3. Wellenleiter 3.1. Allgemeines Bei Wellenleitern handelt es sich um dielektrische Strukturen, die aufgrund ihrer Brechungsindexverteilung in der Lage sind, Licht (theoretisch) verlustfrei über große Distanzen zu führen. Abb. 3.1.1 zeigt einen solchen Wellenleiter. Abbildung 3.1.1: Beispiel für einen Wellenleiter. Ein Material mit hohem Brechungsindex n2 ist von einem Material mit kleinerem Brechungsindex n1 umgeben. Das Licht breitet sich entlang der z-Achse aus. In der xy Ebene besitzt der Wellenleiter eine Brechungsindexverteilung n(x,y), n kann dabei auch komplex sein, wenn absorbierende oder verstärkende Materialien verwendet werden. Das im Wellenleiter geführte Licht ist durch eine Feldverteilung E (x,y) im Querschnitt des Wellenleiters und eine in Richtung des Wellenleiters harmonische Ausbreitung gekennzeichnet. E ( x , y , z ) E 0 ( x , y ) e i ( z t ) (3.1.1) bezeichnet dabei die Ausbreitungskonstante des Lichts. Die Feldverteilung E (x,y) ist nicht beliebig, sondern hängt von der Brechungsindexverteilung n(x,y) und der Ausbreitungskonstanten ab. Die Bestimmung der Feldverteilung und der dazugehörigen Ausbreitungskonstanten ist ein Eigenwertproblem. Dieses ist nur für einfache Strukturen analytisch lösbar (z.B. für den im Folgenden besprochenen Schichtwellenleiter oder für zylindrische Wellenleiter wie Glasfasern). 3.2. Schichtwellenleiter Der einfachste Schichtwellenleiter besteht aus drei Schichten mit unterschiedlichen Brechungsindices n1, n2 und n3. Der Brechungsindex des Wellenleiterkerns (engl. core) muss dabei größer als die Brechungsindices der Mantelschichten (engl. cladding) sein. Im Folgenden setzen wir n1 < n3 < n2 vorraus. Die Ausbreitung der geführten Welle kann man sich anschaulich als Folge von Totalreflektionen an den Grenzflächen zum Material mit kleinerem Brechungsindex vorstellen (Abb. 3.2.1). In diesem einfachen Bild gibt es für den Winkel, unter dem das Licht auf die Grenzfläche auftrifft, keine Einschränkung (er muss nur über dem Totalreflektionswinkel liegen), d.h. es existiert eine Vielzahl von geführten Moden - 85 - im Wellenleiter. Dies ist allerdings nicht richtig, da die Wellennatur des Lichts völlig vernachlässigt wird. Abbildung 3.2.1: Einfaches Modell der Wellenführung in einem Schichtwellenleiter. Das Licht wird an den Grenzflächen total reflektiert. Eine genauere Betrachtung erfordert eine Lösung der Maxwellgleichungen. Das Feld hängt nicht von der x-Koordinate ab, wir wählen daher als Ansatz für die geführte Mode im Wellenleiter: E ( y, z ) E0 ( y )e i ( z t ) (3.2.1) Diesen Ansatz setzen wir in die Wellengleichung 1.1.4 ein und erhalten die zeitunabhängige Helmholtzgleichung: 2 E ( y) 2 2 k n y E ( ) ( y) 0 0 y 2 k0 ist die Wellenzahl im Vakuum, k 0 (3.2.2) 2 0 . Gleichung 3.2.2 ist mathematisch identisch mit der Schrödingergleichung: 2 2 V 2m x 2 => 2 2m 2 ( E V ) 0 x 2 (3.2.3) Der Schichtwellenleiter ist damit äquivalent zum endlichen 1D Potentialtopf der Quantenmechanik. Wir können daher den Lösungsansatz und die Struktur der Lösung übernehmen. Beim Wellenleiter ist allerdings noch die Polarisation des Lichts zu beachten. Beim Schichtwellenleiter gibt es Lösungen für TE polarisiertes Licht ( E parallel zu den Grenzflächen) und TM polarisiertes Licht ( E senkrecht zu den Grenzflächen). Abb. 3.2.2 zeigt die beiden möglichen Polarisationen. TM – Polarisation TE – Polarisation Abbildung 3.2.2: Orientierung des elektrischen Feldvektors für TE und TM polarisierte Moden eines Schichtwellenleiters. Die hellgraue Schicht ist der Wellenleiterkern, die dunkelgrauen Schichten die Mantelschichten. - 86 - Je nach Polarisation ergeben sich an den Grenzflächen unterschiedliche Randbedingungen. So ist bei TE Polarisation das elektrische Feld E an den Grenzflächen stetig, bei TM Polarisation ist die dielektrische Verschiebung D stetig. Im Folgenden beschränken wir uns auf TE polarisiertes Licht. Für die drei Bereiche des Wellenleiters ergeben sich die folgenden Gleichungen: (I) (II) (III) 2 2 k 02 n12 2 E1 ( y ) 0 y 2 2 k 02 n22 2 E 2 ( y ) 0 y (3.2.4) 2 2 k 02 n32 2 E3 ( y ) 0 y Als Ansatz werden abschnittsweise definierte Funktionen verwendet: (I) (II) E1 ( y ) A1e py E2 ( y ) A2 cos(qy ) A3 sin(qy ) (III) E3 ( y ) A4 e ry (3.2.5) Abb. 3.2.3 zeigt schematisch den Feldverlauf einer geführten Mode in einem Schichtwellenleiter der Dicke d. Als Randbedingung setzt man an, dass die Felder bei großem Abstand vom Wellenleiterkern gegen Null gehen, was durch die Wahl des Vorzeichens im Exponenten der Funktion gewährleistet wird (p und r sind positiv). Abbildung 3.2.3: Feldverlauf einer geführten Mode in einem Schichtwellenleiter. Das Feld klingt in den Mantelschichten (I) und (III) exponentiell ab. - 87 - Einsetzen von 3.2.5 in die Differentialgleichungen liefert: (I) p 2 n12 k02 2 (II) q 2 n22 k02 2 (III) r n k 2 2 2 3 0 (3.2.6) 2 Wir beschränken uns nun auf symmetrische Wellenleiter (n1 = n3). In diesem Fall ist r=p=weiterhin setzt man kx=q. Die möglichen Lösungen können in zwei Kategorien eingeteilt werden: symmetrische (gerade) und antisymmetrische (ungerade) Lösungen: (I) (II) E1 ( y ) A1e y E2 ( y ) A2 cos(k x y ) symmetrische Lösungen (III) E3 ( y ) A1ey (I) (II) E1 ( y ) A1e y E2 ( y ) A2 sin( k x y ) (III) E3 ( y ) A1ey (3.2.7) antisymmetrische Lösungen (3.2.8) Für gerade Lösungen ergeben sich aus den Stetigkeitsbedingungen der Feldstärke und der Ableitung der Feldstärke an den Grenzflächen (y=-d/2 und y=d/2) folgende Zusammenhänge: E1 (d / 2) E2 (d / 2) => A1ed / 2 A2 cos(k x d / 2) (3.2.9) dE1 dy y d / 2 dE2 dy => A1e d / 2 k x A2 sin(k x d / 2) yd / 2 Für ungerade Lösungen erhält man: E1 (d / 2) E2 (d / 2) => A1e d / 2 A2 sin(k x d / 2) (3.2.10) dE1 dy y d / 2 dE2 dy => A1e d / 2 k x A2 cos(k x d / 2) yd / 2 Division der beiden Gleichungen 3.2.9 bzw. 3.2.10 durcheinander und Multiplikation mit d liefert: d (k x d ) tan(k x d / 2) d (k x d ) cot(k x d / 2) für gerade Lösungen für ungerade Lösungen (3.2.11) mit cot( ) tan können beide Gleichungen zu einer zusammengeführt werden: 2 kxd m 2 2 d k x d tan mit m= 0, 1, 2, … - 88 - (3.2.12) Bei Beschränkung von kxd auf den Bereich zwischen 0 und können damit die Lösungen durchnummeriert werden. m=0, 2, 4, .. entspricht den geraden, m=1, 3, 5, … den ungeraden Lösungen. Wir benötigen zur Bestimmung von kx und noch eine zweite Gleichung. Dazu subtrahieren wir die beiden ersten Gleichungen von 3.2.6 voneinander und multiplizieren mit d2. Man erhält: (d ) 2 (k x d ) 2 (n22 n12 )(k 0 d ) 2 (3.2.13) Beide Gleichungen müssen simultan erfüllt werden. Eine analytische Lösung ist nicht möglich ist, die Lösungen lassen jedoch leicht graphisch bestimmen. Dazu trägt man wie in Abb. 3.2.4 gezeigt d gegen kxd auf. Gleichung 3.2.12 liefert eine Schar von tan Funktionen mit einem Abstand von /2, Gleichung 3.2.13 definiert einen (Viertel-) Kreis mit dem Radius u k0 d n22 n12 . Die Lösungen ergeben sich aus den Schnittpunkten der entsprechenden Kurven (graue Punkte in Abb. 3.2.4). 12 u = 10 10 u=8 8 d m=3 m=2 m=1 m=0 u=6 6 u=4 4 u=2 2 0 0 2 4 6 8 10 12 kx d Abbildung 3.2.4: Graphische Lösung der Gleichungen zur Bestimmung von und kx. Man erkennt, dass es immer einen Schnittpunkt zwischen dem Viertelkreis und der ersten tan Kurve (m=0) gibt. Der Wellenleiter besitzt also mindestens eine geführte Mode, die sogenannte Fundamentalmode des Wellenleiters. Bei Vergrößerung des Brechungsindexkontrasts zwischen Kern und Mantelschicht, bei Vergrößerung der Wellenleiterdicke - 89 - oder bei kleineren Wellenlängen wird u größer. In diesem Fall können weitere Schnittpunkte und damit weitere Lösungen hinzukommen. Die Zahl m gibt dabei die Zahl der Knoten in der Feldverteilung an. Die Fundamentalmode hat keine Knoten (m=0), die höheren Moden besitzten eine zunehmende Anzahl von Knoten. Abb. 3.2.5 zeigt den Feldverlauf der Moden für drei verschiedene Werte von m. Abbildung 3.2.5: Feldverteilung der Fundamentalmode (m=0) und zweier höherer Moden (m=1,2) in einem Schichtwellenleiter 3.3. Dispersion und effektiver Brechungsindex Durch Einsetzen von bzw. kx in 3.2.6 kann man die Ausbreitungskonstante berechnen. Trägt man die Frequenz gegen die Ausbreitungskonstante auf, so erhält man die Dispersionsrelation des Wellenleiters. Für ein homogenes Material mit konstantem Brechungsindex ist die Dispersion durch eine einfache Gerade gegeben (siehe Abschnitt 1.1): c n (3.3.1) Die Dispersion der Wellenleitermoden liegt zwischen den Dispersionslinien von Wellenleiterkern und Cladding. In Abb. 3.3.1 ist die Dispersion für einen Wellenleiter mit einem Halbleiterkern (n=3) und einem Cladding aus Luft (n=1) dargestellt. Die Fundamentalmode existiert bis zu beliebig kleinen Frequenzen und Ausbreitungskonstanten, die höheren Moden werden erst ab bestimmten Frequenzen geführt. Bei kleinen Ausbreitungskonstanten (großen Wellenlängen) reicht die Fundamentalmode weit in die Claddingschichten hinein und die Dispersion der Mode liegt eng an der Dispersion des Claddingmaterials. Für größere Ausbreitungskonstanten (kleinere Wellenlängen) zieht sich die Mode mehr und mehr in den Kern des Wellenleiters zurück und ihre Dispersion nähert sich der des Kernmaterials an. Das gleiche Verhalten zeigen auch die höheren Moden. - 90 - Abbildung 3.3.1: Dispersion und Feldverteilung von drei Moden eines Schichtwellenleiters. Die schwarzen Punkte am Beginn der Dispersionskurven für m=1 und m=2 markieren den Bereich, ab dem die Mode geführt ist. Überhalb der Dispersion für n=1 liegen die sogenannten Strahlungsmoden (radiation modes). Bei Strahlungsmoden fällt das Feld nicht exponentiell in den Claddingschichten ab, sondern zeigt auch hier ein oszillierendes Verhalten. In der Quantenmechnik entsprechen Strahlungsmoden Zuständen, die eine Energie oberhalb der Barriere des endlichen Potentialtopfs besitzten und damit nicht lokalisiert sind. Analog zu Formel 3.3.1 kann man nun jeder Mode einen effektiven Brechungsindex zuordnen: neff c (3.3.2) Für homogene Materialien ist neff = n. Abb. 3.3.2 zeigt den Verlauf des effektive Brechungsindex für drei Moden eines Schichtwellenleiters. Abbildung 3.3.2: Effektiver Brechungsindex für drei Moden eines symmetrischen Schichtwellenleiters. Bei kleinen Ausbreitungskonstanten liegt der effektive Brechungsindex nahe an dem der Claddingschicht (n1), für größere Ausbreitungskonstanten nähert er sich immer mehr dem des Wellenleiterkerns (n2) an. - 91 - 3.4. Asymmetrischer Schichtwellenleiter Beim asymmetrischen Schichtwellenleiter mit Brechungsindices n1 < n3 < n2 kann man die Lösungen nicht mehr in gerade und ungerade Lösungen unterteilen, da der Wellenleiter keine Symmetrieebene mehr besitzt. Ein einfache Möglichkeit zur Bestimmung des effektiven Brechungsindex (und damit der Feldverteilung) ist ein graphisches Verfahren, bei dem der Wert aus einem Diagramm abgelesen wird. Dazu berechnet man zunächst die normierte Frequenz u k 0 d n22 n32 und den Asymmetrieparameter n32 n12 a 2 n2 n32 (n1 = n3 zu Null). Aus Abb. 3.4.1 kann man dann den Ausbreitungsparameter b 2 neff n12 n22 n32 ablesen, aus dem der effektive Brechungsindex bestimmt werden kann. Abbildung 3.4.1: Diagramm zu Bestimmung des Ausbreitungsparameters b eines asymmetrischen Schichtwellenleiters - 92 - 3.5 Füllfaktor Der Füllfaktor einer Schicht im Wellenleiters ist definiert als der Anteil der Intensität, der in dieser Schicht geführt wird. Die Intensität hängt quadratisch von der Feldstärke ab (siehe Formel 1.2.1). Für den Füllfaktor des Wellenleiterkern ergibt sich: d /2 d /2 I ( y)dy d / 2 I ( y)dy 1 2 0 r ( y ) E ( y ) dy 2 d / 2 1 2 2 0 r ( y) E ( y) dy d /2 E ( y) 2 E ( y) 2 dy d / 2 (3.5.1) dy Für die letzte Näherung nimmt man an, dass sich die Brechungsindices (und damit die relativen Dielektrizitätskonstanten) im Wellenleiter nicht stark unterscheiden und daher als konstant angenommen werden können. Für einen symmetrischen Wellenleiter kann der Füllfaktor analytisch ausgedrückt werden: 1 2d / u 2 1 2 / d (3.5.2) 2 Mit u k 0 d n22 n12 und k 0 neff n12 Für kleine Brechungsindexunterschiede gilt folgende Näherung: u2 2 u2 (3.5.3) In diese Näherungsformel gehen über u nur direkt bekannte Größen in die Gleichung ein, verwendet man Gleichung 3.5.2 so muss zunächst noch der effektive Brechungsindex neff bestimmt werden. Abb 3.5.1 zeigt den Füllfaktor des Kern eines Schichtwellenleiters für verschiedene Parameter. Abbildung 3.5.1: Füllfaktor des Wellenleiterkern eines symmetrischen Schichtwellenleiters mit n2=3.6 und n1=n3=3.3-3.55. Die gestrichelte Linie ist die Näherung 3.5.3. - 93 -