Green Building Leitfaden für nachhaltiges Bauen Michael Bauer Peter Mösle Michael Schwarz Drees & Sommer Stuttgart, Deutschland www.dreso.com ISBN 978-3-642-38296-3 DOI 10.1007/978-3-642-38297-0 ISBN 978-3-642-38297-0 (eBook) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer Vieweg © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2007, 2013 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer VS ist eine Marke von Springer DE. Springer DE ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.springer-vieweg.de Michael Bauer, Peter Mösle, Michael Schwarz Green Building Leitfaden für nachhaltiges Bauen 2. Auflage Inhalt A B Motivation für Green Buildings Anforderungen an Green Buildings Nachhaltigkeit und Energieeffizienz im Blickpunkt der Öffentlichkeit 10 Unterstützende Rahmenbedingungen 12 CO 2-Emissionshandel 13 Zertifizierungssysteme für nachhaltige Gebäude 15 Ganzheitliche Betrachtungsweise bei Green Buildings – Life-Cycle-Engineering 20 B1 Bedarfsgerechtes Design 24 Die Nutzung bestimmt die Konzeption 25 Wohlbefinden und gesundes Raumklima 26 Behaglichkeit und Leistungsfähigkeit 27 Empfundene Temperatur in Aufenthaltsräumen 28 Empfundene Temperatur in Atrien 30 Raumluftfeuchte 32 Luftgeschwindigkeit und Draft-Risk 34 Bekleidung und Aktivitätsgrad 35 Visueller Komfort 36 Akustik 40 Luftqualität 42 Elektromagnetische Verträglichkeit 45 Individueller Eingriff in die Regulierung des Raumklimas 47 B2 Bewusster Umgang mit Ressourcen 50 Energiekennzahlen als Zielwerte für die Planung 51 Fossile und regenerative Energieressourcen 52 Heutige Energiekenngröße – Primärenergieaufwand für die Raumkonditionierung 53 Heizenergieaufwand 54 Energieaufwand für die Trinkwassererwärmung 55 Kühlenergieaufwand 56 Stromaufwand für den Lufttransport 57 Stromaufwand für Kunstlicht 58 Zukünftige Kenngröße – Primärenergieaufwand über den Lebenszyklus eines Gebäudes 59 Kumulierter Primärenergieaufwand von Baumaterialien 60 Nutzungsbezogener Primärenergieaufwand 61 Wasserbedarf 62 C Konzeption, Bau und Betriebsoptimierung von Green Buildings C1 Gebäude 66 Klima 67 Städebauliche Entwicklung und Infrastruktur 69 Gebäudeform und -ausrichtung 71 Gebäudehülle 74 Wärmeschutz und Gebäudedichtigkeit 74 Sonnenschutz 80 Blendschutz 85 Tageslichtnutzung 86 Schallschutz 88 Qualität der Fassadenkonstruktion 90 Gebäudematerial und -ausstattung 92 Raumakustik 94 Smart Materials 97 Natürliche Ressourcen 100 Moderne Werkzeuge 105 C2 Gebäudetechnik 108 Nutzenübergabe 109 Konzeption und Bewertung von Raumklimasystemen 110 Heizung 112 Kühlung 113 Lüftung 114 Energieerzeugung 120 Systeme zu Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung 121 Sonnenenergie 124 Windenergie 126 Geothermie 127 Biomasse 128 C3 Inbetriebnahme und Nachweisführung 130 Erforderliche Verfahren für energieeffiziente Gebäude 131 Blower-Door-Test – Nachweis der Luftdichtigkeit 132 Thermografie – Nachweis des baulichen Wärmeschutzes und der aktiven Systeme 133 Nachweis des Raumkomforts 134 Luftqualität 135 Schallschutz und Schallabminderung 136 Tageslichtqualität und Blendfreiheit 137 Emulation 138 C4 Betriebsbegleitendes Energiemanagement 140 D Nachgefragt – Green Buildings im Detail D1 Dockland in Hamburg 146 D2 SOKA -BAU in Wiesbaden 154 D3 KSK Tübingen 160 D4 LBBW Stuttgart 166 D5 Kunstmuseum in Stuttgart 172 D6 EIB in Luxemburg 178 D7 Nycomed in Konstanz 184 D8 DR Byen in Kopenhagen 190 D9 Drees & Sommer Gebäude in Stuttgart 196 D10 SPIEGEL in Hamburg 202 D11 Roche Bau 1, Basel 214 D12 Deutsche Bank-Türme, Frankfurt 228 Anhang 234 Vorwort Die wesentlichen Herausforderungen der Zukunft sind ein verantwortlicher Umgang mit der Natur, eine umweltfreundliche, ressourcen- und klimaschonende Energieversorgung und ein ausreichender Zugang zu sauberem Trinkwasser. Neben neuen und effizienteren Technologien wird daher der Schwerpunkt auf der Minimierung des Energieund Ressourcenverbrauchs liegen, ohne dabei den Komfort und den Lebensstandard zu verringern. Durch den Bau und den Betrieb von Gebäuden werden weltweit immerhin 17 % des Wasserverbrauchs, 25 % des Holzverbrauchs, 33 % der CO2-Emissionen, 30-40 % des Energie- und 40-50 % des Rohstoffverbrauchs verursacht. In Deutschland werden im Gebäudebereich bis zu 40 % des Primärenergie- und ein wesentlicher Teil des Trinkwasserverbrauchs verursacht. Die Nutzungsdauer von Neubauten und sanierten Gebäuden reicht weit in die Zukunft. Daher beeinflussen diese Gebäude den Energie- und Ressourcenverbrauch in den nächsten 50 bis 80 Jahren maßgeblich. Sie müssen bereits heute zielgerichtet unter energie- und ressourceneffizienten sowie klimaschonenden Prämissen geplant, gebaut und betrieben werden, wenn wir die global formulierten Klimaschutzziele erreichen wollen. In Deutschland fordert zudem die Energiewende hin zu einer regenerativen Energieversorgung, dass unsere Gebäude Energie effizient nutzen und gegebenenfalls einen Beitrag zur Energieversorgung durch eine eigene Energieerzeugung leisten. Neben den Neubauten kommt hier dem Bestand eine wesentliche Rolle zu, da nur durch ein gezieltes Optimieren im Bestand die Klimaschutzziele erreicht werden. Gebäude, die diese Attribute nachhaltig aufweisen, werden Green Buildings genannt. Green Buildings können Niedrigenergiehäuser, Nullenergiehäuser oder Plusenergiehäuser sein. Sie vereinen einen hohen Komfort, eine optimale Nutzungsqualität und einen minimierten Energie- und Ressourcenbedarf unter wirtschaftlichen Bedingungen. Dass diese Gebäude zudem höchsten ästhetischen und architektonischen Ansprüchen genügen können, zeigen die Beispiele, die in diesem Buch vorgestellt werden. Solche Gebäude in einem integrativen Prozess zu planen, erfordert die Bereitschaft aller Beteiligten, die zahlreichen Schnittstellen eher als Nahtstellen der Gewerke zu verstehen, deren Synergien noch lange nicht ausgeschöpft sind. Hierzu wird ein spezielles ganzheitliches Know-how zu den wesentlichen klimatologischen, energetischen, thermischen, aero- und bauphysikalischen Vorgängen einschließlich des Know-hows zu ressourcenschonenden, umweltverträglichen Konstruktionen und Materialien benötigt. Zudem werden moderne Berechnungs- und Simulationswerkzeuge eingesetzt, die die Auswirkungen auf den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes bereits in der Planung detailliert aufzeigen. Die Beispiele in diesem Buch verdeutlichen zudem, dass ein Gebäude nur dann erfolgreich energie- und ressourcensparend betrieben werden kann, wenn – aufbauend auf einem ganzheitlichen Energiekonzept – der Verbrauch im Betrieb konsequent gemessen und optimiert wird. Neben dem Planen, Bau- en und Betreiben von einzelnen Green Buildings zeigt sich vermehrt, dass auch strategische Ansätze gefragt sind, wie man ein ganzes Immobilienportfolio für die Zukunft nachhaltig ausrichtet. Die hierfür neu entstandenen Tätigkeitsfelder werden Energiedesign, Energiemanagement, Life-Cycle-Engineering und Portfolio Sustainability Management genannt. Das Buch basiert auf weitreichenden Praxiserfahrungen der Autoren und deren Kollegen aus der Planung, dem Bau und dem Betrieb von Gebäuden und der strategischen Beratung von Immobilienportfoliobesitzern. Es dokumentiert beispielhafte innovative Lösungen aus der Architektur und der Technik und den zielgerichteten Einsatz von modernen Werkzeugen für die Planung, den Bau, die Betriebsführung und das Managen ganzer Portfolios. Es richtet sich an alle Immobilienbesitzer, Bauherren, Architekten, Planer und Gebäudebetreiber, die einen ressourcenschonenden Umgang mit Energie und Materialien anstreben, und dient als Leitfaden für das Planen, Bauen und Betreiben nachhaltiger und energieeffizienter Gebäude. An dieser Stelle sei den zahlreichen namhaften Bauherren und Architekten herzlich gedankt, für die und mit denen wir in den vergangenen Jahren innovative und attraktive Gebäude planen, realisieren und betreiben durften. Das entgegengebrachte Vertrauen und die gute Zusammenarbeit werden unterstrichen durch die Dokumentation der promi- nenten Bauten mit den Statements der Bauherren und der Architekten. Für die freundliche Geste, einen Beitrag für dieses Buch zu leisten, sei an dieser Stelle besonders gedankt. Wir würden uns freuen, wenn wir mit diesem Buch mithelfen könnten, die Motivation zum Errichten von Green Buildings – als Neubauimmobilie oder saniertes Objekt – zu steigern. Die technischen Lösungen hierfür sind verfügbar und wirtschaftlich umsetzbar. Unser Nachhaltigkeitsansatz geht sogar soweit, dass wir die CO2-Belastung, die bei der Produktion und dem Versand des Buches entstanden ist, durch den Erwerb von CO2-Zertifikaten für CO2-reduzierende Maßnahmen kompensieren. Sie können somit Ihre ganze Energie uneingeschränkt dem Lesen widmen. Tauchen Sie ein in die Welt der Green Buildings, haben Sie Spaß beim Lesen und entdecken Sie Neues, was Sie für Ihre Gebäude nutzen können. Heubach, Gerlingen, Nürtingen Michael Bauer Peter Mösle Michael Schwarz A Motivation für Green Buildings 10 Motivation für Green Buildings Abb. A 3 Landesvertretung in Berlin. Architekten: Petzinka Pink Technologische Architektur ®, Düsseldorf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz im Blickpunkt der Öffentlichkeit Anzahl der wetterbedingten Katastrophen Das menschliche Streben nach mehr Komfort und finanzieller Unabhängigkeit, die Verdichtung der Ballungsräume, die starke Zunahme des Verkehrs und der wachsende Elektrosmog durch neue Kommunikationstechniken führen zu immer größer werdenden Belastungen im unmittelbaren Umfeld jedes Einzelnen. Die Lebensqualität wird eingeschränkt und die Gesundheit belastet. Dies führt, verstärkt durch die häufigen Nachrichten über globale Klimaveränderungen, allmählich zu einem Umdenken in der Gesellschaft. Letztendlich müssen auch die volkswirtschaftlichen Schäden durch Klimaveränderungen von der Gesellschaft getragen werden. Sie lagen aufgrund der steigenden Anzahl von Umweltkatastrophen in den Jahren 1990 bis 2000 um 40 % über der Summe der Schäden in den Jahren 1950 bis 1990. Ohne wirkungsvolle Maßnahmen lassen sich diese zu erwartenden Schäden kaum begrenzen. Trauriger Höhepunkt dieser Entwicklung war sicherlich 2011 die Nuklearkatastrophe in Fukushima in Japan, die sogar die Politik in Deutschland zu einer Kehrtwende weg von der nuklearen hin zu einer regenerativen Energieversorgung veranlasst hat. Auch Unternehmen quer durch alle Wirtschaftszweige erkennen mittlerweile, dass nur ein verantwortungsbewusster Umgang mit Ressourcen langfristig zum Erfolg führt. Nachhaltige, ressourcen- und umweltschonende Lösungen genießen damit mehr und mehr Wertschätzung vor nur vordergründig wirtschaftlich ausgerichteten Lösungen. Neben den gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen begünstigen die in den letzten Jahren stark gestiegenen Energiepreise die Tendenz zur Nachhaltigkeit. Der Ölpreis hat sich in den vergangenen 10 Jahren mehr als verdoppelt, die Steigerung in den Jahren 2004 bis 2006 betrug 25 % jährlich. Unter Berücksichtigung des heutigen Energiepreises und der Preissteigerungen sind daher energiesparende Maßnahmen heute unabdingbar. Ein weiterer Grund für einen bewussten Umgang mit Energie ist die starke Abhängigkeit vom Energie-Import. So müssen in der Europäischen Union über 60 % der erforderlichen Primärenergie importiert werden, Tendenz steigend. Die Abhängigkeit verunsichert die Verbraucher und die Energiepolitik der Länder wird hinterfragt. Mit der Energiewende hat Deutschland nun ein Zeichen gesetzt und möchte diese Abhängigkeit zurückdrehen. Da ohne Energie nichts geht, setzen viele Investoren und Betreiber auf neue Techniken und Ressourcen, um unabhängiger von den globalen Entwicklungen zu werden. Auch in der Immobilienbranche ist ein Umdenken erkennbar. Eigennutzer orientieren sich an nachhaltigen Gebäudekonzepten mit niedrigen Energie- und Betriebskosten bei hohem Komfort, an sozial verträglichen, kommunikationsfördernden, offenen Strukturen und an 14 sonstige Überschwemmung 12 Sturm 10 8 6 4 2 0 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 Abb. A 1 Große wetterbedingte Naturkatastrophen von 1950 bis 2000 M. Bauer et al., Green Building, DOI 10.1007/978-3-642-38297-0_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 2000 Abb. A 2 Nominelle Entwicklung des Rohölpreises seit 1960 11 Nettoimport Rohöl in 1.000 t bauökologisch unbedenklichen, möglichst naturbelassenen Baustoffen. Sie analysieren ihre zu erwartenden Betriebskosten bis zum Rückbau der Gebäude und wirtschaften nachhaltig. Neben den Energie- und Betriebskosten wird mit steigendem Interesse die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz bewertet, da der Leistungsumfang für die Arbeitenden in Europa wächst. Nur wer sich wohlfühlt und gesund ist, kann Leistung in vollem Umfang erbringen. Zwangsläufig steigen so die Ansprüche an den Komfort und an ein gesundheitszuträgliches Umfeld. Aber auch Investoren wissen nachhaltige Konzepte als Vermiet- und Verkaufsargument zu nutzen, da Mieter mittlerweile niedrige Energie- und Betriebskosten und bauökologisch verträgliche Materialien als Entscheidungskriterium heranziehen. Green Buildings bieten stets einen hohen Komfort, ein gesundes Raumklima und setzen auf regenerative Ener- 1 000 000 900 000 800 000 700 000 600 000 500 000 400 000 300 000 200 000 100 000 0 1993 1994 EU (25 Länder) 1995 1996 Deutschland 1997 Frankreich 1998 Italien 1999 2000 Spanien Abb. A 4 Abhängigkeit der Europäischen Union vom Energie-Import 2001 2002 Vereinigtes Königreich 2003 2004 Jahr gien und Ressourcen mit möglichst geringen Energie- und Betriebskosten. Sie werden unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten entwickelt, wobei der gesamte Lebenszyklus des Gebäudes von der Konzeption und Planung über den Bau und Betrieb bis zum Rückbau berücksichtigt wird. Green Buildings basieren daher auf einem ganzheitlichen, zukunftsorientierten Gebäudekonzept. 12 Motivation für Green Buildings Unterstützende Rahmenbedingungen Durch das steigende Interesse der Öffentlichkeit an ökologischen, nachhaltigen Lösungen sind in den letzten Jahren viele Rahmenbedingungen geschaffen worden, die den Einsatz von energiesparenden Techniken, ressourcenschonenden Energiequellen und nachhaltigen Produkten im Immobilienbereich unterstützen. Grundlage einer nachhaltigen Energiepolitik sind hierbei nationale, europaweite und internationale Gesetze, Verordnungen, Normen und Richtlinien, die messbare Standards für die Energieeffizienz von Gebäuden und Anlagen vorgeben. Des Weiteren beschreiben Normen den Mindeststandard für den thermischen Komfort, die Luftqualität und den visuellen Komfort. Europaweit wird derzeit versucht, diese Standards zu vereinheitlichen. Auf internationaler Ebene gibt es jedoch in fast jedem Land eigene Ansätze und Standards, die nicht unmittelbar miteinander vergleichbar sind. Diese Standards werden unterstützt durch gezielte Fördermaßnahmen für aussichtsreiche, aber aktuell noch nicht wirtschaftliche regenerative Techniken. Beispiele in Deutschland sind die Förderung der Photovoltaik, der oberflächennahen Geothermie, der Solarthermie, der Biogasanlagen und der Energiesparmaßnahmen bei der Sanierung von Altbauten. In den aktuellen Gesetzen, Normen und Richtlinien werden bisher jedoch noch nicht alle wesentlichen Gebäudeund Anlagenbereiche behandelt. Vor allem beim Optimieren im Bestand tun sich Gesellschaft und Politik schwer, richtungsweisende Vorgaben für eine zukunftsorientierte Entwicklung im Bestand zu beschließen. Damit bleiben viele, auch maßgebliche Bereiche hinter den Möglichkeiten einer energetischen Optimierung zurück. Zudem liegen die gesetzlichen Grenzwerte für den Energieverbrauch in der Regel unter den Anforderungen für Green Buildings. Die Grenzwerte werden in der Regel so gewählt, dass marktfähige Produkte eingesetzt werden können. Gesetze und Verordnungen werden daher immer hinter den Möglichkeiten des Marktes für maximale Energieeffizienz zurückbleiben. Diese Lücke kann durch vorhandene Ökolabels, Leitfäden und Gütesiegel geschlossen werden, da diese höhere Anforderungen empfehlen können. Die höheren Anforderungen an die Energieeffizienz sind auch dadurch begründet, dass die Gebäude- und Anlagentechnik eine hohe Lebensdauer hat. Somit wirken sich die heutigen Entscheidungen hinsichtlich der CO 2Emissionen langfristig aus. Sie sind daher für die zukünftigen Emissionen maßgeblich. 13 CO 2-Emissionshandel Seit Februar 2005 ist das Kyoto-Protokoll in Kraft, das die globale Menge an emittierten Treibhausgasen einschränken soll. Der Ursprung des Protokolls geht auf das Jahr 1997 zurück. Es bezeichnet ein internationales Klimaschutzabkommen, in dem sich die beteiligten 39 Industriestaaten verpflichten, den Ausstoß klimaschädlicher Gase, wie zum Beispiel Kohlendioxid (CO 2), bis 2012 um insgesamt 5 % gegenüber dem Niveau von 1990 zu senken. Innerhalb der EU beträgt das Reduktionsziel 8 %, in Deutschland 21 %. Wie die Abbildungen A 6 und A 7 zeigen, sind die meisten Weltstaaten noch weit von ihren Zielen entfernt. Weiterführend hat sich die Europäische Union auf die sogenannten 20-20-20-Ziele verständigt. Dabei sollen, bezogen auf die Jahre 1990 bis 2020, 20 % der CO2-Emissionen reduziert, 20 % der Energieeffizienz der Gebäude gesteigert und 20 % der Energieerzeugung durch erneuerbare Energien erreicht werden. Bis 2050 soll der Primärenergiebedarf im Gebäudebestand sogar um 80 % reduziert werden. Mit dem CO 2-Handel soll eine langfristige Korrektur des menschlich erzeugten Treibhauseffekts erreicht werden. Die Umwelt wird dabei als Gut angesehen, dessen Erhaltung durch finanzielle Anreize gesichert werden kann. Die Politik hat erkannt, dass Umweltzerstörung, resultierend aus der Klimaerwärmung, zum einen nur mit volkswirtschaftlichen Methoden vermieden wer- Äquator mehr als 11,0 7,1 bis 11,0 4,1 bis 7,0 0,0 bis 4,0 keine Angaben in t CO2/ Einwohner im Jahr 2010 Abb. A 5 Verteilung der CO2-Emissionen pro Kopf auf die Weltbevölkerung im Jahr 2010 den kann und zum anderen als globales Problem angenommen werden muss. Die Methode des CO 2-Handels verbindet zum ersten Mal nachweisbar Ökologie mit Ökonomie. Wie funktioniert der CO 2-Emissionshandel? Jedem Staat, der das Kyoto-Protokoll ratifiziert hat, wird eine maximale Menge an klimaschädlichen Treibhausgasen zugewiesen. Die zugewiesene Menge entspricht dem maximalen, erlaubten Verbrauch. Bei dem Treibhausgasbudget, das auf dem Jahr 1990 basiert, wird die zukünftige Entwicklung jedes Staats berücksichtigt. Volkswirtschaften, die sich gerade erst im Aufschwung befinden, wie in Osteuropa, wird ein steigender CO 2-Ausstoß erlaubt. Industriestaaten müssen hingegen jedes Jahr mit einem reduzierten Treibhausgasbudget auskommen. In jedem Land werden die so genannten Emissionszertifikate auf der Basis des Zuteilungsgesetzes auf die teilnehmenden Firmen entsprechend ihres CO 2-Ausstoßes verteilt. Sind die CO 2-Emissionen eines Unternehmens geringer als die zugeteilten Emissionszertifikate, zum Beispiel in Folge von CO 2-Emissionsminderungen durch Energiesparmaßnahmen, können nicht benötigte Zertifikate am Markt verkauft werden. Alternativ kann das Unternehmen Zertifikate am Markt zukaufen, falls eigene Minderungsmaßnahmen teurer ausfallen würden. Ebenso können Berechtigungen für Emissionszertifikate erworben werden, wenn Unternehmen in anderen Industrie- oder Entwicklungsländern in nachhaltige Energieversorgungsanlagen investieren. Damit findet Klimaschutz dort statt, wo er zu 14 Motivation für Green Buildings Indien ** Stand 2010 72,17 % Ziel bez. auf 1990 China ** 38,98 % * Kyoto-Protokoll zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert ** Emissionen Stand 2002 Island Australien * 7,93 % 10,00 % 10,24 % 1,00 % Norwegen -55,33 % Ukraine 0,00 % -31,96 % Russland 0,00 % Neuseeland 21,32 % 0,00 % Kroatien * -5,47 % -5,00 % Kanada -6,00 % Japan -6,00 % USA * -7,00 % -41,06 % Rumänien -48,98 % Bulgarien 26,58 % 6,53 % China 17 % -8,00 % Russland 7 % -8,00 % Schweiz -8,00 % -3,70% -8,00 % Monaco * Liechtenstein 0,38 % EU -60,0% -40,0% -20,0% Japan 5 % Indien 4 % 18,34 % -8,00 % -0,58 % -8,00 % -80,0% USA 23 % 14,30 % 0,0% 20,0% Deutschland 3 % 40,0% 60,0% 80,0% Abb. A 6 Reduktionsziele, vereinbart im Kyoto-Protokoll und Ist-Stand der CO2-Emissionen für die größten globalen Verbraucher 2008: Anzahl Menschen: 6,5 Mrd Ökologischer Fußabdruck der Welt: 1,41 gha/Person Ökologischer Fußabdruck von Deutschland: 2,31 gha/Person Ökologischer Fußabdruck von Europa: 2,58 gha/Person Abb. A 8 Verteilung der CO2-Emissionen auf die Weltstaaten im Jahr 2010 2050: Anzahl Menschen: 9 Mrd Zielwert ökologischer Fußabdruck: 0,7 gha/Person 2050 Abb. A 7 Die ökologische Belastung, dargestellt durch den ökologischen Fußabdruck, übersteigt die Biokapazität der Erde diese Belastung zu regenerieren. Nur duch Minderung der Belastung kann man wieder ins Gleichgewicht kommen. den geringsten Kosten verwirklicht werden kann. In Deutschland besteht in der ersten Phase ausschließlich für Betreiber von großen Energieanlagen, mit einer Feuerungswärmeleistung über 20 Megawatt, sowie von energieintensiven Industrieanlagen eine Verpflichtung zur Teilnahme am Emissionshandel. Damit sind ca. 55 % des CO 2-Emissionspotenzials direkt am Handel beteiligt. Der Verkehrssektor und der Gebäudesek- übrige 25 EU - Länder 12 % übrige Welt 29 % tor sind zurzeit weder privat noch gewerblich in den Handel miteinbezogen. In Europa laufen jedoch bereits erste Anstrengungen, langfristig den Emissionshandel auf alle Bereiche auszuweiten. In anderen, kleineren europäischen Ländern wie Lettland und Slowenien nehmen bereits jetzt Anlagen mit kleineren Wärmeleistungen am Emissionshandel teil. Dies ist ausdrücklich in der Emissionshandelsrichtlinie als »Optin«-Regelung erlaubt. Die Beurteilung und Finanzierung von Gebäuden auf der Basis ihres CO 2-Marktwerts wird damit in naher Zukunft auch die Immobilienbranche erreichen. Eine mögliche Plattform für den gebäudebezogenen Emissionshandel steht mit der EU -Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz und mit der Ausstellungspflicht des Energieausweises bereits zur Verfügung. Neben dem CO2-Fußabdruck gibt es auch noch andere Bewertungsansätze für den Klimaschutz. In Abb. A7 ist ein Bewertungsansatz auf Basis eines ökologischen Fußabdrucks und der noch vorhandenen Biokapazität der Erde dargestellt. Unser Planet Erde besitzt nur eine begrenzte Biokapazität, um die Schadstoffe und Ressourcenverbräuche wieder zu regenerieren. Seit den 90iger Jahren übersteigen die globalen Verbräuche die verfügbare Biokapazität. Um die Erde wieder in ein ökologisches Gleichgewicht zu bringen, muss der ökologische Fußabdruck global gesenkt werden. Maßnahmen hierfür sind in Abb. A7 dargestellt. 15 Zertifizierungssysteme für nachhaltige Gebäude Zertifizierungssysteme haben zum Ziel, die Qualität der Nachhaltigkeit von „Grünen Gebäuden“ in ihrer Komplexität zu bewerten und für die höchstes Auszeichnung Best-Practice-Erfahrungen zu verwenden. Anhand der vorgegebenen Benchmarks werden Planung, Bau und Betrieb nachhaltiger Gebäude zertifi- ziert. Mithilfe diverser Kriterien und ihrer Indikatoren können Bauherren und Gebäudebetreiber die messbare Auswirkung auf die Performance ihrer Gebäude exakt ermitteln. Die Kriterien berücksichtigen in der Regel die unterschiedlichen Bereiche des nachhaltigen Bauens, so zum Beispiel die Baulanderschließung, Gesundheit und Umweltschutz, Wassereffizienz, Materialauswahl, umweltfreundliche Innenausstattung, soziokulturelle und ökonomische Qualität. Zudem adressieren sie alle Phasen des Lebenszyklus: Planung, Bauen und Betrieb. Der Zertifizierungsprozess bedeutet System (Herkunftsland) DGNB (Deutschland) BREEAM (Großbritannien)) LEED (USA) Green Star (Australien) CASBEE (Japan) Seit: 2007 1990 1998 2003 2001 Wichtige Bewertungsaspekte und Versionen - Ökologische Qualität - Ökonomische Qualität - Soziokulturelle Qualität - Technische Qualität - Prozessqualität - Standortqualität Zwecke der DGNB-Zertifizierung: Anwendung auf alle Gebäudetypen (Bürogebäude, Hochhäuser, Einfamilienhäuser, Infrastrukturbauten usw.) DGNB für: - Bürogebäude - Bestandsbauten - Handel - Industrie - Portfolios - Schulen Zertifizierungsstufen Bronze Silber Gold - Management - Gesundheit und Behaglichkeit - Energie - Wasser - Material - Standortökologie - Umweltverschmutzung - Transport - Flächenverbrauch BREEAM für: Gerichtsgebäude, Ökohäuser, Bildung, Industrie, Gesundheitswesen, Mehrfamilienhäuser, Bürogebäude, Gefängnisse, Handel - Nachhaltige Standorte - Wassereffizienz - Energie & Atmosphäre - Material & Ressourcen - Innenluftqualität - Innovation & Design LEED für: Neubauten, Bestandsbauten, gewerbliche Innenarchitektur, Roh- und Teilausbau, Quartiersentwicklung, Schulen, Handel - Management - Wohnkomfort - Energie - Transport - Wasser - Material - Flächenverbrauch & Ökologie - Emissionen - Innovation Green Star für: - Bürogebäude – Bestandsbauten - Bürogebäude – Innenausstattung - Bürogebäude – Design Zertifizierung auf Grundlage des Gebäude-UmweltWirkungsgrads BEE=Q/L Q … Qualität (Ökologische Qualität des Gebäudes) Q1 - Innenraum Q2 - Betrieb Q3 - Umwelt L … Loadings (Auswirkungen auf die Umwelt) L1 - Energie L2 - Ressourcen L3 - Material Hauptkriterien: (1) Energieeffizienz (2) Umgang mit Ressourcen (3) Gebäudeumgebung (4) Innenraum Bestanden Gut Sehr gut Exzellent Herausragend LEED Zertifiziert LEED Silber LEED Gold LEED Platin Abb. A9 Vergleich der verschiedenen Zertifizierungssysteme für Nachhaltige Gebäude 4 Sterne:„Best Practice“ 5 Sterne: „Australian Excellence“ 6 Sterne: „World Leadership“ C (schlecht) B B+ A S (exzellent) 16 Motivation für Green Buildings 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Standort Wassereffizienz Zertifiziert Zertifiziert ±3XQNWH Silber ±3XQNWH Silber Gold Gold ±3XQNWH Platin Energie und Atmosphäre Platin 3XQNWH Material und Ressourcen Abb. A10 LEED®-Zertifizierung Innenluftqualität Innovation Qualitätssicherung für Bauherren und Gebäudebetreiber. Das Ergebnis einer Bewertung sollte leicht zu vermitteln, transparent, nachvollziehbar und verlässlich sein. Struktur der Bewertungssysteme Die verschiedenen Aspekte sind in Hauptkategorien eingeteilt wie beispielsweise Energie oder Qualitätsgruppen ökologischer, ökonomischer und sozialer Gesichtspunkte. Für jeden Aspekt gibt es einen oder mehrere Benchmarks, die verifiziert werden müssen, um die Anforderungen zu erfüllen und Punkte zu erhalten. Je nach angewandtem Verfahren werden die einzelnen Punkte entweder addiert oder zuerst gewichtet und dann summiert, um das Endergebnis zu erhalten. Die Anzahl der Punkte wird dann in der Bewertungsskala eingeordnet, die in verschiedene Ebenen eingeteilt ist: Je höher die Punktzahl, desto besser die Auszeichnung. Das System LEED Das amerikanische LEED-System (Leadership in Energy and Environmental Design) beschreibt einen freiwilligen internationalen Standard zur Bewertung von umweltfreundlichen Gebäuden (Abb. A11). Es wurde vom U.S. Green Building Council entwickelt. Seit 1998 am Markt, ist es heute das weltweit am weitesten verbreitete Zertifizierungssystem. Für die Nutzungsart „LEED New Construction and Major Renovation“ sind die Einzelkriterien in sieben Kategorien unterteilt: • Kategorie1:SustainableSites(Standort und Außenraum) • Kategorie2:WaterEfficiency(Wasserbedarf während der Nutzung) • Kategorie3:Energy&Atmosphere (Energiebedarf während der Nutzungsphase) • Kategorie4:Materials&Resources (verwendete Baumaterialien) Kategorie 5: Indoor Environmental Quality (Gesundheit und Behaglichkeit) • Kategorie6:InnovationinDesign Process (Besonderheiten und LEED AP) • Kategorie7:RegionalPriority(Förderung lokaler, umweltrelevanter Aspekte) LEED besitzt keine hohe Anzahl von Systemvarianten. Um jede Art von Immobilie auszeichnen zu können, darf die Variante „New Construction and Major Renovation“ für jede Nutzungsart angewandt werden. Für viele Anwendungen ist dies jedoch nicht zielführend, da der Kriterienkatalog eher auf den Anforderungen von Bürogebäuden aufgestellt wurde. Generell sind acht Mindestanforderungen zu beachten, die in allen Fällen für eine Zertifizierung einzuhalten sind. So sind zum Beispiel Aspekte im Hinblick auf den Energie- und Wasserbedarf des Gebäudes sowie auf die umweltrelevanten Punkte während der Erstellung Abb. A11 LEED®-Struktur 6% 15% Standort 26% Wassereffizienz Energie und Atmosphäre 14% 10% Material und Ressourcen Innenluftqualität 35% Innovation Abb. A12 LEED®-Gewichtung auf der Baustelle zu beachten. Das Zertifikat wird nach Fertigstellung überreicht. Das System BREEAM Das britische BREEAM-System (Building Research Establishment Environmental Assessment Method) ist seit 1990 am Markt und damit das älteste Zertifizierungssystem (Abb. A14). Je nach Nutzungsart (Büro, Wohnen, Retail etc.) werden die Kriterien zusammengestellt und in folgende Kategorien sortiert: • Kategorie1:Management(Prozesse in Planung und Bau) • Kategorie2:Health&Wellbeing (Gesundheit und Behaglichkeit) • Kategorie3:Energy(Energiewährend der Nutzung) • Kategorie4:Transport(Infrastruktur im und zum Gebäude) • Kategorie5:Water(Wasserbedarf während der Nutzung) • Kategorie6:Materials&Waste (verwendete Baumaterialien) 17 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Management Gesundheit und Behaglichkeit Energie Zertifiziert Zertifiziert 30 Punkte Gut 45 Punkte Gut Sehr gut Sehr gut 55 Punkte Exzellent Exzellent 70 Punkte Herausragend Transport Herausragend 85 Punkte Wasser Abb. A13 BREEAM-Zertifizierung Material Abfall Umweltverschmutzung • Kategorie7:LandUse(Inanspruchnahme von Naturraum) • Kategorie8:Pollution(Schadstoffemissionen während der Nutzung) Das BREEAM-System besitzt zum heutigen Stand die vielfältigsten Systemvarianten nach Nutzungsart. Für ausgewählte Kriterien, wie zum Beispiel Energie- und Wasserbedarf, sind Mindeststandards vorhanden. Es gibt eine Variante „BREEAM International“, für die für viele Länder in Europa die Nachweise nach lokalen länderbezogenen Normen erstellt werden können. Das Zertifikat wird nach Fertigstellung des Gebäudes übergeben. Das System DGNB Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) wurde 2007 gegründet. Zusammen mit dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) hat sie das DGNB-Zertifizierungssystem konzipiert und entwickelt (Abb. A16).Das System baut auf die europäische und internationale Normung auf. Dort ist beschrie- ben, dass die Nachhaltigkeit auf den Bereichen „Ökologie“, „Ökonomie“ und „Soziales“ fußt. Neben diesen drei Bereichen werden beim DGNB die übergeordneten technischen Aspekte in der Querschnittskategorie „Technische Qualität“ zusammengeführt. Die prozessbezogenen Kriterien aus Planung, Bau und Betrieb sind in einer eigenen Kategorie „Prozessqualität“ eingeordnet. Die Auszeichnung erfolgt ausschließlich für die Gebäude- und Prozesseigenschaften. Die Standortqualität wird nach DGNB zwar mit einer separaten Note bewertet, diese geht jedoch nicht in die Gesamtauszeichnung ein. Das DGNB-System wurde im Jahr 2009 mit der Systemvariante Neubau Büro in den Markt eingeführt. Die Mindestanforderungen für die Zertifizierung sind in drei Prinzipien unterteilt: • EinhaltunggesetzlicherAnforderungen • JedesKriteriumwirdmiteinerPunkteskala von 1 bis 10 bewertet. Ein Punkt wird vergeben, wenn ein minimaler Wert oder eine minimale Dokumentation erfolgt. Für einige Kriterien Flächenverbrauch und Ökologie Abb. A14 BREEAM-Struktur Management Gesundheit und Behaglichkeit Energie 12% 10% Transport 12% 15% Wasser 7,5% Material 19% 12,5% 6% 8% Abfall Umweltverschmutzung Flächenverbrauch und Ökologie Abb. A15 BREEAM-Gewichtung ist dieser Grenzwert für mindestens eine Zertifizierung einzuhalten. • ZieldesDGNB-Systemsistes,eine hohe Gebäudequalität über möglichst viele Eigenschaften zu erreichen. So ist eine Gesamtauszeichnung mit der ermittelten Gesamtnote nur möglich, wenn die Einzelnoten in allen fünf Qualitätsgruppen nur eine ganze Note geringer sind als die Gesamtnote. Prozessqualität Ökologie Ökonomie Soziale Qualität Ökologische Qualität 22,5% Technische Qualität Prozessqualität Technische Qualität 10% 22,5% Ökonomische Qualität Soziale Qualität 22,5% 22,5% Standortqualität Abb. A16 DGNB-Struktur Abb. A17 DGNB-Gewichtung Abb. A 18 DGNB Zertifizierungen Gold, Silber, Bronze 18 Motivation für Green Buildings 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Gesundheit 33% 67% Bronze Silber Gold Abb. A 19 DGNB-Zertifizierung Das Zertifikat wird nach Fertigstellung des Gebäudes übergeben. Um einem Projektentwickler, Investor oder Bauherrn jedoch schon weit vor der Fertigstellung zu ermöglichen, mit dem Gebäudekonzept zu werben, wird zusätzlich ein Vor-Zertifikat vergeben. Dies kann im Prinzip schon zu Beginn der Planung beantragt werden, da im Wesentlichen unterschriebene Absichtserklärungen des Bauherrn und der Auditoren bei der Zertifizierungsstelle einzureichen sind. Die Gebäudeeigenschaften sowie die Planungs- und Bauprozesse werden innerhalb eines Punktesystems bewertet. MINERGIE ECO® Minergie® ist ein Qualitätslabel für neue und modernisierte Gebäude. Die Marke wird von der Wirtschaft, den Schweizer Kantonen und dem Bund gemeinsam getragen. Zu den Fachpartnern gehören Architekten und Ingenieure sowie Hersteller von Material, Bauelementen und Systemen. Bei Minergie® steht der Komfort der Menschen, die in einem Gebäude wohnen oder arbeiten im Vordergrund. Ein hohes Maß an Komfort wird durch hochwertige Gebäudehüllen und kontinuierliche Lufterneuerung ermöglicht. Das Bewertungsprogramm findet Anwendung auf Wohnhäuser, Mehrfamilienhäuser, Bürogebäude, Schulen, Geschäftsgebäude, Restaurants, Versammlungshallen, Krankenhäuser, Industrie und Lager. Der spezifische Energiebedarf fungiert bei Minergie® als Haupt- Bauökologie Abb. A 20 Minergie ECO® Gewichtung der Vorbewertung (während der Planungsphase) indikator für die Quantifizierung der erforderlichen Gebäudequalität. Der Standard Minergie-P® zeichnet Bauten aus, die einen noch niedrigeren Energiebedarf als Minergie® anstreben. Die Standards Minergie® und Minergie-P® sind Voraussetzung für die Zertifizierung nach Minergie ECO®. Der ECO®Standard ergänzt Minergie® durch die Kategorien Gesundheit und Ökologie. Die Kriterien werden bewertet, indem Fragen zu verschiedenen Aspekten wie Beleuchtung, Lärm, Belüftung, Material, Verarbeitung und Trennbarkeit beantwortet werden. Mindestens 67 % aller relevanten Fragen müssen positiv beantwortet werden. Die Bewertung umfasst zwei verschiedene Phasen: eine Vorbewertung während der Planungsphase (Abb. A20) und die Bewertung während der Bauphase, bei der der Erfolg der zuvor geplanten Maßnahmen verifiziert wird (Abb. A21). Richtlinie über die Energieeffizienz von Gebäuden Eine wichtige Gebäudezertifizierung der EU ist der Energieausweis. Nach der Energiesparverordnung, die Bestandteil der nationalen Bauverordnung ist, ist dieses Zertifikat seit 2007 in Deutschland für Neubauten und Sanierungen Pflicht. In Deutschland definiert die Energiesparverordnung Höchstwerte für den Primärenergiebedarf und den Transmissionswärmeverlust für Gebäude. Diese Höchstwerte sind von der Art und Nutzung des Gebäudes abhängig. 33% 67% Gesundheit Bauökologie Abb. A21 Minergie ECO® Gewichtung während der Bauphase Der Höchstwert für modernisierte Gebäude liegt grundsätzlich 40 % über den für Neubauten geltenden Werten. Die Energiebilanz umfasst über den Transmissionswärmeverlust hinaus die Wärmegewinne durch Sonneneinstrahlung, interne Wärmequellen, Wärmeverlust im Verteilnetz, Speicherung sowie die Primärenergieerzeugung. „Green Building“ ist ein europäisches Programm, dessen Zielwerte 25 % bzw. 50 % unter dem vorgegebenen Primärenergiebedarf liegen. Der Fokus liegt insbesondere auf Nutzgebäuden wie Bürogebäuden, Schulen, Schwimmbädern und Industriegebäuden. CO2-Strategien in der Immobilienbranche Neben Neubauten und Sanierungen besteht auch bei Immobilienportfolios ein erheblicher Bedarf, die wirtschaftlichen und ökologischen Kennwerte zu optimieren. Mit Instrumenten wie 19 Abb. A22 Das Sustainability Management bietet wesentliche Parameter für eine erfolgreiche Portfolio-Strategie Carbon Due Diligence (CDD), Life Cycle Costs (LCC), Heat Map, Zertifikaten im Bestand (z. B. Green Rating) oder Portfolio Sustainability Management können Potenziale für Portfolios oder ausgewählte Einzelobjekte ermittelt werden. Daher wird neben den Kriterien Lage und Rendite auch die Nachhaltigkeit interessant. Bei Nachhaltigkeitsanalysen im Bestand wird der Istzustand der Liegenschaften unter anderem hinsichtlich des CO2-Ausstoßes analysiert: Hierbei wird bei der Ermittlung der Energieverbräuche auch der Nutzer und die Gebäudebewirtschaftungsprozesse in den Vorgang einbezogen. Da sich auch Immobilienfonds immer stärker an ihrer Nachhaltigkeit messen lassen müssen, setzt man auf Transparenz im Immobilien-Portfolio und in Geschäftsberichten. Für den Gebäudebestand und bei jeder Transaktion wird ermittelt, welche CO2-Emissionen wirtschaftlich reduziert werden können. Diese Analyse nennt man Carbon Due Diligence (CDD). Sie zeigt die energetische und nachhaltige Performance eines Gebäudes sowie die erforderlichen Maßnahmen und Kosten zur signifikanten energetischen und nachhaltigen Verbesserung des Gebäudes auf. Im Rahmen der CDD wird untersucht, welche Green-Building-Zertifizierungen möglich sind. Gradmesser für erreichbare energetische und nachhaltige Optimierungspotenziale im Bestand sind der CO2-Fußabdruck und die CO2-Emissionen eines Gebäudes oder eines Portfolios. Darauf aufbauend wird ein Ranking von Immobilienfonds nach den CO2-Emissionen aufgestellt. Um der Komplexität der Liegenschaften gerecht zu werden, gilt es, ganzheitliches Wissen zu Arbeitsprozessen, Bauphysik und Fassadentechnik, Gebäude- und Energietechnik sowie zu Energie- und Facility Management und zu CO2-Bilanzen einzubringen. Die Ergebnisse bilden die Basis des Energie- oder Nachhaltigkeitsmanagements, da sie alle nennenswerten Potenziale aufzeigen. Neben dem Einsatz in Energie- und Nachhaltigkeitsmanagementprozessen hat sich die CDD auch beim An- und Verkauf von Immobilien bewährt. Hier wird – anders als bei einer herkömmlichen Due Diligence – der Schwerpunkt auf die nachhaltige Performance des Gebäudes gelegt. Sie beinhaltet zudem notwendige Maßnahmen und Kosten, um das Gebäude energetisch zu verbessern. Durch die Transparenz kann beim Aushandeln des Kaufpreises die zukünftige nachhaltige Entwicklung des Gebäudes mit bewertet werden, was sowohl für den potenziellen Käufer als auch für den Verkäufer die Investitionssicherheit erhöht. Carbon Due Diligence ist zudem ein Baustein von Portfolio Sustainability Management. Damit können Portfoliobesitzer mit vertretbarem Aufwand eine auf CO2Ausstoß und Nachhaltigkeit basierende Strategie verfolgen und ihre Immobilien gezielt analog zu gesetzlich vorgeschriebenen und freiwilligen Klimaschutzmaßnahmen entwickeln. In die Asset-Strategie integriert, führt dies zu langfristiger Rentabilität. Motivation für Green Buildings Ganzheitliche Betrachtungsweise bei Green Buildings – Life-Cycle-Engineering Green Buildings sind Gebäude jeder Nutzungskategorie, bei denen bewusst mit den natürlichen Ressourcen umgegangen wird. Dies betrifft einen möglichst geringen Eingriff in die Natur, umweltfreundliche und gesundheitlich unbedenkliche Materialien, den Komfort, kommunikationsfördernde Raumlösungen, einen geringen Energiebedarf, den Einsatz von regenerativen Energien, die Qualität und Langlebigkeit der Konstruktion sowie den wirtschaftlichen Betrieb. Um dies zu erreichen ist ein ganzheitlicher, gewerkeübergreifender Ansatz erforderlich, der eine möglichst schnittstellenfreie Bearbeitung von Architektur, Tragwerk, Fassade, Bauphysik, Gebäudetechnik und Energie unter Berücksichtigung von Nutzung und Klima erfordert. Hierfür werden bei der Konzeption und integralen Planung von Green Buildings moderne Planungs- und Simulationswerkzeuge standardmäßig eingesetzt. Sie erlauben neue Konzeptionen, da mittels Simulationen zu Thermik, Strömung, energetischem Verhalten sowie Ökobilanzen Globale Temperaturerhöhung in °C 20 und Lebenszykluskosten bereits während der Planungsphase detaillierte Berechnungen erstellt werden können. Der erreichbare Komfort und die Energieeffizienz können somit im Voraus berechnet werden, wodurch bereits in der Planungsphase eine größtmögliche Sicherheit bezüglich Kosten und Wirtschaftlichkeit erreicht wird. Mit diesen Werkzeugen können Planer von Green Buildings ausgetretene Pfade verlassen und neue Konzeptionen oder neue Produkte entwickeln und einsetzen. Neben den ganzheitlichen Planungsund Bearbeitungsansätzen und der Weiterentwicklung von Produkten und Werkzeugen muss die Nachhaltigkeit so erweitert werden, dass die Planer auch beim Betrieb von Gebäuden Erfahrungen sammeln können. Nur so wird ein konstruktiver Rückfluss in die Gebäudeplanung erreicht, was bis heute bei der klassischen Aufgabenverteilung nicht erfolgt. Dieser Ansatz ist über den Betrieb hinaus bis zum Rückbau zu erweitern, um auch die Recyclingfähigkeit der eingesetzten Baumaterialien 6 a 5 4 3 2 Lüftungsanlage Heizanlage Verglasung Wärmedämmverbundsystem Erdsonde/ Erdwärmetauscher Betontragwerk b 1 0 2000 2020 a: steigende Weltbevölkerung, keine Änderung in der Energiepolitik 2030 2040 b: Stagnation der Weltbevölkerung, nachhaltige Energiepolitik 2080 2100 Jahr Abb. A 23 Lebenserwartung heutiger Bauelemente im zeitlichen Rahmen der möglichen Erhöhungen der globalen Temperaturen im Planungsprozess berücksichtigen zu können. In anderen Industriezweigen wird dies heute bereits gesetzlich eingefordert, in der Baubranche hängt man dieser Entwicklung deutlich hinterher. Aufgrund der steigenden Umweltbelastungen ist jedoch davon auszugehen, dass Nachhaltigkeit mittelfristig auch bei Gebäuden eingefordert werden wird. Der Weg von der sequenziellen zur integralen Planung ist auf Basis einer ganzheitlichen Betrachtungsweise für Gebäude weiterzuführen und in Richtung eines Life-Cycle-Engineering zu entwickeln. Dieser Begriff steht für ein ganzheitliches Planungs- und Beratungs-Know-how, mit dem Konzepte und Planungsentscheidungen stets mit ihren Auswirkungen auf den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes bewertet werden. Durch die langfristige Betrachtungsweise ist ein nachhaltiger Umgang mit allen Ressourcen obligatorisch. Das Life-Cycle-Engineering ist nach Einschätzung der Autoren der ganzheitliche Ansatz, aus dem sich die höchstmögliche Nachhaltigkeit beim Bauen und Betreiben ergibt. Er vereint die positiven Erfahrungen aus der integralen Planung, die vielfältigen Möglichkeiten moderner Planungs- und Berechnungswerkzeuge, die fortlaufende Optimierung im Betrieb und den verantwortungsbewussten Umgang beim Materialien-Rückbau. So entsteht ein Green Building, das mit möglichst geringen Eingriff in die Natur die Nutzerwünsche erfüllt. 21 Kosteneinsparung in €/m² 200 Differenz der jährlichen Lebenszykluskosten eines Green Buildings im Vergleich zu einem Standardgebäude (Kapitalzins, Energie, Instandhaltung, Bedienen, Erneuern) Kosteneinsparung über den Lebenszyklus 150 100 50 Erneuerungsinvestition Haustechnik 0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 Erneuerungsinvestition Gebäudehülle -50 -100 Betrachtungszeitraum in Jahre Gesamtkosteneinsparung in T€ Preissteigerung: Kapital 2% pro Jahr, Energie 5% pro Jahr 500 400 301 302 303 304 401 402 403 404 405 406 407 40 08 409 410 411 300 200 100 0 -100 Jahr 5 Jahr 15 Erneuerungsinvestition 0 2 Wartung / Inspektion Instandhaltung Kapitalzins Energie 80 Jahre Stahlbeton Isolierverglasung g g Wärmedämmverbundsystem y Fassade Dachdämmung g Gaskessel Elektrische Wärmepumpe p p Gedämmte Rohrleitung gen Umwälzp pump pen Heizkörp per Heizdecke Lüft f ungsanlage Kä älte ema aschine e Rückkühlwerke Erdsonden/Erdwärmetauscher MSR-Technik 4 6 8 10 12 14 16 60 Jahre 18 20 22 24 26 28 30 32 ....80... Nutzungsdauer in Jahren Abb. A 24 Kosteneinsparung Green Building contra Standardgebäude – detaillierte Betrachtung über den gesamten Lebenszyklus Betreiber/Mieter Bauausführung Bauherr Betreiber/Mieter Betrieb Planung Bauausführung Bauherr Betreiber/Mieter Vernetzte Planung Betrieb Planung Bauausführung Bauherr emobility Betreiber/Mieter Architekt Architekt Architekt Architekt Fachpl. 1 Fachpl. 1 Life Cycle Engineer Fachpl. 2 Fachpl. 2 Fachpl. 2 Life Cycle Engineerr LebensFachpl. 2 mittel ........ ........ ........ ........ 1970 1990 2005 Abb. A 25 Entwicklung der Planungsmethoden von sequenzieller Methodik hin zur vernetzten Planung Konzeptwissen Betriebswissen Recycling Betrieb Planung Sustainable Engineering Recycling Bauausführung Life - Cycle - Engineering Recycling Betrieb Planung Bauherr Integrale Planung Recycling Sequenzielle Planung 2015 Bau IT Konzeptwissen Betriebswissen B Anforderungen an Green Buildings B1 Bedarfsgerechtes Design