo in Sarabandentempo einer Sonate für zwei Klaviere basiert, die als Vorlage des Klavierkonzertes op. 15 diente (vgl. Krummacher 1984:194). 13 Brahms kannte die Bach-Kantate 27 Wer weiß, wie nahe wird mein Ende, deren Eingangschor in der Choralweise Wer nur den lieben Gott lässt walten Ähnlichkeiten mit dem 2. Satz des Requiems hat (vgl. Nowak 1984: 204). Das wird durch den Hinweis von Brahms gestützt, als er behauptete, dass sich ein „bekannter Choral“ hinter der melodischen Linie verbirgt (Heinemann 2009: 274). Der Teil A verbreitet sich über 74 Takte, in diesem Teil wird die erste Strophe des Textes, die aus dem Text 1. Petrus 1, 24 stammt (siehe Anhang) verarbeitet. Weiteres setzen in diesem Satz die Violinen ein, sie beginnen aber wie die Bratschen auch con sordini und sobald der Chor einsetzt, verzichtet Brahms sowohl auf die Violinen im Orchester als auch auf die Sopranisten des Chores. Das Konzept entspricht dem Charakter des Satzes, indem die Vergänglichkeit und Nichtigkeit des irdischen Lebens gestaltet wird (vgl. Ickstadt 2007: 141). Die musikalischen Mittel dafür sind ein ständiger Duktus, der das marschmäßige Gefühl unterstreicht. Kross 1997 bezeichnet diesen Marsch als einen Totentanz und hebt die Bedeutung der Pauke hervor, die die Triolen in einer ständigen Intensivierung der Lautstärke darstellen (vgl. Kross 1997: 525). Diese Stelle beginnt im Takt 42, wo die Wiederholung des ersten Verses gestaltet wird. Bemerkenswert ist hier die Rolle des Orgelpunktes, der in Verbindung mit einem crescendo über 10 Takte einen prachtvolleren Effekt darstellt, nämlich der, wo das Orchester im ff und der Chor im f dieses Mal vollständig mit Sopran einsetzen. Der Teil B beginnt im Takt 75 mit Auftakt und endet im Takt 123, dieser Part gestaltet den Jakobusbrief 5, 7. Hier wird in einem etwas bewegten Tempo mit dem Bild des Ackermanns, der geduldig auf die Früchte der Erde wartet so wie man auch auf die Zukunft des Herrn warten soll, um Geduld gebeten. Im Gegensatz zum ersten Teil, wird die Rolle des Orchesters in diesem Teil auf eine reine Begleitung beschränkt. Andeutungen an den Morgen- und Abendregen werden durch den Einsatz der Harfe pointiert (vgl. Kross 1997: 525). 14 Da die Form des Textes von der musikalischen Form differiert, wird der nächste Teil wegen seiner direkten Textverbindung als A` bezeichnet. Der Teil A` beginnt im Takt 125 und endet im Takt 206, dieser Teil gestaltet den Teil A in seiner vollen Länge (74 Takte) aber auch die textliche Fortsetzung zum Petrus-Textes 1, 24, nämlich den Text 1. Petrus, 25 in den Takten 199 mit Auftakt bis 206. Der letzte Teil C vertont den Text aus Jesaja 35, 10 und deckt die Takte 207 mit Auftakt bis Ende. Die Textform ist nachstehend einzusehen: Abb.3: Brahms deutsches Requiem. Textform zweiter Satz. Eigene Darstellung (2015). Die musikalische Form ähnelt der textlichen Form indem die vier Teile beibehalten werden. Abweichend ist es jedoch weil das Geschehen zwischen den Takten 199 und 206 als Überleitung zum letzten Teil C betrachtet wird: Abb.4: Brahms deutsches Requiem. Form zweiter Satz. Eigene Darstellung (2015). Die Überleitung wird von wichtigen Worten gestaltet, wobei das erste „Aber“ ist. Die metaphorische Bedeutung ist als Hoffnung zu interpretieren. Der vorige Teil entspricht dem Bild des verdorrten Grases und abgefallenen Blumen, wo kein Leben mehr möglich ist. Jedoch ist nicht alles verloren, es besteht Hoffnung auf ein besseres Leben in der Ewigkeit. Und hier taucht das zweite bedeutungsschwere Wort auf: Im Takt 203 wird das Wort „Ewigkeit“ vertont, nicht umsonst erklingt dazu vorweggenommen der Themenkopf der Fuge in den Trompeten und Holzbläsern (Flöte und Oboe). 15 Der Teil C deutet eine Fugenexposition, jedoch keine strikt durchgeführte Fuge an. Außerdem steht die Fuge in B-Dur und das Thema beginnt mit der Terz (D) statt der Quinte oder dem Grundton, dennoch führt der Sopran im Takt 213 eine tonale Antwort des Bassthemas aus, was Ähnlichkeiten mit einer Fugenexposition erklingen lässt. Bemerkenswert ist die kontrapunktische Arbeit, wie im Takt 269 wo die Stimmen in einer Engführung hintereinander einsetzen. Ab Takt 303 wird die ewige Freude kombiniert und mit Anklängen des Themenkopfs im Orchester dargestellt. Der dritte Satz „Herr lehre doch mich“ ähnelt dem sechsten Satz indem er in Moll beginnt und in Dur endet und mit einer Chorfuge abschließt. Der Text dieses Satzes findet sich auch in paraphrasierter Weise in anderen Begräbnistexten, die in der protestantischen Tradition verankert sind, so ergibt sich ein Pendant zu Psalm Versen des Requiems in der Kantate Wer weiß, wie nahe wir mein Ende von J.S. Bach, oder von Johann Bach in der Choralmotette Unser Leben ist ein Schatten (vgl. Nowak 1984: 205). Die Texte dieses Satzes sind aus dem Psalm 39, 5-8 und dem Buch der Weisheit 3,1 entnommen, wobei der letzte nur aus einem Satz, mit dem die Fuge aufgebaut wird besteht (Der Gerechten Seelen sind in Gottes Hand, und keine Qual rühret sie an). Der Text des Psalms ergibt zuerst eine dreiteilige Form A-B-A, danach ergibt sich innerhalb eines kontrastierenden Teiles namens C eine ebenso dreiteilige Form CC(a)-C`. Der kleine Teil C-(a) zwischen C und C` hat Elemente von A in der Solo Stimme, daher die Benennung (a). Vor der Fuge kommen noch zwei kleinere Teile d und e, die die zwei letzten Sätze des Psalms auf unterschiedliche Weise darstellen, dazu bei d (Nun, Herr, wes soll ich mich trösten?) handelt es sich um eine Sequenz, die ein Fugato gestaltet und bei e (Ich hoffe auf dich) geht es um eine Prolongation der Dominante, wo die Stimmen hintereinander, um eine Halbe verschoben, in der Reihenfolge tief-hoch sprich, Bass, Tenor, Alt und zuletzt Sopran einsetzen. 16 Die Konzeption des Satzes ist bemerkenswert, da am Beginn ein responsorialer Charakter zwischen Solo und Chor gestaltet wird. In diesem Sinne griff Brahms auf eine archaische Form, in der das Volk (Chor) notengetreu den vorgetragenen Text des Solisten nachsingt, zurück (vgl. Kross 1997: 527). Im Gegensatz dazu gestaltet das Ende eine Schlussfuge, die in ihrer Größe mit dem vierten Satz der vierten Symphonie von Brahms vergleichbar ist (vgl. Kross 1997: 528). Sie basiert auf einen Tonika-Orgelpunkt und somit wirkt sie als „ein Mantel Gottes, der alle Kreatur liebend umhüllt und sicher warm hält“ (vgl. Schubring 2004: 189). Die Fuge stellt eine strenge Exposition, wo die hohen Stimmen, Tenor und Sopran den dux und die tiefen, Bass und Alt den comes, aufführen, dar. Im Takt 183 beginnt ein Zwischenspiel, indem der Sopran Koloraturen über das Wort Qual gestaltet. Diese Koloratur wird später im Takt 202 vom Tenor übernommen. Im Takt 187 beginnt eine Durchführung, in der das Thema vom Alt vorgetragen wird um dann im stretto vom Tenor beantwortet zu werden. Der letzte Einsatz des Themas beginnt im Takt 196 mit dem Bass, weiteres folgen im stretto Tenor, Alt und abschließend der Sopran: Abb.5: Brahms deutsches Requiem. Form dritter Satz. Eigene Darstellung (2015). 17 Nach dem großen Schluss mit der Fuge folgt der 4. Satz „Wie lieblich sind deine Wohnungen“, eine Musik, die in einem Dreier-Takt gehalten, fast pastoral wirkt (vgl. Kross 1997: 529). Bei der Bremer Aufführung spielte Joachim nach dem dritten Satz einige Violinstücke mit Orgelbegleitung. Weil der starke Kontrast zwischen dem dritten und vierten Satz zu bedeutend für ein Kirchwerk sei, empfiehlt Schubring jedoch nach dem dritten Satz zur Erholung der Sänger und der Zuhörer eine Pause einzufügen (vgl. Schubring 2004: 190). Der Text dieses Satzes entstammt aus dem Psalm 84, Verse 2-3 und 5. Wobei die Form des Satzes eine fünfteilige, die nahe einer Rondoform liegt, ist. Die Musik mit der Vertonung der Worten „Wie lieblich sind deine Wohnungen“ kommt drei Mal vor, zwischen diesen Teilen erscheint ein Teil B, der zwei Ideen darstellt. Die erste b1 mit den Worten „Meine Seele verlanget und sehnet sich nach den Vorhöfen des Herrn“ und die zweite namens b2 mit den Worten „Mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott“. Danach erscheint Teil A`, der neben den oben zitierten Worten noch den Text „Wohl denen, die in deinem Hause wohnen“ begleitet von der Melodie der Violinen (Takt 107 und ff) darstellt, dieses Mal aber in Es-Dur und nicht in B-Dur, wie beim ersten Mal im Teil A (Takte 22 und ff). Der Teil C vertont die Worte „Die loben dich immer dar“. Bemerkenswert sind an dieser Stelle die zwei parallel geführten Charaktere, zuerst Sopran (Takt 124 mit Auftakt) und Alt (Takt 126 mit Auftakt) mit einer Melodie im Cantus Firmus Charakter, begleitet von den Bässen (Takt 124) und den Tenören (Takt 126) mit schnellen Koloraturen, die das Lobpreisen hervorheben. Die Konstellationen ändern sich jedoch bald, da der Cantus Firmus von den Herrenstimmen und die Koloraturen von den Damenstimmen übernommen werden. Das Ganze landet in einer Hemiole (Takt 143 und ff), bei der der Höhepunkt des Satzes erreicht wird. Die Coda, mit Anklängen von A, wird von Sopran- und Tenorstimmen bzw. Alt- und Bassstimmen in Oktaven geführt. 18 Abb.6: Brahms deutsches Requiem. Form vierter Satz. Eigene Darstellung (2015). Der fünfte Satz ist der zuletzt komponierte Satz (Mai 1868) und seine Entstehung wird mit dem Tod von Brahms Mutter (1865) in Verbindung gesetzt. Das ganze Requiem pendelt thematisch zwischen Trauer und Trost, diese zwei starken und gegensätzlich divergenten Gefühle treffen in besondere Weise in diesem fünften Satz aufeinander (vgl. Heinemann 2009: 275). Die Rolle der Solo-Sopranistin in diesem Satz und die des Chores sind nicht so ersichtlich wie im 3. Satz, wo ein Mensch über die Nichtigkeit des Lebens redet und Hoffnung im Gott sucht. Nach den Worten, die dem Solo-Sopran zugeteilt werden, kann man erkennen, dass es sich um einen Menschen handelt, der aus dem Jenseits den trauernden Menschen Hoffnung zu geben versucht, wie nachstehendes Zitat unterstreicht: „Ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen“ (Johannes 16) Im diesem Text hält Jesus eine Rede, wo er über den Schmerz der Trennung spricht und seinen Jüngern auf gleichzeitig tröstende Art und Weise mitteilt, dass er bald sterben wird. 19 Brahms vermied zwar während des ganzen Requiems die Erwähnung von Christi, es ist wie hier hilfreich zu wissen aus welchem Zusammenhang gewisse Texte entnommen worden sind, um ihre intendierte Rolle innerhalb des Werkes zu verstehen. Der Solo-Sopran singt dann weiters: „Sehet mich an: Ich habe eine kleine Zeit Mühe und Arbeit gehabt und habe großen Trost funden“ (Jesus Sirach 51, 35) In diesem Text spricht der Prophet Sirach und weist auf die Hilfe, die er von Gott in seinem Leben bekommen hat, hin. Weiteres lädt er die Zuhörerschaft ein, in die Schule der Weisheit zu gehen. Zur Entschlüsselung der Absicht dieses Textes ist die Tatsache, dass die beiden Texte von Menschen (d.h. Jesus bzw. Sirach) vorgetragen werden, sehr nützlich. Im Zusammenhang mit dem Requiem ergibt sich die Hoffnung, dass es ein besseres Leben nach dem irdischen Leben gibt, dieses Motiv wird von einer Stimme, nämlich dem Sopran, vorgetragen. Bemerkenswert ist hier, dass an der Stelle der Worte Sehet mich an, die vom Sopran gesungen werden, sich die Harmonie komplett wendet (B-Dur), ein Zeichen dafür, dass ein anderer Mensch redet und auch zur Markierung der Aufmerksamkeit bei bedeutsamen Inhalten. Dazu kommt die Erwähnung des Worts Arbeit. Dieses Wort kommt nur zwei Mal im ganzem Requiem vor. Später im 7. Satz erscheint es wieder und bezieht sich auf das Leben, was so viel bedeutet wie im Leben wird gearbeitet, und im Jenseits wird geruht. Der Chor intoniert folgenden Text: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“ (Jesaja 66,13). Hier ist es der Herr selbst, der diesen Text vorträgt. Im Gegensatz zum Sopran, gestaltet der Chor den Herrn, der sich den Menschen nähert, um ihnen Trost zu geben. In der Musik ist diese Gegensätzlichkeit zwischen Sopran solo und Chor in der Schreibweise in einer ersichtlichen Weise dargestellt. Der erste Einsatz des Soprans ist von einer ätherischen Finesse geprägt, diese steht in der Dominant 20 von G-Dur (D-Dur), einer Tonart, die mit der Andeutung zum Himmel verbunden wird. Andererseits ist der Chor, also der Herr, von seiner Schreibweise her auch präsenter gestaltet. Sein erster Einsatz steht auch in D-Dur aber mit einer Vergrößerung des Themas, die vom Sopran gesungen wird. Dieser entspricht der Größe der Nachricht des Herrn, die zu Allen kommen soll. Die Form dieses Satzes ist eine dreiteilige A-B-A`. Im Teil A erklingen die Verse aus Johannes 16 und 22 in der Solo Stimme und der Chor singt dazu die zwei Verse des Jesaja Textes, 66, 13. Im Teil B wird der Text aus Jesus Sirach durch das Sopransolo zwei Mal gestaltet, wobei die Worte Sehet mich an nur einmal vorkommen. Der Chor singt zwei Mal immer wieder den gleichen Text wie in Teil A, aber nur die Worte „ich will euch trösten“, das erste Mal alleine als Überleitung zwischen den beiden Darstellungen des Soprans, das zweite Mal zusammen mit dem Sopran. Der Teil A` beginnt mit einem vom Violoncello gespielten Solo, das die Anfangstöne des Sopransolo darstellt. Dennoch singt der Sopran bei seinem Einsatz nicht was erwartet wird sondern eine Variante des Anfangs, der eine tonale Abweichung (C-moll/As-Dur) vorweist. Dieser Teil A` ist etwas kürzer als der Teil A, aber intensiver bearbeitet, da mehr kontrapunktische Arbeit zwischen Solo, Chor und Orchester geschieht. Ein Beweis dafür ist der Kontrast im Takt 18 zwischen der Darstellung des Themas durch die Klarinetten und Flöten gegen die des Chores, der das Thema vergrößert dazu vorträgt. Aber noch intensiver ist die Stelle im Takt 62 im Teil A`, wo die Solistin und die ersten Violinen das Thema in ihrer ursprünglichen Form darstellen gleichzeitig mit dem Chor, der das Thema vergrößert vorträgt. Der Text in Teil A` ist erneut ident mit dem aus Teil A. 21 Abb.7: Brahms deutsches Requiem. Form fünfter Satz. Eigene Darstellung (2015). Der sechste Satz ist der umfangreichste des Requiems und entspricht dem dritten Satz. Beide Sätze beginnen in einer Moll-Tonart und enden in einer Fuge in Dur, außerdem ist sowohl der dritte als auch der sechste Satz für solo Bariton und Chor konzipiert. Der Bariton verkörpert im sechsten Satz die Funktion eines Sehers, der die Zukunft vorhersagt (vgl. Kross 1997: 531). Bezüglich der Form dieses Satzes sei zu sagen, dass diese nicht einer bogenförmigen mit zurückkehrende Teilen, aber einer Reihung von Teilen bis zum Schluss entspricht. Tatsächlich wird die Idee der Verwandlung, die aus dem Text hervorgeht, mit der musikalischen Form assoziiert. Es wird ein ständiges Weiterschreiten dargestellt, das der eiligen Suche der Menschen nach der zukünftigen Stadt entspricht, (vgl. Nowak 1984: 209). Diese Suche wird im Teil A am Anfang durch den Verzicht auf ein tonales Zentrum dargestellt. Teil B beginnt mit den Worten „Siehe, ich sage euch ein Geheimnis“, diese Stelle ähnelt der Stelle im 5. Satz Takt 27, wo die Solistin die Worte „Sehet mich an“ intoniert. Diesmal verwendete Brahms aber nicht, wie im 5. Satz, eine plötzliche Modulation, die diese Worte vorbereiten, sondern die Worte selber führen eine Modulation beginnend mit G als Dominante von C-moll und ankommend in Cis-Dur als Dominante von Fis-moll, ein. Der Teil B enthält ein accelerando, welches die Szene des Jüngsten Gerichts vorbereitet (vgl. Kross 1997: 531). Teil C beginnt in 3/4 Vivace und steht in C-moll, einem klaren Topos für den Tod und im Kontrast stehend zu der Fuge in C-Dur am Ende des Satzes, wo der Herr gelobt wird. Dieses Verfahren ist nicht neu und kann in eine etablierte Tradition der 22 Rhetorik eingeordnet werden, siehe auch Mozarts Jupiter Symphonie oder Beethovens 5. Symphonie (vgl. Heinemann 2007: 276). Im Takt 108 innerhalb des C Teiles singt der Solist mit kleinen Varianten auf die gleiche Weise wie im B Teil, daher werden diese 15 Takte b` benannt. Im Takt 122 wird die Fortsetzung von C bis Takt 208 dargestellt. Ab Takt 208 beginnt die Fuge im stilo antico (vgl. Ickstadt 2007: 142). Die Fuge präsentiert eine übliche Fugenexposition, wo die Frauenstimmen zuerst in der Reihenfolge Alt und Sopran sowie anschließend die Männerstimmen Bass und Tenor einsetzen. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass das Thema der Fuge von zwei Kontrasubjekten begleitet wird. Das erste erscheint nach der Exposition des Themas durch die Altstimme im Takt 213 und das zweite folgt gleich danach in der gleichen Altstimme im Takt 216. Der Beweis dafür ist im Takt 244 zu beobachten, wo der Sopran das Thema vorträgt und im Tenor das Kontrasubjekt zwei und im Alt das Kontrasubjekt eins gleichzeitig erklingen. Zusammenfassend kann die Form dieses Satzes wie folgt dargestellt werden: Abb.8: Brahms deutsches Requiem. Form sechster Satz. Eigene Darstellung (2015). Eine direkte Beziehung zwischen den Sätzen des Requiems zu etablieren fällt schwer, da die ungerade Zahl der Sätze (7) und die unterschiedlichen Charaktere dieser immer einen Satz ohne Pendant lassen, außerdem gibt es zu dieser Relation unterschiedliche Meinungen von Seiten der Autoren. 23 Eine Beziehung ist trotzdem klar und deutlich, nämlich die, die zwischen den Ecksätzen des Requiems entsteht. Der siebte Satz ist eine Seligpreisung für die Toten und der erste Satz eine Seligpreisung für die lebenden Menschen, beide sind verbunden indem gegen Ende des 7. Satzes die Musik des 1. Satzes zurückkehrt und somit schließt sich ein Kreis markiert durch die Kontrastthemen: Leben und Tod, Leid und Trost sowie Gericht und Erlösung (Kross 1997: 532ff). In diesem Sinne spiegeln sich die Gegenüberstellung oder Antithesen, die bei der Inhaltsanalyse der Texte im Vordergrund standen (siehe Kapitel Text), in der Form des ganzen Requiems wider. Die Form dieses Satzes ist eine dreiteilige A-B-A, beide A Teile vertonen die Worte „Selig sind die Toten, die in dem Herren sterben von nun an“. Der mittlerer Teil vertont die Worte „Ja, der Geist spricht, daß sie ruhen von ihrer Arbeit; denn ihre Werke folgen ihnen nach“. Dieser Text entstammt aus der Offenbarung 14, 13. Es ist auffällig, dass das Wort Arbeit hier wieder erwähnt wird, wie im 5. Satz handelt es sich um eine klare Anspielung auf das Leben. Wichtig sei auch zu erwähnen, dass dieses Requiem nicht mit dem schrecklichen Bild des Todes oder Gericht endet, sondern mit dem Frieden nach der Anstrengung bzw. nachirdischer Arbeit des Lebens (vgl. Kross 1997: 532ff). Die Vortragsanweisung am Anfang ist feierlich, der Satz ist stark geprägt von breiten harmonischen Entspannung Flächen vermitteln. Dies und Orgelpunkten, entspricht dem die eine feierlichen Ruhe bzw. Charakter (vgl. Heinemann 2009: 273). Ab Takt 2 trägt der Sopran eine Melodie, die dann von den Bässen übernommen wird, vor. Nach Heinemann ist dies eine Anspielung an die beiden SolistInnen des Werkes (Sopran bzw. Bariton) (vgl. Heinemann 2009: 273). Im Takt 18 setzt der ganze Chor ein. Während der folgenden vier Takte teilen sich Sopran-Tenor und Alt-Bass das gleiche Material wie anschließend einzusehen ist: 24 Abb.9: Brahms deutsches Requiem. 7er.Satz Takte 18-21. Eigene Darstellung (2015). Der Teil A endet im Takt 39 in C-Dur. Gleich danach beginnt der Teil B, der aus zwei Teilen besteht. Wenn die Worte „Ja der Geist spricht“ vertont werden, setzen die Posaunen und Hörner ein und im Chor wird das erste Mal im Takt 40 auf den Sopran und später im Takt 76 auf den Tenor verzichtet. Weiteres singen die Stimmen im Unisono, was für ein klares Symbol der Macht Gottes steht. Sobald der Geist, der Herr, der Allmächtige spricht, erklingen die tiefen Stimmen und das Blech, darunter die drei Posaunen, die direkt mit der Heiligen Dreifaltigkeit verbunden sind, und das, obwohl Brahms im ganzen Requiem jede christliche Beziehung vermeidet. Der zweite Teil innerhalb dieses B Teiles beginnt im Takt 48 in A-Dur, dort wird die Ruhe nach dem Leben bzw. Arbeit dargestellt. Die Rhythmik im Orchester, sechs gegen vier, verleiht der Musik eine Fläche, die das himmlische Paradies ankündigt. Bemerkenswert ist der Trugschluss im Takt 70, wo die Harmonie abweicht, um den nächsten Einsatz mit dem Text Ja der Geist spricht, vorzubereiten. Die Wiederkehr zum Teil A geschieht harmonisch durch eine chromatische Beziehung. Am Ende des B Teiles, in den Takten 100-101, sind die Streicher und der Chor in A-Dur gelandet, allerdings in der zweiten Umkehrung, also E in Bass. Am Schluss des Taktes 101 erklingt ein E7. Anschließend werden die Stimmen 25 chromatisch geführt, um im nächsten Takt F-Dur zu erreichen. Der einzige Ganztonschritt geschieht in der Bratsche von D zu C. Bei der Wiederkehr des A Teiles wird die Solostelle, die den Satz geöffnet hat, an den Tenor übergeben, danach setzt der Chor ein, und diesmal geschieht das Imitationsspiel nicht, wie in den Takten 18-21 (siehe Abb. 9), in allen Stimmen sondern nur zwischen Sopran und Tenor (Takte 111-114). Bemerkenswert sind hier die letzten 35 Takte: ab Takt 132, wo Material des ersten Satzes wieder verwendet wird. Abb.10: Brahms deutsches Requiem. Form siebter Satz. Eigene Darstellung (2015). 26 3. Historische Hintergründe 3.1 Brahms zwischen Kunst und Kunstwissenschaft Nach Spitta (1892), war Brahms ein Komponist der „tief aus dem Born der Vergangenheit“ schöpfte ohne „etwas Archaisierendes“ in seiner Musik spüren zu lassen. Dieses Zitat kommt aus Spittas Aufsatz Kunstwissenschaft und Kunst (1892), in dem er sich als einer der ersten mit der Verbindung zwischen der akademischen Disziplin und der Musik selbst auseinandersetzte (vgl. Sandberger 2009: 142). Spitta, ein Bach-Buxtehude-Schütz Gelehrter, war ein enger Freund von Johannes Brahms und der Anfang des gegenseitigen Austausches zwischen den beiden begann mit dem Deutschen Requiem. Spitta war nicht bei der Bremer Aufführung (10. April 1868) dabei, war aber von der Partitur dieses Werkes so berührt, dass er einen begeisterten Brief an Brahms schrieb, in dem er Brahms als den „größten lebenden Komponisten“ bezeichnete und gleichzeitig das Requiem in die Reihe eines „Bach und Beethoven“ stellte (vgl. Sandberger 2009: 146). Andere bedeutende Partner, mit denen Brahms Gedankenaustausch betrieb, waren u.a. der Wiener Musikgelehrte Eduard Hanslick, der Händel-Forscher Friedrich Chrysander, der Beethoven- Forscher Gustav Nottebohm, der HaydnExperte Carl Ferdinand Pohl und Eusebius Mandyczewski, seit 1887 Leiter der Sammlungen der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (vgl. Sandberger 2009: 142). Die Bekannheit als Komponist, der eng in Beziehung mit der Vergangenheit stand, begleitete Brahms Zeit seines Lebens, musterhaft dafür sind Werke wie das Deutsche Requiem, die 1. und 3. Klaviersonate sowie das I Streichsextett als auch die I Serenade, sie alle greifen nicht nur auf die Beethoven Zeit zurück, sondern gehen noch viel weiter zurück (vgl. Lütteken 2009: 542). 27 Auch vergleichsweise kurz nach seinem Tod im Jahr 1905 lässt sich sehr deutlich das geschichtliche Bewusstsein des Komponisten beschreiben als im Großen Konversationslexikon des Hauses Meyer 1905 folgendes stand: „Von dem Stil Schumanns, dessen Einfluss seine ersten Werke verraten, wandte sich B[rahms] durch Vertiefung in die Musik älterer Meister, zunächst Mozarts, Haydns, Händels und Bachs, weiterhin auch der polyphonen Musik des 16. Jahrh[underts] immer mehr ab und gelangte damit zu einer Umgestaltung seiner Schreibweise, die dieselbe mehr und mehr als eine würdige Fortsetzung derjenigen Beethovens erscheinen ließ. Der anfangs zu den Neudeutschen gerechnete Komponist kam damit immer mehr in Gegensatz zu der extremen fortschrittlichen Partei der Anhänger von Berlioz, Liszt und Wagner und wurde schließlich von diesen in Acht und Bann getan. Seit Bekanntwerden seines >Deutschen Requiems (Op. 45 1867)< und des >Triumphliedes< (op. 55 1871) stieg sein Ansehen schnell und stetig, so dass er am Ende seiner Laufbahn eine dominierende Stellung auf dem Konzertprogramm errungen hatte und dieselbe dauernd behauptet“ (Meyers Großes Konversationslexikon, Bd. 3. 1905, 307) Im vorigen Zitat ist bemerkenswert, wie die Neudeutsche Schule durch Liszt und Wagner geführt, als fortschrittliche gekennzeichnet wird. Nicht im Text erwähnt aber implizit ausgedrückt, wird Brahms als konservativer Komponist empfunden. Über diese Kontroverse gegen die fortgeschrittene Komponisten behauptet Droysen 1857-58, dass die Reaktion vieler Musikgelehrten gegen die sogenannte Neudeutsche Schule und das Werk von Richard Wagner darin bestand, Orientierung und Identität in den Kunstwerken der Vergangenheit zu suchen (vgl. Droysen 1857-58: 385). In diesem Sinne teilte Brahms mit anderen Musikforschern, wie beispielsweise mit Gustav Jacobsthal, die Idee, die Vergangenheit als Verpflichtung für die Gegenwart und die Zukunft zu verstehen (vgl. Lütteken 2009: 543). An dieser Stelle sei auch zu erwähnen, dass eine Persönlichkeit wie Friedrich Nietzsche folgendes über das Verhältnis zur Vergangenheit schrieb: „Nur aus der höchsten Kraft der Gegenwart dürft ihr das Vergangene deuten: nur in der stärksten Anspannung eurer edelsten Eigenschaften werdet ihr errathen, was in den Vergangnen wissens – und bewahrungswürdig und gross ist. Gleiches durch Gleiches! Sonst zieht ihr das Vergangene zu euch nieder“ (Nietzsche 1874/1972, 286f). Nietzsches Meinung findet aber auch einen Widerhall in Brahms Gedanken, wenn er sein gezieltes Interesse für die alte Musik gegenüber Eduard Hanslick zeigt: 28 „Das Drucken ist jetzt so sehr in Mode geworden, namentlich das Drucken von Sachen, die dies gar nicht beanspruchen. Du kennst meinen alten Lieblingswunsch, man möchte die sogenannten >Sämtlichen Werke< unserer Meister – der ersten sogar gewiss aber der zweitrangigen – nicht gar sämtlich drucken“ (zit. Nach Becker:1993: 179). Brahms frühes Bildungsinteresse und seine Sammelleidenschaft begründen seine Neigung zur Musikforschung und Musikgeschichte. Seine Bibliothek, die er ständig bereicherte, bestand am Ende seines Lebens aus ca. 900 Bänden. Außerdem verfügte diese über die großen Komponisten-Monographien der Zeit: Mozart von Jahn, Bach von Spitta, Händel von Chrysander, Haydn von Pohl und verschiedene Studien von Nottebohm über Beethoven. Seine „antiquarische Neigung“ wie Sandberger 2009 erwähnt, zeigt sich indem seine Sammlung von Autographen und Erstdrucken, Handschriften von Haydn, Mozart, Beethoven, Schumann und Schubert umfasste. Seine Sammlung zählt damit zu den bedeutsamsten, die je ein Komponist besessen hat (vgl. Sandberger 2009: 142). In dieser Hinsicht sei auch zu erwähnen, dass Brahms aktiv als Herausgeber und auch als Gremienmitglied bei vielen Gesamtausgaben und Denkmälerreihen war und sich intensiv mit den Fragen der Ausführung der Alten Musik beschäftigte. Ziel seiner Arbeit als Herausgeber war es, den Bekanntheitsgrad der alten Musik zu steigern. Dabei war es ihm nicht von Bedeutung durch diese Arbeit an Berühmtheit zu gewinnen, vielmehr gab er die Werke anonym heraus. Er verstand die Gefahr, die es bedeutete, zu nah an die akademische Disziplin zu kommen. Dieser besondere Aspekt in Brahms Werk soll in den folgenden Absätzen näher beleuchtet werden (vgl. Sandberger 2009: 146). In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewann die Musikwissenschaft viel Raum in Deutschland jedoch führte dies auch zu vielen Auseinandersetzungen, dabei führte man die Diskussionen sehr oft um ihre Rolle aber auch um ihre Verbindung zur Kunst. So äusserte sich Nietzsche (1874) diesbezüglich und behauptete, dass „keiner zugleich ein großer Historiker“ und „ein künstlerischer Mensch“ sein kann (vgl. Nietzsche 1874/1972: 290). 29 Das folgende Zitat von Philipp Spitta (1892) erklärt die Rolle der Wissenschaft gegenüber der Edition alter Noten, aber auch wie ein Künstler auch die Wege der Musikwissenschaft betreten soll, um seine Arbeit vollständig zu erledigen: „[..] die alte Zeit aus dem Dunkel wieder ins Licht aufsteigen zu lassen und die Verbindungsfäden bloß zu legen, welche von dem einzelnen Kunstwerke zum Bilde des Weltganzen hinüberführen. Hier muß der Künstler, denn es treibt, in die Kunst vergangener Tage einzudringen, den Wegen des Gelehrten folgen“ (Spitta 1892a, 12) Spitta schrieb in seinen Überlegungen zum Dialog von Kunstwissenschaft und Kunst (1892), wo er die Rolle des Wissenschaftlers in Verbindung mit der des Künstlers vereint und rechtfertigt, folgendes: „Und wenn der Künstler mit Recht von sich rühmt, daß es seine Schöpfertaten sind, welche der Kunst neue Bahnen eröffnen, so darf der Gelehrte dagegen setzen, daß in ungezählten Fällen er es war, der die verschütteten Quellen wieder aufgrub, aus denen der Künstler sich neue Lebenskraft trank“ (Spitta 1892a, 14). In diesem Sinne ist auch Brahms Haltung zu verstehen. Ein Komponist der die Gratwanderung zwischen Kunst und Kunstwissenschaft geschafft hat. Natürlich bleibt hierbei immer der Künstler im Vordergrund, aber sein starker Bezug zur Historie macht ihn zum Vorkämpfer, der die beiden Strömungen in sich fusioniert hat. Die scharfen Kritiken von Friedrich Nietzsche, Hugo Wolf oder Richard Wagner in dem Brahms als Akademiker bloßgestellt wird, wo aber auch sein tiefer historischer Hintergrund und seine entsprechende Umsetzung in seinen Werke ihm den Beinamen „Meister der Kopie“ (vgl. Nietzsche 1888/1969, 41) gegeben haben, zeigen wie schwierig es war, sich als Einzelgänger im Panorama des 19. Jahrhunderts durchzusetzen (vgl. Lütteken 2009: 542). So schrieb Wagner in Bezug auf Brahms: „ […] ich kenne berühmte Komponisten, die ihr bei Konzertmaskeraden heute in der Larve des Bänkelsängers (´an allen meinen Leiden´!), morgen mit der Halleluja-Perücke Händels, ein anderes Mal als jüdischen Czardasaufspieler, und dann wieder als grundgediegenen Symphonisten in eine Nummero Zehn verkleidet antreffen könnt. […] Nun sieht aber Alles, was wir da aufgeschrieben finden, Beethovens Musikgestalten wiederum so sehr ähnlich, dass sie oft wie geradezu kopirt erscheinen“ (Wagner 1879/s.a., 254-256) 30 Brahms war in enger Verbindung mit der akademischen Welt, dies beweisen die Ehrendoktorwürden in Cambridge und Breslau, die von angesehenen Persönlichkeiten, wie dem Philosophen und Hermeneutiker Wilhelm Dove Dilthey und dem Historiker Alfred Wilhelm Dove, angefordert wurden. Anlässlich des Doktorats in Breslau komponierte er die Akademische Fest-Ouvertüre op. 80 (vgl. Sandberger 2009: 142). Eine Paradoxie entsteht bei Brahms Schaffen, da er als Verfechter der Geschichte, sein gesamtes Skizzenmaterial und eine Reihe von unvollendeten Werken vernichtete und damit die Geschichte seiner eigenen Kompositionen auslöschte und damit den MusikforscherInnen eine schwierige Aufgabe den überliess (vgl. Lütteken 2009: 545). Die Brahms Forschung hat immer versucht, die Anklänge der alten Musik in Brahms Werken zu begründen. In diesem Sinne ergeben sich beispielsweise Beziehungen zwischen dem Final-Satz der vierten Symphonie, der eine Passacaglia gestaltet und dem gleichzeitigen Interesse von Brahms (1884) an die Bach Kantate Nach dir, Herr; verlanget mich (BWV 150) aufzeigt. Dies entspricht jedoch einer Spekulation, weil es ungewiss bleibt, wie Brahms dieses Material konkret für seine Komposition umsetzte (vgl. Sandberger 2009: 150). Brahms Verhältnis zur Vergangenheit war außerordentlich gewissenhaft deutlich, gleichzeitig aber auch außerordentlich subtil und vielschichtig. Und es war durchzogen von einer Mischung aus Selbstbewusstsein und Unsicherheit, die sich in seinem gesamten Leben und Werk widerspiegelte (vgl. Lütteken 2009: 542). In diesem Sinne hat sich Spitta geäußert als er schrieb: „was er [Brahms] von den Alten“ gelernt habe, sich „in seine höchst persönliche Tonsprache verflößt“ habe (vgl. Spitta 1892: 398). 31 3.2 Figurenlehre- Rhetorik Der Begriff Figurenlehre entspricht einem Fachausdruck, der im 20. Jahrhundert von deutschen Musikwissenschaftlern wie Schering, Unger und Schmitz erfunden wurde und ihre Funktion basiert auf der Analyse der Beziehung zwischen Redefiguren der Rhetorik und musikalischen Figuren. In der Zeit des Humanismus und der Wiederbelebung der klassischen Rhetorik griff man auf klassische Werke der Rhetorik wie Aristoteles, Cicero und Quintilian zurück, indem die Redner lertnen, ihre Rede durch bildhafte Rhetorik zu verschönern und sie mit leidenschaftlicher Sprache zu vervollständigen (vgl. Buelow 2015). Dieser Ansatz diente in Folge als Vorbild für die Musiktheorie des 16. und 17. Jahrhunderts (vgl. Bartel 1997: 22). Die Wiederbelebung der klassischen Rhetorik im 16. Jahrhunderts diente als Vorbild für die zeitgenössische Musiktheorie. In diesem Sinne analysierten Autoren wie Du Vair (1556–1621) und Muret (1526–85) die Rhetorik unter dem Einfluss der klassischen Vorbilder auf das vorhandene künstlerische Material, die Figuren eingeschlossen. In der Musiklehre ist dies ähnlich geschehen, indem sie die musikalischen Phänomene der Werke der Meister des 16. Jahrhunderts erschloss und benannte. Da in der intensiven Konfrontation mit der Thematik begriffliche Engpässe zur Beschreibung bestimmter Phänomene entstanden, war es unabdingbar Termini aus dem Fachgebiet der Rhetorik zu adaptieren (vgl. Bartel 1997:22). Die Art und Weise, wie Musik und Rhetorik aufeinander gewirkt hatten, hängt von verschiedenen Faktoren ab, dazu gehört der Zugang zu alten rhetorischen Traktaten, die Natur des übertragenden Materials in diesen Traktaten, die vorherrschenden Ziele und Aufgaben der Musik und die Rhetorik innerhalb einer gewissen Kultur sowie die verschiedenen Gebiete von Theorie, Komposition, Aufführung und Notation, in denen man Zeichen von dieser Interaktion (MusikRhetorik) finden kann (vgl. Wilson 2015). 32 Die ersten Zeichen einer Interaktion zwischen Musik und humanistischer Rhetorik tauchten in der Generation von Josquin Desprez (um 1450-1521) auf. In dieser Zeit wurden die ersten veröffentlichen Übersetzungen von Quintilian und Cicero verbreitet und gleichzeitig erschienen erstmals rhetorische Traktate (vgl. Wilson 2015). Die entscheidende Verbindung zwischen Musik und Rhetorik wurde in den Jahrzenten um 1525 geschaffen. Um 1560 fanden die Terminologie und die Konzepte der klassischen Redekunst erstmals Raum in der Literatur der Musiktheoretiker auf beiden Seiten der Alpen (vgl. Wilson, 1995). In der Renaissance verwendeten sowohl in der geistlichen als auch in der weltlichen Musik die Komponisten wie Orlando di Lasso (siehe weiter unten) rhetorischmusikalischen Mittel, um Worte zu bebildern. Die Madrigale sind ein Paradebeispiel für dieses Wort-Ton Verhältnis (vgl. Wilson 2015). Eine deutsche Tradition, die die ausdrückliche Funktion der musikalischen colores (Verzierungen) mit der rhetorischen colores (Tropus und Figuren) gleichsetzte, ist erweitert in den Schriften von Burmeister (Musica autoschediastikē, 1601; Musica poetica, 16061) zu erkennen. Er war der erste, der eine ausführliche Liste von musikalischen-rhetorischen Figuren erarbeitet hatte. Andere Autoren wie Vogt, Scheibe, Mattheson, Forkel entnahmen in den weiteren 150 Jahren Namen aus der Terminologie der Rhetorik für musikalische Figuren, oft verwendeten sie dabei verschiedene Namen aus dem Lateinischen oder aus dem Griechischen für die gleiche Figur. Sie definierten auch neue Figuren, für die es in der Rhetorik noch keine Entsprechung gab, dazu sind z.B. abruptio, passus duriusculus, prolongatio u.a. zu zählen. Die Behandlung so wie die Bedeutung dieser musikalischen – rhetorischen Figuren ist nicht vereinheitlicht worden und es ist keine systematische Theorie der musikalischen Figuren für die Musik des Barocks oder später vorhanden (vgl. Buelow 2015). Einer der bedeutendsten musikalischen Redner der späten Renaissance war beispielsweise Orlando di Lasso (1532-1594), so dass in Burmeisters Traktat (1606), der erste dieser Gattung in der Musikgeschichte, die Verbindung zwischen Rhetorik und musikalischen Figuren in seiner Motette in me transierunt analysiert wird (vgl. Buelow 2015). 1 33 Weiters ist die Beziehung zwischen Rhetorik und Musik in der Barockzeit intensiver geworden, sodass sie ein signifikantes Merkmal dieser Epoche geworden ist. Die vorherrschende Neigung der Musik des Barocks zur Rhetorik hat sich aus den Sorgen der musikalischen Stile der Renaissance um die Verständlichkeit des Textes weiter entwickelt. Egal wo Musik praktiziert wurde, in Italien, Deutschland, England oder Frankreich, diese Verbindung beeinflusste alle Ebenen des musikalischen Gedankengutes. Die Musik des Barock zielte auf einen musikalischen Ausdruck der Worte, die mit einer leidenschaftlichen Rhetorik oder musica pathetica2 vergleichbar ist, ab (vgl. Buelow 2015). Wichtige Traktate, in denen das Verhältnis zwischen Musik und Rhetorik dargestellt wird, sind Mathesons Der vollkommene Capellmeister (1739) Dresslers Praecepta musicae poeticae ca. 1563 in Deutschland. Auch in Frankreich die Harmonie universelle (1636-37) von Marin Mersenne, oder in Italien, in Rom Athanasius Kircher mit Musurgia universalis (1650) (vgl. Buelow 2015). Im Barock ist ausserdem die Praxis der Affekte entstanden. Die Aufgabe des Komponisten war es, durch die Musik ein Gefühl (Traurigkeit, Freude, Liebe, Hass, Zweifel usw.) beim Zuhörer auszulösen. Diese Praxis entstammt der Vokalmusik, in der die Musik wiedergibt, was der Text darstellt (vgl. Buelow 2015). Ein weiterer Schritt war es, das Gleiche in der Instrumentalmusik zu schaffen. Johann Adolf Scheibe (1708-1776) machte beispielsweise Fortschritte in diese Richtung, indem er die Figuren, die mit der Vokalmusik und daher mit einem Text verbunden sind für die Instrumentalmusik verwendete, um Affekte auszudrücken. Der ursprüngliche Affektausdruck, der mit einem Text verbunden war, wird erhalten aber in textloser Musik umgesetzt (vgl. Bartel 1997: 66). Dadurch werden alle Elemente der Musik wie die Tonleitern, die Akkorde, der Rhythmus, die Harmonie, die Tonarten, die Form usw. von dieser Praxis geprägt (vgl. Buelow 2015). Athanasius Kircher hat den Begriff musica pathetica erfunden, um die affektive Natur der Musik zu beschreiben und sie mit den konstruktiven formalen Elementen der rhetorischen Doktrin zu verbinden (vgl. Buelow 2015). 2 34 Im 19. Jahrhundert gab man dieser Praxis den Name Affektenlehre und man war der Meinung, dass die Barockkomponisten mit stereotypischen rhetorischenmusikalischen Figuren ihre Kompositionen mit der Absicht, eine vorherbestimmte Beziehung der Tonmalerei zu erzeugen, schafften. Später im 20. Jahrhundert entdeckten Wissenschaftler, dass die Rolle der rhetorischen Figuren in der Musik des Barocks eine verzierende war, damit die Worte eine dramatische und musikalische Betonung bekämen. In der Musik fungierten diese Figuren wie die Figuren der Redekunst als ein Teil der decoratio3 (vgl. Buelow 2015). Folgendes Zitat aus Matthesons Der vollkommene Capellmeister, (1739) diente dazu, diese Aussage zu bekräftigen: „Wenn wir endlich noch ein Wort von der Ausschmückung machen müssen, so wird hauptsächlich zu erinnern nöthig seyn, dass solche mehr auf die Geschicklichkeit und das gesunde Urtheil eines Sängers oder Spielers, als auf die eigentliche Vorschrifft des melodischen Setzers ankömmt. Etwas Zierath muss man seiner Melodien beilegen, und dazu können die häuffigen Figuren oder Verblümungen aus der Redekunst, wenn sie wol angeordnet werden, vornehmlich gute Dienste leisten“ (Mattheson 1739: 1242) Die Affektenlehre erlebte eine weitere Entwicklung indem sie mit den Tonarten in enger Verbindung steht. Dieses Verfahren griff auf die Griechen zurück. Sie schrieben viel über die Kontrolle der menschlichen Emotionen und glaubten, dass die Musik eine ethische Kraft (ethos) besässe, die mit der Modi im engen Zusammenhang stünde. In der Renaissance ist die Ethos Theorie der Griechen mit der Theorie der Charaktere und der neuen entwickelten Affektenlehre verschmolzen. Darüber hinaus wird diese Praxis im Barock festgelegt. So entsteht auch ein wichtiges Traktat wie das Neu-eröffnete Orchestre (1713) von Mattheson (vgl. Buelow 2015). Später, gegen Ende des 18. Jahrhunderts, änderte sich die Wahrnehmung der Affekte, man betrachtete sie nicht mehr unter der barocken Perspektive als etwas Zahlbares oder Messbares, sondern eher als etwas, was völlig subjektiv und persönlich gestaltet ist. In den Schriften von Johann Nikolaus Forkel (1788) wurde versucht, eine Rhetorik der Musik zu entwickeln. Er war der Meinung, dass die Die fünf konstitutiven Elemente der klassischen Rhetorik sind inventio, dispositio, elocutio (auch als decoratio bezeichnet), memoria und pronunciatio (vgl.Jones 2015). 3 35 Affekte in ständiger Bewegung und verpflichtet zu unzählbaren Veränderungen seien (vgl. Hoyt). In diesem Sinne rieten die Ästhetiker des 18. Jahrhunderts oft den Komponisten dringend, nicht einzelne Worte sondern die Gefühlsfelder darzustellen (vgl. Hosler, 1981 und Neubauer, 1986). Beispielsweise galt es als eine Erniedrigung der Kunst, Vogelgesänge oder Schlachten darzustellen (vgl. Hoyt 2015). Bemerkenswert ist in diesem Sinne wie vorsichtig Beethoven damit umgeht als er im Titelblatt seiner Pastoralen Symphonie folgende Angabe schreibt: ´mehr Ausdruck der Empfindung als Malerei´ (vgl. Beethoven 2004: XVI). 36 4. Figurenlehre im Deutschen Requiem Das folgende Kapitel stellt eine Beziehung zwischen der alten Praxis der Figurenlehre mit dem Deutschen Requiem von Johannes Brahms her. Wie im Kapitel Brahms Zugang zur alten Musik dargelegt, hatte der Komponist eine starke Beziehung zur alten Musik, die in seinen Kompositionen spürbar ist. Daher wird bestätigt, dass Brahms die Figuren nicht willkürlich verwendet sondern diese, wo er sie braucht, bewusst einsetzt. Im besonderen Fall der Figurenlehre muss klar dargestellt werden, dass das WortTon Verhältnis in einem Werk nicht nur dazu diente, den Text durch die Musik hervorzuheben, sondern auch die Gefühle zu berühren. Dementsprechend werden hier die Stellen, bei denen Brahms in seinem Requiem auf die alte Praxis der Figurenlehre zurückgreift, thematisiert. Die Erkennung solcher Stellen ermöglicht ein besseres Verständnis der Komposition, so erklärt es Burmeister (1601) in seiner Musica autoschediastike, wenn er erläutert, dass das musikalische Geschehen oder die musikalischen Phänomene in der Kompositionen immer vorhanden waren bevor diese Interaktion zwischen Musik und Rhetorik zustande gekommen war. Darüber hinaus ermöglicht es die Rolle der Figurenlehre, diese in einer „geeignete Form“ (vgl. Burmeister 1601: 144) kennenzulernen. Die meisten davon, die in diesem Zusammenhang im Brahms Requiem zu finden sind, sind folgende: Passus Duriusculus, Hypotyposis, Pausa, Abruptio, Aposiopesis, Suspiratio, Tmesis, Ellipse, Auxesis, Exclamatio, Interrogatio, Anabasis, Catabasis, Noema. Im ersten Satz des deutschen Requiems findet man gleich am Anfang die erste Figur, die das Werk eröffnet. Es geht um die chromatische abfallende Linie, die von den 2.Violoncelli im Takt 2 bis Takt 6 geführt wird, und dann von den 2. Bratschen im Takt 7 bis Takt 11 übernommen wird. Diese Figur wird als Passus Duriusculus bezeichnet und ist nur im Traktat von Christoph Bernhard um 1648 zu finden (vgl. Bartel 1997: 222). 37 Die chromatische Führung ist in seiner tonalen Ausprägung sehr ausdrucksvoll gestaltet und kann wohl an dieser Stelle als ein Topos für Schmerz und Leid interpretiert werden (vgl. Dyson und Drabkin 2015). Diese Figur erklingt gleichzeitig mit einem Orgelpunkt, der von den 3. Violoncelli, Kontrabass und Orgel dargestellt wird. So ergeben sich während eine Stimme die gleiche Note wiederholt (Orgelpunkt) und die andere eine abfallende Bewegung unternimmt (Passus Duriusculus) Dissonanzen. Dies entspricht der Definition von Bernhard (1648) dieser Figura, nämlich eine Reihe aufeinander folgende Intervalle, die Dissonanzen auslösen (vgl. Bartel 1997: 222). Zum Orgelpunkt sei zu erwähnen, dass er eine sehr bedeutende Rolle im ganzen Requiem spielt. Gerade am Anfang, wo die Rede von Seligkeit und Ruhe ist, dient der Orgelpunkt als Vorbereitung der den Teppich ausrollt bevor die Chorstimmen den Text übertragen. Dadurch wird Ruhe in Kombination mit dem Schmerz der chromatischen Stimmen geschafft. Ickstadt (2007) behauptet, dass obwohl der Orgelpunkt nicht als Figur bezeichnet wird, man diesen unter eine Hypotyposis einordnen kann (vgl. Ickstadt 2007:148). Nach Burmeister (1606) und Vogt (1719) ist die Figur Hypotyposis eine Verzierung die den Text sichtbar macht. Weiteres erklärt Bartel (1997), dass die Absicht einer musica poetica4 auch als Hypotyposis bezeichnet werden kann (vgl. Bartel 1997: 184). Darunter fallen viele Figuren aus dieser Kategorie, Anabasis, Antithesis, Assimilatio, Catabasis, Circulatio, Dubitatio, Exclamatio, Interrogatio, Noema und Pathopoeia (vgl. Bartel 1997: 185). Dammann (1995) kennzeichnet die Hypotyposis als „die wichtigste und zugleich allgemeinste Bildfigur des musikalischen Barock“ (Dammann 1995: 139). Der Orgelpunkt spielt im ganzen Requiem eine sehr prägnante Rolle bezüglich der Verdeutlichung des Textes und des musikalischen Geschehens. Daher ergeben Unter Musica poetica ist die enge Beziehung einer Komposition mit der Bedeutung des Textes zu verstehen (vgl. Grove Music Online) 4 38 sich Gemeinsamkeiten zwischen den Sätzen, die immer wieder an manchen Stellen den Orgelpunkt als Hauptdarsteller präsentieren. Beispielsweise betont der Orgelpunkt im zweiten Satz zwischen den Takten 303333 den textlichen Inhalt ewige Freude (Hypotyposis). Durch den Orgelpunkt wird die Größe bzw. die Ruhe dieser Freude übertragen. Es handelt sich um eine Freude, die der Herr bringen wird. Jene Freude, die die Verstorbenen genießen dürfen, nachdem sie unter Schmerz und Seufzen im Leben gelitten haben. Eine weitere Stelle, die Ickstadt (2007) zitiert und die auf dem Orgelpunkt beruht, kommt im 2. Satz zwischen den Takten 40-54 oder 164-178 vor. Die Umsetzung des Orgelpunktes als Begleitung für den Marsch, oder wie Kross (1997) ihn bezeichnet „Totentanz“ (Kross 1997: 525), stellt eine andere Funktion dieser Hypotyposis dar. An allen anderen Stellen, wo ein Orgelpunkt umgesetzt wird, ist seine Assoziation mit positiven Gefühlen wie Ruhe, Freude oder, wie unten erklärt, Hoffnung verbunden. Dennoch begleitet er an dieser Stelle einen Marsch, der mit der Nichtigkeit oder der Vergänglichkeit des menschlichen Lebens in Beziehung steht. Ickstadt (2007) nennt diese bewusste Umsetzung eine Figur der Ironie, da die Kontinuität, die von der Orgel dargestellt wird, von der Vergänglichkeit geleugnet wird. Diese Figur existiert nicht als eine musikalische, daher wird sie von Bartel (1997) in seinem Handbuch nicht erwähnt, trotzdem wird diese Bezeichnung in der Rhetorik verwendet und bedeutet, dass das Gegenteil vom erwähnten Kontext gemeint ist (vgl. Ickstadt 2007:149). Die große Fuge im dritten Satz ab Takt 173 stellt einen weiteren Orgelpunkt dar. Hier handelt es sich um die Hoffnung, die bei Gott zu finden ist. Mittels dieses Orgelpunktes wird die Pracht und die Allgegenwart Gottes gestaltet. Die Umsetzung des Orgelpunktes im Deutschen Requiem weist ausdrücklich darauf hin, dass er in starker Verbindung mit dem betroffenen dargestellten Text ist. Daher wird seine Zuordnung als Figur nicht nur berechtigt, sondern nötig. Weitere Stellen, an denen eine Hypotyposis zu finden ist, erscheinen beispielsweise im ersten Satz im Takt 47 und ff. Hier werden Worte wie Seufzen 39 und Tränen vertont. Brahms verband hier zwei Noten unter einem Bindebogen, wobei die zweite nicht betont werden soll, dafür aber die erste. Dazu kommt die Tonwiederholung, die die Schwere eines Kondukts darstellt Das Ergebnis ist ein Effekt wie ein Seufzer. Meiner Meinung nach ist diese Figur jedoch keine Suspiratio Figur (siehe weiter unten), da dort keine Pausen stehen, wie in folgender Abbildung zu erkennen ist: Abb.11:Hypotyposis. Brahms deutsches Requiem. Erster Satz Takte 47-51. Eigene Markierung (2015). 40 Weiteres wird zwischen den Takten 34-37 des fünften Satzes grundsätzlich die gleiche Motivik bzw. Figur (Hypotyposis) wie im vorigen Beispiel verwendet, dieses Mal dient sie dazu den Trost zu vertonen. Zuerst erklingt sie in den Männerstimmen, um gleich danach in den Frauenstimmen zu folgen. Die parallele Stelle erklingt dann später ab Takt 43, aber dort übernimmt das Orchester eine aktive Rolle, da es auch diese Figur gestaltet. Auf diese Weise endet der B Teil mit der Intensivierung der Nachricht des Trostes und bereitet gleichzeitig die Wiederkehr des A Teiles vor. In diesem Sinne hat diese Figur nicht nur eine textverdeutlichende oder eine gefühlsverbundene sondern auch eine strukturelle Funktion. Dieses Verfahren wird in folgender Abbildung näher erläutert: Abb.12:Hypotyposis. Brahms deutsches Requiem. Fünfter Satz Takte 43-48. Eigene Markierung (2015). 41 Eine weitere Hypotyposis, die noch erwähnt werden muss, ist die klare Textverdeutlichung im zweiten Satz zwischen den Takten 116-119. Dort wird der Inhalt des Textes von der Harfe und der Flöte personifiziert. Der vertonte Text lautet: „…und ist geduldig darüber, bis er empfahe den Morgenregen und Abendregen“. Das Zupfen der Harfe mit den staccatto-artigen Tönen der Flöte und dem pizzicati der Streicher sind klare Hinweise auf den Regen, der im Text beschrieben wird. Im Takt 23 des ersten Satzes führt die Sopranstimme des Chores den Beginn des Nachsatzes indem sie nach einer Viertelpause mit dem Wort denn einsetzt. Wie Ickstadt (2007) erwähnt, bieten sich hier Konjunktionen wie aber, denn, doch oder sondern gut an, um eine kompositorische Textbetonung einzufügen (vgl. Ickstadt 2007: 146). In diesem besonderen Fall ist die Sopranstimme im Takt 23 die Erste, die das Wort denn ausspricht, dadurch wird diese Konjunktion hervorgehoben. Ähnliches geschieht im Takt 39. An dieser Stelle ist die Sopranstimme wieder nach einer Pause Trägerin des Wortes denn. Ihr Einsatz ist eine Antwort auf den Einsatz der Oboe, die diese Melodie vorwegnimmt. Im Takt 39 tritt die Sopranstimme auf, nachdem die anderen Stimmen des Chores (Alt, Tenor, Bass) das Wort denn auf dem ersten Schlag des Taktes ausgesprochen haben. Hier die zwei parallelen Stellen: Abb.13: Brahms deutsches Requiem. Pausa. Erster. Satz Takt 23. Eigene Markierung (2015). 42 Abb.14: Brahms deutsches Requiem. Pausa Erster Satz Takt 39. Eigene Markierung (2015). 43 Dieses Geschehen, wird als Pausa bezeichnet, eine Figur die bei Dreßler (1563) „zum Nachdruck und Verdeutlichung des Textes dienen könnte“ (Bartel 1997: 226). An diesen beiden Stellen, ist deutlich, dass die Wichtigkeit des Nachsatzes durch die kleine Pause in den Vordergrund gerückt wird. Die Pause spielt eine sehr wichtige Rolle in der Gestaltung der Figuren und ihre Umsetzung bestimmt ihre Einordnung in der Figurenlehre. Wie die Pausa Figur die gerade erwähnt wurde, erscheinen mehrere Figuren, die eine Pause enthalten. Ihr Unterschied ist sehr gering und daher werden sie von manchen Autoren sogar als austauschbar bezeichnet. Figuren wie abruptio, suspiratio, aposiopesis u.a. fallen unter diese Kategorie. Die Aposiopesis ist eine Figur, die der Abruptio Figur ähnlich ist. Der Unterschied liegt darin, dass die erste kein plötzliches Abbrechen des musikalischen Gedankens enthält, sondern das Stillschweigen wird benutzt, um etwas Besonderes auszudrücken, wie z.B. das Unendliche oder das Nichts (vgl. Bartel 1997:105). Im dritten Satz beschreibt der folgende Satz ``…und mein Leben ist nichts vor dir´´ die Nichtigkeit des menschlichen Lebens und ihre Bedeutungslosigkeit gegenüber Gottes. Brahms verwendet vielmehr für die Vertonung des Wortes ``nichts´´ zwischen den Takten 46-47, 63-64 eine Aposiopesis. Weiteres singt im Takt 106 der Solist wieder das Wort ``nichts´´ und dort wird wieder eine Pause nach diesem Wort eingesetzt, das Orchester macht aber keine Pause, da es mit der Darstellung eines anderen Motivs5 beschäftigt ist. Dennoch ist die Verwendung dieser Figura an dieser Stelle eindeutig. Durch das Einsetzen einer Pause während des musikalischen Verlaufes wird das Seufzen nachgeahmt und dadurch wird gleichzeitig ein Affekt erzeugt (vgl. Bartel 1997: 248). Dieses Verfahren entspricht der Figur Suspiratio. Bemerkenswert ist Das Motiv erscheint zum ersten Mal vom Solist vorgetragen im Takt 35. Hier ist die Erscheinung dieses Motivs im Teil C des dritten Satzes (siehe Abb. 5) gemeint. Kross (1997) bezeichnet es als das Motiv der Endlichkeit des menschlichen Lebens (vgl. Kross 1997: 527 ) 5 44 die Definition dieser Figur bei Kircher (1650), der den Ausdruck, der diese Figur auslöst, beschreibt. Er argumentiert, dass durch gezielte Pausen eine ``Leidenschaft der Sehnsucht´´ ausgedrückt werden kann (vgl. Kircher 1650: 144145). Die Suspiratio wird im Brahms Requiem an zahlreichen Stellen verwendet, davon werden in dieser Arbeit jedoch nur einige ausdrücklich zitiert. Im zweiten Satz zwischen den Takten 240-242 wird das Wort „seufzen“ vertont, aber die entsprechende Figur wird erst in den darauffolgenden Takten auf die Worte „wird weg“ so wie folgt umgesetzt: Abb.15: Brahms deutsches Requiem. Suspiratio. Zweiter Satz Takte 241-244. Eigene Markierung (2015). 45 Der fünfte Satz ist von Suspiratio-Figuren stark geprägt. Im Takt 14 stellen die Holzbläser diese Figur dar und dieses Modell wird von den Streichern beantwortet. Das gleiche Geschehen wird in den Takten 60-62 wiederholt. Diese Figur begleitet beide Male das Wort „aber“ die dazu ein Tritonus gestaltet. Im Teil B begleiten in den Takten 28 bis 34 die Streicher die Solistin mit einer Reihe von Suspiratio-Figuren. Der fünfte Satz pendelt, wie oben erklärt, zwischen Trauer und Trost, daher die Beharrlichkeit auf dieser Figur, die den Trost mit einer inhärenten gewissen Traurigkeit gestaltet. Summa summarum beinhaltet die Figur die beiden gegenseitigen Gefühle dieses Satzes. In folgender Abbildung sind die gemeinten Stellen farblich hervorgehoben: Abb.16: Brahms deutsches Requiem. Suspiratio. Fünfter Satz Takte 28-34. Eigene Markierung (2015). 46 Die Abruptio-Figur wird als das plötzliche Abbrechen eines musikalischen Gedankens oder Affekts verstanden (vgl. Bartel 1997:78). Spiess (1745) meint, dass ihre Umsetzung im Stilo Recitativo durchgeführt werden soll (vgl. Spiess 1745: 155). Im dritten Satz singt der Solist folgende Worte „und ich davon muss“ zwischen den Takten 13-16. Im Takt 13 steigt die Melodie auf und erreicht hier den höchsten Ton, der vom Solisten vorgetragen wird. Nach diesem Höhepunkt setzt Brahms eine Viertelpause, nämlich eine Abruptio Figur, danach steigt die Melodie wieder in einer konkluierenden Weise ab. Der Effekt, eine Pause auf den Höhenpunkt zu setzen, löst eine Spannung aus, die mit dem Text korrespondiert. In diesem Fall verkörpert der Solist im übertragenen Sinne die Menschheit die, weil sie den Sinn des Lebens verloren hat, Gottes Hilfe braucht. Die Menschheit ist also verzweifelt und die Intensität ihrer Rede steigt auf und wird plötzlich durch eine Pause abgebrochen. Dieses Geschehen wird vom Chor übernommen und in den Takten 28-33 gleich behandelt. Eine weitere Figur, die sich auf die Pause bezieht, ist die Tmesis. Sie wird als Schnitt oder Einschnitt einer Komposition bezeichnet (vgl. Bartel 1997: 262). Vogt (1719) definiert sie als „das Zerschneiden“ und erklärt, dass sie durch zersplitterte Abschnitte geschieht (vgl. Vogt 1719: 152). Bartel (1997) weist darauf hin, dass Suspiratio und Tmesis verwandte Figuren sind, aber sie unterscheiden sich indem die Suspiratio Figur eine textausdeutende währenddessen die Tmesis Figur eine textverdeutlichende Rolle hat (vgl. Bartel 1997: 263). Im dritten Satz ist das erste Wort, das vom Solist vorgetragen wird Herr. Anschließend wird eine Pause eingesetzt und damit wird Aufmerksamkeit gewonnen. Noch stärker ist die Wirkung ab dem Zeitpunkt, wo der Chor im Takt 17 einsetzt, dort singen zuerst die Männerstimmen das Wort Herr gefolgt von einer Pause und dann setzen die Frauenstimmen ein, um dieses Geschehen zu wiederholen. Diese Dynamik entspricht dem Charakter des Textes: zuerst tritt der 47 Bass alleine auf und dann erscheint der Chor, der das Volk repräsentiert, das sich zögerlich stammelnd an Gott wendet. Die Ellipsis ist eine Figur, die übersetzt auslassen oder weglassen bedeutet (vgl. Bartel 1997: 135). Bei Scheibe (1745) und Forkel (1788) wird diese Figur als ein harmonisches Phänomen betrachtet, nämlich in Verbindung mit einer Kadenz, die nach dem harmonischen Zusammenhang zu erwarten ist, aber stattdessen erscheint laut dieser zwei Autoren eine „ausfliegende Kadenz“. Dieses Geschehen ist nicht vom Text unabhängig, sondern unterstreicht die Idee, die vorgetragen werden soll. Scheibe (1745) schreibt diesbezüglich: „ […] je heftiger aber der Affect ist, oder sein soll, desto fremder muß auch der Accord seyn, in den man die gewöhnliche Cadenz verändert“ (Scheibe 1745: 687). Im ersten Satz des Brahms Requiem ist eine Ellipsis vorhanden. Am Ende des Taktes 36 wird eine Rückkehr in die Tonika F-Dur erwartet, aber der Bass unternimmt eine halbtönige Bewegung von C zu Cis, sodass im Takt 37 statt F-Dur ein überraschendes A-Dur erklingt. Durch diese harmonische Wendung wird die oben zitierte Stelle im Takt 39 (siehe Abb. 14. S. 43) noch einmal betont, da der Chor die Wiederholung des Nachsatzes denn sie sollen getröstet werden in einer anderen Tonart präsentiert. Wichtig sei auch zu erwähnen, dass diese Stelle in einer ersten Umkehrung vorkommt, d.h. Cis im Bass, dieser pendelt zwischen Cis und C, was dieser Stelle eine interessante Instabilität verleiht, daher geschieht die Wiederkehr in die Tonika F-Dur gleich im Anschluss. Eine weitere Ellipse, die wegen ihrer Funktion innerhalb des entsprechenden Zusammenhangs sehr bedeutsam ist, kommt im dritten Satz zwischen den Takten 32-33 vor. Dort geschieht anstatt der vom Chor erwarteten Auflösung zu d-moll, ein Trugschluss und die Musik geht in die sechste Stufe, also B-Dur. Diese harmonische Wendung unterstützt den Eintritt des Solos und seine Worte „Siehe“. Das gleiche Verfahren wird im selben Satz zwischen den Takten 47-48 durchgeführt. Dieses Mal in einer umgekehrten Reihenfolge, sprich Solo-Chor. 48 Eine weitere erwähnenswerte Figur sei die Auxesis, was so viel heißt wie Vermehrung, Wachstum. In der Rhetorik wird sie als Incerementum bezeichnet (vgl. Bartel 1997:108). Walther (1732) definiert sie so: wenn ein Modulus, oder eine Melodye zwey- bis dreymal wiederholt wird, aber dabey immer höher steiget (Walther 1732: 60). Im dritten Satz des Requiems, ist bei dem vom Solo vorgetragenen Motiv zwischen den Takten 33-35 (siehe Fußnote Seite 44) und dann 41-43 eine Auxesis zu finden. Zuerst beginnend bei B-B7-Es Moll, dann folgt die Steigerung einen Halbton höher H (Moll) -H7-E Moll. Siehe folgende Abbildung: Abb.17: Brahms deutsches Requiem. Auxesis. Dritter Satz Takte 33-43. Eigene Markierung (2015). 49 Im gleichen Satz stellt auch der Chor zwischen den Takten 56-60 eine Auxesis dar. Brahms schreibt dazu cresc. was die gemeinte Steigerung dieser Figur bekräftigt. Siehe Abbildung: Abb.18: Brahms deutsches Requiem. Auxesis. Dritter Satz Takte 56-60. Eigene Markierung (2015). 50 Eine weitere Auxesis befindet sich im sechsten Satz zwischen den Takten 152158. Hier ist die Darstellung des Todes auf eine sehr intensive Art und Weise gestaltet. Ein Mittel dafür ist die harmonische Steigerung, die auch eine Steigerung der melodischen Linie vorweist. Diese Figur erklingt auch gemeinsam mit der Interrogatio Figur (siehe unten S. 57): Abb.19: Brahms deutsches Requiem. Auxesis. Sechster Satz Takte 152-158. Eigene Markierung (2015). 51 Eine weitere Figur, die im Deutschen Requiem auftaucht, ist die Exclamatio. Sie ist eine Figur wie die Interrogatio die erst im 18. Jahrhundert durch Johann Adolf Scheibe (1708-1776) erscheint, sie wird aber schon in der Rhetorik von Quintilian (ca. 35 n.Chr.-96 n. Chr.) erläutert. Diese Figur hat bei Vogt (1719) den griechischen Name Ecphonisis, aber bei Walther (1732), Mattheson (1739) und Scheibe (1745) den lateinischen Exclamatio (vgl. Bartel 1997: 152). Die Exclamatio hat eine unmittelbare Verbindung mit dem Affektausdrück, Scheibe (1745) beschreibt sie wie folgt: [...inzwischen ist dieses überhaupt zu merken, daß er [Der Ausruf] insgemein aufwärts geschehen muß, und daß er bey freudigen Begebenheiten, oder Gemüthsbewegungen durch consonirende Sätze, bey traurigen aber durch dissonirende auszudrucken ist.] (vgl. Scheibe 1745: 686) Die Definition der Exclamatio Figur von Johann Gottfried Walther (1684-1748) bietet eine technische Aufklärung an: „Exclamatio ist eine Rhetorische Figur, wenn man etwas beweglich ausruffet; welches in der Music gar füglich durch die aufwerts springende Sextam minorem geschehen kann“ (Walther: 1732: 233). Im ersten Satz des Requiems wird in den Takten 55-56 in der Tenorstimme die Freude durch eine Exclamatio Figur ausgedrückt. Das melodische Modell bildet einen Dreiklang (As-Dur mit Septime) und nach dem Abstieg dieser Linie geschieht ein Sprung einer großen Sexte. Obwohl die Sexte groß ist und nicht wie bei Walther (1732) beschrieben klein (minore) ist, ist die Absicht, einen Ausruf zu erzeugen, gelungen, da er, wie bei Scheibe (1745) beschrieben, sich nach oben richtet. Dieses Phänomen schaut wie folgt aus: 52 Abb.20: Brahms deutsches Requiem. Exclamatio. Erster Satz Takte 55-56. Eigene Markierung (2015). Eine weitere Exclamatio Figur kommt im dritten Satz vor. Bei der Wiederkehr des A-Teiles überlappt sich der Chor mit der Linie des Solisten, sodass der responsoriale Charakter (siehe Seite 16 und ff Form 3. Satz) unterbrochen wird. Durch diese Überlappung ergibt sich eine Intensivierung des Textes „und ich davon muss“ bis zum Takt 85, wo der Solist einen Oktavensprung darstellt. Dieser Sprung wird vom Sopran des Chores übernommen. Damit erreicht die 53 Verzweiflung des Menschen ihren Höhepunkt und daher ist der assoziative Gedanke dieses Geschehens als Exclamatio zu bezeichnen. Die folgende Abbildung zeigt dieses Verfahren: Abb.21: Brahms deutsches Requiem. Exclamatio. Dritter Satz Takte 83-86. Eigene Markierung (2015). Die Figur Anabasis ist eine rein musikalische Figur und stammt aus dem Griechischen und bedeutet ana: hinauf; basis: Gang. Die Figur wird von Figurenlehre Autoren wie Kircher (1650), Janowka (1701), Vogt (1719) u.a. auch 54 unter dem lateinischen Name Ascensus verwendet. Die Anabasis bringt die Gedanken zum Ausdruck, die vom Text vorgetragen werden, diese Gedanken stehen in Verbindung mit der Idee des Aufsteigens (vgl. Bartel 1997: 85-86). In Verbindung mit der Anabasis steht die Figur der Catabasis. Sie stammt aus dem Griechischen und bedeutet Kata: hinab und basis: Gang. Wie die Anabasis, ist die Catabasis eine reine musikalische Figur und beispiellos in der Rhetorik. Sie bildet eine absteigende Bewegung, die oft in Beziehung mit Affekten der Niedrigkeit steht (vgl. Bartel 1997: 113). Im ersten Satz des Requiems wird ab Takt 66 wenn die Worte „sie gehen hin und weinen“ vertont werden, auf die beiden vorigen Figuren der Anabasis und Catabasis zurückgegriffen. Obwohl sich dieses Geschehen nur auf einen Satz bezieht, lässt die Art und Weise, wie Brahms dieses Material verwendete, nicht den geringsten Zweifel über die direkte Andeutung an diese beiden Figuren aufkommen. Das Hingehen vom Text vorgetragener implizierter Bewegung wird von Brahms ausgedrückt, indem er das Motiv nicht gleichzeitig sondern hintereinander, in der Reihenfolge tief-hoch, das heißt, Bass, Tenor, Alt, Sopran, erklingen lässt. Jeder Einsatz dieser Stimmen wird immer höher dadurch wird das Hingehen, die Bewegung in eine aufsteigende Richtung, also eine Anabasis, gestaltet. Das Gegenteil, also das Hinabsteigen kommt gleich danach vor. Die Catabasis wird mit dem Wort Weinen assoziiert. Zuerst in den tiefen Stimmen in den Takten 69-70 danach beim Sopran mit einem Melisma ab Takt 72 und zuletzt beim Alt. Bemerkenswert ist, dass alles innerhalb eines Orgelpunktes (Hypotyposis) auf F geschieht und erst sobald die vier Stimmen gleichzeitig das Wort Weinen singen, wechselt im Takt 75 der Bass von F zu Des, also eine große Terz nach unten. Gleichzeitig mit den beiden Figuren erklingt auch die Figur des Passus duriusculus. 55 Ab Takt 78 wird der Satz „sie gehen hin und weinen“ wiederholt, diesmal geschieht alles schneller ohne Erweiterung des Textes durch die Polyphonie. Auffällig ist aber, dass eine zusätzliche Figur dazu kommt, eine Suspiratio, die im Orchester erklingt, und die Anabasis und Catabasis vom Chor vorgetragenen Figuren begleitet. Zusammengefasst wird ein volles Bild von Traurigkeit und Niedrigkeit in einer prägnanten Weise dargestellt. Abb.22: Brahms deutsches Requiem. Verschiedene Figuren. Erster Satz Takte 65-81. Eigene Markierung (2015). 56 Im dritten Satz des Requiems findet eine weitere Umsetzung der Anabasis Figur zwischen den Takten 164-173 statt. Dort wird der Satz „ich hoffe auf dich“ vertont und hier setzen die Stimmen wieder in der Reihenfolge tief-hoch ein. Auch hier erklingt die Figur mit einem Orgelpunkt, der, wie Kross (1997) beschreibt, als Symbol einer festen Glaubenszuversicht interpretiert werden kann (vgl. Kross 1997: 528). Vor dem Satz „ich hoffe auf dich“ wird folgende Frage gestellt: „wes soll ich mich trösten?“ Hier taucht die nächste Figur auf, die Interrogatio. Diese Figur wird von Autoren wie Bernhard (19266), Mattheson (1739) als eine die sehr gebunden an den Text ist beschrieben. Daher wird hier auch die Setzung eines Fragezeichens im Text verlangt. Im Gegenteil dazu kommt für Autoren wie Scheibe (1745) diese Figur auch in der Instrumentalmusik vor und somit ist sie nicht an einen Text gebunden (vgl. Bartel 1997: 188-189). In der erwähnten Stelle im dritten Satz des Brahms Requiems wird diese Figur durch die Harmonik gestützt und der Zweifel bzw. die Unsicherheit dargestellt. Zwischen den Takten 141-142 des dritten Satzes wird eine Kadenz zu F-Dur erwartet, sie geschieht aber nicht. Stattdessen landet die Musik durch eine Ellipse in A-Dur. Der Bass schreitet um einen Halbton hinauf und die Musik befindet sich auf der Dominant (erste Umkehrung) der Tonika-parallel (d-moll). Im Takt 142 beginnt, durch den Solisten vorgetragen, die Vertonung der Frage „wes soll ich mich trösten?“ Folglich tritt der Chor ein und gestaltet in einer polyphonen Weise den gesungenen Text. Die Harmonie wechselt von Takt zu Takt und dementsprechend wird ein Motiv im Arpeggio gestaltet, zuerst im Bass im Takt 144, dann im Sopran im Takt 145, danach im Alt im Takt 146 und als nächstes im Tenor im Takt 147. Im Takt 149 erklingt der erste verminderte Akkord in der zweiten Umkehrung (Cis verminderter mit G in Bass), sprich die siebte Stufe von D. Ab diesem Punkt kehrt dieser Akkord immer wieder kombiniert mit dem Motiv, das zum ersten Mal vom 6 Jahr der ersten Ausgabe 57 Solisten im Takt 35 gesungen wurde, zurück. Im Takt 157 erklingt der zweite verminderte Akkord in der zweiten Umkehrung (Gis verminderte mit D in Bass), also die siebte Stufe von A. Ab Takt 158 bleibt nur dieser Akkord im Orchester, aber in der ersten Umkehrung (H im Bass). Eine kleine Bewegung geschieht am Ende des Taktes 160, wo ein Cis Moll 7 erklingt, die Rückkehr in den verminderten Akkord geschieht jedoch gleich im Anschluss. Die Darstellung dieser Frage greift auf die Harmonik, aber auch auf die Rhythmik zurück. Man beachte hier ab Takt 156 die Intensivierung der Triolen und ab Takt 158 die Synkope, die durch die Hörner geführt wird. Die Unsicherheit des Inhalts des Textes wird durch diese beiden Parameter stark betont. Bemerkenswert ist die Erscheinung einer anderen Figur zwischen den Takten 159161. Dort wird die Frage wieder gestellt, aber nicht polyphon sondern homophon. Dieses Verfahren heißt Noema und tritt dann in Erscheinung wenn innerhalb eines polyphonischen Satzes eine homophone Stelle zur Hervorhebung eines textlichen Gedankens erscheint (vgl. Bartel 1997: 209). Diese besprochene Stelle sei nun folgend dargestellt: 58 Abb.23: Brahms deutsches Requiem. Interrogatio. Dritter Satz Takte 141-163. Eigene Markierung (2015). 59 Im gesamten Werk kommen im Text nur zwei Sätze mit Fragezeichen vor. Der erste Satz ist der, der gerade analysiert wurde, und der zweite muss erwähnt werden, da er auf einem Höhepunkt des Werkes erscheint. Die Frage nach dem Stachel des Todes oder nach dem Sieg der Hölle gestaltete Brahms in einer gewaltigen Form. Die Begleitung des Orchesters, besonderes der Streicher durch die wiederholten Töne ergibt eine unruhige Ebene, die durch sforzati auf dem dritten Schlag eine Intensivierung bekommt. In den Takten 152-154 (siehe Abb. 19. S.51) wird zum ersten Mal der Satz „Tod, wo ist dein Stachel!“ vertont. Dieses Mal bekommt der Satz ein Ausrufzeichen, aber das zweite Mal im Takt 158 bei der Wiederholung dieses Satzes wird ein Fragezeichen gesetzt, das der Steigerung der Musik entspricht (siehe Auxesis Beispiel S.49), daher kommt auf dem dritten Schlag statt das übliche sfz ein ffz. Bemerkenswert sind die darauffolgenden Stellen, wo „Hölle wo ist dein Sieg?“ zwei Mal hintereinander unterschiedlich vertont wird. Das erste Mal gehen in den Takten 165-167 die Chorstimmen in eine aufsteigende Richtung in Unisono bis zum Wort „Sieg?“. Das zweite Mal, in den Takten 175-177, gehen sie in eine absteigende Richtung fast in Unisono, weil der Bass eine harmonische Funktion ausfüllt. Beide Male wird die Frage vertont, das zweite Mal muss der Chor hinab gehen, da Kraft für die Darstellung des Todes im nächsten Takt gespart werden muss. In den Takten 176-177 nehmen die Chorstimmen an Lautstärke ab und verstummen, während das Orchester ein crescendo macht. Im Takt 178 wird das Wort Tod mit Tutti und ff dargestellt. In den Takten 192-200 wird das Wort „wo“ durch eine Folge von Abruptio Figuren gestaltet. Der dramatische Aspekt steigert sich durch die scharf gerissenen Klänge noch mehr. Das Wort „wo“ wird vier Mal vertont bevor die Frage „wo ist dein Sieg“ zum letzten Mal erklingt, um als Übergang für die Fuge zu dienen. 60 5. Wiederkehrende Merkmale 5.1 Das Kernmotiv und seine Verwandten Eine Methodik, auf die Brahms ständig zurückkehrt, um Einheit in seinen Werken zu schaffen, ist die Behandlung der Motivik. Durch die wiederholte Erscheinung gewisser Muster, Tonfolgen und rhythmischer Elemente wird das Ganze kompakter, einheitlicher und erkennbarer. Zahlreiche Beziehungen entstehen wenn ein Zitat von einer Stelle, die im Werk bereits vorgekommen ist, auftaucht. Damit sind Stellen gemeint, die nicht nur von einem reinen technischen Aspekt geprägt sind, sondern, die noch mehr in enger Verbindung mit dem Inhalt des Textes stehen. Teilweise ist die Wirkung dieser Phänomene viel stärker als der Text selbst, weil sie das Nichtgesagte ausdrücken können und eine breite Palette für weitere Interpretationen anbieten. Die nähere Betrachtung des Requiems, nach der diese Arbeit strebt, kann ohne das sogenannte Kernmotiv in diesem Werk zu besprechen nicht vollständig werden. Im ersten Satz erklingt das Kernmotiv zwischen den Takten 15-17 zum ersten Mal. Es wird vom Sopran vorgetragen und besteht aus drei Tönen; ein Terzintervall und ein Sekundintervall7: Abb.24: Brahms deutsches Requiem. Kernmotiv. Eigene Darstellung (2015). Für eine weitere Analyse sei wichtig zu erwähnen, dass die genauen Abstände der Intervalle nicht streng respektiert werden. Daher spricht man von einer großen oder kleinen Terz oder von einer großen oder kleinen Sekunde. Wichtig ist, dass die Konstellation Terz, Sekunde oder Sekunde, Terz stimmt. 7 61 Dieses Motiv erscheint in der anderen möglichen Permutationen, also in Umkehrung, Krebs und Krebsumkehrung wie in folgender Abbildung gezeigt wird: Abb.25: Brahms deutsches Requiem. Kernmotiv Permutationen. Eigene Darstellung (2015). Im Requiem kommt eine Anzahl von Stellen mit dieser Intervallenfolge TerzSekund vor. Wie Topp (s.a.) erwähnt, muss die Umsetzung dieser Motivik sorgfältig gesucht werden, weil sonst im ganzen Werk eine Folge von Terz-Sekund oder umgekehrt vorkommen kann. Diese Motivik muss eine klare Beziehung mit dem Text haben, der tonale Wert muss eindeutig sein, entweder Dur oder Moll und der Charakter muss markant sein, entweder als Themaanfang oder als selbständiges Motiv (vgl. Topp s.a.: 16). Im Hinblick auf diese Aspekte werden hier einige Umsetzungen dieser Motivik erwähnt, sodass etliche Ideen des Requiems von diesen verschiedenen Darstellungen desselben Motivs abgeleitet werden können. Beispielsweise wird das Motiv in ihrer originalen Darstellung als Grundstein für den Aufbau der Melodie mit der der 4. Satz beginnt, verwendet: Abb.26: Brahms deutsches Requiem. Kernmotiv. Vierter Satz. Eigene Markierung (2015). 62 Die ersten sechs Töne dieses Themas sind erstaunlicherweise mit den ersten sechs Tönen des Fugenthemas im dritten Satz ident. Die Erscheinung des Kernmotivs in ihrer originalen Gestaltung im dritten Satz ist kombiniert mit dem Fugenthema und so wie folgt zu verstehen: Abb.27: Brahms deutsches Requiem. Kernmotiv. Dritter Satz. Eigene Markierung (2015). Topp (s.a.) erwähnt, dass eine Beziehung zwischen den Sätzen 3, 4 und 5 entsteht da die Themen auf gemeinsame Säulen zurückgreifen (vgl. Topp s.a.: 17). Für die folgende Abbildung werden die Beispiele in der gleichen Tonart präsentiert, um die Beziehung zwischen den Sätzen ersichtlicher zu gestalten: Abb.28: Brahms deutsches Requiem. Kernmotiv. Dritter, vierter und fünfter Satz. Eigene Darstellung (2015). 63 Die Erwähnung dieses Motivs kommt natürlicherweise im siebten Satz auch vor. Dieser ist mit dem ersten Satz des Requiems eng verbunden (siehe S. 24). In diesem Fall erscheint das Motiv wieder in ihrer ursprünglichen Tonart F-Dur: Abb.29: Brahms deutsches Requiem. Kernmotiv. Siebter Satz. Eigene Darstellung (2015). Bemerkenswert ist, dass dieses Motiv in seiner originalen Gestaltung am Wahrnehmbarsten in den Sätzen 1,4 und 7 zu sehen ist. Das Motiv erscheint in seiner Umkehrung (siehe Abb. 25. S. 62) auch in den gleichen Sätzen, damit sind beide Gestaltungen dieses Motives verbunden. Die Umsetzung des Motivs in seiner Umkehrung schaut im Brahms Requiem folgendermaßen aus: Abb.30: Brahms deutsches Requiem. Kernmotivumkehrung. Erster, vierter, siebter Satz. Eigene Darstellung (2015). 64 Die Gestaltung des Motivs im Krebs und die Krebsumkehrung sind auch miteinander verbunden, da ihre Umsetzung in den Sätzen 2, 3 und 6 vorkommt (vgl. Topp s.a.: 18). Siehe folgende Abbildung: Abb.31: Brahms deutsches Requiem. Kernmotiv Krebs und Krebsumkehrung. Zweiter, dritter, sechster Satz. Eigene Darstellung (2015). 65 Ickstadt (2007) weist darauf hin, dass eine weitere auffällige und erwähnungswerte motivische Beziehung, die auf sprachliche Momente zurückgreift vorkommt (vgl. Ickstadt 2007: 145). Es handelt sich dabei um ein Motiv, das auf einem Dreiklang basiert. Es wird zum ersten Mal im 2. Satz im Takt 203 durch die Trompete, Flöten und Oboen angekündigt. Daher wird in diesem Fall der Themenkopf des darauffolgenden Fugatos, so wie in folgender Abbildung zu sehen ist, vorweggenommen: Abb.32: Brahms deutsches Requiem. Motiv. Zweiter Satz Takte 203 und 206. Eigene Darstellung (2015). Weiteres erscheint dieses Motiv im fünften Satz im Takt 27. Dort singt die Solistin folgende Worte: „Sehet mich an“ (siehe. S. 20 ). Hier kommt dieses Motiv in der gleichen Tonart wie im 2. Satz vor (siehe vorige Abbildung). Im sechsten Satz singt in den Takten 28-32 der Solist „Siehe, ich sage euch ein Geheimnis“. Dort griff Brahms auf das gleiche Motiv zurück. Laut Ickstadt (2007) wird dieser appellative Charakter, indem die Pauke ein Wirbel spielt, durch die Instrumentation unterstützt (vgl. Ickstadt 2007: 145). Diese beiden Stellen ähneln sich, indem die SolistInnen Aufmerksamkeit erfordern, weil sie etwas Besonderes zu kommunizieren haben. In diesem Sinne ist Ickstadts (2007) Benennung zu verstehen als er dieses Verfahren als ein „sprachlichrhetorischer Moment“ beschreibt (Ickstadt 2007: 145). 66 Dieses Motiv erscheint auch im siebten Satz in der Sopranstimme des Chores zwischen den Takten 30-34 und 123-127. Beide Male vertont es die Worte „sterben von nun an“. In folgender Abbildung sind die verschiedenen Erscheinungen dieses Motives zusammengefasst: Abb.33: Brahms deutsches Requiem. Motiv. Fünfter, sechster, siebter Satz. Eigene Darstellung (2015). 67 5.2 Allgemeines Im Deutschen Requiem finden sich verschiedene Stellen zu den genannten Figuren, die eine besondere Bedeutung haben. Solche Phänomene sind entweder rhythmischer, melodischer Natur oder stehen in Zusammenhang mit der Satzweise. Eine genaue Analyse dieser Phänomene würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen. In diesem Sinne sei anzumerken, dass die Stellen, die in diesem Kapitel erwähnt bzw. erklärt werden, als Ausgangspunkte für weitere Analysen im Rahmen neuer wissenschaftlicher Annäherungen dienen könnten. Obwohl sich der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit auf die Figurenlehre in diesem Werk konzentriert, sollen auf eine musterhafte Art und Weise Elemente, die dieses Werk stark prägen, nicht außen vorgelassen werden. Daher werden in den nächsten Zeilen einige dieser Besonderheiten näher erläutert. Im Kapitel der Figurenlehre wurde erklärt, wie Brahms den Orgelpunkt (siehe S. 38) als ein Werkzeug zur Vermittlung von Ruhe oder Stabilität verwendete. Ein anderes Werkzeug, das wiederkehrend ist und in Beziehung mit besonderen Momenten eines positiven Gefühls z.B.: Freude, Trost oder Seligkeit steht, ist die Satzweise. An dieser Stelle fallen die letzten Takte der Sätze 1, 2 und 7 auf. Die Art und Weise, wie sie enden enthält eine deutliche Anspielung auf den Text, der gesungen wird. Noch einmal taucht hier die direkte Beziehung zwischen den Sätzen 1 und 7 auf (siehe S. 23 und 64). Die letzten vier Takte jedes Satzes sind, indem der Komponist den Chor auf gepaarte Terzen enden lässt, gleich gesetzt. Die Abwesenheit des vollständigen Akkords in den Stimmen ist hier bemerkenswert. Dadurch wird die Ruhe, die die seligen Toten oder die seligen tröstenden Menschen suchen, gestaltet. 68 Im zweiten Satz kommt das gleiche Verfahren zwei Mal vor. Das erste Mal zwischen den Takten 119-123 mit den Worten „so seid geduldig“ und das zweite Mal betrifft es die letzten fünf Takte dieses Satzes mit den Worte „ewige Freude“, wobei dieses Mal der vollständiger Akkord B-Dur am Ende im Takt 336 erklingt (vgl. Ickstadt 2007: 149). Nach Ickstadt (2007) heißt es, dass der Hinweis auf die Verheißung von Geduld ihre Erfüllung am Ende findet (vgl. Ickstadt 2007:149). In den letzten fünf Takten dieses Satzes setzen die Stimmen in p. dim. ein, um eine erleichterte Freude, die von der Ruhe, die man nur im Jenseits findet, darzustellen. Die Seligkeit, die Geduld und die Freude sind dadurch verbunden. Ickstadt (2007) meint dazu, dass es auch denkbar wäre, dass diese Satzweise in Terzen auch eine Beziehung zum Kernmotiv haben könnte (Ickstadt 2007: 154). Eine andere Stelle, die auch mit der Satzweise zu tun hat, befindet sich im ersten Satz in den Takten 104-106. Dort steht die Musik im Teil A´´ (siehe Abb. 2. S. 13). An der gemeinten Stelle verzichtet Brahms auf den Bass im Chor und lässt die anderen Stimmen singen. Der Tenor gestaltet das Kernmotiv und der Text „selig“ wird vorgetragen. Ein Mittel, um die Seligkeit bzw. das Himmlische zu übertragen, beruht auf den Verzicht der tiefen Stimmen, da sie mit der Erde und dem Menschlichen assoziiert werden. Die Stelle hat aber auch eine strukturelle Funktion, im Beginn des A´´ Teiles erklingt zuerst vom ganzen Chor gesungen das Wort „selig“ in Des-Dur. Danach kommt die gemeinte Stelle ohne Sopran und dort wird die Modulation in der Originaltonart durchgeführt. Indem sich der Eindruck einer statischen Musik ergibt, hebt sich diese Stelle hervor und erst alsbald F-Dur erreicht wird, schreitet die Musik wieder fort. Diese Stelle ist einmalig im ersten Satz und die Art und Weise, wie Brahms sie gestaltet, hebt sich nicht umsonst akustisch hervor. Im siebten Satz wird erneut auf die Satzweise Bezug genommen, indem die vom Chor vorgetragenen Worte „Ja der Geist spricht, dass sie ruhen von ihrer Arbeit“ 69 (siehe S. 25) nicht vom ganzen Chor gesungen, sondern teilweise ohne Sopran bzw. ohne Damenstimmen vorgetragen werden. Dieses Verfahren geschieht zwischen den Takten 40-48 und wie im 5. Satz werden (siehe S. 20) die Macht aber auch die Nähe zum Menschen dieses Geistes durch die Stimmen des Chores dargestellt. Die Stimmen singen unisono, was die Deutlichkeit der Nachricht Gottes hervorhebt. Darüber hinaus wird damit die Ruhe aber auch die Macht Gottes repräsentiert. Diese Art und Weise der Vertonung kommt ein zweites Mal zwischen den Takten 76-83 vor. Bei der zweiten Erscheinung dieses Geschehens werden die Vermutungen des ersten Males bestätigt. Im Takt 76 lässt Brahms nur die tiefen Stimmen einsetzen d.h. Alt und Bass, welche die Worte „Ja der Geist spricht“ vertonen. Für die Fortsetzung des Satzes „dass sie ruhen“ setzen die Chorstimmen ohne Bass ein. Der Bass Einsatz wird dann reserviert für die Wiederholung des Satzes „Ja der Geist spricht“. Das Ganze wirkt sehr malerisch und zeigt, wie stark gewisse Momente der Komposition durch die korrekte Behandlung musikalische Elemente hervorgehoben werden können. In Folge wird nun auch der rhythmische Aspekt näher betrachtet. In diesem Sinne wird hier eine besondere Stelle, die eine prägende Rolle im Hinblick auf die Betonung der Nachricht des Satzes spielt, ausgewählt. Wie oben schon erklärt, könnte diese musterhafte Analyse als Auftakt für eine weitere Arbeit, die auf den Parameter Rhythmus fokussiert, dienen. Im dritten Satz basiert zwischen den Takten 1-104, sprich den Teilen A-B-A (siehe S. 17), die Gestaltung der musikalischen Szene auf eine Abwechslung zwischen Solo und Chor. Dieser ständig intendierte Rollenwechsel begünstigt die Umsetzung einer malerischen Funktion, die in diesem Fall durch den Rhythmus zustande kommen wird. Der erste Teil dieses Satzes gestaltet die Verzweiflung, die Angst, die Hoffnungslosigkeit des Menschen angesichts des irdischen Lebens. Weiters stellt 70 der Mensch die Nichtigkeit seines Lebens gegenüber Gottes dar. Unter diesem Aspekt sucht er Hilfe bei Gott und hofft den Sinn des Lebens zu finden (siehe S. 47). Zwischen den Takten 1-16 singt der Solist folgende Worte „Herr, lehre doch mich, daß ein Ende mit mir haben muß, und mein Leben ein Ziel hat, und ich davon muß“. Wie im ersten Satz lässt Brahms in diesen ersten Takten die Violinen pausieren. Die Hörner haben eine Funktion als harmonische Stütze indem sie orgelpunktartig abwechselnd die Tonika oder die Dominante spielen. Die Begleitung ist daher ruhig und bescheiden. Die Pauke aber verleiht der Musik durch den Wirbel in jedem zweiten Takt auf dem zweiten Schlag eine Unruhe, die die Einmaligkeit dieses Satzes unterstreicht. Brahms war sich dabei bewusst, dass die Wiederholung eines Textes eine gewisse Steigerung des Gesagten in sich enthält daher lässt er die Geigen, wenn der Chor die gleichen Worte, die vom Solisten vorgetragen wurden, übernehmen, mit einer Synkope einsetzen. Dieser Effekt intensiviert die Verzweiflung und die Unruhe, die im Text dargestellt ist. Die Synkope wird dann in anderen Stimmen konsequent durchgeführt, sodass sie immer präsent ist. Zudem intensiviert sich der Wirbel der Pauke, indem er jetzt in jedem Takt und nicht umsonst niemals auf dem Schlag aber gegen ihn vorkommt. Neu sind die Trompeten, sie wechseln mit den Hörnern zusammen immer noch zwischen Tonika und Dominante aber mit einem besonderen Unterschied im Vergleich zu den vorigen Takten. Jetzt kommt eine rhythmische Komponente dazu, obwohl in pp vorgetragen, dienen diese fanfarenartigen Töne als Brücke zwischen den Sätzen und als Bestätigung des vorher Gesagten. Dieses Phänomen soll in der folgenden Abbildung graphisch hervorgehoben werden: 71 Abb.34: Brahms deutsches Requiem. Rhythmus. Dritter Satz Takte 23-32. Eigene Markierung (2015). Im Teil B im Takt 33 steht die Musik kommend von der V. Stufe von D-moll in BDur geschrieben. Diese Tonart wurde mittels eines Trugschlusses oder in der Figurenlehre genannt Ellipsis (siehe S. 48) erreicht. An dieser Stelle setzen die Holzbläser ein. Auffällig ist, dass das sogenannte Endlichkeitsmotiv (vgl. Kross 1997: 527) von den Streichern und Flöten vorgetragen wird. Im Takt 39 führen die Streicher ein neues rhythmisches Modell auf, nämlich eine Triole. Ab diesem Zeitpunkt wird die Rhythmik immer eindringlicher und markanter. Im Takt 48, wo der Chor wieder einsetzt, begleiten die Streicher in Triolen, darunter sogar mit einer Suspiratio Figur. Die dramatische Ebene nimmt weiter zu. 72 Im Takt 54 intonieren die Holzbläser das Endlichkeitsmotiv und die Triolen werden in den Takten 54-55 kontinuierlich, ohne Pause, in den Streichern gestaltet. Nachdem mittels einer Auxesis (siehe S. 49) im Takt 62 der Höhepunkt erreicht wird, löst sich die Begleitung in Triolen mit dem Wort „nichts“ (siehe Aposiopesis S. 44) auf. Bei der Wiederkehr des A Teiles ab Takt 66 führen die Streicher eine Begleitung in pizzicato mit dem rhythmischen Merkmal, dass sie nur auf dem zweiten Schlag jedes Taktes auftreten, aus. Damit wird die schwere Last des Gehens durch das Leben (Handlung des Textes) gestaltet. Die Pauke wird intensiver, da der Wirbel, obwohl in pp, ununterbrochen fortgesetzt wird. Im Takt 85 treten die Streicher wieder auf dem ersten Schlag auf und zwar durch die Bratschen, sie gestalten ein tremolo, das zusammen mit den pizzicati auf dem zweiten Schlag des Taktes der restlichen Streicher erklingt. Dieser Klang nimmt bis Takt 92 ab und plötzlich erklingt, um die dramatische Konstellation des Satzes zu unterstreichen, im Takt 93 ein orchestrales Tutti mit dem Endlichkeitsmotiv. Dort treten die Triolen wieder auf und werden bis Takt 101 durchgeführt. Bemerkenswert ist auch das ausgeschriebene ritenuto ab Takt 97 bis Takt 102. In folgender Abbildung wird die Intensivierung dieses Rhythmus innerhalb des beschriebenen Teiles gezeigt: 73 Abb.35: Brahms deutsches Requiem. Rhythmusanalyse. Dritter Satz. Eigene Markierung (2015). 74 6. Schlussfolgerungen Bevor ich mich mit der Verfassung dieser Arbeit beschäftigte, war das Deutsche Requiem von Johannes Brahms ein für mich unerforschtes Terrain. Selbstverständlich war mir die Bedeutung dieses umfassenden Werkes bewusst, doch hielt mich diese Immensität auch davon ab mir das Werk näher anzusehen. Als ersten Annäherungsversuch an das Werk bediente ich mich einer formalen Analyse. Und bereits an dieser Stelle kristallisierten sich einige komplizierte Stellen heraus. Obwohl mir die Schriften von Bolin (2004), Krummacher (1984), Nowak (1984) und Kross (1997) ein nützliches Instrument zur Dechiffrierung von Brahms Werk dienten, war ich stets mit dem Gefühl konfrontiert, dass eine systematische formale Gliederung der Sätze nicht vorhanden war. Aus dieser Erkenntnis ist das erste Kapitel entstanden, indem eine klare Darstellung der Ideen in diesem Werk bezeichnet und präsentiert worden sind. Ein wichtiger Teil war auch die Analyse des Textes. In einem ersten Stadium wirkte dieser wie eine Collage, aber nach intensivem Studium hat dieses Bild eine organisierte, genau ausgesuchte Struktur ergeben. In diesem Sinne hat die Deutung der verschiedenen Textstellen dazu beigetragen, die intendierte Rolle der SolistInnen aber auch die Hauptidee des Werkes, als ein Requiem nicht für die Toten aber für die Lebenden, zu verstehen. Mit diesem neuen Verständnis hat sich das Bild des ganzen Werkes geändert und ab diesem Punkt begann die Auseinandersetzung mit der Figuren der Rhetorik in diesem Werk. Die Suche nach Stellen, bei denen die Musik und der Text auf eine rhetorische Weise verbunden sind, kann sehr subjektiv werden. Mir war von Anfang an klar, dass die Vorstellungskraft eines analytischen Kopfs eine Begründung finden kann, um viele musikalische Phänomene unter den Deckmantel der Figurenlehre zu geben. Daher habe ich bewusst auf eine Auflistung potenzieller Figuren in dieser Arbeit verzichtet und nur jene Figuren, die eine enge Beziehung zum Text und dem allgemeinen Zusammenhang haben, zitiert und analysiert. 75 Bei der Auswahl dieser Figuren lernte ich, das Requiem wie einen Film zu betrachten, d.h. ein besonderer Rhythmus, eine auffällige melodische Linie, eine ungewöhnliche Stimmführung usw. waren schon verdächtig, um sie als Figuren zu benennen. In einer ersten Ebene wurden viele Stellen in Betracht gezogen aber danach entstanden weitere Kriterien, die als ein Sieb dienten, um eine feinere aber auch korrektere Auswahl zu treffen. Zu diesen Kriterien zählen die Bedeutung der Hervorhebung des Textes durch die Musik, wie auch die Relevanz der betroffenen Stellen innerhalb des entsprechenden Satzes, aber auch innerhalb des gesamten Werkes und zu guter Letzt, ob die gemeinte Idee wiederkehrend ist oder nur einmal vorkommt. Natürlicherweise sind durch diese Suche andere auffällige und erwähnenswerte Verfahrensweisen, die nicht in die Kategorie der Figurenlehre passen, entdeckt worden. Daher habe ich sie überblicksmäßig im letzten Kapitel dieser Arbeit angeführt. Die genauere Auseinandersetzung mit diesen Phänomenen wäre jedoch umfangreicher Inhalt einer weiteren wissenschaftlichen Arbeit. Zu diesen Phänomenen zählen beispielsweise das Kernmotiv, die rhythmische Besonderheiten und die Wiederkehr von Figuren, die mit anderen Aspekten zusammenklingen. All diese Elemente stehen in Interaktion zueinander und die Gesamtheit dieser Einzelheiten erlaubt schließlich eine komplexe Interpretation des Werkes. Der Sinn einer Analyse eines bestimmten Werkes muss stets zielgerichtet im Zusammenhang mit der Umsetzung in die Praxis stehen. Mit diesem Motto im Hinterkopf bin ich mit jedem musikalischen Element des Werkes umgegangen. 76 7. Quellenverzeichnis 7.1 Primärliteratur BRAHMS, Johannes. Ein deutsches Requiem für Soli, Chor und Orchester op. 45. Studienpartitur PB 3814 Breitkopf & Härtel. Wiesbaden. Leipzig. Paris 1987. BEETHOVEN, Ludwig van. Symphonie No 6 in F Dur ``Pastorale´´ op. 68. TP 906. Bärenreiter. Kassel. Basel. London. New York. Prag. 2004. 7.2 Sekundärliteratur BECKER, Heinz. Kapitel Brahms als Musikforscher. In: Becker Heinz, Brahms (The New Grove. Die großen Komponisten). Stuttgart, 1993. 175-180. BERNHARD, Christoph. Tractatus compositionis augmentatus; Ausführlicher Bericht vom Gebrauche der Con-und Dissonantien. Hrsg. Von Joseph M. Müller-Blattau, in: Die Kompositionslehre Heinrich Schützens in der Fassung seines Schülers Christoph Bernhard. Leipzig 1926; 2. 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S. 13. Abb.4: ERAZO, Daniel. Brahms deutsches Requiem. Form zweiter Satz. Graz 2015. S. 13. Abb.5: ERAZO, Daniel. Brahms deutsches Requiem. Form dritter Satz. Graz 2015. S. 15. 80 Abb.6 ERAZO, Daniel. Brahms deutsches Requiem. Form vierter Satz. Graz 2015. S. 17 Abb.7: ERAZO, Daniel. Brahms deutsches Requiem. Form fünfter Satz. Graz 2015. S. 19. Abb.8: ERAZO, Daniel. Brahms deutsches Requiem. Form sechster Satz. Graz 2015. S. 21. Abb.9: ERAZO, Daniel. Brahms deutsches Requiem. 7er.Satz Takte 18-21. Graz 2015. S. 23. Abb.10: ERAZO, Daniel. Brahms deutsches Requiem. Form siebter Satz. Graz 2015. S. 24. Abb.11: BRAHMS, Johannes. Ein deutsches Requiem für Soli, Chor und Orchester op. 45. Studienpartitur PB 3814 Breitkopf & Härtel. Wiesbaden. Leipzig. Paris 1987. S. 38. Abb.12: BRAHMS, Johannes. Ein deutsches Requiem für Soli, Chor und Orchester op. 45. Studienpartitur PB 3814 Breitkopf & Härtel. Wiesbaden. Leipzig. Paris 1987. S 39. Abb.13: BRAHMS, Johannes. Ein deutsches Requiem für Soli, Chor und Orchester op. 45. Studienpartitur PB 3814 Breitkopf & Härtel. Wiesbaden. Leipzig. Paris 1987. S. 40. Abb.14: BRAHMS, Johannes. Ein deutsches Requiem für Soli, Chor und Orchester op. 45. Studienpartitur PB 3814 Breitkopf & Härtel. Wiesbaden. Leipzig. Paris 1987. S. 41. Abb.15: BRAHMS, Johannes. Ein deutsches Requiem für Soli, Chor und Orchester op. 45. Studienpartitur PB 3814 Breitkopf & Härtel. Wiesbaden. Leipzig. Paris 1987. S. 43. 81 Abb.16: BRAHMS, Johannes. Ein deutsches Requiem für Soli, Chor und Orchester op. 45. Studienpartitur PB 3814 Breitkopf & Härtel. Wiesbaden. Leipzig. Paris 1987. S. 44. Abb.17: BRAHMS, Johannes. Ein deutsches Requiem für Soli, Chor und Orchester op. 45. Studienpartitur PB 3814 Breitkopf & Härtel. Wiesbaden. Leipzig. Paris 1987. S. 47. Abb.18: BRAHMS, Johannes. Ein deutsches Requiem für Soli, Chor und Orchester op. 45. Studienpartitur PB 3814 Breitkopf & Härtel. Wiesbaden. Leipzig. Paris 1987. S. 48. Abb.19: BRAHMS, Johannes. Ein deutsches Requiem für Soli, Chor und Orchester op. 45. Studienpartitur PB 3814 Breitkopf & Härtel. Wiesbaden. Leipzig. Paris 1987. S. 49. Abb.20: BRAHMS, Johannes. Ein deutsches Requiem für Soli, Chor und Orchester op. 45. Studienpartitur PB 3814 Breitkopf & Härtel. Wiesbaden. Leipzig. Paris 1987. S. 51. Abb.21: BRAHMS, Johannes. Ein deutsches Requiem für Soli, Chor und Orchester op. 45. Studienpartitur PB 3814 Breitkopf & Härtel. Wiesbaden. Leipzig. Paris 1987. S. 52. Abb.22: BRAHMS, Johannes. Ein deutsches Requiem für Soli, Chor und Orchester op. 45. Studienpartitur PB 3814 Breitkopf & Härtel. Wiesbaden. Leipzig. Paris 1987. S. 54. Abb.23: BRAHMS, Johannes. Ein deutsches Requiem für Soli, Chor und Orchester op. 45. Studienpartitur PB 3814 Breitkopf & Härtel. Wiesbaden. Leipzig. Paris 1987. S. 56-57. Abb.24: ERAZO; Daniel. Brahms deutsches Requiem. Kernmotiv. Graz 2015. S. 59 Abb.25: ERAZO; Daniel. Brahms deutsches Requiem. Kernmotiv Permutationen.. Graz 2015. S. 60. 82 Abb.26: BRAHMS, Johannes. Ein deutsches Requiem für Soli, Chor und Orchester op. 45. Studienpartitur PB 3814 Breitkopf & Härtel. Wiesbaden. Leipzig. Paris 1987. S. 61. Abb.27: BRAHMS, Johannes. Ein deutsches Requiem für Soli, Chor und Orchester op. 45. Studienpartitur PB 3814 Breitkopf & Härtel. Wiesbaden. Leipzig. Paris 1987. S. 61. Abb.28: ERAZO; Daniel. Brahms deutsches Requiem. Kernmotiv. Dritter, vierter und fünfter Satz. Graz 2015. S.61. Abb.29: BRAHMS, Johannes. Ein deutsches Requiem für Soli, Chor und Orchester op. 45. Studienpartitur PB 3814 Breitkopf & Härtel. Wiesbaden. Leipzig. Paris 1987. S. 62. Abb.30: BRAHMS, Johannes. Ein deutsches Requiem für Soli, Chor und Orchester op. 45. Studienpartitur PB 3814 Breitkopf & Härtel. Wiesbaden. Leipzig. Paris 1987. S. 62. Abb.31: BRAHMS, Johannes. Ein deutsches Requiem für Soli, Chor und Orchester op. 45. Studienpartitur PB 3814 Breitkopf & Härtel. Wiesbaden. Leipzig. Paris 1987. S. 63. Abb.32: ERAZO; Daniel. Brahms deutsches Requiem. Motiv. Zweiter Satz Takte 203 und 206. Graz 2015. S.64. Abb.33: ERAZO; Daniel. Brahms deutsches Requiem. Motiv. Fünfter, sechster, siebter Satz. Graz 2015. S.65. Abb.34: BRAHMS, Johannes. Ein deutsches Requiem für Soli, Chor und Orchester op. 45. Studienpartitur PB 3814 Breitkopf & Härtel. Wiesbaden. Leipzig. Paris 1987. S. 70. Abb.35: BRAHMS, Johannes. Ein deutsches Requiem für Soli, Chor und Orchester op. 45. Studienpartitur PB 3814 Breitkopf & Härtel. Wiesbaden. Leipzig. Paris 1987. S. 72. 83 I. Anhang I.I Text I. Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden (Matthäus 5,4). Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten. Sie gehen hin und weinen und tragen edlen Samen, und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben (Psalm 126,5.6.). II. Denn alles Fleisch, es ist wie Gras und alle Herrlichkeit des Menschen wie des Grases Blumen. Das Gras ist verdorret und die Blume abgefallen (1. Petrus 1, 24). So seid nun geduldig, lieben Brüder, bis auf die Zukunft des Herrn. Siehe, ein Ackermann wartet auf die köstliche Frucht der Erde und ist geduldig darüber, bis er empfahe den Morgenregen und Abendregen (Jakobus 5, 7). Aber des Herrn Wort bleibet in Ewigkeit (1. Petrus 1, 25). Die Erlöseten des Herrn werden wiederkommen, und gen Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird weg müssen (Jesaja 35, 10). III. Herr, lehre doch mich, daß ein Ende mit mir haben muß, und mein Leben ein Ziel hat, und ich davon muß.Siehe, meine Tage sind einer Hand breit vor dir, und mein Leben ist wie nichts vor dir.Ach, wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben. Sie gehen daher wie ein Schemen, und machen ihnen viel vergebliche Unruhe; sie sammeln und wissen nicht wer es kriegen wird. Nun Herr, wes soll ich mich trösten? Ich hoffe auf dich. (Psalm 39, 5-8) 84 Der Gerechten Seelen sind in Gottes Hand und keine Qual rühret sie an. (Weisheit 3, 1) IV. Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr Zebaoth! Meine Seele verlanget und sehnet sich nach den Vorhöfen des Herrn; mein Leib und Seele freuen sich in dem lebendigen Gott. Wohl denen, die in deinem Hause wohnen, die loben dich immerdar! (Psalm 84, 2-3, 5) V. Ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wieder sehen und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. (Johannes 16, 22) Sehet mich an: Ich habe eine kleine Zeit Mühe und Arbeit gehabt und habe großen Trost funden. (Jesus Sirach 51, 35) Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. (Jesaja 66, 13) VI Denn wir haben hie keine bleibende Statt, sondern die zukünftige suchen wir. (Hebräer 13, 14) Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; und dasselbige plötzlich, in einem Augenblick, zu der Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune schallen, und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden. Dann wird erfüllet werden das Wort, das geschrieben steht: Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? (1. Korinther 15, 51-52, 5455) 85 Herr, du bist Würdig zu nehmen Preis und Ehre und Kraft, denn du hast alle Dinge erschaffen, und durch deinen Willen haben, sie das Wesen und sind geschaffen. (Offenbarung 4, 11) VII Selig sind die Toten, die in dem Herrn sterben, von nun an. Ja, der Geist spricht, daß sie ruhen von ihrer Arbeit; denn ihre Werke folgen ihnen nach. (Offenbarung 14, 13) 86