SWR2 ZEITWORT 03.08.2009, 6.45 Uhr 03.08.1778: In Mailand eröffnet das Teatro alla Scala Von Alfred Marquart© Theater, vor allem Opernhäuser, hatten im 18. Jahrhundert, bis weit ins 19. hinein, die Funktion, die heute das Fernsehen hat: Sie boten rasch wechselnde Unterhaltung, d.h. der Bedarf an neuen Werken war stets groß. Geringer hingegen waren die Sicherheitsbedingungen, und weil mit Kerzen beleuchtet wurde, brannten die Häuser hin und wieder ab. So zum Beispiel 1776 das Teatro Regio Ducale in Mailand. Doch die Hauptstadt der Lombardei, damals habsburgisch, sollte nicht ohne ein vergleichbares Opernhaus bleiben, das befand die Kaisern Maria Theresia und ordnete an, ein neues zu bauen. An einem neuen Platz. Dafür wurde eine Kirche eingerissen, die das Veroneser Geschlecht der Scaliger hatte errichten lassen Santa Maria alla Scala hieß sie. Der Architekt Giuseppe Piermarini wurde beauftragt und errichtete das Haus in ganzen 23 Monaten, einen gelb-leuchtenden klassizistischen Bau, der bis heute das Zentrum in der Nähe des Domes mitbestimmt. Wie damals üblich erhielt das neue Theater seinen Namen nach der abgerissenen Kirche – Teatro alla Scala. Daß daraus später das wohl berühmteste Opernhaus der Welt werden sollte, erwartete niemand. Erst mit Giuseppe Verdi sollte das geschehen – bis dahin waren in Italien allein die Häuser in Neapel und Venedig bedeutender. Für die Premiere hatte man eine neue Oper von Christoph Willibald Gluck vorgesehen, aber der hatte keine Zeit und schlug seinen Schüler Salieri vor. So kam dessen „L’Europa riconosciuta“ zum Zuge. Diese Oper wurde übrigens auch nach der gründlichen, vier Jahre dauernden Renovierung des Hauses 2004 wieder gespielt. Der damalige Leiter Riccardo Muti eröffnete die vor allem in der Technik wesentlich veränderte Scala damit. Es sang Diana Damrau. Musik Die Liste der Uraufführungen in der Mailänder Scala ist fast endlos, und es sind nicht die schlechtesten Werke gewesen. Rossini, eigentlich an Neapel gebunden, war wenigstens mit „Ill Turco in Italia“ vertreten, Bellini mit „Norma“, und mit „Nabucco“ ging der Stern Giuseppe Verdis in Mailand auf. Er verstritt sich allerdings mit dem Theater und kehrte erst mit „Otello“ und „Falstaff“ an das Haus zurück. „La Gioconda“ von Ponchielli wurde hier uraufgeführt, Puccini fiel mit “Madama Butterfly“ und siegte postum mit „Turandot“, Umberto Giordano reussierte mit „Andrea Chenier“, und entgegen den Gerüchten über die Fortschrittsfeindlichkeit der Scala wurden hier auch Poulenc, Luciano Berio, Stockhausen und Luigi Nono mit neune Werken präsentiert. Bis heute ist die Scala auch eine Schlangengrube geblieben, unter Silvio Berlusconi werden die Stellen dort auch rein politisch vergeben. Saisoneröffnung ist stets am 7. Dezember (weil der 8., Sant’Ambrogio, der Mailänder Nationalfeiertag ist), und zu dieser apertura kommen die Schönen und Reichen, die man allerdings nicht unbedingt zu den conoscenti, den Kennern, rechnen kann. Für viele ist die wahre Saisoneröffnung erst die zweite Vorstellung, die man auch zu bezahlbaren Preisen besuchen kann. Die neue Saison wird dieses Jahr mit „Carmen“ unter Daniel Barenboim in der Regie von Emma Dante eröffnet werden.