Rahmenplan Patient: Emil K. Geburtsdatum: 22.02.04 Alter zum Zeitpunkt des Therapiebeginns: 2;8 Therapeutinnen: … Zeitraum der Behandlung: 23.10.2006 – 12.02.2007 Geplante Therapieeinheiten: 14 Supervision: … 1 1. Diagnose / Behandlungsstand bei Übernahme Am 08.03.2006 wurde bei E. im Alter von 2;0 der ELFRA (Grimm & Doil, 2000) durchgeführt. Dieser ergab, dass E. zu diesem Zeitpunkt 16 Wörter und keinerlei Wortkombinationen produzierte. Mit der Produktion von weniger als 50 Wörtern und keinen Wortkombinationen im Alter von 2;0 fällt E. in das Late-Talker-Kriterium. Das bedeutet ein erhöhtes Risiko für die Etablierung einer spezifischen Sprachentwicklungsstörung. Mit 3;0 Jahren würde sie als solche diagnostiziert werden können. Aus gegebenen Gründen wurde E. im Rahmen des Late Talker Projekts der Universität Potsdam unter der Leitung von Christina Kauschke am 26.04.2006, 28.06.2006 und 06.09.2006 mit für die Studie zusammengestellten Screenings untersucht. Bei der ersten Untersuchung im Alter von 2;2 wurden das Satzverständnis aus dem SETK II (Grimm, Aktas & Frevert, 2000) geprüft, ebenso das Wortverständnis Nomen und Verben und das Verständnis von W-Fragen aus der Patholinguistischen Diagnostik (Siegmüller & Kauschke, 2005). Nur die Ergebnisse beim Verständnis der W-Fragen wiesen auf eine Störung hin. Seine Spontansprache wird als „nuschelnd“ beschrieben, wobei kaum Konsonanten aber viele Vokalisationen vorkommen. Im Juni wurden E.s Lexika und Grammatikentwicklung mit Teilen der Patholinguistischen Diagnostik wie folgt untersucht: Zunächst wird die Semantik- und Lexikonentwicklung dargestellt.1 Klassifiziert E. Begriffe nach semantischen Feldern, zeigt er in den Bereichen Spielsachen und Kleidung keine Störung, wohingegen Werkzeuge, Obst und Tiere nicht richtig klassifiziert werden und sich insgesamt eine schwere Störung im Bereich der Semantik, hier der Begriffsklassifikation, zeigt. Fast-Mapping ist noch nicht ausgelöst, was in seinem Alter als verzögert anzusehen ist.2 Das expressive Lexikon war sowohl für Verben als auch für Nomen jeweils nicht zu überprüfen. E. zeigte lediglich Nullreaktionen. Die Entwicklung der Grammatik wurde mit dem Verständnis von W-Fragen wiederholend geprüft. Nach wie vor ist E.s Verständnis der W-Fragen gestört. Die Fähigkeiten des Satzverständnisses mit Ausagieren sind bei E. altersgemäß entwickelt. Spontansprachlich nutzt E. im Alter von 2;4 nach wie vor wenige Wörter und keine Wortkombinationen. E. vereinfacht die Silbenstruktur der Wörter und die Komplexität der Lautstruktur sehr. E. nutzt keine Frikative. Die drei Monate später folgende dritte Untersuchung im Rahmen des Late Talker-Projekts brachte die folgenden Ergebnisse. Das Wortverständnis Nomen und Verben wurde wiederholend wie vier Monate zuvor überprüft. Allerdings zeigte er sogar schlechtere Ergebnisse, die aber ebenso im Rahmen des Ratebereichs zu erklären wären. Beim Verstehen 1 2 Der Begriff Lexikon wird im Verständnis von C. Kauschke gebraucht. Vgl. Kauschke, 2006. Mehr dazu im Abschnitt 4.2.1 Übungsbereich: Auslösung des Fast-Mapping-Prozesses. 2 von Sätzen wies E. eine leichte Störung auf. Produktiv konnten keine Leistungen erfasst werden. E. produzierte weder Nomen noch Verben, auch keine Sätze. Nach Aussage der Mutter redete E. zu diesem Zeitpunkt seit einigen Wochen mehr, aber sehr unverständlich. Aus den gegebenen Gründen wurde eine Therapie empfohlen und E. wurde ins interne Praktikum übernommen. Zu Beginn der Therapie wurde am 23.10.2006 ein Screening zum Wortverständnis von Nomen und Verben (Erweitertes Screening für das Wortverständnis Nomen / Verben, Kauschke) durchgeführt. E.s Ergebnisse weisen nach, dass seine rezeptiven Lexika nicht altersadäquat ausgebaut sind. Er zeigte mit 2;7 das Verständnis von 8(20) Nomen und 9(20) Verben, liegt damit aber bei einer Auswahlmenge aus drei Items im Ratebereich. Seine sprachliche Entwicklung ist demnach als verzögert anzusehen und soll im Verlauf der Therapie nochmals mit dem ELFRA überprüft werden. 2. Übergeordnetes Ziel In den folgenden 14 Therapieeinheiten soll bei E. der Wortschatzspurt ausgelöst werden. Dieser bildet die Grundlage für den effektiven und schnellen Aufbau seiner rezeptiven und produktiven Nomen- und Verblexika. Nachfolgend soll er zum Aufbau und der Realisierung von Verb-Argument-Strukturen übergehen. 3. Konzeption der Therapie a) Da die Ergebnisse der Diagnostik eine Verzögerung E.s sprachlicher Kompetenzen zeigen, wird die Therapie sprachspezifisch ausgerichtet sein. Für E. beginnt in diesem Behandlungszeitraum seine erste Therapiephase und es wird erstmals beobachtet, wie E. mit der sprachspezifischen Therapiesituation umgeht. Dabei ist die Therapie an den patholinguistischen Therapieansatz (Siegmüller & Kauschke, 2006) angelehnt. b) Schwerpunkt ist die Arbeit im Bereich Semantik – Lexikon, insbesondere an den rezeptiven und produktiven Lexika, da E.s Wortschatz nicht altersentsprechend entwickelt ist und er mit seinem Leistungsniveau in die Gruppe der Late Talker fällt. Da er bisher auch keine Wortkombinationen nutzt, soll im späteren Verlauf in die Schnittstellentherapie Semantik – Lexikon und Syntax – Morphologie übergegangen werden. Auf dieser Ebene wird ebenfalls in der rezeptiven sowie produktiven Modalität gearbeitet. 3 c) Auf der Ebene Semantik – Lexikon wurden die Therapiebereiche Begriffsbildung und Erwerb und Festigung von Wortformen und Bedeutungen ausgewählt. Der erste Bereich ist notwendig, damit sich weitere sprachliche Begriffsstrukturen etablieren können. In Vorbereitung auf das Erreichen der 50-Wort-Grenze muss an der Begriffsbildung gearbeitet werden. Nach Erreichen dieses ersten Meilensteins, müssen die rezeptiven und produktiven Lexika auf- und ausgebaut werden. Im zweiten Therapiebereich werden sie um weitere Wortformen und deren Bedeutungen erweitert. Die rezeptiven und produktiven Repräsentationen müssen gefestigt werden, so dass E. zukünftig konstant darauf zugreifen kann. In die logisch folgenden Therapiebereiche Strukturierung und Organisation semantischer Repräsentationen, Wortform: Repräsentation und Zugriff sowie Übertrag in die Spontansprache wird zu diesem Zeitpunkt noch nicht übergegangen, da die Anforderungen dieser Bereiche E.s Fähigkeiten überschreiten würden und er sie entwicklungschronologisch noch nicht erworben haben muss. Um den Übergang zu Mehrwortäußerungen zu schaffen, wird nach dem Aufbau insbesondere der Verblexika in die Schnittstellenstherapie Semantik – Lexikon und Syntax – Morphologie übergegangen. Hierbei ist zunächst der Therapiebereich Aufbau des Verblexikons hinsichtlich der Argumentstruktur von Bedeutung und die Therapie wird im Therapiebereich Realisierung von Verb-Argument-Strukturen im Satz fortgesetzt. E. besitzt noch keine Kompetenzen im Bereich der Mehrwortäußerungen. Damit ist er im Vergleich zu seinen Altersgenossen stark verzögert. Mit Hilfe des ersten Therapiebereiches innerhalb der Schnittstellentherapie muss also an E.s Verständnis und Produktion von VerbArgument-Strukturen gearbeitet werden. Der Therapiebereich Realisierung von VerbArgument-Strukturen im Satz wurde gewählt, um die erworbenen Fähigkeiten aus dem vorangegangenen Therapiebereich im Satz anzuwenden. Hierbei beschränken sich die Therapeuten in dieser Therapiephase auf die rezeptive Modalität. Es ist notwendig, dass E. Verb-Argument-Strukturen im Satz erfassen und begreifen kann, um später in die Produktion übergehen zu können. 4. Arbeit in den Therapiebereichen 4.1 Arbeit im Therapiebereich Begriffsbildung 4.1.1 Übungsbereich: Erfahrungsaufbau und Konzeptbildung a) Ziele: E. soll neue Konzepte aufbauen und die Merkmale neuer Begriffe sowie mögliche Auftretenskontexte verinnerlichen. Es sollen sich erste sprachliche Begriffstrukturen 4 etablieren und der Fokus auf den Zusammenhang zwischen Bedeutung und Wortform gelenkt werden. b) Begründung: E. lernt durch explorative Spiele reale Objekte kennen und kann deren Eigenschaften entdecken. Diese Eigenschaften und Merkmale ermöglichen es E., unterschiedliche Objekte in verschiedenen Kontexten voneinander abzugrenzen. Dabei muss E. insbesondere lernen, dass Begriffe mit konventionell festgelegten Wortformen zusammenhängen und konstant genutzt werden, obwohl die Objekte, Situationen und Handlungen, die mit dem Begriff bezeichnet werden sich in verschiedenen Kontexten wieder finden. Diese Tatsache zu begreifen ist die Grundlage für die spätere Arbeit am Aufbau des rezeptiven und nachfolgend des produktiven Lexikons. Das Einführen neuer Begriffe in diesem Übungsbereich ist ein notwendiger, erster Schritt, bevor die Bergriffe dann im nächsten Übungsbereich auf alle Vertreter ihrer jeweiligen Kategorie angewendet werden können. c) Hierarchischer Aufbau: Es wird ein Begriff aus E.s sehr nahem Umfeld eingesetzt, geplant ist ein Objekt aus dem semantischen Feld Obst z.B. Banane. Dabei wird zunächst auf die Eigenschaft essbar eingegangen. Im späteren Verlauf werden dann weitere Merkmale wie gelb und krumm eingeführt um das Gesamtkonzept Banane zu etablieren. d) Methodische Vorüberlegungen: In diesem Übungsbereich wird die Methode der Inputspezifizierung verwendet. Sie wird so angelegt, dass E. den Begriff nach und nach mit seinen Merkmalen und verschiedenen Auftretenskontexten explorativ kennen lernt. 4.2 Arbeit im Therapiebereich Erwerb und Festigung von Wortformen und Bedeutungen 4.2.1 Übungsbereich: Auslösung des Fast-Mapping-Prozesses a) Ziele: E. soll lernen, ein neues unbekanntes Wort auf ein noch unbekanntes Objekt zu beziehen und dass die Beziehung zwischen einem Wort und seiner Bedeutung beständig ist. 5 Bei E. soll der Fast-Mapping-Mechanismus ausgelöst werden. Dieser Mechanismus soll den entscheidenden Anstoß zum Wortschatzspurt geben. b) Begründung: Fast-Mapping ist in der ungestörten Sprachentwicklung ein Mechanismus, der dann einsetzt, wenn ein Kind die 50-Wort-Grenze überschritten hat. Normalerweise sollte dies mit 1;8-2;0 der Fall sein.3 Mit Hilfe von so genannten Constraints ist es den Kindern möglich, neue Wortformen schnell aufzunehmen und zu speichern. Fast Mapping bezeichnet dieses schnelle und effiziente Lernen von rezeptiven und produktiven Wortformen. Dabei wirken unterschiedliche Mechanismen (die Constraints) zusammen: Die grundlegende Strategie verfolgt stets das Ziel einen neuen Namen auf einen noch unbekannten Referenten zu beziehen und somit über diese Kontraste zu lernen. Dabei ist insbesondere der Mutual Exclusivity Constraint von großer Bedeutung, der besagt, dass eine neue Wortform auf das noch unbekannte Objekt bezogen wird, sofern auch ein bekanntes zur Auswahl steht. Ein zweites Label für ein bekanntes Objekt wird demnach zurückgewiesen. Das Lernen von neuen Wortformen für unbekannte Referenten wird demnach erleichtert.4 Da E. für die Arbeit in diesem Übungsbereich die 50-Wortgrenze nun bereits erreicht haben muss, ist nun der effiziente Auf- und Ausbau des rezeptiven und produktiven Lexikons die Grundlage für den weiteren Übergang in die Produktion von komplexeren Strukturen, z.B. Mehrwortäußerungen. Es ist wichtig, ihn in dieser Phase zu unterstützen und ihm durch das Auslösen des Fast-Mapping-Mechanismus helfen, sein Defizit aufzuholen. c) Hierarchischer Aufbau: Objekte können zunächst explorativ erkundet werden, später nicht mehr. Zunächst wird ein bekanntes Objekt benannt, damit die Voraussetzung des bekannten Referenten mit bekanntem Namen sichergestellt ist. Erst dann wird mit Nennen eines Neologismus nach dem unbekannten Objekt gefragt. Später benennt die Therapeutin direkt das unbekannte Objekt mit einem Neologismus, wobei die Item- und Ablenkeranzahl im Verlauf erhöht wird. d) Methodische Vorüberlegungen: In diesem Übungsbereich wird ausschließlich auf die Methode der rezeptiven Übung zurückgegriffen. Es werden Objekte ausgewählt, für die E. noch keinen Namen hat. Diese werden dann bereits bekannten Objekten gegenübergestellt. E. wird aufgefordert das neue 3 4 Vgl. Siegmüller & Bartels (2006). Vgl. Crais (1992) und Rothweiler (1999). 6 Objekt (z.B. die Laafe) aus der Auswahlmenge herauszunehmen. Diese Methode löst bei E. einen generell übergreifenden Mechanismus aus, der es ihm ermöglicht, neue Wortformen auf neue Objekte abzubilden und zu erkennen, dass diese Beziehung exklusiv ist. 4.2.2 Übungsbereich: Aufbau, Erweiterung und Festigung des rezeptiven Wortschatzes a) Ziele: E. soll neue Begriffe rezeptiv erwerben und somit seinen rezeptiven Wortschatz erweitern und ausbauen. b) Begründung: Bei E. muss am Aufbau, der Erweiterung und der Festigung des rezeptiven Lexikons gearbeitet werden, da er dort erhebliche Defizite aufweist. Daher ist es notwendig, in dieser Phase die Entwicklung des rezeptiven Lexikons anzukurbeln und ihn bei der Ausdifferenzierung und Stabilisierung zu unterstützen. Somit wird die Grundlage für den weiteren Übergang in die Sprachproduktion geschaffen. c) Hierarchischer Aufbau: Anfänglich wird sich auf den Auf- und Ausbau des rezeptiven Nomenlexikon beschränkt. Nach und nach wird auch das Verblexikon gerade im Hinblick auf den Übergang zur Schnittstellentherapie mit einbezogen. Zuerst wird auf prototypische Vertreter zurückgegriffen, später auf untypischere. Die Item- und Ablenkeranzahl wird im Verlauf erhöht. d) Methodische Vorüberlegungen: Die spezifische Aufbereitung des Inputs in der Inputspezifikation macht es E. leichter neue Wortformen aufzunehmen und dauerhaft als Repräsentation abzuspeichern. In diesem Übungsbereich wird zunächst auf den Begriff aus dem Therapiebereich Begriffsbildung zurückgegriffen, um, ausgehend von den bereits erfassten Eigenschaften, deren Repräsentation im rezeptiven Lexikon zu gewährleisten. Ergänzend ist eine weitere Durchführung des ELFRA geplant, um Lücken im Lexikon sinnvoll zu schließen und nach einer qualitativen Auswertung des Testverfahrens diejenigen Wortformen für den Übungsbereich zu wählen, die E. noch nicht erworben hat, die vergleichsweise früh erworben werden und die die Lücken in eventuell schlecht ausgebauten semantischen Feldern sinnvoll 7 schließen. Rezeptive Übungen dienen im Anschluss daran der Festigung der neuen Wortformen. 4.2.3 Übungsbereich: Aufbau, Erweiterung und Festigung des expressiven Wortschatzes a) Ziele: E. soll zeigen, dass er die rezeptiv erworbenen Begriffe auch in die Produktion übertragen kann. Die produktiven Wortformen sollen gefestigt und sein expressives Lexikon ausgebaut werden. E. hat die Begriffe rezeptiv erworben und soll nun, um den nächsten Schritt einzuleiten, sie in den expressiven Wortschatz übernehmen. E.s rezeptive und produktive Wortformrepräsentationen sollen so ausgebaut, erweitert und gefestigt werden, dass er zukünftig konstant darauf zugreifen kann. b) Begründung: Am Aufbau, der Erweiterung und der Festigung des expressiven Lexikons muss bei E. gearbeitet werden, weil die eingehenden Diagnostikverfahren eindeutig eine Verzögerung der Sprachentwicklung belegen. Am zweiten Geburtstag wurde E. ein expressives Lexikon von nur 16 Wörtern belegt. Auch die Tatsache, dass E. keine Wortkombinationen nutzt, führen zur Diagnose Late Talker. Die belegten Defizite im Bereich des expressiven Lexikons gilt es zu beheben Die Entwicklung des expressiven Lexikons anzukurbeln und E. bei der Ausdifferenzierung und Stabilisierung der Wortformen zu unterstützen stellt eine Notwendigkeit dar. Besonders der Aufbau des Verblexikons ist wichtig, um in einem späteren Schritt in die Semantik-Syntax-Schnittstelle übergehen zu können und Verben im Satzzusammenhang mit ihren möglichen und obligatorischen Argumenten zu betrachten. c) Hierarchischer Aufbau: Es werden alle Items aus dem vorangegangenen Übungsbereich gewählt. Dabei ergibt sich die gleiche Steigerungsmöglichkeit vom produktiven Nomen- zum produktiven Verblexikon. Zuerst wird auf prototypische5 Vertreter zurückgegriffen, später auf untypischere. Die Itemund Ablenkeranzahl wird im Verlauf erhöht. Ablenkende Aktivitäten werden zum Erreichen eines höheren Automatisierungsgrades hinzugezogen. Weitere Steigerungsmöglichkeiten stellen niedrigerfrequente Wortformen dar, die zudem unterschiedlich phonologisch komplex sein können, z.B. mit gesteigerter Silbenanzahl. 5 Gemeint sind hochfrequente, kinderfreundliche, konkrete und alltagsrelevante Nomen bzw. Verben. 8 d) Methodische Vorüberlegungen: In diesem Übungsbereich werden produktive Übungen und die Methode der Modellierung angewendet. E. wird im Spielkontext, z.B. mit einer nur mit Kindern sprechenden Handpuppe motiviert, die neu erlernten Wörter zu produzieren. 4.3 Arbeit im Therapiebereich Aufbau des Verblexikons hinsichtlich der Argumentstruktur 4.3.1 Übungsbereich: Aufbau vollständiger Informationen von Verben a) Ziele: E. soll Verben zusammen mit ihrem syntaktischen und morphologischen Informationsgehalt erwerben. Dabei steht das Erfassen der Argumentstruktur im Vordergrund. b) Begründung: Zum Übergang in Verständnis und Produktion komplexerer Strukturen muss E. lernen, dass Verben in verschiedenen Handlungskontexten auftreten können und dabei ganze Ereignisse repräsentieren. Es ist wichtig, dass E. den Informationsgehalt von Verben versteht, um sie später zusammen mit ihren Argumenten im Satzkontext erfassen zu können. c) Hierarchischer Aufbau: Das Verb wird zunächst isoliert präsentiert, allerdings wird schnell dazu übergegangen, das Verb im Satzkontext zu verstehen. Dabei wird der Fokus erst auf die Art der geforderten Argumente gelegt, sprich, erfordert das Verb z.B. Nominalphrasen bzw. Präpositionalphrasen. Im weiteren Verlauf wird das Hauptaugenmerk auf die Anzahl der geforderten Argumente gelenkt, dabei werden Verben gegenübergestellt, die sich in ihrer Transitivität unterscheiden und demnach eine unterschiedliche Anzahl von Argumenten fordern. In Anlehnung an den ungestörten Verberwerb werden anfangs hochfrequente Alltagsverben angeboten, später telische und atelische Verben. d) Methodische Vorüberlegungen: Um die grundlegenden Eigenschaften von Verben zu verdeutlichen, werden Inputspezifizierungen in Form von spannenden Geschichten in diesem Übungsbereich im Vordergrund stehen. Diese sollen im Zusammenhang mit späteren rezeptiven Übungen die Strukturen von Verben und deren Auftretenskontexte (welche und wie viel Argumente 9 benötigt das Verb) verdeutlichen und es E. ermöglichen diese Strukturen rezeptiv zu erfassen und dauerhaft abzuspeichern. Um die Unterschiede zwischen Verben darzustellen, wird im letzten Schritt auch auf die Methode der Kontrastierung zurückgegriffen, indem transitive und intransitive Verben direkt gegenübergestellt werden. Somit wird eine Transparenz geschaffen, die es E. ermöglicht, diese grammatischen Bedingungen wahrzunehmen und den Grundstein für den Übertrag in die Produktion zu legen. 4.3.2 Übungsbereich: Verbproduktion a) Ziele: E. soll die im vorangegangen Übungsbereich erworbenen Verben innerhalb eines bedeutungsvollen Handlungskontextes produzieren. Dabei soll die Art und die Anzahl der erforderlichen Argumente berücksichtigt werden. b) Begründung: Hat E. die Verben mit ihrem vollständigen Informationsgehalt rezeptiv erworben, ist es notwendig, dass er sie im Zusammenhang mit der geforderten Anzahl und Art der Argumente in seinen expressiven Wortschatz übernimmt. Auf die Verben muss E. in Zukunft konstant zugreifen können, um die Realisierung der vollständigen Verb-Argument-Strukturen im Satz zu gewährleisten. c) Hierarchischer Aufbau: Die Verben sind auch in diesem Übungsbereich nach ihren Merkmalen geordnet. So werden hochfrequente Verben vor niedrigfrequenten Verben, telische vor atelischen Verben und intransitive vor transitiven Verben angeboten. Diese können anfangs noch isoliert produziert werden. Die Unterscheidung der Verben nach den gegebenen Merkmalen ermöglicht eine stetige Steigerung in den jeweiligen Sitzungen. Der komplexeren Produktion transitiver Verben im Satzkontext geht die Produktion von Zweiwortkombinationen des Typs ObjektVerb als Zwischenstufe voraus. d) Methodische Vorüberlegungen: Auch in diesem Übungsbereich werden die Verben mit ihren unterschiedlichen Merkmalen kontrastiv gegenübergestellt. Um jedoch den Übertrag in die Produktion zu schaffen wird hier primär auf produktive Übungen zurückgegriffen. Durch eine Handpuppe, die nur mit Kindern 10 spricht, soll E. ermutigt werden die Verben zu äußern. Es werden Situationen vorgegeben, in denen E. die Notwendigkeit erkennt, die entsprechenden Verben zu produzieren. Das daraus resultierende Feedback der Handpuppe wird ihn weiterhin motivieren, sich durch Verben und komplexere Satzstrukturen mitzuteilen. 4.4 Arbeit im Therapiebereich Realisierung von Verb-Argument-Strukturen im Satz 4.4.1 Übungsbereich: Verstehen von Verb-Argument-Strukturen im Satz a) Ziele: E. soll im Kontext des Satzes die erworbenen Verben mit ihrer Argumentstruktur verstehen. b) Begründung: Es ist notwendig, dass E. die erlernten Verb-Argument-Strukturen auch innerhalb variabler Satzstrukturen realisiert. Dazu ist es im Vorfeld wichtig, dass E. nicht nur die semantische Struktur von Verben versteht, sondern zusätzlich auch deren syntaktisches Verhalten im Satz erfasst. Rezeptiv müssen die vollständigen Strukturen gefestigt sein, damit E. in die produktive Realisierung im Satz übergehen kann. c) Hierarchischer Aufbau: Die Verben, die E. dargeboten bekommt, werden in ihrer Frequenz sowie ihrer Transitivität variieren. So werden anfänglich hochfrequente und intransitive Alltagsverben in den Satzkontext eingebaut (z.B. Peter schläft.). Im Verlauf werden die Sätze komplexer gestaltet indem transitive Verben und deren Argumentstruktur (Subjekt/ Objekt) dargeboten werden (z.B. Max isst die Banane.). Es wird in den Übungen zunächst darum gehen, eine einzige Konstituente zu verstehen, nämlich das intransitive bzw. transitive Verb. Später wird die Anzahl der zu verstehenden Konstituenten (Subjekt/ Objekt) erhöht. Zusätzlich wird eine Steigerung durch Erhöhung der Satzlänge sowie durch die Erweiterung der Anzahl der Ablenkersätze erreicht. d) Methodische Vorüberlegungen: Der methodische Fokus in diesem Übungsbereich liegt auf den rezeptiven Übungen, in denen sichergestellt werden muss, dass E. alle dargebotenen Konstituenten, sprich, das Verb und dessen Argumente, versteht. Neue Satzstrukturen werden durch Bildkarten dargestellt und durch das sprachliche Angebot der Therapeutin untermauert. Die Methode der Kontrastierung 11 dient auch hier der Gegenüberstellung von transitiven und intransitiven Verben und deren unterschiedlichem syntaktischen Verhalten. 5. Berücksichtigung individueller Aspekte E. hat zwei Geschwister. Seine Eltern sind beide im Lehramt tätig und stehen der Therapie sehr kritisch gegenüber. Es ist daher notwendig alle Vorhaben mit ihnen genau zu besprechen und die Therapie für sie so transparent wie möglich zu gestalten und ihnen alle Schritte zu erläutern. Bei der Therapieplanung sollte berücksichtigt werden, dass E. noch sehr jung und erst seit kurzem in einer Kindergruppe ist. Er ist zunächst etwas schüchtern. Das bedeutet, dass die Therapeutin mit viel Feingefühl und motivierenden Worten und Gesten E. gegenübertreten muss. Die Übungseinheiten sollten nicht kompliziert, aber doch stets interessant gestaltet werden. Die Therapeutinnen müssen sich bei der Planung bewusst sein, dass E. viele Meilensteine des Spracherwerbs noch vor sich liegen hat und ihn dementsprechend die Therapie nicht überfordern darf. Das sprachliche Angebot der Therapeutin muss flexibel, aber nicht zu kompliziert gestaltet werden. Aufgrund seines Alters ist E.s Konzentrationsspanne noch nicht lang genug, dass er komplexe Handlungsstrukturen mit vielen Arbeitsschritten versteht bzw. durchführen kann. Zwischenspiele sollten zur Abwechslung immer eingeplant werden. 12 Literatur Brandt, O.; Ott, S.; Siegmüller, J.: Supervisionskurs SKRIPT. Stand: Wintersemester 2006/2007. Universität Potsdam. Crais, E. (1992). Fast mapping: A new look at word learning. In: R. Chapman (Hrsg.), Processes in language acquisition and disorders. St. Louis: Mosby Vear Book, S. 159-185. Kauschke, C. (2006): Late-Talker-Projekt: Entwicklungswege bei Late Talkern. URL http://www.ling.uni-potsdam.de/~kauschke/index.php?nav=proLT&l=de. mailto:[email protected] - Universität Potsdam. Rothweiler, M. (1999). Neue Ergebnisse zum Fast Mapping bei sprachnormalen und bei sprachentwicklungsgestörten Kindern. In: Meibauer, J.; Rothweiler, M. (Hrsg.) Das Lexikon im Spracherwerb. Münschen: UTB Franke, S. 128-156. Siegmüller, J.; Ott, S. (2006): Reader: Therapie von Sprachentwicklungsstörungen. Manuskript für den Eigengebrauch. Universität Potsdam. Basierend auf: Siegmüller, J.; Kauschke, C. (2006). Patholinguistische Therapie bei Sprachentwicklungsstörungen. München: Elsevier. Siegmüller, J.; Bartels, H. (2006): Leitfaden Sprache, Sprechen Stimme Schlucken. München, Jena: Urban Fischer. 13